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Editorial | Schwerpunkt | Gemeinde | Kirchgemeinde | Aktuell | Publireportage Interview mit der Altjahrs esel-Expertin Miriam Ernst hat sich intensiv und auf wissenschaftlicher Ebene mit dem Silvesterbrauch des Altjahrsesel beschäftigt. Ihr Studium der Theater- und Filmwissenschaften in Bern und Zürich hat sie 2008 mit der Bachelor-Arbeit in Form eines selbst produzierten Films mit dem Titel «Dr Esu isch erloubt» abgeschlossen. In den letzten Wochen hat die gebürtige Schwarzenburgerin ihr Wissen schriftlich und für die Allgemeinheit festgehalten. Im von der Volkshochschule herausgegebenen Schwarzenburger Altjahrsblatt 2010 mit dem Titel «Der Altjahrsesel – ein alter Brauch aus Schwarzenburg und seine Hintergründe» fasst Ernst ihre Studien und Schlüsse auf 40 Seiten zusammen. Die Broschüre erlaubt einen umfassenden und fundierten Einblick in diesen seit über 150 Jahren gelebten Brauch. Im Interview mit schwarzenburg beantwortet Miriam Ernst Fragen zur heutigen Bedeutung des Brauchs und interpretiert diesen auf ganz persönliche Art und Weise. schwarzenburg: Welche Bedeutung hat deiner Meinung nach der Altjahrsesel für die Gemeinde Wahlern? Der Altjahrseselbrauch ist in seiner Form einzigartig durch die Vielfalt der verkörperten Figuren und durch das Element der Altjahrspredigt. Mit dieser Mitwintertradition wird jahrhundertaltes Brauchtum und gespeicherte Kulturgeschichte Jahr für Jahr weitergetragen, ohne dass jemals gross etwas schriftlich festgehalten wurde. Zusätzlich hat dieser Anlass etwas Verbindendes und ist strukturgebend für viele Menschen aus der Gemeinde rund um die Zeit des Jahreswechsels. schwarzenburg: Welche Figur ist für dich die treffendste und spannendste? Eine besonders faszinierende Figur war für mich immer das Hinnerefürfroueli, weil es eine sehr aktive und markante Rolle im Brauch inne hat. Die Darstellung benötigt eine hohe körperliche Ausdauer und Präsenz. Auch findet durch die Lebendigkeit der Gestalt eine grosse Interaktion mit dem Publikum statt. Mit der Verkörperung einer Frauenfigur durch einen Mann, dem «Gschpüri» richtig mit den Schlagschirmen umzugehen und dem Bewusstsein 6 Das Magazin von Schwarzenburg | N o 12 | Dezember 2010
Editorial | Schwerpunkt | Gemeinde | Kirchgemeinde | Aktuell | Publireportage Altjahrsblatt 2010 Schwarzenburger Altjahrsblatt 2010 der Volkshochschule Schwarzenburg Der Altjahrsesel – ein alter Brauch aus Schwarzenburg und seine Hintergründe für die Wirkung der zwei Gesichter ist diese Rolle, denke ich, sehr herausfordernd und wird besonders eindrücklich, wenn sie gut gespielt wird. Auch ist das Hinnerefürfroueli von grossem Symbolwert, weil in dieser Figur historisch gesehen viele Erscheinungen vereint sind: die Wilde Frau, der Harlekin, die Percht, der Janus mit seinen zwei Gesichtern... In dieser Narrenfigur sind enorm viele kulturhistorische Bezüge ersichtlich. Das macht diese Rolle so vielschichtig. schwarzenburg: Bist du der Meinung, dass die beim Altjahrsesel gelebte Art des Volksgerichts und des Hoffnarrentums auch in der heutigen Demokratie seine Bedeutung hat? Da die Unterdrückung weniger ein Thema ist als zur Zeit der gnädigen Herren von Bern, hat dieses Volksgericht heute ein anderes Gewicht. Ich denke, je demokratischer ein System ist, desto weniger ist ein solches Ventil für eine Gemeinschaft notwendig. Aber wie beispielsweise die Schnitzelbanken an der Fasnacht zeigen, besteht auch heute nach wie vor das Bedürfnis, die eigene Meinung als kleiner Bürger pointiert kundzutun, ohne Sanktionen befürchten zu müssen, und so eine Narrenfreiheit auszuleben. schwarzenburg: Mit deiner Bachelor- Arbeit, dem Film «Dr Esu isch erloubt» und dem Altjahrsblatt hilfst du mit, den Altjahrsesel verständlicher erscheinen zu lassen. Glaubst du, dass dieser Brauch auch in Zukunft der Sinn- und Identitätsstiftung dienen kann oder meinst du, dass er zunehmend Gefahr läuft, eine reine (Touristen-) Attraktion zu werden? So wie ich das beurteilen kann, wird dieser archaische Brauch im Dorf Schwarzenburg noch lange attraktiv und bedeutungsvoll bleiben. In der heutigen zunehmend technisierten und anonymeren Welt stellt dieser sinnliche, un- Miriam Ernst hat den Inhalt ihrer Bachelor-Arbeit über den Altjahrsesel-Brauch in vereinfachter Sprache, aber mit wissenschaftlichem Hintergrund, im diesjährigen Altjahrsblatt für die Schwarzenburger Bevölkerung zugänglich gemacht. Das Altjahrsblatt 2010 umfasst 44 Seiten und zahlreiche farbige Abbildungen. Die Broschüre ist am 31.12. anlässlich des Altjahrsesels für Fr. 10.– und danach im lokalen Buchhandel oder direkt bei der Volkshochschule Schwarzenburg für Fr. 12.– (zuzügl. Versandspesen) erhältlich. Bei der Volkshochschule (Tel. 031 731 31 91, E-Mail sekretariat@VH- Schwarzenburg.ch) sind auch sämtliche bisher erschienenen Altjahrsblätter erhältlich. Das Magazin von Schwarzenburg | N o 12 | Dezember 2010 7
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