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"... die Kunst zu sehn"

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20 Einführung<br />

Erstens ist daran <strong>zu</strong> erinnern, dass es sich um eine deutsche Hochschule mit intensiven<br />

und vielfältigen Verbindungen nach England handelte. Mit der englischen<br />

Kultur war Schopenhauer sowohl durch seinen Vater in Berührung gekommen,<br />

der England liebte, als auch durch seine eigenen Erfahrungen als Schüler<br />

im Internat von Thomas Lancaster in Wimbledon im Jahr 1803. 10 Dies waren<br />

allerdings keine glücklichen Erfahrungen, und Schopenhauer hat immer eine Vorliebe<br />

für Frankreich bekundet. Aber er bewunderte das englische Geistesleben,<br />

und in Göttingen konnte er viel davon vorfinden.<br />

Zweitens zeigt – auch wenn <strong>die</strong> Philosophie bereits in Schopenhauers Interessenhorizont<br />

auftaucht – <strong>die</strong> Auswahl seiner ersten Vorlesungen <strong>die</strong> grundsätzliche<br />

Überzeugung, dass solide Grundlagenkenntnisse in allgemeiner Kultur, in Geschichte<br />

und in den Naturwissenschaften für einen guten Philosophen von entscheidender<br />

Bedeutung waren. Wenn man sich daran erinnern, dass Kant Medizin<br />

stu<strong>die</strong>rt hatte und Schelling Physik, Mathematik und Physiologie, dann muss man<br />

einräumen, dass Schopenhauer keinen ungewöhnlichen Kurs einschlug – und<br />

Göttingen hatte in <strong>die</strong>ser Hinsicht eine exzellente Ausbildung <strong>zu</strong> bieten. Ebenso<br />

wichtig ist es, daran <strong>zu</strong> erinnern, dass Schopenhauer auch in Berlin seine Ausbildung<br />

in den Naturwissenschaften vorantrieb und wiederum <strong>die</strong> Vorlesungen erstklassiger<br />

Naturforscher besuchte. Ungeachtet seines wachsenden Interesses für<br />

Philosophie stu<strong>die</strong>rte er in Berlin Chemie bei Martin Heinrich Klaproth, Geognosie<br />

bei Christian Samuel Weiss, Physik bei Ernst Gottfried Fischer, Physiologie bei<br />

Johann Horkel, Astronomie bei Johann Ehlert Bode und Anatomie des menschlichen<br />

Gehirns bei Friedrich Christian Rosenthal. Er belegte auch zwei Veranstaltungen<br />

<strong>zu</strong> Physik und Elektromagnetismus bei Paul Erman und fünf Veranstaltungen<br />

<strong>zu</strong> Zoologie und Entomologie bei Martin Hinrich Lichtenstein.<br />

Um <strong>zu</strong> verstehen, warum Schopenhauer 1809 nach Göttingen ging, ist eine Bestandaufnahme<br />

seiner intellektuellen Interessen in den vorangehenden Jahren<br />

entscheidend. Wir wissen aus seinen Reisetagebücher aus den Jahren 1803–1804, dass<br />

er im Juni 1803 den Astronomen William Herschel im Greenwich Observatory<br />

besuchte, wo er das „Great Forty-Foot“ besichtigen konnte, das damals größte<br />

Teleskop der Welt; und im Januar 1804 wurde er in Paris Wissenschaftlern der<br />

wichtigsten dortigen naturwissenschaftlichen Einrichtungen – des Observatoire,<br />

des Institut National und des Muséum d’Histoire Naturelle – vorgestellt, von denen<br />

er Erläuterungen <strong>zu</strong> den Aufgaben, Tätigkeiten und Mitgliedern <strong>die</strong>ser Institutionen<br />

erhielt. Seine grand tour war eine ausgezeichnete Gelegenheit, um Aufmerksamkeit<br />

und Neugier <strong>zu</strong> fördern, nicht nur hinsichtlich des Wesens und der Bestimmung<br />

der Menschheit, sondern auch auf dem Gebiet der Naturwissenschaften.<br />

Zurück in Hamburg (1804–1807) und nach dem Beginn seiner kaufmänni-<br />

10 Vgl. Bridgwater, Patrick: Arthur Schopenhauer’s English Schooling. London 1988.

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