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Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert

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Am Anfang dieser Denkmalsgruppe s<strong>in</strong>d die Pläne vom Beg<strong>in</strong>n des Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zu nennen, e<strong>in</strong> Luth~nkmal zu errichten. Hier tritt, soweit ich sehe,<br />

zuerst der Begriff des "Nazionaldenkmals" aufs!, hier wird zuerst der Gedanke<br />

des öffentlichen Verdien;denkmals mit dem Nationalgedanken verb<strong>und</strong>en.<br />

Die Befürworter des Denkmals glauben noch an e<strong>in</strong>e nationale Repräsentanz<br />

Luthers <strong>und</strong> an die Funktion e<strong>in</strong>es Luther-Denkmals, "Ausdruck des Gesamtwillens<br />

... der Nation" zu se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> sie richten ihre Aufforderung, zum Denkmal<br />

beizutragen, ausdrücklich an ganz <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> an alle Konfessionen.<br />

Nach 1815 ließ die zunehmende Rekonfessionalisierung e<strong>in</strong> solches <strong>Nationaldenkmal</strong><br />

nicht mehr zu, das Wittenberger Luther-Denkmal von Schadow 1821<br />

wurde e<strong>in</strong> protestantisch-preußisches <strong>und</strong> zudem monarchisch gestiftetes Denkmal.<br />

Schadows Blücher-Denkmal <strong>in</strong> Rostock (1819) ist das erste öffentliche <strong>in</strong>dividuelle<br />

Denkmal, das nicht für e<strong>in</strong>en Monarchen <strong>und</strong> nicht von e<strong>in</strong>em Monarchen<br />

errichtet - zeitweise <strong>und</strong> m<strong>in</strong>destens für Nord- <strong>und</strong> Mitteldeutschland<br />

e<strong>in</strong>e wirklich nationale Funktion gehabt hat <strong>und</strong> von e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en<br />

Anteilnahme getragen war, Goethe z. B. hat sich <strong>in</strong>tensiv an überlegungen <strong>und</strong><br />

Planungen beteiligt; für uns ern Zusammenhang ist daran vor allem wichtig,<br />

daß auch für diese erste Realisierung des <strong>in</strong>dividuellen Standbildes e<strong>in</strong>er nationalen<br />

Figur das Erlebnis der Freiheitskriege motivierend <strong>und</strong> prägend gewesen<br />

ist. Seit Ende der 30er Jahre s<strong>in</strong>d dann e<strong>in</strong>e Reihe von Denkmälern nun für<br />

große nicht-politische <strong>und</strong> nicht-militärische Persönlichkeiten errichtet worden,<br />

die wirklich nationale Repräsentanz besaßen, so vor allem das Gutenberg­<br />

Denktnal <strong>in</strong> M.a<strong>in</strong>z 1837 <strong>und</strong> das Schiller-Denkmal <strong>in</strong> Stuttgart 1839.Be<strong>im</strong><br />

Gutenberg-Denkmal <strong>und</strong> dem Fest se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>weihung kl<strong>in</strong>gen vielfältig verschiedene<br />

Motive <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander: das Denkmal gilt e<strong>in</strong>em Bürger, e<strong>in</strong>em Volksmann,<br />

der die geistige Freiheit <strong>und</strong> die liberale Kultur mitbegr<strong>und</strong>et hat <strong>und</strong><br />

den man <strong>in</strong> den Jahren der Zensur besonders gern feiern mochte, gilt e<strong>in</strong>em<br />

Mann, der für die Menschheit <strong>und</strong> die Zivilisation e<strong>in</strong>e entscheidende Leistung<br />

vollbracht hat, <strong>und</strong> darum s<strong>in</strong>d auch alle europäischen Völker <strong>in</strong> die Denkmalssammlung<br />

<strong>und</strong> das Denkmalsfest e<strong>in</strong>bezogen, <strong>und</strong> gilt doch e<strong>in</strong>em Deutschen<br />

<strong>und</strong> "dem deutschen Geist", der "diese Kunst ersonnen" hat, wie es <strong>in</strong><br />

der Inschrift heißt, die nun wiederum late<strong>in</strong>isch abgefaßt ist. Das E<strong>in</strong>weihungsfest<br />

ist e<strong>in</strong> großes ständeübergreifendes Volksfest, e<strong>in</strong> Fest der populären<br />

Aufklärung, e<strong>in</strong> über- <strong>und</strong> antipartikularistisches Fest der nationalen E<strong>in</strong>heit<br />

mit Delegationen aus zahlreichen deutschen Städten, zumeist natürlich von<br />

Druckern <strong>und</strong> Verlegern, e<strong>in</strong> Fest "des Bewußtse<strong>in</strong>s, daß wir e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftliche<br />

He<strong>im</strong>at, e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>schaftliche Sprache, gleiche Gesetze, gleiche<br />

Hoffnungen <strong>und</strong> gleiches Ziel haben"82, e<strong>in</strong> Fest der "brüderlichen deutschen<br />

Geme<strong>in</strong>schaft der Gedanken <strong>und</strong> GefÜhle"83. Etwas stärker politisch akzentuiert<br />

war das nationale Fest zur E<strong>in</strong>weihung des Schiller-Denkmals <strong>in</strong> Stuttgart,<br />

auch dies durch Sammlungen <strong>in</strong> ganz <strong>Deutschland</strong> zustande gekommen <strong>und</strong><br />

darum "<strong>im</strong> wahren S<strong>in</strong>ne des Wortes" e<strong>in</strong> "<strong>Nationaldenkmal</strong>"S4. Welcker<br />

etwa wünschte, die Dichtung möge zur Wahrheit werden, "<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stets herr-<br />

152<br />

licheren Leben unserer großen deutschen Nation, <strong>in</strong> deutscher Männerfreiheit<br />

<strong>und</strong> brüderlicher E<strong>in</strong>heit, <strong>in</strong> unseres Volkes Blüte <strong>und</strong> Macht, Würde <strong>und</strong><br />

Ehre"; <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Professor Baur me<strong>in</strong>te "wie sonst Jerusalem <strong>und</strong> Olympia als<br />

Nationalvere<strong>in</strong>igungspunkte weith<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Lande <strong>und</strong> Gemüter glänzen ... so<br />

glänzen <strong>und</strong> wirken heutzutage die Musik- <strong>und</strong> Monumentalfeste weit h<strong>in</strong>aus<br />

<strong>in</strong> die deutschen Länder <strong>und</strong> Gemüter, durch das Morgentor des Schönen dr<strong>in</strong>get<br />

<strong>und</strong> ist bereits gedrungen der Strahl der deutschnationalen Selbsterkenntnis"S5.<br />

Bei den späteren Denkmalfesten <strong>und</strong> Denkmälern kl<strong>in</strong>gen die politisch<br />

nationalen Töne allerd<strong>in</strong>gs nur noch schwach an 8S • Und bei den Nationaldenkmälern<br />

der 50er Jahre, z. B. dem Herder- (1850), dem Schiller-Goethe<strong>und</strong><br />

dem Wieland-Denkmal <strong>in</strong> We<strong>im</strong>ar (1857), dem Less<strong>in</strong>g-Denkmal <strong>in</strong><br />

Braunschweig (1853), ist der Ausdruck des Nationalen gan~ auf Kultur <strong>und</strong><br />

Innerlichkeit beschränkt, diese Denkmäler waren nicht me~""~y<strong>in</strong>bole, die die<br />

Nation <strong>in</strong>tegrieren oder politisch aktivieren konnten. Inzwischen hatte auch<br />

die Inflation der Individualdenkmäler Platz gegriffen, 1800 gab es 18, 1883<br />

etwa 89Q.cöffentliche Standbilder <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> 87 ; damit wurde der symbolische<br />

Wert e<strong>in</strong>es jeden solchen Denkmals für e<strong>in</strong>e überlokale Geme<strong>in</strong>schaft illusorisch:<br />

auch aus diesem Gr<strong>und</strong>e konnte es niWt mehr <strong>Nationaldenkmal</strong> se<strong>in</strong>.<br />

Die Tatsache, daß der hier erörterte Typus des <strong>Nationaldenkmal</strong>s fast ~~ <strong>in</strong><br />

der ersten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte reale Bedeutung hatte, hängt damit zusammen,<br />

daß <strong>in</strong> dieser Zeit eben die nationale Bewegung noch stark aus dem Bereich der<br />

wirklichen Politik <strong>in</strong> den Bereich der Kultur abgedrängt war <strong>und</strong> daß dieser<br />

Bereich der Kultur als Ersatzraum der versagten politischen Aktivität fungierte.<br />

In der zweiten Jahrh<strong>und</strong>erthälfte ist dann trotz der gescheiterten Revolution<br />

die unmittelbare politische Selbstrepräsentation der Nation alle<strong>in</strong> herrschend<br />

geworden: das hat die Form der Nationaldenkmäler best<strong>im</strong>mt.~<br />

V.<br />

Den vierten Typus nennne ich das <strong>Nationaldenkmal</strong> der demokratisch konstituierten<br />

Nation, das nationaldemokratische Denkmal. Auch ;hat wie die<br />

nationale Kathedrale <strong>und</strong> wie die Walhalla se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> den Freiheitskriegen.<br />

Ernst Moritz Arndt hat 1814 <strong>im</strong> Zusammenhang mit se<strong>in</strong>en Plänen,<br />

den Tag

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