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Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

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In Süddeutschland gibt es e<strong>in</strong>ige wenige partikularstaatliche Verfassungs denkmäler<br />

aus der Zeit des Vormärz, die Konstitutionssäule <strong>in</strong> Gaibach mit der Inschrift:<br />

"Der Verfassung Bayerns, ihrem Geber Max<strong>im</strong>ilian Josef, ihrem Erhalter<br />

Ludwig zum Denkmal 1828", <strong>und</strong> die Denkmäler, die den Landesherrn als<br />

Gründer der Verfassung gewidmet s<strong>in</strong>d: so der Karlsruher Obelisk von 1832,<br />

"dem Gründer der Verfassung", dem Großherzog Karl gewidmet; das Darmstädter<br />

Ludwigs-Monument, vom "hessischen Volk" 1844 errichtet, der Großherzog<br />

hält die Verfassung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er rechten Hand, die E<strong>in</strong>weihung wurde als<br />

großes nationales Integrationsfest gefeiert; oder das schöne Max-Josef-Monument<br />

von Rauch, e<strong>in</strong>e Stiftung der Münchener Bürger von 1828, bei dem die<br />

Verleihung der Verfassung <strong>im</strong>merh<strong>in</strong> <strong>im</strong> Sockelrelief dargestellt ist; <strong>in</strong> diesen<br />

Fällen spielt die Verfassung als Integrationssymbol für die E<strong>in</strong>zelstaaten e<strong>in</strong>e<br />

nicht unbeträchtliche Rolle. Die Revolution von 1848 konnte nach ihrem<br />

Scheitern nicht zum Anlaß e<strong>in</strong>es feiernden Denkmals oder auch nur e<strong>in</strong>es<br />

Mahnmals, e<strong>in</strong>es anschaulichen Symbols liberal demokratischer Bemühungen um<br />

e<strong>in</strong>e neue Form der nationalen Identität werden. Erst am Ende der Reaktionsperiode<br />

gibt es noch e<strong>in</strong>mal Ansätze zu nationaldemokratischen Denkmalsbewegungen:<br />

seit 1857 propagierten die Liberalen gegen zähen Widerstand der<br />

Konservativen <strong>und</strong> der Regierung e<strong>in</strong> von allen Deutschen zu errichtendes<br />

Ste<strong>in</strong>-Denkmal, 1865 war das Denkmal dann vollendet <strong>und</strong> mit der merkwürdigen<br />

partikular-staatlich-monarchischen <strong>und</strong> nationaldemokratischen Doppelformel<br />

"Dem M<strong>in</strong>ister Freiherrn vom Ste<strong>in</strong> König Wilhelm von Preußen <strong>und</strong><br />

das deutsche Volk" <strong>in</strong> der Inschrift versehen, aber erst 1875 wurde es auf abgelegenem<br />

Platz mit geänderter Inschrift: "das dankbare Vaterland", aufgestellt<br />

<strong>und</strong> konnte <strong>in</strong> dem neuen Nationalbewußtse<strong>in</strong> des Kaiserreiches e<strong>in</strong>e nationale<br />

Funktion nicht mehr erfüllen 93 • Khnlich g<strong>in</strong>g es mit dem zwischen<br />

1861 <strong>und</strong> 1872 von den deutschen Turnvere<strong>in</strong>en aus aller Welt, "wo <strong>im</strong>mer<br />

deutsche Männer wohnen", errichteten Jahn-Denkmal, bei dessen Enthüllung<br />

es noch heißt, man habe die deutsche E<strong>in</strong>heit "den Reaktionären aller Schattierungen<br />

<strong>im</strong> Inneren" <strong>und</strong> dann allerd<strong>in</strong>gs auch den "Anmaßungen der Fremden"<br />

abgerungen 94 •<br />

Erst als die nationalliberale Bewegung historisch geworden war, als sie nicht<br />

mehr beanspruchen konnte, die Nation als Ganzes zu repräsentieren, hat a~~h<br />

sie <strong>in</strong> der herrschenden Denkmals<strong>in</strong>flation ihre Denkmäler bekommen, so freilich,<br />

daß die liberal-demokrati";chenElemente ganz den nationalen untergeord­<br />

_l!~t wurden: es s<strong>in</strong>d·'Denkmäler der Anpassung des Liberalismul· and~s Bismarcksche<br />

Reich. So wurde aus e<strong>in</strong>em Frankfurter Denkmal für 1848, das<br />

Sonnemann angeregt hatte, das Denkmal "für die Vorkämpfer deutscher E<strong>in</strong>heit<br />

<strong>in</strong> den Jahren der Vorbereitung" (1903), e<strong>in</strong> historisch-allegorisches Bilderbuchdenkmal,<br />

das dem kle<strong>in</strong>deutsch offiziösen Geschichtsbild entsprechend<br />

die Bismarcksche Reichse<strong>in</strong>igung - <strong>in</strong> Frankfurt freilich ohne die Etappe von<br />

1866! - als Erfüllung der liberal nationalen Bestrebungen ansah 95 • So ist auch<br />

das Burschenschaftsdenkmal auf der Göpelskuppe bei Eisenach (1902) zu e<strong>in</strong>em<br />

Denkmal für das "gee<strong>in</strong>te Vaterland" <strong>und</strong> für alle die, die die Reichse<strong>in</strong>igung<br />

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vollbrachten oder ihr den Weg bereiteten, geworden. Die Anpassung der Burschenschaften<br />

an den neuen - machtstaatlichen - Nationalismus wird <strong>in</strong> der<br />

Zurückdrängung der liberalen Anfänge deutlich: <strong>in</strong> den Festreden wird das<br />

Wort ~,Fre~heit" zur "Geistesfreiheit" verharmlost 96 • Neben Wilhelm, Bismarck,<br />

R~on <strong>und</strong> Moltke steht von den Gestalten der burschenschaftlichen Geschichte<br />

nur Karl August als Figur <strong>im</strong> Zentralraum des Baues, der eigentlichen<br />

Großen ihrer Geschichte wird nur noch auf Tafeln hoch <strong>im</strong> Raum, kaum lesbar,<br />

gedacht; <strong>in</strong> der Höhe der äußeren Turmfront er<strong>in</strong>nert die Reihe der Köpfe,<br />

Hermann, Karl der Große, Luther, Dürer, Goethe, Beethoven, seltsam unverb<strong>und</strong>en,<br />

noch an die Walhalla-Idee. Die Bauform, e<strong>in</strong> gedrungener,-'iurmartiger<br />

R<strong>und</strong>tempel mit 9 enggestellten mächtigen Säulen mit dorisierenden Kapitellen,<br />

die durch e<strong>in</strong> Architrav zusammengehalten werden, mit der Inschrift:<br />

"Freiheit E<strong>in</strong>heit Vaterland", das Ganze von e<strong>in</strong>er Kaiserkrone gekrönt,<br />

drückt e<strong>in</strong>en gesammelten Ernst, e<strong>in</strong>e stark "nordisch" orientierte, herbe Monumentalität<br />

aus; der germanische Akzent <strong>und</strong> der merkwürdig tragische E<strong>in</strong>schlag<br />

kommt <strong>in</strong> dem Deckengemälde, e<strong>in</strong>er Darstellung der Götterdämmerung,<br />

besonders zum Ausdruck. Damit gew<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong>e neue Form des Nationalbewußtse<strong>in</strong>s<br />

Gestalt, weniger auftrumpfende Siegesgebärde als verhaltene<br />

Kraft, "tiefer", an idealen Werten orientierter Ernst, e<strong>in</strong> Gefühl für die Bedrohtheit<br />

der Nation <strong>und</strong> für die Notwendigkeit der Ver<strong>in</strong>nerlichung <strong>und</strong><br />

Konzentration, e<strong>in</strong>e Haltung, die wir <strong>in</strong> den Bismarck-Säulen des gleichen Architekten,<br />

Wilhelm Kreis, <strong>und</strong> den Denkmälern der nationalen Konzentration<br />

wiederf<strong>in</strong>den werden. Der Bau ist se<strong>in</strong>er Form nach über den wilhelm<strong>in</strong>ischen<br />

Stil, der etwa die Festreden noch beherrscht, schon h<strong>in</strong>aus.<br />

Das eigentliche national demokratische Denkmal hatte, seitdem der bürgerliche<br />

Liberalismus zwischen dem preußisch-monarchischen Machtstaat <strong>und</strong> der Sozialdemokratie<br />

sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mehrheit an die vornehmlich konservativ best<strong>im</strong>mte<br />

Ordnung angepaßt hatte, ke<strong>in</strong>e Chance mehr. Wohl aber haben sich<br />

<strong>im</strong> ersten Jahrzehnt des Reiches die national demokratischen Tendenzen mit<br />

anderen nationalen Tendenzen verflochten. Die beiden großen Nationaldenkmäler<br />

der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre, das Niederwaldd~nk<strong>in</strong>al <strong>und</strong> das Hermanns­<br />

Denkmal, muß man politisch als s<strong>in</strong>nfälligen Ausdruck des Ko~omisses zwischen<br />

nationaldemokratischen <strong>und</strong> nationalmonarchischen Tendenzen <strong>und</strong><br />

Kräften verstehen.<br />

Die Anregung zu e<strong>in</strong>em <strong>Nationaldenkmal</strong> am Rhe<strong>in</strong> zum Gedenken der Ereignisse<br />

von 1870/71 entstand <strong>im</strong> Frühjahr 1871 <strong>in</strong> der nationalliberalen Offentlichkeit,<br />

die Kölnische Zeitung griff den Gedanken auf, hier ist schon von<br />

e<strong>in</strong>er "Germania" die Rede. E<strong>in</strong> Wiesbadener Kurdirektor schlug den Niederwald<br />

als Standort vor, nachdem zunächst auch Drachenfels <strong>und</strong> Loreley als<br />

Standorte diskutiert worden waren, e<strong>in</strong> Z~~spen für die merkwürdige Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Nationalgedanken <strong>und</strong> Rhe<strong>in</strong>romantik 97 • Dieser Vorschlag fand, weil<br />

er <strong>in</strong> die überregionale Presse kam u~d""';"eil sich der damalige preußische Regierungspräsident<br />

Botho Eulenburg e<strong>in</strong>schaltete <strong>und</strong> die Zust<strong>im</strong>mung Bismarcks<br />

gewann, allgeme<strong>in</strong>e Anerkennung. E<strong>in</strong> regionales <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er Denkmals-<br />

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