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Assessorkurs Bayern<br />

Klausur Nr. <strong>1091</strong> / Lösung Seite 7<br />

zu gestatten, sind beide Ehegatten regelmäßig als<br />

gleichberechtigte Besitzer anzusehen.<br />

Exkurs: Ein minderjähriges Kind muss dagegen<br />

nicht verklagt werden, denn dieses ist nur Besitzdiener.<br />

Werden minderjährige Kinder volljährig und<br />

leben weiter in der Wohnung der Eltern, so behalten<br />

sie meist – nicht immer – auch ihre bloße Besitzdienerstellung.<br />

30 Ob ein nichtehelicher Lebensgefährte<br />

des Mieters Besitzer oder Besitzdiener ist, ist<br />

Frage des Einzelfalls: Mitbesitz muss sich aus den<br />

Umständen klar und eindeutig ergeben. 31<br />

Gegen Untermieter ist nach BGH sogar dann ein eigener<br />

Titel nötig, wenn der Verdacht besteht, dem<br />

Dritten sei der Besitz nur deswegen eingeräumt<br />

worden, um die Zwangsräumung zu vereiteln. In<br />

solchen Fällen kann es aber u.U. an einer selbstständigen<br />

Stellung als Besitzer fehlen. 32<br />

Hinweis: Beachten Sie auch die seit Mai 2013 gültige<br />

Fassung des § 940a II ZPO: Erfährt der Vermieter<br />

erst nach der letzten mündlichen Verhandlung<br />

vom Besitz (!) eines Dritten, ist ausnahmsweise eine<br />

Leistungsverfügung gegen diesen möglich. Da dies<br />

aber nicht bei früherer Kenntnisnahme gilt, besteht<br />

in solchen Fällen die Notwendigkeit der Parteierweiterung<br />

(Verzögerungspotential). 33<br />

b. Zum anderen habe ich die Klageanträge sachlich auf<br />

Räumung erweitert. Dies hat den Zweck, notfalls<br />

auch die beweglichen Sachen des Mieters zwangsweise<br />

aus der Wohnung entfernen lassen zu können.<br />

Die Vollstreckung des bisher alleine gestellten Antrags<br />

auf Herausgabe würde sich nämlich darauf beschränken,<br />

Ihnen die Schlüssel zu verschaffen und<br />

die bisherigen Nutzer körperlich aus der Wohnung<br />

zu entfernen.<br />

Dabei habe ich nun beides beantragt. Dies eröffnet<br />

Ihnen nämlich die Möglichkeit, später mithilfe des<br />

Vollstreckungsauftrags an den Gerichtsvollzieher<br />

frei zu entscheiden, ob Sie tatsächliches beides in<br />

Regie des Gerichtsvollziehers durchführen lassen<br />

wollen oder sich im Vollstreckungsauftrag auf bloße<br />

Herausgabe beschränken. § 885a ZPO lässt eine solche<br />

Beschränkung ausdrücklich zu. 34<br />

Die Räumungsvollstreckung ist für den Vermieter<br />

zwar bequemer, allerdings wesentlich teurer als eine<br />

reine Herausgabevollstreckung. Da der Gläubiger<br />

die erwarteten Kosten zumindest vorschießen muss,<br />

ist es oft sinnvoll, auf die Räumung in Regie des<br />

Gerichtsvollziehers zu verzichten und anders vorzugehen,<br />

wenn die Gefahr besteht, das diese Kosten<br />

beim Mieter nicht wieder eingetrieben werden können.<br />

Diesen Aspekt werden wir dann zu gegebener<br />

Zeit noch unter Abwägung der Detailalternativen<br />

und der konkreten Vor- und Nachteile durchsprechen<br />

müssen.<br />

3. Die Auswirkung des Ihnen zugestellten Pfändungsund<br />

Überweisungsbeschlusses auf den Rechtsstreit –<br />

konkret: auf die Widerklage – dürfte voraussichtlich<br />

sehr gering sein.<br />

Der Gegner muss seinen Widerklageantrag auf<br />

Zahlung an den pfändenden Herrn Gellert umstellen,<br />

weil ihm dieser Beschluss selbst im Falle des<br />

Bestehens dieser Forderung die Befugnis genommen<br />

hätte, Zahlung an sich selbst zu verlangen. Es<br />

ist aber auch zu erwarten, dass er dies tun wird,<br />

denn andernfalls wäre die Widerklage abzuweisen,<br />

ohne dass seine behauptete Restkaufpreisforderung<br />

überhaupt sachlich geprüft werden würde. 35<br />

Wenn Ihre Aufrechnung durchgreift, was – wie<br />

bereits angesprochen – letztlich wohl nur vom Beweis<br />

des Hundebisses und der Ursächlichkeit für die<br />

konkreten Heilbehandlungskosten abhängt, so ist<br />

dieser Vorgang aus Ihrer Sicht letztlich sogar völlig<br />

unerheblich: Da die Pfändung und Überweisung<br />

sich dann auf eine nicht bestehende Forderung bezog,<br />

ging sie – wie der Jurist dies formuliert – „ins<br />

Leere“, hat also keine Wirkung. Die Widerklage<br />

würde dann genauso abgewiesen werden wie wenn<br />

diese Pfändung nie erfolgt wäre.<br />

Heck<br />

Rechtsanwalt<br />

30<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 1959 [1960].<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 1959 [1960].<br />

Vgl. BGH NJW 2008, 3287 = Life & Law 2008, 810.<br />

Vgl. Flatow NJW 2013, 1185 [1191].<br />

Bereits zuvor ließ der BGH es zu, dass der Vollstreckungsauftrag<br />

unter Berufung auf ein Vermieterpfandrecht<br />

gemäß § 562 BGB auf die bloße Herausgabe der<br />

Wohnung beschränkt wird (sog. „Berliner Modell“; vgl.<br />

BGH NJW 2006, 848 ff).<br />

35<br />

Hier erscheint es mir sinnvoll, sich auf eine grobe Zusammenfassung<br />

zu beschränken und die juristischen Feinheiten<br />

erst im Hilfsgutachten darzulegen (a.A. „nicht unvertretbar“,<br />

weil Geschmacksfrage). Ich halte es für ausgeschlossen,<br />

dass es möglich ist, dem Mandanten Details<br />

wie Verstrickung, Pfändungspfandrecht und Prozessstandschaft<br />

nachvollziehbar zu erläutern!<br />

© RA Ingo Gold / Juli 2013

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