Wie wollen wir leben und arbeiten? - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
Wie wollen wir leben und arbeiten? - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
Wie wollen wir leben und arbeiten? - Bibliothek der Friedrich-Ebert ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Wie</strong> <strong>wollen</strong> <strong>wir</strong> <strong>leben</strong> <strong>und</strong> <strong>arbeiten</strong>? – Hochausgebildet – ausgebremst – (re)aktiviert – alimentiert<br />
Privat<strong>wir</strong>tschaft sind sogar nur zehn Prozent <strong>der</strong> Betriebe<br />
(<strong>und</strong> damit r<strong>und</strong> 21 Prozent <strong>der</strong> Beschäftigten) durch entsprechende<br />
tarifliche o<strong>der</strong> betriebliche Vereinbarungen<br />
erfasst. Damit hat sich die Situation zumindest in Bezug<br />
auf den hohen Anteil <strong>der</strong> Betriebe, in denen we<strong>der</strong> tarifliche<br />
noch betriebliche Vereinbarungen gelten o<strong>der</strong> freiwillige<br />
Initiativen durchgeführt werden (90 Prozent), seit<br />
2002 nicht verbessert.<br />
Gleichstellungsrelevante Aktivitäten werden vor allem in<br />
Großbetrieben entwickelt wie im Kredit- <strong>und</strong> Versicherungsgewerbe<br />
o<strong>der</strong> dem Sektor Erziehung <strong>und</strong> Unterricht.<br />
Zwar handelt es sich hier teilweise um Branchen<br />
mit einem überdurchschnittlichen Frauenanteil. Auf <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Seite weisen an<strong>der</strong>e Branchen mit einem hohen<br />
Frauenanteil, wie das Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen, lediglich<br />
ein durchschnittliches Engagement in Fragen <strong>der</strong><br />
Familienfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>und</strong> Gleichstellung auf. Wo Maßnahmen<br />
vereinbart wurden, richten sie sich beson<strong>der</strong>s<br />
häufig auf Kin<strong>der</strong>betreuungsangebote <strong>und</strong> Kontaktprogramme<br />
während <strong>der</strong> Elternzeit (ebd.). Bedarfe von Pflegenden<br />
sind demgegenüber noch wenig berücksichtigt.<br />
Ebenso mangelt es bisher an gezielten Maßnahmen zur<br />
Karriereför<strong>der</strong>ung des weiblichen Nachwuchses. Die Bef<strong>und</strong>e<br />
machen deutlich, dass die Tarifvertragsparteien<br />
<strong>und</strong> Betriebe ihre Möglichkeiten, die mit <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung<br />
geschlossene Selbstverpflichtung durch einschlägige<br />
Vereinbarungen mit Leben zu füllen, bisher kaum genutzt<br />
haben.<br />
<strong>Wie</strong> aus dem regelmäßig durch das Institut <strong>der</strong> Deutschen<br />
Wirtschaft im Auftrag des BMFSFJ erstellten „Unternehmensmonitor<br />
Familienfre<strong>und</strong>lichkeit“ (BMFSFJ 2010; Seyda/<br />
Stettes 2010) hervorgeht, hat sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Betriebe,<br />
die angeben, variable o<strong>der</strong> reduzierte Arbeitszeitmodelle<br />
anzubieten, in den letzten Jahren deutlich vergrößert.<br />
Inzwischen bieten nach eigenen Angaben acht von zehn<br />
Betrieben die Möglichkeit <strong>der</strong> Teilzeitarbeit an, in mehr als<br />
sieben von zehn Betrieben gibt es individuell vereinbarte<br />
Arbeitszeiten, fast ebenso viele Betriebe geben an, flexible<br />
Wochenarbeitszeiten zu haben <strong>und</strong> immerhin in je<strong>der</strong><br />
fünften Firma werden Telearbeit <strong>und</strong> Job-Sharing angeboten<br />
(ebd.). Empirische Studien zeigen jedoch, dass das Vorhandensein<br />
potenziell familienför<strong>der</strong>licher <strong>und</strong> gleichstellungsrelevanter<br />
Maßnahmen, z. B. im Bereich <strong>der</strong> flexiblen<br />
Arbeitszeitmodelle, noch kein Indikator für die Kommunikation<br />
von Familienfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>und</strong> einer gleichstellungsför<strong>der</strong>lichen<br />
Betriebspolitik ist. Obwohl immer mehr<br />
Unternehmen angesichts des demografischen Wandels<br />
dem Thema Familienfre<strong>und</strong>lichkeit Bedeutung beimessen<br />
<strong>und</strong> auch mehr Geschäftsleitungen das Thema unterstützen,<br />
werden vorhandene familienfre<strong>und</strong>liche <strong>und</strong><br />
potenziell gleichstellungsför<strong>der</strong>liche Instrumente in <strong>der</strong><br />
Praxis häufig unzureichend kommuniziert o<strong>der</strong> bestimmten<br />
Beschäftigtengruppen von den direkten Vorgesetzten<br />
nicht aktiv angeboten (beruf <strong>und</strong> familie gGmbH 2008;<br />
Klammer/Weßler-Poßberg 2011). Vor allem Mütter in<br />
Führungspositionen berichten, dass sie die vereinbarkeitsfre<strong>und</strong>lichen<br />
Regelungen oft selbst vorschlagen o<strong>der</strong><br />
einfor<strong>der</strong>n mussten (Walther/Schaeffer-Hegel 2007: 29).<br />
Nur 14 Prozent <strong>der</strong> Frauen in Führungspositionen arbeiteten<br />
2004 Teilzeit; Teilzeitarbeit in Führungspositionen<br />
gilt vielfach als inkompatibel mit hohen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an Präsenz, Flexibilität <strong>und</strong> Mobilität (Koch 2007: 22).<br />
Frauen werden von Karrierepfaden abgedrängt, wenn sie<br />
als hochqualifizierte Beschäftigte Teilzeit <strong>arbeiten</strong> <strong>wollen</strong><br />
(Bäcker et al. 2007; Koch 2008; ähnlich auch Botsch et<br />
al. 2007). Beson<strong>der</strong>s Verpflichtungen in <strong>der</strong> Angehörigenpflege<br />
werden in vielen Betrieben noch als „Privatproblem“<br />
behandelt <strong>und</strong> nicht bzw. kaum bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsbedingungen berücksichtigt (BMFSFJ 2011).<br />
Männer haben häufig nur geringe Kenntnisse von entsprechenden<br />
Möglichkeiten im Unternehmen <strong>und</strong> treffen<br />
bei Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen wie auch Vorgesetzten auf<br />
Unverständnis, wenn sie Interesse an Arbeitszeitreduzierungen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en vereinbarkeitsför<strong>der</strong>lichen Maßnahmen<br />
äußern (beruf <strong>und</strong> familie gGmbH 2008: 26).<br />
Den empirischen Studien zufolge fehlt es sowohl an Transparenz<br />
als auch an einer Kultur, die die <strong>leben</strong>sweltlichen<br />
<strong>und</strong> sich über den Lebensverlauf verän<strong>der</strong>nden Bedarfe<br />
von Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmern in den Blick<br />
nimmt. Zwar berichtet r<strong>und</strong> ein Drittel <strong>der</strong> Arbeitnehmerinnen<br />
<strong>und</strong> Arbeitnehmer von Angeboten <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
zur besseren Vereinbarkeit von Beruf <strong>und</strong> Familie<br />
<strong>und</strong> jede/r Fünfte von beson<strong>der</strong>en Leistungen, die den<br />
25