Printversion vergriffen: Freier Download BA 68 als PDF - Bad Alchemy
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SOHRAB A Hidden Place. (Touch,<br />
Tone 42, LP): Dass er sich etwas anderes<br />
vorstellen kann <strong>als</strong> die enge Welt, in<br />
die er 1984 in Teheran hinein geboren<br />
wurde, zeigt dieser Ambientpoet schon<br />
durch seine polyglotte Titelwahl - neben<br />
englischen findet man da ein<br />
‚Pedagogicheskaya Poema‘ und ein<br />
‚Himmel Über Tehran‘. Bei trüben Aussichten<br />
- das Cover zeigt zerbrochene<br />
Fensterscheiben, durch die man in ein<br />
dunkles Inneres blickt - werden aber<br />
die Details umso wichtiger: Auf den<br />
Scherben spiegeln sich zartblauer<br />
Himmel und Geäst. Sohrabs Klangpoesie<br />
spiegelt gedämpfte, intime Stimmungen,<br />
Einsamkeit, aber auch ein<br />
Für-Sich-Sein, ein Versteck, in dem<br />
man seine Träume ausspinnt, ein Refugium,<br />
auf das man sie hin spinnt. Dazwischen<br />
kräht vielsagend ein Hahn,<br />
was vielleicht etwas mehr andeutet <strong>als</strong><br />
einen Rückzug aufs Land. Glockenschläge<br />
suggerieren etwas Klösterliches,<br />
auch wenn das etwas weit her<br />
geholt erscheint. Warum sollten Engel<br />
den iranischen Luftraum grundsätzlich<br />
meiden? Er ist jedenfalls durchlässig<br />
für Rufe, nein, weniger von Muezzins,<br />
<strong>als</strong> von Hirten, die sich auf längere Distanz<br />
grüßen und verständigen. ‚Zarrin‘,<br />
golden, die Goldene, ist hinter Sohrabs<br />
dröhnminimalistischen, zarten Tönungen<br />
und Schwingungen vielleicht der<br />
Name für eine Lichtquelle jenseits seiner<br />
träumerischen Reserviertheit, seine<br />
Cocoonings. Aber das bleibt vage<br />
und noch ist diese Musik keusch wie<br />
ein Engel.<br />
THORSTEN SOLTAU / WEISS Rezykla<br />
(Electroton, ton010, 3“-mCD-R): Recycling<br />
und Doppelrecycling. Zweimal<br />
dekonstruiert Soltau Sounds vom<br />
Weiss-Produkt Rephlex, zweimal antwortet<br />
Weiss mit einem Remix des Remixes.<br />
Die Dekonstruktion reduziert die<br />
Musterbänder des Nürnberger Electrotonmachers<br />
ins Granulare, auf einen<br />
Morsecode aus feinen Clicks, Pixeln,<br />
Glitches, kullernden und spotzenden<br />
Molekülen bzw. auf dunkle Striche, unterschwellig<br />
knisternde Kritzer, knarrendes<br />
Zucken. Weiss stellt danach<br />
wieder seinen pulsierenden, pumpenden<br />
Breakbeat-Fluss her, aber jetzt gespickt<br />
mit kantigen Kristallen und<br />
schartigen Soundkörnchen. 4 x 5 Minuten<br />
legere Präzision, im klaren Electroton-Design,<br />
d. h. der obligatorischen<br />
bedruckten Klarsicht-Mini-DVD-Box.<br />
WEISS 22.38 (Electroton, ton011, digital<br />
download): WEISS allein zelebriert rhythmische<br />
Lustbarkeiten. Der Duktus der Maschine<br />
klingt selten so menschlich, so verspielt,<br />
so heiter und fast launig, wie bei diesen<br />
knackigen und pulsierenden, teils fast<br />
sprechenden Tracks. Speziell ‚02.22.38‘<br />
lässt einen deutlich weiblichen Geist in der<br />
Maschine ihren Rhythmus buchstabieren,<br />
reich verziert mit umeinander springenden<br />
Pixeln und unernstem Knarren. Selten hat<br />
man derart Anlass, zu Automatengekuller<br />
die neckischen Augen einer Rokokoschönheit<br />
zu halluzinieren. Danach geht es weniger<br />
sexy weiter mit überdrehtem, aus zig<br />
Düsen in alle Richtungen spotzendem Gehaspel<br />
in offenbar mehr <strong>als</strong> vier Dimensionen.<br />
‚04...‘ und ‚05...‘ benutzen ein feines<br />
Taktstöckchen und dudeln und knarzen<br />
unternehmungslustige Serenaden für solche,<br />
die auf heißem Draht im Cyberspace<br />
unterwegs sind. Electrokoko.<br />
V/A CRÓNICA L (Crónica 050~2010): Zum<br />
50. Release auf dem portugiesischen Label<br />
fanden sich 9 Pärchen, verkuppelt durch<br />
die Lust der Labelmacher an unvermuteten<br />
Begegnungen: Enrico Coniglio +<br />
Janek Schaefer, Gilles Aubry + Paulo<br />
Raposo, Marc Behrens + Cem Güney,<br />
@c + Gintas K, Pure + Durán Vázquez,<br />
Stephan Mathieu + Piotr Kurek, Ran<br />
Slavin + Vitor Joaquim, Lawrence<br />
English + Stephen Vitiello, The Beautiful<br />
Schizophonic + Tu M‘. Die Ergebnisse<br />
sind dann doch nur für sehr feine Unterschiede<br />
gut, handelt es sich doch<br />
durchwegs um Elektroniker, die sich mit ihrer<br />
Ambient- und Dröhnästhetik <strong>als</strong><br />
Cróníca-einschlägig gezeigt hatten. Als ob<br />
die individuellen Handschriften eher nivelliert<br />
<strong>als</strong> pointiert würden, ergibt sich ein<br />
durchgehender Soundtrack, der das Lob<br />
feiner Differenzen singt, mit der impulsiven<br />
Unruhe der deutsch-türkischen Kollaboration<br />
oder dem portugiesisch-litauischen<br />
Gebrodel zu Grillengezirpe und Gitarrenhalluzinationen<br />
<strong>als</strong> leichten Abweichungen.<br />
Peter Votava & Vásquez verursachen<br />
einen ‚STOORM‘ in der Espressomaschine,<br />
Mathieu & Ku-rek lauschen bei ‚The Heavens<br />
Have Many Colors‘ auf fernsten Funkverkehr<br />
am lüftlgemalten Himmel. Slavin &<br />
Joaquim erinnern mit den Muezzinrufen ihres<br />
‚Voices Over Water‘ an die schöpferische<br />
vox DOMINI super aquas. English & Vitiello<br />
betten einen in ein bächleinbemurmeltes,<br />
vögelbeschalltes Arkadien, bevor<br />
Jorge Mantas und seine beiden italienischen<br />
Partner den harmonisch dröhnenden<br />
Ausklang orgeln.<br />
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