12.01.2014 Aufrufe

Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Inhalt<br />

Vorwort 9<br />

I. ZUR THEORIE DER GESCHICHTSWISSENSCHAFT<br />

1. über Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />

2. Die anthropologische D<strong>im</strong>ension der Geschichtswissenschaft.<br />

3. Historismus <strong>und</strong> Historismuskritik heute . . . . . .<br />

12<br />

33<br />

59<br />

11. ALLGEMEINE PROBLEME DER NEUZEIT<br />

4. Die Funktion der Utopie <strong>im</strong> politischen Denken der Neuzeit. 74<br />

5. Gr<strong>und</strong>probleme der deutschen Parteigeschichte <strong>im</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert 89<br />

6. Antisemitismus Entstehung, Funktion <strong>und</strong> Geschichte e<strong>in</strong>es 113<br />

7. <strong>Nationalidee</strong> <strong>und</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>im</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert 133<br />

IH. ZWISCHEN DEN REVOLUTIONEN:<br />

VOM SPÄTEN 18. JAHRHUNDERT BIS 1848<br />

8. Vere<strong>in</strong> als soziale Struktur <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>im</strong> späten 18. <strong>und</strong> frühen<br />

<strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert. E<strong>in</strong>e Fallstudie zur Modernisierung I . . . . . . 174<br />

9. Volksschule <strong>und</strong> Revolution <strong>im</strong> Vormärz. E<strong>in</strong>e Fallstudie zur Modernisierung<br />

II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />

10. Geschichtsschreibung, Theologie <strong>und</strong> Politik <strong>im</strong> Vormärz: earl Bernhard<br />

H<strong>und</strong>eshagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />

11. Kritik oder Objektivität? Zur Beurteilung der Revolution von 1848 259<br />

IV. KAISERREICH UND REPUBLIK<br />

/r'<br />

\~ 12.,/Die Organisation der bürgerlichen Parteien <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> vor 1918 279<br />

/T3.';Interessenverbände <strong>und</strong> Parteien <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> vor dem Ersten<br />

•• ::.' Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319<br />

(14.) Jugend <strong>und</strong> Politik um 1900 . . . . . . . . . . . . 338<br />

" 1'5. Wehlers . E<strong>in</strong>e kritische Ause<strong>in</strong>andersetzung 360<br />

16. Die deutsche Studentenschaft <strong>in</strong> den ersten Jahren der We<strong>im</strong>arer<br />

Republik 390<br />

Abkürzungsverzeichnis 417<br />

Anmerkungen . . . . 418<br />

Verzeichnis der ursprünglichen Druckorte . 466


fre<strong>und</strong>liche oder fe<strong>in</strong>dselige Haltung den Juden gegenüber" geworden 122 • Versuche,<br />

die ältere, nicht rassisch best<strong>im</strong>mte Judenfe<strong>in</strong>dschaft als ,Antijudaismus'<br />

oder ,Ant<strong>im</strong>osaismus' vom modernen Antisemitismus abzusetzen, s<strong>in</strong>d praktisch<br />

erfolglos geblieben: <strong>im</strong> allgeme<strong>in</strong>en Sprachgebrauch hat sich der Begriff ,Antisemitismus'<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em weitesten S<strong>in</strong>ne <strong>im</strong> wesentlichen durchgesetzt. Auch die<br />

Wissenschaft wird diesen Sprachgebrauch berücksichtigen müssen; für e<strong>in</strong> angemessenes<br />

historisches Verständnis des Phänomens ,Antisemitismus' kann sie jedoch<br />

auf den älteren, engeren Begriff nicht verzichten 123 •<br />

7. <strong>Nationalidee</strong> <strong>und</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

<strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

1.<br />

Die Beschäftigung mit den Symbolen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> politischer, religiöser,<br />

kultureller historischer Bewußtse<strong>in</strong>szustand anschaulich geworden ist, oder mit<br />

den Objektivationen solchen Bewußtse<strong>in</strong>s <strong>in</strong> der Kunst 1 ist für den Historiker<br />

älterer Zeiten seit langem. selbstverständlich geworden; für den Historiker, der<br />

sich mit der Neuzeit, spätestens mit der Zeit seit der Französischen Revolution<br />

befaßt, ist sie es bisher nicht gewesen; weil es nicht an schriftlichen Quellen<br />

mangelte, gab es ke<strong>in</strong>en Zwang, der zur Erschließung solcher neuen Quellengruppen<br />

führte; weil es <strong>im</strong> <strong>19.</strong> Jh. ke<strong>in</strong>en alle Lebensbereiche be;t<strong>im</strong>menden<br />

"Stil" gibt, m~g der Aussagewert von künstlerischen Symbolen zweifelhaft erschienen<br />

se<strong>in</strong>. Im folgenden wird der:Versuch gemacht, durch e<strong>in</strong>e Analyst der<br />

Nationaldenkmäler Aufschlüsse über die Struktur von Nationalbewegung'<strong>im</strong>d<br />

<strong>Nationalidee</strong> zu gew<strong>in</strong>nen 2 ; dabei werden freilich nicht nur die Denkmäler<br />

selbst, sondern die Fülle der Äußerungen der »Denkmalsbewegungen", zumal<br />

die Denkmalsfeste mit berücksichtigt. Diese Analyse e<strong>in</strong>er neuen Quellengrup·<br />

pe ersche<strong>in</strong>t deshalb auch <strong>im</strong> <strong>19.</strong> Jh. erfolgversprechend, w~i1 <strong>in</strong> den hier untersuchten<br />

Denkmälern <strong>und</strong> Denkmalsbewegungen zum e<strong>in</strong>en Äußerungen der<br />

Nationalbewegung vorliegen, an denen jeweils e<strong>in</strong>e Vielzahl unterschiedlicher<br />

Gruppen - Stifter, Geldgeber, Planer, Künstler, Juroren, Kritiker, Propagandisten,<br />

die "öffentlichkeit" <strong>und</strong> das" Volk" bei den Denkmalsfesten beteiligt<br />

ist, die den Gedanken des Denkmals hervorbr<strong>in</strong>gen, mitformen oder ihm<br />

Resonanz verleihen. Die vergleichende Geschichte der Denkmäler <strong>und</strong> ihrer<br />

verschiedenen Formen kann darum e<strong>in</strong> Beitrag zur Sozialgeschichte der nationalen<br />

Idee werden. Zum andern: weil die Denkmäler objektiv gewordene Äußerungen<br />

von Ideen s<strong>in</strong>d, Werke, die aus der Menge konkurrierender Vorschläge<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl von Entscheidungen hervorgehen, <strong>und</strong> Produkte, die ihrem<br />

Wesen nach e<strong>in</strong>en besonderen Anspruch <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e besondere Art von öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> von Dauer besitzen. In der "Objektivität" der Denkmäler<br />

kommen zum al Momente zum Vorsche<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> den literarischen Explikationen<br />

des nationalen Bewußtse<strong>in</strong>s nicht oder nur verstellt zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d 3 •<br />

Zwei E<strong>in</strong>schränkungen s<strong>in</strong>d sogleich zu machen. Zum e<strong>in</strong>en: politische<br />

Denkmäler werden <strong>im</strong> wesentlichen von etablierten Kräften, vom Staat oder<br />

von »staatstragenden" Gruppen gebaut. Die Opposition baut, solange sie<br />

nichts als Opposition ist, ke<strong>in</strong>e Denkmäler. Zwar k~ die Opposition <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Geschichte des Denkmals b'erlicksichtig werden, <strong>in</strong>dem Entwürfe <strong>und</strong> Ideen,<br />

Kritik der etablierten Denkmäler <strong>und</strong> "Ersatz"-Bauten zur Geltung kommen,<br />

132<br />

133


trotzdem aber ist von vornhere<strong>in</strong> klar, daß die nationale Idee der Opposition<br />

bei der Behandlung unseres Themas nicht oder nicht angemessen repräsentiert<br />

wird. Zum andern: man muß sich hüten <strong>und</strong> <strong>in</strong>sofern sche<strong>in</strong>t die bisherige<br />

Zurückhaltung der Forschung nicht ganz unberechtigt -, das Kunstfaktum<br />

Denkmal <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en Stil vorschnell mit den herrschenden Tendenzen des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s<br />

zu parallelisieren. Denn es gibt e<strong>in</strong>en autonomen Bereich<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e autonome Entwicklung <strong>in</strong> der Kunst. Für die Künstler z. B. ist die<br />

Aufgabe, e<strong>in</strong>e angemessene Gestalt des N ationalbewußtseitrs~~'~u bauen, meist<br />

sek<strong>und</strong>är, pr<strong>im</strong>är geht es für sie darum, e<strong>in</strong>e große <strong>und</strong> zweckfreie Bauaufgabe<br />

Z~'hhäben; so hat We<strong>in</strong>brenner Denkmäler für Friedrich den Großen, für die<br />

französische Republik, für Napoleon <strong>und</strong> für die Völkerschlacht bei Leipzig,<br />

die Befreiung <strong>Deutschland</strong>s, entworfen, <strong>und</strong> noch Bruno Schmitz hat um 1900<br />

nicht nur die großen Kaiser-Wilhelm-Denkmäler <strong>und</strong> das Völkerschlachts­<br />

Denkmal gebaut, sondern auch e<strong>in</strong> monumentales Kriegerdenkmal <strong>in</strong> Indianapolis,<br />

<strong>und</strong> für das italienische <strong>Nationaldenkmal</strong>, das Victor-Emanuel-Denkmal<br />

<strong>in</strong> Rom, hat er e<strong>in</strong>en preisgekrönten Entwurf e<strong>in</strong>gereicht. Bis etwa um 1900<br />

s<strong>in</strong>d die Wettbewerbe <strong>und</strong> die Kritik von Denkmalsentwürfen <strong>und</strong> -bauten<br />

überwiegend ästhetisch <strong>und</strong> nicht politisch <strong>und</strong> national orientiert. Schließlich<br />

gibt es auch zwischen der künstlerischen Form <strong>und</strong> dem nationalen Gehalt e<strong>in</strong>es<br />

Denkmals Diskrepanzen; aus der ästhetischen Struktur <strong>und</strong> gar aus dem<br />

ästhetischen Wert oder Unwert e<strong>in</strong>es Denkmals kann nicht unmittelbar <strong>und</strong><br />

ohne weiteres auf Struktur <strong>und</strong> Wert oder Unwert des Nationalbewußse<strong>in</strong>s geschlossen<br />

werden. Die Theatralik der Germania berechtigt nicht, generell auf<br />

e<strong>in</strong> theatralisches Nationalbewußtse<strong>in</strong> der 70er Jahre zu schließen, ebensowenig<br />

darf man aus der künstlerischen überw<strong>in</strong>dung des Wilhelm<strong>in</strong>ismus <strong>in</strong> den<br />

späten Bismarck-Denkmälern schon auf e<strong>in</strong>e überw<strong>in</strong>dung des Wilhelm<strong>in</strong>ismus<br />

überhaupt schließen; <strong>und</strong> die Ansätze zu sachlicher, materialgerechter Modernität<br />

<strong>in</strong> diesen Denkmälern konvergieren nicht e<strong>in</strong>fach mit den Ansätzen zu e<strong>in</strong>em<br />

völkischen Nationalismus, der <strong>in</strong> ihnen se<strong>in</strong>en Ausdruck fand. Schon die<br />

für das <strong>19.</strong> Jh. so ungeme<strong>in</strong> charakteristische Tatsache des Stilpluralismus muß<br />

davor warnen, künstlerischen Ausdruck <strong>und</strong> politisches, nationales Bewußtse<strong>in</strong><br />

unvermittelt e<strong>in</strong>heitlich zu verstehen. Trotzdem, <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong>dem man die<br />

autonome Entwicklung der Kunst beachtet, ist es aber möglich, zwischen den<br />

<strong>im</strong> Kunstwerk objektivierten Form- <strong>und</strong> Weltideen <strong>und</strong> den nationalen Ideen<br />

Entsprechungen aufzuweisen. Nur deshalb kann e<strong>in</strong>e Analyse der Nationaldenkmäler<br />

für die Geschichte der <strong>Nationalidee</strong> fruchtbar se<strong>in</strong>. Darum kann<br />

<strong>und</strong> muß <strong>in</strong> dieser Abhandlung nicht nur von Denkmalsideen <strong>und</strong> Denkmalsfesten,<br />

sondern auch <strong>und</strong> gerade von den Kunstwerken selbst die Rede se<strong>in</strong>.<br />

Der hier verwandte Begriff, der Begriff des N atiö'naldenkmals, sche<strong>in</strong>t zunächst<br />

wenig e<strong>in</strong>deutig, <strong>im</strong> späten <strong>19.</strong> Jh. kann jedes große patriotische Denkmal<br />

oder jedes von der Nation durch Sammlungen oder aus Steuermitteln f<strong>in</strong>anzierte<br />

Denkmal oder auch nur das Niederwalddenkmal als <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

bezeichnet werden. Die Nation kann Stifter oder Adressat des Denkmals<br />

se<strong>in</strong>, das Denkmal kann ihr gewidmet se<strong>in</strong>, sie kann <strong>im</strong> Denkmal dargestellt<br />

134<br />

se<strong>in</strong>, die Person oder die Personen, das oder die Idee, denen das Denkmal<br />

geweiht ist, können e<strong>in</strong>e repräsentative Bedeutung für die Nation haben.<br />

Man könnte <strong>in</strong> Ermangelung e<strong>in</strong>er sachbezogenen Def<strong>in</strong>ition nomi~:lliüsch sagen,<br />

<strong>Nationaldenkmal</strong> ist, was als <strong>Nationaldenkmal</strong> gilt. Diese Geltung freilich<br />

hängt nun doch von Sachbed<strong>in</strong>gungen ab, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von dem letzterwähnten<br />

Faktor, davon, wieweit die Nation als Ganzes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Denkmal, <strong>in</strong> dem<br />

e<strong>in</strong>e Vergangenheit, sei es Ereignis oder Person, Mythos oder Geschichte, vergegenwärtigt<br />

(Hermann 1875, Völkerschlacht 1913), <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e Gegenwart<br />

verewigt (Reichsgründung: Niederwald 1883, Bismarck seit etwa<br />

1895), <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e Idee sichtbar gemacht wird (Walhalla oder die <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong><br />

nicht gebauten Freiheitsdenkmäler), sich selbst repräsentiert f<strong>in</strong>det, wieweit<br />

ihr <strong>im</strong> Bekenntnis zu dem Dargestellten ihre Identität mit sich selbst anschaulich<br />

werden kann <strong>und</strong> wieweit darum dem Denkmal e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierende<br />

Funktion zukommt. Das <strong>Nationaldenkmal</strong> ist e<strong>in</strong> Versuch, der nationalen<br />

Identität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anschaulichen, bleibenden Symbol gewiß zu werden; das ist<br />

die Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s, die den Zeitgenossen des <strong>19.</strong> Jh.s vorschwebte<br />

<strong>und</strong> die <strong>in</strong> allem unterschiedlichen Begriffsgebrauch noch gegenwärtig ist, sie<br />

muß die Gr<strong>und</strong>lage jeder Untersuchung se<strong>in</strong>. Nun stellt aber die nationale<br />

Identität <strong>in</strong> Suchen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Verlust, Bedrohung <strong>und</strong> Vergewisserung e<strong>in</strong><br />

ständiges Problem dar; darum ist das <strong>Nationaldenkmal</strong>, zumal <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

eher Idee, Versuch, Anspruch <strong>und</strong> Problem als anerkannte Wirklichkeit, <strong>und</strong><br />

die Geschichte des <strong>Nationaldenkmal</strong>s muß darum zugleich Geschichte se<strong>in</strong>er<br />

Problematlk~se<strong>in</strong>, wenn sie für die Geschichte des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s aufschlußreich<br />

se<strong>in</strong> will. Auch darum muß der Begriff des <strong>Nationaldenkmal</strong>s weit<br />

gefaßt werden, muß das nationale, das politische <strong>und</strong> das politisierte Denkmal<br />

berücksichtigt, müssen auch die nicht realisierten Entwürfe <strong>in</strong> die Betrachtung<br />

mit e<strong>in</strong>bezogen werden. Dafür spricht schließlich e<strong>in</strong> methodischer Gesichtspunkt:<br />

nur wenn das Material, das der Untersuchung zugr<strong>und</strong>e gelegt wird, e<strong>in</strong>igermaßen<br />

breit gestreut ist, ist es repräsentativ, nur dann läßt sich über die<br />

<strong>in</strong>dividuelle Beliebigkeit des e<strong>in</strong>zelnen Denkmals, des e<strong>in</strong>zelnen nationale<br />

Denkwürdigkeit beanspruchenden Symbols h<strong>in</strong>auskommen, läßt sich die Funktion<br />

e<strong>in</strong>es Denkmals <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Denkmalsidee für das Nationalbewußtse<strong>in</strong> erkennen.<br />

Ich gehe <strong>im</strong> folgenden nicht chronologisch vor, sondern versuche, Typen,<br />

Idealtypen' des <strong>Nationaldenkmal</strong>s herauszuarbeiten; <strong>und</strong> zwar orientiert sich<br />

diese Typologie daran, welche Nation es denn ist, die <strong>im</strong> Denkmal geme<strong>in</strong>t ist,<br />

daran, welches Moment sie eigentlich konstituiert. Gegen die Zuordnung e<strong>in</strong>es<br />

best<strong>im</strong>mten Denkmals zu e<strong>in</strong>em Typus <strong>und</strong> gegen die Konstruktion e<strong>in</strong>es solchen<br />

Typus überhaupt lassen sich <strong>im</strong> e<strong>in</strong>zelnen gewiß manche E<strong>in</strong>wände erheben'<br />

trotzdem sche<strong>in</strong>t mir das Arbeiten mit solchen Typen <strong>in</strong> unserem Falle<br />

auf;chlußreich, weil es nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie um die Erkenntnis der Entwicklung,<br />

sondern zunächst um die Erkenntnis der unterschiedlichen <strong>und</strong> gegensätzlichen<br />

Gestalten des deutschen Nationalbewußtse<strong>in</strong>s, um se<strong>in</strong>e "Struktur" geht.<br />

135


11.<br />

Der erste Typus, den wir zu behandeln haben, ist das Denkmal der durch<br />

den Bezug zum Monarchen konstituierten <strong>und</strong> gee<strong>in</strong>ten Nation, das n,atio~a,lmonarchische<br />

oder national-dynastische Denkmal. Die Nation, die <strong>in</strong> solchem<br />

D"';;n~al repräsentiert wird, ist selbstverständlich die Staatsnation, d. h. bis<br />

1871 die partikularstaatliche Nation.<br />

In der Renaissance <strong>und</strong> <strong>im</strong> Barock ist der Typus des Fürsten- <strong>und</strong> Ruhmesdenkmals<br />

ausgebildet worden. E<strong>in</strong> solches Denkmal repräsentiert zunächst<br />

nichts als sich selbst, den Ruhm <strong>und</strong> die Macht des Dargestellten, dessen Andenk~~~sv~;ewigen<br />

soll; zwischen dessen Se<strong>in</strong> als <strong>in</strong>dividueller Person <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> als Fürst kann nicht unterschieden werden. Im späten 18. Jh. dann<br />

setzt <strong>im</strong> Zuge der Aufklärung e<strong>in</strong> Vorgang e<strong>in</strong>, den man als "Moralisierung"<br />

<strong>und</strong> "Patriotisierung" der Denkmalsidee charakterisieren kann'; das Denkmal<br />

soll e<strong>in</strong> ~Ve;di~nst ehren, <strong>und</strong> es soll zur bürgerlichen Tugend erziehen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

soll es den Patriotismus wecken <strong>und</strong> bestärken. E<strong>in</strong> Denkmal ist<br />

lohnung für Verdienste, deren Andenken durch dasselbe auf die Nachwelt gebracht<br />

wird <strong>und</strong> die Gemüther zu gleicher Erlangung der Unsterblichkeit anfeuert"5.<br />

Von den öffentlichen Denkmälern der Griechen heißt es: "Welche<br />

starken <strong>und</strong> dauernden E<strong>in</strong>drücke zu edlen Er<strong>in</strong>nerungen <strong>und</strong> Nacheiferungen<br />

mußten sie nicht e<strong>in</strong>prägen. Es konnte nicht fehlen, der Bürger mußte da für<br />

das Vaterland <strong>und</strong> für die Tugend empf<strong>in</strong>den lernen ..."6 Im Zuge dieser<br />

Tendenz wird e<strong>in</strong>mal der Kreis derer, die e<strong>in</strong>es Denkmals würdig s<strong>in</strong>d, ja es<br />

beanspruchen können, weit über den Kreis der Fürsten <strong>und</strong> Feldherren ausgedehnt.<br />

Zum andern wird der Fürst nicht mehr als Fürst, sondern aufgr<strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>er Verdienste als Individuum geehrt. Und mit dem Vordr<strong>in</strong>gen des Geniekults<br />

wird es die "Größe" des Individuums, die man verherrlicht. Damit tritt<br />

die merkwürdige Paradoxie e<strong>in</strong>, daß das Denkmal für das verdienstvolle große<br />

Individuum zugleich zu e<strong>in</strong>em Symbol der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Genius sich offenbarenden<br />

über<strong>in</strong>dividuellen Kräfte wird <strong>und</strong> daß schließlich das Denkmal des Fürsten<br />

a~~h~~-;<strong>in</strong>em'De~kmal des <strong>in</strong> ihm repräsentierten über<strong>in</strong>dividuellen Zusammenhanges,·<br />

zu e<strong>in</strong>em Denkmal des Staates, des Vaterlandes, der Nation<br />

werden kann.<br />

In diese Entwicklung gehören die seit 1786 diskutierten Pläne, e<strong>in</strong> Denkmal<br />

für den Großen zu errichten, <strong>und</strong> <strong>in</strong> dieser Diskussion ist zuerst die<br />

Idee e<strong>in</strong>es partikularstaatlichen - <strong>Nationaldenkmal</strong>s entstanden. Nach<br />

Friedrichs Tod hat die Akademie der Wissenschaften zunächst als alle<strong>in</strong> würdige<br />

e<strong>in</strong> neu entdecktes Sternbild nach dem König "Friedrichs Ehre" genannt,<br />

ihn, den Heros, so zu den Sternen erhoben, ihm e<strong>in</strong> Sternendenkmal gesetzt.<br />

Gleichzeitig entstanden aber auch reale Denkmalspläne, 1791 <strong>und</strong> 1797<br />

wurden auf Befehl Friedrich Wilhelms 11. Konkurrenzen für e<strong>in</strong> Friedrichs­<br />

Denkmal ausgeschrieben; von 1786 bis nach 1800 beschäftigte diese Angelegenheit<br />

die Künstler <strong>und</strong> das preußische, zumal das Berl<strong>in</strong>er Publikum.<br />

136<br />

Aus der Vielzahl der Entwürfe <strong>und</strong> der umfangreichen publizistischen Diskussion<br />

hebe ich nur die Momente heraus, die über das Fürstendenkmal oder<br />

das Denkmal des großen Genius h<strong>in</strong>aus zum <strong>Nationaldenkmal</strong> führen 1 • Zunächst<br />

stellte sich die Frage nach e<strong>in</strong>er "nationalen" Funktion des Denkmals <strong>in</strong><br />

dem sogenannten "Kostümstreit". Es war nicht mehr selbstverständlich, sondern<br />

e<strong>in</strong>e Frage geworden, ig.Felchem "Kostüm" Friedrich darzustellen sei,<br />

e<strong>in</strong> Vorgang, auf dessen außerordentliche kunst- <strong>und</strong> geistes geschichtliche Bedeutung<br />

ich hier nur gerade h<strong>in</strong>weisen kann. Die Alternative war, ob das antike<br />

oder das zeitgenössische Kostüm angemessen sei, <strong>und</strong> darüber wurde mlt-zilnächst<br />

alle<strong>in</strong> ä:;thetischen Argumenten gestritten. Immerh<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Vertreter der<br />

"Realisten", der Gehe<strong>im</strong>e F<strong>in</strong>anzrat Vogel, gab schon e<strong>in</strong>e ideologisch-politische,<br />

ja nationale Begründung mit e<strong>in</strong>em fast revolutionären Unterton: Friedrich<br />

habe <strong>im</strong> Gegensatz zu den Römern, die e<strong>in</strong> Volk von Herren <strong>und</strong> Sklaven<br />

gewesen seien, Völker <strong>und</strong> Könige gelehrt, "daß die Könige um des Volkes<br />

willen da seien"s, <strong>und</strong> damit rechtfertigt er das nicht-antike, eben das zeitgenössische<br />

Kostüm. Schließlich gab es e<strong>in</strong>e dritte Partei, die Anhänger der seit<br />

Klopstock aufgekommenen Hermanns-Mode, die Friedrich <strong>in</strong> altgermanischem,<br />

"teutschem" Kostüm darstellen wollten; e<strong>in</strong>e der Begründungen war, e<strong>in</strong> solches<br />

Kostüm sei passender <strong>und</strong> "dem Nationalgeist weit schmeichelhafter" als<br />

das altrömische 9 ; das germanische Kostüm hatte also e<strong>in</strong>e nationale Funktion.<br />

Andere Momente, mit denen e<strong>in</strong>e Reihe von Entwürfen über das herkömmliche<br />

Fürstendenkmal <strong>in</strong> Richtung auf e<strong>in</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> h<strong>in</strong>ausgehen, s<strong>in</strong>d<br />

die Repräsentation der Nation <strong>im</strong> Denkmal durch Zeitgenossen, Embleme oder<br />

allegorische Figuren <strong>und</strong> die Inschriften, <strong>in</strong> denen das Vaterland als Stifter des<br />

Denkmals genannt wird 1o •<br />

Vor allem aber haben e<strong>in</strong> gewisser, sonst unbekannter A. F. Krauss <strong>und</strong> der<br />

junge Architekt Friedrich Gilly diese Pläne <strong>in</strong> die D<strong>im</strong>ension e<strong>in</strong>es <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

erhoben. Krauss veröffentlichte 1796 11 das freilich re<strong>in</strong> verbale Pro-<br />

'-'<br />

jekt e<strong>in</strong>es großen Architekturdenkmals für Friedrich, <strong>und</strong> er nennt es e<strong>in</strong> "Heiligtum<br />

des Vaterlandes", e<strong>in</strong> "Heiligtum der Nation", das der "Verherrlichung<br />

des Vaterlandes" diene. Der Denkrna1mezrrl(zu dem man aus der Stadt heraus<br />

über e<strong>in</strong>e Denkmalsstraße gelangt, die die neuere Geschichte Preußens vers<strong>in</strong>nbildlicht,<br />

ist patriotischer Kultbezirk, <strong>in</strong> dem das Heer jährlich zu feierlicher<br />

Huldigung versammelt wird <strong>und</strong> die Alten den Jungen von den Taten Friedrichs<br />

erzählen. Friedrich steht segnender Gebärde" als der "Genius se<strong>in</strong>er<br />

Völker" - hier noch der charakteristische Plural der Zeit, bevor der Nationalgedanke<br />

ganz durchgedrungen war auf e<strong>in</strong>em "ehernen Altar", e<strong>in</strong>em<br />

Bilde des Altars, den "jeder hochdenkende Borusse ... <strong>im</strong> Herzen ihm weiht<br />

<strong>und</strong> später noch weihen wird".<br />

Wichtiger als diese Phantasie <strong>in</strong> Worten s<strong>in</strong>d die genialen Projekte Gillys<br />

von 1797. Gilly, der Friedrich "mit heiligem Enthusiasmus" verehrte <strong>und</strong> zugleich<br />

tief von der französischen Revolutionsarchitektur, ihren Bauformen wie<br />

ihren patriotischen Zielsetzungen bee<strong>in</strong>flußt war, wollte e<strong>in</strong> Werk, "das zu e<strong>in</strong>em<br />

Nationalheiligtum dienen sollte", e<strong>in</strong> "Beförderungsmittel großer morali-<br />

137


scher <strong>und</strong> patriotischer Zwecke ... wie es die großen öffentlichen .... Denkm~ler<br />

der Alten waren". Das Denkmal soll am Rande der Stad~. hegen, u~ dl:<br />

"Sphäre e<strong>in</strong>es solchen Heiligtums" den "profanen ~nd skandalosen ~u~~ntten.<br />

der Stadt zu entziehen. Im Mittelpunkt e<strong>in</strong>er welten Platzanlage 1st uber eInem<br />

dunklen Unterbau mit Gruft <strong>und</strong> Sarkophag des Königs e<strong>in</strong> großer, h~~l<br />

gehaltener dorischer Tempel vorgesehen, dar<strong>in</strong> die. thro~.en~e Gestalt des Konigs,<br />

des "Heros der Menschheit", der doch zugleIch "fu: Immer der Schu~~geist<br />

se<strong>in</strong>es Volkes" ist, als Herkules oder Ju?iter, ",~ntkl~ldet. von allen Zu~alligkeiten<br />

des Lebens, der Nation <strong>und</strong> des Zeltalter~ 12. Fur Gl.lly verband sIch,<br />

wie hier deutlich wird, das Nationale noch voll mIt de~ Antik-Humanen: das<br />

Nationale <strong>und</strong> das Menschheitlich-Weltbürgerliche lagen~ versc.hwls:ert<br />

nebene<strong>in</strong>ander, e<strong>in</strong>e Haltung freilich, die, das zeigt der Kostümstr~lt, nlcht<br />

mehr allgeme<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dlich war. Die Formidee des D~nkmals e~tspncht de~<br />

revolutionären Klassizismus, dem Ideal der ErhabenheIt <strong>und</strong> Große, der NeIgung<br />

zum Monumentalen, ja Ungeheuren <strong>und</strong> zu de~ e<strong>in</strong>fa~hste~ <strong>und</strong> klaren<br />

Formen, zu e<strong>in</strong>em männlich heldischen <strong>und</strong> herben Stil, <strong>und</strong> m dIeser De.utun g<br />

ersche<strong>in</strong>t die dorische Form als die Friedrichs alle<strong>in</strong> würdige. Aber noc~ m anderer<br />

Beziehung ist der Tempel e<strong>in</strong> symbolischer Bau, er repräsentiert eme Unendlichkeit<br />

des Universums, er will "Empf<strong>in</strong>dungen des Universums" .wecken;<br />

auf e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Entwürfe bemerkt Gilly: "E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges, der MenschheIt ehrenvolles<br />

Monument ... Pantheon das Weltall", oder er spricht davon, mit dem<br />

hellen Material des Tempels, die "erhabene Wirkung se<strong>in</strong>es Sch<strong>im</strong>mers gegen<br />

den H<strong>im</strong>mel desto auffallender (zu) machen". Auch der Aufbau des Baues von<br />

der Totengruft zum Tempel mit der Apotheose des Helden vers<strong>in</strong>nlicht diesen<br />

. . U b 13<br />

Zug, die begrenzte Form verweIst ms n egrenzte . . .. .<br />

Für das Problem des <strong>Nationaldenkmal</strong>s s<strong>in</strong>d an dIesen Entwurfen z-;el Momente<br />

besonders hervorzuheben. E<strong>in</strong>mal: das nationale Denkmal hat emen :akralen<br />

Charakter, es ist Tempel <strong>und</strong> Heiligtum, herausgehoben aus d~~ Getneb'e~'der"'Staat,<br />

der Weg zu dieser Stätte ist als ~:~l,lf~~::,sweg konzIpIert, <strong>und</strong><br />

kultisch-religiöse Feiern sollen dort begangen werden. Das Denkmal mutet darllm<br />

dem Besucher e<strong>in</strong>e andächtige, glaubensähnliche St<strong>im</strong>mung zu, der Tempel,<br />

heißt es bei Gilly, "erfülle mit ehrfurchtsvollem Schauder schon aus der Ferne<br />

den sich nahenden Wanderer"14. Wir haben hier e<strong>in</strong>en Ansatz zur Erhebung<br />

des Profanen <strong>in</strong>s Sakrale, zur Sakralisierung der Nation, <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>e. korrespondierende<br />

Ersche<strong>in</strong>ung zu der Säkularisierung christlicher Gehalte m dem<br />

vom Pietismus bee<strong>in</strong>flußten Patriotismus der Jahrh<strong>und</strong>ertwende 15 .<br />

Zum andern: diese Entwürfe zeigen e<strong>in</strong>e ästhetische Struktur, die für das<br />

<strong>Nationaldenkmal</strong> überhaupt konstitutiv wird. Das Denkmal ist mehr als es<br />

selbst; was dargestellt wird, steht nicht für sich selbst, sondern vertritt, re~räsentiert<br />

etwas, <strong>und</strong> zwar so, daß Repräsentierendes <strong>und</strong> Repräsentierte~ nlcht<br />

identisch s<strong>in</strong>d. Das Denkmal verweist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er begrenzten Gestalt auf em,U~b~SEen:g~s<br />

- ja Unendliches, <strong>in</strong> .se<strong>in</strong>er ~ich:barkeit .a~f ei~ ynsicht~ares, m<br />

se<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gtheit auf e<strong>in</strong> Unbedmgtes, m semer Indlvlduaht~t auf em Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

auf e<strong>in</strong>e Idee, es hat formal e<strong>in</strong>e sich selbst transzendIerende Struktur,<br />

138<br />

es hat Verweisungscharakter . Indem es nun e<strong>in</strong>e unendliche Idee repräsentiert,<br />

stellt es zugleich e<strong>in</strong>en Geltungsanspruch an den Betrachter: das Denkmal mutet<br />

dem Betrachter e<strong>in</strong> subjektives Empf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Erleben an, die Idee des<br />

Denkmals vollendet sich erst <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>stellung des Betrachters. Der Betrachter<br />

muß jene Verweisung nach- <strong>und</strong> mitvollziehen, dazu muß er durch das<br />

Kunstwerk "gest<strong>im</strong>mt" werden 16 . Verweisung <strong>und</strong> Anspruch also konstituieren<br />

wechselseitig das Denkmal, das macht se<strong>in</strong>e Spannung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Problematik<br />

aus, dar<strong>in</strong> gründet auch die Möglichkeit, daß es sakrale Funktion gew<strong>in</strong>nen<br />

kann. Dieser allgeme<strong>in</strong>en Struktur des modernen Denkmals entspricht nun <strong>im</strong><br />

besonderen die Struktur e<strong>in</strong>es <strong>Nationaldenkmal</strong>s. Auch die Nation ist e<strong>in</strong>e<br />

Idee, e<strong>in</strong> Unsichtbares, das <strong>im</strong> Sichtbaren dargestellt werden soll, auch die Idee<br />

der Nation ist etwas über jede reale Gestalt H<strong>in</strong>ausliegendes, auf das diese Gestalt<br />

nur verweisen kann. Auch die Idee der Nation stellt e<strong>in</strong>en Anspruch an<br />

den e<strong>in</strong>zelnen, sie fordert subjektive Realisierung, ihre Identität stellt sich erst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ständigen dynamischen Prozeß der Identifizierung her <strong>und</strong> dar; es ist<br />

für den Nationalismus seit dem <strong>19.</strong> Jh. charakteristisch, daß sich die <strong>Nationalidee</strong><br />

<strong>im</strong> subjektiven Bewußtse<strong>in</strong> ständig <strong>in</strong>tensivieren <strong>und</strong> ihrer selbst vergewissern<br />

muß; auch die Idee der Nation also ist durch Verweisung <strong>und</strong> Anspruch<br />

konstituiert. So ko<strong>in</strong>zidieren Strukturmerkmale des Denkmals <strong>und</strong> der <strong>Nationalidee</strong>,<br />

<strong>und</strong> von daher best<strong>im</strong>mt sich die Struktur des <strong>Nationaldenkmal</strong>s.<br />

Schließlich: das Denkmal kann das, worauf es verweist, nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Welt objektiv geltender <strong>und</strong> selbstverständlicher Symbole anschaulich machen,<br />

daher muß der Künstler e<strong>in</strong>erseits nach Symbolen <strong>in</strong> der Historie, der Allegorie<br />

oder dem Mythos suchen, <strong>und</strong> über die Aussagekraft e<strong>in</strong>es Symbols kann<br />

gestritten werden - wie um das Kostüm Friedrichs -, andererseits muß der<br />

Künstler die Symbole der subjektiven Interpretation der unterschiedlich gebildeten<br />

Betrachter anhe<strong>im</strong>geben oder allenfalls versuchen, diese subjektive Deutung<br />

zu lenken - das aber bleibt <strong>im</strong>mer problematisch. In dieser ästhetischen<br />

Problematik gründet die künstlerische Schwierigkeit bei der Gestaltung von<br />

Nationaldenkmälern <strong>im</strong> <strong>19.</strong> Jh. überhaupt.<br />

Doch zurück zu den"konkreten Sachverhalten. Die Pläne e<strong>in</strong>es Denkmals für<br />

Friedrich den Großen s<strong>in</strong>d no~h längere Zeit erörtert worden, Friedrich Wilhelm<br />

111. hat zunächst diese "Nationalangelegenheit" weitertreiben wollen 17 ,<br />

aber nach dem Tode von He<strong>in</strong>itz (1802) schlief die Sache e<strong>in</strong>. In den 20er Jahren<br />

.griffe~ Rauch <strong>und</strong> Sch<strong>in</strong>kel die Idee erneut auf. 1829 regten - auf Initiative<br />

des Freiherrn von Rochow - die kurmärkischen Stände an, das Denkmal<br />

durch e<strong>in</strong>e nationale Sammlung <strong>in</strong> ganz Preußen zustande zu br<strong>in</strong>gen, der König<br />

behielt aber nach langen Beratungen, wiederum <strong>im</strong> dynastischen S<strong>in</strong>ne, die<br />

Angelegenheit "se<strong>in</strong>er höchsteigenen Fürsorge" vor 18 . Immerh<strong>in</strong> kam die Sache<br />

wieder <strong>in</strong> Gang, <strong>und</strong> die nächsten zehn Jahre waren von e<strong>in</strong>er fortlaufenden<br />

Diskussion um <strong>im</strong>mer neue Entwürfe von Sch<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Rauch best<strong>im</strong>mt;<br />

Rauch spricht, soweit ich sehe, 18~Q als erster von dem "<strong>Nationaldenkmal</strong>"19,<br />

der Großherzog von Mecklenburg 1835 von dem "nationare~ Monument, sei-<br />

139


nem Volke zur Vergegenwärtigung se<strong>in</strong>es großen Dase<strong>in</strong>s vor Augen gestelh"20.<br />

1839 endlich erhielt Rauch den Auftrag für das 1851 vollendete Denkmal.<br />

An die Stelle der von Gilly <strong>und</strong> Sch<strong>in</strong>kel geplanten architektonischen Monumentalisierung,<br />

die den Genius <strong>in</strong> die Unendlichkeit des Kosmos h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stellt,<br />

tritt jetzt die Historisierung der Gestalt. Das Denkmal ist e<strong>in</strong> Reiterstandbild<br />

auf hohem Sockel, an dem <strong>in</strong> Freiplastik, Relief <strong>und</strong> Inschriften die Fülle der<br />

großen Zeitgenossen Friedrichs vergegenwärtigt wird. Der Held des Denkmals<br />

wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt, <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Gestalten der geschichtlichen Welt<br />

kann die Nation sich repräsentiert f<strong>in</strong>den. Im Denkmal wird so der Geist der<br />

Geschichte lebendig. An die Stelle des kultisch-sakralen Anspruchs der Nationaltempel<br />

tritt der sCWtchtere <strong>und</strong> freilich weniger mächtige Anspruch an die<br />

historische Bildung. "Die ganze reiche Komposition gleichee<strong>in</strong>er Aufforderung<br />

zum Studium der Geschichte, ist e<strong>in</strong>e sprechende Gedenkschrift der Großtaten<br />

preußischer Männer, an welcher man nicht gedanken- <strong>und</strong> teilnahmslos vorübergehen<br />

kann", schreibt e<strong>in</strong> Zeitgenosse2 1 • E<strong>in</strong>e Schmalseite, mit 20 von 105<br />

Personen, <strong>im</strong>merh<strong>in</strong> ist den Zivilisten e<strong>in</strong>geräumt, <strong>und</strong> sogar e<strong>in</strong> Gegner Friedrichs<br />

wie W<strong>in</strong>ckelmann ersche<strong>in</strong>t jetzt, wenn auch nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Inschrift, am<br />

Denkmal.<br />

Aber 1851 war das Denkmal nicht mehr e<strong>in</strong> wirkliches <strong>Nationaldenkmal</strong>, <strong>in</strong><br />

dem sich König <strong>und</strong> Volk <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>heit der preußischen Nation hätten f<strong>in</strong>den<br />

können. Die Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong>legung, am 1. Juni 1840, war noch 'e<strong>in</strong> "Nationalfest"<br />

gewesen, das ~~!: der monarchisch geprägten Denkmalsfeste des Vormärz, die<br />

e<strong>in</strong>e Integration von Volk <strong>und</strong> Monarchen demonstrativ darstellen wollten; <strong>in</strong><br />

den bürgerlichen Reden wurde der Geist des friderizianischen Preußens als der<br />

Geist der preußischen Reform <strong>und</strong> der friedlichen Entwicklung unter Friedrich<br />

Wilhelm IH. angerufen 22 • Aber die E<strong>in</strong>weihung des "nationalen Ehrendenkmals"<br />

von 1851 fand e<strong>in</strong> "verst<strong>im</strong>mtes Geschlecht"23. Friedrich Wilhelm sprach<br />

zwar davon, das Denkmal solle "für alle e<strong>in</strong> Zeichen der Versöhnung" se<strong>in</strong>,<br />

aber er fuhr fort, "<strong>und</strong> für viele e<strong>in</strong> Zeichen der Umkehr"; die Versöhnung<br />

war nur durch Umkehr der Abgefallenen möglich. Das Fest wurde zu e<strong>in</strong>em<br />

Siegesfest der konservativen Nation; Friedrich Wilhelm begann mit e<strong>in</strong>er Rede<br />

an die Armee, <strong>in</strong> der ebenso wie <strong>in</strong> der Recll! des M<strong>in</strong>isterpräsidenten von Manteuffel<br />

die gegenrevolution ären Töne ganz offenk<strong>und</strong>ig dom<strong>in</strong>ierten. Soweit<br />

das Denkmalsfest noch Volksfest war, war es k~<strong>in</strong> politisches Fest mehr, sondern<br />

e<strong>in</strong> Fest des Alten Fritz <strong>und</strong> se<strong>in</strong>es neuen Denkmals 24 • In der nachrevolutionären<br />

Situation, <strong>in</strong> der die bürgerliche Gesellschaft zu der gegenwärtigen<br />

preußischen Monarchie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em f<strong>und</strong>amentalen Gegensatz stand, konnte dies<br />

monarchisch gestiftete <strong>und</strong> stark militärisch geprägte Königsdenkmal nicht<br />

mehr zum Symbol der national-preußischen Integration werden. Fest-;:ma<br />

Denkmal wurden e<strong>in</strong>e konservative Sache, aber auch die Konservativen konnten<br />

sich bei ihrem prekären Verhältnis zu Friedrich auf die Dauer nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Denkmal repräsentiert f<strong>in</strong>den.<br />

Zwischen 1815 <strong>und</strong> 1870 gibt es <strong>in</strong> Preußen noch zwei, nun freilich ganz andersartige<br />

Versuche zu e<strong>in</strong>em monarchischen <strong>Nationaldenkmal</strong>; zunächst 1821<br />

140<br />

das Denkmal auf dem Tempelhofer Berg <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, dem späteren Kreuzberg.<br />

Die Idee e<strong>in</strong>es Denkmals für die Gefallenen des vergangenen Krieges g<strong>in</strong>g von<br />

Rauch <strong>und</strong> der Berl<strong>in</strong>er Bürgerschaft aus, 1817 hat sie der König aufgenommen,<br />

das Denkmal wurde jetzt zu e<strong>in</strong>em, wie es amtlich hieß, "Volksdenkmal",<br />

e<strong>in</strong>em "Denkmal für Preußen", "der Nation als Anerkenntnis ihrer Aufopferung<br />

<strong>und</strong> Anstrengungen best<strong>im</strong>mt", mit der VOn Boeckh entworfenen Inschrift<br />

"Der König dem Volke, das auf se<strong>in</strong>en Ruf hochherzig Gut <strong>und</strong> Blut<br />

dem Vaterland darbrachte, den Gefallenen zum Gedächtnis. den Lebenden zur<br />

Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheife~ng"25. Mit dieser<br />

Widmung bleibt das Denkmal trOtz <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong> der Wendung an das Volk<br />

ganz <strong>im</strong> Zeichen des monarchischen Pr<strong>in</strong>zips, es ist die Aufnahme <strong>und</strong> Umwandlung<br />

der nationaldemokratischen Idee des Befreiungs- <strong>und</strong> Volks denkmals<br />

26 durch die partikularstaatliche Monarchie - <strong>und</strong> die Feiern der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong>legung<br />

<strong>und</strong> E<strong>in</strong>weihung entsprechen dieser Intention. Auch das Bildprogramm,<br />

Allegorien der Hauptschlachten <strong>und</strong> das Eiserne Kreuz als Bekrönung,<br />

fügt sich <strong>in</strong> diese Idee e<strong>in</strong>, zwar fehlt die Gestalt des Monarchen, aber auch die<br />

Nation selbst wird nicht symbolisch dargestellt. Nur durch die Form, e<strong>in</strong>e gotische<br />

Spitzsäule, wollte Sch<strong>in</strong>kel, der damals mit se<strong>in</strong>er Generation die Gotik<br />

für den spezifisch deutschen Baustil hielt 27 , auf das Nationale Bezug nehm;;:<br />

Aber der Versuch, mit diesem Denkmal die Verb<strong>und</strong>enheit von König <strong>und</strong><br />

Volk zu dokumentieren <strong>und</strong> es zum Range e<strong>in</strong>es <strong>Nationaldenkmal</strong>s zu erheben,<br />

mußte <strong>in</strong> der Zeit der Restauration scheitern. Die preußische Nation konnte <strong>in</strong><br />

dem Denkmal, dem ste<strong>in</strong>ernen Dank des Königs an das Volk, nur e<strong>in</strong>en mehr<br />

als dürftigen Ersatz für die ausgebliebene Verfassung sehen <strong>und</strong> sich damit<br />

nicht begnügen.<br />

Noch weniger wurde das preußische Denkmal, das zuerst offiziell "<strong>Nationaldenkmal</strong>"<br />

hieß, als <strong>Nationaldenkmal</strong> anerkannt, das war die 1854 aus offiziös<br />

gesammelten Beiträgen <strong>im</strong> ganzen Lande errichtete später sogenannte In-<br />

,,:Y~1id~Ei'~le, dem, so die Aufschrift, "Nationalkriegerdenkmal zum Gedäch;Is<br />

der <strong>in</strong> den Jahren 184~,49 treu ihrer Pflicht für König <strong>und</strong> Volk, Gesetz <strong>und</strong><br />

Ordnung gefallenen Brüder <strong>und</strong> Waffengenossen", dem konservativen Versuch,<br />

den Begriff der Nation übernehmen, dem, so könnte man sage~, <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

der Reaktion 28 •<br />

Von anderen monarchisch partikularstaatlichen Nationaldenkmälern sei<br />

hier nur das 1834 an der Stelle der Burg Wittelsbach errichtete Denkmal mit<br />

der Inschrift "Dem tausendjährigen Regentenstamm das treue Bayern" erwähnt<br />

29 ,<br />

Die große Zeit des nationalmonarchischen Denkmals ist die nach 1870<br />

die Zeit e<strong>in</strong>er wahren In~~:m von patriotischen Denkmäle;~:Das partikular~<br />

staatliche Nationalgefühl war doch zumal be<strong>im</strong> denkmalbauenden Bürgertum<br />

<strong>im</strong>mer mehr h<strong>in</strong>ter dem deutschen Nationalgefühl zurückgetreten. Erst mit der<br />

Gründung des Reiches war e<strong>in</strong>e Hgrmonie von monarchischem <strong>und</strong> deutschem<br />

Nationalgefühl wieder bruchlos möglich geworden, erst mit dem Verfassungs-<br />

141


kompromiß schien der Bruch zwischen Gesellschaft <strong>und</strong> Staat geheilt, erst<br />

jetzt konnte das monarchische Denkmal wirkliches <strong>Nationaldenkmal</strong> se<strong>in</strong>. .<br />

In gewisser Weise ist schon die zunächst für 1864 geplante, dann durch dIe<br />

Entwicklung zwe<strong>im</strong>al überholte, 1873 vollendete Siegessäule e<strong>in</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong>.<br />

Im Innern ist <strong>im</strong> Mosaik die Entstehung des Reiches dargestellt: das Zusam-.<br />

menstehen der Fürsten gegen die äußere Bedrohung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Borussia, die aus<br />

den Händen e<strong>in</strong>es bayerischen Herolds die Kaiserkrone empfängt, hier auch<br />

schon das Motiv des vom Schlaf erwachenden Barbarossa. Aber die Aufschrift<br />

lautet "das dankbare Vaterland dem siegreichen Heer", <strong>und</strong> die krönende<br />

Hauptfigur, die Viktoria, bleibt die Borussia, das Denkmal bleibt so nicht nur<br />

e<strong>in</strong> wesentlich monarchisch-militärisch geprägtes, sondern auch spezifisch<br />

preußisches Denkmal 30 • Auch Wilhelm H. hat dann mit der Berl<strong>in</strong>er Sieg,,;;saJ.lee,<br />

den Standbildern der brandenburgisch-preußischen Fürsten, von den Büsten je<br />

zweier Zeitgenossen flankiert, dieser Transposition e<strong>in</strong>er fürstlichen Ahnengalerie<br />

<strong>in</strong> den "ste<strong>in</strong>gewordenen Geschichtsunterricht"al nicht e<strong>in</strong> deutsches,<br />

sondern e<strong>in</strong> borussisches <strong>und</strong> betont dynastisches Denkmal geschaffen <strong>und</strong> so die<br />

preußische Vergangenheit auch des deutschen Nationalstaates besonders betonen<br />

wollen; damit geriet er freilich <strong>in</strong> Gegensatz schon zu der großen Mehrheit<br />

der urteilenden Zeitgenossen 32 .<br />

Das eigentlich monarchische <strong>Nationaldenkmal</strong> ist die Fülle der Denkmäler<br />

Wilhelms 1.; der mystische N<strong>im</strong>bus, mit dem Wilhe1m 11. die Dynastie zu umgeben<br />

suchte, Zeugnis "der Bemühungen e<strong>in</strong>er vom Zweifel an ihrem Gottesgnadentumsanspruch<br />

bereits <strong>in</strong> den Gr<strong>und</strong>festen unterhöhlten Monarchie"33, fand <strong>in</strong><br />

diesem offiziös gelenkten patriotischen Kult für "Wilhelm den Großen" e<strong>in</strong>en<br />

beredten Ausdruck. Diese Denkmäler s<strong>in</strong>d <strong>im</strong>mer weniger <strong>in</strong>dividuelle Denkmäler<br />

des dargestellten Monarchen, sie s<strong>in</strong>d vielmehr Denkmäler des fürstlichen Berufs,<br />

Denkmäler der Monarchie als Regierungsform, <strong>und</strong> dann auch Denkmäler<br />

der Nation. Sie reichen vom "<strong>Nationaldenkmal</strong>" <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> über die Denkmäler<br />

der elf preußischen Prov<strong>in</strong>zen, am Deutschen Eck oder an der Porta Westfalica<br />

etwa, bis zu den landschaftlichen (Hohensyburg) <strong>und</strong> städtischen Denkmälern.<br />

300 bis 400 solcher Denkmäler s<strong>in</strong>d gebaut worden; <strong>in</strong>nerhalb Preußens ist<br />

ihre z;hCi~'d~~ katholischen Gebieten der Westprov<strong>in</strong>zen ger<strong>in</strong>ger als anderswo<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> den 1866 erworbenen Gebieten, vor allem <strong>in</strong> Hannover, am ger<strong>in</strong>gsten;<br />

die Denkmäler reichen aber auch über Preußen h<strong>in</strong>aus, kaum nach Bayern,<br />

wohl aber <strong>in</strong> größere Städte Mittel- <strong>und</strong> Südwestdeutschlands 34 •<br />

Zwei dieser Denkmäler s<strong>in</strong>d besonders zu erwähnen: zunächst das offizielle<br />

"<strong>Nationaldenkmal</strong>" für Kaiser Wilhelm 1. <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (1897) von R. Begas, das auf<br />

e<strong>in</strong>en Beschluß des Reichstags zurückg<strong>in</strong>g <strong>und</strong> vom Reich mit 4 Millionen Mark<br />

f<strong>in</strong>anziert wurde; die Inschrift nennt darum "das deutsche Volk" als Stifter.<br />

Praktisch hat Wilhelm H. dem Reichstag die Planung aus der Hand genommen<br />

<strong>und</strong> sie ganz als se<strong>in</strong>e eigene Angelegenheit betrieben. Das Denkmal hat die<br />

Form e<strong>in</strong>es Reiterstandbildes mit e<strong>in</strong>er triumphalen Festplatzarchitektur <strong>im</strong><br />

H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, alle bisherigen Denkmäler "<strong>in</strong> Maßen <strong>und</strong> Massen gigantisch"<br />

überbietend35. Es versucht <strong>im</strong> unendlichen Detail des Sockels <strong>und</strong> der Säulen-<br />

142<br />

halle nicht mehr historisch wie das Friedrich-Denkmal e<strong>in</strong> Bild der Zeit zu geben,<br />

sondern mit Allegorien die deutschen Staaten <strong>und</strong> Stämme, die bürgerlichen<br />

Tätigkeiten, Krieg <strong>und</strong> Frieden darzustellen, ja e<strong>in</strong>e Geschichte der Embleme<br />

vom Turnierhelm bis zur Kaiserkrone <strong>und</strong> zur Reichsverfassung zu geben<br />

<strong>und</strong> dar<strong>in</strong> die Nation <strong>und</strong> eben die bürgerliche Nation zu repräsentieren. Aber<br />

das allegorische Detail tritt ganz zurück h<strong>in</strong>ter der Reiterfigur. Das Denkmal<br />

ist auf die Apotheose des von e<strong>in</strong>em Genius geführten Monarchen orientiert;<br />

woh<strong>in</strong> er geführt wird, <strong>in</strong> welche Unsterblichkeit er reitet, bleibt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong> der es e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same religiös-symbolische Vorstellungswelt nicht<br />

mehr gibt, ganz unklar; die Transzendenz ist e<strong>in</strong>e ästhetisch-theatralische<br />

Quasi-Transzendenz. Auch sie steigert noch die Gestalt des Monarchen, <strong>und</strong><br />

der repräsentiert eigentlich wiederum nur die Monarchie. Letzten Endes dient<br />

alles der Darstellung der Macht der Monarchie, auch der architektonische<br />

"Machtraum"36 <strong>im</strong> H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> die am Sockel diagonal hervorspr<strong>in</strong>genden<br />

mächtigen Löwen haben diese Funktion. Und wenn <strong>in</strong> diesem Denkmal etwas die<br />

Nation <strong>in</strong>tegrieren konnte, so war es weniger die Darstellung des Monarchen,<br />

als das Gefühl e<strong>in</strong>er durch es vermittelten Teilhabe an der Macht. Das Denkmal<br />

entspreche, bemerkt e<strong>in</strong> zeitgenössischer Beurteiler, nicht eigentlich der<br />

Person des Kaisers, aber es sei e<strong>in</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> "des neuen deutschen Kai<strong>und</strong><br />

Weltstellung", es gleiche "e<strong>in</strong>em nati.onalenHymi;.~~;; <strong>in</strong><br />

~:rififtrumentierung mit Orgelklang <strong>und</strong> Posaunenschall"37;<br />

es ist das <strong>Nationaldenkmal</strong> des monarchischen Nationalstaates, der<br />

e<strong>in</strong> Machtstaat geworden ist. Es ist freilich darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß das ursprüngliche<br />

Programm <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Reihe von Entwürfen e<strong>in</strong>e andere Idee zu realisieren<br />

suchten: das Kaiserdenkmal sollte das Reich "als Triumph e<strong>in</strong>er langen<br />

Kulturarbeit" darstellen, <strong>und</strong> neben dem Kaiser sollten die großen Männer der<br />

Reichsgründung stehen, sie sollten mit den Tätern <strong>und</strong> Denkern des<br />

währenden E<strong>in</strong>heitsstrebens"38 die Nation repräsentieren. Von dieser Idee her<br />

ist dann das Denkmal von Begas schon bald zum Gegenstand heftiger Kritik geworden<br />

39 ; e<strong>in</strong> architektonisches Denkmal, so me<strong>in</strong>te man, würde dem Gedanken<br />

der Nation besser entsprechen; dar<strong>in</strong> kündigte sich die Abkehr von der<br />

dynastisch-monarchischen Idee der Nation <strong>und</strong> vom theatralischen Machtstil<br />

des Wilhelm<strong>in</strong>ismus an.<br />

Solchen Ideen entspricht eher das Kyffhäuser-Denkmal, das Kaiserdenkmal<br />

der deutschen Kriegervere<strong>in</strong>e, 1892-97 von Bruno Schmitz, dem Architekten<br />

der Kaiserdenkmäler an der Porta Westfalica <strong>und</strong> am Deutschen Eck, gebaut.<br />

Charakteristisch ist hier zunächst die Wahl des Ortes auf e<strong>in</strong>em stadtfernen<br />

Berg, an e<strong>in</strong>er durch Sage <strong>und</strong> Geschichte geheiligten Stätte mit e<strong>in</strong>er staufischen<br />

Burg <strong>im</strong> H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. In der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong>urk<strong>und</strong>e heißt es: "Auf dem<br />

Kyffhäuser, <strong>in</strong> welchem nach der Sage Kaiser Friedrich der Rotbart der Erneuerung<br />

des Reiches harrte, soll Kaiser Wilhelm der Weißbart erstehen, der<br />

die Sage erfüllt hat. "40 Die Anknüpfung an Geschichte <strong>und</strong> Mythos wird <strong>in</strong> Inhalt<br />

<strong>und</strong> Form des Denkmals aufgenommen. Im Untergeschoß der riesigen Architektur,<br />

<strong>im</strong> Berg <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihn h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en sitzt Barbarossa <strong>im</strong> Augenblick<br />

143


des Erwachens, <strong>und</strong> oben <strong>in</strong> der freien Höhe reitet Wilhelm, der Erfüller,<br />

gleichsam aus dem Berg heraus, vor e<strong>in</strong>er "trotzigen"41 Turmarchitektur, mit<br />

Adler <strong>und</strong> Krone an der Spitze. Das E<strong>in</strong>zelereignis <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>zelperson treten<br />

h<strong>in</strong>ter historisch-mythischen Vorstellungen von alter deutscher Kaiserherrlichkeit<br />

zurück, das Reich wird <strong>in</strong> die Tiefe der Zeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt <strong>und</strong> zugleich als<br />

Erfüllung der nationalen Geschichte gefeiert. Der aus dem Berg <strong>und</strong> der riesigen<br />

Turmanlage heraustretende Kaiser nun reitet, ganz anders als bei e<strong>in</strong>em<br />

bloß plastischen Denkmal auf städtischem Platz, <strong>in</strong> den freien Raum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> damit gegen e<strong>in</strong>e Unendlichkeit an, gegen e<strong>in</strong> Ungreifbares, Absolutes oder<br />

Transzendentes. Dar<strong>in</strong> wird m. E. sichtbar, wie wenig das Nationalbewußtse<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> sich ruht, wie stark es auf e<strong>in</strong> unbest<strong>im</strong>mtes Gegenüber <strong>und</strong> wie stark es auf<br />

e<strong>in</strong> Absolutes bezogen ist <strong>und</strong> wie es selbst Absolutheit beansprucht; wir werden<br />

auf dieses Problem noch an anderen Beispielen e<strong>in</strong>gehen müssen. Die Form<br />

ist romanisch stilisiert, das sollte, nachdem die Wissenschaft die Identifizierung<br />

von Gotik <strong>und</strong> Deutschtum unmöglich gemacht hatte, e<strong>in</strong> Ausdruck des typisch<br />

Deutschen se<strong>in</strong>. Und die Form ist monumental, wenn sie auch <strong>in</strong>s mystisch<br />

Dumpfe <strong>und</strong> massig Auftrumpfende gerät. Monumentalität <strong>und</strong> Massenentfaltung<br />

s<strong>in</strong>d gewollt. Sie sollen die Unbezw<strong>in</strong>glichkeit des Kaiserreiches, die<br />

Macht <strong>und</strong> Größe der <strong>in</strong> Urzeiten gegründeten Nation ausdrücken, <strong>und</strong> sie sollen<br />

die sich hier zu patriotischen Festen sammelnden Massen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e geschlossene<br />

Geme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong>beziehen <strong>und</strong> verwandeln 42 •<br />

Das Denkmal ist noch e<strong>in</strong> d-atch;otuS monarchisches Denkmal, <strong>in</strong> allen Äußerungen<br />

der Denkmalsfeste ist der~ ;~~archi;che Ton - "treu zu Kaiser <strong>und</strong><br />

Reich, Fürst <strong>und</strong> Vaterland", zu den "E<strong>in</strong>richtungen des monarchischen Staa;..<br />

tes, dessen Segnungen die neue Größe des Reiches zu verdanken ist", "gegen jeden<br />

uns <strong>im</strong> Innern drohenden Sturm" (!) - durchaus dom<strong>in</strong>ierend 43 , Aber es<br />

ist niSULnur monarchisches Denkmal, es ist zugleich e<strong>in</strong>e Stätte "deutschnationaler<br />

Eriilnerung <strong>und</strong> Erhebung"44, e<strong>in</strong> "Wahrzeichen der unerschütterlich festen<br />

Gr<strong>und</strong>lage des <strong>in</strong> Sturm <strong>und</strong> Kampf gee<strong>in</strong>ten Vaterlandes"45; <strong>und</strong> zumal<br />

die architektonische Form, ihr überd<strong>im</strong>ensionaler Geltungsanspruch <strong>und</strong> ihr<br />

Sich-<strong>in</strong>s-Unbegrenzte-H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stellen, geht über das monarchisch-dynastische<br />

Symbol h<strong>in</strong>aus. Es ist die Nation selbst, die monarchisch verfaßte, aber vor allem<br />

die mächtige <strong>und</strong> geschlossene Nation, die sich hier <strong>in</strong> Erfüllung e<strong>in</strong>er mythischen<br />

Geschichte selbst feiert. Die Zeitgenossen 46 sahen <strong>in</strong> jenem Denkmal<br />

nicht die wilhelm<strong>in</strong>ische Attitüde, die gewollte Mythisierung, das Pochen auf<br />

die Macht, sondern sie sahen <strong>in</strong> der monumentalen e<strong>in</strong>heitlichen Architektur e<strong>in</strong>en<br />

künstlerischen Fortschritt, e<strong>in</strong>e überw<strong>in</strong>dung der epigonalen Plastik <strong>und</strong><br />

des barock dekorativen Pathos von Begas, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en politischen Fortschritt,<br />

denn hier schien jenseits der dynastischen Loyalität e<strong>in</strong> zeitgemäßer Ausdruck<br />

der über<strong>in</strong>dividuellen nationalen Solidarität <strong>und</strong> Größe gef<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>. Das<br />

Kyffhäuser-Denkmal steht darum am übergang vom Typus des monarchischen<br />

Denkmals zu dem Typus, den ich das Denkmal der nationalen Sammlung nenne.<br />

144<br />

IU.<br />

Der zweite Typus des <strong>Nationaldenkmal</strong>s ist die Denkmalskirche. Dieser Typus<br />

ist zwar niemals gebaut worden, aber fast das ganze <strong>19.</strong> Jh. h<strong>in</strong>durch hat<br />

es entsprechende Entwürfe gegeben, <strong>und</strong> sie s<strong>in</strong>d für die Struktur des deutschen<br />

Nationalbewußtse<strong>in</strong>s, das Verhältnis von Christentum <strong>und</strong> Nationalismus <strong>und</strong><br />

das Problem der Sakralisierung der Nation von großer Bedeutung. Die Idee<br />

dieses Typus entsteht <strong>im</strong> Zusammenhang mit den Denkmalsplänen nach den<br />

Freiheitskriegen. K. Sievek<strong>in</strong>g, der spätere Hamburger Senator <strong>und</strong> Begründer<br />

des Rauhen Hauses, me<strong>in</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schrift "Der deutsche Dom auf dem<br />

Schlachtfeld zu Leipzig", 1814, e<strong>in</strong> "vaterländisches Heiligtum" sei nur "aus<br />

dem Zwecke christlicher Gottesverehrung möglich", er projektiert e<strong>in</strong>en "Dom<br />

aller Deutschen", für beide Konfessionen also, <strong>im</strong> gotischen Stil, an dem außen<br />

die Geschehnisse des Befreiungskrieges <strong>und</strong> die beteiligten Fürsten <strong>und</strong> Feldherren,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorhalle Ereignisse der Sage <strong>und</strong> Geschichte, <strong>und</strong> die "großen<br />

Verstorbenen unseres Vaterlandes" dargestellt werden soIlen 47 • M. W. 1. de<br />

Wette schlug vor ("Die neue Kirche oder Verstand <strong>und</strong> Glaube <strong>im</strong> B<strong>und</strong>e",<br />

1815), <strong>in</strong> jeder Stadt e<strong>in</strong>e Kirche für alle Konfessionen <strong>im</strong> gotischen Stil zu errichten,<br />

"zum Denkmal der wieder auferstandenen Religion <strong>und</strong> des geretteten<br />

Vaterlandes" .<br />

Vor allem hat Sch<strong>in</strong>kel <strong>im</strong> Auftrag Friedrich Wilhelms III. 1814/15 Pläne<br />

für e<strong>in</strong>en Dom als Denkmal für die Freiheitskriege, als "Dankdenkmal für<br />

Preußen" (Rauch), als das "religiöse Monument dieser Zeit" (Sch<strong>in</strong>kel) entworfen<br />

48 • Der Dom liegt außerhalb der Stadt "fern vom alltäglichen Gewühl", der<br />

Gang zum Heiligtum soll e<strong>in</strong>e Art von Wallfahrt se<strong>in</strong>, auf der das Volk zu<br />

den hier stattf<strong>in</strong>denden religiösen Hauptfesten "gest<strong>im</strong>mt" wird, die" Wirkung<br />

des auf diese Weise seltener <strong>und</strong> <strong>in</strong> gehöriger Gemütsst<strong>im</strong>mung gesehenen Gegenstandes<br />

(wird dadurch) <strong>im</strong>mer frisch erhalten"49. An diesem Dom sollte<br />

aber nicht nur die unmittelbare Vergangenheit, die Helden <strong>und</strong> Toten der vergangenen<br />

Kriege, verewigt werden, sondern auch die "ganze frühere vaterländische<br />

Geschichte <strong>in</strong> ihren Hauptzügen" sollte daran "<strong>in</strong> Kunstwerken <strong>und</strong><br />

dem Volk anschaulich" leben <strong>und</strong> der Dom so e<strong>in</strong> "unmittelbar bildendes <strong>und</strong><br />

<strong>im</strong> Volk historischen S<strong>in</strong>n begründendes Monument" werden 50 • Außen am Dom<br />

s<strong>in</strong>d die Statuen der preußischen Fürsten, der Helden <strong>und</strong> Staatsmänner angebracht,<br />

über dem E<strong>in</strong>gang "Weihe <strong>und</strong> Verewigung des Eisernen Kreuzes", <strong>im</strong><br />

Inneren stehen an den Pfeilern neben den Aposteln "ausgezeichnete Religiose,<br />

Gelehrte <strong>und</strong> Künstler", "was mehr aufs Innere gewirkt", ja es ist davon die<br />

Rede, daß auch die Asche der großen Männer der Nation hier beigesetzt werden<br />

solle.<br />

An diesem Denkmal s<strong>in</strong>d dJ:ci~D<strong>in</strong>g~.~l}!EYS;?rzuheben. Zunächst: die Nation,<br />

die sich <strong>im</strong> Denkmal f<strong>in</strong>den soll, ist die <strong>in</strong> der Geschichte gegründete, <strong>in</strong> den<br />

Taten <strong>und</strong> Werken ihrer großen Männer <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung von Geist <strong>und</strong><br />

Macht wirkliche Nation. Die B<strong>in</strong>dung an die Geschichte soll das Monument<br />

zu e<strong>in</strong>em Monument der preußischen Nation machen. Die traditionelle E<strong>in</strong>be-<br />

145<br />

10 Nipperdey


10'<br />

ziehung der Geschichte <strong>in</strong> das patriotische Bewußtse<strong>in</strong> ist hier durch die romantisch<br />

bee<strong>in</strong>flußte Rückb<strong>in</strong>dung der Gegenwart an die Tiefe der geschichtlichen<br />

Zeit erweitert <strong>und</strong> ver<strong>in</strong>nerlicht. Sodann: die nationale Geschichte ist auf eigentümliche<br />

Weise mit der Kirche verb<strong>und</strong>en. Die geschichtliche Welt ist nicht<br />

mehr wie <strong>im</strong> Mittelalter - Sch<strong>in</strong>kel verweist auf das Straßburger Münster, an<br />

dem nach Me<strong>in</strong>ung der Zeit Kaiser <strong>und</strong> Könige des Mittelalters dargestellt waren<br />

- <strong>in</strong> die christliche Heilsordnung e<strong>in</strong>bezogen, sie steht vielmehr autonom<br />

neben der kirchlichen Welt <strong>und</strong> ist selbst unmittelbar zu Gott: sie hat selbst<br />

<strong>und</strong> von sich aus schon e<strong>in</strong>en nicht-profanen, e<strong>in</strong>en sakralen Ch


ste<strong>in</strong>legung den Reichsverweser, den Präsidenten der Paulskirche <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe von Abgeordneten, Friedrich Wilhelm IV. <strong>und</strong> den Erzbischof Geissel<br />

vere<strong>in</strong>te. Freilich blieb dieser "Dombaupatriotismus"64 vage <strong>und</strong> politisch nicht<br />

klar artikuliert; während die Monarchen nicht über e<strong>in</strong> staatenbündisches<br />

Konzept der E<strong>in</strong>heit h<strong>in</strong>ausg<strong>in</strong>gen, suchten die Liberalen ihre eigenen Ziele<br />

dem neuen Symbol der nationalen E<strong>in</strong>heit zu unterlegen; Radikale schließlich<br />

ebenso wie Konfessionell-Konservative lehnten Dom <strong>und</strong> Dombau als' <strong>Nationaldenkmal</strong>,<br />

als Integrationssymbol der Nation überhaupt ab. Nach 1850 <strong>im</strong><br />

Zeichen der Reaktion, der E<strong>in</strong>igungskriege <strong>und</strong> des Kulturk';;pfes haben Dom<br />

<strong>und</strong> Dombau ke<strong>in</strong>e wirkliche nationale Funktion mehr gewonnen 6S .<br />

IV.<br />

Als weiteren Typus behandele ich das Denkmal der Bildungs- <strong>und</strong> Kulturnation,<br />

man könnte vom historisch kulturellen <strong>Nationaldenkmal</strong> sprechen. Die<br />

Nation soll sich ihres Wesens <strong>und</strong> ih~;;~Identität bewußt werden vor den<br />

durch Geist oder Tat großen Deutschen. Diese Großen der Nation repräsentieren<br />

<strong>und</strong> symbolisieren die Nation. Die Versammlung dieser Männer ist das wahre,<br />

nämlich ideale Denkmal der Nation, <strong>in</strong> dem sie sich mit ihrer Vergangenheit<br />

<strong>und</strong> ihrer Dauer identifiziert.<br />

Wirklich geworden ist diese Idee zunächst <strong>in</strong> der Walhalla, dem e<strong>in</strong>zigen<br />

tatsächlich gebauten gesamtdeutschen <strong>Nationaldenkmal</strong> der ersten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte<br />

66 . Die Idee ist, wie die Idee des Kreuzbergdenkmals <strong>und</strong> des Sch<strong>in</strong>kelschen<br />

Doms, des Völkerschlachtdenkmals <strong>und</strong> des Hermanns-Denkmals, e<strong>in</strong>e<br />

Antwort auf die Herausforderung des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s durch die Ereignisse<br />

der napoleonischen Zeit. Unter dem E<strong>in</strong>druck des "fremden Siegesgepränges"<br />

<strong>und</strong> der "Besch<strong>im</strong>pfungen ... des geme<strong>in</strong>samen Vaterlandes"67 hat der<br />

bayerische Kronp<strong>in</strong>z Ludwig 1807 die Idee gefaßt, e<strong>in</strong>en "Ehrentempel für die<br />

großen Männer der Nation"68, e<strong>in</strong>e "Ruhmeshalle für deutsche Geisteshelden",<br />

e<strong>in</strong>en "Ehrentempel des Vaterlandes für die rühmlich ausgezeichn"';;ten Teutschen"<br />

zu errichten 69 • Nach langen Beratungen <strong>und</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzungen ist<br />

1821 die endgültige Entscheidung für e<strong>in</strong> Projekt Leo von Klenzes gefallen, am<br />

18. 10. 1830 wurde der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> gelegt, am 18. 10. 1842 der Bau e<strong>in</strong>geweiht,<br />

beide Male große Feste mit zahlreicher Beteiligung der offiziösen Gesellschaft<br />

wie des umwohnenden Volkes.<br />

Das Denkmal ist e<strong>in</strong>e Idee <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Stiftung des Königs, er hat den Bau aus<br />

se<strong>in</strong>em PrivatverE1ögenfiIl~


vornehmlich der Bildung zugänglich, auch von daher ist das Denkmal Denkmal<br />

der Kulturnation.<br />

In der Auswahl der Großen, die Ludwig unter dem E<strong>in</strong>fluß Johannes von<br />

Müllers vorgenommen <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenen Schrift kommentiert hat, ist kaum<br />

e<strong>in</strong> durchgehendes Pr<strong>in</strong>zip zu entdecken: es waltet hier e<strong>in</strong> eigentümlicher Historismus,<br />

der nicht an lebendige Traditionen anknüpft, sondern auf e<strong>in</strong>e<br />

Sammlung gleichsam objektiver Größe überhaupt aus ist. Der Begriff des<br />

Deutschen ist weit gefaßt, deutsche Geburt oder Tätigkeit <strong>im</strong> deutschen Sprachraum<br />

ist ausschlaggebend, die Schweiz, die Niederlande <strong>und</strong> das Baltikum<br />

gehören auch über das 16. Jh. h<strong>in</strong>aus zu diesem Sprachraum, so kommen Wilhelm<br />

von Oranien <strong>und</strong> Kathar<strong>in</strong>a 11. von Rußland, der russische Feldmarschall<br />

Barclay de Tolly, e<strong>in</strong> Balte schottischer Abkunft, <strong>und</strong> Moritz von Sachsen,<br />

"<strong>im</strong> Handeln <strong>und</strong> Denken" "e<strong>in</strong> Franzos", <strong>in</strong> die Walhalla, auch die Helden<br />

der germanischen Frühzeit gelten als Deutsche. Der e<strong>in</strong>zige politisch gravierende<br />

Verstoß gegen die angestrebte Objektivität ist der Ausschluß der Reformatoren,<br />

<strong>in</strong>sbesondere der Ausschluß Luthers, dessen Büste ~~11ön 1831 angefertigt<br />

worden war, - e<strong>in</strong>e monarchisc1ie~°'Subjektivität zur Zeit des KQ.i~iJeugungsstreites,<br />

die damals viel kritisiert worden ist <strong>und</strong> die Ludwig später ;evidiert<br />

hat. Hier waren Spannungen <strong>in</strong> der Nation auch durch museale Summierung<br />

der Großen noch nicht ausgeglichen.<br />

Der S<strong>in</strong>n des Denkmals war Erbauung des Besuchers. Ruhm <strong>und</strong> Ehre der<br />

Gesamtnation s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihren Großen präsent, <strong>und</strong> ihre Vergegenwärtigung soll<br />

den Betrachter mit Stolz auf die Herrlichkeit <strong>und</strong> Größe se<strong>in</strong>er Nation erfüllen,<br />

soll ihm die E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Solidarität der Nation darstellen <strong>und</strong> das Gefühl<br />

der Identität mit se<strong>in</strong>er Nation tiefer bewußt machen. Ludwig formuliert diese<br />

Intention so: "Rühmlich ausgezeichneten Teutschen steht als [!] Denkmal <strong>und</strong><br />

darum Walhalla, auf daß teutscher der Teutsche aus ihr trete, besser als er gekommen",<br />

<strong>und</strong> bei der E<strong>in</strong>weihung: "Möchte Walhalla förderlich se<strong>in</strong> der Erstarkung<br />

<strong>und</strong> Vermehrung deutschen S<strong>in</strong>ns. Möchten alle Deutschen, welchen<br />

Stammes sie auch seien, <strong>im</strong>mer fühlen, wie sehr sie e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Vaterland<br />

haben ... auf das sie stolz se<strong>in</strong> können, <strong>und</strong> jeder trage b~l:söVieC;;vermag,<br />

zu dessen Verherrlichung."73 Bei den Denkmalsfesten wird auf die Walhalla<br />

als e<strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerungs- <strong>und</strong> Mahnzeichen zu deutscher E<strong>in</strong>tracht <strong>und</strong> E<strong>in</strong>heit abgestellt.<br />

Aber diese E<strong>in</strong>heit ist über den Bereich der Kultur h<strong>in</strong>aus nichts anderes<br />

als die staatenbündische E<strong>in</strong>heit des Deutschen B<strong>und</strong>es. Die e<strong>in</strong>zig politische<br />

Darstellung am Tempel, der zweite Giebelfries zeigt eben auf ausdrücklichen<br />

Wunsch des Königs die Begründung des Deutschen B<strong>und</strong>es 1815. Auch die vorgesehenen<br />

Neuaufnahmen sollten e<strong>in</strong>e Angelegenheit des Deutschen B<strong>und</strong>es<br />

se<strong>in</strong> 74 . Die Nation, die <strong>in</strong> diesem Denkmal repräsentiert war, sollte also auf<br />

Kult1:lEo_~nd Gesi~_Il:~Il:gJ?y~!;Jlr.~!l:kt bleiben, politisch erfüllte <strong>und</strong> erschöpfte sie<br />

sich <strong>in</strong> d~r~ETnt;acht <strong>und</strong> Harmonie der Fürsten <strong>und</strong> Stämme. Das "Teutscherwerden"<br />

der" Teutschen" blieb pqJiJ!soChi!l.1l Status quo orientiert. Das <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

der Kulturnation ist eben auchd~;Ot)enk11lal e<strong>in</strong>es mittelstaatlichen<br />

Monarchen.<br />

150<br />

Die Idee e<strong>in</strong>es nationalkulturellen Denkmals nach Art der Walhalla aber<br />

blieb auch abgesehen von diesem Bau lebendig. Ludwig hat unmittelbar nach<br />

der Vollendung der Walhalla mit dem Bau e<strong>in</strong>er "bayerischen Walhalla" begonnen,<br />

der "Ruhmeshalle" auf der Sendl<strong>in</strong>ger Höhe, "e<strong>in</strong> für Bayern merkwürdiger<br />

Boden, der mit dem treuen Blut der Landleute getränkt ist, die sich<br />

für ihre Fürsten totschlagen ließen"75. Politisch enthält das Denkmal freilich<br />

e<strong>in</strong>e viel konkretere Aussage als die Walhalla: es ist betont monarchisches<br />

Denkmal, "Errichtet von Ludwig I. von Bayern als Anerkennung bayerischen<br />

Verdienstes <strong>und</strong> Ruhmes", <strong>und</strong> es ist <strong>im</strong> S<strong>in</strong>ne der bayerisch-zentralistischen<br />

<strong>Nationalidee</strong> des <strong>19.</strong> Jh.s e<strong>in</strong>e gesamtbayerische Aneignung der regional fränkischen,<br />

schwäbischen <strong>und</strong> reichsstädtischen Vergangenheit der neubayerischen<br />

Gebiete, der Versuch e<strong>in</strong>er partikularstaatlichen Integration <strong>im</strong> Denkmal; <strong>und</strong><br />

auch die Bavaria, vor der Ruhmeshalle <strong>und</strong> ihr zugehörig, muß <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne<br />

verstanden werden.<br />

A. Hallmann hae B 1842 <strong>in</strong> eigenartiger Abwandlung der Walhalla-Idee<br />

e<strong>in</strong>e "National-Geschichtshalle" als Mittelpunkt der Baukomplexe der preußischen<br />

M<strong>in</strong>isterien entworfen, e<strong>in</strong>en "Tempel der Bürokratie", wie er spätere<br />

Kritik vorweg ironisierend sagt. - 1871 wird statt der Siegesdenkmäler e<strong>in</strong>e<br />

neue Walhalla gefordert 77 , gegen die S~esallee wird e<strong>in</strong>e "Walhalla aller derer,<br />

die <strong>in</strong> der Geschichte <strong>und</strong> <strong>im</strong> Herzen des deutschen Volkes leben", von<br />

Barbarossa über Hans Sachs <strong>und</strong> Karl Maria von Weber bis zu Werner Siemens<br />

vorgeschlagen 78 . Schließlich hat Hermann Gr<strong>im</strong>m 1896 noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e<br />

ähnliche Idee geäußere 9 • Er wollte den Tempel von Olympia bei Berl<strong>in</strong> als<br />

deutsches Pantheon aufbauen, se<strong>in</strong> Inneres sollte den Dichtern <strong>und</strong> Denkern<br />

geweiht se<strong>in</strong>, denn: "In der geistigen Arbeit s<strong>in</strong>d wir uns unserer Zusammengehörigkeit<br />

am re<strong>in</strong>sten bewußt. Wie die Griechen e<strong>in</strong>st .... England hat se<strong>in</strong>e<br />

Westm<strong>in</strong>ster-Abtei, Frankreich se<strong>in</strong> Pantheon ..." Aber diese Idee war nur<br />

noch ei~-N achklang der Bildungsreliglo"i;~der Klassik <strong>und</strong> ihrer Synthese von<br />

Griechentum <strong>und</strong> Nation, war e<strong>in</strong> später Versuch, den E<strong>in</strong>klang von Geist,<br />

Kultur <strong>und</strong> Nation s<strong>in</strong>nfällig zu machen. Im Reich von 1871, <strong>im</strong> realistischen<br />

nationalen Machtstaat, hatten solche Vorstellungen ke<strong>in</strong>e Aussichten auf Verwirklichung<br />

mehr.<br />

,,,,,,_.~."-,~.-'<<br />

Noch e<strong>in</strong>e wichtige andere Ausformung dieses Denkmalstypus ist aber zu berühren:<br />

es s<strong>in</strong>d die, vornehmlich von Bürgern errichteten Individualdenkmäler<br />

für e<strong>in</strong>zell15!, große Männer des deuts~hen Geisteslebens, die mit dem Durch- -,<br />

dr<strong>in</strong>gen de; PersÖnlichkeitskultes seit den 30er Jahren <strong>im</strong>mer zahlreicher wurden.<br />

Wenn solche Denkmäler durch Sammlungen der ganzen Nation zustande<br />

kamen, hießen sie auch Nationaldenkmäler 80 , vor allem aber haben e<strong>in</strong>ige dieser<br />

Denkmäler bis <strong>in</strong> die 50er Jahre h<strong>in</strong> die Funktion von Nationaldenkmälern<br />

beansprucht <strong>und</strong> gehabt. Der <strong>in</strong> der Welt des Geistes Große galt als Repräsentant<br />

der e<strong>in</strong>heitlichen deutschen <strong>und</strong> bürgerlichen Nation, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Feier<br />

ihrer Identität gewiß werden konnte; <strong>und</strong> wenn sich die Nation dabei auch<br />

vornehmlich von der E<strong>in</strong>heit ihrer Kultur her verstand, so wurden daran doch<br />

zugleich politische Hoffnungen <strong>und</strong> Wünsche geknüpft.<br />

151


Am Anfang dieser Denkmalsgruppe s<strong>in</strong>d die Pläne vom Beg<strong>in</strong>n des Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zu nennen, e<strong>in</strong> Luth~nkmal zu errichten. Hier tritt, soweit ich sehe,<br />

zuerst der Begriff des "Nazionaldenkmals" aufs!, hier wird zuerst der Gedanke<br />

des öffentlichen Verdien;denkmals mit dem Nationalgedanken verb<strong>und</strong>en.<br />

Die Befürworter des Denkmals glauben noch an e<strong>in</strong>e nationale Repräsentanz<br />

Luthers <strong>und</strong> an die Funktion e<strong>in</strong>es Luther-Denkmals, "Ausdruck des Gesamtwillens<br />

... der Nation" zu se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> sie richten ihre Aufforderung, zum Denkmal<br />

beizutragen, ausdrücklich an ganz <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> an alle Konfessionen.<br />

Nach 1815 ließ die zunehmende Rekonfessionalisierung e<strong>in</strong> solches <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

nicht mehr zu, das Wittenberger Luther-Denkmal von Schadow 1821<br />

wurde e<strong>in</strong> protestantisch-preußisches <strong>und</strong> zudem monarchisch gestiftetes Denkmal.<br />

Schadows Blücher-Denkmal <strong>in</strong> Rostock (1819) ist das erste öffentliche <strong>in</strong>dividuelle<br />

Denkmal, das nicht für e<strong>in</strong>en Monarchen <strong>und</strong> nicht von e<strong>in</strong>em Monarchen<br />

errichtet - zeitweise <strong>und</strong> m<strong>in</strong>destens für Nord- <strong>und</strong> Mitteldeutschland<br />

e<strong>in</strong>e wirklich nationale Funktion gehabt hat <strong>und</strong> von e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en<br />

Anteilnahme getragen war, Goethe z. B. hat sich <strong>in</strong>tensiv an überlegungen <strong>und</strong><br />

Planungen beteiligt; für uns ern Zusammenhang ist daran vor allem wichtig,<br />

daß auch für diese erste Realisierung des <strong>in</strong>dividuellen Standbildes e<strong>in</strong>er nationalen<br />

Figur das Erlebnis der Freiheitskriege motivierend <strong>und</strong> prägend gewesen<br />

ist. Seit Ende der 30er Jahre s<strong>in</strong>d dann e<strong>in</strong>e Reihe von Denkmälern nun für<br />

große nicht-politische <strong>und</strong> nicht-militärische Persönlichkeiten errichtet worden,<br />

die wirklich nationale Repräsentanz besaßen, so vor allem das Gutenberg­<br />

Denktnal <strong>in</strong> M.a<strong>in</strong>z 1837 <strong>und</strong> das Schiller-Denkmal <strong>in</strong> Stuttgart 1839.Be<strong>im</strong><br />

Gutenberg-Denkmal <strong>und</strong> dem Fest se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>weihung kl<strong>in</strong>gen vielfältig verschiedene<br />

Motive <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander: das Denkmal gilt e<strong>in</strong>em Bürger, e<strong>in</strong>em Volksmann,<br />

der die geistige Freiheit <strong>und</strong> die liberale Kultur mitbegr<strong>und</strong>et hat <strong>und</strong><br />

den man <strong>in</strong> den Jahren der Zensur besonders gern feiern mochte, gilt e<strong>in</strong>em<br />

Mann, der für die Menschheit <strong>und</strong> die Zivilisation e<strong>in</strong>e entscheidende Leistung<br />

vollbracht hat, <strong>und</strong> darum s<strong>in</strong>d auch alle europäischen Völker <strong>in</strong> die Denkmalssammlung<br />

<strong>und</strong> das Denkmalsfest e<strong>in</strong>bezogen, <strong>und</strong> gilt doch e<strong>in</strong>em Deutschen<br />

<strong>und</strong> "dem deutschen Geist", der "diese Kunst ersonnen" hat, wie es <strong>in</strong><br />

der Inschrift heißt, die nun wiederum late<strong>in</strong>isch abgefaßt ist. Das E<strong>in</strong>weihungsfest<br />

ist e<strong>in</strong> großes ständeübergreifendes Volksfest, e<strong>in</strong> Fest der populären<br />

Aufklärung, e<strong>in</strong> über- <strong>und</strong> antipartikularistisches Fest der nationalen E<strong>in</strong>heit<br />

mit Delegationen aus zahlreichen deutschen Städten, zumeist natürlich von<br />

Druckern <strong>und</strong> Verlegern, e<strong>in</strong> Fest "des Bewußtse<strong>in</strong>s, daß wir e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftliche<br />

He<strong>im</strong>at, e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftliche Sprache, gleiche Gesetze, gleiche<br />

Hoffnungen <strong>und</strong> gleiches Ziel haben"82, e<strong>in</strong> Fest der "brüderlichen deutschen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft der Gedanken <strong>und</strong> GefÜhle"83. Etwas stärker politisch akzentuiert<br />

war das nationale Fest zur E<strong>in</strong>weihung des Schiller-Denkmals <strong>in</strong> Stuttgart,<br />

auch dies durch Sammlungen <strong>in</strong> ganz <strong>Deutschland</strong> zustande gekommen <strong>und</strong><br />

darum "<strong>im</strong> wahren S<strong>in</strong>ne des Wortes" e<strong>in</strong> "<strong>Nationaldenkmal</strong>"S4. Welcker<br />

etwa wünschte, die Dichtung möge zur Wahrheit werden, "<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stets herr-<br />

152<br />

licheren Leben unserer großen deutschen Nation, <strong>in</strong> deutscher Männerfreiheit<br />

<strong>und</strong> brüderlicher E<strong>in</strong>heit, <strong>in</strong> unseres Volkes Blüte <strong>und</strong> Macht, Würde <strong>und</strong><br />

Ehre"; <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Professor Baur me<strong>in</strong>te "wie sonst Jerusalem <strong>und</strong> Olympia als<br />

Nationalvere<strong>in</strong>igungspunkte weith<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Lande <strong>und</strong> Gemüter glänzen ... so<br />

glänzen <strong>und</strong> wirken heutzutage die Musik- <strong>und</strong> Monumentalfeste weit h<strong>in</strong>aus<br />

<strong>in</strong> die deutschen Länder <strong>und</strong> Gemüter, durch das Morgentor des Schönen dr<strong>in</strong>get<br />

<strong>und</strong> ist bereits gedrungen der Strahl der deutschnationalen Selbsterkenntnis"S5.<br />

Bei den späteren Denkmalfesten <strong>und</strong> Denkmälern kl<strong>in</strong>gen die politisch<br />

nationalen Töne allerd<strong>in</strong>gs nur noch schwach an 8S • Und bei den Nationaldenkmälern<br />

der 50er Jahre, z. B. dem Herder- (1850), dem Schiller-Goethe<strong>und</strong><br />

dem Wieland-Denkmal <strong>in</strong> We<strong>im</strong>ar (1857), dem Less<strong>in</strong>g-Denkmal <strong>in</strong><br />

Braunschweig (1853), ist der Ausdruck des Nationalen gan~ auf Kultur <strong>und</strong><br />

Innerlichkeit beschränkt, diese Denkmäler waren nicht me~""~y<strong>in</strong>bole, die die<br />

Nation <strong>in</strong>tegrieren oder politisch aktivieren konnten. Inzwischen hatte auch<br />

die Inflation der Individualdenkmäler Platz gegriffen, 1800 gab es 18, 1883<br />

etwa 89Q.cöffentliche Standbilder <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 87 ; damit wurde der symbolische<br />

Wert e<strong>in</strong>es jeden solchen Denkmals für e<strong>in</strong>e überlokale Geme<strong>in</strong>schaft illusorisch:<br />

auch aus diesem Gr<strong>und</strong>e konnte es niWt mehr <strong>Nationaldenkmal</strong> se<strong>in</strong>.<br />

Die Tatsache, daß der hier erörterte Typus des <strong>Nationaldenkmal</strong>s fast ~~ <strong>in</strong><br />

der ersten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte reale Bedeutung hatte, hängt damit zusammen,<br />

daß <strong>in</strong> dieser Zeit eben die nationale Bewegung noch stark aus dem Bereich der<br />

wirklichen Politik <strong>in</strong> den Bereich der Kultur abgedrängt war <strong>und</strong> daß dieser<br />

Bereich der Kultur als Ersatzraum der versagten politischen Aktivität fungierte.<br />

In der zweiten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte ist dann trotz der gescheiterten Revolution<br />

die unmittelbare politische Selbstrepräsentation der Nation alle<strong>in</strong> herrschend<br />

geworden: das hat die Form der Nationaldenkmäler best<strong>im</strong>mt.~<br />

V.<br />

Den vierten Typus nennne ich das <strong>Nationaldenkmal</strong> der demokratisch konstituierten<br />

Nation, das nationaldemokratische Denkmal. Auch ;hat wie die<br />

nationale Kathedrale <strong>und</strong> wie die Walhalla se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> den Freiheitskriegen.<br />

Ernst Moritz Arndt hat 1814 <strong>im</strong> Zusammenhang mit se<strong>in</strong>en Plänen,<br />

den Tag


deten Kugel darauf, darum herum mit Wall <strong>und</strong> Graben umgeben "geheiligtes<br />

Land", das künftig als Kirchhof großer Deutscher dienen soll. Das Ganze ist<br />

"e<strong>in</strong> echt germanisches <strong>und</strong> echt christliches" Denkmal, "woh<strong>in</strong> unsere Urenkel<br />

noch wallfahrten gehen würden"88. Charakteristisch ist hier zunächst wieder<br />

die Ausgestaltung des Denkmalsbezirks zu e<strong>in</strong>em sakralen Feierbezirk <strong>im</strong> S<strong>in</strong>n<br />

e<strong>in</strong>er engen Verb<strong>in</strong>dung von Nationalgefühl <strong>und</strong> Christlichkeit, sodann die<br />

entschiedene auch formale Wendung zum Frühgeschichtlich-Germanischen <strong>und</strong>,<br />

das hängt damit zusammen, der demokratische Akzent: das Denkmal ist Denkmal<br />

des Volkes, das jenseits der bestehenden Staaten durch rat <strong>und</strong> Bewußtse<strong>in</strong><br />

der Freiheitskriege politisch konstituiert ist. Schließlich ist das Denkmal<br />

- anders als Sch<strong>in</strong>kels Dom oder e<strong>in</strong> von Klenze entworfenes Denkmal des<br />

Weltfriedens, Projekte, die dem gleichen Anlaß entsprangen - durch die Wahl<br />

des Ortes <strong>und</strong> die Deutung se<strong>in</strong>es S<strong>in</strong>nes ausdrücklich <strong>und</strong> unmittelbar auf e<strong>in</strong>en<br />

Fe<strong>in</strong>d bezogen: die Struktur des frühen deutschen Nationalismus, der sich<br />

erst an e<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>de <strong>und</strong> gegen ihn konstituiert, ist hier unmittelbar präsent.<br />

Diese <strong>und</strong>·"a;:;d~~~"··Anregungen haben e<strong>in</strong>e Reihe von Plänen hervorgerufen,<br />

so die erwähnten Pläne der Denkmalskirchen, so Friedrich We<strong>in</strong>brenners "Idee<br />

zu e<strong>in</strong>em teutschen <strong>Nationaldenkmal</strong> des entscheidenden Sieges bei Leipzig"89.<br />

We<strong>in</strong>brenner zuerst knüpfte, das ist charakteristisch <strong>und</strong> bedeutungsvoll, an die<br />

alte Reichssymbolik <strong>und</strong> den Mythos vom wiedererstehenden Reich an, <strong>in</strong>dem<br />

er <strong>im</strong> Unterbau se<strong>in</strong>es Denkmalstempels e<strong>in</strong>e sitzende Germania darstellt, die<br />

"schüchtern den Trauerschleier" hebt <strong>und</strong> den Reichsapfel "halb erschrocken<br />

wieder als selbständiges Wesen hervorblicken" läßt; auch bei ihm ist die Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Kirche <strong>und</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> <strong>und</strong> die Idee kultischer Feste sehr<br />

deutlich; trotz mancher <strong>im</strong> literarischen Entwurf wie <strong>im</strong> Bauprogramm enthaltenen<br />

Konzessionen an die monarchische Idee ist der Bau e<strong>in</strong> Denkmal des<br />

Volkes, "der teutschen Nation" jenseits der staatlichen Begrenzung, <strong>und</strong> darum<br />

eben schon e<strong>in</strong> nationaldemokratisches Denkmal. Aber diese Ideen blieben<br />

rräume der Künstler <strong>und</strong> Patrioten; seit der beg<strong>in</strong>nenden Restauration war an<br />

e<strong>in</strong> Denkmal für die Erhebung des Volkes, e<strong>in</strong> nichtmonarchisches <strong>und</strong> nichtföderalistisches<br />

politisches <strong>Nationaldenkmal</strong> nicht mehr zu denken.<br />

Die Kelhe<strong>im</strong>er Befreiungshalle (1863) ist das eiIgig~"_PS!nkmal mit nationalem<br />

Anspruch, das fücl§Jl..igI.12.jh. gebaut worden ist. Aber dieses Denkmal<br />

ist n\c,.ht mehr e<strong>in</strong> Denkmal des Volkes: es ist e<strong>in</strong>e Id.c:e Ludwigs 1. von Bayern,<br />

monarchisch gestiftet <strong>und</strong> vom König f<strong>in</strong>anziert, "den deutschen Befreiungskämpfern<br />

Ludwig 1. König von Bayern" sagt die Widmung auf der Inschrift;<br />

es steht an ke<strong>in</strong>em historisch s<strong>in</strong>nvollen Ort mehr <strong>und</strong> ist nicht e<strong>in</strong>mal zentral<br />

gelegen. Vor allem aber: die politische Idee des Denkmals ist die der staatenbündischen<br />

E<strong>in</strong>igkeit <strong>Deutschland</strong>s. "Vergessen wir nie, was dem Befreiungskampf<br />

vorhergegangen ... <strong>und</strong> was den Sieg uns verschafft! ... S<strong>in</strong>ken wir nie<br />

zurück <strong>in</strong> der Zerrissenheit Verderben! Das vere<strong>in</strong>igte <strong>Deutschland</strong> - es werde<br />

nicht überw<strong>und</strong>en!", so war das Programm Ludwigs bei der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong>legung<br />

am <strong>19.</strong>10. 1842, am Tage nach der E<strong>in</strong>weihung der Walhalla 90 • Und bei der<br />

E<strong>in</strong>weihung am 18.10. 1863 sagte Ludwig <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne: "Möchten die<br />

154<br />

reutschen nie vergessen, was den Befreiungskampf notwendig machte <strong>und</strong> wodurch<br />

sie gesiegt", <strong>und</strong> diese Worte s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Inneren <strong>in</strong> den Boden e<strong>in</strong>gelassen<br />

91 • Geme<strong>in</strong>t ist selbstverständlich, <strong>und</strong> <strong>in</strong> anderen Festreden ist das noch<br />

deutlicher apostrophiert, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>tracht, wie sie <strong>im</strong> Deutschen<br />

B<strong>und</strong>e wirklich geworden war. IJas"lwmmt auch <strong>in</strong> der Bauform zUIll Ausa:ru~k.<br />

Zunächst ist bei diesem Bau, e<strong>in</strong>em 18eckigen überkuppelten Zentralbau,<br />

noch die sakrale, kirchenähnliche St<strong>im</strong>mung so vieler Nationaldenkmäler<br />

<strong>und</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong>sentwürfe ganz offenk<strong>und</strong>ig. Wichtiger aber ist die architektonisch-plastische<br />

Repräsentierung der Nation durch ihre Stämme. Im<br />

Inneren stehen <strong>im</strong> Kranze 34 Viktorien, die sich <strong>in</strong> zeitgemäßer Poetisierung<br />

der E<strong>in</strong>tracht wechselweise die Hände reichen <strong>und</strong> 17 Schilde mit den Namen<br />

der Schlachten der Befreiungskriege halten. An der Außenfront wiederholt sich<br />

das B<strong>und</strong>esmotiv : hier stehen 18 germanische Jungfrauen, die auf Schilden die<br />

Namen der, etwas mühsam auf die 18 gebrachten, deutschen Volksstämme tragen.<br />

Die Befreiungshalle ist so nach politischer Intention wie Bauidee zu e<strong>in</strong>em<br />

Denkmal des deutschen Föderalismus geworden. Aber 1863 war sie schon nur<br />

mehr e<strong>in</strong> merkwür~~g;:;i~~der patriotischen Ges<strong>in</strong>nung Ludwigs <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Generation, nationale Resonanz konnte dies Denkmal, das die Ideen von<br />

1813 zur staatenbündischen E<strong>in</strong>tracht pazifiziert hatte, für die liberalnationale<br />

Bewegung der 60er Jahre nicht mehr gew<strong>in</strong>nen.<br />

Gerade 1863 wurde der nationaldemokratische Gedanke e<strong>in</strong>es Denkmals für<br />

1813 noch e<strong>in</strong>mal aktualisiert. 540 Delegierte aus 214 deutschen Städten, "die<br />

Vertreter des deutschen Bürgertums", feierten <strong>in</strong> Leipzig die 50. Wiederkehr<br />

der Schlacht, <strong>und</strong> am <strong>19.</strong> 10. wurde der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> zu dem so lange geplanten<br />

"großartigen <strong>Nationaldenkmal</strong>" gelegt. Hier dom<strong>in</strong>iert die gegen dynastische<br />

Reaktion <strong>und</strong> gegen den Deutschen B<strong>und</strong> gerichtete lib~~~l-konstitutionelle Nationali.dee.<br />

"Möge bald e<strong>in</strong> neues Reich deutscher NatIon- erstehen, möge endlich<br />

der"i'n E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Freiheit sich konstituierenden Nation auch der deutsche<br />

Fürst offenen S<strong>in</strong>ns <strong>und</strong> tapferen Herzens nicht fehlen, der sich nicht scheut<br />

vor dem vollen Tropfen demokratischen DIs, mit welchem er gesalbt se<strong>in</strong><br />

muß", <strong>und</strong> es ist das deutsche Volk, "das'·als Träger der Vergangenheit <strong>und</strong> der<br />

Zukunft gefeiert wird. Aber dazu tritt nun e<strong>in</strong> neuer Akzent, der e<strong>in</strong>e Veränderung<br />

des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s anzeigt, das ist der Gedanke der Macht. Wir<br />

"feiern heute", so heißt es <strong>in</strong> der Rede des Leipziger Oberbürgermeisters, "die<br />

Selbstherrlichkeit deutscher Nation ... welche uns wieder e<strong>in</strong>führen soll <strong>in</strong> die<br />

Reihe der Völker, die da mit zu entscheiden haben über die Geschicke der<br />

Welt", Wunsch <strong>und</strong> Hoffnung gilt, "dem endlichen Siege des deutschen Volkes<br />

<strong>im</strong> R<strong>in</strong>gen nach nationaler Macht <strong>und</strong> Größe, E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Freiheit", das sei<br />

das Vermächtnis der Generation von 1813, das sei die Mahnung des künftigen<br />

Denkmals für die Lebenden <strong>und</strong> die Kommenden 92 • Aber die Ereignisse der<br />

60er Jahre begruben diese Pläne, <strong>und</strong> als sie <strong>in</strong> den 90er Jahren wieder hervortraten,<br />

hatten sie e<strong>in</strong>e ganz andere politische Funktion gewonnen.<br />

Die nationaldemokratische <strong>und</strong> liberalnationale Bewegung hat sich selbst bis<br />

1871 kaum e<strong>in</strong> Denkmal gesetzt <strong>und</strong> als Opposition auch nicht setzen können.<br />

155


In Süddeutschland gibt es e<strong>in</strong>ige wenige partikularstaatliche Verfassungs denkmäler<br />

aus der Zeit des Vormärz, die Konstitutionssäule <strong>in</strong> Gaibach mit der Inschrift:<br />

"Der Verfassung Bayerns, ihrem Geber Max<strong>im</strong>ilian Josef, ihrem Erhalter<br />

Ludwig zum Denkmal 1828", <strong>und</strong> die Denkmäler, die den Landesherrn als<br />

Gründer der Verfassung gewidmet s<strong>in</strong>d: so der Karlsruher Obelisk von 1832,<br />

"dem Gründer der Verfassung", dem Großherzog Karl gewidmet; das Darmstädter<br />

Ludwigs-Monument, vom "hessischen Volk" 1844 errichtet, der Großherzog<br />

hält die Verfassung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er rechten Hand, die E<strong>in</strong>weihung wurde als<br />

großes nationales Integrationsfest gefeiert; oder das schöne Max-Josef-Monument<br />

von Rauch, e<strong>in</strong>e Stiftung der Münchener Bürger von 1828, bei dem die<br />

Verleihung der Verfassung <strong>im</strong>merh<strong>in</strong> <strong>im</strong> Sockelrelief dargestellt ist; <strong>in</strong> diesen<br />

Fällen spielt die Verfassung als Integrationssymbol für die E<strong>in</strong>zelstaaten e<strong>in</strong>e<br />

nicht unbeträchtliche Rolle. Die Revolution von 1848 konnte nach ihrem<br />

Scheitern nicht zum Anlaß e<strong>in</strong>es feiernden Denkmals oder auch nur e<strong>in</strong>es<br />

Mahnmals, e<strong>in</strong>es anschaulichen Symbols liberal demokratischer Bemühungen um<br />

e<strong>in</strong>e neue Form der nationalen Identität werden. Erst am Ende der Reaktionsperiode<br />

gibt es noch e<strong>in</strong>mal Ansätze zu nationaldemokratischen Denkmalsbewegungen:<br />

seit 1857 propagierten die Liberalen gegen zähen Widerstand der<br />

Konservativen <strong>und</strong> der Regierung e<strong>in</strong> von allen Deutschen zu errichtendes<br />

Ste<strong>in</strong>-Denkmal, 1865 war das Denkmal dann vollendet <strong>und</strong> mit der merkwürdigen<br />

partikular-staatlich-monarchischen <strong>und</strong> nationaldemokratischen Doppelformel<br />

"Dem M<strong>in</strong>ister Freiherrn vom Ste<strong>in</strong> König Wilhelm von Preußen <strong>und</strong><br />

das deutsche Volk" <strong>in</strong> der Inschrift versehen, aber erst 1875 wurde es auf abgelegenem<br />

Platz mit geänderter Inschrift: "das dankbare Vaterland", aufgestellt<br />

<strong>und</strong> konnte <strong>in</strong> dem neuen Nationalbewußtse<strong>in</strong> des Kaiserreiches e<strong>in</strong>e nationale<br />

Funktion nicht mehr erfüllen 93 • Khnlich g<strong>in</strong>g es mit dem zwischen<br />

1861 <strong>und</strong> 1872 von den deutschen Turnvere<strong>in</strong>en aus aller Welt, "wo <strong>im</strong>mer<br />

deutsche Männer wohnen", errichteten Jahn-Denkmal, bei dessen Enthüllung<br />

es noch heißt, man habe die deutsche E<strong>in</strong>heit "den Reaktionären aller Schattierungen<br />

<strong>im</strong> Inneren" <strong>und</strong> dann allerd<strong>in</strong>gs auch den "Anmaßungen der Fremden"<br />

abgerungen 94 •<br />

Erst als die nationalliberale Bewegung historisch geworden war, als sie nicht<br />

mehr beanspruchen konnte, die Nation als Ganzes zu repräsentieren, hat a~~h<br />

sie <strong>in</strong> der herrschenden Denkmals<strong>in</strong>flation ihre Denkmäler bekommen, so freilich,<br />

daß die liberal-demokrati";chenElemente ganz den nationalen untergeord­<br />

_l!~t wurden: es s<strong>in</strong>d·'Denkmäler der Anpassung des Liberalismul· and~s Bismarcksche<br />

Reich. So wurde aus e<strong>in</strong>em Frankfurter Denkmal für 1848, das<br />

Sonnemann angeregt hatte, das Denkmal "für die Vorkämpfer deutscher E<strong>in</strong>heit<br />

<strong>in</strong> den Jahren der Vorbereitung" (1903), e<strong>in</strong> historisch-allegorisches Bilderbuchdenkmal,<br />

das dem kle<strong>in</strong>deutsch offiziösen Geschichtsbild entsprechend<br />

die Bismarcksche Reichse<strong>in</strong>igung - <strong>in</strong> Frankfurt freilich ohne die Etappe von<br />

1866! - als Erfüllung der liberal nationalen Bestrebungen ansah 95 • So ist auch<br />

das Burschenschaftsdenkmal auf der Göpelskuppe bei Eisenach (1902) zu e<strong>in</strong>em<br />

Denkmal für das "gee<strong>in</strong>te Vaterland" <strong>und</strong> für alle die, die die Reichse<strong>in</strong>igung<br />

156<br />

vollbrachten oder ihr den Weg bereiteten, geworden. Die Anpassung der Burschenschaften<br />

an den neuen - machtstaatlichen - Nationalismus wird <strong>in</strong> der<br />

Zurückdrängung der liberalen Anfänge deutlich: <strong>in</strong> den Festreden wird das<br />

Wort ~,Fre~heit" zur "Geistesfreiheit" verharmlost 96 • Neben Wilhelm, Bismarck,<br />

R~on <strong>und</strong> Moltke steht von den Gestalten der burschenschaftlichen Geschichte<br />

nur Karl August als Figur <strong>im</strong> Zentralraum des Baues, der eigentlichen<br />

Großen ihrer Geschichte wird nur noch auf Tafeln hoch <strong>im</strong> Raum, kaum lesbar,<br />

gedacht; <strong>in</strong> der Höhe der äußeren Turmfront er<strong>in</strong>nert die Reihe der Köpfe,<br />

Hermann, Karl der Große, Luther, Dürer, Goethe, Beethoven, seltsam unverb<strong>und</strong>en,<br />

noch an die Walhalla-Idee. Die Bauform, e<strong>in</strong> gedrungener,-'iurmartiger<br />

R<strong>und</strong>tempel mit 9 enggestellten mächtigen Säulen mit dorisierenden Kapitellen,<br />

die durch e<strong>in</strong> Architrav zusammengehalten werden, mit der Inschrift:<br />

"Freiheit E<strong>in</strong>heit Vaterland", das Ganze von e<strong>in</strong>er Kaiserkrone gekrönt,<br />

drückt e<strong>in</strong>en gesammelten Ernst, e<strong>in</strong>e stark "nordisch" orientierte, herbe Monumentalität<br />

aus; der germanische Akzent <strong>und</strong> der merkwürdig tragische E<strong>in</strong>schlag<br />

kommt <strong>in</strong> dem Deckengemälde, e<strong>in</strong>er Darstellung der Götterdämmerung,<br />

besonders zum Ausdruck. Damit gew<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e neue Form des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s<br />

Gestalt, weniger auftrumpfende Siegesgebärde als verhaltene<br />

Kraft, "tiefer", an idealen Werten orientierter Ernst, e<strong>in</strong> Gefühl für die Bedrohtheit<br />

der Nation <strong>und</strong> für die Notwendigkeit der Ver<strong>in</strong>nerlichung <strong>und</strong><br />

Konzentration, e<strong>in</strong>e Haltung, die wir <strong>in</strong> den Bismarck-Säulen des gleichen Architekten,<br />

Wilhelm Kreis, <strong>und</strong> den Denkmälern der nationalen Konzentration<br />

wiederf<strong>in</strong>den werden. Der Bau ist se<strong>in</strong>er Form nach über den wilhelm<strong>in</strong>ischen<br />

Stil, der etwa die Festreden noch beherrscht, schon h<strong>in</strong>aus.<br />

Das eigentliche national demokratische Denkmal hatte, seitdem der bürgerliche<br />

Liberalismus zwischen dem preußisch-monarchischen Machtstaat <strong>und</strong> der Sozialdemokratie<br />

sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mehrheit an die vornehmlich konservativ best<strong>im</strong>mte<br />

Ordnung angepaßt hatte, ke<strong>in</strong>e Chance mehr. Wohl aber haben sich<br />

<strong>im</strong> ersten Jahrzehnt des Reiches die national demokratischen Tendenzen mit<br />

anderen nationalen Tendenzen verflochten. Die beiden großen Nationaldenkmäler<br />

der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre, das Niederwaldd~nk<strong>in</strong>al <strong>und</strong> das Hermanns­<br />

Denkmal, muß man politisch als s<strong>in</strong>nfälligen Ausdruck des Ko~omisses zwischen<br />

nationaldemokratischen <strong>und</strong> nationalmonarchischen Tendenzen <strong>und</strong><br />

Kräften verstehen.<br />

Die Anregung zu e<strong>in</strong>em <strong>Nationaldenkmal</strong> am Rhe<strong>in</strong> zum Gedenken der Ereignisse<br />

von 1870/71 entstand <strong>im</strong> Frühjahr 1871 <strong>in</strong> der nationalliberalen Offentlichkeit,<br />

die Kölnische Zeitung griff den Gedanken auf, hier ist schon von<br />

e<strong>in</strong>er "Germania" die Rede. E<strong>in</strong> Wiesbadener Kurdirektor schlug den Niederwald<br />

als Standort vor, nachdem zunächst auch Drachenfels <strong>und</strong> Loreley als<br />

Standorte diskutiert worden waren, e<strong>in</strong> Z~~spen für die merkwürdige Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Nationalgedanken <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>romantik 97 • Dieser Vorschlag fand, weil<br />

er <strong>in</strong> die überregionale Presse kam u~d""';"eil sich der damalige preußische Regierungspräsident<br />

Botho Eulenburg e<strong>in</strong>schaltete <strong>und</strong> die Zust<strong>im</strong>mung Bismarcks<br />

gewann, allgeme<strong>in</strong>e Anerkennung. E<strong>in</strong> regionales <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er Denkmals-<br />

157


komitee, vornehmlich aus nationalliberalen <strong>und</strong> freikonservativen Honoratioren,<br />

Bennigsen <strong>und</strong> Hohenlohe-Schill<strong>in</strong>gsfürst waren die Vorsitzenden, nahm<br />

die Sache des Denkmals "für die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches" Cl)<br />

<strong>in</strong> die Hand 98 • Die Gelder s<strong>in</strong>d zum großen Teil durch Sammlungen, zum al<br />

von Gesang-, Turn- <strong>und</strong> Kriegervere<strong>in</strong>en, von Schülern <strong>und</strong> Studenten aufgebracht,<br />

der Rest durch Spenden der Fürsten <strong>und</strong> Zuschüsse des Reiches. 1877<br />

wurde nach langen Diskussionen über Standort <strong>und</strong> Entwürfe der Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong><br />

gelegt, am 28.9. 1883 ist das Denkmal von Wilhelm 1. <strong>in</strong> Anwesenheit fast aller<br />

deutschen Fürsten unter Anteilnahme e<strong>in</strong>er großen Volksmenge e<strong>in</strong>geweiht<br />

worden. Der Versuch der Anarchisten, Fürsten <strong>und</strong> Denkmal <strong>in</strong> die Luft zu<br />

sprengen, scheiterte, <strong>im</strong>merh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Menetekel für das Fest nationaler Selbstvergewisserung<br />

<strong>in</strong> der Epoche e<strong>in</strong>es sich verschärfenden Klassenkampfes.<br />

E<strong>in</strong>e historisch-politische Erörterung muß von der fatalen künstlerischen<br />

Unzulänglichkeit des Denkmals, der Theatralik der Figur, dem Mißglücken der<br />

Fernwirkung - e<strong>in</strong>e Folge der Platzwahl <strong>und</strong> des Entschlusses zum plastischen,<br />

nicht-architektonischen Denkmal - absehen: die Stillosigkeit der Zeit<br />

steht mit dem Problem des nationalen Kultes <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em aufweisbaren Zusammenhang.<br />

Das Denkmal ist wiederum Bergdenkmal, es s<strong>in</strong>d gerade die Laien<br />

gewesen, die diesen Ort gegen die Künstler durchgesetzt haben, das entsprach<br />

der populären Vorstellung von e<strong>in</strong>em <strong>Nationaldenkmal</strong>. Die Nation, die sich<br />

<strong>im</strong> Denkmal f<strong>in</strong>det, ist zunächst die Nation des Krieges von 1870/71, die Nation<br />

der Wacht am Rhe<strong>in</strong>, daher der Ort, daher das Relief am Sockel: der<br />

Rhe<strong>in</strong>vater überreicht der Mosel das Wächterhorn, die Verse des Liedes s<strong>in</strong>d<br />

r<strong>und</strong>herum angeschrieben, der Kehrre<strong>im</strong> besonders herausgehoben; daher das<br />

Mittelrelief, die deutschen Heere, symbolisch repräsentiert <strong>in</strong> den Portraits der<br />

regierenden Fürsten, bedeutender Generale <strong>und</strong> e<strong>in</strong>iger begeisterter Soldaten,<br />

weiter zur Seite Reliefs mit Auszug <strong>und</strong> He<strong>im</strong>kehr der Krieger; daher das Anbr<strong>in</strong>gen<br />

der Schlachtennamen, daher der Blick der schwertgerüsteten Germania<br />

nach Westen. Aber das kriegerische Element ist doch ke<strong>in</strong>eswegs dom<strong>in</strong>ierend.<br />

Die Wacht am Rhe<strong>in</strong> ist eher defensiv als aggresiv verstanden, als Resultat<br />

des Sieges ersche<strong>in</strong>t nicht die Macht, sondern der Friede; <strong>in</strong> der Darstellung<br />

der ausziehenden <strong>und</strong> der he<strong>im</strong>kehrenden Krieger überwiegt fast die Trauer, es<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Krieger <strong>im</strong> Kampf <strong>und</strong> Angriff dargestellt, wie z. B. auf dem Siegesdenkmal<br />

<strong>in</strong> Freiburg <strong>im</strong> Breisgau; das Schwert der Germania ist, anders als<br />

be<strong>im</strong> Hermann auf dem Teutoburger Wald, nicht geschwungen, sondern zur<br />

Ruhe gestellt, "den von ihr erkämpften Frieden andeutend"99; ihr Blick ist ke<strong>in</strong>eswegs<br />

drohend nach Westen gerichtet, sondern unklar versonnen <strong>in</strong> die Ferne<br />

schweifend. In e<strong>in</strong>er zeitgenössischen Festschrift wird ausdrücklich das Fehlen<br />

von Triumphgebärden <strong>und</strong> Chauv<strong>in</strong>ismus betont <strong>und</strong> die mögliche These vom<br />

Erbfe<strong>in</strong>d abgewiesen: das Reich soll als Friedensreich dargestellt werden 10o •<br />

Schwierig ist es aber, das Verhältnis der nationalmonarchischen <strong>und</strong> der nationaldemokratischen<br />

Momente <strong>in</strong> der Auffassung der Nation, die <strong>im</strong> Denkmal<br />

Gestalt gewonnen hat, zu klären. Das Denkmal ist, wie die Inschrift sagt, errichtet<br />

"zum Andenken an die e<strong>in</strong>mütige <strong>und</strong> siegreiche Erhebung des deut-<br />

158<br />

schen Volkes <strong>und</strong> die Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches 1870/71".<br />

Zwar s<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Denkmal auch die deutschen Stämme <strong>und</strong> Staaten - <strong>in</strong> den Fürsten<br />

des Hauptreliefs <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Wappen e<strong>in</strong>es dritten Sockelfeldes _ vertreten,<br />

aber die bündisch gee<strong>in</strong>te Nation, die Nation des B<strong>und</strong>es der deutschen<br />

Fürsten, ist nicht die Nation des Denkmals, das ist vielmehr das deutsche<br />

Volk als Ganzes, wie es <strong>in</strong> der Germania - mit Märchen- <strong>und</strong> Symbolgestalten<br />

auf dem Mantel - symbolisiert ist. Die Germania nun steht vor dem<br />

Thron <strong>in</strong> ihrem Rücken <strong>und</strong> hält e<strong>in</strong>e Krone vor sich h<strong>in</strong>, mit unentschlossen<br />

abgew<strong>in</strong>keltem Arm, ihr Blick ruht nicht auf der Krone, sondern ist, wie gesagt,<br />

unklar <strong>in</strong> die Ferne gerichtet. Sie ist die Krönende, aber es bleibt unklar,<br />

wen sie krönt: ob sich selbst, so hatte es Schill<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Entwurf vorgesehen,<br />

dafür spricht auch der Thron <strong>im</strong> H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, aber dagegen sche<strong>in</strong>en<br />

jetzt der Lorbeer- oder Eichenkranz <strong>in</strong> ihrem Haar, der Blick <strong>und</strong> die Armhaltung<br />

zu sprechen 101 ; oder e<strong>in</strong>en anderen, den Kaiser, der doch <strong>im</strong> Denkmal<br />

nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> ihrem Blick gegenwärtig ist. E<strong>in</strong>e solche Krönung des Kaisers<br />

durch Germania, selbst wenn man sie zur Geme<strong>in</strong>schaft der Fürsten umdeuten<br />

würde, ist wie die Selbstkrönung der Germania e<strong>in</strong>e merkwürdige Umdeutung<br />

der Kaiserproklamation nach dem Sieg der deutschen Heere. Auch die Me<strong>in</strong>ung<br />

der Zeitgenossen gibt ke<strong>in</strong>en Aufschluß über die politische Intention, sie<br />

geht vielfältig ause<strong>in</strong>ander. Die politische Aussage zielt jedenfalls auf den<br />

KomPL~iß nationalmonarchischer <strong>und</strong> nationaldemokratischer Pr<strong>in</strong>zipien,<br />

aber sie ist künstle~},~E, gänzlich mißlungen. Bei den Denkmalsfesten kommt<br />

das Komprorniß nur ganz vage zum Ausdruck, die "e<strong>in</strong>mütige Erhebung des<br />

deutschen Volkes", die E<strong>in</strong>igung der deutschen Stämme, die Treue zu Kaiser<br />

<strong>und</strong> Reich, die Harmonie von Fürsten <strong>und</strong> Volk - das geht, ohne politisch<br />

näher artikuliert zu werden, <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander über. Obwohl es zu den geplanten patriotischen<br />

Festen <strong>im</strong> Bereich des Denkmals nicht gekommen ist <strong>und</strong> das Denkmal<br />

zum Ausflugspunkt wurde, behielt es e<strong>in</strong>e gewisse nationale Repräsentanz:<br />

<strong>im</strong> Mayerschen Lexikon heißt es 1909 unter <strong>Nationaldenkmal</strong> lapidar: "siehe<br />

Niederwald", <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Briefmarke mit der Germania hat bis 1922 Gültigkeit<br />

gehabt.<br />

Schließlich gehört <strong>in</strong> diesen Zusammenhang das Hermanns-Denkmal <strong>im</strong><br />

Teutoburger Wald, e<strong>in</strong> Werk se<strong>in</strong>es monomanen Erbauers Ernst v. Bandel' <strong>in</strong><br />

der pG~~?lgs- <strong>und</strong> Baugeschichte von 1819 bis 1875 spiegeln sich vielfäl~ige<br />

Faktoren d~s deutschen Nationalbewußtse<strong>in</strong>s des Jahrh<strong>und</strong>erts. Auch die Idee<br />

des Hermanns-Denkmals ist e<strong>in</strong> Resultat der nationalen Erregung der Freiheitskriege<br />

102 ; Arndt hat damals e<strong>in</strong> solches Denkmal propagiert, Sch<strong>in</strong>kel hat<br />

e<strong>in</strong>en Entwurf angefertigt 103 • Und Bandel, der sich seit 1819 mit Plänen für<br />

dieses Denkmal befaßte, ist, 1799 als Sohn e<strong>in</strong>es altpreußischen Beamten <strong>in</strong><br />

Ansbach geboren, Zeit se<strong>in</strong>es Lebens von traumatischen K<strong>in</strong>dheitserfahrungen<br />

mit der französischen Besatzung <strong>und</strong> - bee<strong>in</strong>flußt durch se<strong>in</strong>e Fre<strong>und</strong>schaft<br />

mit dem Jahn-Schüler H. K. Maßmann - dem "teutonischen" Nationalgefühl<br />

der ersten Jahre nach 1815 best<strong>im</strong>mt gewesen. 1838 beg<strong>in</strong>nt er mit dem Bau<br />

<strong>und</strong> wendet sich gleichzeitig mit Spendenaufrufen an das deutsche Volk, es<br />

159


11 Ni erdev<br />

wird e<strong>in</strong>e Reihe von Denkmalsvere<strong>in</strong>en, von München bis Königsberg, gegrünk<br />

d 1·· d . N' 1 h "104<br />

det, die Idee des Den mals wur e popu ar, wur e zu e<strong>in</strong>er" atlOna sac e .<br />

Bandei, der se<strong>in</strong>e eigene Arbeit "dem deutschen Volk" zum Geschenk anbot,<br />

hat von Anfang an betont, das Denkmal solle "für das gesamte deutsche Volk<br />

<strong>und</strong> von demselben" errichtet werden, sei "durch allgeme<strong>in</strong>e Teilnahme ... gesamtdeutsches<br />

Eigentum", hier schon kommt die nationaldemokratische Komponente<br />

dieses Denkmalbaues zum Ausdruck 105 .<br />

Das <strong>im</strong> Denkmal Gestalt werdende Nationalgefühl ist nationale Er<strong>in</strong>nerung,<br />

die sich an der germanischen Frühgeschichte orientiert, am archaischen Ursprung,<br />

<strong>in</strong> dem das Wesen des Deutschen re<strong>in</strong> <strong>und</strong> unverfälscht zum Ausdruck<br />

kommt, <strong>und</strong> das Denkmal versucht, den historischen Helden dieser Frühzeit <strong>in</strong><br />

die D<strong>im</strong>ension des nationalen Mythos zu erheben <strong>und</strong> ihm damit e<strong>in</strong>e konkrete<br />

politische Funktion zu geben. Näher entfaltet sich diese Funktion zunächst <strong>in</strong><br />

doppelter Weise. Das Denkmal ist Denkmal für den "Befreier <strong>Deutschland</strong>s"<br />

<strong>und</strong> damit für die Befreiung, <strong>und</strong> ist e<strong>in</strong> "Mahnzeichen der aller<br />

deutschen Stämme" 106. Denn die Befreiung ist zugleich die ist die<br />

Gründung det'Nation: Hermann ist der "Retter <strong>und</strong> Gründer " 107 <strong>und</strong> darum<br />

"Träger <strong>und</strong> Repräsentant -der deutschen Nationalität"108. Er hat den Herrschaftsanspruch<br />

des "RomanismuD~brochen <strong>und</strong> damit die nationalkulturelle<br />

Eigenständigkeit der Deutschen gesichert, ja für das ganze Menschengeschlecht<br />

das Pr<strong>in</strong>zip der nationalen Unabhängigkeit begründet, dies <strong>in</strong>ternationale<br />

Pr<strong>in</strong>zip der Nationalität ist so etwas wie die Weltsendung Hermanns:<br />

Auch die "übrigen Völker" "wurden frei durch den Teutoburger Sieg"109.<br />

Hermann als Begründer der deutschen Nationalität nun ist Symbol <strong>und</strong> Vorbild,<br />

das angerufen wird, um das gegenwärtige Bewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> Gefühl der Nationalität<br />

zu <strong>in</strong>tensivieren: er soll das Volk "erheben <strong>und</strong> zu steter Nacheiferung<br />

... stärken " 110. Insbesondere soll das Denkmal, sowohl die Er<strong>in</strong>nerung an<br />

den dargestellten Helden wie der geme<strong>in</strong>same Bau, die "Treue<strong>in</strong>igkeit unserer<br />

Volksstämme" beschwören, es ist e<strong>in</strong> "Mahnzeichen zur E<strong>in</strong>igkeit aller deutschen<br />

Stämme"111. Auf e<strong>in</strong>er Tafel <strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>ste<strong>in</strong> heißt es: "Hermann dem Befreier<br />

<strong>Deutschland</strong>s gründen dies Denkmal <strong>Deutschland</strong>s Fürsten <strong>und</strong> Volksstämme<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>tracht verb<strong>und</strong>en. Er bleibe <strong>und</strong> dauere, der S<strong>in</strong>n der E<strong>in</strong>tracht, welcher<br />

dies Denkmal schuf, <strong>und</strong> getilgt sei der Fluch der Zwietracht, den der Zorn<br />

des überw<strong>und</strong>enen an der Wiege unseres Volkes aussprach"112. In der Dunkelheit<br />

der Frühgeschichte konnte man die späteren Stammesgegensätze symbolisch<br />

überw<strong>in</strong>den, hier war die E<strong>in</strong>heit sozusagen archaisch präfiguriert. Auch Gedanken<br />

des Liberalismus strömen <strong>in</strong> die Denkmalsbewegung e<strong>in</strong>, ihre Träger s<strong>in</strong>d die<br />

"Fre<strong>und</strong>e der Freiheit" 113, <strong>und</strong> diese Freiheit ist auch nach <strong>in</strong>nen gewandt;<br />

freilich dom<strong>in</strong>iert zumeist das gemäßigt konstitutionelle Ideal der Harmonie<br />

zwischen Herrscher <strong>und</strong> Volk. Schließlich spielt der Gedanke der Macht, der<br />

Stärke <strong>und</strong> Größe der Nation <strong>in</strong> der Denkmalsbewegung e<strong>in</strong>e besondere Rolle,<br />

vor allem bei Bandei selbst. Dargestellt wird Arm<strong>in</strong>s "Schwerterhebung", aber<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Augenblick nach dem errungenen Siege. Trotzdem bleibt das Schwert<br />

aufgereckt, weil es die Garantie der nationalen Existenz ist, weil Fe<strong>in</strong>d <strong>und</strong><br />

160<br />

Gefahr nicht <strong>und</strong> niemals vorüber s<strong>in</strong>d. Bandei spricht von der "unseren Fe<strong>in</strong>den<br />

Schrecken <strong>und</strong> Verderben br<strong>in</strong>genden Wiederaufpflanzung unseres alten<br />

deutschen Schwertes, das <strong>im</strong>mer am deutschen H<strong>im</strong>mel <strong>im</strong> herrlichen Glanze der<br />

Freiheit leuchtete <strong>und</strong> sich als Haltepunkt unseres Se<strong>in</strong>s bewährte, wenn es<br />

von echt deutscher Faust erhoben unsere Stämme <strong>in</strong> Treue<strong>in</strong>igkeit um sich<br />

scharte". "So stehe <strong>in</strong> jugendlicher Frische, <strong>im</strong> Siegesbewußtse<strong>in</strong> Arm<strong>in</strong>, das freie<br />

Schwert <strong>in</strong> kräftiger Faust erhoben zu gewaltigem Schlage bereit, das S<strong>in</strong>nbild<br />

unserer ewig jungen Kraft ... e<strong>in</strong> Wegweiser zur Stätte unseres Ruhmes <strong>und</strong> zur<br />

Erkenntnis unserer Macht <strong>und</strong> Herrlichkeit. "114<br />

Der politische S<strong>in</strong>n, der <strong>im</strong> Denkmal gegeben wurde, sich auch <strong>in</strong> den<br />

Bau- <strong>und</strong> Formideen. Die Wahl des Ortes ist nicht nur historisch bed<strong>in</strong>gt, bei<br />

Bandei kann man deutlich e<strong>in</strong>e a~e St<strong>im</strong>mung, e<strong>in</strong>e 1iIythisi~Eung des<br />

Waldes als der eigentlich deutschen Seelenlandschaft <strong>und</strong> die romantische<br />

Neigung zum Bergheiligtum bemerken. Der Unterbau sollte, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em romanischgotischen<br />

Mischstil ausgeführt, spezifisch deutsch nur e<strong>in</strong> "deutscher"<br />

Stil schien dem <strong>Nationaldenkmal</strong> angemessen, das Fehlen e<strong>in</strong>es nationalen Baustils<br />

galt Bande! gerade als Zeichen von überfremdung <strong>und</strong> Identitätsgefährdung<br />

llS • Die Figur war zunächst (1835/36) kolossal, weicher <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>dlicher<br />

entworfen, der Arm mit dem Schwert war angew<strong>in</strong>kelt oder gekrümmt;<br />

Sch<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Rauch haben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gegenentwurf gar e<strong>in</strong>en Hermann<br />

mit gesenktem Schwert vorgeschlagen; aber dann bildete sich die endgültige<br />

Gestalt, die straff hochgereckte mit dem gerade <strong>in</strong> die Höhe gestreckten<br />

Schwert, das drohend <strong>in</strong> die Ferne weist, heraus, die herausfordernde, auf<br />

Kampf, Sieg <strong>und</strong> Kraft abgestellte Haltung des Helden. Damit hat Bandel das,<br />

:vas er für den S<strong>in</strong>n des Denkmals hielt, besonders prägnant zum Ausdruck<br />

br<strong>in</strong>gen wollen, durch das Senken des Schwertes würde "der S<strong>in</strong>n des ganzen<br />

Denkmals aufgehoben" (1861)116. Das Ganze bekom~t so e<strong>in</strong>en aggressiven <strong>und</strong><br />

herausfordernden Zug, der unsichtbare Fe<strong>in</strong>d ist <strong>in</strong> das Denkmal mit e<strong>in</strong>bezogen,<br />

der Beschauer wird r~di~~e'F;~;~st~llung mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>genommen: <strong>im</strong> Kampf<br />

gegen den Fe<strong>in</strong>d konstituiert sich die hier geme<strong>in</strong>te Nation als e<strong>in</strong> Machtgebilde,<br />

<strong>in</strong> ihrer Macht hat sie ihre Identität. Auch <strong>in</strong> der Orientierung des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s<br />

an der germanischen Frühgeschichte, am Teutonischen,<br />

schw<strong>in</strong>gt dieses Moment mit: Hermann <strong>und</strong> die Germanen repräsentieren nicht<br />

nur <strong>und</strong> vielleicht nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die Freiheit, sondern auch das<br />

vorzivilisatorische Gewaltige, eben Kr;ft <strong>und</strong> Macht.<br />

In den 40er Jahren, endgültig 1846, kam der Bau zum Erliegen 117 • Erst Anfang<br />

der 60er Jahre kam das Unternehmen, von der neubelebten Nationalbewegung<br />

getragen, wieder <strong>in</strong> Gang <strong>und</strong> wurde, zuletzt mit Hilfe von Zuschüssen des<br />

Kaisers <strong>und</strong> des Reiches, bis 1875 vollendet, am 16. 8. ist es <strong>in</strong> Anwesenheit des<br />

Kaisers <strong>und</strong> vieler Fürsten mit e<strong>in</strong>em großen patriotischen Volksfest, dem zumal<br />

Turner-, Kriegervere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Studentenkorporationen das Gepräge<br />

gaben, e<strong>in</strong>geweiht worden. Die Teilnahme von e<strong>in</strong>igen h<strong>und</strong>ert Amerikadeutschen,<br />

zudem von Holländern <strong>und</strong> österreichern wird besonders hervorgehoben,<br />

der Begriff der Volksnation war hier m<strong>in</strong>destens ebenso lebendig wie der<br />

161


der Staatsnation; Bandel hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief über den S<strong>in</strong>n des Denkmals be~<br />

merkt: "Seid alle q~u~schen Völker, nicht bloß die Kaiserreichsler ei~<br />

nig . . ."118, obschon ~er durchaus zu den Befilrwortern der Bismarckschen<br />

Reichse<strong>in</strong>igung gehörte. Das nationaldemokratische Motiv kl<strong>in</strong>gt noch <strong>in</strong> der<br />

Bezeichnung "Fest der übergabe des Denkmals an das deutsche Volk" an. Dane~<br />

ben stehen die zunächst nicht selbstverständliche E<strong>in</strong>ladung des Kaisers <strong>und</strong><br />

der Fürsten, die Betonung der E<strong>in</strong>igkeit von Fürsten <strong>und</strong> Volk <strong>in</strong> den Festreden<br />

<strong>und</strong> die Ehrung des Kaisers am Denkmal als nationalmonarchische Momente.<br />

Beide Tendenzen gehen, zumal sie nicht besonders akzentuiert werden, harmo~<br />

nisch zusammen. Die andern politischen Motive gewannen <strong>in</strong> der neuen Lage<br />

e<strong>in</strong>e veränderte Funktion. Mit der ersten Befreiung wurde die gegenwärtige<br />

Abwehr des französischen Angriffs, der Sieg über" welschen übermut", über "ro~<br />

manische Anmaßung" gefeiert 119 • Aus dem Mahnzeichen, dem Symbol e<strong>in</strong>er Hoffnung,<br />

wurde e<strong>in</strong> "Ehrenzeichen, e<strong>in</strong> Ruhmesmal der vollbrachten E<strong>in</strong>i~<br />

gung"120, ja der "wiedererstandenen (!) Herrlichkeit des Deutschen Reiches"121.<br />

Wo die Parole der E<strong>in</strong>igkeit noch als Forderung laut wird, ist es die<br />

"E<strong>in</strong>igung nach <strong>in</strong>nen", gerichtet gegen "<strong>in</strong>neren Hader" <strong>und</strong> für festes Zusammenstehen<br />

122 • Gelegentlich kamen jetzt Kulturkampftöne auf, statt des ursprünglich<br />

vorgesehenen "Lobet den H~"i;-~~"rwurde "unser Protestantenlied"<br />

geblasen, e<strong>in</strong> Artikel der Gartenlaube über das Fest schließt, das Denkmal sei<br />

e<strong>in</strong>e Mahnung, das "Panier der nationalen Freiheit ... hochzuhalten auch mit<br />

den Waffen des freien Geistes. Wider Rom"m; der nationale <strong>und</strong> der konfes~<br />

sionelle Kampf gegen Rom kl<strong>in</strong>gen hie7<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander. Vor allem aber tritt das Moment<br />

der Macht besonders hervor, der Sieg <strong>im</strong> Kampf, die stete Kampfbereitschaft<br />

gegenüber e<strong>in</strong>em <strong>im</strong> Denkmal unsichtbar präsenten Fe<strong>in</strong>d, die <strong>im</strong> Schwert<br />

symbolisierte Rüstung, das s<strong>in</strong>d die Elemente, die die Bedeutung des Denkmals<br />

best<strong>im</strong>men. "Deutsches Volk hält se<strong>in</strong> Schwert frei <strong>und</strong> ruhmumstrahlt, wie<br />

Arm<strong>in</strong> vor bald 1900 Jahren hoch <strong>in</strong> starker Faust zum Schrecken se<strong>in</strong>er Fe<strong>in</strong>de<br />

<strong>und</strong> zum Friedensvertrauen se<strong>in</strong>er Fre<strong>und</strong>e"124; das Denkmal, das er als Mahnzeichen<br />

gebaut habe, werde nun "e<strong>in</strong> Zeichen unserer Macht"125. Der Machtstaatsgedanke<br />

gew<strong>in</strong>nt so die Oberhand üJl


mußte oder der gelegentlich schon die Anhänger e<strong>in</strong>er Völkerverständigung<br />

provozierte, für den Sieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Volkskrieg, der manchem <strong>in</strong> der damaligen<br />

Klassenkampfsituation unhe<strong>im</strong>lich war - <strong>und</strong> es mußte <strong>in</strong>folgedessen ständig<br />

gerechtfertig werden 126 . Daß es zustande kam, ist nicht nur der eifrigen Werbung<br />

<strong>und</strong> dem beträchtlichen Lokalpatriotismus zuzuschreiben, sondern entspricht<br />

auch best<strong>im</strong>mten politischen Tendenzen. Die politischen Ideen, die <strong>in</strong><br />

dieser Denkmalsbewegung <strong>und</strong> ihrem Erfolg wirksam waren, ergeben sich zunächst<br />

aus der verquollenen Weiheschrift. Das Denkmal steht für die Erhebung<br />

von 1813. Im Gedanken an sie wird die nationale Befreiung gefeiert, das<br />

Denkmal ist "<strong>Deutschland</strong>s Freiheitsdom", <strong>und</strong> zugleich damit der Beg<strong>in</strong>n der<br />

nationalen E<strong>in</strong>igung <strong>Deutschland</strong>s: "Das Bismarcksche Reich knüpfte nicht an<br />

das alte Reich, sondern an die Errungenschaften der Befreiungskriege an"<br />

(5.32). Diese Gründung der Nation wird nun nationaldemokratisch begriffen:<br />

Leipzig ist der "Geburtstag des deut~chen Volkes", der Sedan, "dem Geburtstag<br />

des Deutschen Reiches", vorang<strong>in</strong>g (5.14, 34); 1813 steht für den Beg<strong>in</strong>n<br />

der "politischen Mündigkeit des deutschen Volkes" (5.78); dieses Volk hat die<br />

E<strong>in</strong>heit wesentlich mitgeschaHen, der "machtvolle Reichsbau" ist "auf dem<br />

Gr<strong>und</strong>e der Freiheit ... erwachsen" (5. 6 f.). Und <strong>in</strong> ähnlichem S<strong>in</strong>ne formuliert<br />

der Architekt, B. Schmitz, "der Held des Denkmals ist das ganze deutsche<br />

Volk, welches sich erhob", darum ist das Denkmal e<strong>in</strong>" Volksmal"127. Aber<br />

dieser nationaldemokratische Gedanke der Konstitution des Volkes als Nation<br />

wird nun wesentlich abgeschwächt. E<strong>in</strong>mal wird er ganz nach <strong>in</strong>nen, auf Ethos<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>in</strong>nung, gewandt: was gefeiert wird, ist der "deutsche Gedanke", der<br />

"deutsche Idealismus", d. h. die H<strong>in</strong>gabe an die Nation (S.6, 14,19), <strong>und</strong> dieser<br />

Idealismus, "die Fülle der <strong>in</strong>neren Güter des Geistes <strong>und</strong> des Gemütes",<br />

"schlichteste (I) E<strong>in</strong>fachheit <strong>und</strong> Anspruchslosigkeit" (So 30), macht das wahrhaft<br />

Deutsche aus. Zum andern wird Nation <strong>im</strong> S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er harmonisch solidarischen<br />

"Volksgeme<strong>in</strong>schaft" (5. 19) verstanden, die das monarchische Pr<strong>in</strong>zip<br />

wesentlich mit umschließt. Idealismus <strong>und</strong> Volksgeme<strong>in</strong>schaft s<strong>in</strong>d die Faktoren,<br />

die das deutsche Volk als Nation konstituieren, sie erfüllen sich dann <strong>in</strong><br />

der Kampfbereitschaft <strong>und</strong> der Machststellung nach außen. H<strong>in</strong>ter diesen Vorstellungen<br />

von dem, was die nationale Identität ausmacht, steht nun deutlich<br />

e<strong>in</strong> kritisches Unbehagen an der Zeit, steht die Angst, daß das gegenwärtige<br />

deutsche Volk dem Anspruch der <strong>Nationalidee</strong>, wie man ihn <strong>in</strong> das Ursprungsjahr<br />

1813 zurückprojiziert hatte, nicht mehr ,gerecht wird. Materialismus <strong>und</strong><br />

Verflachung, Kosmopolitismus <strong>und</strong> Sozialismus, Partei-, Konfessions-, Interessen-<br />

<strong>und</strong> vor allem Klassengegensätze bedrohen Idealismus <strong>und</strong> Volksgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>und</strong> damit die Nation, dagegen werden das "re<strong>in</strong>e Deutschtum" (S.36),<br />

die "Erhebung zu den re<strong>in</strong>en Höhen des deutschen Idealismus" (5.35) angerufen<br />

<strong>und</strong> die nationale " Sammlung " <strong>und</strong> Volksgeme<strong>in</strong>schaft propagiert<br />

(5. 37 H.); Idealismus <strong>und</strong> Sammlung s<strong>in</strong>d bürgerlich antisozialistisch geme<strong>in</strong>t,<br />

das Denkmal, das alle die angerufenen Werte symbolisieren soll, ist auch <strong>und</strong><br />

gerade gegen die "vaterlandslosen Mächte" (5.17) gebaut.<br />

164<br />

Das ist nun nicht nur Oberlehrerideologie, sondern wird auch <strong>im</strong> Bau Gestalt.<br />

Der Hauptraum des architektonischen Denkmals, e<strong>in</strong>e riesige Kuppelhalle,<br />

wird als "Ruhmeshalle deutscher ,[VolksJart" bezeichnet (5. 40, 95, 30).<br />

Hier stehen vier kolossale Figurengruppen, die spezifisch deutsche Tugenden,<br />

Tapferkeit, Opferfreudigkeit, Glaubensstärke <strong>und</strong> "deutsche Volkskraft"12B,<br />

d. h. Geburtenfreudigkeit, verkörpern sollen. Es ist charakteristisch, daß diese<br />

"deutsche Art" gerade nichts Spezifisches darstellt, sondern alle<strong>in</strong> die Haltung<br />

der H<strong>in</strong>gabe an die Nation symbolisiert. Die Nation, die <strong>in</strong> diesen Figuren sich<br />

mit sich selbst identifizieren soll, soll so - fast tautologisch - <strong>im</strong> Dienste an<br />

der Nation ihr wahres Wesen f<strong>in</strong>den. Zwischen diesen Kolossalgestalten s<strong>in</strong>d<br />

Bilder des "Jammers <strong>und</strong> der Trauer" angebracht, die von der "Macht <strong>und</strong><br />

Zucht des. Leides" (So 30), der Gr<strong>und</strong>bed<strong>in</strong>gung von Idealismus <strong>und</strong> nationalem<br />

Aufschwung, predigen sollen. In e<strong>in</strong>er Krypta, e<strong>in</strong>em Ehrenmal für die Gefallenen,<br />

halten riesige Kriegerfiguren auf Schwerter gestützt vor "Masken des<br />

Schicksals" Totenwacht. Auf der Z<strong>in</strong>ne der Kuppel stehen noch e<strong>in</strong>mal zwölf<br />

riesige Kriegergestalten, die "Hüter der Freiheit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>heit". An der Außenfront<br />

zeigt das Hauptrelief den Erzengel Michael, der mit den Kriegsfurien<br />

über e<strong>in</strong> Leichenfeld fährt. Alle Figuren s<strong>in</strong>d - e<strong>in</strong> Zeichen der Abkehr vom<br />

epigonalen Realismus der Konventionen der Plastik - stark architektonisch<br />

stilisiert, s<strong>in</strong>d von e<strong>in</strong>em strengen <strong>und</strong> schweren Ernst, ja von Trauer geprägt;<br />

es gibt ke<strong>in</strong>e Triumphgebärde, ke<strong>in</strong>e Heldenpose, aber auch ke<strong>in</strong>e ruhige Gelassenheit,<br />

das Opfer- <strong>und</strong> Leidenspathos der Weiheschrift ist auch <strong>im</strong> Bau gegenwärtig.<br />

Die Figuren sirid <strong>in</strong>s Mythisch-Kultische <strong>und</strong> <strong>in</strong>s Heroische stilisiert:<br />

sie s<strong>in</strong>d Träger <strong>und</strong> Symbol e<strong>in</strong>es von Unendlichkeit <strong>und</strong> Tragik umwitterten<br />

Schicksals. Das Nationalgefühl, das <strong>in</strong> den Figuren sich repräsentiert<br />

f<strong>in</strong>den soll, bekommt so e<strong>in</strong>en deutlich tragischen E<strong>in</strong>schlag, e<strong>in</strong>e Art Götterdämmerungspathos,<br />

<strong>und</strong> man wird dar<strong>in</strong> zu Recht e<strong>in</strong>e kritische überw<strong>in</strong>dung<br />

des bloßen Macht- <strong>und</strong> Prestigekults des Wilhelm<strong>in</strong>ismus sehen können.<br />

Die Bauform, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>s Breite gezogene Pyramide, will durch ihre Kolossalität<br />

<strong>und</strong> massive Geschlossenheit <strong>und</strong> Wucht wirken, die "Breitenentfaltung"<br />

der Massen soll die Wirkung des Baues bis "zu mächtigster Gewalt" steigern,<br />

das "Titanenwerk" ist "breit <strong>und</strong> trotzig wie deutsche Heldenart", ist e<strong>in</strong>e<br />

Darstel~-:furor teutonicus"129. Die Größe <strong>und</strong> Gewalt der Nation soll<br />

<strong>in</strong> der Bauform anschaulich werden. Damit bleibt das Denkmal architektonisch<br />

dem Wilhelm<strong>in</strong>ismus, dem Gestus des Imponierenwollens verhaftet; das Denkmal<br />

der deutschen Erhebung ist eben auch Denkmal der deutschen Macht.<br />

Aber die Bauform ist mehr als Darstellung von Macht <strong>und</strong> Geschlossenheit,<br />

auch sie ist vom schweren <strong>und</strong> lastenden Ernst der Plastik erfüllt, auch sie bezieht<br />

sich auf e<strong>in</strong> Unendliches, dem sie <strong>in</strong> festem Trotz entgegentritt. Die Monumentalität<br />

der Form dient der Mythisierung der Nation, dem Versuch, das<br />

Nationale tiefer <strong>im</strong> Elementaren, <strong>im</strong> Jenseits der ratio, <strong>im</strong> Irrationalen <strong>und</strong><br />

Absoluten zu verankern, dem Nationalen die D<strong>im</strong>ension des übermächtig<br />

Schicksalhaften <strong>und</strong> des Kultischen zu geben 130 . Dah<strong>in</strong>ter, so sche<strong>in</strong>t mir,<br />

steht wiederum die gehe<strong>im</strong>e Angst um die Nation, um ihre <strong>und</strong> ihre<br />

165


Substanz, steht e<strong>in</strong> Ungenügen daran, daß die nationale Wirklichkeit nicht<br />

dem unendlichen Anspruch der nationalen Idee entspricht; die angestrengte<br />

<strong>und</strong> überd<strong>im</strong>ensionierte Selbstdarstellung sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong> Versuch, jene Angst<br />

<strong>und</strong> jenes Ungenügen zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Die das Denkmal leitende Idee der nationalen Sammlung zeigt sich endlich<br />

dar<strong>in</strong>, wie mit der Bauform das Verhältnis von Individuum <strong>und</strong> Nation neu<br />

best<strong>im</strong>mt wird. Das architektonische Denkmal ohne <strong>in</strong>dividuelles Standbild<br />

will die Beschauer als nationale Geme<strong>in</strong>schaft zus;;;;~bi~den. Der e<strong>in</strong>zelne<br />

soll "die Kle<strong>in</strong>heit des Ich" erkennen <strong>und</strong> sich, ohne Distanz <strong>und</strong> Reflexion, erfüllt<br />

;on-,:~y;tl~-chem Schauer" <strong>und</strong> "Erhabenheitsgefühl"131 <strong>in</strong> die Nation<br />

e<strong>in</strong>fügen. In diesem S<strong>in</strong>ne gehörte es wesentlich zur Idee des Denkmals, daß<br />

ihm e<strong>in</strong> Stadion für e<strong>in</strong> "deutsches Olympia" angegliedert werden sollte 132 .<br />

Die Nation die sich <strong>im</strong> Denkmal mit sich selbst identifizieren soll, ist nicht<br />

m~hF.:r


(1901-1906), das weit über se<strong>in</strong>en regionalen Ausstrahlungsbereich h<strong>in</strong>aus<br />

schon bald die "Stellung e<strong>in</strong>es <strong>Nationaldenkmal</strong>s errungen hat"1a6. Das Denkmal<br />

stellt Bist;!:~5~~~J~ ..?l::l1d dar <strong>und</strong> knüpft damit an die deutsche mittelalterliche<br />

Tradition der Rolands-Säulen an. Freilich, es ist <strong>im</strong> Unterschied von<br />

den Vorbildern nicht eigentlich Stadtdenkmal, es liegt isoliert halblandschaftlich<br />

auf e<strong>in</strong>er Anhöhe über dem Hafen, am Aus- <strong>und</strong> E<strong>in</strong>gang <strong>Deutschland</strong>s<br />

zur Welt, weith<strong>in</strong> sichtbar. Se<strong>in</strong> Raum ist nicht e<strong>in</strong> Platz, sondern wie bei den<br />

Bergdenkmälern<br />

der H<strong>im</strong>mel. Und es hat, abgehoben vom Stadtkern,<br />

e<strong>in</strong>en autonomen Maßstab, es konkurriert, obwohl mit <strong>in</strong>sgesamt 23 m<br />

nicht extrem hoch, durch se<strong>in</strong>e <strong>in</strong> die Ferne wirkende Silhouette mit den<br />

Kirchtürmen der Stadt. Die menschliche Figur ist <strong>in</strong>s Riesenhafte, auf 15 m,<br />

gesteigert <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er monumentalen architektonischen Form stilisiert: Bismarck<br />

ist mit gepanzerter Rüstung umkleidet, die Hände liegen vor der Brust<br />

auf dem Griff des zur Ruhe gestellten Schwertes, von der Schulter fällt e<strong>in</strong><br />

Mantel <strong>in</strong> schweren Falten herab <strong>und</strong> endet <strong>in</strong> zwei am Sockel sitzenden Adlern;<br />

die Figur ruht so <strong>in</strong> ihrer Größe <strong>und</strong> Mächtigkeit ganz <strong>in</strong> sich. Alle<br />

menschlich <strong>in</strong>dividuellen <strong>und</strong> zeitlich historischen Züge s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e übermenschlich<br />

zeitlose Objektivität, ja <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e archaische Starrheit aufgehoben.<br />

Die durchgehaltene vertikale Symmetrie <strong>und</strong> die als Material verwandten Granitquader<br />

verstärken die blockartige, geschlossene Wirkung. Die Statue ist zum<br />

Turm geworden.<br />

Diese Form galt vielen Zeitgenossen als ausgesprochen deutsch. "Schlichtheit<br />

<strong>und</strong> Geschlossenheit", "Wucht <strong>und</strong> Größe" zeichneten das Werk aus, "es ist<br />

das die entschlossene Abkehr von der e<strong>in</strong>gerissenen Veräußerlichung der Kunst,<br />

ihrer Abhängigkeit von der Nachahmung des Fremdländischen <strong>in</strong> Vergangenheit<br />

<strong>und</strong> Gegenwart, das nach Schlichtheit, Innerlichkeit <strong>und</strong> Kraft,<br />

kurz nach e<strong>in</strong>er, manchmal zwar noch etwas ungeschlachten, aber doch ausgesprochen<br />

deutschen Eigenart <strong>in</strong> Wurf <strong>und</strong> Werk"131. Endlich schien e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Denkmal der nationale Gehalt auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spezifisch nationalen Form<br />

ausgedrückt zu se<strong>in</strong>.<br />

Der politische S<strong>in</strong>n der Denkmalsform war es, die Person Bismarcks <strong>in</strong>s Heldenhafte<br />

<strong>und</strong> Ideale zu steigern, ja ihn zum mythischen Symbol zu erheben<br />

13S • Bisl!tarck war nicht nur, sondern er ist gegenwärtig <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer -<br />

der Hüter


aber steht e<strong>in</strong>e .unsicherheit, e<strong>in</strong>e gehe<strong>im</strong>e Angst vor der Auflösung der Volksgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>und</strong> dem Machtverlust <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er glücklosen Weltpolitik. Der dem<br />

Begriff der Nation <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>in</strong>härente dynamische Bezug, daß Nation<br />

nicht ist, sondern ständig erst wird, <strong>und</strong> daß das deutsche Nationalgefühl darum<br />

ständig <strong>in</strong>tensiviert werden müsse: das kommt auch <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong> der Bewegung<br />

filr die Bismarck-Denkmäler zum Ausdruck.<br />

VII.<br />

Wenn wir zusammenfassend auf die behandelten Typen des <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

<strong>und</strong> die Fliil~~d~~~ih~~~'~~ugeordneten e<strong>in</strong>zelnen Denkmäler <strong>und</strong> Entwürfe<br />

zurückblicken, so ergeben sich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Reihe positiver <strong>und</strong> negativer Geme<strong>in</strong>samkeiten:<br />

es ergeben sich Merkmale, die das deutsche <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

als e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Phänomen begreifen lassen. Die Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

ist <strong>in</strong> der Zeit <strong>und</strong> unter dem E<strong>in</strong>druck der Französischen Revolution <strong>und</strong> der<br />

Freiheitskriege entstanden, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Mehrzahl von Ausprägungen,<br />

<strong>und</strong> die Idee wie die Ausprägungen der Entstehungszeit haben die Geschichte<br />

des <strong>Nationaldenkmal</strong>s <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> e<strong>in</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert lang fast durchweg best<strong>im</strong>mt<br />

oder doch mitbest<strong>im</strong>mt. Die Anschauung war dem Jahrh<strong>und</strong>ert noch<br />

,e<strong>in</strong>e lebendige Wirklichkeit <strong>und</strong> Kraft, ja die Kunst gewann gerade <strong>in</strong>nerhalb<br />

der Wertordnung des gebildeten Bürgertums e<strong>in</strong>en besonders hohen Stellenwert;<br />

nach Kirche, Rathaus <strong>und</strong> S.chloß wurde nun <strong>in</strong> dem vom Bürgertum geprägten<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert das Denkmal neben Museum <strong>und</strong> Theater zum repräsentativen<br />

öffen~l~ch~JJ Bau. In di~en Zusammenhang gehört die Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s~<br />

Es sollte Symbol der nationalen Identität se<strong>in</strong>: <strong>und</strong> von ihm her<br />

sollte e<strong>in</strong> <strong>im</strong>mer erneuter Anstoß zum Gew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Befestigen der Identität<br />

ausgehen, es hatte e<strong>in</strong>en spezifischen nationalpädagogischen S<strong>in</strong>n, e<strong>in</strong>en dynamischen<br />

Anspruch, wie er der Struktur des neueren Nationalismus entsprach.<br />

Und da <strong>im</strong> Zeitalter des Nationalismus die Nation <strong>in</strong> die Reihe der höchsten<br />

Werte e<strong>in</strong>rückte, ja zum <strong>in</strong>nerweltlich höchsten Wert werden konnte, war mit<br />

der Idee des <strong>Nationaldenkmal</strong>s vielfach mehr oder m<strong>in</strong>der explizit die Idee e<strong>in</strong>er<br />

nationalen KultJ' verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> auch die Bauform der Denkmäler enthielt<br />

kultische Züge, Rem<strong>in</strong>iszenzen <strong>und</strong> Ansprüche. Die Verb<strong>in</strong>dung der Idee<br />

des <strong>Nationaldenkmal</strong>s mit rel~sen Elementen Nationalkirche <strong>und</strong> Nationaltempel<br />

- oder die am jährh<strong>und</strong>ertanfang wie am Jahrh<strong>und</strong>ertende best<strong>im</strong>mende<br />

Tendenz, die <strong>im</strong> Denkmal dargestellten Personen oder Ereignisse<br />

mythisch zu erhöhen, <strong>und</strong> damit die Nation selbst, oder die zahlreichen Berufungen<br />

auf die germanische Urgeschichte gehören <strong>in</strong> diese Richtung; nur <strong>in</strong> der<br />

Zeit des historistisch gep;~gt;;;'lndividualdenkmals <strong>und</strong> des nichtarchitektonischen<br />

allegorischen Denkmals, von Rauchs Friedrichs-Denkmal bis zum Niederwalddenkmal,<br />

treten diese kultisch mythischen Züge zurück oder werden <strong>in</strong><br />

den Historismus aufgehoben; das Hermanns-Denkmal ~Urrd<strong>in</strong>gs hält trotz se<strong>in</strong>er<br />

Form durch die Wahl se<strong>in</strong>es Helden die mythische D<strong>im</strong>ension offen.<br />

170<br />

-- .....<br />

Schließlich gehört <strong>in</strong> diesen Zusammenhang die fast durchgängige Vorliebe für<br />

das stadtferne Denkmal, das Bergheiligtum, <strong>in</strong> ihr zeigt sich, wie Nation <strong>und</strong><br />

Geschichte jenseits der Zivilisation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übergeschichtlichen Gr<strong>und</strong> festgemacht<br />

werden, 'i~dem sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en "tieferen" Bezug zu der religiös verklärten<br />

Natur, die zum Abbild der Unendlichkeit <strong>und</strong> zur eigentlichen Region der Seele,<br />

ja der deutschen Seele wird, gestellt werden. Aber, das ist nun die negative<br />

Geme<strong>in</strong>samkeit, das <strong>Nationaldenkmal</strong> ist <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> fast das ganze<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert h<strong>in</strong>durch mehr Idee <strong>und</strong> Anspruch als anerkannte Wirklichkeit.<br />

Im mittelpunktlosen Land hat es ke<strong>in</strong>en eigentlichen Ort, die Denkmäler bleiben<br />

Jm~s G·tib~~ clasL~nd verstreut, jeder Ortswahl etwas Künstliches<br />

an, erst mit der Allgegenwart der Bismarck-Denkmäler sche<strong>in</strong>t dieses Problem<br />

gelöst. Der nationale Stil als Ausdruck der <strong>im</strong> Denkmal präsenten nationalen<br />

Idee blieb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Jahrh<strong>und</strong>ert, das mit dem Klassizismus begann <strong>und</strong> ihn<br />

dann durch e<strong>in</strong>e <strong>im</strong>mer noch ansteigende Stilunsicherheit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en dementsprechenden<br />

Stilpluralismus ersetzte, e<strong>in</strong>e Illusion, so sehr sich Künstler <strong>und</strong><br />

Kritiker darum bemühten. Das "Nationale" ist darum niemals unbestritten zur<br />

künstlerischen Form geworden. Vor allem aber blieb d~f};halt des <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

problematisch. Die Vielzahl der <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>'rebendigen staatlichen,<br />

kulturellen, historischen <strong>und</strong> politischen Traditionen <strong>und</strong> der Streit um<br />

diese Traditionen haben bewirkt, daß wiederum bis fast zum Ende des Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

ke<strong>in</strong> Ereignis <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Person, ke<strong>in</strong>e Allegorie <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e Sammlung<br />

der großen Deutschen e<strong>in</strong>deutig den Rang e<strong>in</strong>es nationalen Symbols errungen<br />

hat. Die E<strong>in</strong>heit der Ereignisse, <strong>in</strong> denen die nationale Bewegung gründete, der<br />

Freiheitskriege, zerrann <strong>in</strong> der partikularstaatlichen Wirklichkeit <strong>und</strong> der<br />

Mehrzahl der Auslegungen; selbst die Reichsgründung, die für alle zum nationalen<br />

Ereignis geworden war, blieb <strong>in</strong> ihrer Deutung umstritten, die liberalmonarchischen,<br />

die dynastischen, die machtstaatlichen <strong>und</strong> die <strong>in</strong>tegral-nationalen<br />

Momente standen nebene<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> gewannen - trotz mancher Kompromisse<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Denkmalsgruppen Gestalt: Niederwalddenkmal,<br />

Kaiser-Wilhelm-Denkmäler <strong>und</strong> Bismarck-Türme beziehen sich eben ganz verschieden<br />

auf die Reichsgründung. In den Denkmälern, die Nationaldenkmäler<br />

zu se<strong>in</strong> beanspruchten, treten so die gegensätzlichen Ausprägungen des deutschen<br />

Nationalbewußtse<strong>in</strong>s zutage: das ~~f~Pionarchi~che:"'das national~mokratische,<br />

das n~tionakhristliche unl"das nationalkulturelle BewuIStse<strong>in</strong>; das<br />

Unterschiedliche i7t;' gleich~eitig. Gerade darum abe't'konnte kaum e<strong>in</strong>es den<br />

Anspruch, Symbol der nationalen Integration zu se<strong>in</strong>, real erfüllen. Und als <strong>in</strong><br />

den Bismarck-Denkmälern die gegensätzlichen nationalen Traditionen zu verschmelzen<br />

schienen, war die nationale E<strong>in</strong>heit durch Sozialistengesetz <strong>und</strong><br />

Klassenkampf erneut zerspalten: diese Denkmäler richteten sich gerade gegen<br />

e<strong>in</strong>en Teil der Nation, auch ihr Anspruch auf nationale Repräsentanz blieb<br />

fragwürdig.<br />

Neben diesen Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>in</strong> Idee, Wirklichkeit <strong>und</strong> Problematik der<br />

Nationaldenkmäler lassen sich L<strong>in</strong>ien der historischen Entwicklung <strong>und</strong> Veränderung<br />

feststellen. Es ändert sich die Gestalt des Denkmals. Auf die symboli-<br />

171


sehen Architekturen des Klassizismus <strong>und</strong> der Romantik folgen die historistisch<br />

<strong>in</strong>dividuelle Porträtplastik <strong>und</strong> die plastische Allegorie, <strong>und</strong> sie werden schließlich<br />

wieder - getrieben vom Willen zur überw<strong>in</strong>dung des epigonalen Realismus<br />

<strong>und</strong> vom Zug zum Pathetischen oder Heroisch-Monumentalen - von e<strong>in</strong>er<br />

symbolischen Architektur oder e<strong>in</strong>er architektonischen Stilisierung des<br />

Porträts abgelöst. Es ändert sich der<br />

Denkmals: an die Stelle des<br />

Individuums tritt die Masse oder die<br />

an die Stelle der Gebildeten<br />

das politisierte VolGunächst das Volk der liberal-bürgerlichen Gesellschaft,<br />

dann -a~';:~Volk der nationalen ,<strong>und</strong> antisozialistischen Sammlung. Dar<strong>in</strong><br />

sich das Ausgreifen der nationalen Bewegung auf das ganze Volk wie<br />

die Verschiebungen, die <strong>im</strong> Verhältnis von Individuum <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft <strong>im</strong><br />

Liberalismus <strong>und</strong> <strong>im</strong> Nationalismus vorgegangen s<strong>in</strong>d. Vor allem schließlich<br />

yerschieben sich die Inhalte. Trotz der lange bestehenden Gleichzeitigkeit der<br />

u;ie!sCJ:iI;;arrCIlen-N'iuoniIideen <strong>und</strong> -traditionen, trotz der Pluralität der symbolwürdigen<br />

Ereignisse, Ideen <strong>und</strong> Gestalten gibt es e<strong>in</strong>e Entwicklung: was <strong>in</strong><br />

den nicht nur projektierten, sondern faktisch gebauten Denkmälern dom<strong>in</strong>iert,<br />

das ändert sich <strong>im</strong> Laufe des Jahrh<strong>und</strong>erts deutlich. Bis zur Reichsgründung ist,<br />

wenn man von den partikularstaatlichen Denkmälern "C;b~T~ht, <strong>im</strong> wesentlichen<br />

nur das nationalkulturelle Denkmal wirklich gebaut worden, Kultur <strong>und</strong> Geschichte<br />

best<strong>im</strong>men vorrangig das Wesen der Nation; die Ideen der nationalen<br />

Kirche <strong>und</strong> des nationaldemokratischen Denkmals blieben Ideen oder kamen<br />

über Ansätze nicht h<strong>in</strong>aus, das staatenbündisch-:föderalistische Denkmal, die<br />

Kelhe<strong>im</strong>er Befreiungshalle, bildet e<strong>in</strong>e A~snahme. Mit der Reichsgründung<br />

wird die Politik genauer die Verfassungs frage für das <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

prägend, die<br />

<strong>und</strong> die demol:l.ratische IgJ:egration werden für das<br />

Wesen der Nation konstitutiv <strong>und</strong> damit zum Sy~bol der Repräsentation: die<br />

Monarchie ist nun erst mit der gesamtnationalen verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> diese<br />

ursprünglich liberal-demokratische Bewegung ist aus der Opposition herausgetreten,<br />

ist staatlich-<strong>in</strong>stitutionell legit<strong>im</strong>iert. Die monarchisch-demokratischen<br />

Kompromißdenkmäler der 70er <strong>und</strong> SOer Jahre, die zuerst die gegensätzlichen<br />

<strong>Nationalidee</strong>n zu versöhnen suchten, <strong>und</strong> die etwas künstlich <strong>in</strong>augurierten nationalmonarchischen<br />

Denkmäler des Wilhelm<strong>in</strong>ismus bezeugen die Bedeutung,<br />

die die verfassungsmäßige Ordnung für die Identität der Nation gewonnen<br />

hat. Gleichzeitig spielt das Machtmoment e<strong>in</strong>e größere Rolle <strong>und</strong> dJ1!.ngt die<br />

Feier demokratischer Freiheii-~'~rer monarchischer Ordnung zurück, die Nation<br />

versteht sich mehr als Machtgebilde <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Wesen <strong>in</strong> ihrer<br />

Macht. Am Ende dieser Entwicklung steht schließlich, ältere Traditionen verschmelzend<br />

<strong>und</strong> umbildend, das Denkmal der nationalen Sammlung, <strong>in</strong> dem<br />

der pathetische Machtgestus des Wilhelm<strong>in</strong>ismus schon wieder zurückgenommen<br />

wird. Freilich bleibt die Macht wesentliches Element der Identitätsf<strong>in</strong>dung,<br />

dazu aber tritt die Idee der blockartigen Geschlossenheit der Nation <strong>und</strong><br />

die Neuorientierung an e<strong>in</strong>em - allerd<strong>in</strong>gs vagen - Komplex <strong>in</strong>nerer Werte.<br />

Die heroisc;he St<strong>im</strong>mung der Denkmäler dieses Typus aber zeugt von e<strong>in</strong>em<br />

,~" Gefühl der <strong>in</strong>neren <strong>und</strong> äußeren Bedro91heit der Nation, das den Erfahrungen<br />

172<br />

der glücklosen Welt~ <strong>und</strong> Klassenpolitik korrespondierte, auch <strong>in</strong> der ruhigen<br />

Unerschütterlichkeit der Bismarck-Denkmäler ist das Nationalgefühl noch<br />

nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ruhige Gleichgewichtslage gekommen. Auch <strong>und</strong> gerade an diesem<br />

Typus der »geglückten" Nationaldenkmäler wird darum die Problematik von<br />

<strong>Nationalidee</strong> <strong>und</strong> Nationalbewußtse<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> deutlich.<br />

173

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!