Antiziganismus – Vergangenheit und Gegenwart - Amadeu Antonio ...
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Foto: iz3w-Archiv<br />
Gefährliche Vereinfachungen<br />
Die Militarisierung europäischer Entwicklungspolitik in Mali<br />
10<br />
Jahrzehntelang galt Mali der EU als verlässlicher Partner <strong>und</strong> als Referenzland<br />
für entwicklungspolitisches Engagement im Sahel. In den letzten Jahren veränderten<br />
sich die politischen Rahmenbedingungen. Seit den kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen ab Frühjahr 2012 wird gar über militärische Interventionen<br />
diskutiert.<br />
von Stefan Brocza<br />
tt<br />
Im März 2012 fand in Mali ein Militärputsch<br />
statt. Als Gr<strong>und</strong> nannten die Putschisten die<br />
Unfähigkeit des malischen Präsidenten Amadou<br />
Touré, den Aufstand der Tuareg-Rebellen<br />
im Norden des Landes (Azawad) unter Kontrolle<br />
zu bekommen. Während man sich nach<br />
wenigen Wochen auf einen Übergangspräsidenten<br />
<strong>und</strong> eine Rückkehr zu geordneten<br />
politischen Verhältnissen einigte, nahmen die<br />
Kämpfer der »Nationalen Bewegung für die<br />
Befreiung des Azawad« (MNLA) weitere Städte<br />
ein <strong>und</strong> die malischen Streitkräfte zogen<br />
sich aus dem Norden zurück. Am 6. April erklärte<br />
die MNLA einseitig die Unabhängigkeit<br />
des Azawad. Unklar scheinen die Verbindungen<br />
zwischen Tuareg <strong>und</strong> radikalen islamischen<br />
Gruppen in der Region. Zu Beginn des Aufstands<br />
soll die MNLA noch gegen diese Gruppierungen<br />
gekämpft haben, in der Folge wurde<br />
aber immer wieder von gemeinsamen<br />
Operationen berichtet. Die Islamisten haben<br />
die Tuareg aus einigen Städten vertrieben <strong>und</strong><br />
teilweise die Sharia ausgerufen.<br />
Die Sahelregion, in deren Zentrum Mali<br />
liegt, geriet jedoch schon vor den aktuellen<br />
Ereignissen <strong>und</strong> der de facto-Teilung des Landes<br />
ins Blickfeld der EU. Seit gut fünf Jahren<br />
befassen sich die europäischen Gremien immer<br />
stärker mit sicherheitspolitischen Fragestellungen.<br />
Ergebnis war im Frühjahr 2011<br />
die Verabschiedung der »Strategie für Sicherheit<br />
<strong>und</strong> Entwicklung im Sahel«. Sie bezieht<br />
sich auf Mauretanien, Mali <strong>und</strong> Niger, soll<br />
aber auch deren Nachbarstaaten Algerien,<br />
Libyen <strong>und</strong> Marokko mit einbeziehen. Auswirkungen<br />
werden auch auf Burkina Faso,<br />
Nigeria <strong>und</strong> Tschad angenommen.<br />
Europäische Interessen schützen<br />
tt<br />
Die Gr<strong>und</strong>probleme des Sahel werden in<br />
der Strategie so identifiziert: »…extreme Armut,<br />
regelmäßige Hungersnöte, schnelles<br />
Bevölkerungswachstum, fragile Regierungstätigkeit,<br />
ungeklärte innere Spannungen, die<br />
Gefahr islamistischer Rekrutierung, illegaler<br />
Handel <strong>und</strong> Gefährdungen in Verbindung mit<br />
Terrorismus«. Diese Probleme würden »zunehmend<br />
den Interessen europäischer Bürger<br />
entgegenstehen«. Als vorrangiges Ziel der<br />
Strategie wird festgeschrieben: »Ein dringendes<br />
<strong>und</strong> unmittelbares Ziel ist der Schutz<br />
europäischer Bürger <strong>und</strong> Interessen, die<br />
Prävention von Anschlägen der ‚Al-Qaida im<br />
Islamischen Maghreb‘ (AQIM) auf dem Territorium<br />
der EU, die Reduzierung <strong>und</strong> Eindämmung<br />
des Handels mit Drogen <strong>und</strong> anderer<br />
Formen illegalen Handels, der für<br />
Europa bestimmt ist, die Sicherung des rechtmäßigen<br />
Handels, der Verbindungswege<br />
durch den Sahel (Straßen, Pipelines) <strong>und</strong> existierender<br />
ökonomischer Interessen sowie die<br />
Schaffung einer Gr<strong>und</strong>lage für Handel <strong>und</strong><br />
Investitionen aus der EU.«<br />
Mit dieser strategischen Festschreibung hat<br />
die EU ihren bisherigen Weg der Entwicklungszusammenarbeit<br />
verlassen <strong>und</strong> ihre Interessen<br />
in der Sahelregion in drei Kategorien neu festgeschrieben:<br />
Bekämpfung von Terrorismus<br />
<strong>und</strong> organisierter Kriminalität, Abwehr illegaler<br />
Einwanderung <strong>und</strong> Energiesicherheit. Die<br />
Bedeutung der ersten Kategorie hat mit den<br />
Ereignissen seit Januar 2012 massiv zugenommen.<br />
Der Norden Malis (wie auch der Norden<br />
von Mauretanien <strong>und</strong> Niger) war zwar schon<br />
in der <strong>Vergangenheit</strong> immer wieder der zentralstaatlichen<br />
Kontrolle entzogen. Nach dem<br />
Putschversuch ist diese Region nun aber vollständig<br />
in der Hand milizartiger Bewegungen,<br />
von denen nicht alle, aber einige Al Qaida <strong>und</strong><br />
dem Dschihadismus zuzurechnen sind. In<br />
Brüssel besteht die Befürchtung, dass ein riesiges<br />
Rückzugs- <strong>und</strong> Trainingsgebiet für islamistische<br />
Terroristen entsteht.<br />
iz3w • Januar / Februar 2013 q 334