Wie wollen wir leben und arbeiten? - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
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<strong>Wie</strong> <strong>wollen</strong> <strong>wir</strong> <strong>leben</strong> <strong>und</strong> <strong>arbeiten</strong>? – Hochausgebildet – ausgebremst – (re)aktiviert – alimentiert<br />
Bedarfsgemeinschaft, im Falle <strong>der</strong> Bedürftigkeit eine Erwerbstätigkeit<br />
aufzunehmen, neue individuelle <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />
Probleme nach sich ziehen. Ebenso stellen<br />
sich Fragen hinsichtlich <strong>der</strong> Kompatibilität einer Lebenslaufplanung<br />
von Erwerbstätigen mit den Zeithorizonten<br />
von Unternehmen.<br />
2011 sind im Sachverständigengutachten zum 1. Gleichstellungsbericht<br />
(BMFSFJ 2011) die Strukturmuster entlang<br />
<strong>der</strong> Lebensläufe von Frauen <strong>und</strong> Männern analysiert<br />
<strong>und</strong> darauf aufbauend politische Empfehlungen entwickelt<br />
worden. Der genannte – von einer durch die Regierung<br />
eingesetzten Sachverständigenkommission 2 unter<br />
Vorsitz <strong>der</strong> Verfasserin erarbeitete – Bericht stellt neben<br />
Ergebnissen eigener empirischer Forschungsprojekte, vor<br />
allem zum Phänomen <strong>der</strong> „Familienernährerin“ 3 , eine<br />
wesentliche Quelle für die folgenden Ausführungen dar.<br />
Frauenerwerbsverläufe:<br />
Ein Schauspiel in vier Akten<br />
1. Hochgebildet: Junge Frauen<br />
als „Bildungsgewinnerinnen“<br />
In kaum einem gesellschaftlichen Bereich haben Mädchen<br />
<strong>und</strong> Frauen in den vergangenen Jahrzehnten <strong>der</strong>maßen<br />
aufholen können wie in <strong>der</strong> Bildung – in <strong>der</strong> Bildungsexpansion<br />
seit den 1970er Jahren waren sie die Gewinner.<br />
Heute verlassen deutlich weniger Mädchen als Jungen die<br />
Schule ohne einen Schulabschluss. Junge Frauen starten<br />
im Durchschnitt mit höheren <strong>und</strong> von den Noten her besseren<br />
schulischen Abschlüssen in das berufliche Leben als<br />
gleichaltrige junge Männer. Von Jugendarbeitslosigkeit<br />
(15- bis 24-Jährige) sind junge Frauen deutlich weniger<br />
betroffen als junge Männer, wobei die Geschlechterdifferenz<br />
zwischen 1990 <strong>und</strong> 2005 weiter zugenommen<br />
hat (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008:<br />
181). Der Tertiarisierungstrend <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />
Expansion <strong>der</strong> personenbezogenen „Frauen“-Dienstleistungsberufe<br />
haben die Erwerbschancen von Frauen<br />
zusätzlich verbessert (BMFSFJ 2011). Junge Frauen scheinen<br />
damit mehrheitlich bestens vorbereitet zu sein auf<br />
eine kontinuierliche Erwerbsbiografie, ein armutsvermeidendes<br />
Einkommen inklusive eigenständiger sozialer<br />
Sicherung, sowie Chancen auf eine berufliche Karriere.<br />
Entsprechend ist auch eine egalitäre Teilung <strong>der</strong> Arbeit<br />
zwischen den Partnern mittlerweile für einen gewachsenen<br />
Teil <strong>der</strong> Bevölkerung leitende Zielvorstellung: 35<br />
Prozent <strong>der</strong> Deutschen bezeichnen die egalitäre Partnerschaft<br />
mit geteilter Erwerbs- <strong>und</strong> Sorgearbeit als persönlich<br />
präferierte Lebensform (Sinus Sociovision 2007). Ein<br />
weiteres Drittel <strong>der</strong> Befragten (34 Prozent) präferiert ein<br />
Modell, bei dem die Frau immerhin als Zuverdienerin erwerbstätig<br />
ist; nur 16 Prozent <strong>der</strong> Befragten wünschen<br />
sich ein traditionelles männliches Ernährermodell, in dem<br />
die Frau nicht o<strong>der</strong> nur marginal erwerbstätig ist.<br />
2. Ausgebremst: Retraditionalisierung <strong>der</strong> partnerschaftlichen<br />
Arrangements im Eheverlauf<br />
Die Erwerbskonstellationen in Paarfamilien haben sich in<br />
den letzten Jahren tatsächlich deutlich verschoben. Statistisch<br />
ist das Modell des männlichen Familienernährers<br />
in Deutschland wie in vielen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n auf dem<br />
Rückzug (vgl. Leitner et al. 2004, Gornick/Meyers 2005).<br />
Dabei ist die gelebte Konstellation allerdings nur zum<br />
Teil durch die Geschlechterrollenvorstellung des Paares<br />
bedingt. So <strong>wir</strong>ken auf <strong>der</strong> einen Seite auf die Erwerbskonstellation<br />
alle Einflussfaktoren ein, die die weibliche<br />
Erwerbstätigkeit bestimmen, wie Bildungsgrad <strong>und</strong> Einkommenschancen<br />
von Frauen sowie ihre familiäre Situation,<br />
vor allem das Vorhandensein von Kin<strong>der</strong>n. Auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite <strong>wir</strong>ken auf die Erwerbskonstellation im<br />
Paarhaushalt auch Faktoren, die die Erwerbsbeteiligung<br />
des Mannes beeinflussen, wie unfreiwillige Nichterwerbstätigkeit<br />
des Mannes durch Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Erwerbsunfähigkeit.<br />
Diese Faktoren werden wie<strong>der</strong>um von <strong>der</strong><br />
für Deutschland charakteristischen Ausgestaltung des<br />
Steuer- <strong>und</strong> Sozialsystems mit seinem spezifischen Nexus<br />
von Staat, Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Familie beeinflusst.<br />
2 Für nähere Informationen zu Kommission <strong>und</strong> Bericht s. www.gleichstellungsbericht.de.<br />
3 Vgl. z. B. Klenner/Klammer (2009), Brehmer et al. (2010), Klammer et al. (2012).<br />
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