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HERZBLATT - Elternvereinigung für das herzkranke Kind

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Unterstützende Therapien<br />

Man wollte zuwarten, um zu sehen wie<br />

sich <strong>das</strong> Herz entwickelt.<br />

Die ersten zwei Monate vergingen<br />

eigentlich ganz problemlos, ausser<br />

<strong>das</strong>s Jago ein sehr langsamer Trinker<br />

war und an der Brust nicht die Kraft<br />

hatte zu trinken. Um ihm <strong>das</strong> Trinken zu<br />

erleichtern, führten wir die Muttermilch<br />

mit dem Fläschchen zu.<br />

Dann im Alter von zwei Monaten wurde<br />

er zunehmend unruhiger. Er hatte nicht<br />

die typischen Anzeichen von Zyanose.<br />

Durch seinen defekten VSD und die<br />

überreitende Aorta floss <strong>das</strong> Blut von<br />

links nach rechts, so <strong>das</strong>s die Sättigung<br />

immer sehr gut war. Er schlief in<br />

der Nacht zwar recht gut, aber die Tage<br />

waren geprägt von stundenlangem<br />

Weinen. Er konnte kaum beruhigt werden,<br />

konnte keine Nähe ertragen und<br />

akzeptierte nur ganz wenige Personen<br />

des engeren familiären Umfeldes. Natürlich<br />

hatten wir in der ersten Zeit nach<br />

der Geburt engmaschige kardiologische<br />

Kontrollen bei Dr. Kuen. Ausser<br />

<strong>das</strong>s die Stenose des rechtsventrikulären<br />

Ausflusstraktes zunahm und es<br />

untypischerweise zu einer linksseitigen<br />

Volumenbelastung kam, war strukturell<br />

kein Hinweis auf sein unruhiges Verhalten<br />

feststellbar. Was mir als Osteopath<br />

jedoch auffiel, war die starke fasziale<br />

(bindegewebige) Spannung im seinem<br />

Thorax, die sich in der Kontinuität der<br />

Halsfaszien weiterleitete und bei Belastungen<br />

(weinen) die Bereiche der noch<br />

offenen Fontanellen am Kopf stark pulsieren<br />

liessen. Hierbei handelte es sich<br />

um eine funktionelle Anpassung des<br />

Körpers an die gegebenen Umstände.<br />

Von der klassischen Medizin wenig beachtet,<br />

stellt es ein Indikationsgebiet<br />

der Osteopathie dar. Zwar konnte die<br />

Spannung durch gezielte osteopathische<br />

Behandlung jeweils kurzzeitig gelindert<br />

werden, da aber der Defekt und<br />

die daraus resultierende Spannungszunahme<br />

der Faszien bestehen blieb,<br />

baute sich der Druck schnell wieder<br />

auf. Die osteopathischen Behandlung<br />

führte natürlich ein Kollege von mir aus,<br />

da ich als Vater nicht in der Lage war,<br />

die nötige Neutralität aufzubringen, die<br />

es braucht.<br />

Jagos Verhalten veränderte sich die<br />

nächsten 6 Monate kaum. Tagsüber<br />

weinte er meistens und nachts schlief<br />

er, wohl auch aus Erschöpfung. Strukturell<br />

nahm die Stenose im Ausflusstrakt<br />

des rechten Ventrikels stetig zu, so<br />

<strong>das</strong>s wir uns in Absprache mit Dr. Kuen<br />

entschieden, Jago im September mit<br />

rund 10 Monaten operieren zu lassen.<br />

Durch die guten Verbindungen von Dr.<br />

Kuen nach Zürich wurde uns Prof. Prêtre<br />

als Operateur zugeteilt. Ein Name,<br />

der mir zu der Zeit nicht wirklich etwas<br />

sagte - was sich aber später änderte!<br />

Durch <strong>das</strong> Wachstum konnte sich die<br />

thorakale Spannung besser verteilen<br />

und es beeinflusste sein Empfinden<br />

wohl soweit, <strong>das</strong>s er mit 8 Monaten<br />

weniger weinen musste. Die Fontanellen<br />

waren jedoch noch immer weit offen<br />

und <strong>das</strong> Gewebe darüber stark gespannt<br />

wie nach der Geburt.<br />

Am 27. September 2006 war es dann<br />

soweit. Wir übergaben Jago mit einerseits<br />

schwerem Herzen aber doch zuversichtlich<br />

vertrauensvoll dem Operationsteam.<br />

Jago wurde am offenen<br />

Herzen operiert. Der VSD wurde zusammen<br />

mit der überreitenden Aorta<br />

geschlossen, der Ausflusstrakt der<br />

Pulmonalarterie erweitert und verstärkt<br />

sowie sich gebildete Muskelbündel im<br />

rechten Ventrikel resektiert. Nach langen<br />

Stunden des Wartens erhielten wir<br />

den erlösenden Anruf von Prof. Prêtre,<br />

der uns mitteilte, <strong>das</strong>s alles gut gegangen<br />

sei und Jago in Kürze auf die Intensivstation<br />

verlegt werde. Eine riesige<br />

Erleichterung und Dankbarkeit machte<br />

sich in uns breit. Trotz der vielen Abgänge,<br />

Leitungen und Überwachungsmonitore<br />

in und um Jago waren wir<br />

überglücklich, <strong>das</strong>s es vorbei war und<br />

er stabil war. Nach komplikationslosen<br />

Tagen bei hervorragender Betreuung<br />

durch die zuständigen Ärzte und <strong>das</strong><br />

Pflegepersonal konnte er am 3. postoperativen<br />

Tag auf die Säuglingsstation<br />

verlegt werden. Zu Jagos Glück war<br />

nur sehr wenig Betrieb auf der Station.<br />

Es war sehr ruhig und er konnte<br />

sich perfekt erholen. Ich erinnere mich<br />

an <strong>das</strong> Bild, als er in seinem Bettchen<br />

schlief. So ruhig und friedlich wie noch<br />

nie zuvor. Ein Bild wie ein Engel! Und<br />

<strong>das</strong> Gewebe über seinen Fontanellen<br />

war entspannt. Diese schlossen sich<br />

danach auch recht schnell.<br />

Nach einer Woche konnten wir Jago<br />

ohne weitere Medikamente mit nach<br />

Hause nehmen. Es war ein nach Hause<br />

kommen, als ob er ein zweites Mal geboren<br />

worden wäre!<br />

Jago erholte sich in den nächsten Tagen<br />

und Wochen enorm schnell und die<br />

bisher eher etwas stockende Entwicklung<br />

ging rasant vorwärts.<br />

Die erste Nachkontrolle nach der Operation<br />

zeigte ein ausgezeichnetes Operationsergebnis.<br />

Leider bestand noch<br />

ein kleiner, residueller Ventrikelseptumsdefekt,<br />

der jedoch keine Relevanz hatte<br />

und sich in den Folgejahren schloss.<br />

Wir als Eltern waren sehr froh, glücklich<br />

und dankbar über dieses Ergebnis.<br />

Für mich als Osteopath war natürlich<br />

die Spannung des Thorax weiterhin zu<br />

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