Die erste Person Singular in der Wissenschaft - IGPP
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nur partiell Boolesch ist. Lokal Boolesche Substrukturen werden so zusammengefügt,<br />
dass die entstehende Gesamtstruktur global nicht-Boolesch ist. 17<br />
Ich erwähne diese Punkte auch als Kommentare zu Bridgmans For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er<br />
“sprachlichen Technik”, die den öffentlichen, objektivierten Aspekt von <strong>Wissenschaft</strong><br />
üb<strong>erste</strong>igt. <strong>Die</strong>ser Aspekt bedient sich vielfach, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im logischen Empirismus,<br />
e<strong>in</strong>er Booleschen Aussagenlogik. Wenn es h<strong>in</strong>gegen darum geht, wissenschaftliche<br />
Sachverhalte zu formulieren, die als komplementär aufgefasst werden müssen, werden<br />
Formen von Sprache erfor<strong>der</strong>lich, denen e<strong>in</strong>e erweiterte Logik zugrunde liegt. Vielleicht<br />
gilt dies sogar für die Beziehung zwischen dritter-<strong>Person</strong> und <strong>erste</strong>r-<strong>Person</strong> Perspektive<br />
selbst. 18 Um manch neue E<strong>in</strong>sichten <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong> zu v<strong>erste</strong>hen, könnte es se<strong>in</strong>,<br />
dass wir dabei zugleich erst lernen müssen, was “v<strong>erste</strong>hen” bedeutet.<br />
3.2 Paulis Lebenskrise:<br />
Konfrontation mit dem “Objektiv-Psychischen”<br />
Gegen Ende <strong>der</strong> 1920er Jahre begann für Pauli e<strong>in</strong>e Zeit emotionaler Turbulenzen,<br />
die er – wie angedeutet – später selbst als se<strong>in</strong>e grosse Lebenskrise bezeichnete. Sie<br />
wurde, auch von Pauli selbst, se<strong>in</strong>en massiven Problemen im Umgang mit Frauen<br />
zugeschrieben, und damit vor allem se<strong>in</strong>er kurzen Ehe mit Käthe Deppner 1929-1930.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus kann man aber spekulieren, dass auch <strong>der</strong> Selbstmord se<strong>in</strong>er Mutter<br />
im November 1927 und die kurz darauf beg<strong>in</strong>nende zweite Ehe se<strong>in</strong>es Vaters im<br />
Zusammenhang damit standen. 19<br />
Neben diesen persönlichen D<strong>in</strong>gen lag das zweite wesentliche Moment <strong>der</strong> Instabilität,<br />
die mit je<strong>der</strong> Krise e<strong>in</strong>hergeht, jedoch im weltanschaulichen Bereich. Pauli<br />
musste, unter dem Druck <strong>der</strong> teils von ihm selbst, teils von an<strong>der</strong>en erarbeiteten neuen<br />
Resultate und Konzepte <strong>der</strong> Quantentheorie e<strong>in</strong>e ganze Reihe althergebrachter E<strong>in</strong>stellungen<br />
revidieren, die die Physik des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts geprägt hatten. Se<strong>in</strong>e Wende<br />
vom re<strong>in</strong> empirischen Standpunkt à la Mach zu e<strong>in</strong>er Orientierung, die auch ontologische<br />
(metaphysische) Positionen erlaubte und schliesslich sogar for<strong>der</strong>te, spielt dabei<br />
wohl e<strong>in</strong>e herausragende Rolle. Es gibt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ideengeschichte e<strong>in</strong>e ganze Reihe von<br />
Beispielen, die das Krisenpotential <strong>der</strong>artiger weltanschaulicher Verän<strong>der</strong>ungen belegen.<br />
Wolfgang Pauli zählt sicherlich dazu.<br />
Se<strong>in</strong>e analytische Behandlung, zunächst durch Erna Rosenbaum, e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong><br />
von Jung, dann durch Jung selbst, begann im Februar 1932 und wurde im Oktober 1934<br />
erfolgreich abgeschlossen. Im April des gleichen Jahres hatte Pauli erneut geheiratet,<br />
dieses Mal die Münchner<strong>in</strong> Franca Bertram, mit <strong>der</strong> er bis zu se<strong>in</strong>em Tod 1958 verbunden<br />
blieb. Viele Details, die für den Kontext <strong>der</strong> Analyse <strong>in</strong>teressant s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em kürzlich erschienenen Artikel von Karl von Meyenn nachzulesen. 20 Für Paulis<br />
17 Wer sich für Details dazu <strong>in</strong>teressiert, f<strong>in</strong>det diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em jüngeren Artikel von H. Primas:<br />
“Non-Boolean descriptions of m<strong>in</strong>d-matter problems”, M<strong>in</strong>d and Matter 5, 7–44 (2007).<br />
18 M. Velmans hat diese Vermutung erstmals 1991 geäussert, und zwar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Artikel “Consciousness<br />
from a first-person perspective”, Behavioral and Bra<strong>in</strong> Sciences 14, 702–726.<br />
19 An Marie-Louise von Franz, e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong> Jungs, schrieb er am 6. 11. 1953: “Me<strong>in</strong> Vater hat<br />
bald nach dem Tod me<strong>in</strong>er Mutter zum zweiten Mal (e<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Alter!) geheiratet.”.<br />
20 K. von Meyenn: “Dreams and fantasies of a quantum physicist”, M<strong>in</strong>d and Matter 9, 9–35 (2011).<br />
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