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Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden

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Die aus dem achten Kapitel aufgelisteten Paragraphen beschränken sich<br />

gemäß der oben gemachten Annahmen auf diejenigen, bei denen der<br />

SED-Staat den Tätern in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine<br />

politisch feindliche Absicht unterstellte, also die Artikel 213 (»Republikflucht«),<br />

214 (»Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit«) und 220 (»öffentliche<br />

Herabwürdigung«). 46<br />

Auch diese Zahlen weisen nur die Zahl der nach politischen Paragraphen<br />

Verurteilten aus, geben aber noch keine Auskunft über den Bestand<br />

politischer Häftlinge in der DDR. Allerdings lassen sich an Tabelle 2 Entwicklungstendenzen<br />

politischer Delikte in den siebziger und achtziger<br />

Jahren ablesen. Danach zeichnen sich für die Amtszeit Honeckers einige<br />

Trends ab: Die Zahl der »Staatsverbrechen«, also hauptsächlich Fluchthilfe<br />

(»staatsfeindlicher Menschenhandel« gemäß Artikel 105 StGB der<br />

DDR) und sogenannte »staatsfeindliche Hetze« nach Paragraph 106 ,<br />

sowie der Fälle von »Staatsverleumdung« bzw. »öffentlicher Herabwürdigung«<br />

gemäß Artikel 220 sank im Zeitverlauf kontinuierlich ab. Der<br />

Paragraph 106 diente dem »Schutz vor subversiven feindlichen Angriffen,<br />

mit denen vor allem über die Verbreitung antisozialistischer<br />

Anschauungen und Lebensweisen die verfassungsmäßigen Grundlagen<br />

der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung geschädigt … werden<br />

soll.« 47 Wegen »staatsfeindlicher Hetze« konnte beispielsweise verurteilt<br />

werden, wer regimekritische Literatur verliehen oder sich in Flugblättern<br />

gegen bestimmte Maßnahmen des SED-Regimes gewandt hatte.<br />

»Öffentliche Herabwürdigung« gemäß Paragraph 220 umschrieb im Prinzip<br />

denselben Tatbestand in abgemilderter Form.<br />

Auffällig ist der starke Rückgang der Verurteilungen wegen »Ungesetzlichen<br />

Grenzübertritts« gemäß Paragraph 213. Dies wird im folgenden<br />

zu erläutern sein. Im Gegensatz dazu steigen die Aburteilungen nach<br />

Paragraph 214, also »Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit«, kontinuierlich<br />

an. Hinter diesen Richtersprüchen verbargen sich sehr häufig Urteile<br />

gegen Personen, die öffentlich für ihr Ausreisebegehren eingetreten<br />

waren. Mit der Zunahme der Ausreiseantragsteller und den verschärften<br />

Reaktionen des Regimes 48 wuchs auch die Zahl der Verurteilungen nach<br />

Paragraph 214. Nach dieser Statistik ergibt sich eine Zahl von politischen<br />

Urteilen – ohne Paragraph 219 (»ungesetzliche Verbindungsaufnah-<br />

46 Leider fehlen in der Statistik der Generalstaatsanwaltschaft Angaben zum Paragraphen<br />

219 (»Ungesetzliche Verbindungsaufnahme«).<br />

47 Strafrecht der DDR S. 282.<br />

48 Einige dieser Repressionsmaßnahmen werden dokumentiert in: Geheime<br />

Anweisungen zur Diskriminierung Ausreisewilliger.<br />

26

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