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Bad Aussee wird - ausseerland.net

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ster Schweig sam keit” von Lilli Kienzl.<br />

Die Urauf führung dieses Musika -<br />

lischen Schau spiels in zwei Aufzügen<br />

(Drei Bilder) in Berlin 1894 war sofort<br />

ein großer Erfolg, beendete Wilhelm<br />

Kienzls unstetes Reiseleben und<br />

bereitete die finanzielle Grundlage für<br />

seine berufliche Unabhängigkeit.<br />

Das Dr.-Kienzl-Heim<br />

Das Stöckl, oder das Dr.-Kienzl-Heim,<br />

wie es fortan genannt wurde, schien<br />

schon 1824 im Katastralplan Nr. VIII<br />

von Reitern als winzigkleines Haus<br />

ohne Nummer auf. Es war vermutlich<br />

als Aus trags häusl um 1788 für Georg<br />

und/ oder Susanne Amon errichtet<br />

worden, mit damals noch freiem,<br />

unbehinderten Rundblick in das<br />

prachtvolle <strong>Aussee</strong>r Gebirgspano -<br />

rama. Der Bauernhof selbst ist erstmalig<br />

um 1460 als Eysengrein-Gut<br />

namentlich faßbar. Zwischen 1635<br />

und 1652 kam mit Thoman Wasner<br />

sein Familien name auf das Gut.<br />

Obwohl dieser Name schon nach 70<br />

Jahren, 1720 erlosch, blieb er als<br />

Hausname bis heute hier bestehen.<br />

Franz Köberl (gest. 1895), Wirt von<br />

Unterkainisch Nr. 52, der die<br />

Liegenschaft um 1.000 fl. kaufte, eröff<strong>net</strong>e<br />

nach 1877 das Gasthaus<br />

Wasner, das er aber verpachtete. Von<br />

1894 bis 1913 war Franziska Adler<br />

aus Tauplitz, die Wasner-Fanny, die<br />

Pächterin, weshalb der Hausname<br />

Wasner verweiblichte. Anläßlich von<br />

Wilhelm Kienzls 55sten Geburtstag<br />

am 17. Jänner 1912 benannte die<br />

Gemeinde Reitern die Zufahrtsstraße<br />

zur Wasnerin als Wilhelm-Kienzl-<br />

Straße und ließ am Stöckl eine<br />

Gedenktafel zur Erinnerung an den<br />

Ort der Entstehung des Evangeli -<br />

mann und seinen Schöpfer anbringen.<br />

Der Gasthof zur Wasnerin – und mit<br />

ihm das Stöckl – brannte am Pfingst -<br />

samstag, dem 10. Juni 1916, infolge<br />

eines Rauchfangfeuers, das durch<br />

einen heftigen Sturm angefacht<br />

wurde, vollständig bis auf die Grund -<br />

mauern ab. Sogar Kienzls Klavier<br />

wurde vernichtet. Die Eigen tümerin,<br />

Frau Josefine Vasold aus Klachau,<br />

ließ Stöckl und Gasthof wieder aufbauen,<br />

was wegen des Krieges eine<br />

Zeit dauerte. 1930 ließ die Gemeinde<br />

Reitern am neugebauten Stöckl, wo<br />

Kienzl aber nicht mehr wohnte, neuerlich<br />

eine Ge denk tafel anbringen. Das<br />

Gasthaus zur Wasnerin wurde unter<br />

neuen Eigentümern, der Familie<br />

Stein bichler, 1934 vollständig abgetragen<br />

und als Alpengasthof Wasnerin,<br />

damals das modernste <strong>Aussee</strong>r Hotel,<br />

neugebaut. Es ist dies das heute noch<br />

vorhandene Kernge bäude zur Was -<br />

nerin. Das Kienzl-Stöckl hingegen<br />

wurde im Juni 2005 als Ver -<br />

kehrshindernis ersatzlos abgetragen<br />

und beseitigt.<br />

Ein weltweiter Erfolg und<br />

weltweites mitleiden<br />

Obwohl Kienzls nachfolgende Kom po -<br />

sitionswerke, die alle musikalischen<br />

Formen umfaßten, darunter mehrere<br />

Opern, ihn in seiner künstlerischen<br />

Entwicklung weit über den Evan geli -<br />

mann hinausführten, <strong>wird</strong> sein<br />

Lebens werk meist nur mit diesem<br />

einen Werk in Zusammenhang<br />

gebracht, sehr zu Unrecht, wie er<br />

selbst meinte. Dies jedoch auch wieder<br />

nicht, denn er war es selbst, der<br />

sein restliches Leben lang dieses eine<br />

Werk unermüdlich anpries, empfahl,<br />

vorschlug, verkaufte und zur<br />

Aufführung brachte. Dazu halfen ihm<br />

seine von der Mutter anerzogene<br />

beharrliche Kanzlei- und Verwal tungs -<br />

tätigkeit in eigener Sache sowie sein<br />

musikalisches Netzwerk sehr. Kienzl<br />

ließ das Libretto in dreizehn Sprachen<br />

übersetzen und bot es unverdrossen<br />

weltweit an. Wie er schrieb, gab es ein<br />

Jahr, in dem an jedem einzelnen Tag<br />

der Evangeli mann irgendwo auf der<br />

Welt aufgeführt wurde. Kienzls Freund<br />

Gustav Mahler ließ unter seiner<br />

Direktion den Evangelimann sogar<br />

viermal am Wiener Hofopern theater<br />

aufführen: 1899, 1900, 1903, 1906.<br />

Danach gab es hier nur noch vier weitere<br />

Auf führungen, 1910, 1912, zwei<br />

Mal 1913. Die Tantiemen aus aller<br />

Welt aber machten Kienzl zu einem<br />

äußerst wohlhabenden Mann. Trotz<br />

der finanziellen Verluste durch den<br />

Ersten Weltkrieg und die nachfolgende<br />

Inflation konnte Kienzl sein<br />

Vermögen immer mehr steigern, so<br />

daß er 1934 dem ehemals reichsten<br />

Mann Europas, dem bankrott gewordenen<br />

Camillo Castiglioni, einen<br />

baren Millionen kredit (nach heutigem<br />

Wert) gewähren konnte, ohne sich<br />

etwas abgehen zu lassen.<br />

Heutige Fachleute meinen vom<br />

Evangelimann, daß man seine Musik<br />

kennt, wenn man Richard Wagners<br />

Lohengrin, Tristan, Sieg fried und<br />

Meistersinger kennt. Das Libretto sei<br />

eine nicht mehr zeitgemäße, süßliche<br />

Mischung aus Kriminalstück und<br />

Liebesdrama in einer peinlichen Rühr -<br />

seligkeit, deren Erträglichkeit auch bei<br />

bestem Willen zumindest fragwürdig<br />

erscheine. Es fehle dem Stück eine<br />

sittliche Aussage. Himmlische<br />

Seligkeit als Lohn für irdische Leiden<br />

und verlorenes Lebensglück sei eher<br />

lächerlich.<br />

Tante Henny,<br />

eine zweite Cosima<br />

Nach dem großen und immer wachsenden<br />

Erfolg des Evangelimann<br />

schuf Kienzl fast sein ganzes, doch<br />

recht bemerkenswertes restliches<br />

musikalisches Lebenswerk in Reitern,<br />

Lerchenreith Nr. 21, wo er nach dem<br />

Brand des Stöckls alle seine Som -<br />

meraufenthalte nahm. In seiner Auto -<br />

biographie „Meine Lebens wanderung,<br />

Erlebtes und Erschautes” schrieb er in<br />

gleichsam schon olympischer Ent -<br />

rücktheit über die Kriegsjahre 1914<br />

bis 1918: „Ich schuf im Frieden der<br />

<strong>Aussee</strong>r Berge, in die nur hie und da<br />

Das Stöckl, von Osten gesehen, ein Nebengebäude der späteren Wasnerin, erschien<br />

Kienzl als für „Lili putaner“ geschaffen. Hier schaut der Meister aus dem Fenster, seine<br />

Gattin Helene himmelt ihn von der Bank aus an - diese Abhängigkeit spiegelte sich in<br />

allen Lebens lagen wider. Das Häuschen wurde 2005 abgetragen.<br />

Fotos: Privatarchiv J. Linortner<br />

wie aus traumhafter Ferne ein leises,<br />

donnerähnliches Grollen von Ge -<br />

schütz salven an mein Ohr drang, im<br />

Laufe dieser furchtbaren vier Jahre<br />

meine Oper Das Testament, zahlreiche<br />

Lieder, mehrere Männerchöre<br />

(darunter sieben Kriegsgesänge),<br />

eine Reihe von Ländlern für Bläser<br />

und einen Auferstehungshymnus für<br />

gemischten Chor mit Orchester,<br />

Ostara.” Nach dem Tod seiner Mutter<br />

1916 (sein Vater war schon 1902<br />

gestorben) zog Kienzl von seinem<br />

Haupt wohnsitz Graz nach Wien, wo er<br />

im 2. Bezirk in der Schreygasse 6 ein<br />

Haus mit Garten erwarb. Am<br />

Allerseelentag 1919 starb nach langer<br />

Krankheit in <strong>Bad</strong> <strong>Aussee</strong> seine Frau<br />

Lilli, 61jährig, und wurde hier begraben.<br />

1920 komponierte Kienzl die<br />

Melodie zu einer neuen österreichischen<br />

Bundeshymne, zu der<br />

Staatssekretär Dr. Karl Renner den<br />

Text verfaßt hatte. Aber die Hymne<br />

blieb inoffiziell und setzte sich nicht<br />

durch. Am 28. August 1921 heiratete<br />

Kienzl in der Kapelle des <strong>Aussee</strong>r<br />

Josefinums zum zweitenmal. Seine<br />

zweite Frau, Helene Josefine Fran -<br />

ziska, wurde in <strong>Bad</strong> <strong>Aussee</strong> als „Tante<br />

Henny“ bekannt. Spätestens zu dieser<br />

Zeit hatte sich Kienzls Selbst -<br />

einschätzung soweit überhöht, daß er<br />

sich nur mehr als Meister ansprechen<br />

ließ, ein Ehrentitel, den vor ihm schon<br />

ein etwas größerer, Richard Wagner,<br />

getragen hatte. Auch Kienzls zweite<br />

Frau sprach ihn, sogar im vertrautesten<br />

Umgang, nur per Sie und als<br />

„Meister“ an. 1938 ließ der Reichs -<br />

minister für Propa gan da und Volks -<br />

aufklärung, Dr. Joseph Goebbels,<br />

dem verehrten Meister Kienzl per<br />

Postkarte ergebenst für die Glück -<br />

wünsche zum Geburtstag danken.<br />

Aber der Evangelimann ließ sich trotz<br />

beharrlicher Angebote an keiner deutschen<br />

Musikbühne oder im Reichs -<br />

rundfunk mehr unterbringen. Am 3.<br />

Oktober 1941 starb Wilhelm Kienzl in<br />

Wien. Als Bürger ehrenhalber der<br />

Stadt Wien erhielt er ein Ehrengrab<br />

am Wiener Zentralfriedhof.<br />

Seiner Witwe, Tante Henny, war es in<br />

erster Linie vorbehalten, seinen<br />

Nachruhm zu fördern. In schwarze<br />

Seide gehüllt, wandelte sie, eine<br />

andere Cosima, noch zwei Jahr -<br />

zehnte lang leutselig auf den Spuren<br />

des Meisters über die Gefilde<br />

<strong>Aussee</strong>s. Ihr war es zu verdanken,<br />

daß in den <strong>Aussee</strong>r Festwochen der<br />

Musikstudierenden Österreichs, die<br />

zwischen 1947 und 1956 stattfanden,<br />

der Werke des Meisters ausführlich<br />

gedacht wurde. Bei den zweiten<br />

<strong>Aussee</strong>r Fest wochen, 1948, wurden<br />

vor Beginn eines jeden Konzertes im<br />

Kurhaus von einer Bläsergruppe der<br />

Musik akademie Wien vom Mittel -<br />

balkon des Kurhauses aus die eigens<br />

für <strong>Bad</strong> <strong>Aussee</strong> von Gottfried Freiberg<br />

nach Motiven aus der Oper „Don<br />

Quixote“ des Meisters komponierte<br />

Festfanfare über den Kurpark und den<br />

Markt hin geblasen, ganz nach Art<br />

des Festspielhauses am Grünen<br />

Hügel von Bayreuth. Zum Auftakt dieser<br />

Festwochen war von Landes -<br />

haupt mann Josef Krainer (sen.) eine<br />

große Gedenktafel für Wilhelm Kienzl<br />

enthüllt worden. Im Juli 1956 wurde<br />

der Evangelimann dreimal vollständig<br />

aufgeführt, vermutlich war dies die<br />

letzte Inszenierung dieses<br />

Musikalischen Schauspiels. – Das bisher<br />

letzte <strong>Aussee</strong>r Gedenken des<br />

Meisters war 1998 die Umbenennung<br />

der <strong>Aussee</strong>r Musikschule in „Wilhelm-<br />

Kienzl-Musikschule”. – Henny Kienzl<br />

starb am 31. Mai 1964 in Wien. Sie<br />

vermachte der Marktgemeinde <strong>Bad</strong><br />

<strong>Aussee</strong> ein Legat von 10.000,-<br />

Schilling und ein Foto des Meisters.<br />

Kienzls musikalischer Nachlaß kam<br />

an die Gesellschaft der Musik freunde,<br />

sein schriftlicher Nachlaß im Umfang<br />

von gut 72.000 Seiten kam an die<br />

Wien-Bibliothek. Das Tintenfaß<br />

Mozarts, das der Meister besessen<br />

hatte, ist verschollen. Der Lohn für die<br />

irdischen Leiden der Aufschlüsselung<br />

seiner Konto aus züge, Geschäfts -<br />

briefe und 25.933 Tage zumeist trivialer<br />

Tagebuchauf zeichnungen aus 71<br />

Jahren <strong>wird</strong> gewiß himmlische<br />

Seligkeit sein.<br />

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