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Essay als PDF

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3<br />

heftigen Konkurrenz innerhalb der Geschlechter. Eifersucht und<br />

besitzergreifende Attitüden bei Männern werden heutzutage <strong>als</strong> irrational – und<br />

moralisch inakzeptabel – empfunden, obwohl sie doch in unserer biologischen<br />

Vergangenheit ebenso tief verwurzelt sind wie in unseren neurologischen<br />

Anlagen.<br />

Alle elementaren moralischen Verhaltensweisen entspringen ähnlichen<br />

biologischen Notwendigkeiten. Nehmen wir zum Beispiel den Altruismus:<br />

Obwohl die Gene, die uns steuern, den Erkenntnissen des<br />

Evolutionstheoretikers Richard Dawkins zufolge „selbstsüchtig“ sind, haben wir<br />

gewisse altruistische Tendenzen. Wäre dem nicht so, würden wir unsere<br />

Kinder und unsere Partner sterben lassen, was allerdings weder für unser<br />

eigenes Überleben noch für das unserer Gene gut wäre. Und wenn der<br />

Mensch sich nicht um andere kümmern würde, hätte die Menschheit <strong>als</strong><br />

Gattung wenige Überlebenschancen.<br />

Es ist <strong>als</strong>o keineswegs der reine Altruismus, der uns bewegt, für unsere<br />

Angehörigen, aber auch für Leute, die uns völlig fremd sind, zu sorgen. Ich<br />

sorge für dich, weil ich erwarte, dass du auch für mich sorgst. Fürsorge bringt<br />

nicht nur wechselseitigen Vorteil, sondern erhöht auch den eigenen. Natürlich<br />

sind manche Menschen eher zur Fürsorge bereit <strong>als</strong> andere: Der Mensch kann<br />

Gene zur totalen Selbstsucht oder auch zur totalen Selbstaufopferung in sich<br />

tragen; das heißt, das eine Profil ist genetisch ebenso überlebensfähig wie das<br />

andere, weil in der Gesamtpopulation beide Untergruppen vorkommen, und<br />

zwar in all ihren Spielarten. Das erklärt auch, warum manche Ärzte<br />

überdurchschnittlich, andere hingegen unterdurchschnittlich fürsorglich sind.<br />

Wir gehen zum Arzt, weil Ärzte von Berufs wegen „Fürsorger“ sind. Wir<br />

erwarten, dass sie uns heilen – oder es zumindest versuchen –, ohne über uns<br />

zu richten. Als die Medizin noch in den Kinderschuhen steckte, war die<br />

Heilkunst Sache von Medizinmännern, Kräuterhexen, Schamanen, Zauberern<br />

und Priestern. Gutwilligkeit wurde ihnen ebenso unterstellt wie Böswilligkeit.<br />

Denn sie galten <strong>als</strong> sehr mächtig. Als irrationale Glaubensvorstellungen nach<br />

und nach von der Wissenschaft verdrängt wurden, kamen mit dem<br />

medizinischen Fortschritt Antibiotika und Narkotika, Chirurgie und Endoskopie,

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