(PDF) Tipps Dr. jur. G. Hoegg - Cybermobbing gegen Lehrer ...
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<strong>Dr</strong>. <strong>jur</strong>. G. <strong>Hoegg</strong><br />
Hoher Weg 23<br />
26721 EMDEN<br />
<strong>Cybermobbing</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Lehrer</strong><br />
Vor einigen Jahren hätte ich nicht gedacht, dass dieses Thema abendfüllend sein<br />
könnte. Aber das Internet bietet unzufriedenen Schüler die Möglichkeit, aus der<br />
(vermuteten) Anonymität heraus ihren Gefühlen über unbeliebte <strong>Lehrer</strong> freien Lauf zu<br />
lassen. Viele Kolleg/innen wissen gar nicht, was bereits alles über sie im Internet<br />
kursiert - und schonen damit ihre Nerven.<br />
Diejenigen, die es erfahren haben, sind nicht nur verärgert, sondern meist auch<br />
verzweifelt, weil sie meinen, <strong>gegen</strong> diese unfairen elektronischen Tiefschläge könne<br />
man sich nicht wehren. Im Folgenden sollen Sie etwas mehr erfahren als den<br />
Gemeinplatz, <strong>Cybermobbing</strong> verstoße <strong>gegen</strong> das Persönlichkeitsrecht von <strong>Lehrer</strong>n.<br />
Das haben Sie vermutlich schon gewusst.<br />
Zugegeben, die Angelegenheit ist etwas kompliziert, aber Sie können sich effektiv zur<br />
Wehr setzen. Damit man in dieser komplizierten Materie nicht den Überblick verliert,<br />
gehe ich wie folgt vor:<br />
I. das Schülerverhalten<br />
II. die Spielregeln<br />
III. die Gegenmaßnahmen<br />
I. Schülerverhalten, Einordnung rechtliche Möglichkeiten<br />
1. Bewertung von <strong>Lehrer</strong>n<br />
(Beispiel: spickmich.de)<br />
► unterrichtsbezogen („gut vorbereitet“)<br />
► persönlichkeitsbezogen („cool, witzig“)<br />
► persönlich („hässlich, unmenschlich“)<br />
erlaubt, also keine<br />
erlaubt, also keine<br />
grenzwertig, aber schulrechtl.<br />
Maßnahmen mögl.<br />
2. <strong>Dr</strong>ohungen und verbale Beleidigungen<br />
► öffentliche <strong>Dr</strong>ohung, Nötigung<br />
► Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung<br />
Schulrecht<br />
Strafrecht<br />
Strafrecht + Zivilrecht<br />
(evtl. Schmerzensgeld)<br />
3. Missbrauch des Namens<br />
(Beispiel: Anmeldung beim Single-Club)<br />
► üble Nachrede<br />
► Verletzung des Rechts am eigenen Namen<br />
Schulrecht<br />
Strafrecht<br />
Zivilrecht (Schadensersatz)<br />
4. gefilmtes Verhalten, verfremdete Bilder<br />
► unautorisiertes Filmen,<br />
Verletzung des Rechts am eigenen Bild<br />
► pornografische Bilder, virtuelle Hinrichtungen<br />
Verleumdung, Verletzung des eig. Bildrechts<br />
Schulrecht<br />
Zivilrecht (Schadensersatz)<br />
Strafrecht, Zivilrecht<br />
Nicht jede Maßnahme ist <strong>gegen</strong> jeden Schüler möglich, da bestimmte Altersgrenzen<br />
zwingend zu beachten sind. Deshalb gelten die folgenden „Spielregeln“.<br />
1
II. Die Spielregeln:<br />
Altersstufe es greifen: Folgen:<br />
ab<br />
Einschulung<br />
SchulR, d.h. Erziehungs- und<br />
Ordnungsmaßnahmen<br />
Möglichkeiten bis zum<br />
Schulverweis<br />
ab 7.<br />
(bzw. 10.)<br />
Lebensjahr<br />
Zivilrecht<br />
Unterlassung, Widerruf,<br />
Schadensersatz, evtl. auch<br />
(Schmerzensgeld) möglich<br />
ab 14. LJ StrafR bzw. JugendstrafR Über Strafantrag<br />
Sozialstunden od. Geldbetrag<br />
an gemeinnützige Einrichtung<br />
ab 18. LJ StrafR (bzw. JugendstrafR) Privatklage möglich<br />
III. Die Gegenmaßnahmen:<br />
Bei der Vielzahl von denkbaren Konstellationen ist es nicht möglich, alle Fälle<br />
durchzuspielen. Deshalb sollen hier an einem Fall die rechtlichen Möglichkeiten<br />
gezeigt werden, über Sie im Bedarfsfall verfügen. Unser Fall: Sie wurden im Unterricht<br />
von einigen 15-jährigen Schülern durch eine vorgetäuschte Prügelei so provoziert<br />
bzw. manipuliert, dass man Sie wütend und schreiend filmen konnte. Die für Sie<br />
negativsten Szenen wurden von einem Schüler isoliert und ins Internet (z.B. bei<br />
Youtube) gestellt, wo Sie als aggressiver Pauker vorgeführt werden. Davon haben Sie<br />
per Zufall erfahren.<br />
Gelegentlich wird die Ansicht vertreten, es liege ein Verstoß <strong>gegen</strong> den Datenschutz<br />
vor. Das mag vielleicht auf den Internetbieter zutreffen, nicht aber auf den Schüler, da<br />
das Datenschutzgesetz im Prinzip nur Behörden und Unternehmen bindet, nicht aber<br />
den einzelnen Schüler in seinem privaten Tun.<br />
Ihre Möglichkeiten:<br />
1. Dass Sie <strong>gegen</strong> den betreffenden Schüler mit schulischen Erziehungs- bzw.<br />
Ordnungsmaßnahmen vorgehen können, gehört hoffentlich zum Standardwissen<br />
jedes <strong>Lehrer</strong>s, so dass ich hierauf nicht weiter eingehe.<br />
2. Kommen wir zur strafrechtlichen Gegenwehr. Die Handlung des Schülers ist<br />
ehrverletzend und erfüllt strafrechtlich den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB),<br />
u.U. sogar der üblen Nachrede (§ 186 StGB). Da der Schüler über 14 Jahre alt und<br />
strafmündig ist, kann er strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.<br />
Dazu müssen Sie, besser aber noch Ihr Schulleiter, Strafantrag stellen, bitte keine<br />
Strafanzeige, wie die Polizei es regelmäßig vorschlägt. Einer Strafanzeige können<br />
die Ermittlungsbehörden, einem Strafantrag müssen sie jedoch nachgehen. Ein<br />
kleiner, aber wichtiger Unterschied.<br />
Da ich Ihre Frage ahne, lassen Sie mich unseren Fall etwas abwandeln: Sie wissen<br />
nicht, wer Sie gefilmt und ins Internet gestellt hat, müssen also erst einmal<br />
herausbekommen, <strong>gegen</strong> wen Sie sich wenden. An dieser Stelle geben die meisten<br />
Kollegen auf, weil sie nicht wissen, wie sie dies bewerkstelligen sollen.<br />
Da Sie einen Strafantrag gestellt haben, hilft Ihnen der Staatsanwalt. Er muss nämlich<br />
ermitteln, selbst wenn er hinterher den Fall (z.B. wegen Geringfügigkeit) einstellen<br />
sollte. Will der Provider nicht selbst als „Störer“ haften, muss er dem StA die sog. IP-<br />
Nummer mitteilen, hinter der sich der Rechner verbirgt, von dem die<br />
kompromittierenden Bilder gesendet wurden. Selbst bei Einstellung des Verfahrens<br />
haben Sie (oder Ihr Anwalt) das Recht auf Akteneinsicht und kennen damit den<br />
Besitzer des Rechners.<br />
2
Es tut mir leid, dass ich einen weiteren kleinen Exkurs machen muss, aber es ist zu<br />
Ihrem Vorteil. Oben hatte ich gesagt, dass es günstiger ist, wenn Ihr Schulleiter den<br />
Strafantrag stellt. Worin liegt der Vorteil?<br />
Falls der StA das Verfahren einstellt, könnten Sie <strong>gegen</strong> Erwachsene den Weg der<br />
Privatklage beschreiten, bei Jugendlichen ist diese Möglichkeit nicht vorgesehen, so<br />
dass Sie strafrechtlich ziemlich am Ende wären. Das ist anders, wenn Ihr Schulleiter<br />
für Sie in die Bresche springt. Zwar gibt es <strong>jur</strong>istisch nicht den Tatbestand der<br />
„Beamtenbeleidigung“, aber wenn Sie als „Amtsträger“ beleidigt werden – und das<br />
werden Sie meistens – dann kann nach § 194 III StGB der Dienstvorgesetzte den<br />
Strafantrag stellen. Dadurch bekommt das Ganze eine andere Dimension, denn jetzt<br />
liegt ein öffentliches Interesse vor, was eine Einstellung deutlich erschwert.<br />
Zudem entfällt bei diesem Weg die sonst vorgeschriebene Sühneverhandlung (§ 380<br />
III StPO), in welcher der Beleidiger sich meist pro forma entschuldigt und sich<br />
strafrechtlich meist aus der Affäre ziehen kann.<br />
Falls Ihr Schulleiter hier pädagogische Zurückhaltung zeigt, sollte der Personalrat ihn<br />
deutlich darauf hinweisen, dass es zu seiner Fürsorgepflicht gehört, seine Beamten<br />
vor ungerechtfertigten Vorwürfen zu schützen.<br />
Führen wir unseren Fall weiter. Wegen des öffentlichen Interesses kommt es zum<br />
Verfahren und der Schüler wird verurteilt. Wenn Sie oben in die Tabelle schauen,<br />
werden Sie feststellen, dass die strafrechtlichen Maßnahmen <strong>gegen</strong> problematische<br />
Jugendliche nicht wirklich beeindruckend sind.<br />
Jetzt kommt der Joker. Ich nenne ihn einmal das „Al Capone-Prinzip“. Denn was hat<br />
man gemacht, als man Al Capone nicht wegen seiner Gewalttätigkeiten zu fassen<br />
bekam? Man hat ihm Steuerhinterziehung nachgewiesen und ihn so für viele Jahre<br />
hinter Gitter gebracht. Das heißt: Wenn mich jemand unfair attackiert, dann ist letztlich<br />
nicht entscheidend, wie ich ihn kriege, sondern ob ich ihn kriege.<br />
3. Die kleinere, aber deutlich schärfere Waffe <strong>gegen</strong> <strong>Cybermobbing</strong> ist das<br />
unspektakuläre Zivilrecht. Dieser Weg hat zudem einen weiteren Vorteil. Während<br />
Schüler erst ab dem 14. LJ strafmündig sind, haften sie zivilrechtlich bereits ab dem 7.<br />
Lebensjahr, bei komplizierten Sachverhalten ab dem 10. Lebensjahr. Somit kann man<br />
auch Schüler zur Verantwortung ziehen, die strafrechtlich noch nicht zu belangen sind.<br />
Allerdings ist es nicht ratsam, den Schüler sofort mit einer Klage zu überziehen. Wenn<br />
dieser nämlich in der Verhandlung sofort alles einräumt, bleiben Sie auf den Kosten<br />
sitzen. Und wer will das schon? Also gehen Sie zuerst zu einem Anwalt Ihres<br />
Vertrauens und lassen einen „bösen Brief“ aufsetzen. Das kostet Sie ungefähr 70.- €,<br />
aber das Geld fordern Sie ja vom Schüler zurück. Zudem zeigen Sie durch diese<br />
Investition, dass man mit Ihnen nicht ungestraft solch üble Scherze treibt.<br />
Ihr Anwalt wird den Schüler vermutlich auffordern:<br />
► dafür zu sorgen, dass der Beitrag unverzüglich aus dem Netz entfernt wird,<br />
► eine Richtigstellung mit Entschuldigung im Netz zu platzieren,<br />
► eine strafbewehrte Unterlassungserklärung für die Zukunft abzugeben,<br />
► die Anwaltskosten (Abmahngebühr) zu übernehmen,<br />
► Schadensersatz in realistischer Höhe (z.B. 200.-€) zu zahlen<br />
► und das Ganze in angemessener Zeit (14 Tage) zu erledigen.<br />
Weisen Sie in Ihrem Schreiben darauf hin, dass der Schüler nur über Ihren Anwalt mit<br />
Ihnen verkehren soll. Führen Sie keine separaten Gespräche mit dem Schüler und<br />
nehmen Sie keine Entschuldigung an, bevor nicht alle Ihre Forderungen erfüllt sind.<br />
Falls der Schüler Ihre Forderungen erfüllt, ist die Angelegenheit zivilrechtlich erledigt.<br />
Tut er es nicht, sondern wartet (wie in den meisten Fällen) einfach nur ab, so können<br />
Sie jetzt Zivilklage erheben.<br />
3
Bei der Schadensersatzforderung sollten Sie nicht übertreiben, denn Sie wollen ja,<br />
dass der Schüler verurteilt wird und als Verlierer des Prozesses sämtliche<br />
Prozesskosten tragen muss. Das gelingt nur, wenn Sie zu 100% gewinnen. Und dafür<br />
sind die Chancen am besten, wenn Sie nicht übertrieben hohe Forderungen stellen.<br />
Die Anwälte sehen das etwas anders, denn ihre Gebühren richten sich nach dem<br />
„Streitwert“. Je höher der ist, desto mehr Honorar steht ihnen zu.<br />
Bei der Erwähnung des Geldes ahne ich Ihren Einwand. Wie soll denn ein 15-jähriger<br />
Schüler ohne Einkommen die Prozesskosten tragen? Das ist glücklicherweise nicht Ihr<br />
Problem, denn die Forderungen aus dem Prozess verjähren erst in 30 Jahren. Falls<br />
also der Schüler bis zu seinem 45. Lebensjahr nichts verdient hat, was über das<br />
unpfändbare Minimum hinausgeht, bleiben Sie tatsächlich auf den Kosten sitzen.<br />
Anderenfalls muss er vielleicht in 15 oder 20 Jahren zahlen, und zwar mit Zinsen.<br />
Die Argumentation für den zivilrechtlichen Schadensersatz hat 3 Grundlagen:<br />
1. Eine negative Veröffentlichung im Internet kann ein Karrierehemmnis sein,<br />
insbesondere dann, wenn Sie vorhaben, sich irgendwann auf eine höher dotierte<br />
Stelle zu bewerben. So wie Personalchefs der freien Wirtschaft im Internet über<br />
Bewerber recherchieren, könnte es auch Ihre vorgesetzte Dienstbehörde machen und<br />
das glauben, was man dort von Ihnen sieht, hört und über Sie liest.<br />
2. Wenn die Persönlichkeitsverletzung erheblich ist und auf anderem Wege keine<br />
ausreichende Genugtuung zu erreichen ist, kann für den „immateriellen Schaden“<br />
Schmerzensgeld gefordert werden. Als Anhaltspunkt: Einem Polizisten, den man als<br />
„Missgeburt“ bezeichnet hatte, wurden 400.-€ als Schmerzensgeld zugesprochen.<br />
3. Durch die Veröffentlichung im Internet hat man Ihr Grundrecht am eigenen Bild (Art.<br />
2 GG) missachtet und damit Ihr zivilrechtliches Urheberrecht verletzt. Sie können also<br />
versuchen, „fiktive Lizenzgebühren“ zu fordern, da man Ihr Bild, ohne Sie dafür zu<br />
bezahlen, öffentlich verwertet hat. Es liegt zivilrechtlich eine „unerlaubte Handlung“<br />
nach §§ 823 ff. vor, aus der Schadensersatz gefordert werden kann. Es ist nicht<br />
sicher, über diesen Weg Geld zu bekommen, aber einen Versuch ist es wert.<br />
Sie sehen also, Sie verfügen über eine Reihe von Gegenmaßnahmen. Zudem können<br />
Sie mehrere Wege parallel beschreiten. Ein 15-jähriger Schüler kann folglich<br />
schulrechtlich, strafrechtlich und zivilrechtlich belangt werden.<br />
Erfahrungsgemäß werden die aufgezeigten Möglichkeiten von denen, die vom<br />
<strong>Cybermobbing</strong> (noch) nicht betroffen sind, als unpädagogisch und überzogen<br />
empfunden. Diese Haltung ändert sich jedoch, wenn die Kollegen oder Kolleginnen<br />
sich zum Gaudi der gesamten Schule in Pornoszenen montiert wiederfinden oder ihre<br />
virtuelle Tötung als böser Feind in Ego-Shooter-Spielen sehen.<br />
Wie dem auch sei. Sie kennen jetzt nicht nur Ihre rechtlichen Möglichkeiten als <strong>Lehrer</strong>,<br />
sondern auch einige <strong>jur</strong>istische Winkelzüge. Ob und in welchem Umfang Sie davon<br />
Gebrauch machen, ist allein Ihre Entscheidung. Wenn Sie jedoch problematischen<br />
Schüler präventiv signalisieren, dass Sie die rechtlichen Gegenmaßnahmen zum<br />
<strong>Cybermobbing</strong> nicht nur kennen, sondern notfalls auch anwenden würden, verringern<br />
Sie die Chance, zu den beklagenswerten Opfern zu gehören. Es sei Ihnen gewünscht.<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>jur</strong>. G.<strong>Hoegg</strong><br />
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