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Das Projekt der Aufklärung in Streit und Wettstreit mit dem Islam

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Mit Djamal ad-D<strong>in</strong> al-Afghani <strong>und</strong> Mohammed Abduh setzte dann e<strong>in</strong>e reformerische<br />

Strömung e<strong>in</strong>, die politisch-religiös geprägt war <strong>und</strong> sich <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> arabischislamischen<br />

Welt schnell ausbreitete. Sie sprach sich gegen e<strong>in</strong>e Abwertung <strong>der</strong><br />

islamischen Religion aus <strong>und</strong> wusste sich da<strong>mit</strong> im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em imperialen<br />

Europa, das se<strong>in</strong>e Ideologie des Fortschritts, <strong>der</strong> Freiheit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vernunft auf<br />

säkulare Ideen <strong>der</strong> <strong>Aufklärung</strong> gründete <strong>und</strong> immer deutlicher die Gewissheit<br />

ausbildete, dar<strong>in</strong> die Wahrheit zu besitzen. Al-Afghanis <strong>und</strong> Abduhs Vision stützte<br />

sich dagegen auf Prämissen, die den imperialen Elementen des <strong>Projekt</strong>s <strong>der</strong><br />

<strong>Aufklärung</strong> diametral entgegensetzt waren. Was sie anstrebten war nicht weniger,<br />

son<strong>der</strong>n mehr Religion. Die Religion zu zerstören, bedeutete nach al-Afghani, sich<br />

von <strong>der</strong> Zivilisation abzukehren. Der Nie<strong>der</strong>gang des <strong>Islam</strong> sei nicht auf e<strong>in</strong>e religiöse<br />

Erkrankung, son<strong>der</strong>n auf Angriffe von außen sowie den Despotismus <strong>der</strong><br />

Regierenden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e abergläubische Auslegung <strong>der</strong> Religion zurückzuführen.<br />

Abduh konnte sogar direkt gegen die Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> <strong>Aufklärung</strong> <strong>und</strong> den<br />

„verdummenden mo<strong>der</strong>nistischen Diskurs“ sprechen. Er sah, dass die <strong>in</strong>dustrielle<br />

Mo<strong>der</strong>nität des Westens immer wie<strong>der</strong> zum Krieg führte. E<strong>in</strong> solcher „Fortschritt“<br />

aber war für ihn re<strong>in</strong>e „Barbarei“. Er sah die mo<strong>der</strong>ne Zivilisation von moralischen<br />

Krankheiten befallen, sie sei e<strong>in</strong>e Zivilisation des Krieges <strong>und</strong> <strong>der</strong> Habgier. E<strong>in</strong><br />

wahrer Fortschritt dagegen könne nur human-ethisch <strong>und</strong> spirituell begründet se<strong>in</strong>.<br />

Der Westen sei <strong>der</strong> muslimischen Welt nur durch se<strong>in</strong>e materielle Stärke überlegen.<br />

Vom wahren Fortschritt seien <strong>der</strong> Orient <strong>und</strong> <strong>der</strong> Okzident gleichweit entfernt. Djamal<br />

ad-D<strong>in</strong> war sich sehr genau darüber im Klaren, wie sehr die <strong>Aufklärung</strong> <strong>und</strong> ihr<br />

positivistisches Erbe Menschlichkeit amputieren konnten. Nicht weniger war er sich<br />

des destruktiven Charakters <strong>der</strong> Vernunft bewusst <strong>und</strong> nahm da<strong>mit</strong> im gewissen<br />

Umfang die spätere auch westliche Kritik am <strong>in</strong>humanen Charakter <strong>der</strong> „Vernunft <strong>der</strong><br />

<strong>Aufklärung</strong>“ vorweg. H<strong>in</strong>sichtlich des notwendigen Kampfs gegen den „Aberglauben“<br />

hielten al-Afghani <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Zeitgenossen e<strong>in</strong>e Rationalisierung des Glaubens für<br />

notwendig. An<strong>der</strong>s als die kritische Vernunft des Westens zielte se<strong>in</strong> Denken aber<br />

nicht auf e<strong>in</strong>e Destruktion <strong>der</strong> Religion, son<strong>der</strong>n auf e<strong>in</strong>er Stärkung des Glaubens<br />

<strong>und</strong> die Bewahrung echten religiösen Empf<strong>in</strong>dens. Da<strong>mit</strong> wird deutlich, dass die<br />

Woge westlicher <strong>Aufklärung</strong> an e<strong>in</strong>er Barriere scheiterte, die das Rückgrat <strong>der</strong><br />

muslimischen Welt bildete, nämlich an e<strong>in</strong>em kulturell <strong>und</strong> religiös geprägten<br />

Verständnis des <strong>Islam</strong>. Al-Afghani steht <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht für e<strong>in</strong>en Konsens ganz<br />

verschiedener Denkrichtungen, die aber alle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auffassung ko<strong>in</strong>zidierten, dass<br />

<strong>Islam</strong>, Kultur <strong>und</strong> Fortschritt letztlich e<strong>in</strong> <strong>und</strong> dasselbe seien.<br />

Auch an<strong>der</strong>e, die im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t als politische Reformer den Despotismus <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Türkei, <strong>in</strong> Tunesien <strong>und</strong> im arabischen Orient kritisierten, kann <strong>und</strong> muss man – was<br />

ihre politische Kritik betrifft – als Repräsentanten <strong>der</strong> <strong>Aufklärung</strong> betrachten. Auch die<br />

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