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Das Projekt der Aufklärung in Streit und Wettstreit mit dem Islam

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deutliches Bekenntnis für e<strong>in</strong>e „<strong>Islam</strong>ische Ordnung“ <strong>und</strong> e<strong>in</strong> entsprechendes<br />

Verständnis des Menschen <strong>in</strong> ihr abgeben möchten <strong>und</strong> jenen, die nach e<strong>in</strong>er<br />

Synthese suchen von westlich bestimmter Mo<strong>der</strong>nität <strong>und</strong> Werten, die aus <strong>dem</strong> <strong>Islam</strong><br />

abgeleitet werden.<br />

Aus <strong>dem</strong> Kreis emanzipierter islamischer Intellektueller hebe ich exemplarisch zwei<br />

Frauen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Mann hervor, die sich für die Befreiung des Verständnisses <strong>der</strong><br />

Geschlechter aus verkrusteten patriarchalen Strukturen e<strong>in</strong>setzen. Sie gehören zu<br />

<strong>der</strong> angreifbarsten Gruppe unter den Vertretern aufgeklärten Denkens. Sie sehen<br />

sich immer wie<strong>der</strong> gleichsam zum Schwur auf den <strong>Islam</strong> gezwungen. In erster L<strong>in</strong>ie<br />

geschieht dies als Akt <strong>der</strong> Selbstverteidigung, um zu <strong>dem</strong>onstrieren, dass e<strong>in</strong>e<br />

korrekte Interpretation von Koran <strong>und</strong> Hadith den Anspruch von Frauen auf Freiheit<br />

<strong>und</strong> Gleichheit unterstützt. Sich auf den <strong>Islam</strong> zu berufen, wird dabei gleichsam zu<br />

e<strong>in</strong>em rituellen Akt. Die ägyptische Psycholog<strong>in</strong> Nawal el-Saadawi schockte <strong>in</strong> den<br />

70er Jahren des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts die arabische Welt <strong>mit</strong> ihrem Buch „Frauen <strong>und</strong><br />

Sexualität“. Sie hielt sich aber stets bedeckt, sobald es um die Religion g<strong>in</strong>g. Sie<br />

kritisierte die nationalistischen <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ken Schriftsteller, weil sie die Befreiung <strong>der</strong><br />

Frau nur als e<strong>in</strong> <strong>der</strong> nationalen Befreiung untergeordnetes Nebenprodukt<br />

behandelten. Die F<strong>und</strong>amentalisten aber <strong>mit</strong> ihrem Anspruch, Alle<strong>in</strong>vertreter des<br />

Glaubens zu se<strong>in</strong>, stellte sie nur milde zur Rede. Vor e<strong>in</strong>er wirklichen Kritik des<br />

islamischen Gesetzes, <strong>der</strong> Scharia, <strong>und</strong> <strong>der</strong> die Frauen diskrim<strong>in</strong>ierenden Stellen im<br />

Koran schreckte sie zurück. Ähnliches gilt von <strong>der</strong> bekannten fem<strong>in</strong>istischen<br />

Mitstreiter<strong>in</strong>, <strong>der</strong> marokkanischen Anthropolog<strong>in</strong> Fatima Mernissi. Auch sie unterlässt<br />

es, religiöse Gesetze direkt zu kritisieren, for<strong>der</strong>t jedoch e<strong>in</strong>e aktive fem<strong>in</strong>istische<br />

„Überarbeitung“ des islamischen Erbes. 11<br />

Der ägyptische Literaturwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid wurde hierzulande<br />

bekannt, als er 1995 als „Apostat“ verurteilt wurde, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimat ständigen<br />

Morddrohungen ausgesetzt war <strong>und</strong> nach se<strong>in</strong>er Zwangsscheidung Ägypten verließ<br />

<strong>und</strong> seither <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen lebt <strong>und</strong> lehrt. Der Autor hat sich immer wie<strong>der</strong> dafür<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, die religiösen Texte des <strong>Islam</strong> <strong>in</strong> ihrer Geschichtlichkeit zu begreifen <strong>und</strong><br />

zu <strong>in</strong>terpretieren. Er plädiert für e<strong>in</strong>e neue „Lesart“ des Koran, d.h. für e<strong>in</strong>e<br />

Interpretation se<strong>in</strong>er Texte <strong>in</strong> ihrer historisch-relativen Bedeutung. Auch im Blick auf<br />

die Rolle <strong>der</strong> Frau, <strong>dem</strong> Ruf nach <strong>dem</strong> Schleier <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verweigerung <strong>der</strong> Rechte<br />

von Frauen als tätigen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gesellschaft kommt Abu Zaid zu von <strong>der</strong><br />

Orthodoxie abweichenden Ergebnissen. Er stützt sich dabei auf Reformdenker wie<br />

11<br />

Vgl. Hischam Scharabi, Der Weg zur Mo<strong>der</strong>ne. Betrachtungen über die Macht, die Frau <strong>und</strong> die<br />

Armut, <strong>in</strong>: <strong>Islam</strong>, Demokratie <strong>und</strong> Mo<strong>der</strong>ne, 211–217; Fatima Mernissi, <strong>Islam</strong> <strong>und</strong> Demokratie. Die<br />

Angst vor <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, Freiburg im Breisgau 2002.<br />

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