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Essay als PDF

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und aus den Schamanen wurden professionelle Fürsorger – die Ärzte.<br />

4<br />

Das Problem ist nur, dass viele Ärzte ihr Wissen und ihre Fähigkeiten noch<br />

immer <strong>als</strong> Mittel zur Erlangung von persönlichem Ansehen, Erfolg und<br />

Reichtum betrachten, <strong>als</strong> Möglichkeit, die eigene Macht zu etablieren, fast so<br />

wie früher die Schamanen, obwohl sie diese mächtigen Hilfsmittel doch<br />

eigentlich dazu gebrauchen sollten, menschliches Leiden zu lindern. Viele<br />

Ärzte sehen in ihrem medizinischen Wissen und Können bis heute ein<br />

persönliches Privileg und nicht etwas, das der ganzen Menschheit<br />

zugutekommen sollte. Eine Folge dieser mangelnden Bereitschaft, die Macht<br />

aus der Hand zu geben, ist ihre Weigerung zu akzeptieren, dass jemand selbst<br />

über den Zeitpunkt seines Todes entscheiden möchte.<br />

Schon ehe ich Arzt wurde, fand ich es paradox und erstaunlich, dass man von<br />

jedem gesunden Menschen, egal ob Mann oder Frau, der im Vollbesitz seiner<br />

geistigen Kräfte ist, erwartet, dass er sich in den diversen Bereichen des<br />

gesellschaftlichen Lebens <strong>als</strong> anständiger Bürger verhält, einen Beruf ergreift,<br />

Kinder großzieht, wählen geht, seine Eltern pflegt oder unterstützt etc. In all<br />

diesen Dingen verlangt man von ihm, seine eigenen, wohlbegründeten<br />

Entscheidungen zu treffen. Solange er die Gesetze einhält und die<br />

Verantwortung für die Folgen seines Handelns übernimmt, wird seine<br />

Autonomie nicht nur respektiert, sondern sogar gefördert, denn das nützt der<br />

Gesellschaft. Jeder soll selbst entscheiden, wie er leben, ob und wann er ein<br />

neues Leben in die Welt setzen und wovon er seine Familie ernähren will, aber<br />

sobald er von einer tödlichen Krankheit befallen wird und erklärt, dass er sein<br />

Leiden beenden und seinem Leben selbst ein Ende setzen will, hält man ihn<br />

nicht mehr für vernünftig oder respektabel.<br />

Die Bioethiker vertreten neuerdings in der Frage der Autonomie der Patienten<br />

die Auffassung, wenn sich ein Patient gegen eine Therapie entscheide, so sei<br />

dies in jedem Fall zu respektieren. Wenn aber ein aufgeklärter Patient das<br />

Recht hat, selbst zu bestimmen, wie er medizinisch versorgt wird, dann sollte<br />

er auch bestimmen können, dass er keinerlei medizinische Versorgung<br />

wünscht. Und doch scheint die Entscheidung, dass jemand sein Leben aus<br />

freien Stücken beenden will, allemal Entsetzen auszulösen, zumindest aber

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