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Gegen den Trend März 2013 - Dekanat Würzburg

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SchwerpunktThema 5<br />

„Was wir tun, ist vielleicht nicht legal, aber legitim“<br />

Für diesen Satz, <strong>den</strong> ich zu Beginn des „Kirchenasyls“<br />

in der Katholischen Hochschulgemeinde im<br />

Mai 2012 bei einer Pressekonferenz äußerte, haben<br />

wir nicht nur Zustimmung geerntet. Kritik kam vor<br />

allem von Seiten der zuständigen Behör<strong>den</strong>. Dabei<br />

haben wir von Anfang an betont, dass sich diese<br />

Maßnahme nicht gegen die Behör<strong>den</strong> richtete. Es<br />

ging uns auch nicht darum, <strong>den</strong> Rechtsstaat in<br />

Frage zu stellen, sondern wir wollten mit dem „Kirchenasyl“<br />

eine erneute Prüfung der besonderen<br />

Situation eines konkreten Menschen, der sich in<br />

einer außeror<strong>den</strong>tlichen Notsituation befand, erreichen.<br />

Ich erinnere mich an ein Telefonat mit einer<br />

Regierungsbeamtin, die mir wenige Tage nach Aufnahme<br />

des „Kirchenasyls“ vorhielt: Das könne es<br />

nicht geben, dass eine Handlung, die dem Gesetz<br />

widerspreche, legitim sei. Auf Unverständnis stieß<br />

bei ihr meine Überzeugung, dass es in der Tat auch<br />

in einem Rechtsstaat Situationen gibt, in <strong>den</strong>en das<br />

Gewissen von Christen in Widerspruch zu staatlichen<br />

Regelungen und Maßnahmen geraten und zu<br />

Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen führen<br />

WEITERE VERANSTALTUNGEN<br />

Fr 8. 3.<br />

18.00 Evang.-Luth. Gna<strong>den</strong>kirche, Sanderau,<br />

Danziger Str. 10: Verabschiedung des Wandernagelkreuzes<br />

im Rahmen einer ökumenischen<br />

Passionsandacht<br />

Sa 16. 3.<br />

9.00 St. Kiliansdom: Requiem für die Opfer des<br />

16. <strong>März</strong> 1945, anschließend gemeinsamer Gang<br />

zum Hauptfriedhof und zur Versöhnungsglocke<br />

Sa., 16. 3. und So., 17. 3. 14.30 Fürstenbaumu<br />

se um (Festung Marienberg): „Als auf <strong>Würzburg</strong><br />

Feuer fiel“ – Zur Zerstörung der Stadt am<br />

16. <strong>März</strong> 1945. Familienführung ab 9 Jahren<br />

mit Gesine Kleinwächter. Eintritt: Museum inkl.<br />

Führung 6,– €, Kinder 1,50 €<br />

18.00 Rathaus <strong>Würzburg</strong> – Ratssaal: Vortrag<br />

von Em. Prof. Dr. Andrew Rigby Gründungsmitglied<br />

des Studiengangs „Frie<strong>den</strong> und Versöhnung“<br />

an der Universität von Coventry. Eintritt<br />

frei – Dauer 60 Minuten, in englischer Sprache<br />

mit deutscher Übersetzung<br />

20.00 St. Kiliansdom: „Musik baut Brücken der<br />

Versöhnung“. Orgelkonzert im Ge<strong>den</strong>ken an die<br />

Zerstörung der Städte <strong>Würzburg</strong> (16. <strong>März</strong> 1945)<br />

und Coventry (14./15. November 1940). Laurence<br />

Lyndon-Jones, Organist der Kathedrale<br />

von Coventry. Eintritt frei<br />

21.20–21.40 Mahnläuten aller Glocken <strong>Würzburg</strong>s<br />

zum Ge<strong>den</strong>ken an <strong>den</strong> Zeitraum des Luftangriffs<br />

am 16. <strong>März</strong> 1945<br />

21.15 bis Mitternacht Marienkapelle am Markt:<br />

Stille und Gebet. Die Marienkapelle ist mit ihrem<br />

Nagelkreuz aus Coventry zu stillem Ge<strong>den</strong>ken<br />

und Gebet geöffnet.<br />

n<br />

kann. Bei der Begründung des Kirchenasyls für<br />

<strong>den</strong> aus Äthiopien stammen<strong>den</strong> Flüchtling Ebrahim<br />

Akmel Temam haben wir uns ausschließlich auf<br />

unser Gewissen berufen. Die Entscheidung war für<br />

uns eine Form der praktizierten Nächstenliebe und<br />

zugleich eine Form des prophetischen Auftrags der<br />

Christen. Es ging nicht um ein politisches Signal<br />

oder um Widerstand gegen die Staatsgewalt, sondern<br />

um humanitären Beistand im Einzelfall vor dem<br />

Hintergrund unserer christlichen Überzeugung.<br />

Im „Gemeinsamen Wort der Kirchen zu <strong>den</strong><br />

Herausforderungen durch Migration und Flucht“<br />

von 1997 heißt es: „Es ist von ihrem Selbstverständnis<br />

her Aufgabe der Kirchen, immer dort mahnend<br />

einzugreifen, wo Rechte von Menschen verletzt<br />

sind und sich eine kirchliche Beistandspflicht<br />

für bedrängte Menschen ergibt. Die Praxis des sogenannten<br />

‚Kirchenasyls‘ ist nicht zuletzt auch eine<br />

Anfrage an die Politik, ob die im Asyl- und Ausländerrecht<br />

getroffenen Regelungen in jedem Falle die<br />

Menschen, die zu uns gekommen sind, beschützen<br />

und vor Verfolgung, Folter oder gar Tod bewahren.<br />

Kirchengemein<strong>den</strong>, die sich für die Verwirklichung<br />

dieser Menschen- und Grundrechte einsetzen (…),<br />

verdienen für ihr Eintreten für ethische Prinzipien,<br />

die zu <strong>den</strong> Grundlagen unseres Glaubens gehören,<br />

grundsätzlich Unterstützung und Anerkennung.“<br />

Im konkreten Fall haben wir als Christen mahnend<br />

auf einen Missstand in der Asylgesetzgebung<br />

reagiert: Aus unserer Sicht wurde Ebrahim<br />

auf Grundlage der Dublin-II-Verordnung, nach der<br />

Malta für ihn zuständig war, seitens der Bundesrepublik<br />

Deutschland nicht ausreichend Schutz<br />

gewährt. Humanität aber durfte nach unserer Überzeugung<br />

nicht an diesen Grenzen der Zuständigkeit<br />

en<strong>den</strong>. Deshalb haben wir uns dafür entschie<strong>den</strong>,<br />

ihm bis zu dem Zeitpunkt „Kirchenasyl“ zu gewähren,<br />

ab dem die Behör<strong>den</strong> der Bundesrepublik als<br />

zuständige Behör<strong>den</strong> nach dem hier gelten<strong>den</strong><br />

Ausländerrecht handeln und ausreichen<strong>den</strong> Schutz<br />

gewährleisten. Das Bundesamt für Migration und<br />

Flüchtlinge hat uns kurz vor Weihnachten recht<br />

gegeben und anerkannt, dass die besondere psychische<br />

Belastung Ebrahims in Malta und auch in<br />

Deutschland bislang nicht ausreichend gewürdigt<br />

wor<strong>den</strong> war. Und die oberste Behörde hat für die<br />

Bundesrepublik <strong>den</strong> sogenannten Selbsteintritt erklärt<br />

– das heißt, Deutschland übernimmt freiwillig<br />

das Verfahren von Malta. Ebrahim kann hier einen<br />

Asylantrag stellen.<br />

Für viele Studierende sowie für Hauptamtliche<br />

im KHG-Team, die sich mit Herz und Verstand in der<br />

Begleitung Ebrahims engagiert haben, brachten<br />

diese sieben Monate „Kirchenasyl“ eine Erfahrung,<br />

die sie so schnell nicht vergessen wer<strong>den</strong>. Der positive<br />

Ausgang war für uns alle eine Vergewisserung,<br />

dass sich Zivilcourage auch gegenüber rechtsstaatlichen<br />

Institutionen lohnt, wenn es darum geht,<br />

<strong>den</strong> Staat an seine eigenen Prinzipien zu erinnern<br />

und einem Menschen in Not beizustehen. Für mich<br />

persönlich verband sich am Ende damit auch die<br />

Bestätigung des Satzes, der ganz am Anfang stand:<br />

„Was wir tun, ist vielleicht nicht legal, aber legitim.“<br />

Burkhard Hose n

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