Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden
Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden
Volltext [pdf] - Hannah-Arendt-Institut Dresden
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
diesen Fällen erfüllte das MfS häufig nur eine Anleitungsfunktion im<br />
System des sogenannten »politisch-operativen Zusammenwirkens«<br />
(POZW) mit anderen Organen des SED-Staats. Dies gibt einen deutlichen<br />
Hinweis auf die Funktion anderer Staatsorgane, insbesondere der<br />
Volkspolizei, als Werkzeug politisch motivierter Unterdrückung und<br />
zeigt gleichzeitig, daß die Verengung des Blicks auf das MfS als Repressionsinstrument<br />
ungerechtfertigt ist.<br />
Dies alles zusammengenommen rechtfertigt die Annahme, daß es sich<br />
bei den von der HA IX Ende der achtziger Jahre in Ermittlungsverfahren<br />
»bearbeiteten« Personen wohl eher um die Untergrenze der Zahl politischer<br />
Häftlinge während der Amtszeit Honeckers handelt. Diese war<br />
oben – unter Berücksichtigung der von der Volkspolizei untersuchten<br />
Fälle von »ungesetzlichem Grenzübertritt« – mit mindestens 2 750 angegeben<br />
worden. Damit bleibt ab immer noch eine Differenz zu den Angaben<br />
des Generalstaatsanwalts, die für den Zeitraum von 1975 bis 1988<br />
mit jährlichen Durchschnittswerten zwischen 3 100 und 3 300 berechnet<br />
worden sind.<br />
7. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse<br />
Wie gesehen, weichen die bisherigen Schätzungen der Zahl politischer<br />
Häftlinge in der DDR teilweise deutlich voneinander ab: Während Karl<br />
Wilhelm Fricke von vier- bis fünftausend Personen im jährlichen Durchschnitt<br />
der frühen achtziger Jahre spricht, gibt die Zentrale Erfassungsstelle<br />
Salzgitter zwischen eintausend und zweitausenddreihundert Verurteilungen<br />
an; amnesty international nannte für die späten siebziger Jahre<br />
eine Zahl, die sich zwischen drei- und siebentausend bewegt habe. Die<br />
offiziellen Kriminalitätsstatistiken der DDR geben keine Auskunft, da in<br />
diesen die politischen Paragraphen nicht gesondert aufgeführt wurden;<br />
die Angaben wurden zwar nicht gefälscht, die Verurteilungen aus politischen<br />
Gründen wurden jedoch in der Rubrik »sonstige Straftaten« versteckt.<br />
Die Auswertung der internen Statistiken der Generalstaatsanwaltschaft<br />
des Justizministeriums der DDR hatte die Überlegung zu berücksichtigen,<br />
daß politische Straftäter in aller Regel zu Freiheitsentzug verurteilt<br />
worden sein dürften. Aus diesem Grund wurde die Zahl der in den<br />
siebziger und achtziger Jahren Verurteilten mit dem Prozentsatz der verhängten<br />
Freiheitsstrafen gegengerechnet. Darüber hinaus war zu beachten,<br />
daß die für die Führung der Kriminalitätsstatistik zuständige Generalstaatsanwaltschaft<br />
1983 ihre Berechnungsgrundlage umstellte und die<br />
43