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Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

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11.<br />

Der erste Typus, den wir zu behandeln haben, ist das Denkmal der durch<br />

den Bezug zum Monarchen konstituierten <strong>und</strong> gee<strong>in</strong>ten Nation, das n,atio~a,lmonarchische<br />

oder national-dynastische Denkmal. Die Nation, die <strong>in</strong> solchem<br />

D"';;n~al repräsentiert wird, ist selbstverständlich die Staatsnation, d. h. bis<br />

1871 die partikularstaatliche Nation.<br />

In der Renaissance <strong>und</strong> <strong>im</strong> Barock ist der Typus des Fürsten- <strong>und</strong> Ruhmesdenkmals<br />

ausgebildet worden. E<strong>in</strong> solches Denkmal repräsentiert zunächst<br />

nichts als sich selbst, den Ruhm <strong>und</strong> die Macht des Dargestellten, dessen Andenk~~~sv~;ewigen<br />

soll; zwischen dessen Se<strong>in</strong> als <strong>in</strong>dividueller Person <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> als Fürst kann nicht unterschieden werden. Im späten 18. Jh. dann<br />

setzt <strong>im</strong> Zuge der Aufklärung e<strong>in</strong> Vorgang e<strong>in</strong>, den man als "Moralisierung"<br />

<strong>und</strong> "Patriotisierung" der Denkmalsidee charakterisieren kann'; das Denkmal<br />

soll e<strong>in</strong> ~Ve;di~nst ehren, <strong>und</strong> es soll zur bürgerlichen Tugend erziehen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

soll es den Patriotismus wecken <strong>und</strong> bestärken. E<strong>in</strong> Denkmal ist<br />

lohnung für Verdienste, deren Andenken durch dasselbe auf die Nachwelt gebracht<br />

wird <strong>und</strong> die Gemüther zu gleicher Erlangung der Unsterblichkeit anfeuert"5.<br />

Von den öffentlichen Denkmälern der Griechen heißt es: "Welche<br />

starken <strong>und</strong> dauernden E<strong>in</strong>drücke zu edlen Er<strong>in</strong>nerungen <strong>und</strong> Nacheiferungen<br />

mußten sie nicht e<strong>in</strong>prägen. Es konnte nicht fehlen, der Bürger mußte da für<br />

das Vaterland <strong>und</strong> für die Tugend empf<strong>in</strong>den lernen ..."6 Im Zuge dieser<br />

Tendenz wird e<strong>in</strong>mal der Kreis derer, die e<strong>in</strong>es Denkmals würdig s<strong>in</strong>d, ja es<br />

beanspruchen können, weit über den Kreis der Fürsten <strong>und</strong> Feldherren ausgedehnt.<br />

Zum andern wird der Fürst nicht mehr als Fürst, sondern aufgr<strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>er Verdienste als Individuum geehrt. Und mit dem Vordr<strong>in</strong>gen des Geniekults<br />

wird es die "Größe" des Individuums, die man verherrlicht. Damit tritt<br />

die merkwürdige Paradoxie e<strong>in</strong>, daß das Denkmal für das verdienstvolle große<br />

Individuum zugleich zu e<strong>in</strong>em Symbol der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Genius sich offenbarenden<br />

über<strong>in</strong>dividuellen Kräfte wird <strong>und</strong> daß schließlich das Denkmal des Fürsten<br />

a~~h~~-;<strong>in</strong>em'De~kmal des <strong>in</strong> ihm repräsentierten über<strong>in</strong>dividuellen Zusammenhanges,·<br />

zu e<strong>in</strong>em Denkmal des Staates, des Vaterlandes, der Nation<br />

werden kann.<br />

In diese Entwicklung gehören die seit 1786 diskutierten Pläne, e<strong>in</strong> Denkmal<br />

für den Großen zu errichten, <strong>und</strong> <strong>in</strong> dieser Diskussion ist zuerst die<br />

Idee e<strong>in</strong>es partikularstaatlichen - <strong>Nationaldenkmal</strong>s entstanden. Nach<br />

Friedrichs Tod hat die Akademie der Wissenschaften zunächst als alle<strong>in</strong> würdige<br />

e<strong>in</strong> neu entdecktes Sternbild nach dem König "Friedrichs Ehre" genannt,<br />

ihn, den Heros, so zu den Sternen erhoben, ihm e<strong>in</strong> Sternendenkmal gesetzt.<br />

Gleichzeitig entstanden aber auch reale Denkmalspläne, 1791 <strong>und</strong> 1797<br />

wurden auf Befehl Friedrich Wilhelms 11. Konkurrenzen für e<strong>in</strong> Friedrichs­<br />

Denkmal ausgeschrieben; von 1786 bis nach 1800 beschäftigte diese Angelegenheit<br />

die Künstler <strong>und</strong> das preußische, zumal das Berl<strong>in</strong>er Publikum.<br />

136<br />

Aus der Vielzahl der Entwürfe <strong>und</strong> der umfangreichen publizistischen Diskussion<br />

hebe ich nur die Momente heraus, die über das Fürstendenkmal oder<br />

das Denkmal des großen Genius h<strong>in</strong>aus zum <strong>Nationaldenkmal</strong> führen 1 • Zunächst<br />

stellte sich die Frage nach e<strong>in</strong>er "nationalen" Funktion des Denkmals <strong>in</strong><br />

dem sogenannten "Kostümstreit". Es war nicht mehr selbstverständlich, sondern<br />

e<strong>in</strong>e Frage geworden, ig.Felchem "Kostüm" Friedrich darzustellen sei,<br />

e<strong>in</strong> Vorgang, auf dessen außerordentliche kunst- <strong>und</strong> geistes geschichtliche Bedeutung<br />

ich hier nur gerade h<strong>in</strong>weisen kann. Die Alternative war, ob das antike<br />

oder das zeitgenössische Kostüm angemessen sei, <strong>und</strong> darüber wurde mlt-zilnächst<br />

alle<strong>in</strong> ä:;thetischen Argumenten gestritten. Immerh<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Vertreter der<br />

"Realisten", der Gehe<strong>im</strong>e F<strong>in</strong>anzrat Vogel, gab schon e<strong>in</strong>e ideologisch-politische,<br />

ja nationale Begründung mit e<strong>in</strong>em fast revolutionären Unterton: Friedrich<br />

habe <strong>im</strong> Gegensatz zu den Römern, die e<strong>in</strong> Volk von Herren <strong>und</strong> Sklaven<br />

gewesen seien, Völker <strong>und</strong> Könige gelehrt, "daß die Könige um des Volkes<br />

willen da seien"s, <strong>und</strong> damit rechtfertigt er das nicht-antike, eben das zeitgenössische<br />

Kostüm. Schließlich gab es e<strong>in</strong>e dritte Partei, die Anhänger der seit<br />

Klopstock aufgekommenen Hermanns-Mode, die Friedrich <strong>in</strong> altgermanischem,<br />

"teutschem" Kostüm darstellen wollten; e<strong>in</strong>e der Begründungen war, e<strong>in</strong> solches<br />

Kostüm sei passender <strong>und</strong> "dem Nationalgeist weit schmeichelhafter" als<br />

das altrömische 9 ; das germanische Kostüm hatte also e<strong>in</strong>e nationale Funktion.<br />

Andere Momente, mit denen e<strong>in</strong>e Reihe von Entwürfen über das herkömmliche<br />

Fürstendenkmal <strong>in</strong> Richtung auf e<strong>in</strong> <strong>Nationaldenkmal</strong> h<strong>in</strong>ausgehen, s<strong>in</strong>d<br />

die Repräsentation der Nation <strong>im</strong> Denkmal durch Zeitgenossen, Embleme oder<br />

allegorische Figuren <strong>und</strong> die Inschriften, <strong>in</strong> denen das Vaterland als Stifter des<br />

Denkmals genannt wird 1o •<br />

Vor allem aber haben e<strong>in</strong> gewisser, sonst unbekannter A. F. Krauss <strong>und</strong> der<br />

junge Architekt Friedrich Gilly diese Pläne <strong>in</strong> die D<strong>im</strong>ension e<strong>in</strong>es <strong>Nationaldenkmal</strong>s<br />

erhoben. Krauss veröffentlichte 1796 11 das freilich re<strong>in</strong> verbale Pro-<br />

'-'<br />

jekt e<strong>in</strong>es großen Architekturdenkmals für Friedrich, <strong>und</strong> er nennt es e<strong>in</strong> "Heiligtum<br />

des Vaterlandes", e<strong>in</strong> "Heiligtum der Nation", das der "Verherrlichung<br />

des Vaterlandes" diene. Der Denkrna1mezrrl(zu dem man aus der Stadt heraus<br />

über e<strong>in</strong>e Denkmalsstraße gelangt, die die neuere Geschichte Preußens vers<strong>in</strong>nbildlicht,<br />

ist patriotischer Kultbezirk, <strong>in</strong> dem das Heer jährlich zu feierlicher<br />

Huldigung versammelt wird <strong>und</strong> die Alten den Jungen von den Taten Friedrichs<br />

erzählen. Friedrich steht segnender Gebärde" als der "Genius se<strong>in</strong>er<br />

Völker" - hier noch der charakteristische Plural der Zeit, bevor der Nationalgedanke<br />

ganz durchgedrungen war auf e<strong>in</strong>em "ehernen Altar", e<strong>in</strong>em<br />

Bilde des Altars, den "jeder hochdenkende Borusse ... <strong>im</strong> Herzen ihm weiht<br />

<strong>und</strong> später noch weihen wird".<br />

Wichtiger als diese Phantasie <strong>in</strong> Worten s<strong>in</strong>d die genialen Projekte Gillys<br />

von 1797. Gilly, der Friedrich "mit heiligem Enthusiasmus" verehrte <strong>und</strong> zugleich<br />

tief von der französischen Revolutionsarchitektur, ihren Bauformen wie<br />

ihren patriotischen Zielsetzungen bee<strong>in</strong>flußt war, wollte e<strong>in</strong> Werk, "das zu e<strong>in</strong>em<br />

Nationalheiligtum dienen sollte", e<strong>in</strong> "Beförderungsmittel großer morali-<br />

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