1091_Loesung
1091_Loesung
1091_Loesung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
I. Zur Widerklage:<br />
Teil 3: Hilfsgutachten<br />
1. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts folgt<br />
aus §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG, da der Streitwert der<br />
Widerklage, die nicht mit der Klage addiert werden<br />
darf (vgl. § 5 2. Hs. ZPO), nicht über 5.000 € liegt.<br />
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich bereits gemäß<br />
§§ 12, 13 ZPO über den Wohnsitz des Klägers (in<br />
seiner Rolle als Widerbeklagter). 36<br />
2. Der gemäß § 33 ZPO erforderliche Zusammenhang<br />
zwischen Klage und Widerklage muss vorliegend<br />
bezweifelt werden, denn die beiden Streitigkeiten<br />
haben außer der bloßen Parteiidentität keinerlei Berührungspunkte.<br />
Allerdings ist zu berücksichtigen,<br />
dass der Mandant keine bloße Formalentscheidung<br />
(etwa ein nicht die Sache selbst klärendes Prozessurteil)<br />
wünscht. Daher ist vorliegend – wie im<br />
Schriftsatz bereits geschehen – eine rügelose Einlassung<br />
zur Sache empfehlenswert. Eine solche ist<br />
selbst nach Ansicht des BGH, der den Zusammenhang<br />
zwischen Klage und Widerklage als eine besondere<br />
Sachurteilsvoraussetzung für die Widerklage<br />
ansieht, möglich: dann tritt eine Heilung nach<br />
§ 295 ZPO ein. 37<br />
3. Auswirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses<br />
(PÜB) auf die Widerklage:<br />
a. Infolge des PÜB ist eine Umstellung des Widerklageantrags<br />
einerseits unvermeidbar 38 , andererseits hat<br />
der Beklagte aber auch nicht seine Prozessführungsbefugnis<br />
für die Widerklage verloren, weil er sich<br />
auf die gesetzliche Prozessstandschaft gemäß<br />
§ 265 II 1 ZPO stützen kann.<br />
36<br />
37<br />
38<br />
Rechtliche Überlegungen, deren Ergebnis für den eigenen<br />
Mandanten nachteilig sind (in einer Replikklausur ist das<br />
u.a. die Zulässigkeit einer Widerklage, soweit man diese<br />
nicht angreift), gehören keinesfalls in den Schriftsatz an<br />
das Gericht, sondern – je nach Bearbeitervermerk – entweder<br />
in ein Mandantenschreiben oder ins Hilfsgutachten.<br />
Alles andere ist völlig praxisfern und im Übrigen auch<br />
nicht vom Wortlaut des examenstypischen Bearbeitervermerks<br />
(„stützen“!) gedeckt. Siehe hierzu auch Assessor-Basics,<br />
Anwaltsklausur, § 1, RN 134 und § 2, RN 65.<br />
Vgl. hierzu ThP § 33, RN 7. Nach h.L., die § 33 ZPO nur<br />
als besonderen Gerichtsstand der Widerklage ansieht, also<br />
nicht als eine besondere Prozessvoraussetzung, käme es in<br />
diesem Fall „maximal“ auf § 39 ZPO an. Selbst diese Regelung<br />
wäre im vorliegenden Fall nicht notwendig, weil<br />
sich die Zuständigkeit – wie eben gezeigt – bereits aus<br />
anderen Vorschriften ergibt.<br />
Vgl. einerseits ThP § 265, RN 13, andererseits ThP § 836,<br />
RN 2 bzw. BGH NJW 2001, 2178 [2179].<br />
39<br />
40<br />
Assessorkurs Bayern<br />
Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 8<br />
Die Forderung war streitbefangen i.S.d. § 265 I<br />
ZPO, da die Aktivlegitimation des Widerklägers<br />
unmittelbar auf ihr beruht. Der Begriff „Abtretung“<br />
ist weit auszulegen und erfasst selbstverständlich<br />
auch die Rechtsübertragung durch Hoheitsakt. Erfasst<br />
ist auch der vorliegende Fall, denn der (Wider)-Kläger<br />
verlor infolge der Pfändung gemäß<br />
§ 828 ff ZPO (Verstrickung) und der Überweisung<br />
zur Einziehung gemäß § 835 I 1. Alt. ZPO im Ergebnis<br />
unstreitig die Befugnis, Zahlung an sich<br />
selbst zu fordern. 39<br />
Anmerkung: Der (Wider)-Kläger bleibt bei der<br />
Überweisung zur Einziehung gemäß § 835 I 1. Alt.<br />
ZPO rein formell Inhaber der Forderung: Ein Unterschied<br />
zur Überweisung an Zahlung statt gemäß<br />
§ 835 I 2. Alt. ZPO. Er macht also – anders als im<br />
Regelfall der Prozessstandschaft – kein „völlig<br />
fremdes“ Recht geltend. Nach h.M. behält er aufgrund<br />
dieser Rechtsstellung zusätzlich sogar noch<br />
ein Klagerecht dahingehend, dass er auch ohne Zustimmung<br />
des Vollstreckungsgläubigers auf Leistung<br />
an diesen klagen kann. 40 Nach dieser h.M.<br />
kann er also auch dann im Wege der Prozessstandschaft<br />
vorgehen, wenn die Pfändung und Überweisung<br />
vor Rechtshängigkeit der Klage erfolgte und<br />
deswegen kein Fall von § 265 II 1 ZPO vorliegt;<br />
diese Prozessstandschaft folgt dann unmittelbar aus<br />
den Grenzen der Wirkung des § 835 I 1. Alt. ZPO.<br />
Wegen dieser verbliebenen Restbefugnisse des Klägers<br />
wäre es auf den ersten Blick nicht völlig unvertretbar,<br />
den § 265 ZPO nur im Falle der Überweisung<br />
an Zahlung statt anzuwenden und die Prozessstandschaft<br />
im Falle der Überweisung zur Einziehung<br />
direkt auf § 835 I 1. Alt. ZPO zu stützen (also<br />
wie bei Pfändung vor Rechtshängigkeit; s.o.). Auswirken<br />
würde sich diese Frage im hier gegebenen<br />
Regelfall der beabsichtigten Fortsetzung des<br />
Rechtsstreits durch den bisherigen Kläger gar nicht.<br />
Dies ist hier auch in der Tat nach Rechtshängigkeit<br />
erfolgt, nämlich durch Beschluss vom 20. Mai 2013,<br />
zugestellt am 21. Mai 2013. Die Zustellung der Widerklage,<br />
auf die hier nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut<br />
des § 265 I ZPO abzustellen ist (vgl.<br />
So (ohne Problemdiskussion) BGH NJW 2011, 2649<br />
[2651]; Brox/Walker Zwangsvollstreckung, RN 640. Zöller/Greger<br />
§ 265, RN 6a scheint bereits die bloße Pfändung<br />
als einen Fall des § 265 ZPO anzusehen, weil auch<br />
diese bereits die bisherigen Befugnisse beschränkt und<br />
nur noch eine eingeschränkte Vorgehensweise des Vollstreckungsschuldners<br />
zulässt (Klage auf Hinterlegung).<br />
Vgl. BGH NJW 2001, 2178 [2179]; ThP § 836, RN 2.<br />
© RA Ingo Gold / Juli 2013