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Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

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11 Ni erdev<br />

wird e<strong>in</strong>e Reihe von Denkmalsvere<strong>in</strong>en, von München bis Königsberg, gegrünk<br />

d 1·· d . N' 1 h "104<br />

det, die Idee des Den mals wur e popu ar, wur e zu e<strong>in</strong>er" atlOna sac e .<br />

Bandei, der se<strong>in</strong>e eigene Arbeit "dem deutschen Volk" zum Geschenk anbot,<br />

hat von Anfang an betont, das Denkmal solle "für das gesamte deutsche Volk<br />

<strong>und</strong> von demselben" errichtet werden, sei "durch allgeme<strong>in</strong>e Teilnahme ... gesamtdeutsches<br />

Eigentum", hier schon kommt die nationaldemokratische Komponente<br />

dieses Denkmalbaues zum Ausdruck 105 .<br />

Das <strong>im</strong> Denkmal Gestalt werdende Nationalgefühl ist nationale Er<strong>in</strong>nerung,<br />

die sich an der germanischen Frühgeschichte orientiert, am archaischen Ursprung,<br />

<strong>in</strong> dem das Wesen des Deutschen re<strong>in</strong> <strong>und</strong> unverfälscht zum Ausdruck<br />

kommt, <strong>und</strong> das Denkmal versucht, den historischen Helden dieser Frühzeit <strong>in</strong><br />

die D<strong>im</strong>ension des nationalen Mythos zu erheben <strong>und</strong> ihm damit e<strong>in</strong>e konkrete<br />

politische Funktion zu geben. Näher entfaltet sich diese Funktion zunächst <strong>in</strong><br />

doppelter Weise. Das Denkmal ist Denkmal für den "Befreier <strong>Deutschland</strong>s"<br />

<strong>und</strong> damit für die Befreiung, <strong>und</strong> ist e<strong>in</strong> "Mahnzeichen der aller<br />

deutschen Stämme" 106. Denn die Befreiung ist zugleich die ist die<br />

Gründung det'Nation: Hermann ist der "Retter <strong>und</strong> Gründer " 107 <strong>und</strong> darum<br />

"Träger <strong>und</strong> Repräsentant -der deutschen Nationalität"108. Er hat den Herrschaftsanspruch<br />

des "RomanismuD~brochen <strong>und</strong> damit die nationalkulturelle<br />

Eigenständigkeit der Deutschen gesichert, ja für das ganze Menschengeschlecht<br />

das Pr<strong>in</strong>zip der nationalen Unabhängigkeit begründet, dies <strong>in</strong>ternationale<br />

Pr<strong>in</strong>zip der Nationalität ist so etwas wie die Weltsendung Hermanns:<br />

Auch die "übrigen Völker" "wurden frei durch den Teutoburger Sieg"109.<br />

Hermann als Begründer der deutschen Nationalität nun ist Symbol <strong>und</strong> Vorbild,<br />

das angerufen wird, um das gegenwärtige Bewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> Gefühl der Nationalität<br />

zu <strong>in</strong>tensivieren: er soll das Volk "erheben <strong>und</strong> zu steter Nacheiferung<br />

... stärken " 110. Insbesondere soll das Denkmal, sowohl die Er<strong>in</strong>nerung an<br />

den dargestellten Helden wie der geme<strong>in</strong>same Bau, die "Treue<strong>in</strong>igkeit unserer<br />

Volksstämme" beschwören, es ist e<strong>in</strong> "Mahnzeichen zur E<strong>in</strong>igkeit aller deutschen<br />

Stämme"111. Auf e<strong>in</strong>er Tafel <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> heißt es: "Hermann dem Befreier<br />

<strong>Deutschland</strong>s gründen dies Denkmal <strong>Deutschland</strong>s Fürsten <strong>und</strong> Volksstämme<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>tracht verb<strong>und</strong>en. Er bleibe <strong>und</strong> dauere, der S<strong>in</strong>n der E<strong>in</strong>tracht, welcher<br />

dies Denkmal schuf, <strong>und</strong> getilgt sei der Fluch der Zwietracht, den der Zorn<br />

des überw<strong>und</strong>enen an der Wiege unseres Volkes aussprach"112. In der Dunkelheit<br />

der Frühgeschichte konnte man die späteren Stammesgegensätze symbolisch<br />

überw<strong>in</strong>den, hier war die E<strong>in</strong>heit sozusagen archaisch präfiguriert. Auch Gedanken<br />

des Liberalismus strömen <strong>in</strong> die Denkmalsbewegung e<strong>in</strong>, ihre Träger s<strong>in</strong>d die<br />

"Fre<strong>und</strong>e der Freiheit" 113, <strong>und</strong> diese Freiheit ist auch nach <strong>in</strong>nen gewandt;<br />

freilich dom<strong>in</strong>iert zumeist das gemäßigt konstitutionelle Ideal der Harmonie<br />

zwischen Herrscher <strong>und</strong> Volk. Schließlich spielt der Gedanke der Macht, der<br />

Stärke <strong>und</strong> Größe der Nation <strong>in</strong> der Denkmalsbewegung e<strong>in</strong>e besondere Rolle,<br />

vor allem bei Bandei selbst. Dargestellt wird Arm<strong>in</strong>s "Schwerterhebung", aber<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Augenblick nach dem errungenen Siege. Trotzdem bleibt das Schwert<br />

aufgereckt, weil es die Garantie der nationalen Existenz ist, weil Fe<strong>in</strong>d <strong>und</strong><br />

160<br />

Gefahr nicht <strong>und</strong> niemals vorüber s<strong>in</strong>d. Bandei spricht von der "unseren Fe<strong>in</strong>den<br />

Schrecken <strong>und</strong> Verderben br<strong>in</strong>genden Wiederaufpflanzung unseres alten<br />

deutschen Schwertes, das <strong>im</strong>mer am deutschen H<strong>im</strong>mel <strong>im</strong> herrlichen Glanze der<br />

Freiheit leuchtete <strong>und</strong> sich als Haltepunkt unseres Se<strong>in</strong>s bewährte, wenn es<br />

von echt deutscher Faust erhoben unsere Stämme <strong>in</strong> Treue<strong>in</strong>igkeit um sich<br />

scharte". "So stehe <strong>in</strong> jugendlicher Frische, <strong>im</strong> Siegesbewußtse<strong>in</strong> Arm<strong>in</strong>, das freie<br />

Schwert <strong>in</strong> kräftiger Faust erhoben zu gewaltigem Schlage bereit, das S<strong>in</strong>nbild<br />

unserer ewig jungen Kraft ... e<strong>in</strong> Wegweiser zur Stätte unseres Ruhmes <strong>und</strong> zur<br />

Erkenntnis unserer Macht <strong>und</strong> Herrlichkeit. "114<br />

Der politische S<strong>in</strong>n, der <strong>im</strong> Denkmal gegeben wurde, sich auch <strong>in</strong> den<br />

Bau- <strong>und</strong> Formideen. Die Wahl des Ortes ist nicht nur historisch bed<strong>in</strong>gt, bei<br />

Bandei kann man deutlich e<strong>in</strong>e a~e St<strong>im</strong>mung, e<strong>in</strong>e 1iIythisi~Eung des<br />

Waldes als der eigentlich deutschen Seelenlandschaft <strong>und</strong> die romantische<br />

Neigung zum Bergheiligtum bemerken. Der Unterbau sollte, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em romanischgotischen<br />

Mischstil ausgeführt, spezifisch deutsch nur e<strong>in</strong> "deutscher"<br />

Stil schien dem <strong>Nationaldenkmal</strong> angemessen, das Fehlen e<strong>in</strong>es nationalen Baustils<br />

galt Bande! gerade als Zeichen von überfremdung <strong>und</strong> Identitätsgefährdung<br />

llS • Die Figur war zunächst (1835/36) kolossal, weicher <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>dlicher<br />

entworfen, der Arm mit dem Schwert war angew<strong>in</strong>kelt oder gekrümmt;<br />

Sch<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Rauch haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gegenentwurf gar e<strong>in</strong>en Hermann<br />

mit gesenktem Schwert vorgeschlagen; aber dann bildete sich die endgültige<br />

Gestalt, die straff hochgereckte mit dem gerade <strong>in</strong> die Höhe gestreckten<br />

Schwert, das drohend <strong>in</strong> die Ferne weist, heraus, die herausfordernde, auf<br />

Kampf, Sieg <strong>und</strong> Kraft abgestellte Haltung des Helden. Damit hat Bandel das,<br />

:vas er für den S<strong>in</strong>n des Denkmals hielt, besonders prägnant zum Ausdruck<br />

br<strong>in</strong>gen wollen, durch das Senken des Schwertes würde "der S<strong>in</strong>n des ganzen<br />

Denkmals aufgehoben" (1861)116. Das Ganze bekom~t so e<strong>in</strong>en aggressiven <strong>und</strong><br />

herausfordernden Zug, der unsichtbare Fe<strong>in</strong>d ist <strong>in</strong> das Denkmal mit e<strong>in</strong>bezogen,<br />

der Beschauer wird r~di~~e'F;~;~st~llung mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>genommen: <strong>im</strong> Kampf<br />

gegen den Fe<strong>in</strong>d konstituiert sich die hier geme<strong>in</strong>te Nation als e<strong>in</strong> Machtgebilde,<br />

<strong>in</strong> ihrer Macht hat sie ihre Identität. Auch <strong>in</strong> der Orientierung des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s<br />

an der germanischen Frühgeschichte, am Teutonischen,<br />

schw<strong>in</strong>gt dieses Moment mit: Hermann <strong>und</strong> die Germanen repräsentieren nicht<br />

nur <strong>und</strong> vielleicht nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Freiheit, sondern auch das<br />

vorzivilisatorische Gewaltige, eben Kr;ft <strong>und</strong> Macht.<br />

In den 40er Jahren, endgültig 1846, kam der Bau zum Erliegen 117 • Erst Anfang<br />

der 60er Jahre kam das Unternehmen, von der neubelebten Nationalbewegung<br />

getragen, wieder <strong>in</strong> Gang <strong>und</strong> wurde, zuletzt mit Hilfe von Zuschüssen des<br />

Kaisers <strong>und</strong> des Reiches, bis 1875 vollendet, am 16. 8. ist es <strong>in</strong> Anwesenheit des<br />

Kaisers <strong>und</strong> vieler Fürsten mit e<strong>in</strong>em großen patriotischen Volksfest, dem zumal<br />

Turner-, Kriegervere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Studentenkorporationen das Gepräge<br />

gaben, e<strong>in</strong>geweiht worden. Die Teilnahme von e<strong>in</strong>igen h<strong>und</strong>ert Amerikadeutschen,<br />

zudem von Holländern <strong>und</strong> österreichern wird besonders hervorgehoben,<br />

der Begriff der Volksnation war hier m<strong>in</strong>destens ebenso lebendig wie der<br />

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