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k deutsch »Zigaretten?« fragt der Junge den Mann vor dem Schaufenster. Der schüttelt den Kopf. Flink <strong>hu</strong>scht Birago weiter, schlängelt sich an den Menschen auf der Straße vorbei. Er trägt einen Bauchladen mit Zigaretten. Der 13-Jährige ist Straßenhändler in Dakar, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates Senegal. Drei Jahre hat er die Sc<strong>hu</strong>le besucht, dann konnten seine Eltern sie nicht mehr bezahlen. Er ist einer von vielen Kindern in dem Land, die auf diese Weise Geld verdienen, um sich und ihre Geschwister durch<strong>zu</strong>bringen. Das soll ihrem Sohn nicht passieren, dachten die Eltern von Akiou. Tag und Nacht verdienten sie das Geld für seine Ausbildung. Er beendete die Sc<strong>hu</strong>le und studierte Sozial<strong>wissen</strong>schaften an der Universität von Dakar. Jetzt ist er 24 Jahre alt, gibt hin und wieder Privatunterricht, eine Anstellung findet er nicht. Die wenigen Positionen, die für ihn in Frage kommen, sind von Älteren besetzt. Die jungen Menschen haben keine Chance, meint nicht nur Akiou. »Das ist das Spektrum der Arbeitssituation in Andreas Eckert ist seit 2007 Professor für die Geschichte Afrikas an der <strong>Humboldt</strong>-Universität; <strong>zu</strong>vor lehrte er an der Universität Hamburg. Er studierte 1985 bis 1990 Geschichte, Französisch und Journalistik in Hamburg, Yaoundé in Kamerun sowie in Aixen-Provence in Frankreich und wurde 1995 in Mittlerer und Neuerer Geschichte an der Universität Hamburg promoviert. Gastprofessuren führten ihn unter anderem nach Paris, Bloomington/Indiana und an die Harvard Universität. Seine Lehr- und Forsc<strong>hu</strong>ngsschwerpunkte sind unter anderem die Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahr<strong>hu</strong>ndert, die Geschichte der Arbeit, des Kolonialismus, der Globalisierung sowie der Geschichts<strong>wissen</strong>scha. andreas.eckert@asa.<strong>hu</strong>-berlin.de Telefon 030 · 2093 - 70204 der afrikanischen Gesellscha«, sagt Andreas Eckert, Professor für Afrikageschichte an der <strong>Humboldt</strong>-Universität, »und beide Jungen haben das Gefühl, betrogen worden <strong>zu</strong> sein.« Richten wir den Blick nach Europa und hier nach Deutschland. Hermann ist Ingenieur. Sein Leben lang hat der <strong>Berlin</strong>er in einem Betrieb Solaranlagen konzipiert und gebaut. Nun ist er 66 Jahre alt, seit einem Jahr bezieht er Rente. Obwohl er gerne weiter gearbeitet hätte, hat seine Firma ihn nicht mehr beschäigt. Heike dagegen ist heilfroh, nicht mehr Geld verdienen <strong>zu</strong> müssen. Die 68-jährige Altenpflegerin bezieht zwar schon seit fünf Jahren Rente, fühlt sich aber noch vollkommen ausgelaugt. Zwei Facetten aus dem Leben älterer Menschen in der Bundesrepublik: Die einen fühlen sich fit und würden gern in ihrem Beruf weiter arbeiten, andere hat das Berufsleben derart viel Kra gekostet, dass sie den Ruhestand dringend benötigen. Die Lage in beiden Ländern scheint nicht gegensätzlicher sein <strong>zu</strong> können: »In Afrika ist 70 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt«, sagt Andreas Eckert, »in Deutschland haben wir <strong>zu</strong>nehmend mehr ältere Menschen.« Doch beide Gesellschaen eint eine Tatsache: Menschen, die potentiell arbeiten können und wollen, werden aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen. Empfinden sie das als sozial ungerecht? Ist ihr Selbstwertgefühl davon beeinträchtigt? Wie stark definieren sie sich über die Arbeit? Welche historischen Ereignisse haben <strong>zu</strong> dieser Situation geführt? Das sind nur einige der Fragen, die der Afrika<strong>wissen</strong>schaler der <strong>Humboldt</strong>-Universität und sein internationales Team mit Wissenschalern aus China, Indien, Afrika oder Österreich untersucht. Interviews mit Menschen und der Kontakt <strong>zu</strong> Betrieben hier wie dort gehören ebenso <strong>zu</strong> den Methoden, Andreas Eckert has been Professor of African History at <strong>Humboldt</strong>-Universität since 2007, having previously taught at the University of Hamburg. He studied history, French and journalism in Hamburg, Yaoundé in Cameroon and Aix-en-Provence in France from 1985 to 1990, and was awarded his doctorate in Medieval and Modern History at the University of Hamburg in 1995. He has held guest professorships in Paris, Bloomington (Indiana) and at Harvard University, among other places. His teaching and research interests include the 19th and 20th century history of Africa, the history of work, colonialism, globalization, and the history of science. ARBEIT / WORK 107