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Sächsische Kulinaria und regionale Identität - Landwirtschaft in ...

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Hält die Traditionsküche den E<strong>in</strong>fluss fremder Zutaten ohne <strong>Identität</strong>sverlust<br />

aus? Wahrsche<strong>in</strong>lich ja, denn historisch gesehen hat es die Ethno Küche schon<br />

immer gegeben.<br />

Im Alltag zeigt sich, obwohl japanische, spanische, griechische, türkische,<br />

italienische oder thailändische Lokale bemerkenswerten Zulauf haben, trotz<br />

Gänseleberpastete, Kaviar, T<strong>in</strong>tenfisch <strong>und</strong> Wachteleiern im Delikatessenladen,<br />

53% der Deutschen wollen nicht auf die ihnen vertraute Hausmannskost<br />

verzichten.<br />

Andererseits kennen zwar 75% der Befragten verschiedene traditionellen<br />

Gerichte, aber 30% davon bestätigen gleichzeitig, dass sie solche selbst nur noch<br />

ganz selten essen.<br />

E<strong>in</strong> re<strong>in</strong> sächsisches <strong>Identität</strong>sproblem ist das allerd<strong>in</strong>gs nicht.<br />

Auch außerhalb Deutschlands wird unter traditionellen Köchen <strong>und</strong><br />

Gastrosophen ganz offen <strong>und</strong> leidenschaftlich darüber diskutiert, ob die<br />

klassische oder ursprüngliche Küche, also Urgroßmutters heilige<br />

Liebl<strong>in</strong>gsspeisen, durch Beimischungen fremdländischer Gewürze oder Lebens<strong>und</strong><br />

Genussmittel sozusagen entweiht <strong>und</strong> damit die <strong>Identität</strong> verdrängt wird.<br />

Schlimmstenfalls wäre das Resultat e<strong>in</strong> über<strong>regionale</strong>r kul<strong>in</strong>arischer E<strong>in</strong>heitsbrei<br />

ohne erkennbare Geschmacksunterschiede <strong>und</strong> <strong>Identität</strong> zur Heimat.<br />

Konservative Essphilosophen verweisen auf den Supergau <strong>in</strong> der <strong>regionale</strong>n<br />

<strong>Kul<strong>in</strong>aria</strong>, herbeigeführt durch die sogenannten jungen Wilden, oder besonders<br />

ehrgeizige Köche, die noch e<strong>in</strong>mal auf sich aufmerksam machen wollen <strong>und</strong><br />

deshalb traditionelle Rezepte wahllos mit maritimen, asiatischen oder<br />

orientalischen Zutaten zu e<strong>in</strong>er angeblich neuen Regionalküche komb<strong>in</strong>ieren.<br />

Ganz schlimme Kritiker nicken zustimmend <strong>und</strong> behaupten, die <strong>Identität</strong> mit<br />

den heimatlichen Speisen sei <strong>in</strong> Gefahr, weil es heute an der kul<strong>in</strong>arischen<br />

Kompetenz, dem Respekt vor der Tradition <strong>und</strong> dem <strong>in</strong>neren Gefühl für<br />

Geschmacksharmonie beim Kochen fehlen würde.<br />

Alles Uns<strong>in</strong>n, meldet sich das von so viel Ignoranz gedemütigte Kulturressort <strong>in</strong><br />

unserem Denkzentrum, fremde Zutaten hat es notwendigerweise immer<br />

gegeben, Essen ist schließlich Kultur, <strong>und</strong> die Kultur anderer Völker lernt man<br />

ganz gut über deren Speisen kennen.<br />

Lokalpatrioten laufen <strong>in</strong> der Fremde spontan zur Hochform auf, wenn sie auf<br />

e<strong>in</strong>er Speisekarte Namen von Gerichten aus ihrer Heimat lesen.<br />

Plötzlich riecht man das Essen, sieht die Wohnstube vor sich, <strong>in</strong> der gespeist<br />

wurde, er<strong>in</strong>nert sich an die teilnehmenden Personen, die E<strong>in</strong>zelheiten der<br />

heimatlichen gedeckten Familientafel <strong>und</strong> die vertraute Landschaft, <strong>in</strong> der man<br />

erwachsen wurde.<br />

Ethnologen, Anthropologen, Soziologen <strong>und</strong> Psychologen haben geme<strong>in</strong>sam<br />

versucht, die Zusammenhänge von vertrauten Speisen <strong>und</strong> persönlicher <strong>Identität</strong><br />

auf subjektive erbliche Veranlagungen zu reduzieren.<br />

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