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Tierwohl und<br />

Risikokommunikation<br />

Eckpunkte für die<br />

gesellschaftliche Diskussion


Tierwohl und<br />

Risikokommunikation<br />

Eckpunkte für die<br />

gesellschaftliche Diskussion<br />

Positionen aus dem Beirat<br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>gemeinschaft Nachhaltige<br />

Landwirtschaft e. V. (FNL)<br />

und aus dem Bundesinstitut<br />

für Risikobewertung (BfR)


Herausgeber: För<strong>der</strong>gemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e. V. (FNL)<br />

Wilhelmsaue 37<br />

10713 Berlin<br />

Tel.: 030 – 88 66 355-0, E-Mail: info@fnl.de, www.fnl.de<br />

© 2013 FNL<br />

Nachdruck, Vervielfältigung, Übernahme auf Datenträger und<br />

Übersetzung nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.<br />

Auszugsweise Wie<strong>der</strong>gabe bei Angabe <strong>der</strong> Quelle erlaubt.<br />

Autoren: Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Hartung, Hannover<br />

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin<br />

Herstellung: MediaSoft GmbH, Berlin<br />

4


Inhaltsübersicht<br />

Vorwort 6<br />

Tierwohl und Nachhaltigkeit haben gemeinsame Ziele<br />

in <strong>der</strong> Nutztierhaltung<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Hartung 8<br />

Risikokommunikation<br />

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 24<br />

Mitglie<strong>der</strong> des FNL-Beirats 30<br />

5


Vorwort<br />

Die vorliegende <strong>Broschüre</strong> ist die zweite Veröffentlichung in <strong>der</strong> aktuellen Reihe <strong>der</strong> Publikationen<br />

aus dem Beirat <strong>der</strong> För<strong>der</strong>gemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e. V. (FNL). Hier werden<br />

Gedanken zu „Eckpunkten für die gesellschaftliche Diskussion“ aufgegriffen, denen – zum Teil<br />

aus ganz unterschiedlichen Gründen – in <strong>der</strong> öffentlichen Wahrnehmung ein hoher Stellenwert<br />

zugemessen wird. Denn: Sowohl Fragen des Tierschutzes und des Tierwohls als auch <strong>der</strong><br />

Umgang mit Risiken und <strong>der</strong>en Bewertung fi nden weit über die Medien hinaus vielfältige<br />

Beachtung.<br />

Der Beirat <strong>der</strong> FNL, in dem Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Behörden, Organisationen<br />

und Unternehmen – und damit auch ganz verschiedenen berufl ichen und wissenschaftlichen<br />

Tätigkeitsfel<strong>der</strong>n – aktiv sind, befasst sich regelmäßig mit aktuellen Fragen <strong>der</strong> Land- und<br />

Agrarwirtschaft und spricht Empfehlungen an den Vorstand <strong>der</strong> FNL aus. Im wissenschaftlichen<br />

Diskurs wird nicht nur ein überaus breites Themenspektrum aufgegriffen, son<strong>der</strong>n jeweils<br />

auch aus ganz unterschiedlichen Sichtweisen argumentiert. Nicht in allen Fällen ist dabei ein<br />

einhelliges Fazit möglich, das in einer konkreten und konsensualen Handlungsempfehlung<br />

münden könnte.<br />

Gerade die Themen, die in dem Beirat <strong>der</strong> För<strong>der</strong>gemeinschaft kontrovers diskutiert werden,<br />

weisen damit auf gesellschaftliche Konfl iktfel<strong>der</strong> hin, die in <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> FNL – aber auch weit<br />

darüber hinaus – weiterer Aufmerksamkeit bedürfen.<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Hartung vom Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie<br />

<strong>der</strong> Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover hat sich dankenswerterweise <strong>der</strong> Aufgabe<br />

angenommen, das komplexe Thema „Tierwohl und Nachhaltigkeit haben gemeinsame Ziele<br />

in <strong>der</strong> Nutztierhaltung“ aufzugreifen und – auch mit Blick auf die gesellschaftlichen Befi ndlichkeiten<br />

– aus wissenschaftlicher Sicht zu behandeln. Schon die Diskussion im Beirat <strong>der</strong> FNL<br />

zeigte dabei, wie schwierig es im Einzelfall sein kann, wissenschaftlich eindeutig „als besser<br />

für das Tier“ erkannte Verfahren auch Verbrauchern außerhalb <strong>der</strong> Landwirtschaft näher<br />

zu bringen, in <strong>der</strong>en Leben z. B. Haustiere und <strong>der</strong> Umgang damit eine ganz wesentliche<br />

„soziale Funktion“ haben.<br />

Begriffe wie Intensivtierhaltung, Massentierhaltung o<strong>der</strong> gar „industrialisierte Massentierhaltung“<br />

sind emotional zum Teil so stark aufgeladen, dass ein sachlicher und an Fakten zu Aspekten<br />

des Tierwohls orientierter Diskurs sehr erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht wird.<br />

Wenn die Ansätze, die dem <strong>hier</strong> wie<strong>der</strong>gegebenen Beitrag zugrunde liegen, also in erster Linie<br />

6


die wissenschaftlich begründete Position des Autors wie<strong>der</strong>geben, dann ist dies nicht nur ein<br />

Spiegel <strong>der</strong> gesellschaftlichen Diskussion, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auch ein Hinweis darauf, wie<br />

sich <strong>der</strong> Beirat <strong>der</strong> För<strong>der</strong>gemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft versteht: Als ein Kreis<br />

von unabhängigen Experten, <strong>der</strong> – gerade auch mit kontroversen Debatten – auf Themen,<br />

Problemfel<strong>der</strong> und Lösungsansätze in einer mo<strong>der</strong>nen, nachhaltigen Landwirtschaft hinweist.<br />

Auch <strong>der</strong> zweite in dieser <strong>Broschüre</strong> aufgegriffene Themenbereich berührt uns als Individuen auf<br />

ganz unterschiedliche Art und Weise. Nicht nur, dass je<strong>der</strong> Mensch wegen seiner persönlichen<br />

Erfahrungen, Prägungen und „erlernten“ Verhaltensmuster einen ganz eigenen Umgang mit dem<br />

Thema „Risiko“ zeigt – von völligem Zurückschrecken über das Eingehen kontrollierter Risiken<br />

bis hin zu dem Verhalten des Blen<strong>der</strong>s 1 , <strong>der</strong> so tut, als sei ihm jegliches Risiko egal. Daneben<br />

besteht auch eine klare Differenzierung zwischen den Risiken, die vom Einzelnen bewusst<br />

eingegangen werden – wie etwa Extremsportarten, das Rauchen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Alkoholkonsum –<br />

und den potenziellen Risiken, die mit dem Verzehr von Lebensmitteln assoziiert werden.<br />

Immer wie<strong>der</strong> zeigt sich, wie schwer es ist, mit wissenschaftlich fundierten Erläuterungen auf<br />

Emotionen zu antworten – und doch gibt es dazu keine wirkliche Alternative. Damit besteht <strong>hier</strong><br />

für die Land- und Ernährungswirtschaft – und gleichermaßen für Behörden und Organisationen,<br />

die sich etwa mit <strong>der</strong> Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln und dem Wohl von Nutztieren<br />

befassen – eine unvermin<strong>der</strong>t große Herausfor<strong>der</strong>ung: Offen, nachvollziehbar und glaubwürdig<br />

zu informieren, Sachverhalte auf Basis von soliden Fakten zu bewerten, Verständnis, Akzeptanz<br />

und Vertrauen zu schaffen und so zu verhin<strong>der</strong>n, dass sich Gesellschaft und Landwirtschaft –<br />

dass sich Verbraucher und Lebensmittel – weiter voneinan<strong>der</strong> entfremden.<br />

Es ist diese Information <strong>der</strong> Gesellschaft, dieser transparente Diskurs, dem sich die För<strong>der</strong>gemeinschaft<br />

Nachhaltige Landwirtschaft stellt – und zu <strong>der</strong> <strong>der</strong> Beirat <strong>der</strong> FNL mit dieser<br />

Publikation beitragen möchte.<br />

Dr. Dr. h. c. mult. Gerhard Greif<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> des FNL-Beirats<br />

Präsident <strong>der</strong> Tierärztlichen Hochschule Hannover<br />

1<br />

Ein Verbrauchertypus, <strong>der</strong> es nach einer für die CMA und FIP als Vorläuferorganisation <strong>der</strong> FNL aus wirtschaftspsychologischer<br />

Sicht erstellten Typologie beson<strong>der</strong>s darauf anlegt, eine möglichst lässige Außenwirkung zu erzielen – unabhängig davon, wie<br />

seine tatsächliche Befi ndlichkeit sein mag.<br />

7


Tierwohl und Nachhaltigkeit<br />

haben gemeinsame Ziele in<br />

<strong>der</strong> Nutztierhaltung<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Hartung<br />

Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie<br />

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover<br />

Bünteweg 17p, 30559 Hannover<br />

8


Tierwohl und Nachhaltigkeit haben<br />

gemeinsame Ziele in <strong>der</strong> Nutztierhaltung<br />

1. Zusammenfassung<br />

Tierwohl (Tierschutz) und Nachhaltigkeit zählen zu den beherrschenden Themen des letzten Jahrzehnts<br />

in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Nutztierhaltung in Europa. Sie kennzeichnen das Spannungsfeld, in dem<br />

sich die Haltung von Lebensmittel liefernden Tieren zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen,<br />

Ressourcenverfügbarkeit, Verbrauchererwartungen und ökonomischen Zwängen heute befi ndet.<br />

Die Bereitstellung stets ausreichen<strong>der</strong> Mengen an Lebensmitteln tierischer Herkunft ist<br />

komplexer geworden, und mit <strong>der</strong> Entwicklung intensiver Haltungsformen beson<strong>der</strong>s für Schwein<br />

und Gefl ügel – und <strong>der</strong> gleichzeitigen Abnahme des Anteils <strong>der</strong> Bevölkerung, <strong>der</strong> noch unmittelbar<br />

aus <strong>der</strong> Tierhaltung sein Einkommen bezieht – hat sich die Diskussion um Tierschutz, Umweltschutz,<br />

Verbraucherschutz, Ökonomie und Nachhaltigkeit <strong>der</strong> tierischen Erzeugung zusätzlich<br />

verstärkt. Als beson<strong>der</strong>s tierfreundlich geltende Haltungssysteme müssen jedoch nicht automatisch<br />

auch ökonomisch tragfähig o<strong>der</strong> umweltfreundlich sein o<strong>der</strong> den Schutz <strong>der</strong> im Stall<br />

arbeitenden Menschen o<strong>der</strong> von Anwohnern gewährleisten.<br />

So wurde beispielsweise durch das Verbot des europäischen ausgestalteten Käfi gs für die<br />

Legehennenhaltung in Deutschland (zugelassen ist noch die deutsche Kleingruppenhaltung als<br />

Käfi gsystem) und die Hinwendung zu Haltungsformen wie Boden-, Volieren- o<strong>der</strong> Freilandhaltung<br />

weitgehend den ethologischen Bedürfnissen <strong>der</strong> Tiere entsprochen. Gleichzeitig sind jedoch die<br />

Gehalte an Ammoniak und Staub in <strong>der</strong> Stallatmosphäre und die Emissionen in die Umgebungsluft<br />

<strong>der</strong> Ställe erheblich angestiegen.<br />

In <strong>der</strong> Broilerproduktion werden u. a. infolge gezielter Züchtung sowie optimierter Fütterung,<br />

Betreuung und Haltung hohe Futterverwertungsraten (1: 1,7) erreicht, wodurch mit relativ<br />

geringem Einsatz an Futtermitteln in kurzer Zeit und ressourcenschonend hohe Gewichtszunahmen<br />

erzielt werden. Die Diskussion um die effi ziente Erzeugung von Milch durch Hochleistungskühe<br />

geht in die gleiche Richtung. Aus Sicht des Tierschutzes und <strong>der</strong> Tiere stellt sich dabei stets<br />

die Frage, wer am Ende „die Rechnung bezahlt“: Ist es die Umwelt o<strong>der</strong> das Tier? Leistung darf<br />

nicht auf Kosten von Gesundheit und Wohlbefi nden <strong>der</strong> Tiere erzielt werden. Dazu ist eine<br />

wissenschaftlich nachvollziehbare Grenze anzugeben, die dem Tier eine „Lebensqualität“ belässt,<br />

die seinen Bedürfnissen nachvollziehbar entspricht. Eine eindeutige Defi nition <strong>der</strong> Lebensqualität<br />

gibt es nicht, da viele Faktoren wie Genetik, Haltung, Fütterung und Betreuung Einfl uss nehmen<br />

und in <strong>der</strong> Summe häufi g sowohl positiv als auch min<strong>der</strong>nd wirken können. Außerdem urteilt<br />

stets <strong>der</strong> Mensch darüber, ob die Lebenssituation eines Tieres aus seiner Sicht akzeptabel ist<br />

o<strong>der</strong> nicht. Ein Schritt hin zur Objektivierung wird <strong>der</strong>zeit mit neuen Bewertungssystemen im<br />

Tierschutz versucht, mit denen das Wohlbefi nden von Tieren in einem Haltungssystem – und<br />

die Höhe des Risikos, dieses Wohlbefi nden zu verfehlen – eingeschätzt werden sollen.<br />

9


Solche Risikobewertungen werden in systematischer Weise durchgeführt und greifen auf<br />

stall- und haltungsbezogene Daten (ressourcenbasierte Daten) und tierbezogene (tierbasierte)<br />

Daten zurück, die sowohl in den Betrieben vor Ort als auch bei <strong>der</strong> Schlachtung direkt am Tier<br />

erhoben werden können. Dabei wird deutlich, dass Tierwohl multidimensional ist und kurzfristig<br />

eine weite Spanne von gering bis hoch umfassen kann. Das erschwert die Einbeziehung in den<br />

klassischen Nachhaltigkeitsbegriff.<br />

Für den Umweltschutz und die generelle Debatte zur Nachhaltigkeit steht schon länger eine<br />

Vielzahl an Daten z. B. zu den bestverfügbaren Techniken zur Verfügung. Diese Gesichtspunkte<br />

sollten künftig verstärkt auch in die Debatte um Tierschutz und Tierwohl bei unseren landwirtschaftlichen<br />

Nutztieren einbezogen und, wo notwendig, ergänzt werden, um die Produktionssysteme<br />

auf einer breiten wissenschaftlichen Basis im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung<br />

gestalten zu können.<br />

So kann Tierwohl zusammen mit <strong>der</strong> Tiergesundheit neben Umwelt- und Verbraucherschutz ein<br />

tragen<strong>der</strong> Pfeiler einer nachhaltigen Entwicklung in <strong>der</strong> Nutztierhaltung sein, wenn auch nicht je<strong>der</strong><br />

Konfl ikt zwischen Tierwohl, Umwelt und Produktionserfor<strong>der</strong>nissen einfach gelöst werden kann.<br />

Die Entwicklung zu tierfreundlichen Haltungssystemen hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie<br />

stark die Verbraucher ihr Kaufverhalten, das sich noch immer überwiegend am Produktpreis<br />

orientiert, an Tierschutzkriterien ausrichten. Nachvollziehbare Tierschutzlabel können dabei eine<br />

Orientierungshilfe bieten. Auch in diesem Sinne trägt <strong>der</strong> Tierschutz zu einer zukunftsorientierten,<br />

nachhaltigen Entwicklung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Nutztierhaltung bei.<br />

2. Einleitung<br />

Tierschutz, Tierwohl und Nachhaltigkeit zählen zu den beherrschenden Themen des letzten<br />

Jahrzehnts in <strong>der</strong> Diskussion um die mo<strong>der</strong>ne Nutztierhaltung in Deutschland und weiten<br />

Teilen Europas. Sie kennzeichnen das Spannungsfeld, in dem sich die Haltung von Lebensmittel<br />

liefernden Tieren zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen, Ressourcenverfügbarkeit,<br />

Verbrauchererwartungen und ökonomischen Zwängen heute befi ndet (Abb. 1). Dieses Spannungsfeld<br />

beschreibt gleichzeitig die Herausfor<strong>der</strong>ungen, die auf die Nutztierhaltung und die<br />

Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft zukommen.<br />

Da sind die stets wie<strong>der</strong>kehrenden Berichte über den Hunger in <strong>der</strong> Welt, die von <strong>der</strong>zeit<br />

etwa einer Milliarde hungernden Menschen weltweit ausgehen, von denen 98 % in den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

Asiens, Afrikas und Lateinamerikas leben. Es gibt warnende Stimmen, die für<br />

die nächsten Jahre angesichts <strong>der</strong> rasch wachsenden Weltbevölkerung bei gleichbleiben<strong>der</strong><br />

landwirtschaftlicher Produktionsfl äche einen weiteren dramatischen Anstieg <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

Hungernden voraussagen – und deshalb für eine weitere Steigerung <strong>der</strong> Produktion eintreten<br />

(Qaim, 2008).<br />

10


Wettbewerbsfähigkeit<br />

(Kostendruck)<br />

Tierschutz<br />

Umweltschutz<br />

Verbrauchererwartungen<br />

Abbildung 1: Nutztierhaltung im Spannungsfeld unterschiedlicher Anfor<strong>der</strong>ungen (Gutachten „Zukunft <strong>der</strong><br />

Nutztierhaltung“ des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik. BMELV, 2004)<br />

Tatsächlich hat sich die Weltfl eischproduktion zwischen 1961 und 2005 von 60 Millionen<br />

auf etwa 240 Millionen Tonnen in etwa vervierfacht, wenn man Schwein, Rind und Gefl ügel<br />

zusammenzählt, wobei die Gefl ügelproduktion den stärksten Anstieg zu verzeichnen hat<br />

(FAO, 2006). 2011 wurde erstmalig ein Anstieg <strong>der</strong> weltweiten Gefl ügelfl eischproduktion auf<br />

100 Millionen Tonnen erwartet (Beck, 2012). Berechnungen <strong>der</strong> FAO sagen für 2030 eine globale<br />

Gesamtfl eischproduktion von 350 Millionen Tonnen voraus. Wenn Fleisch tatsächlich in diesem<br />

Umfang nachgefragt wird, dann muss die Erzeugung so effi zient wie möglich erfolgen, um mit<br />

<strong>der</strong> Veredlung einhergehende Umwandlungsverluste und damit die Konkurrenz zu <strong>der</strong> Erzeugung<br />

pfl anzlicher Lebensmittel zu minimieren. Die heute schon zu beobachtende Entwicklung zu<br />

größeren Haltungseinheiten und dem vermehrten Einsatz mo<strong>der</strong>ner Technik im Stall z. B. zur<br />

Tieridentifi kation, zur Überwachung von Arbeits- und Produktionsabläufen o<strong>der</strong> zur Früherkennung<br />

von Krankheiten wird sich weiter fortsetzen. So können bereits heute kommerziell erhältliche<br />

Hustenmonitore in <strong>der</strong> Schweinemast dem Landwirt früh einen Hinweis auf das Einsetzen von<br />

Atemwegserkrankungen im Bestand geben. Mithilfe von Videokameras und Datenverarbeitung<br />

können bei Milchkühen auf dem Weg zum Melkstand Bewegungsalgorithmen erstellt werden,<br />

mit denen in einem frühen Stadium Lahmheiten beim Einzeltier identifi ziert und angezeigt wer-<br />

11


den können. Diese neuen technischen Entwicklungen, die auch unter dem Begriff „Livestock<br />

Precision Farming“ zusammengefasst werden, können somit unmittelbar <strong>der</strong> Tiergesundheit<br />

und dem Tierwohl dienen und dabei helfen, Leistungseinbrüche zu vermeiden o<strong>der</strong> zu min<strong>der</strong>n.<br />

<strong>Zum</strong> an<strong>der</strong>en stehen da die For<strong>der</strong>ungen beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> westlichen Gesellschaften nach<br />

mehr Lebensmittelsicherheit, -qualität und -vielfalt bei gleichzeitiger Umweltschonung, hohen<br />

Tierschutzstandards und niedrigen Verbraucherpreisen. Statistisch betrachtet lag im Jahr 2010<br />

in Deutschland <strong>der</strong> Anteil an Ausgaben für Nahrungsmittel an den Konsumausgaben <strong>der</strong> Verbraucher<br />

durchschnittlich bei etwa 14 % (agrarheute.com, 2013; Statista, 2012). Im Jahr 1970<br />

betrug dieser Anteil in <strong>der</strong> „alten“ Bundesrepublik noch 25 % und lag damit in etwa auf Höhe des<br />

heutigen Satzes in dem EU-Mitgliedsland Rumänien (Statista, 2012). Gleichzeitig ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Bevölkerung, <strong>der</strong> noch hauptberufl ich von <strong>der</strong> Landwirtschaft lebt, auf unter 2 % gesunken. Die<br />

Anzahl <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Betriebe nimmt ab, die Tierzahlen pro Betrieb nehmen zu. So<br />

haben zwischen 2007 und 2010 etwa 22 300 Landwirte aufgegeben und die Zahl <strong>der</strong> bewirtschafteten<br />

Höfe sank auf 310 000 (destatis, 2010). Auf den noch verbleibenden 216 000 Betrieben<br />

mit Nutztierhaltung haben sich die Bestandsgrößen erhöht. So werden auf 27 % <strong>der</strong> Betriebe<br />

mehr als 100 Rin<strong>der</strong> gehalten und 64 % <strong>der</strong> Schweinehalter haben mehr als 1 000 Mastschweine<br />

(ADR, 2012). Die tierische Erzeugung ist trotz weniger Personal deutlich effi zienter geworden,<br />

wie <strong>der</strong> weltweit jährlich wachsende Fleischmarkt zeigt (FAO, 2006). Der Weg dahin lässt sich<br />

mit den Begriffen Intensivierung, Spezialisierung und Technisierung <strong>der</strong> Tierhaltung beschreiben.<br />

Das Wort von den „Tierfabriken“ macht dann die Runde und es wird beklagt, dass die Tiere nur<br />

noch wie Produktionsmaschinen („animal machines“; Harrison, 1964) unter rein ökonomischen<br />

Bedingungen betrachtet werden. So wird aus dem Fachbegriff „spezialisierte Intensivtierhaltung“<br />

rasch die negativ besetzte Bezeichnung „Massentierhaltung“. Zukunft und Erfolg <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Intensivtierhaltung hängen zunehmend von <strong>der</strong> Akzeptanz in <strong>der</strong> Bevölkerung ab, die immer<br />

lauter die Nachhaltigkeit <strong>der</strong> Tierproduktion einfor<strong>der</strong>t. In dieser For<strong>der</strong>ung bündeln sich Unmut,<br />

Unverständnis, Kritik und Befürchtungen, aber auch Hoffnungen auf eine zukunftsfähige<br />

Nutztierhaltung (Hartung, 2000).<br />

3. Was wird unter Nachhaltigkeit verstanden?<br />

Nachhaltigkeit ist eines <strong>der</strong> bevorzugt in Diskussionen um Umweltverträglichkeit und ökologische<br />

Funktionen gebrauchten Schlagworte <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte. Ursprünglich beschreibt Nachhaltigkeit<br />

ein Bewirtschaftungsprinzip in <strong>der</strong> Forstwirtschaft, welches dadurch gekennzeichnet ist,<br />

dass z. B. in einer Region nicht mehr Holz geschlagen wird, als jeweils nachwachsen kann. Die<br />

Nachhaltigkeit im Forst erstreckt sich inzwischen jedoch nicht mehr nur auf den Holzertrag; es<br />

werden auch Funktionen des Waldes wie <strong>der</strong> Erholungswert o<strong>der</strong> die Speicherung von Nie<strong>der</strong>schlagswasser<br />

eingeschlossen. Nachhaltige Landwirtschaft ist in Analogie dazu <strong>der</strong> Versuch,<br />

12


langfristige Erträge durch ein ökologisch ausgewogenes Management zu sichern. O<strong>der</strong> etwas<br />

konkreter: Der Landwirt produziert genug, um sich selbst zu versorgen und ein angemessenes<br />

Einkommen zu erzielen, wobei er die lokal verfügbaren Ressourcen effi zient, sozial gerecht,<br />

human und fl exibel nutzt und die Qualität <strong>der</strong> natürlichen Ressourcen erhalten o<strong>der</strong> gar gesteigert<br />

wird (Altieri, 1994). Nachhaltige Tierproduktion ist somit das Vorhaben, Erträge effi zient zu erzielen<br />

und langfristig durch ein ausgewogenes Management zu sichern, das neben <strong>der</strong> Ökonomie auch<br />

Umweltschutz, Verbraucherschutz, Verbrauchererwartungen und nicht zuletzt Tiergesundheit und<br />

Tierschutz einbeziehen sollte.<br />

Dabei sind Konfl ikte unausweichlich. Als beson<strong>der</strong>s tierfreundlich geltende Haltungssysteme<br />

müssen nicht automatisch auch ökonomisch tragfähig o<strong>der</strong> umweltfreundlich sein o<strong>der</strong> den<br />

Schutz <strong>der</strong> im Stall arbeitenden Menschen o<strong>der</strong> von Anwohnern gewährleisten. Ein Beispiel<br />

fi ndet sich in <strong>der</strong> Legehennenhaltung. Durch die Abwendung von jedwe<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Käfi ghaltung,<br />

auch <strong>der</strong> in <strong>der</strong> EU erlaubten ausgestalteten Käfi ge, in Deutschland und die Hinwendung<br />

zu Haltungsformen wie Boden-, Volieren- und Freilandhaltung wurde weitgehend den ethologischen<br />

Bedürfnissen <strong>der</strong> Tiere entsprochen. Gleichzeitig sind jedoch die Emissionen an Ammoniak,<br />

Staub und Bioaerosolen in die Stallatmosphäre und in die Stallumgebung erheblich angestiegen.<br />

Abbildung 2 zeigt einen Vergleich durchschnittlicher Staubkonzentrationen in verschiedenen<br />

Legehennenhaltungssystemen. In <strong>der</strong> Volierenhaltung werden zeitweilig die für im Stall arbeitende<br />

Menschen geltenden maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen deutlich überschritten.<br />

7,00<br />

mg/m<br />

6,00<br />

5,00<br />

4,00<br />

3,00<br />

2,00<br />

1,00<br />

0,00<br />

6,42<br />

a<br />

3,80<br />

b<br />

c<br />

b<br />

1,78<br />

1,05<br />

1,35<br />

d 0,50<br />

0,06<br />

0,04<br />

0,78<br />

1,00<br />

0,27<br />

0,00 0,51 0,36<br />

0,00<br />

Umgebungsluft outside enriched ausgestalteter cage konventioneller conventional aviary Voliere scratching Kaltscharrraum area<br />

Käfig<br />

cage Käfig<br />

Haltungssystem<br />

Abbildung 2: Einatembarer Luftstaub (mg/m 3 ) in drei verschiedenen Haltungssystemen für Legehennen,<br />

im Kaltscharrraum und <strong>der</strong> Umgebungsluft in Stallnähe. 24 h Probenahme pro Monat in<br />

jedem Stall; n = 12. Verschiedene Buchstaben zeigen signifikante Unterschiede an;<br />

p = 0,05 (Saleh et al., 2004).<br />

13


Ähnliche Relationen gelten für Bioaerosole. So liegt z. B. <strong>der</strong> Luftkeimgehalt in <strong>der</strong> Volierenhaltung<br />

durchschnittlich um den Faktor neun höher als in Systemen mit ausgestalteten Käfi gen (Blomberg<br />

et al., 2009; Springorum und Hartung, 2009). Für eine nachhaltige Nutztierhaltung müssen alle<br />

Komponenten wie Mensch, Umwelt und Tier einbezogen werden. Dazu gehört auch <strong>der</strong> Schutz<br />

<strong>der</strong> sich in <strong>der</strong> menschlichen Obhut befi ndlichen Nutztiere.<br />

4. Was wird unter Tierschutz und Tierwohl verstanden?<br />

Nutztierhaltung und Tierschutz, das ist heute für viele Menschen ein unvereinbarer Gegensatz.<br />

Dies rührt oft daher, dass Tierschutz ganz unterschiedlich interpretiert wird. Der Schutz <strong>der</strong> Tiere<br />

ist zwar unteilbar, dennoch kann man vier Bereiche o<strong>der</strong> Herangehensweisen unterscheiden:<br />

moralisch-ethischer Tierschutz,<br />

juristischer Tierschutz,<br />

emotionaler Tierschutz,<br />

wissenschaftlicher Tierschutz<br />

dem sind wir alle verpfl ichtet,<br />

dem müssen wir alle per Gesetz folgen,<br />

dem kann sich wohl niemand ganz verschließen,<br />

<strong>der</strong> auf nachweisbaren Fakten gründet.<br />

Von diesen vier Bereichen erscheint <strong>der</strong> wissenschaftliche Tierschutz bislang in <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Debatte gegenüber den an<strong>der</strong>en und beson<strong>der</strong>s gegenüber dem emotionalen Tierschutz oftmals<br />

unterrepräsentiert, obwohl es gerade dem wissenschaftlichen Tierschutz gelingen kann, eine<br />

sichere Datenbasis für bessere Gesetze zu schaffen und Fakten zu <strong>der</strong> moralisch-ethischen<br />

Diskussion über den Tierschutz beizusteuern. Dass beim Tierschutz immer auch Emotionen<br />

eine wesentliche Rolle spielen und gespielt haben, ist bekannt und hat in <strong>der</strong> Geschichte des<br />

Tierschutzes oftmals für seine Weiterentwicklung wichtige Impulse gegeben.<br />

Diese Vielfalt <strong>der</strong> Sichtweisen im Tierschutz setzt sich bei den Defi nitionsversuchen zum<br />

Begriff „Tierwohl“ fort. Dieser erst in den letzten Jahren vermehrt benutzte Begriff stellt eine Art<br />

Übersetzung des <strong>der</strong>zeit allgegenwärtigen englischen Begriffs „animal welfare“ dar und wird<br />

zunehmend als Ersatz für „Tierschutz“ und „Wohlbefi nden“ verwendet, obwohl er sprachlich<br />

gewöhnungsbedürftig ist und nur unzureichend das in Deutschland bislang gültige Konzept des<br />

aktiven Tierschutzes wi<strong>der</strong>spiegelt. Der Begriff suggeriert auch einen Dauerzustand, den es<br />

beim „Wohlsein“ und „Wohlbefi nden“ so nicht geben kann, da Bedingungen und Befi ndlichkeiten<br />

stets einem mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> raschen Wechsel unterworfen sind. Auch in den USA wird „animal<br />

welfare“ nur zögerlich benutzt, da es in <strong>der</strong> Gesellschaft eher Assoziationen zu dem für den<br />

Menschen gedachten Wohlfahrtssystem hervorruft als zum Tierschutz. In vielen Län<strong>der</strong>n wie<br />

z. B. Deutschland und Frankreich bestehen Tierschutzgesetze („protection des animaux“) und<br />

nicht Tierwohl- o<strong>der</strong> Tierwohlfahrtsgesetze, während im Vereinigten Königreich das Tierschutzgesetz<br />

„animal welfare law“ heißt.<br />

14


Trotz dieser sprachlichen Unterschiede ist das Ziel, unsere landwirtschaftlichen Nutztiere vor<br />

Schmerzen, Leiden und Schäden zu schützen und ihre Gesundheit und ihr Wohlbefi nden zu<br />

bewahren, das gleiche.<br />

Eine <strong>der</strong> älteren, sehr allgemeinen Defi nitionen zum Wohlbefi nden von Tieren stammt von<br />

Hughes (1976): „Wohlbefi nden liegt vor, wenn das Tier mit sich und seiner Umwelt in Harmonie<br />

lebt“. In <strong>der</strong> Begründung zum deutschen Tierschutzgesetz von 1986 wurde etwas präziser<br />

Wohlbefi nden als gegeben angesehen, wenn den Tieren die Möglichkeit gegeben wird, ihr<br />

artspezifi sches Verhalten weitgehend ungestört ausüben zu können. Einen etwas an<strong>der</strong>en<br />

Schwerpunkt setzt Wermelsfel<strong>der</strong> (2007) mit dem Begriff Lebensqualität <strong>der</strong> Tiere, <strong>der</strong> das<br />

ganze Tier einbezieht, einschließlich seiner Gesundheit und seines Wohlbefi ndens sowie seiner<br />

Beziehungen zur Haltungsumwelt, wobei das Tierverhalten als <strong>der</strong> wichtigste Indikator angesehen<br />

wird. Allerdings stößt die quantitative Bewertung auf Schwierigkeiten, wenn sie nicht<br />

an den Kriterien Schmerzen, Leiden und Schäden festgemacht wird, zumal Lebensqualität<br />

in <strong>der</strong> Realität Schwankungen unterworfen ist.<br />

Eine weithin akzeptierte Defi nition zum Tierschutz und Wohlbefi nden kommt aus <strong>der</strong><br />

sogenannten „coping Theorie“ (Broom, 1988). Das Wohlbefi nden eines Tieres hängt davon ab,<br />

wie es ihm gelingt, sich erfolgreich mit seiner Umwelt auseinan<strong>der</strong>zusetzen. Dies bedeutet, dass<br />

es eine Spanne im Tierschutz gibt, wie es eine Spanne in <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong> Umweltbedingungen<br />

gibt. Diese Spanne reicht von leichten Aufgaben (easy coping) bis zu Schwierigkeiten im<br />

Umgang z. B. mit den Haltungsbedingungen (coping with diffi culties) bis hin zum „not coping“<br />

und <strong>der</strong> Frustration, bestimmte Handlungen zur Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung<br />

(Tschanz et al., 1997) nicht mehr durchführen zu können. Daraus erwächst – insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

längerer Dauer – Leiden, ohne dass beispielsweise eine Verletzung o<strong>der</strong> Schmerzen im Sinne<br />

von Organ- o<strong>der</strong> Wundschmerzen vorliegen müssen. Zusammenfassend bedeutet dies, dass<br />

Tierschutz und Wohlbefi nden keine statischen Zustände sind, son<strong>der</strong>n raschen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

unterliegen können. Daher ist es erfor<strong>der</strong>lich, klare Indikatoren zu defi nieren, mit denen das<br />

Wohlbefi nden <strong>der</strong> Tiere eingeschätzt werden kann.<br />

5. Indikatoren für Tierwohl – erster Ansatz: Die fünf Freiheiten<br />

Lange Zeit wurde unter Praktikern wie Wissenschaftlern darüber gestritten, was unter einer<br />

„optimalen“ Haltungsumwelt für unsere Nutztiere zu verstehen sei und insbeson<strong>der</strong>e, wie man<br />

das Wohlbefi nden <strong>der</strong> Tiere in den Haltungen nachvollziehbar messen könne. Ein erster Ansatz<br />

zur Beschreibung, wie eine solche Haltungsumwelt aussehen könnte, wurde mit den als „die fünf<br />

Freiheiten <strong>der</strong> Tiere“ (Five Freedoms) bekannt gewordenen Schlussfolgerungen des Brambell-<br />

Reports von 1965 (Farm Animal Welfare Advisory Committee, später Farm Animal Welfare Council)<br />

des Vereinigten Königreichs veröffentlicht. Darin werden For<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e hinsichtlich<br />

15


Management, Haltungsform und Versorgung unter Berücksichtigung des Tierverhaltens<br />

aufgestellt, die als Voraussetzungen für ein tierartgemäßes Leben von in landwirtschaftlicher<br />

Nutzung gehaltenen Tieren erfüllt sein sollten:<br />

1. Frei von Hunger und Durst und Fehlernährung.<br />

2. Frei von ungeeigneter Unterbringung (discomfort).<br />

3. Frei von Schmerzen, Krankheit und Verletzung.<br />

4. Frei von Angst und vermeidbarer Belastung (Stress).<br />

5. Freiheit zur Ausübung artgemäßen Verhaltens.<br />

Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung kann sicher in fast allen Nutztierhaltungen<br />

grundsätzlich gewährleistet werden, wenn man z. B. von <strong>der</strong> reduzierten Fütterung <strong>der</strong> Broilerelterntiere<br />

einmal absieht, um sie vor einer frühen und starken Verfettung zu schützen. Mängel<br />

bei <strong>der</strong> Energieversorgung sehr hoch laktieren<strong>der</strong> Kühe können ebenso Tiergesundheits- wie<br />

Tierschutzprobleme darstellen. Unphysiologische Ernährung wie die frühere raufutterfreie<br />

Ernährung von Mastkälbern ist heute über Rechtsverordnung geregelt, sodass auch Mastkälbern<br />

Raufutter in Form von Heu zugeteilt werden muss.<br />

Frei von ungeeigneter Unterbringung: Als Beispiel sei die Stalltemperatur genannt. Eine<br />

einheitliche Stalltemperatur mag <strong>der</strong> Herde insgesamt zugutekommen. Die Uniformität <strong>der</strong><br />

Temperatur im Stall unterfor<strong>der</strong>t jedoch das Thermoregulationsvermögen <strong>der</strong> Tiere und lässt die<br />

individuellen Bedürfnisse einzelner Tiere zu einem bestimmten Zeitpunkt unberücksichtigt. Es ist<br />

daher zu empfehlen, Haltungssysteme so einzurichten, dass für die Tiere eine Wahlmöglichkeit<br />

besteht, z. B. zwischen Wärmezonen, die mit Heizstrahlern ausgestattet sind, und kühleren<br />

Bereichen, die sie bei Bedarf aufsuchen können. Dies setzt jedoch voraus, dass die Tiere nicht<br />

angebunden sind, son<strong>der</strong>n sich in ihrer Bucht o<strong>der</strong> ihrem Stall frei bewegen können. Solche<br />

Zonenheizungen sind in <strong>der</strong> Kälberhaltung, in Ferkelnestern und z. B. bei Masthühnern in frei<br />

gelüfteten Ställen häufi g vorhanden.<br />

Frei von Schmerz, Krankheit und Verletzung: Gesun<strong>der</strong>haltung und Schmerzfreiheit sind<br />

zentrale Aufgaben von Tierhalter und Tierarzt. Dies bezieht sich sowohl auf die Gestaltung <strong>der</strong><br />

Haltungsumwelt als auch auf die Krankheitsprävention. Mangelhaft gestaltete Fußböden können<br />

schmerzhafte Klauenerkrankungen bei Rin<strong>der</strong>n verursachen und Lahmheiten stellen eine<br />

wesentliche Verlustursache bei Rin<strong>der</strong>n und Milchvieh dar. Die Beseitigung baulicher Mängel,<br />

eine ausgewogene Fütterung, Stallhygiene sowie rechtzeitige und sachgerechte Klauenpfl ege<br />

sind angewandter Tierschutz.<br />

Frei von Angst und Belastung: Die überragende Rolle des Landwirts o<strong>der</strong> des Tierbetreuers<br />

für das Wohlbefi nden seiner Tiere wird an den Leistungsdaten von Jungsauen deutlich, die<br />

einmal freundlich und einmal unfreundlich behandelt wurden. Die freundlich und ruhig behandel-<br />

16


ten Tiere zeigten etwas bessere tägliche Zunahmen, kamen früher in den Östrus, wiesen eine<br />

deutlich höhere Trächtigkeitsrate (88 zu 33 %) auf und hatten mehr geborene Ferkel bei niedrigeren<br />

Ferkelverlusten innerhalb <strong>der</strong> ersten drei Wochen (Hemsworth and Coleman, 1998). Bei<br />

Transport, Wartezeit im Schlachthof, Zutrieb zur Betäubung sowie bei Betäubung und Schlachtung<br />

selbst sind viele Möglichkeiten gegeben, Stressbelastung und Angst bei den Tieren durch<br />

ruhige Betreuung gering zu halten (Grandin, 2007), wobei die <strong>der</strong>zeit eingesetzten Betäubungsmethoden,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Elektro- und Gasbetäubungsarten, einer kritischen Überprüfung<br />

bedürfen (EFSA, 2004; Nowak, 2002). Ein schonen<strong>der</strong> Umgang mit den Tieren auf dem Schlachthof<br />

macht auch wirtschaftlich Sinn, da eine geringe Belastung <strong>der</strong> Tiere vor <strong>der</strong> Schlachtung<br />

i. d. R. auch gute Fleischqualität bedeutet. Tierschutz und Fleischqualität gehen dabei Hand in<br />

Hand.<br />

Freiheit zur Ausübung normalen Verhaltens: Dies ist die vielleicht am schwierigsten in <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Intensivtierhaltung zu erfüllende For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> fünf Freiheiten. Große Fortschritte sind<br />

erzielt worden im Bereich <strong>der</strong> Legehennenhaltung durch das Verbot <strong>der</strong> Batteriekäfi ghaltung und<br />

die Einführung <strong>der</strong> auch bei großen Beständen zu betreibenden alternativen Haltungsverfahren<br />

wie Boden-, Volieren- o<strong>der</strong> Freilandhaltung. Selbst in den in <strong>der</strong> Europäischen Union erlaubten<br />

„ausgestalteten“ Käfi gen (furnished cages) für Legehennen sind Sitzstangen, ein Sandbadebereich<br />

und ein abgedunkeltes Legenest vorgeschrieben, um ein Mindestmaß an artgemäßem<br />

Verhalten für die Legehennen zu ermöglichen. In Deutschland ist diese Haltungsform nicht gestattet.<br />

Käfi geinheiten für Legehennen müssen die über die EU-Norm hinausgehenden Vorgaben für<br />

die deutsche Kleingruppenhaltung erfüllen.<br />

In <strong>der</strong> Milchviehhaltung geben die mo<strong>der</strong>nen Boxenlaufställe den Kühen Bewegungsfreiheit<br />

und die Möglichkeit, den Liegeplatz frei zu wählen. Anbindehaltung wird heute fast nur noch in<br />

kleineren Haltungen angetroffen und sollte auf die vegetationslose Winterzeit beschränkt bleiben.<br />

Die Nachteile einer ganzjährigen Anbindung für die Tiere durch Bewegungsmangel und Klauenschäden<br />

können auch durch die individuelle Betreuung <strong>der</strong> Tiere, die in kleinen Beständen<br />

möglich ist, nicht ausgeglichen werden.<br />

Fortschritte gibt es auch in <strong>der</strong> Sauenhaltung z. B. durch die Einführung <strong>der</strong> Gruppenhaltung<br />

tragen<strong>der</strong> Sauen. Die Bewegungsmöglichkeiten und <strong>der</strong> direkte Kontakt zu den Gruppenmitglie<strong>der</strong>n<br />

för<strong>der</strong>n Gesundheit und Wohlbefi nden <strong>der</strong> Sauen. Probleme kann es immer wie<strong>der</strong> bei<br />

<strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung neuer Sauen durch Rangordnungskämpfe mit Verletzungsfolgen geben, die<br />

durch eine beson<strong>der</strong>s aufmerksame Betreuung ausgeglichen werden müssen. Derzeit wird daran<br />

gearbeitet, die Fixierungszeit <strong>der</strong> ferkelführenden Sauen in den sogenannten Ferkelkörben auf<br />

ein Mindestmaß zu reduzieren. Durch eine neue Buchtengestaltung, die <strong>der</strong> Sau schon bald<br />

nach <strong>der</strong> Geburt Bewegungsfreiheit ermöglicht, soll den Verhaltensbedürfnissen <strong>der</strong> Tiere<br />

entgegengekommen werden. Gelöst werden muss dabei insbeson<strong>der</strong>e noch das Problem<br />

hoher Erdrückungsverluste bei den Ferkeln.<br />

17


6. Indikatoren für Tierwohl – zweiter Ansatz: Tierbezogene Indikatoren<br />

In den letzten Jahren wurde im Rahmen des EU Forschungsvorhabens Welfare Quality ® ein<br />

Indikatorsystem entwickelt, das sowohl tierbezogene als auch umwelt- o<strong>der</strong> ressourcenbezogene<br />

Indikatoren nutzt, mit denen <strong>der</strong> Tierschutzstatus und das Wohlergehen eines Einzeltieres und<br />

einer Herde eingeschätzt werden können. Abbildung 3 zeigt schematisch in dem inneren Kreis<br />

die mehr ressourcenbezogenen Indikatoren und im äußeren Kreis 12 Indikatoren, die vom Tier<br />

erhalten werden können (EFSA, 2012). Ein Beispiel ist in Abbildung 4 gezeigt. So ist vernässte<br />

Einstreu ein typischer Umgebungsfaktor, <strong>der</strong> die Prävalenz von Fußballenentzündungen bei<br />

Broilern signifi kant erhöht. Bei <strong>der</strong> Schlachtung können Häufi gkeit und Umfang <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />

automatisch mit speziellen Kameras o<strong>der</strong> visuell festgestellt und an den Halter zurückgemeldet<br />

werden. In diesem Fall kann von dem tierbasierten Indikator auf den Umgebungsfaktor mit<br />

hoher Sicherheit zurück geschlossen werden; so können für den nächsten Mastdurchgang<br />

Vorkehrungen getroffen werden, wie z. B. <strong>der</strong> Einbau nicht tropfen<strong>der</strong> Tränkenippel o<strong>der</strong> die<br />

Bereitstellung von genügend saugfähiger Einstreu, mit denen die Situation für die Tiere zumindest<br />

in dieser Hinsicht entscheidend verbessert werden kann.<br />

Durst<br />

Hunger<br />

Gute<br />

Fütterung<br />

Thermischer<br />

Komfort<br />

Gute<br />

Haltung<br />

Liegekomfort<br />

Bewegungsfreiheit<br />

Ausüben von<br />

Sozialverhalten<br />

Ausüben an<strong>der</strong>er<br />

Verhaltensweisen<br />

Gute Mensch-<br />

Tier-Beziehung<br />

Normales<br />

Verhalten<br />

Positiver<br />

emotionaler<br />

Zustand<br />

Gute<br />

Gesundheit<br />

Keine<br />

Verletzungen<br />

Keine schmerzhaften<br />

Maßnahmen am Tier<br />

Keine<br />

Krankheiten<br />

Tierschutz ist multidimensional<br />

Abbildung 3: Ressourcen- und tierbezogene Tierschutz-Indikatoren nach Welfare Quality ®<br />

18


Ressourcenbasierte (Input) Kriterien<br />

(Indikatoren) wie Tränkwasser und Einstreu<br />

Broiler-<br />

Fußballenschäden:<br />

o. B., leicht,<br />

mittel, schwer,<br />

(von links nach<br />

rechts)<br />

Mit den am Tier erhobenen Daten wird eine<br />

tierbezogene Tierschutzbewertung (RA) möglich.<br />

Abbildung 4: Beispiel für ressourcenbasierte und tierbezogene Indikatoren bei Broilern (Spindler und<br />

Hartung, 2010)<br />

7. Fazit<br />

Die Bereitstellung stets ausreichen<strong>der</strong> Mengen an Lebensmitteln tierischer Herkunft ist komplexer<br />

geworden. Mit <strong>der</strong> Entwicklung intensiver Haltungsformen, beson<strong>der</strong>s für Schwein und Gefl ügel,<br />

und <strong>der</strong> gleichzeitigen Abnahme des Anteils <strong>der</strong> Bevölkerung, <strong>der</strong> noch unmittelbar aus <strong>der</strong><br />

Tierhaltung sein Einkommen bezieht, hat sich die Diskussion um Tierschutz, Umweltschutz,<br />

Verbraucherschutz, Ökonomie und Nachhaltigkeit <strong>der</strong> tierischen Erzeugung verstärkt. Als<br />

beson<strong>der</strong>s tierfreundlich geltende Haltungssysteme müssen jedoch nicht automatisch auch<br />

umweltfreundlich sein, den Schutz <strong>der</strong> im Stall arbeitenden Menschen o<strong>der</strong> von Anwohnern<br />

gewährleisten und ökonomisch tragfähig sein. Wenn auch an dieser Stelle die ökonomischen<br />

Zusammenhänge nicht weiter dargestellt werden können, so ist es doch wichtig, z. B. bei<br />

For<strong>der</strong>ungen nach Wie<strong>der</strong>einführung beispielsweise von Stroheinstreu in <strong>der</strong> Schweinehaltung<br />

auch die ökonomischen Aspekte einzubeziehen, wenn auf den Betrieben eine Strohkette mit<br />

Gewinnung, Lagerung und Entsorgung eingerichtet werden muss.<br />

Die Produktionsleistung darf jedoch nicht auf Kosten von Gesundheit und Wohlbefi nden <strong>der</strong><br />

Tiere gehen. Wissenschaftlich nachvollziehbare Grenzen zu defi nieren, die dem Tier eine „Lebensqualität“<br />

belassen, ist Ziel des jüngst entwickelten tierbasierten Tierschutzindikatorkonzepts. Für<br />

den Umweltschutz und die Debatte um die Nachhaltigkeit steht schon länger eine Vielzahl an<br />

Daten in den bestverfügbaren Techniken zur Verfügung. Diese müssen künftig verstärkt einbezogen<br />

und wo notwendig ergänzt werden, um die Weiterentwicklung im Tierschutz und in<br />

<strong>der</strong> Nachhaltigkeit <strong>der</strong> Produktionssysteme auf wissenschaftlicher Basis fortführen zu können.<br />

19


Auf diesem Wege kann Tierwohl zusammen mit <strong>der</strong> Tiergesundheit neben Umweltschutz und<br />

Verbraucherschutz ein tragen<strong>der</strong> Pfeiler für eine nachhaltige Entwicklung unserer Nutztierhaltung<br />

sein (Abb. 5), wenn auch nicht je<strong>der</strong> Konfl ikt zwischen Tierwohl, Umwelt und Produktionserfor<strong>der</strong>nissen<br />

einfach gelöst werden kann. Die Entwicklung zu tierfreundlicheren Haltungssystemen<br />

hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie stark die Verbraucher ihr Kaufverhalten, das sich noch<br />

immer überwiegend am Produktpreis orientiert, an Tierschutzkriterien ausrichten. Tierschutzlabel<br />

können dabei eine Orientierungshilfe bieten. In diesem Sinne trägt <strong>der</strong> Tierschutz zu einer<br />

zukunftsorientierten, nachhaltigen Entwicklung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Nutztierhaltung bei.<br />

Landwirte, Tierärzte, Verbraucher<br />

Produzenten<br />

Zukunftsorientierte Haltung von Nutztieren zur LM-Produktion<br />

Nachhaltige Nutztierhaltung<br />

Tierschutz,<br />

Tiergesundheit<br />

Lebensmittelsicherheit<br />

und -qualität<br />

Umweltschutz<br />

Arbeitsschutz<br />

Verbrauchererwartung<br />

Ökologie<br />

Ökonomie<br />

Abbildung 5: Fundament und die drei Säulen einer zukunftsorientierten, nachhaltigen Nutztierhaltung<br />

(Hartung, 2012)<br />

20


8. Literatur<br />

ADR, 2012: ADR-Informationen Nr. 01/12, 03.01.2012 (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rin<strong>der</strong>züchter<br />

e. V.).<br />

agrarheute.com, 2013: www.agrarheute.com/nahrungsmittelpreise, aufgerufen am 2.8.2013.<br />

Altieri, M.A., 1994: Biodiversity and pest management in agroecosystems. Hayworth Press,<br />

New York.<br />

Beck, M.M., 2012: Die EU im globalen Wettbewerb. DGS-MAGAZIN 22/2012, S. 26.<br />

Blomberg, N., Springorum, A.C., Winter, T., Hartung, J., Hinz, T., Öttl, D., und Rieger, M.A., 2009:<br />

Beurteilung verschiedener Haltungssysteme für Legehennen aus Sicht des Arbeits- und<br />

Umweltschutzes: Belastungen durch luftgetragene Stäube und Mikroorganismen. Abschlussbericht<br />

http://download.ble.de/05HS012_1.pdf.<br />

BMELV, 2004: Zukunft <strong>der</strong> Nutztierhaltung. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik,<br />

nachhaltige Landbewirtschaftung und Entwicklung ländlicher Räume beim BMVEL, Berlin.<br />

Schriftenreihe des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft,<br />

Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 508, Landwirtschaftsverlag, Münster-Hiltrup,<br />

43 Seiten.<br />

Brambell Report, 1965. Report of the Technical Committee to enquire into the welfare of animals<br />

kept un<strong>der</strong> intensive livestock husbandry systems. Her Majesty’s Stationery Offi ce, London, UK.<br />

Broom, D.M., 1988: ‘The scientifi c assessment of animal welfare’, Appl. Anim. Behav. Sci., 20,<br />

5–19.<br />

destatis, 2010: Betriebsstrukturen 2010. www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/<br />

Landwirtschaft. Zugang 29.01.2013.<br />

EFSA, 2004: Scientifi c opinion on welfare aspects of the main systems of stunning and killing<br />

the main commercial species of animals. EFSA Journal 2004;45:1–29<br />

EFSA, 2012: Scientifi c Opinion on the use of animal-based measures to assess welfare of broilers.<br />

EFSA Journal 2012;10(7), 2774.<br />

FAO, 2006: www.fao.org (accessed 2006).<br />

Grandin, T., 2007, (Hrsg.): Livestock handling and transport. 3rd Edition. CAB International,<br />

Wallingford, UK.<br />

Harrison, R., 1964: Animal machines. The new factory farming industry. Vincent Stuart Publishers,<br />

London, UK.<br />

Hartung, J., 2000: Nachhaltige Tierproduktion im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t. In: Proc. 7. Forum Animal<br />

Nutrition, BASF AG, Ludwigshafen, 18.05.2000, 16–38.<br />

Hartung, J., 2012: Tierwohl – ein Teil <strong>der</strong> Nachhaltigkeit in <strong>der</strong> Nutztierhaltung? Workshop<br />

„Nachhaltigkeitsindikatoren für die Landwirtschaft: Bestimmung und Eignung“ – Schwerpunkt<br />

Tierische Erzeugung, 124. VDLUFA-Kongress, Passau, 18.–21.09.12, VDLUFA-Schriftenreihe<br />

68, 97–108.<br />

21


Hemsworth, P.H., and Coleman, G.J., 1998: Human-livestock interactions. The stockperson<br />

and the productivity and welfare of intensively farmed ani-mals. CAB International, Bristol, UK.<br />

Hughes, B.O., 1976: Behaviour as index of welfare. pp. 1005-1018 in Proc. 5th Eur. Poultry<br />

Conf. Malta.<br />

Nowak, B., 2002: Infl uence of three different stunning systems on stress response and meat<br />

quality of slaughter Pigs. University of Veterinary Medicine Hannover, Foundation. Habilitation<br />

(postdoctoral thesis), Hannover, Germany.<br />

Qaim, M., 2008: Welternährungslage: Ursachen des Hungers – ein Produktions- o<strong>der</strong><br />

Verteilungsproblem? Heinz Lohmann Stiftung, Tagungsband 7. Ernährungssymposium<br />

22.–23. Okt. 2008, 35–41.<br />

Saleh, M., Seedorf, J., und Hartung, J., 2004: Inhalable and respirable dust in work place<br />

atmospheres of laying hen houses. In: Madec, F., Clement, G. (eds.): Proceedings In-Between<br />

Congress of The ISAH (Int. Society for Animal Hygiene) Animal Production in Europe: The way<br />

forward in a changing world. Vol. 1, Saint-Malo, France, 11.–13.10.04, 211–212.<br />

Spindler, B., und Hartung, J., 2010: Abschlussbericht Untersuchungen zur Besatzdichte bei<br />

Masthühnern entsprechend <strong>der</strong> RL 2007/43/EG. Nie<strong>der</strong>sächsisches Ministerium für Ernährung,<br />

Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung.<br />

Springorum, A.C., und Hartung, J., 2009: Occupational exposure to airborne bacteria in four<br />

alternative housing systems for laying hens. In: Briese, A., Clauß, M., Hartung, J., und<br />

Springorum, A., (eds.): Proceedings: “Sustainable Animal Husbandry: Prevention is Better<br />

than Cure”, Vol. 2, XIV International Congress of the International Society for Animal Hygiene,<br />

University of Veterinary Medicine Hannover, Foundation, Vechta, Germany, 19.–23.07.09,<br />

611–614.<br />

Statista, 2012: Statistisches Bundesamt, private Haushalte im Inland 1900–2010, Deutschland.<br />

Tschanz, B., Grauvogel, A., Loeffl er, K., Marx, D., Unshelm, J., Bammert, J., Baumgartner,<br />

G., Bessei, W., Birmelin, I., Fölsch, D. W., Knierim, U., Straub, A., Schlichting, M., Schnitzer,<br />

U., Zeeb, K., 1997: Die Fortpfl anzung und ihre Einbeziehung in das Bedarfsdeckungs- und<br />

Schadensvermeidungskonzept (ethologisches Konzept für Tierschutzfragen). Tierärztl.<br />

Umschau 52, 221–226.<br />

Wermelsfel<strong>der</strong>, F., 2007: How animals communicate quality of life: the qualitative assessment<br />

of behaviour. Animal Welfare, 16(S), 25–31.<br />

22


Risikokommunikation<br />

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)<br />

Abteilung Risikokommunikation<br />

Fachgruppe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Max-Dohrn-Straße 8–10<br />

10589 Berlin<br />

24


Risikokommunikation<br />

1. Risikokommunikation am Bundesinstitut für Risikobewertung<br />

Das im Jahr 2002 gegründete Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine nachgeordnete<br />

Institution im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und<br />

Verbraucherschutz (BMELV). Es hat die Aufgabe, insbeson<strong>der</strong>e die Politik in Fragen <strong>der</strong><br />

Lebensmittelsicherheit, <strong>der</strong> Produktsicherheit, <strong>der</strong> Chemikaliensicherheit und des Verbraucherschutzes<br />

wissenschaftlich zu beraten. Da es seine wissenschaftlichen Bewertungen gemäß<br />

seines Errichtungsgesetzes unabhängig von wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen<br />

Interessen erstellt, hat es eine wissenschaftliche Referenz- und Orientierungsfunktion für die<br />

Verbraucher, die Politik, die Wissenschaft, die Wirtschaft, die Medien sowie für Verbände und<br />

Nichtregierungsorganisationen. Vor diesem Hintergrund hat das BfR neben <strong>der</strong> Risikobewertung<br />

auch den gesetzlichen Auftrag zur Risikokommunikation. Das BfR ist die einzige Bundesinstitution,<br />

in <strong>der</strong> die Risikokommunikation als eigene Abteilung institutionalisiert ist.<br />

Risikokommunikation wird dabei als ein zielgerichteter Informationsaustausch verstanden,<br />

<strong>der</strong> weit über die allgemeine Vermittlung <strong>der</strong> Ergebnisse aus <strong>der</strong> Risikobewertung hinausgeht.<br />

Ein wichtiges Anliegen besteht beispielsweise darin, frühzeitig den Dialog mit beteiligten und interessierten<br />

Kreisen zu suchen. Notwendige Voraussetzung für eine adäquate Risikokommunikation<br />

ist unter an<strong>der</strong>em das Wissen darüber, wie Risiken wahrgenommen werden bzw. welche<br />

Faktoren Einfl uss auf die Risikowahrnehmung nehmen.<br />

Ziel <strong>der</strong> Maßnahmen im Rahmen <strong>der</strong> Risikokommunikation ist es, die interessierte Öffentlichkeit<br />

durch entsprechende Angebote <strong>der</strong> Information (Einwege-Kommunikation, z. B. Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit), des Dialogs und <strong>der</strong> Mitwirkung an <strong>der</strong> Entscheidungsvorbereitung in die<br />

Lage zu versetzen, ihren Anspruch auf „Risikomündigkeit“ einzulösen.<br />

2. Aufgaben <strong>der</strong> Risikokommunikation<br />

Risikokommunikation wird in Bezug auf Lebensmittel von <strong>der</strong> Europäischen Union 1 folgen<strong>der</strong>maßen<br />

defi niert: „Risikokommunikation bezeichnet im Rahmen <strong>der</strong> Risikoanalyse den interaktiven<br />

Austausch von Informationen und Meinungen über Gefahren und Risiken, risikobezogene<br />

Faktoren und Risikowahrnehmung zwischen Risikobewertern, Risikomanagern, Verbrauchern,<br />

Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen, Wissenschaftlern und an<strong>der</strong>en interessierten Kreisen<br />

einschließlich <strong>der</strong> Erläuterung von Ergebnissen <strong>der</strong> Risikobewertung und <strong>der</strong> Grundlage für<br />

Risikomanagemententscheidungen.“<br />

1<br />

Amtsblatt <strong>der</strong> Europäischen Gemeinschaften (01.02.2002) Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung <strong>der</strong> allgemeinen Grundsätze und Anfor<strong>der</strong>ungen des Lebensmittelrechts, zur<br />

Errichtung <strong>der</strong> Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit.<br />

L 31/; Artikel 3, 13.<br />

25


Eine wesentliche Aufgabe <strong>der</strong> Risikokommunikation ist somit die sachlich fundierte Aufklärung<br />

über den Stand <strong>der</strong> wissenschaftlichen Forschung zu den Wirkungen von Stoffen auf Umwelt<br />

und Gesundheit. Ziel ist die Information über und die Erklärung von Risiken. Als Beispiel kann<br />

<strong>hier</strong> die Information des BfR über die Funde von erhöhten Werten <strong>der</strong> gesundheitsschädlichen<br />

Chemikalie Dioxin in Futter- und Lebensmitteln zu Beginn des Jahres 2011 genannt werden.<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> wissenschaftlichen Risikobewertung bestand aufgrund <strong>der</strong> geringen Dioxinkonzentration<br />

keine gesundheitliche Gefährdung. Aufgabe <strong>der</strong> Risikokommunikation war es, über<br />

das Thema Dioxin in Futter- und Lebensmitteln zu informieren und dabei zu erläutern, warum<br />

trotz gemessener Grenzwertüberschreitungen keine akute gesundheitliche Gefährdung für den<br />

Verbraucher vorlag.<br />

Neben <strong>der</strong> Verbesserung des Wissensstands zielt Risikokommunikation zum Teil auch darauf<br />

ab, präventives Verhalten zu för<strong>der</strong>n. So hat das BfR im Jahr 2006 beispielsweise darauf hingewiesen,<br />

dass Verbraucher, die viel Zimt verzehren, relativ hohe Cumarin-Mengen durch Lebensmittel<br />

aufnehmen. Cumarin ist ein natürlicher Aromastoff, <strong>der</strong> in vielen Pfl anzen wie Zimt o<strong>der</strong><br />

Waldmeister enthalten ist, in größeren Mengen aber Leberschäden verursachen kann. Vor diesem<br />

Hintergrund wies das BfR darauf hin, dass die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge für Kleinkin<strong>der</strong><br />

zum Beispiel schon durch drei Zimtsterne ausgeschöpft sein könnte 2 .<br />

Ein weiterer Aufgabenbereich ist die effektive Information in Krisensituationen. Am BfR wird<br />

Risikokommunikation als ein kontinuierlicher und interaktiver Prozess verstanden, <strong>der</strong> die klassische<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die häufi g eher in Form einer Einwege-Kommunikation<br />

die wissenschaftlichen Bewertungsergebnisse und daraus resultierenden Handlungsempfehlungen<br />

darlegt, ergänzt. Die frühzeitige Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit über mögliche Risiken<br />

gesundheitlicher Art bildet die Grundlage für diesen Dialog.<br />

3. Risikowahrnehmung und Risikokommunikation<br />

Für eine adäquate Risikokommunikation ist es erfor<strong>der</strong>lich, die Wahrnehmung, den Umgang und<br />

das Informationsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern hinsichtlich einer Thematik zu<br />

analysieren, um daraus geeignete kommunikative Maßnahmen abzuleiten.<br />

Unterschiede in <strong>der</strong> Wahrnehmung dessen, was als Risiko bezeichnet wird, werden u. a. darin<br />

sichtbar, dass „auf <strong>der</strong> einen Seite relativ unbedeutende Risiken einen erheblichen Platz in <strong>der</strong><br />

öffentlichen Wahrnehmung einnehmen, während an<strong>der</strong>erseits zum Teil schwerwiegende Risiken<br />

unterschätzt o<strong>der</strong> sogar verdrängt werden“ (Risikokommission, 2003) 3 .<br />

2<br />

Seit Januar 2011 sind nun neue, für verschiedene Lebensmittel differenzierte Höchstgehalte gültig. Das BfR geht bei diesen<br />

Vorgaben nicht davon aus, dass die tolerierbare tägliche Aufnahmedosis beim Verzehr zimthaltiger verzehrfertiger<br />

Lebensmittel überschritten wird.<br />

3<br />

Risikokommission, 2003. Ad-hoc-Kommission „Neuordnung <strong>der</strong> Verfahren und Strukturen zur Risikobewertung und Standardsetzung<br />

im gesundheitlichen Umweltschutz <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland“. Abschlussbericht <strong>der</strong> Risikokommission,<br />

S. 20. Verfügbar über: www.apug.de/archiv/pdf/RK_Abschlussbericht.pdf [19.10.2012].<br />

26


Faktoren, die Einfl uss auf die Risikowahrnehmung nehmen, sind zum Beispiel die Bekanntheit<br />

des Risikos, die Kontrollierbarkeit des Risikos o<strong>der</strong> die Freiwilligkeit, mit <strong>der</strong> Risiken eingegangen<br />

werden. Bekannte Risiken erscheinen uns erträglicher als unbekannte, ein freiwillig eingegangenes<br />

Risiko nehmen wir viel eher in Kauf als ein unfreiwillig eingegangenes, und das Gefühl <strong>der</strong><br />

Kontrolle über ein potenzielles Risiko reduziert die Risikowahrnehmung.<br />

Auch die Art und das Ausmaß <strong>der</strong> Kommunikation über Risiken haben einen erheblichen<br />

Einfl uss auf die individuelle Risikowahrnehmung. Dies gilt beson<strong>der</strong>s auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Massenkommunikation<br />

über Zeitungen, Fernsehen und Internet. Denn häufi g übernehmen die Medien im<br />

Hinblick auf die Wahrnehmung von Risiken eine wichtige Verstärkerfunktion in dem Sinne, dass<br />

bestimmte Themen zum einen stärker betont werden, als dies aus wissenschaftlicher Perspektive<br />

geboten ist. <strong>Zum</strong> an<strong>der</strong>en erfahren Verbraucherinnen und Verbraucher von bestimmten Themen<br />

o<strong>der</strong> Risiken vorrangig zunächst aus den Medien. Wie ein Thema medial präsentiert wird, hat<br />

daher häufi g auch einen Einfl uss auf die Wahrnehmung und Einschätzung dieser Thematik durch<br />

die Bevölkerung.<br />

Effektive Risikokommunikation kann somit erst auf Grundlage <strong>der</strong> Kenntnis über Faktoren, die<br />

maßgeblich die Risikowahrnehmung beeinfl ussen, gestaltet werden.<br />

4. Methoden <strong>der</strong> Risikokommunikation<br />

Genutzt werden können die Erkenntnisse aus <strong>der</strong> Erforschung zur Risikowahrnehmung beispielsweise<br />

im Rahmen von Maßnahmen einer zielgruppenorientierten Risikokommunikation. Denn<br />

die Erfahrung <strong>der</strong> Risikokommunikation zeigt: Empfehlungen und Stellungnahmen zu möglichen<br />

gesundheitlichen Risiken werden von den Betroffenen sehr unterschiedlich aufgefasst und<br />

umgesetzt.<br />

Wichtig zu wissen ist beispielsweise, ob die Zielgruppe das jeweilige Thema eher unter<br />

Risiko- o<strong>der</strong> Nutzenaspekten begreift und welche Einschränkungen, Erweiterungen und<br />

Zuspitzungen durch die Berichterstattung erfolgen. Um dies zu ermitteln, werden unter an<strong>der</strong>em<br />

repräsentative Bevölkerungsbefragungen sowie Medien- und Internetforenanalysen durchgeführt.<br />

Mit den Ergebnissen können sogenannte Cluster, d. h. bestimmte Zielgruppen für die Risikokommunikation,<br />

bestimmt werden. Jede Zielgruppe besteht aus Personen, die sich hinsichtlich<br />

zentraler Merkmale z. B. im Hinblick auf ihre Risikowahrnehmung o<strong>der</strong> hinsichtlich ihrer Motive<br />

o<strong>der</strong> Interessen ähneln. Auf Grundlage dieser Informationen lassen sich dann zielgruppenorientierte<br />

Kommunikationsstrategien und Dialogformen erarbeiten (z. B. <strong>Broschüre</strong>n, Online-Videos,<br />

Informationsveranstaltungen, Workshops), die den jeweiligen Empfängern entsprechend ihrer<br />

Motive, ihres Wissensstandes o<strong>der</strong> ihrer Interessen entgegenkommen.<br />

Eine weitere Methode <strong>der</strong> Risikokommunikation, die zum Ziel hat, Bürger direkt an den<br />

Diskussionen zu einer verbraucherrelevanten und strittigen Thematik zu beteiligen, ist die soge-<br />

27


nannte Verbraucherkonferenz. Dieses Instrument ist angelehnt an das Modell <strong>der</strong> dänischen<br />

Konsensus-Konferenz. Ziel dieses Verfahrens ist es, neue Technologien und wissenschaftliche<br />

Entwicklungen aus <strong>der</strong> Sicht informierter Laien (Bürger bzw. Verbraucher) zu bewerten.<br />

Charakteristisch für solche Konferenzen ist <strong>der</strong> strukturierte öffentliche Dialog zwischen Experten<br />

zur jeweiligen Thematik und informierten Laien. Die Laien erörtern das zur Diskussion stehende<br />

Thema eingehend mit den geladenen Experten. Das strategische Ziel dieses partizipativen<br />

Ansatzes ist es, eine wissensbasierte Meinungsbildung <strong>der</strong> Laien zu ermöglichen.<br />

5. Nachhaltigkeit als Aufgabe <strong>der</strong> Kommunikation<br />

Die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission) hat 1987 die nachhaltige<br />

Entwicklung als eine Entwicklung defi niert, „die den Bedürfnissen <strong>der</strong> heutigen Generation<br />

entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse<br />

zu befriedigen“. Nachhaltigkeit ist auch ein Kernelement glaubwürdiger und langfristiger<br />

Risikokommunikation. Ziel ist es, mit verschiedenen Zielgruppen kontinuierlich und interaktiv<br />

zu kommunizieren, um dadurch langfristige Bindungen zu schaffen. Auf diese Weise kann eine<br />

gelungene Risikokommunikation ein breites Fundament für stabile, nachhaltige Beziehungen<br />

auch in Krisenzeiten schaffen. Beispielsweise ist es eine Aufgabe <strong>der</strong> Risikokommunikation,<br />

nicht nur im konkreten Fall über aktuelle Themen wie erhöhte Dioxingehalte in Futter- und<br />

Lebensmitteln zu informieren, son<strong>der</strong>n langfristig zu erklären, warum trotz bestimmter Grenzwertüberschreitungen<br />

in bestimmten Fällen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für<br />

den Verbraucher zu erwarten sind.<br />

Auf internationaler Ebene hat sich Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahrzehnten zu einem<br />

weltweit anerkannten Leitbild entwickelt. Die Notwendigkeit des Handelns in globalen Zusammenhängen<br />

entsteht dabei in <strong>der</strong> Einsicht, dass in Zeiten <strong>der</strong> Globalisierung die Lebensbedingungen<br />

in an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> Welt auch von Europa bzw. Deutschland beeinfl usst werden.<br />

Die Lebensmittelsicherheit in <strong>der</strong> Europäischen Union ist ein wichtiges Gut, insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

<strong>der</strong> rasch zunehmenden und wachsenden Globalisierung <strong>der</strong> Weltwirtschaft. Das Angebot<br />

an Lebensmitteln in Europa steigt stetig, und damit steigen auch die Anfor<strong>der</strong>ungen an die<br />

europäischen Staaten und die Europäische Union, Risiken wissenschaftlich zu bewerten,<br />

zu minimieren und effektiv zu kommunizieren.<br />

Im Bereich <strong>der</strong> Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit kooperiert das BfR eng mit <strong>der</strong><br />

Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority). Das BfR<br />

koordiniert als zentrale deutsche Kontaktstelle („EFSA Focal Point“) den wissenschaftlichen<br />

Informationsaustausch zwischen <strong>der</strong> EFSA und den in Deutschland zuständigen Behörden sowie<br />

den Beteiligten aus den Bereichen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verbraucherverbänden.<br />

Weiterhin kooperiert das BfR mit zahlreichen nationalen und internationalen Schwesterbehörden<br />

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im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Im Dezember 2010 unterzeichnete das BfR<br />

einen Kooperationsvertrag mit <strong>der</strong> französischen Lebensmittelbehörde Agence nationale de<br />

sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail (ANSES) und dem Lebensmittelinstitut<br />

<strong>der</strong> Dänischen Technischen Universität (DTU). Kooperationsverträge wurden u. a. auch<br />

mit Institutionen in <strong>der</strong> Republik Korea, wie beispielsweise mit dem National Institute of Food &<br />

Drug Safety, und in China mit <strong>der</strong> Chinese Academy of Inspection and Quarantine (CAIQ) sowie mit<br />

<strong>der</strong> General Administration of Quality Supervision, Inspection and Quarantine (AQSIQ) abgeschlossen.<br />

Nur über solche Netzwerke wird es zukünftig möglich sein, die Lebensmittelsicherheit trotz<br />

globaler Warenströme international zu garantieren.<br />

6. Abschluss und Ausblick<br />

Zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Risikokommunikation ist das Vertrauen in den<br />

Kommunikator. Risikokommunikation ist nur dann Erfolg versprechend, wenn deutlich wird, dass<br />

Grundprinzipien wie Ehrlichkeit in <strong>der</strong> Darlegung und Ergebnisoffenheit beachtet werden. Die<br />

Kommunikation politischer Institutionen nach außen muss somit offen und transparent gestaltet<br />

werden. Das impliziert ebenso, dass auch Unsicherheiten, die in verschiedenen Zusammenhängen<br />

auftauchen können, erklärt werden sollten. So ist zum Beispiel die toxische Wirkung einer<br />

Substanz abhängig von dem durch Gene beeinfl ussten Stoffwechsel und davon, wie die Substanz<br />

mit an<strong>der</strong>en zusammenwirkt. Die Kommunikation von Unsicherheit ist für die Risikoforschung ein<br />

zunehmend wichtiger Aufgabenbereich. Glaubwürdigkeit erhält nur <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> auch sagt, was<br />

er heute (noch) nicht weiß.<br />

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Mitglie<strong>der</strong> des FNL-Beirats<br />

Stand August 2013<br />

Dr. Dr. h. c. mult. Gerhard Greif, Vorsitzen<strong>der</strong>, Tierärztliche Hochschule, Hannover<br />

Prof. Dr. Georg F. Backhaus, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für<br />

Kulturpfl anzen, Quedlinburg<br />

Dirk Bensmann, Agravis Raiffeisen AG, Münster/Hannover<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich Berschauer, Bergisch Gladbach<br />

Prof. Dr. habil. Reiner Brunsch, Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim e. V.<br />

Prof. Dr. Olaf Christen, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg<br />

Paul Daum, Kaiser’s Tengelmann AG, München<br />

Pastor Karl-Heinz Friebe, Kirchlicher Dienst auf dem Lande, Hannover<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Detlev Ganten, Stiftung <strong>der</strong> Charité, Berlin<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Jörg Hartung, Tierärztliche Hochschule, Hannover<br />

Anton Krömer, Schnei<strong>der</strong>krug<br />

Friedrich Mayer, Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und<br />

Forsten, München<br />

Jürgen Paffen, Agrargenossenschaft Weißensee<br />

Dr. Gerhard Prante, Hofheim<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Michael Schmitz, Justus-Liebig-Universität, Gießen<br />

Dr. Claus Voigt, Pretzschendorf, OT Klingenberg<br />

Prof. Dr. Hubert Wiggering, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.,<br />

Müncheberg<br />

Dr. Ludger Wilstacke, Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,<br />

Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />

Als ständiger Gast:<br />

Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel, Bundesinstitut für Risikobewertung, Berlin<br />

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För<strong>der</strong>gemeinschaft Nachhaltige<br />

Landwirtschaft e. V. (FNL)<br />

Die FNL versteht sich seit über zwei Jahrzehnten als<br />

Brückenbauer zwischen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Landwirtschaft<br />

und den Verbrauchern. So ist es ihr Bestreben, die<br />

Öffentlichkeit sachlich und kompetent zu informieren.<br />

Dabei stehen die Themen Nahrungssicherheit, Verantwortungsvolle<br />

Nutztierhaltung, Ressourceneffizienz,<br />

Energieversorgung sowie Innovation und Naturhaushalt<br />

im Mittelpunkt. Die FNL ist ein Zusammenschluss<br />

von über 30 Organisationen und Unternehmen <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft sowie ihrer vor- und nachgelagerten<br />

Bereiche.<br />

Der Beirat <strong>der</strong> FNL<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Beirats sind Persönlichkeiten aus <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft sowie den vor- und nachgelagerten<br />

Bereichen, <strong>der</strong> Wissenschaft, <strong>der</strong> landwirtschaftlichen<br />

Beratung und Berufsvertretung, <strong>der</strong> Agrarverwaltung<br />

sowie von Organisationen und gesellschaftlichen<br />

Gruppen, die sich in ihren Zielen und Maßnahmen<br />

mit <strong>der</strong> Landwirtschaft befassen und für ihre<br />

nachhaltige Entwicklung einsetzen. Beschlüsse des<br />

Beirats sind Empfehlungen an den Vorstand <strong>der</strong> FNL.<br />

Weitere Informationen über die FNL finden Sie<br />

auf <strong>der</strong> Internetseite<br />

www.fnl.de

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