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Lösung Klausur Nr. <strong>1091</strong><br />

Horst Heck Traunstein, 29. Mai 2013<br />

Rechtsanwalt<br />

Rathausplatz 12<br />

83278 Traunstein<br />

An das<br />

Amtsgericht Traunstein<br />

83278 Traunstein<br />

In dem Rechtsstreit<br />

Trapp gegen Blött 1<br />

Az.: 3 C 688/13<br />

zeige ich unter Vollmachtsvorlage an, dass ich den<br />

Kläger vertrete.<br />

Ich erweitere den in der Klageschrift gestellten Antrag<br />

in persönlicher und inhaltlicher Hinsicht.<br />

Zum einen erweitere ich die Klage hiermit auf Natascha<br />

Blött, Bergstraße 37, 83278 Traunstein<br />

- Beklagte zu 2 -<br />

und beantrage nun in der Hauptsache:<br />

1. Die Beklagten werden verurteilt, die vom Kläger<br />

angemietete Erdgeschosswohnung in der Bergstraße<br />

37, 83278 Traunstein herauszugeben und zu räumen.<br />

2. Die Widerklage wird abgewiesen.<br />

In tatsächlicher Hinsicht sind gegenüber dem bisherigen<br />

Vorbringen des Klägers bzw. dem Vorbringen des<br />

Beklagten nur folgende Ergänzungen vorzunehmen: 2<br />

Hinsichtlich der Klage ist klarzustellen, dass der Tod<br />

der Mutter des Klägers durch Herzversagen überraschend<br />

kam, also insbesondere für den Kläger weder<br />

bei Ausspruch der Kündigung noch zu einem späteren<br />

Zeitpunkt voraussehbar war.<br />

Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 1<br />

Hinsichtlich der Widerklage ist einzuräumen, dass der<br />

Vortrag des Beklagten zum Kaufvertrag und der Teilleistung<br />

des Kaufpreises grds. zutreffend ist.<br />

Der Grund dafür, dass der Kläger den restlichen Betrag<br />

von 400 € nicht überwiesen oder in bar bezahlt hat, liegt<br />

darin, dass er dem Beklagten gegenüber in dieser Höhe<br />

durch Erklärung vom 30. Oktober 2012 die Aufrechnung<br />

mit einer Gegenforderung erklärte.<br />

Beweis: Kopie des Schreibens vom 30. Oktober<br />

2012 (Anlage K 1 ); Antwortschreiben vom 19. November<br />

2012 als Zugangsnachweis (Anlage K 2 )<br />

Diese Gegenforderung stützt sich auf Schadensersatz<br />

wegen ärztlicher Behandlungskosten und beruht auf<br />

folgendem Sachverhalt: 3<br />

Der Beklagte besitzt seit längerer Zeit einen Hund,<br />

einen Beagle, namens Waldi, der seit ca. einem Jahr in<br />

seiner Wohnung lebt, dort von diesem versorgt wird<br />

und ganz offensichtlich auch im Eigentum des Beklagten<br />

steht.<br />

Beweis: Schreiben des Beklagten vom 19. November<br />

2012 (Anlage K 3 ); Parteieinvernahme des Beklagten<br />

Am 15. Oktober 2012 schnappte der Hund des Beklagten<br />

ohne erkennbaren Grund nach dem Bein des Klägers,<br />

als dieser mit dem Fahrrad von der Straße kommend<br />

die Zufahrt zu den Garagen und Kellerräumen<br />

des Hauses befuhr. Er biss den Kläger in die rechte<br />

Wade und fügte ihm eine blutende Fleischwunde zu. 4<br />

Beweis: Zeugnis der Danuta Katzenfreund, Bergstraße<br />

37, 83278 Traunstein<br />

Der Kläger musste sich in ärztliche Behandlung begeben.<br />

Dies verursachte ihm Kosten von 400 €.<br />

Beweis: Arztrechnung vom 30. Oktober 2012 (Anlage<br />

K 4 )<br />

1<br />

2<br />

Grds. genügt bei Klageerwiderung und Replik ein Kurzrubrum<br />

(Assessor-Basics Anwaltsklausur § 2, RN 45).<br />

Es ist eine der handwerklichen Aufgaben des Klausurtyps<br />

Replik zu selektieren, welche Details bereits vorgetragen<br />

sind und welche Details noch mitzuteilen (und evtl. unter<br />

Beweis zu stellen) sind. Wer alles nochmals vorträgt,<br />

verweigert einerseits die Erledigung dieser Selektionsaufgabe<br />

und vergeudet andererseits derart viel Zeit für die<br />

Schreibarbeit zum Tatsachenvortrag, dass er dort, wo es<br />

wirklich die Punkte abzuholen gibt, viel zu wenig Zeit übrig<br />

haben wird.<br />

3<br />

4<br />

Der ausschweifende Tatsachenvortrag des Mandanten<br />

musste hier natürlich auf den zur Anspruchsbegründung<br />

nötigen Kern reduziert werden.<br />

Details zur Frage des Mitverschuldens können weggelassen<br />

werden, da § 254 BGB eine Einwendung ist, für die<br />

folglich der Gegner als Schuldner die Darlegungs- und<br />

Beweislast hat. Eine Reaktion ist nur (später) nötig, wenn<br />

der Gegner dazu überhaupt substanziiert vorträgt, also<br />

nicht nur – wie vorprozessual – über nicht näher erläuterte<br />

und damit unsubstanziierte „Provokationen“ spekuliert.<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 2<br />

Der Kläger ist nicht in der gesetzlichen Sozialversicherung<br />

krankenversichert. 5<br />

Im Hinblick auf die Aktivlegitimation des Beklagten für<br />

die Widerklage sei hiermit überdies auf folgenden Vorgang<br />

hingewiesen:<br />

Durch Beschluss vom 20. Mai 2013, dem Kläger zugestellt<br />

am 21. Mai 2013, hat das Amtsgericht Traunstein<br />

– Vollstreckungsgericht – die Widerklageforderung<br />

samt Nebenforderungen gepfändet und einem Gläubiger<br />

des Beklagten, Herrn Guido Gellert, Adenauerstraße 66,<br />

83278 Traunstein zur Einziehung überwiesen.<br />

Beweis: Pfändungs- und Überweisungsbeschluss<br />

vom 20. Mai 2013 (Anlage K 5 )<br />

In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:<br />

I. Zur Zulässigkeit der Klage:<br />

1. Die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des<br />

Amtsgerichts folgt aus § 23 Nr. 2a GVG, da es um<br />

einen Rechtsstreit über ein Wohnraummietverhältnis<br />

geht.<br />

Hierbei ist das angerufene Gericht gemäß § 29a I<br />

ZPO 6 auch ausschließlich örtlich zuständig, da sich<br />

die betreffende Wohnung in Traunstein befindet und<br />

diese Regelung auch Räumungsklagen erfasst, die<br />

das Bestehen eines Mietverhältnisses als Vorfrage<br />

zu klären haben.<br />

Beide Regelungen gelten auch gegenüber der Beklagten<br />

zu 2, weil es hierfür nicht darauf ankommt,<br />

dass sie selbst Partei des Mietvertrages ist, sondern<br />

nur darauf, dass ihr Besitzrecht bzw. der Herausgabeanspruch<br />

des Kläger (§ 546 II BGB) auf einen<br />

solchen Vertrag gestützt werden. 7<br />

2. Die Parteierweiterung auf die Beklagte zu 2 als<br />

einfache Streitgenossin gemäß §§ 59, 60 ZPO ist zu-<br />

lässig. Nach der sog. Klageänderungstheorie der<br />

Rechtsprechung ist dies analog § 263 ZPO der Fall,<br />

wenn entweder eine Zustimmung der Beklagten<br />

zu 2 oder die Sachdienlichkeit der Erweiterung vorliegt.<br />

Hinsichtlich der Sachdienlichkeit ist zum einen zu<br />

berücksichtigen, dass die Erweiterung keinerlei<br />

Verzögerung bewirken kann, weil die entscheidenden<br />

Rechts- und Tatsachenfragen der Klageforderung<br />

bzgl. beider Beklagter nahezu identisch sind<br />

und überdies auch noch keine Prozessergebnisse<br />

vorliegen.<br />

3. Auch die sachliche Erweiterung des Klageantrags<br />

auf Räumung ist sachdienlich gemäß § 263 ZPO und<br />

damit zulässig. Dies ergibt sich neben den anderen<br />

zur Parteierweiterung vorgebrachten Argumenten<br />

wiederum bereits daraus, dass durch diese Erweiterung<br />

keine zusätzlichen Rechtsfragen entstehen, die<br />

in irgendeiner Weise eine Verzögerung des Rechtsstreits<br />

bewirken könnten.<br />

II. Zur Begründetheit der Herausgabe- und Räumungsklage<br />

gegen den Bekl. zu 1):<br />

Der Kläger hat gemäß §§ 546 I, 985 BGB einen<br />

Anspruch auf Herausgabe und Räumung der Wohnung,<br />

da der zuvor zwischen den Parteien bestehende<br />

Mietvertrag durch die Kündigung vom<br />

24. November 2012 wirksam beendet wurde.<br />

1. Der Kläger hat eine formgerechte Kündigungserklärung<br />

abgegeben, die dem Beklagten auch in dieser<br />

Form gemäß § 130 I BGB zuging.<br />

Da das zugegangene Schriftstück auch die Originalunterschrift<br />

der erklärenden Person trug, ist die<br />

Schriftform gemäß §§ 568, 126 I BGB beachtet, und<br />

die gemäß § 573 III 1 BGB erforderliche Angabe<br />

des Kündigungsgrundes liegt mit der Erläuterung<br />

des Eigenbedarfs vor. 8<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Mit diesem Vortrag wird der gesetzliche Forderungsübergang<br />

auf die Krankenversicherung ausgeschlossen. Privatversicherungen<br />

wirken, wenn sie für den konkreten<br />

Einzelfall überhaupt eine Leistung vorsehen (Selbstbeteiligung),<br />

nur im Innenverhältnis zum Versicherten selbst.<br />

§ 29a ZPO ist – anders als § 23 Nr. 2a GVG – auch dann<br />

anwendbar, wenn es nicht um ein Wohnraummietverhältnis<br />

geht, sondern etwa um Gewerberäume.<br />

Vgl. Musielak/Heinrich § 29a, RN 6; Zöller/Vollkommer<br />

§ 29a, RN 6 [ausdrücklich für Räumungsansprüche aus<br />

§ 546 II BGB]; ThP § 29a, RN 4a. Anders ist dies bei<br />

Dritten, die aufgrund eines eigenständigen Vertrags<br />

(Mietbürgschaft) in Anspruch genommen werden (BGH<br />

NJW 2004, 1239).<br />

8<br />

Die sachlichen Gründe, auf die sich der Eigenbedarf<br />

stützt, müssen ausreichend substantiiert angegeben werden,<br />

damit dem Mieter ihre sachliche Nachprüfung und<br />

somit die ungefähre Abschätzung der Erfolgsaussichten<br />

eines Rechtsstreits möglich ist. Es genügt, wenn die Tatsachen<br />

so ausführlich bezeichnet werden, dass der Kündigungsgrund<br />

identifiziert und von anderen Kündigungssachverhalten<br />

unterschieden werden kann. Der Vermieter<br />

muss also den konkreten Eigenbedarfsgrund und die Person<br />

benennen, für die die Wohnung benötigt wird. In der<br />

Regel sind auch Angaben über die bisherigen Wohnverhältnisse<br />

der betreffenden Person erforderlich. Eine vollständige<br />

Angabe der zugrundeliegenden Tatsachen ist jedoch<br />

nicht notwendig; sie können zur Ergänzung und<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 3<br />

Eine Kündigungserklärung gegenüber der Beklagten<br />

zu 2 war dagegen nicht notwendig, da sie nicht Partei<br />

des Mietvertrags wurde. Diesen hat der Beklagte<br />

zu 1 alleine abgeschlossen, und die Beklagte zu 2<br />

als zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nichteheliche<br />

Lebensgefährtin war Dritte i.S.d. §§ 540, 553 I<br />

BGB. 9<br />

2. Im grds. maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der<br />

Kündigung lag der Kündigungsgrund Eigenbedarf<br />

i.S.d. § 573 II Nr. 2 BGB vor.<br />

9<br />

Gemäß § 573 I BGB ist der Vermieter bei Wohnraum<br />

zur ordentlichen Kündigung berechtigt, wenn<br />

er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des<br />

Mietverhältnisses hat. Ein solches ist gemäß<br />

§ 573 II Nr. 2 BGB u.a. dann zu bejahen, wenn der<br />

Vermieter die Räume als Wohnung für seine Familienangehörigen<br />

benötigt.<br />

Der Kläger wollte mit der vermieteten Wohnung<br />

den Wohnbedarf seiner Mutter decken, die Familienangehöriger<br />

ist und diese Wohnung auch benötigte.<br />

Aufgrund der durch Art. 14 I 1 GG geschützten<br />

Freiheit des Eigentümers, sein Eigentum selbst<br />

zu nutzen, ist dessen Absicht, das Mietobjekt durch<br />

den in § 573 II Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis<br />

bewohnen zu lassen, im Falle eines Rechtsstreits<br />

von den Gerichten grds. zu akzeptieren.<br />

Dem steht vorliegend auch nicht die alleine mögliche,<br />

sich aus der Sozialbindung des Eigentum gemäß<br />

Art. 14 II GG ergebende Missbrauchskontrolle<br />

entgegen. Diese beschränkte gerichtliche Überprüfungsbefugnis<br />

bezieht sich lediglich auf die Fragen,<br />

ob der Eigennutzungswunsch überhaupt ernsthaft<br />

verfolgt wird und ob der Eigenbedarf sowohl bzgl.<br />

seiner Begründung (des „Warum“) als auch bzgl.<br />

Ausfüllung des Kündigungsgrundes auch noch im Prozess<br />

nachgeschoben werden (Pal./Weidenkaff § 573, RN 48).<br />

Liegt eine Mehrheit von Mietern (also nicht nur Mitnutzern!)<br />

vor, so ist nur ein einheitliches Verhalten von oder<br />

gegen alle möglich, § 425 BGB gilt hier also gerade nicht.<br />

Die Kündigung muss dann grds. an beide erklärt werden,<br />

sonst ist sie bereits formell unwirksam (Pal./Weidenkaff<br />

§ 542, RN 18; BGH NJW 2005, 1715). Dies gilt aber<br />

nicht für Dritte i.S.d. § 540 BGB, obwohl auch gegen solche<br />

Dritte ein Vollstreckungstitel erforderlich ist, für den<br />

dann der Anspruch aus § 546 II BGB ins Spiel gebracht<br />

werden muss (s.u.). Vorliegend kam es auch nicht auf die<br />

Streitfrage an, ob § 1357 BGB auf den Abschluss eines<br />

Mietvertrags anwendbar ist (richtigerweise abzulehnen,<br />

vgl. Pal./Brudermüller § 1357, RN 13), da die Beklagte<br />

zu 2 zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht<br />

Ehefrau war.<br />

seines Umfangs (des „Wieviel“) vernünftig und<br />

nachvollziehbar ist. 10<br />

Am Selbstnutzungswille zu dem Zweck der erleichterten<br />

Betreuung der pflegebedürftigen Mutter kann<br />

vorliegend nicht gezweifelt werden, zumal deren<br />

Tod durch Herzversagen in näherer Zukunft nicht<br />

voraussehbar war.<br />

Auch liegt kein rechtsmissbräuchlich überzogener<br />

Wohnbedarf vor. Es ist grds. Sache des Vermieters,<br />

darüber zu entscheiden, welchen Raumbedarf er für<br />

sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht.<br />

11 Schädlich ist nur ein missbräuchlicher, weit<br />

überhöhter Wohnbedarf, doch kann davon bei einem<br />

Wohnraum von 75 qm für eine Einzelperson<br />

nicht die Rede sein. Hierbei muss zusätzlich berücksichtigt<br />

werden, dass es dem Kläger aufgrund der<br />

Rollstuhlabhängigkeit seiner Mutter gerade auf eine<br />

Erdgeschosswohnung ankam, und insoweit bestand<br />

gar keine alternative Möglichkeit innerhalb seines<br />

Eigentums.<br />

Hinweis: Der sog. Sozialwiderspruch des Mieters<br />

gemäß § 574 BGB wurde nicht vorgebracht und ist<br />

befristet (vgl. § 574b II BGB). Die Belange des<br />

Mieters und seiner Familie sind nicht im Rahmen<br />

des § 573 II BGB, sondern einzig über die §§ 574 ff<br />

BGB zu prüfen. 12<br />

3. Auch den Ablauf der Kündigungsfrist des § 573c I<br />

BGB zum Ende Februar 2013 hat der Kläger korrekt<br />

berechnet. 13<br />

Da die Kündigung am 26. November 2012 gemäß<br />

§ 130 I 1 BGB zuging, war auf den dritten Werktag<br />

des Folgemonats Dezember 2012 abzustellen, so<br />

dass der Ablauf des übernächsten Monats Februar<br />

2013 maßgeblich ist. Insbesondere lief das Mietverhältnis<br />

zu diesem Zeitpunkt noch keine fünf Jahre,<br />

so dass keine Verlängerung der Kündigungsfrist<br />

gemäß § 573c I 2 BGB einschlägig ist.<br />

4. Schließlich ist auch keine nachträgliche Unwirksamkeit<br />

der Kündigung wegen Wegfalls von Eigenbedarfs<br />

gegeben.<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

Zum Zeitpunkt des Todes der Mutter des Klägers<br />

am 4. Mai 2013 war das Mietverhältnis bereits für<br />

Vgl. BVerfG NJW 1988, 1075; 1990, 3259; BGH Z 103,<br />

91 [96]; Pal./Weidenkaff § 573, RN 28.<br />

Vgl. BGH Z 103, 91 [95].<br />

Vgl. etwa BGH Z 103, 91 [101].<br />

Dies sollte man vor dem Problem „Wegfall des Eigenbedarfs“<br />

prüfen, da dort die Kündigungsfrist eine ganz entscheidende<br />

Bedeutung bekommen wird (s.u.).<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


14<br />

15<br />

16<br />

mehr als zwei Monate beendet, weil die Kündigungsfrist<br />

– wie oben ausgeführt – mit Ablauf des<br />

Monats Februar 2013 geendet hatte.<br />

Hat der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum<br />

wegen Eigenbedarfs wirksam gekündigt und<br />

fällt der geltend gemachte Grund nachträglich weg,<br />

so ist dies nach der Rechtsprechung und h.M. nicht<br />

mehr zu berücksichtigen, wenn der Grund nach dem<br />

Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist. 14<br />

Aufgrund der den Vermieter treffenden Pflicht zur<br />

Rücksichtnahme soll es der Schutz des Mieters zwar<br />

erfordern, einer zunächst wirksamen Kündigung<br />

nachträglich ihre Wirksamkeit abzusprechen, wenn<br />

der geltend gemachte Eigenbedarf des Vermieters<br />

vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist. 15<br />

Mit dem rechtlichen Ende des Mietverhältnisses<br />

erlischt aber das Besitzrecht des Mieters. Verweigert<br />

der Mieter die Herausgabe der Wohnung, so<br />

verletzt er seine Pflicht zur Rückgabe der Mietsache<br />

(§ 546 I BGB) und verhält sich damit rechtswidrig.<br />

Die Berücksichtigung eines nach dem Wirksamwerden<br />

der Kündigung eingetretenen Wegfalls des Eigenbedarfs<br />

des Vermieters hätte eine ungerechtfertigte<br />

Besserstellung des vertragsuntreuen gegenüber<br />

dem vertragstreuen Mieter zur Folge. Dürfte der<br />

Mieter damit rechnen, dass derartige nachträgliche<br />

Ereignisse zu seinen Gunsten zu berücksichtigen<br />

wären, so könnte er regelrecht dazu verleitet werden,<br />

die Räumung der Wohnung mit allen Mitteln<br />

zu verzögern. Es würde sich in ungerechtfertigter<br />

Weise die Chance des Mieters erhöhen, infolge einer<br />

anderweitigen, gerade durch die Verzögerung<br />

verursachten Disposition des Vermieters oder durch<br />

sonstige Ereignisse einen Wegfall des Eigenbedarfs<br />

zu erreichen. Das ist mit den Grundsätzen der<br />

Rechtssicherheit und eines effektiven Rechtsschutzes<br />

nicht zu vereinbaren. 16<br />

Hinweis: Beachten Sie für Räumungsprozesse seit<br />

1. Mai 2013 auch den neuen § 283a ZPO, der wie-<br />

Vgl. BGH NJW 2006, 220; Pal./Weidenkaff § 573,<br />

RN 29. Andere wollten auf den Zeitpunkt der Rechtskraft<br />

eines Räumungsurteils abstellen, manche sogar auf den<br />

Auszug des Mieters.<br />

Nach BGH ist in solch einem Fall also die Kündigung<br />

selbst wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, nach a.A.<br />

besteht ein Anspruch des Mieters auf Wiederbegründung<br />

gemäß §§ 280 I, 249 I BGB (vgl. Blank NJW 2006, 739<br />

[740]). Anders als der BGH handhabt dies auch die gefestigte<br />

Rechtsprechung des BAG bei der Überprüfung von<br />

Kündigungen im Arbeitsrecht: Dort bleibt die Kündigung<br />

wirksam, aber es wird ggf. ein Wiedereinstellungsanspruch<br />

gewährt (vgl. etwa BAG NZA 2000, 1097).<br />

Vgl. BGH NJW 2006, 220 [220].<br />

Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 4<br />

derum eine einstweilige Verfügung auf Räumung<br />

ermöglichen kann (vgl. § 940a III ZPO n.F.). Die<br />

Anforderungen an den § 283a ZPO sind sehr hoch<br />

und sicher selten gegeben. 17 Vorliegend fehlt es<br />

schon an einer Kündigung wegen Zahlungsrückstandes.<br />

III. Die Begründetheit der Herausgabe- und Räumungsklage<br />

gegen die Beklagte zu 2) folgt aus<br />

§ 985 BGB und aus § 546 II BGB, der nach allg.<br />

Ansicht nicht nur gegen Untermieter wirkt, sondern<br />

gegen jeden Besitzer bzw. Mitbesitzer der Räume. 18<br />

Weil die Beklagte zu 2 nicht Vertragspartnerin des<br />

Mietvertrags wurde, hatte sie kein eigenes Besitzrecht<br />

aus § 535 I BGB. Ihr als Ehefrau des Mieters<br />

automatisch gegebenes abgeleitetes Besitzrecht 19<br />

aus dem Mietvertrag ist aber entfallen, weil – wie<br />

dargelegt – der Mietvertrag gegenüber ihrem Ehemann<br />

wirksam beendet worden ist.<br />

IV. Die Widerklage ist unbegründet.<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte<br />

infolge der Überweisung seiner Widerklageforderung<br />

gemäß § 835 I 1. Alt. ZPO an den Vollstreckungsgläubiger<br />

die Aktivlegitimation für die Forderung<br />

auf Zahlung an sich selbst verloren hat.<br />

Auch die Anwendung von § 265 I ZPO ändert daran<br />

nichts, denn diese Regelung soll bei Veräußerung<br />

auf (Wider)-Klägerseite zwar die weitere Prozessführung<br />

ermöglichen, nicht aber inhaltlich unkorrekte<br />

Urteile. 20<br />

Hierzu siehe etwa Flatow NJW 2013, 1185 [1190].<br />

Lassen Sie sich nicht vom Begriff „Dritter“ verwirren: Im<br />

Rahmen des § 546 II BGB wird jeder Besitzer als „Dritter“<br />

bezeichnet, der nicht am Vertrag beteiligt ist, oft also<br />

gerade auch ein Ehegatte (vgl. Pal./Weidenkaff § 546,<br />

RN 19). Bei § 540 BGB ist der Ehegatte nicht „Dritter“<br />

i.d.S., bei §§ 885 I, 750 I ZPO ist jede Person „Dritter“,<br />

wenn sie nicht im Vollstreckungstitel genannt ist.<br />

Ein Ehegatte, der nicht Partei des Mietvertrages ist, ist<br />

nicht Dritter i.S.d. §§ 540, 553 BGB, solange es sich bei<br />

der von ihm bewohnten Wohnung um eine Ehewohnung<br />

handelt. Eine Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Ehewohnung<br />

nicht schon dadurch, dass der mietende Ehegatte<br />

die Wohnung dem anderen – ggf. auch für einen längeren<br />

Zeitraum – belassen hat bzw. diese nur noch sporadisch<br />

nutzt, sondern erst mit der endgültigen Nutzungsüberlassung<br />

(vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2013, Az. XII ZR<br />

143/11). Mit dieser tritt ggf. gemäß § 1568a III Nr. 1 BGB<br />

ein Mieterwechsel ein. Ein nichtehelicher Lebensgefährte<br />

ist dagegen Dritter i.S.d. § 540 I BGB, hat aber regelmäßig<br />

einen Anspruch auf Erlaubniserteilung i.S.d. § 553 I<br />

BGB (BGH NJW 2004, 56 = Life & Law 2004, 229;<br />

Pal./Weidenkaff § 540, RN 5).<br />

Sog. Relevanztheorie; vgl. BGH NJW 2012, 3642 [RN 8];<br />

ThP § 265, RN 13.<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 5<br />

Ein Zahlungsanspruch des Beklagten ist aber ohnehin<br />

nicht gegeben.<br />

Hinweis: Alleine mit dem Hinweis auf die wegen<br />

der Überweisung entfallene Aktivlegitimation hat<br />

der Anwalt seine Aufgabe hier natürlich nicht erfüllt:<br />

Dieses Problem könnte der Beklagte nämlich<br />

durch Änderung des Widerklageantrags völlig unproblematisch<br />

aus der Welt schaffen!<br />

Infolge der gemäß § 388 BGB erklärten und am<br />

31. Oktober 2012 gemäß § 130 I BGB zugegangenen<br />

Aufrechnungserklärung ist die Kaufpreisforderung,<br />

auf die sich die Klage stützt, gemäß § 389<br />

BGB erloschen.<br />

Anmerkung: Der vorliegende Fall der Aufrechnungserklärung<br />

vor der Pfändung ist formal unproblematisch:<br />

Die Pfändung geht ins Leere, wenn die<br />

Forderung vorher schon erloschen war.<br />

Etwas komplizierter ist der Fall der Aufrechnungserklärung<br />

nach der Pfändung: Durch die Pfändung<br />

und Überweisung darf sich die Rechtsstellung des<br />

Drittschuldners nicht zu seinem Nachteil verändern,<br />

da er hierauf selbst keinen Einfluss hat. Insofern<br />

entspricht die Interessenlage exakt der bei der Abtretung<br />

einer Forderung. Es handelt sich letztlich um<br />

eine erzwungene Forderungsübertragung mit – im<br />

Falle des § 835 I 1. Alt. ZPO – etwas abgeschwächter<br />

Wirkung. 21 Folge davon ist, dass die §§ 404 ff<br />

BGB analog anzuwenden sind. Im Falle der Aufrechnung<br />

nach Erlangung der Kenntnis kann dann<br />

analog § 406 BGB durch Erklärung gegenüber dem<br />

Vollstreckungsgläubiger mit Wirkung auch diesem<br />

gegenüber aufgerechnet werden, wenn der Aufrechnende<br />

nicht seine eigene Forderung erst nach der<br />

mit der durch die Pfändung eingetretenen Beschlagnahme<br />

erlangt hat (vgl. § 392 BGB). 22<br />

Die Aufrechnungslage bestand, da der aufrechnende<br />

Kläger selbst einen Anspruch auf Schadensersatz<br />

gemäß §§ 833 S. 1, 249 II 1 BGB in Höhe von zumindest<br />

400 € hatte.<br />

ausgehenden Gefahren ausgesetzt werden, liegt nach<br />

der maßgeblichen Verkehrsanschauung nämlich alleine<br />

bei ihm. Im Rahmen der hierbei erforderlichen<br />

Gesamtschau sprechen vorliegend praktisch alle relevanten<br />

Indizien für diese Annahme, insbesondere<br />

die dauerhafte Versorgung des Hundes durch den<br />

Beklagten. 23 Er selbst spricht in der vorprozessualen<br />

Korrespondenz von „seinem“ Hund, was für seine<br />

Eigentümerstellung spricht, die zwar zur Begründung<br />

der Haltereigenschaft nicht einmal notwendig<br />

wäre, aber ein wesentliches Indiz dafür ist.<br />

2. Ein Entlastungsbeweis gemäß § 833 S. 2 BGB<br />

scheidet von vornherein aus, da Waldi kein Nutztier<br />

i.d.S. ist, sondern ein sog. „Luxustier“. Folglich gilt<br />

eine Gefährdungshaftung.<br />

Erforderlich für die Anwendbarkeit der Exkulpationsmöglichkeit<br />

ist, dass das Tier dem Beruf bzw.<br />

der Erwerbstätigkeit des Halters dient. Dies ist aber<br />

nur dann der Fall, wenn es um ein Nutztier geht und<br />

dessen Haltung spezifisch mit der Berufstätigkeit<br />

des Halters zusammenhängt. 24 Die Beweislast hierfür<br />

liegt beim Beklagten als Halter. 25 Angesichts des<br />

Berufs als Verwaltungsangestellter kommt dies keinesfalls<br />

in Betracht. Eine etwaige Absicht, auch die<br />

Wohnung auf diese Weise besser gegenüber Einbrechern<br />

zu beschützen, macht den Hund keinesfalls<br />

zum Nutztier i.S.d. § 833 S. 2 BGB, denn dieses<br />

Argument könnte gewiss jedermann vorbringen. 26<br />

3. Die Heilbehandlungskosten des Klägers stellen<br />

einen materieller Folgeschaden i.S.d. § 249 II 1<br />

BGB dar, der sich infolge des Bisses ergab.<br />

4. Ein Mitverschulden i.S.d. § 254 I BGB ist nicht<br />

gegeben, da keinerlei „Provokation“ des Hundes<br />

vorlag und sich der Kläger im Rahmen der Fortbewegung<br />

mit seinem Fahrrad auch nicht in eine erkennbare<br />

Risikosituation begab. 27<br />

Heck<br />

Rechtsanwalt<br />

1. Der Tatbestand des § 833 BGB ist erfüllt, da der<br />

Kläger an seinem Körper durch den Biss des Hundes<br />

Waldi verletzt wurde.<br />

21<br />

22<br />

Der Beklagte ist auch Halter dieses Hundes. Die<br />

Entscheidung darüber, ob Dritte den von dem Tier<br />

Die Überweisung an Zahlung statt gemäß § 835 I 2. Alt.<br />

ZPO bewirkt sogar einen vollständigen Forderungsübergang,<br />

gewissermaßen einen erzwungenen § 398 BGB.<br />

Vgl. etwa ThP § 836, RN 4a; Zöller/Stöber § 836, RN 6.<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

Vgl. Pal./Sprau § 833, RN 10.<br />

Vgl. Pal./Sprau § 833, RN 17.<br />

Vgl. Pal./Sprau § 833, RN 21.<br />

Vgl. etwa Erman/Schiemann § 833, RN 11. Anders wäre<br />

dies bei einem Hund, der als Wachhund eines Bauernhofs<br />

oder Fabrikgeländes eingesetzt ist, natürlich auch bei einem<br />

Polizeihund.<br />

Vgl. hierzu Pal./Sprau § 833, RN 13. Es steht außer Frage,<br />

dass eine Obliegenheit, in der Nähe von Hunden vom<br />

Fahrrad abzusteigen, nicht besteht.<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Teil 2: Mandantenbegleitschreiben<br />

Horst Heck Traunstein, 29. Mai 2013<br />

Rechtsanwalt<br />

Rathausplatz 12<br />

83278 Traunstein<br />

An Herrn<br />

Thomas Trapp<br />

Bergstraße 37<br />

83278 Traunstein<br />

Unser Zeichen: ……..<br />

Rechtsstreit gegen Benno Blött<br />

Aktenzeichen: 3 C 688/13, Amtsgericht Traunstein<br />

Unser Gespräch vom 23. Mai 2013<br />

Sehr geehrter Herr Trapp,<br />

zunächst möchte ich mich nochmals für die Erteilung<br />

des Mandats bedanken.<br />

Anbei erhalten Sie meinen Entwurf eines Schreibens an<br />

das Amtsgericht Traunstein, mit dem ich die Anträge<br />

etwas umgestellt und gleichzeitig Abweisung der Widerklage<br />

beantragt sowie neben dem noch notwendigen<br />

Tatsachenvortrag auch eine rechtliche Begründung<br />

vorgenommen habe.<br />

Zur Vermeidung von Missverständnissen möchte ich<br />

zunächst den Sachverhalt, wie er sich mir nach Ihrem<br />

Vorbringen darstellt, zusammenfassen. ... (erlassen).<br />

Im Folgenden möchte ich Ihnen noch einige Erläuterungen<br />

zu den Rechtsfragen des Falles und der von mir<br />

gewählten Prozesstaktik zukommen lassen.<br />

1. Hinsichtlich der Begründung des Zieles, die Räumung<br />

durchzusetzen sowie Ansprüche des Beklagten<br />

abzuwehren, verweise ich zunächst auf meine<br />

Ausführungen gegenüber dem Gericht, die ich Ihnen<br />

allerdings bei Bedarf auch näher erläutern würde.<br />

Insoweit sind Ihre Ziele nach der gegenwärtigen<br />

Faktenlage – also z.B. vorbehaltlich des nur bei Bestreiten<br />

notwendigen Beweises des Hundebisses und<br />

seiner Folgen – erfolgversprechend.<br />

Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 6<br />

die Zivilprozessordnung (ZPO) für den konkreten<br />

Beweis ausdrücklich eine Glaubhaftmachung i.S.d.<br />

§ 294 ZPO ausreichen lässt. Sie ist ungeeignet,<br />

wenn der Vollbeweis (§§ 286 ff. ZPO) zu führen ist.<br />

Geht es – wie im vorliegenden Fall – um eine Sachentscheidung<br />

in einem Hauptsacheverfahren, so ist<br />

dieser Vollbeweis – anders als z.B. bei einem nur<br />

einstweiligen Rechtsschutz (vgl. § 920 II ZPO) –<br />

tatsächlich notwendig.<br />

Das Festhalten am Räumungsbegehren trotz des<br />

Todes Ihrer Mutter stützt sich auf die Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichtshofs (BGH). Auch wenn<br />

das Amtsgericht nicht unmittelbar an diese gebunden<br />

ist, so orientieren sich Richter zur Vermeidung<br />

von erfolgversprechenden Rechtsmitteln dennoch<br />

weitgehend an dieser. Die Abgabe einer sog. Erledigungserklärung<br />

war hier also nicht notwendig.<br />

2. Allerdings habe ich zwei Änderungen der Klageanträge<br />

vorgenommen, die auf eine optimale Umsetzung<br />

Ihrer Ziele für den Fall abzielen, dass später<br />

eine Zwangsvollstreckung notwendig werden sollte.<br />

a. Zum einen habe ich die Klage auch gegen die Ehefrau<br />

des Mieters gerichtet. Die Tatsache, dass diese<br />

nicht am Mietvertrag selbst beteiligt ist, also die<br />

Kündigung ihr gegenüber nicht hatte erklärt werden<br />

müssen, ändert nichts daran, dass ein Verzicht auf<br />

einen solchen zusätzlichen Antrag – was Sie nicht<br />

wissen konnten – höchst riskant wäre, wenn die<br />

Familie Blött sich nicht von selbst der Entscheidung<br />

beugen sollte.<br />

Gegen den Besitzer kann die Zwangsvollstreckung,<br />

die gemäß § 885 I ZPO durch eine Ausweisung aus<br />

dem Besitz erfolgt, nach § 750 I ZPO nur begonnen<br />

werden, wenn diese Person selbst im Urteil und in<br />

der sog. Vollstreckungsklausel als Vollstreckungsschuldner<br />

genannt ist. 28 Aus einem Urteil gegen den<br />

Mieter kann daher nicht gegen einen dort nicht aufgeführten<br />

Dritten vollstreckt werden, wenn dieser<br />

nicht nur sog. Besitzdiener – wie etwa eine Haushälterin<br />

– ist, sondern Mitbesitzer. Genau dies ist beim<br />

Ehegatten nach der Rechtsprechung aber der Fall. 29<br />

Da aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft<br />

gemäß § 1353 I des Bürgerlichen Gesetzbuchs<br />

(BGB) die Pflicht der Ehegatten folgt, sich<br />

gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung<br />

Allerdings habe ich die von Ihnen mitgebrachte<br />

eidesstattliche Versicherung nicht als Beweismittel<br />

angeboten, sondern eine Zeugenaussage durch Ihre<br />

Nachbarin. Eine eidesstattliche Versicherung ist<br />

nämlich nur dann ein taugliches Beweismittel, wenn<br />

28<br />

29<br />

Da der Gerichtsvollzieher nur die Besitz- bzw. Gewahrsamsverhältnisse<br />

zu prüfen hat, kommt es dabei auch<br />

nicht auf die Frage an, ob der Dritte jemals überhaupt ein<br />

eigenes Recht zum Besitz hatte.<br />

Vgl. BGH NJW 2004, 3041 = FamRZ 2004, 1555;<br />

Pal./Weidenkaff § 546, RN 24; ThP § 885, RN 4 ff.<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 7<br />

zu gestatten, sind beide Ehegatten regelmäßig als<br />

gleichberechtigte Besitzer anzusehen.<br />

Exkurs: Ein minderjähriges Kind muss dagegen<br />

nicht verklagt werden, denn dieses ist nur Besitzdiener.<br />

Werden minderjährige Kinder volljährig und<br />

leben weiter in der Wohnung der Eltern, so behalten<br />

sie meist – nicht immer – auch ihre bloße Besitzdienerstellung.<br />

30 Ob ein nichtehelicher Lebensgefährte<br />

des Mieters Besitzer oder Besitzdiener ist, ist<br />

Frage des Einzelfalls: Mitbesitz muss sich aus den<br />

Umständen klar und eindeutig ergeben. 31<br />

Gegen Untermieter ist nach BGH sogar dann ein eigener<br />

Titel nötig, wenn der Verdacht besteht, dem<br />

Dritten sei der Besitz nur deswegen eingeräumt<br />

worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln. In<br />

solchen Fällen kann es aber u.U. an einer selbstständigen<br />

Stellung als Besitzer fehlen. 32<br />

Hinweis: Beachten Sie auch die seit Mai 2013 gültige<br />

Fassung des § 940a II ZPO: Erfährt der Vermieter<br />

erst nach der letzten mündlichen Verhandlung<br />

vom Besitz (!) eines Dritten, ist ausnahmsweise eine<br />

Leistungsverfügung gegen diesen möglich. Da dies<br />

aber nicht bei früherer Kenntnisnahme gilt, besteht<br />

in solchen Fällen die Notwendigkeit der Parteierweiterung<br />

(Verzögerungspotential). 33<br />

b. Zum anderen habe ich die Klageanträge sachlich auf<br />

Räumung erweitert. Dies hat den Zweck, notfalls<br />

auch die beweglichen Sachen des Mieters zwangsweise<br />

aus der Wohnung entfernen lassen zu können.<br />

Die Vollstreckung des bisher alleine gestellten Antrags<br />

auf Herausgabe würde sich nämlich darauf beschränken,<br />

Ihnen die Schlüssel zu verschaffen und<br />

die bisherigen Nutzer körperlich aus der Wohnung<br />

zu entfernen.<br />

Dabei habe ich nun beides beantragt. Dies eröffnet<br />

Ihnen nämlich die Möglichkeit, später mithilfe des<br />

Vollstreckungsauftrags an den Gerichtsvollzieher<br />

frei zu entscheiden, ob Sie tatsächliches beides in<br />

Regie des Gerichtsvollziehers durchführen lassen<br />

wollen oder sich im Vollstreckungsauftrag auf bloße<br />

Herausgabe beschränken. § 885a ZPO lässt eine solche<br />

Beschränkung ausdrücklich zu. 34<br />

Die Räumungsvollstreckung ist für den Vermieter<br />

zwar bequemer, allerdings wesentlich teurer als eine<br />

reine Herausgabevollstreckung. Da der Gläubiger<br />

die erwarteten Kosten zumindest vorschießen muss,<br />

ist es oft sinnvoll, auf die Räumung in Regie des<br />

Gerichtsvollziehers zu verzichten und anders vorzugehen,<br />

wenn die Gefahr besteht, das diese Kosten<br />

beim Mieter nicht wieder eingetrieben werden können.<br />

Diesen Aspekt werden wir dann zu gegebener<br />

Zeit noch unter Abwägung der Detailalternativen<br />

und der konkreten Vor- und Nachteile durchsprechen<br />

müssen.<br />

3. Die Auswirkung des Ihnen zugestellten Pfändungsund<br />

Überweisungsbeschlusses auf den Rechtsstreit –<br />

konkret: auf die Widerklage – dürfte voraussichtlich<br />

sehr gering sein.<br />

Der Gegner muss seinen Widerklageantrag auf<br />

Zahlung an den pfändenden Herrn Gellert umstellen,<br />

weil ihm dieser Beschluss selbst im Falle des<br />

Bestehens dieser Forderung die Befugnis genommen<br />

hätte, Zahlung an sich selbst zu verlangen. Es<br />

ist aber auch zu erwarten, dass er dies tun wird,<br />

denn andernfalls wäre die Widerklage abzuweisen,<br />

ohne dass seine behauptete Restkaufpreisforderung<br />

überhaupt sachlich geprüft werden würde. 35<br />

Wenn Ihre Aufrechnung durchgreift, was – wie<br />

bereits angesprochen – letztlich wohl nur vom Beweis<br />

des Hundebisses und der Ursächlichkeit für die<br />

konkreten Heilbehandlungskosten abhängt, so ist<br />

dieser Vorgang aus Ihrer Sicht letztlich sogar völlig<br />

unerheblich: Da die Pfändung und Überweisung<br />

sich dann auf eine nicht bestehende Forderung bezog,<br />

ging sie – wie der Jurist dies formuliert – „ins<br />

Leere“, hat also keine Wirkung. Die Widerklage<br />

würde dann genauso abgewiesen werden wie wenn<br />

diese Pfändung nie erfolgt wäre.<br />

Heck<br />

Rechtsanwalt<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 1959 [1960].<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 1959 [1960].<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 3287 = Life & Law 2008, 810.<br />

Vgl. Flatow NJW 2013, 1185 [1191].<br />

Bereits zuvor ließ der BGH es zu, dass der Vollstreckungsauftrag<br />

unter Berufung auf ein Vermieterpfandrecht<br />

gemäß § 562 BGB auf die bloße Herausgabe der<br />

Wohnung beschränkt wird (sog. „Berliner Modell“; vgl.<br />

BGH NJW 2006, 848 ff).<br />

35<br />

Hier erscheint es mir sinnvoll, sich auf eine grobe Zusammenfassung<br />

zu beschränken und die juristischen Feinheiten<br />

erst im Hilfsgutachten darzulegen (a.A. „nicht unvertretbar“,<br />

weil Geschmacksfrage). Ich halte es für ausgeschlossen,<br />

dass es möglich ist, dem Mandanten Details<br />

wie Verstrickung, Pfändungspfandrecht und Prozessstandschaft<br />

nachvollziehbar zu erläutern!<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


I. Zur Widerklage:<br />

Teil 3: Hilfsgutachten<br />

1. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts folgt<br />

aus §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG, da der Streitwert der<br />

Widerklage, die nicht mit der Klage addiert werden<br />

darf (vgl. § 5 2. Hs. ZPO), nicht über 5.000 € liegt.<br />

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich bereits gemäß<br />

§§ 12, 13 ZPO über den Wohnsitz des Klägers (in<br />

seiner Rolle als Widerbeklagter). 36<br />

2. Der gemäß § 33 ZPO erforderliche Zusammenhang<br />

zwischen Klage und Widerklage muss vorliegend<br />

bezweifelt werden, denn die beiden Streitigkeiten<br />

haben außer der bloßen Parteiidentität keinerlei Berührungspunkte.<br />

Allerdings ist zu berücksichtigen,<br />

dass der Mandant keine bloße Formalentscheidung<br />

(etwa ein nicht die Sache selbst klärendes Prozessurteil)<br />

wünscht. Daher ist vorliegend – wie im<br />

Schriftsatz bereits geschehen – eine rügelose Einlassung<br />

zur Sache empfehlenswert. Eine solche ist<br />

selbst nach Ansicht des BGH, der den Zusammenhang<br />

zwischen Klage und Widerklage als eine besondere<br />

Sachurteilsvoraussetzung für die Widerklage<br />

ansieht, möglich: dann tritt eine Heilung nach<br />

§ 295 ZPO ein. 37<br />

3. Auswirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses<br />

(PÜB) auf die Widerklage:<br />

a. Infolge des PÜB ist eine Umstellung des Widerklageantrags<br />

einerseits unvermeidbar 38 , andererseits hat<br />

der Beklagte aber auch nicht seine Prozessführungsbefugnis<br />

für die Widerklage verloren, weil er sich<br />

auf die gesetzliche Prozessstandschaft gemäß<br />

§ 265 II 1 ZPO stützen kann.<br />

36<br />

37<br />

38<br />

Rechtliche Überlegungen, deren Ergebnis für den eigenen<br />

Mandanten nachteilig sind (in einer Replikklausur ist das<br />

u.a. die Zulässigkeit einer Widerklage, soweit man diese<br />

nicht angreift), gehören keinesfalls in den Schriftsatz an<br />

das Gericht, sondern – je nach Bearbeitervermerk – entweder<br />

in ein Mandantenschreiben oder ins Hilfsgutachten.<br />

Alles andere ist völlig praxisfern und im Übrigen auch<br />

nicht vom Wortlaut des examenstypischen Bearbeitervermerks<br />

(„stützen“!) gedeckt. Siehe hierzu auch Assessor-Basics,<br />

Anwaltsklausur, § 1, RN 134 und § 2, RN 65.<br />

Vgl. hierzu ThP § 33, RN 7. Nach h.L., die § 33 ZPO nur<br />

als besonderen Gerichtsstand der Widerklage ansieht, also<br />

nicht als eine besondere Prozessvoraussetzung, käme es in<br />

diesem Fall „maximal“ auf § 39 ZPO an. Selbst diese Regelung<br />

wäre im vorliegenden Fall nicht notwendig, weil<br />

sich die Zuständigkeit – wie eben gezeigt – bereits aus<br />

anderen Vorschriften ergibt.<br />

Vgl. einerseits ThP § 265, RN 13, andererseits ThP § 836,<br />

RN 2 bzw. BGH NJW 2001, 2178 [2179].<br />

39<br />

40<br />

Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 8<br />

Die Forderung war streitbefangen i.S.d. § 265 I<br />

ZPO, da die Aktivlegitimation des Widerklägers<br />

unmittelbar auf ihr beruht. Der Begriff „Abtretung“<br />

ist weit auszulegen und erfasst selbstverständlich<br />

auch die Rechtsübertragung durch Hoheitsakt. Erfasst<br />

ist auch der vorliegende Fall, denn der (Wider)-Kläger<br />

verlor infolge der Pfändung gemäß<br />

§ 828 ff ZPO (Verstrickung) und der Überweisung<br />

zur Einziehung gemäß § 835 I 1. Alt. ZPO im Ergebnis<br />

unstreitig die Befugnis, Zahlung an sich<br />

selbst zu fordern. 39<br />

Anmerkung: Der (Wider)-Kläger bleibt bei der<br />

Überweisung zur Einziehung gemäß § 835 I 1. Alt.<br />

ZPO rein formell Inhaber der Forderung: Ein Unterschied<br />

zur Überweisung an Zahlung statt gemäß<br />

§ 835 I 2. Alt. ZPO. Er macht also – anders als im<br />

Regelfall der Prozessstandschaft – kein „völlig<br />

fremdes“ Recht geltend. Nach h.M. behält er aufgrund<br />

dieser Rechtsstellung zusätzlich sogar noch<br />

ein Klagerecht dahingehend, dass er auch ohne Zustimmung<br />

des Vollstreckungsgläubigers auf Leistung<br />

an diesen klagen kann. 40 Nach dieser h.M.<br />

kann er also auch dann im Wege der Prozessstandschaft<br />

vorgehen, wenn die Pfändung und Überweisung<br />

vor Rechtshängigkeit der Klage erfolgte und<br />

deswegen kein Fall von § 265 II 1 ZPO vorliegt;<br />

diese Prozessstandschaft folgt dann unmittelbar aus<br />

den Grenzen der Wirkung des § 835 I 1. Alt. ZPO.<br />

Wegen dieser verbliebenen Restbefugnisse des Klägers<br />

wäre es auf den ersten Blick nicht völlig unvertretbar,<br />

den § 265 ZPO nur im Falle der Überweisung<br />

an Zahlung statt anzuwenden und die Prozessstandschaft<br />

im Falle der Überweisung zur Einziehung<br />

direkt auf § 835 I 1. Alt. ZPO zu stützen (also<br />

wie bei Pfändung vor Rechtshängigkeit; s.o.). Auswirken<br />

würde sich diese Frage im hier gegebenen<br />

Regelfall der beabsichtigten Fortsetzung des<br />

Rechtsstreits durch den bisherigen Kläger gar nicht.<br />

Dies ist hier auch in der Tat nach Rechtshängigkeit<br />

erfolgt, nämlich durch Beschluss vom 20. Mai 2013,<br />

zugestellt am 21. Mai 2013. Die Zustellung der Widerklage,<br />

auf die hier nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut<br />

des § 265 I ZPO abzustellen ist (vgl.<br />

So (ohne Problemdiskussion) BGH NJW 2011, 2649<br />

[2651]; Brox/Walker Zwangsvollstreckung, RN 640. Zöller/Greger<br />

§ 265, RN 6a scheint bereits die bloße Pfändung<br />

als einen Fall des § 265 ZPO anzusehen, weil auch<br />

diese bereits die bisherigen Befugnisse beschränkt und<br />

nur noch eine eingeschränkte Vorgehensweise des Vollstreckungsschuldners<br />

zulässt (Klage auf Hinterlegung).<br />

Vgl. BGH NJW 2001, 2178 [2179]; ThP § 836, RN 2.<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 9<br />

§§ 253 I, 261 I ZPO), erfolgte hier aber wirksam bereits<br />

am 5. Mai 2013. 41<br />

Auch der Ausnahmefall des § 265 III ZPO ist nicht<br />

gegeben. Ein Entfallen der Rechtskrafterstreckung<br />

auf den Rechtsnachfolger (vgl. § 325 I ZPO) gemäß<br />

§ 325 II ZPO kommt nämlich nicht in Betracht. Die<br />

Entscheidung der Frage danach, welcher Maßstab<br />

hinsichtlich der Gutgläubigkeit im Hinblick auf die<br />

Prozessführung anzuwenden ist, richtet sich nämlich<br />

nach dem materiellen Recht. 42 Bei einer Forderungsabtretung<br />

aber ist ein Schutz des guten Glaubens<br />

an das Recht selbst nicht gegeben. Dies hat<br />

dann konsequenterweise zur Folge, dass es auch<br />

keinen Gutglaubensschutz im Hinblick auf die fehlende<br />

Prozessführung geben kann, so dass die Prozessführungsbefugnis<br />

in solchen Fällen letztlich<br />

immer fortbesteht. Für die Forderungspfändung und<br />

-überweisung gilt dies umso mehr, weil hier nicht<br />

einmal ein Rechtsgeschäft vorliegt, wie es zur Begründung<br />

eines Gutglaubensschutzes nötig ist.<br />

b. Ein Parteiwechsel auf den Vollstreckungsgläubiger<br />

als Alternative dazu wird nach bisherigem Erkenntnisstand<br />

nicht wirksam erfolgen:<br />

Jeder gewillkürte Parteiwechsel setzt entsprechende<br />

Erklärungen der ausscheidenden und der neu hinzukommenden<br />

Partei voraus. Laut Aussage des Mandanten<br />

hat der Vollstreckungsgläubiger als potentielle<br />

neue Partei bzgl. des Antrags der Widerklage<br />

aber erklärt, gar kein Interesse an der Führung dieses<br />

Rechtsstreits zu haben. Geht man davon aus,<br />

dass auch die Überweisung zur Einziehung gemäß<br />

§ 835 I 1. Alt. ZPO einen Fall des § 265 I ZPO darstellt<br />

(dazu s.o.), so wäre gemäß § 265 II 2 ZPO zusätzlich<br />

auch die Zustimmung des Klägers (in seiner<br />

Rolle als Widerbeklagter) notwendig. 43<br />

______________<br />

Anhang / Gebührenaspekte bei Erhebung einer<br />

Räumungsklage:<br />

Die mietrechtliche Räumungsklage ist, wenn der<br />

Anwalt des Vermieters selbst als Vertreter die Kündigung<br />

erklärt oder zumindest vorbereitet hatte, einer<br />

der wichtigsten Anwendungsbereiche für die<br />

Problematik der anwaltlichen „Geschäftsgebühr“.<br />

1. Für die außergerichtliche Vertretung, hier also der<br />

Kündigungserklärung, erhält der Rechtsanwalt nach<br />

Nr. 2300 VV-RVG eine sog. „Geschäftsgebühr“ in<br />

Höhe von 0,5 bis 2,5 der vollen Gebühr des § 13 I<br />

RVG. Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-<br />

RVG zählt nach absolut h.M. nicht zu den im Kostenfestsetzungsverfahren<br />

erstattungsfähigen Prozesskosten<br />

i.S.d. §§ 91 ff ZPO. 44<br />

2. Die Geschäftsgebühr muss daher exakt beziffert und<br />

im Wege der Klagehäufung (§ 260 ZPO) als eigener<br />

Posten mit eingeklagt werden, um so einen Titel für<br />

eine eventuelle Zwangsvollstreckung zu erhalten!<br />

Zu den in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen<br />

und Prüfungsvoraussetzungen siehe erst ausführlich<br />

in Life & Law Bayern Spezial 2013, Heft 5.<br />

3. Zur sachlichen Zuständigkeit: 45 Wird der materiellrechtliche<br />

Kostenerstattungsanspruch neben der<br />

Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend<br />

gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung<br />

abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung<br />

im Sinne von § 4 I ZPO dar. Er wirkt daher<br />

nicht streitwerterhöhend.<br />

Wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch<br />

nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits ist<br />

(z.B. weil eine auf die Hauptforderung oder einen<br />

Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung erklärt<br />

worden ist), sind geltend gemachte vorprozessuale<br />

Anwaltskosten aber als streitwerterhöhender<br />

Hauptanspruch zu berücksichtigen. Dann hat<br />

diese Forderung sich von der sie bedingenden Forderung<br />

„emanzipiert“, denn ohne Hauptforderung<br />

gibt es keine Nebenforderung.<br />

Hinweis: Der Problemkreis der „Geschäftsgebühr“<br />

taucht immer wieder im Examen auf. Wie auch in<br />

anderen Bereichen (Beispiel: Kostenentscheidungen<br />

und Unterhaltsberechnungen sind im Examen mathematisch<br />

niemals kompliziert, es sei denn, man<br />

hat sich das durch eine falsche Entscheidung einer<br />

Rechtsfrage selbst eingebrockt!), wird die Problematik<br />

dabei aber üblicherweise bereits im Sachverhalt<br />

„mathematisch entschärft“, weil kein Taschenrechner<br />

zur Verfügung steht und deswegen „Rechenorgien“<br />

keinen Sinn machen: Die dort verwendeten<br />

Zahlen sind dann üblicher Weise als zutreffend<br />

zu unterstellen. Entscheiden muss der Klausurbearbeiter<br />

dann „nur“ darüber, ob überhaupt eine<br />

41<br />

42<br />

43<br />

Es wird also nicht analog § 167 ZPO auf den Eingang bei<br />

Gericht abgestellt (vgl. auch ThP § 265, RN 11).<br />

Vgl. ThP § 325, RN 8.<br />

Vgl. ThP § 265, RN 17; BGH NJW 1996, 2799.<br />

44<br />

45<br />

Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008, Az.:<br />

VIII ZB 57/07; BGH NJW 2007, 3289; NJW 2007, 3500<br />

[3501]; OLG Frankfurt NJW 2005, 759; Zöller/Herget<br />

§ 104, RN 21; andeutungsweise auch bei ThP § 91, RN 8.<br />

Hierzu siehe etwa BGH NJW 2013, 2123 [RN 5 f.].<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013


Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 10<br />

Anspruchsgrundlage besteht und ob ggf. die Forderung<br />

vollständig oder nur prozentual ersatzfähig ist<br />

(vgl. zuletzt z.B. Klausur Nr. 2 des bayerischen Assessorexamens<br />

2012/I, Klausur Nr. 1 des Examens<br />

2012/II, Klausur Nr. 3 des Examens 2013/I).<br />

________________<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013

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