Antiziganismus – Vergangenheit und Gegenwart - Amadeu Antonio ...
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einer Roma-Familie <strong>und</strong> legen Feuer | Oktober 2011, Krosnica: Anschlag m<br />
Das Roma-Mädchen Crystal auf einer Zeitreise in das 16. Jahrh<strong>und</strong>ert. Szene aus dem Theaterstück »Crystal’s Vardo« von Suzanna King<br />
Foto: S. King<br />
»Zigeunerin« nicht klar ein. Beispielsweise<br />
hält sie sich nicht an eine geschlechtsspezifische<br />
Kleiderordnung <strong>und</strong> Verhaltensweise.<br />
Es gibt sowohl das Bild der hosentragenden<br />
<strong>und</strong> rauchenden »Zigeunerin«<br />
<strong>und</strong> der verführerisch<br />
tanzenden »Zigeunerin« im<br />
weiten Rock. Damit entspricht<br />
sie dem männlichen<br />
<strong>und</strong>/oder dem weiblichen<br />
Geschlechterstereotyp. In<br />
der vermeintlich matriarchalischen Gesellschaftsordnung<br />
der »Zigeuner« bleiben Frauen<br />
nicht im verborgenen, häuslichen Sektor,<br />
wie es vom patriarchalischen Rollenverständnis<br />
erwartet wird.<br />
Naturnahe Unreinheit<br />
tt<br />
Für Rafaela Eulberg finden sich auch Parallelen<br />
zwischen der Konstruktion einer<br />
weiblichen Identität <strong>und</strong> einer spezifischen<br />
Zigeuneridentität. Frauen <strong>und</strong> »Zigeunern«<br />
wird gleichermaßen Naturnähe zugeschrieben,<br />
beide gelten als schmutzig. So werden<br />
Frauen gerade in der Phase ihrer Menstruation<br />
als »unrein« angesehen <strong>und</strong> ein Ekel vor<br />
weib lichen Körperflüssigkeiten ist nicht selten.<br />
Zudem werden sowohl Frauen als auch<br />
»Zigeunern« Emotionalität, Irrationalität <strong>und</strong><br />
übersinnliche Kräfte zugeschrieben.<br />
Die Sozialwissenschaftlerin Elizabeta Jonuz<br />
schreibt über Roma-Frauen: »Sie wurden als<br />
Angehörige ihres Volkes verfolgt, fielen der<br />
Hexenverfolgung zum Opfer <strong>und</strong> galten<br />
als sexuell attraktive<br />
Frauen, wodurch sie<br />
sowohl für den Nichtromamann<br />
als auch für<br />
dessen Frau eine Bedrohung<br />
darstellten«.<br />
Eine geschichtliche<br />
Aufarbeitung der Verfolgung von Sinti <strong>und</strong><br />
Roma ist somit auch aus geschlechtspolitischer<br />
Perspektive vonnöten, so Jonuz: »Eine<br />
genauere historische Erforschung der Vertreibungs-<br />
<strong>und</strong> Vernichtungspolitik gegenüber<br />
meinem Volk <strong>und</strong> besonders gegenüber<br />
Romafrauen steht bislang zum größten Teil<br />
noch aus«.<br />
Können die Ansätze des »doing gender«<br />
<strong>und</strong> »doing gypsy« helfen, antiziganistische<br />
Ressentiments zu entlarven? Solange die<br />
Popsängerin Shakira weiter fröhlich trällert<br />
»Cause I’m a gypsy, are you coming with<br />
me? I might steal your clothes and wear them<br />
if they fit me. Never made agreements just<br />
like a gypsy«, bleibt auf jeden Fall noch einiges<br />
zu tun. Nur wenn die perfide Logik hinter<br />
solchen Konstruktionen verstanden wird,<br />
ist es auch möglich, gegen die daraus resultierende<br />
Diskriminierung vorzugehen.<br />
Heute findet man die<br />
magische »Zigeunerin«<br />
auf Faschingpartys<br />
Anmerkungen<br />
1 Im Folgenden wird »Zigeuner« dennoch verwendet<br />
<strong>und</strong> in Anführungszeichen gesetzt, weil das Wort<br />
nicht für eine Volksgruppe, sondern für die mit ihm<br />
verb<strong>und</strong>enen Klischees <strong>und</strong> Vorurteile steht. Es wird<br />
bewusst die männliche Pluralform verwendet, weil<br />
es absurd wäre, eine diskriminierende Konstruktion<br />
geschlechtergerecht zu formulieren.<br />
2 Es gibt bisher sehr wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen,<br />
die sich mit den geschlechtsspezifischen<br />
Aspekten des <strong>Antiziganismus</strong> beschäftigen<br />
(siehe Literaturhinweise).<br />
Literatur<br />
<strong>–</strong><strong>–</strong><br />
Eulberg, Rafaela (2009): Doing Gender and Doing<br />
Gypsy. Zum Verhältnis der Konstruktion von Geschlecht<br />
<strong>und</strong> Ethnie, in End, Markus u.a. (Hrsg.):<br />
Antiziganistische Zustände. Zur Kritik eines allgegenwärtigen<br />
Ressentiments. Münster: 41-66<br />
<strong>–</strong><strong>–</strong><br />
Jonuz, Elizabeta (1996): Romnja <strong>–</strong> »rassig« <strong>und</strong> »rassisch<br />
minderwertig«, in Fuchs, Brigitte u.a. (Hrsg.):<br />
Rassismen&Feminismen. Differenzen Machtverhältnisse<br />
<strong>und</strong> Solidarität zwischen Frauen. Wien: 171-179<br />
<strong>–</strong><strong>–</strong><br />
Wippermann, Wolfgang (2000): Doch allermeist die<br />
Weiber. <strong>Antiziganismus</strong> in geschlechtergeschichtlicher<br />
Sicht, in: Kramer, Helgard (Hrsg.): Die <strong>Gegenwart</strong><br />
der NS-<strong>Vergangenheit</strong>. Berlin: 278-295<br />
tt<br />
Felia Eisenmann ist Sozialarbeiterin <strong>und</strong><br />
studiert Gender Studies an der Albert-Ludwigs-<br />
Universität Freiburg.<br />
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iz3w • Januar / Februar 2013 q 334