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"... die Kunst zu sehn"

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Blumenbachs Vorlesungsstil 147<br />

und Consequenz <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> halten verstand. Lange Zeit hindurch bildete<br />

er den Haupt-Mittelpunkt der Anziehung für Göttingen. […]<br />

Obgleich das Vertrauen der Welt in <strong>die</strong> Lehrergabe des hochbetagten<br />

Greises auf festem Boden beruhte, so unterliess er dessenungeachtet nicht<br />

dasselbe immerfort dadurch <strong>zu</strong> rechtfertigen, dass er das Erlernte wieder<br />

auf<strong>zu</strong>frischen, ja Neues hin<strong>zu</strong><strong>zu</strong>fügen sich bestrebte. In seinem Notizen-<br />

Buche ist aus später Zeit folgende Bemerkung aufgezeichnet: „So lange<br />

Jahre ich auch schon Collegien lese, so gehe ich doch bis dato durchaus<br />

niemalen ins Auditorium, ohne auf jede einzelne Stunde mich von neuem<br />

und eigens präparirt <strong>zu</strong> haben, weil ich aus Erfahrung weiss, wie sehr sich<br />

manche Docenten dadurch geschadet haben, dass sie <strong>die</strong>se jedesmalige<br />

Präparation bei Vorlesungen, <strong>die</strong> sie schon 20 und mehrere Male gelesen,<br />

für entbehrlich gehalten.“ 2<br />

Aus eigener Anschauung kannte auch der 1805 als Privatdozent nach Göttingen<br />

gekommene Lorenz Oken Blumenbachs Unterricht. In einem Brief an seinen<br />

ehemaligen Lehrer Friedrich Wilhelm Joseph Schelling äußerte er sich kritisch<br />

über den Stil und das wissenschaftliche Niveau der Vorlesung <strong>zu</strong>r Naturgeschichte:<br />

„Unter uns gesagt, Blumenbach ist in seinen Vorlesungen, ich will nicht sagen<br />

Charlatan, aber Possenreißer und Raritätenkrämer, wie mir noch keiner vorgekommen.<br />

Was wichtig ist, bringt er kaum <strong>zu</strong>r Sprache […]. Aber über Kleinigkeiten,<br />

über Fratzen, Trivialitäten, wie er es selbst nennt, schwatzt er ganze Stunden,<br />

und das mit einer Umständlichkeit, als hätte er 60 Kinder von 10 Jahren vor sich<br />

sitzen.“ 3 Promovierte Mediziner wie Oken waren jedoch wohl auch nicht <strong>die</strong> Zielgruppe<br />

<strong>die</strong>ser Veranstaltung, <strong>die</strong> möglicherweise bewusst populärer angelegt war<br />

als etwa <strong>die</strong> anspruchsvollere Vorlesung <strong>zu</strong>r Physiologie. Okens Kritik an Blumenbachs<br />

Form der Wissenschaftsvermittlung ist außerdem nur ein Teilaspekt<br />

einer grundsätzlichen Ablehnung der aus seiner Sicht un<strong>zu</strong>länglichen Inhalte und<br />

Konzeptionen von Wissenschaft, wie sie Blumenbach betrieb. 4<br />

Kaum einen authentischen Eindruck von Blumenbachs Vorlesungen dürfte eine<br />

Folge von 16 kurzen Beiträgen mit dem Titel „Professor Johann Friedrich<br />

Blumenbach auf dem Katheder. Eine Erinnerung aus dem Göttinger Studentenleben“<br />

des Hildesheimer Arztes Dr. Börleben vermitteln. Börleben stu<strong>die</strong>rte wohl<br />

2 Marx, Karl Friedrich Heinrich: Zum Andenken an Johann Friedrich Blumenbach. Eine Gedächtniss-Rede,<br />

gehalten in der Sit<strong>zu</strong>ng der Königlichen Societät der Wissenschaften den 8. Februar 1840. Göttingen 1840, S.<br />

28–34.<br />

3 Oken an Schelling, 24. Mai 1805, zitiert nach Ecker, Alexander: Lorenz Oken: eine biographische<br />

Skizze. Gedächtnißrede <strong>zu</strong> dessen hundertjähriger Geburtstagsfeier; durch erläuternde Zusätze und Mittheilungen<br />

aus Oken’s Briefwechsel vermehrt. Stuttgart 1880, S. 179.<br />

4 Vgl. Bach, Thomas: „»Was ist das Thierreich anders als der anatomirte Mensch …“ « Oken in<br />

Göttingen (1805–1807)“, in: Breibach, Olaf; Fliedner, Hans-Joachim; Ries, Klaus (Hrsg.): Lorenz<br />

Oken (1779–1851). Ein politischer Naturforscher. Weimar 2001, S. 52–91, hier bes. S. 79–81.

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