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Das Projekt der Aufklärung in Streit und Wettstreit mit dem Islam

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dass <strong>der</strong> Ursprung das Beständige <strong>und</strong> ewig Unverän<strong>der</strong>liche sei. Se<strong>in</strong>en orthodoxen<br />

Interpreten zufolge hat <strong>der</strong> Koran „alles gesagt“. Der Mensch hat den Regeln zu<br />

folgen, die im „heiligen Buch“ vorgeschrieben s<strong>in</strong>d. Begriffe wie „Kreativität“,<br />

„kritisches Denken“ o<strong>der</strong> „Mo<strong>der</strong>nität“ kommen e<strong>in</strong>er Rebellion gegen den Ursprung<br />

gleich.<br />

„Bist du wissen<strong>der</strong> als Gott?“ Dies ist e<strong>in</strong>e Frage, die jede Diskussion <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

islamischen Geme<strong>in</strong>schaft im Keim erstickt. Der später h<strong>in</strong>gerichtete Wortführer <strong>der</strong><br />

ägyptischen F<strong>und</strong>amentalisten, Sayyid Qutb formulierte: „Je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> sich<br />

zum Regenten macht, versucht Gottes Herrschaft <strong>in</strong> Frage zu stellen. <strong>Das</strong> Volk<br />

selbst besitzt ke<strong>in</strong>e Herrschaft über sich selbst, denn Gott schuf die Völker, <strong>und</strong> er<br />

regiert sie selbst.“ Wer wissen<strong>der</strong> als Gott se<strong>in</strong> will, begeht für den radikalen<br />

<strong>Islam</strong>isten nichts an<strong>der</strong>es als Apostasie, Abfall vom Glauben – e<strong>in</strong> Delikt, das <strong>mit</strong><br />

<strong>dem</strong> Tod zu ahnden ist. 4<br />

Muslimische Intellektuelle stecken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fast unlösbaren Dilemma. Wie sollen sie<br />

etwas kritisieren, was über jede Kritik erhaben ist? Zu denen, die sich trotz<strong>dem</strong> zu<br />

Wort meldeten, gehörte <strong>der</strong> ägyptische Publizist Faruk Foda. Immer wie<strong>der</strong> rief er zur<br />

Öffnung <strong>und</strong> zum Wandel auf, stützte sich dabei auf den Koran. 1993 wurde er auf<br />

offener Straße <strong>in</strong> Kairo ermordet. Muslimische Intellektuelle führen e<strong>in</strong>en<br />

verzweifelten Überlebenskampf. Viele von ihnen leben im Exil. Mo<strong>der</strong>ne, Demokratie,<br />

Bürgerrechte <strong>und</strong> Gleichberechtigung – all diese Begriffe entstammen westlichen<br />

Kategorien <strong>und</strong> Denkweisen. S<strong>in</strong>d muslimische Intellektuelle Outsi<strong>der</strong>, weil sie über<br />

e<strong>in</strong>e Konzeption <strong>der</strong> Welt nachdenken, „die unter e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Himmel entdeckt<br />

worden ist“? 5<br />

2. Rolle kritischer Vernunft<br />

Die Eroberung Ägyptens durch Napoleon im Jahr 1798 leitete auf breiter Front e<strong>in</strong><br />

Zusammentreffen von muslimischer Welt <strong>und</strong> europäischen Staaten e<strong>in</strong>. Für die<br />

Muslime kam die Begegnung <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Westen jedoch e<strong>in</strong>em Schock gleich. Man<br />

stand e<strong>in</strong>em militärisch mächtigen, hoch zivilisierten Westen gegenüber <strong>und</strong><br />

4<br />

5<br />

Vgl. Hischam Scharabi, Mo<strong>der</strong>ne <strong>und</strong> islamische Erneuerung: Die schwierige Aufgabe <strong>der</strong><br />

arabischen Intellektuellen, <strong>in</strong> <strong>Islam</strong>, Demokratie, Mo<strong>der</strong>ne, 47–61.<br />

Der <strong>in</strong> Oxford ausgebildete Religionsgelehrte Ali Abd ar-Raziq (1888–1966) vertrat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Werk „Der <strong>Islam</strong> <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> politischen Herrschaft“ (al-<strong>Islam</strong> wa usul al-hukm) für die<br />

Trennung von Religion <strong>und</strong> Politik e<strong>in</strong>. Er löste <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er These, dass die Institution des Kalifats<br />

ke<strong>in</strong>e religiöse Gr<strong>und</strong>lage habe, heftige Debatten aus. Entsprechend wurde er vom<br />

traditionalistisch e<strong>in</strong>gestellten „Rat <strong>der</strong> Azhar-Gelehrten“ aus <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> „Männer <strong>der</strong><br />

Religion“ ausgeschlossen.<br />

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