Alles, was bleibt - Verlagsgruppe Droemer Knaur

halben Stun de hat te er im Feuil le ton ge le sen. Ohne
um zu blät tern.
»Ge sine, wir müs sen re den.«
»Das tun wir doch ge ra de. Aber viel leicht hat es auch
noch Zeit bis spä ter …«
»Nein«, un ter brach er sie. »Hat es nicht.«
Et was in sei nem Ton fall ließ sie auf hor chen. Es klang
so an ders, so gar nicht nach Leo. Sie leg te ihr Buch neben
sich und sah ihn an. »Also«, sag te sie, be müht, ihre
Stim me gleich mü tig klin gen zu las sen. Es ge lang ihr
nicht. »Wor über willst du mit mir re den?«
»Ich habe eine Frau ken nen ge lernt. Und ich möch te
mit ihr zu sam men le ben.«
Ge sine griff wie in stink tiv nach ih rem Rot wein und
nahm ei nen viel zu gro ßen Schluck. Als könn te sie seinen
Satz da mit ver dün nen. Sie lach te. Das La chen
klirr te wie dün nes Glas. »Bit te, sag, dass das nicht wahr
ist.«
»Es ist wahr.«
»Aber wer …?«
»Sie ar bei tet seit ei nem hal ben Jahr als Prak ti kan tin
in mei nem Res sort. Sie heißt Jule. Vor drei Mo na ten
sind wir zu sam men es sen ge gan gen; du warst in Ber lin
an dem Abend. Es ist ein fach ge sche hen. Ich dach te, es
gibt sich wie der. Aber ich lie be sie.«
Ge sine war te te auf Trä nen. Sie ka men doch sonst so
schnell und bei nich ti ge ren An läs sen. Aber ihre Au gen
blie ben tro cken. Wie ihr Mund. Sie trank noch ei nen
Schluck Wein. Er schmeck te bit ter. Schmeck te nach
Tan nin. »Prak ti kan tin … Leo, aus ge rech net du! Äl te rer
Mann nimmt sich jün ge re Ge lieb te. Du, du …« Sie
such te nach pas sen den Wor ten, doch es gab kei ne.
»Du hasst doch Kli schees«, stam mel te sie schließ lich.
21