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ZUm thema<br />

8<br />

Auch Gehörlose haben<br />

sich viel zu erzählen<br />

Sr. Brigitte Kolb berichtet von ihren erfahrungen an einer Sonderschule in ruhuwiko<br />

von Sr. Brigitte Kolb<br />

„Wer nicht hören will, muss fühlen“: Wir<br />

kennen diese Redewendung. Damit wollen<br />

wir sagen, wer nicht auf die Ratschläge<br />

oder Mahnungen erfahrener Menschen<br />

hört, muss durch eigene Erfahrung, vielleicht<br />

sogar auf bittere Weise, lernen.<br />

Wenn ich nun etwas von meiner Zeit in<br />

Tansania erzähle, die ich mit gehörlosen<br />

Kindern und Jugendlichen verbracht habe,<br />

geht es natürlich nicht um jemand, der<br />

nicht hören will, sondern um Kinder, die<br />

nicht hören können.<br />

Anhören, zuhören, überhören, weghören,<br />

abhören, jemanden aushorchen... Sie merken,<br />

hören hat etwas mit Kommunikation<br />

und dem Erwerb von Wissen zu tun.<br />

Hören und Sprechen gehören zusammen.<br />

Die Sprache lernt ein Kind zuerst über das<br />

Gehör. Das Ohr ist das älteste Sinnesorgan<br />

nicht nur hinsichtlich der gesamten<br />

Evolution der Lebewesen, sondern auch<br />

in der Lebensgeschichte jedes einzelnen<br />

Menschen. In der vierten Woche beginnt<br />

der Embryo mit der Entwicklung seiner Ohren,<br />

die nach viereinhalb Monaten schon<br />

ausgebildet sind.<br />

Mit Hilfe des Hörsinns können wir Geräusche,<br />

Stimmen, Töne und Klänge<br />

wahrnehmen und unterscheiden. Es dient<br />

uns zur Orientierung, es warnt uns vor<br />

Gefahren und ermöglicht uns, in Kommunikation<br />

zu anderen Menschen zu treten.<br />

Im Laufe ihrer Entwicklung lernen Kinder,<br />

Geräusche zu unterscheiden, die Richtung<br />

zu erkennen, aus der sie kommen, und auch<br />

zu wissen, was das Geräusch bedeutet. Hören<br />

liefert Informationen, macht neugierig<br />

und lässt uns am Leben anderer teilhaben.<br />

Ein hoch komplexes<br />

Sinnesorgan<br />

Das Ohr ist ein hoch komplexes Sinnesorgan.<br />

Auf der einen Seite ist es fähig, ganz<br />

leise, zarte Töne wahrzunehmen, während<br />

es auf der anderen Seite starken Schallwellen<br />

wie bei einem Presslufthammer oder<br />

lauter Disco-Musik standhalten kann. Darüber<br />

hinaus ist es sogar fähig, aus vielen<br />

verschiedenen Geräuschen ein ganz<br />

besonderes wahrzunehmen, zum Beispiel<br />

aus dem Geplauder vieler Frauenstimmen<br />

die Stimme der Mutter. Auch das Hör-<br />

Gedächtnis spielt eine wesentliche Rolle,<br />

denn was man gehört hat, kann man sich<br />

auch besser merken. Über das Gehör lernen<br />

wir sprechen.<br />

Aber wie ist das, wenn ein Kind gehörlos<br />

ist? Wie ist es, wenn es mit seinen Ohren<br />

Geräusche, Musik und Sprache nicht hört?<br />

Ich habe 15 Jahre lang gehörlose Kinder in<br />

Ruhuwiko unterrichtet, einer Missionsstation<br />

der Untermarchtaler Vinzentinerinnen in<br />

Tansania. Dazu möchte ich Ihnen einiges<br />

von meinen Erfahrungen erzählen.<br />

Meine erste Begegnung mit den gehörlosen<br />

Kindern in Ruhuwiko hatte ich, kaum<br />

dass ich dort angekommen war. Es war<br />

im November 1991 kurz vor den Ferien.<br />

Da versammelten sich die Schüler, Lehrer<br />

und Erzieherinnen im Speisesaal. Der<br />

stellvertretende Schulleiter sprach zu den<br />

Schülern über das, was sie nun erwartet<br />

und legte ihnen ans Herz, zu Hause<br />

mitzuhelfen und beim Essenschöpfen an<br />

die anderen Familienmitglieder zu denken.<br />

Jeremias, der Schulsprecher, hat alles mit<br />

Pantomime und Gebärden für seine Mitschüler<br />

übersetzt. Es war stellenweise sehr<br />

humorvoll und äußerst lebendig.<br />

Sr. Brigitte Kolb mit einer 1. Klasse auf dem Schulhof<br />

Mehrmals im Lauf der Jahre hatte ich<br />

eine erste Klasse und unterrichtete diese<br />

drei Jahre lang, um dann wieder neu mit<br />

einer ersten Klasse anzufangen. Es war<br />

spannend, zehn bis zwölf gehörlose Kinder<br />

ohne jegliche schulische Vorbildung<br />

zum Sprechen, Lesen und Schreiben zu<br />

bringen und ihnen den Zahlbegriff und

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