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Stadtanzeiger Nr. 15 vom 19.07.13 - Forchheim

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<strong>Forchheim</strong>er <strong>Stadtanzeiger</strong> - 11 - <strong>Nr</strong>. <strong>15</strong>/13<br />

Ein <strong>Forchheim</strong>er, der Rosenheimer<br />

Stadtgeschichte schrieb:<br />

Josef Wüst (1860 -1929)<br />

Im Rahmen seiner Recherchen für das neue Häuserbuch von Alt-<br />

<strong>Forchheim</strong> stieß der bewährte Lokalhistoriker Reinhold Glas im<br />

Archiv des Erzbistums Bamberg auf den Nachlass eines gebürtigen<br />

<strong>Forchheim</strong>ers namens Josef Wüst. Auszüge daraus stellte Herr<br />

Glas freundlicherweise dem Autor für Veröffentlichungszwecke<br />

zur Verfügung. Diese und weitere Nachforschungen förderten das<br />

Bild einer bemerkenswerten Karriere und einer hochverdienten<br />

Persönlichkeit zu Tage (Vgl. Helmut Braun: Die Ehrenbürger der<br />

Stadt Rosenheim. München 1983). Josef Wüst erblickte am 18.<br />

November 1860 als Sohn des Zimmerers Georg Wüst und dessen<br />

Ehefrau Kunigunda, geb. Pohl, im heutigen Anwesen Hornschuchallee<br />

19/21 („Steinmetz-Haus“) zu <strong>Forchheim</strong> das Licht der<br />

Welt. Er besuchte in Bamberg das Gymnasium und studierte nach<br />

dem Abitur Jura. Nach der Assessorenzeit wurde er zum rechtskundigen<br />

Bürgermeister der Stadt Lauf a. d. Pegnitz berufen.<br />

Doch die große berufsbiografische Weichenstellung erfolgte am<br />

29. April 1889, als die beiden zuständigen städtischen Kollegien<br />

der oberbayerischen Stadt Rosenheim Wüst zum Bürgermeister<br />

wählten. Für die Landstadt an Inn und Mangfall setzten mit der<br />

Administration Wüst drei Jahrzehnte des Aufschwungs ein, in<br />

denen die Einwohnerzahl um 42% von 10.090 auf 17.562 stieg<br />

(Stadtarchiv Rosenheim: Stadtgeschichte, Internet). Der neue Bürgermeister<br />

nahm das Schulwesen durch verbesserte Ausstattung<br />

der Volksschulen und eine starke Förderung der Mittelschulen ins<br />

Visier; ebenso wurde eine „Töchterschule“ gegründet. Er errichtete<br />

ein Elektrizitäts- und ein Gaswerk und ließ es mit der elektrischen<br />

Straßenbeleuchtung „in Rosenheim hell werden“, so H.<br />

Braun in seiner o. g. Broschüre. Auch bekam die Stadt unter Wüst<br />

ein Telefonnetz.<br />

Josef Wüst, geb. 1860 in <strong>Forchheim</strong>,<br />

1889 - 1919 Bürgermeister von Rosenheim,<br />

Kgl. Hofrat und 1925 Ehrenbürger.<br />

Mitglied des Oberbayerischen Landrats.<br />

1905 Ehrenmitglied des Historischen Vereins<br />

<strong>Forchheim</strong>.<br />

Kinder überlebten ihren Vater, für die damalige Zeit keineswegs<br />

selbstverständlich. Die Stadt Rosenheim ehrt das Andenken an<br />

ihren früheren Bürgermeister übrigens auch mit einer Wüststraße,<br />

die etwa 20 Fußminuten <strong>vom</strong> Zentrum entfernt liegt.<br />

Josef Wüst als <strong>Forchheim</strong>er Lokalhistoriker<br />

In seiner Jugend war Josef Wüst ein begeisterter Sammler von<br />

allem Material, das die <strong>Forchheim</strong>er Ortsgeschichte betraf. So<br />

fertigte er umfangreiche Notizen zu Aufsätzen, Literatur und<br />

Originalquellen an. Es ist bis jetzt nicht bekannt, ob er noch in<br />

seiner Rosenheimer Zeit diesem Interesse frönte. Eine sorgfältige<br />

Durchsicht seines Nachlasses könnte hier zur Klärung beitragen.<br />

Jedenfalls ernannte ihn der gerade auf Betreiben Dr. Hans Räbels<br />

gegründete Historische Verein <strong>Forchheim</strong> 1905 zu seinem Ehrenmitglied.<br />

Ob dies in Anerkennung der lokalhistorischen Verdienste<br />

geschah oder, um einen prominenten Verbündeten für das Museumsprojekt<br />

Kaiserpfalz zu gewinnen, sei einmal dahingestellt.<br />

Reinhold Glas wies mich auf einen interessanten Eintrag in einem<br />

der 1878, also mit 18 Jahren, angefangenen Notizen Wüsts zur<br />

Geschichte seiner Vaterstadt hin. Er betrifft eine auf das Jahr 1605<br />

datierte Steintafel mit dem Namen von vier Bürgermeistern. Wüst<br />

berichtet, dass diese Inschrift an der Hauswand der Reitschule im<br />

Zeughof angebracht war. An dieser Aussage ist nicht zu zweifeln,<br />

da im Jahr 1605 der Zeughof errichtet wurde. [Die heute noch<br />

erhaltenen Torhäuser von Lorenz Fink kamen erst 1779 hinzu.]<br />

(Konrad Kupfer: <strong>Forchheim</strong>, S. <strong>15</strong>8; Tilmann Breuer: Bayer.<br />

Kunstdenkmale XII. Stadt und Landkreis <strong>Forchheim</strong>, S. 44; Hermann<br />

Ammon, Hrsg.: <strong>Forchheim</strong> in Geschichte und Gegenwart,<br />

S. 106). Inhaltlich deckt sich die von Wüst beschriebene Tafel mit<br />

der Inschrift, die wir am Registraturbau (Rathausrückgebäude)<br />

lesen. Doch ist diese Tafel mit jener identisch? Geht man davon<br />

aus, dass Wüst korrekt transkribiert hat, sind aufgrund grafischer<br />

Abweichungen einige Zweifel daran durchaus erlaubt.<br />

Die Steintafel mit den Namensinschriften<br />

von vier Bürgermeistern<br />

aus dem Jahr 1605 am Registraturgebäude<br />

des Rathauses. Sie wurde<br />

2011 auf Veranlassung des Heimatvereins<br />

renoviert.<br />

Besondere Anliegen Josef Wüsts waren<br />

auch Wasserversorgung und Kanalisation,<br />

die Innenstruktur des Krankenhauses, die<br />

Begrünung der Stadt sowie die Unterstützung<br />

von Handwerk und Gewerbe. In seine Amtszeit fiel desweiteren<br />

die Stiftung einer Gemäldegalerie. Bürgermeister Wüst<br />

war ehrenamtlich äußerst aktiv, etwa an der Spitze des Verschönerungsvereins<br />

oder beim örtlichen Roten Kreuz. In der Zeit des<br />

Ersten Weltkrieges, als Not und Hunger die Bevölkerung heimsuchten,<br />

bemühte er sich um Linderung der gröbsten Mängel. Das<br />

Vertrauen der Bürger in ihr Stadtoberhaupt drückte sich beispielsweise<br />

in der Entsendung in den Oberbayerischen Landrat aus,<br />

einem Vorläufer des späteren Bezirkstags.<br />

Dennoch erfuhr die Vita des Josef Wüst nach dem Ersten Weltkrieg<br />

eine bittere Zäsur, denn die bayerischen Revolutionswirren von<br />

1919 erreichten im Februar auch Rosenheim, wo der Druck der<br />

Straße den Rücktritt des erfolgreichen Bürgermeisters erzwang.<br />

Wüst zog sich danach keineswegs zurück, sondern arbeitete still<br />

und ehrenamtlich auf karitativem Gebiet. Am 29. Oktober 1925,<br />

als die Zeiten vorübergehend etwas ruhiger waren, verlieh ihm der<br />

Stadtrat die Rosenheimer Ehrenbürgerwürde. Wüst starb am 26.<br />

Mai 1929 in einem Münchener Krankenhaus und wurde auf dem<br />

Rosenheimer Friedhof beigesetzt. Er hinterließ aus seiner ersten,<br />

in <strong>Forchheim</strong> geschlossenen Ehe mit der Witwe Susanne Kammerer,<br />

geb. Burkard, zehn Kinder. Nach dem Tod Susannes 1902 in<br />

Rosenheim heiratete er eine Anna Maria Veronika Ebe. Alle zehn<br />

Die Abweichungen betreffen die<br />

Schreibungen BVRGERMAISTER (bei<br />

Wüst mit U) und BETZ (bei Wüst<br />

BECZ) sowie das Fehlen der Abkürzung<br />

DM rechts des Wappens, das<br />

Wüst in seiner Notiz anführt, also<br />

ANO DM [= *DOMINI] 1605, was aufgelöst „im Jahre des Herrn<br />

1605“ zu lesen wäre.<br />

Daraus ergeben sich folgende Erklärungsmöglichkeiten: erstens:<br />

es gab ursprünglich zwei Tafeln diesen Inhalts, von denen diejenige<br />

im Zeughof verschollen ist; zweitens, die Tafel am Registraturgebäude<br />

ist eine Nachbildung der Zeughoftafel mit den angegebenen<br />

Übertragungsfehlern oder Abweichungen und drittens,<br />

die Tafel <strong>vom</strong> Zeughof wurde bei Umbaumaßnahmen bei Seite<br />

geschafft und später am Registraturgebäude mit Veränderungen<br />

im Schriftbild bzw. Text angebracht. Für die letztere Annahme<br />

sprechen Verputzungsspuren an der Stelle, wo Wüst das Kürzel<br />

DM las, und die Schreibung des T im Namen BETZ mit Krümmung<br />

des Querbalkens, was auf ein korrigiertes *C hinweisen könnte,<br />

weil CZ-Schreibungen aus der Mode gekommen waren. Bliebe<br />

noch die Abweichung U : V, evtl. ein Abschreibfehler Wüsts. Der<br />

heutige Leser dieser Tafel sollte sich übrigens durch die Zahl von<br />

vier Bürgermeistern bitte nicht irritieren lassen, denn jeder von<br />

diesen vertrat ein Stadtviertel, das jeweils einem der vier Stadttore<br />

zugeordnet war.<br />

Dr. Dieter George

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