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Knochenarbeit: Metzger beim Ausbeineln<br />

Er finde es darum schade, „dass die Leute so viele Vorurteile<br />

den Metzgern gegenüber hegen”. Er zolle den Tieren und besonders<br />

der artgerechten Haltung den allerhöchsten Respekt.<br />

Er wisse auch, wie bei Bell geschlachtet und das Fleisch<br />

anschliessend professionell verarbeitet werde. „Wir üben einen<br />

wichtigen und notwendigen Beruf aus, so wie viele andere<br />

auch”, sagt er. Und ergänzt dann doch noch etwas zynisch:<br />

„Denn wissen Sie: Vegetarier leben nicht länger, sie sehen<br />

einfach nur älter aus!”<br />

Schliesslich stehen wir, ausstaffiert wie Astronauten, in<br />

Schutzmontur vor dem Eingang ins Reich des Fleisches. „Jetzt<br />

sehen Sie den Rolls Royce unter den Schweizer Zerlegungshallen!”<br />

verkündet Rothenbühler strahlend und öffnet die Tür.<br />

Der Anblick ist, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig. Direkt<br />

vor uns hängen an breiten Haken gefühlte 700 Rinderhälften.<br />

Dem ersten Zurückzucken unsererseits folgt alsbald Neugierde<br />

und Faszination.<br />

JEDER HANDGRIFF SITZT<br />

In der Zerlegungshalle, die aussieht wie ein riesiger Operationssaal,<br />

arbeiten rund 150 Menschen, davon 80 Prozent männlich.<br />

Alle weiss gekleidet mit Haarnetzen, Schürzen und Gummischuhen.<br />

Die Akkordmetzger beginnen in Schichtbetrieben<br />

jeden Morgen um 5.30 Uhr und nehmen die Rinderhälften,<br />

sortiert nach Labels von Bio, Naturafarm oder IP Suisse,<br />

entgegen. Danach werden sie zerlegt und fächerförmig an<br />

weitere Laufbänder verteilt. Dort werden sie sortiert und je<br />

nach Herkunft und Qualität zu Hackfleisch, Ragout, Plätzli,<br />

Hohrücken, Nierstücken oder T-Bone-Steaks verarbeitet. Gesprochen<br />

wird in der lauten Halle während der Arbeit kaum,<br />

die Mitarbeiter scheinen alles über Blickkontakt zu<br />

regeln. Jeder Handgriff sitzt. Glänzende, scharfe<br />

Klingen durchtrennen alle Arten von Fleischstücken,<br />

Knorpel und Fettteile werden durch die Luft in<br />

Plastikbehälter geworfen, das verarbeitete Stück<br />

wird blitzschnell an die nächste Station weitergereicht.<br />

Rolf Rothenbühler deutet auf die Fliesen, auf denen<br />

er steht: „Der Boden”, schreit er gegen den Lärm<br />

der Maschinen an, „ist die Visitenkarte einer<br />

Zerlegungshalle”. In der Tat, die Mitarbeiter stehen<br />

alle auf peinlich sauberen Flächen. Man spürt die<br />

Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf ausüben. So<br />

auch Rothenbühler. Er sei, gesteht er, ein Perfektionist.<br />

Ein wenig erleichtert ist man dann aber<br />

trotzdem, die Zerlegungshalle Richtung Reiferaum<br />

verlassen zu können, wo die Messer der Mitarbeiter<br />

nicht mehr ganz so lang erscheinen. Hier sind wir<br />

also in der Deluxe-Abteilung einer jeden Fleischverarbeitungsstätte.<br />

Denn hier werden T-Bone-<br />

Steaks, Entrecôtes, Nierstücke und ganze Hohrücken-Teile<br />

gelagert und bis zu 20 Tage lang gereift.<br />

KOSTBARES FLEISCH BRAUCHT<br />

SEINE ZEIT<br />

BELL<br />

Wie kostbare Uhren sind sie in Baumwolle gewickelt.<br />

Rothenbühler greift sich ein Stück, packt es auf<br />

einer Arbeitsplatte aus und gerät angesichts des<br />

T-Bone-Steaks, das vor ihm liegt, ins Schwärmen.<br />

„Man muss sich fürs Grillieren immer viel Zeit<br />

Bell ist in der Schweiz<br />

Marktleader. Was 1869<br />

mit der legendären Basler<br />

«Ochsenmetzg» begann,<br />

ist heute ein internationales<br />

Unternehmen mit 6500<br />

Mitarbeitern.<br />

bell.ch<br />

nehmen”, sagt der Fleischspezialist und<br />

zeigt auf das dunkle Beef, das seinen<br />

Namen übrigens vom Knochen hat, der<br />

in T-Form im Gewebe sitzt. Am schlimmsten<br />

sei, wenn man hetze. „Es beginnt<br />

schon im Kopf”, philosophiert er. Für eine<br />

gute Glut brauche man „eine gute Stunde<br />

und ein gutes Glas Wein Vorlauf”. Je<br />

besser die Fleischqualität, desto weniger<br />

Gewürze empfiehlt der Gourmet-Metzger.<br />

Privat grilliert er auf seinem Cheminée,<br />

auf einem Gasgrill oder einem kleinen<br />

Kugel-Grill: „Ein Klassiker, mit dem mein<br />

Schweinshals seit dreissig Jahren am<br />

besten wird!” (Rezept siehe Box.)<br />

Im Reiferaum ist allen etwas kühl geworden,<br />

und nach einer letzten Runde<br />

durch die Verpackungshalle landen<br />

wir wieder bei den Hygieneschleusen,<br />

die beim Hinausgehen übrigens genau<br />

gleich passiert werden müssen wie auf<br />

dem Hinweg. Rothenbühler erklärt, dass<br />

man bei Bell sehr strenge Richtlinien<br />

habe, oft kämen auch Inspektoren oder<br />

andere Experten spontan für stichprobenartige<br />

Kontrollen vorbei. „Die<br />

Fleischindustrie wird mit Argusaugen<br />

SCHWEINSHALS À LA ROTHENBÜHLER<br />

AUF DEM KUGEL-GRILL<br />

1. Zum Anfeuern genug Zeit rechnen,<br />

mindestens 45 Minuten! Auf den Rost für<br />

Holzkohle in die Mitte eine hohe Aluschale<br />

legen, auf beiden Seiten mit Holzkohle<br />

auffüllen.<br />

2. Den Schweinshals etwa 6 Stunden vor<br />

dem Grillieren mit Bell Fleischgewürz und<br />

ein wenig Olivenöl würzen und beiseite<br />

stellen. Ca. 1,5 Stunden vor dem Grillieren<br />

aus dem Kühlschrank nehmen. Wer mag,<br />

kann ihn mit Knoblauch spicken. Bier in die<br />

Aluschale füllen.<br />

3. Hals direkt in der Mitte auf den Fleischrost<br />

legen, Deckel darauf und mindestens<br />

beobachtet”, sagt der leidenschaftliche<br />

Metzger, der dafür aber auch Verständnis<br />

aufbringt.<br />

Obschon er heute fast nur noch Büroarbeit<br />

erledige und viel Zeit für das<br />

Management der vielen Mitarbeiter<br />

brauche, sei Metzger für ihn nach wie<br />

vor ein absoluter Traumjob. Dies sei<br />

auch einer der Gründe, warum man bei<br />

Bell engagiert auf die Förderung des<br />

Nachwuchses setze. Metzger zu lernen<br />

ist in der heutigen, sensibilisierten Gesellschaft<br />

nicht mehr ganz so salonfähig<br />

wie früher.<br />

Nach zweistündiger „Tour de Viande”<br />

hat das Blut an den Schürzen von<br />

Rothenbühlers Kollegen seinen Schrecken<br />

verloren. Wir nehmen es nun als<br />

das wahr, was es wohl auch im wahrsten<br />

Sinne des Wortes ist: Herzblut. .<br />

1,5 Stunden nicht öffnen. Mit dem Fleischthermometer<br />

die Temperatur messen.<br />

4. Wenn nötig Holzkohle nachlegen.<br />

Deckel drauf. Wieder nach 15 Min. Temperatur<br />

kontrollieren. Jetzt kann man<br />

abschätzen, wie lange der Braten noch<br />

hat, bis er eine Kerntemperatur von<br />

ca. 83 Grad erreicht.<br />

5. Marinade bereitstellen für das Finish.<br />

Einen Esslöffel Honig, Curry oder Fleischgewürz<br />

dazu geben und mit ein wenig<br />

Bier alles gut vermischen, bis es schön<br />

flüssig ist.<br />

Hygienisch aufbewahrt: Messerhalter am Arbeitsplatz<br />

Auf den Schnitt kommt es an: Fleisch für Porterhousesteaks.<br />

6. 10 Minuten, bevor der Braten die Temperatur<br />

erreicht hat, das Ganze einstreichen.<br />

Nicht vorher, weil der Honig sonst<br />

verbrennt!<br />

7. Der Braten ist gar. Jetzt dicke Alufolie<br />

nehmen, matte Seite aussen (die Wärme<br />

bleibt so im Fleisch), Braten einwickeln<br />

und 10 Minuten stehen lassen.<br />

Faustregel: pro Kilogramm rechnet man<br />

1 Stunde Grillieren.<br />

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