26.01.2014 Aufrufe

Jahresbericht 2012 - Innere Mission München

Jahresbericht 2012 - Innere Mission München

Jahresbericht 2012 - Innere Mission München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Evangelisches Hilfswerk<br />

34<br />

Notprogramm bei unter<br />

Null Grad: Im Kälteschutzraum<br />

im Münchner<br />

Norden verteilen<br />

Sozialpädagogen einen<br />

warmen Schlafplatz,<br />

Decken und ein kleines<br />

Frühstück an obdach lose<br />

Menschen aus Südosteuropa.<br />

Boden unter den Füßen: Seit 50 Jahren bekommen<br />

strafentlassene Männer im Bodelschwingh-Haus die<br />

Chance auf ein neues Leben.<br />

Zahlreiche Gemeinschaftsaktionen<br />

haben dies unterstützt und gefördert;<br />

auch die Mitglieder des Teams<br />

lernten sich dabei immer besser<br />

kennen.<br />

Wo 25 Frauen mit derart unterschiedlichen<br />

und bruchreichen Biografien<br />

zusammenleben, tauchen<br />

zwangsläufig Konflikte auf. Auch<br />

in diesem Punkt hat sich die Idee<br />

der Einzelappartements bewährt:<br />

Ohne dass die Notwendigkeit besteht,<br />

Gemeinschaftseinrichtungen<br />

zu nutzen, kann jede Frau ihre Türe<br />

einfach zu machen und sich in ihre<br />

eigenen vier Wände zurückziehen.<br />

Nach einem Jahr ist im Lieberweg<br />

25 nun langsam der Alltag eingekehrt.<br />

Ein Alltag, der Sicherheit gibt<br />

und Verlässlichkeit – und der trotzdem<br />

Raum lässt für Außergewöhnliches<br />

und manchmal auch Wunderbares.<br />

Verena Graf<br />

Kälteschutz in München<br />

– eine Chronologie<br />

<strong>Mission</strong> Menschlichkeit. Wie das<br />

Evangelische Hilfswerk zum Haus<br />

9 in der ehemaligen Bayern-Kaserne<br />

kam.<br />

Februar <strong>2012</strong><br />

In München gibt es einen Kälteeinbruch.<br />

Es herrschen Temperaturen<br />

von bis zu 20 Grad unter Null. Es<br />

gibt zu wenige Unterbringungsmöglichkeiten.<br />

Nur durch die Anstrengungen<br />

aller Beteiligten und die<br />

unbürokratische Aufnahme von Hilfebedürftigen<br />

in Wohnheime muss<br />

in diesem Winter niemand erfrieren.<br />

Sommer <strong>2012</strong><br />

Aufgrund dieser Erfahrung erarbeiten<br />

wir zusammen mit der Landes-<br />

hauptstadt München und freien Trägern<br />

der Wohnungslosenhilfe das<br />

Konzept „Kälteschutz in München“.<br />

Oktober <strong>2012</strong><br />

Der Winter naht. In letzter Minute<br />

machen das Städtische Wohnungsamt<br />

und das Kommunalreferat ein<br />

renovierungsbedürftiges Gebäude<br />

auf dem Gelände der ehemaligen<br />

Bayern-Kaserne im Münchner Norden<br />

ausfindig.<br />

November <strong>2012</strong><br />

Am 29. November entscheidet der<br />

Münchner Stadtrat, dass die Landeshauptstadt<br />

den Kälteschutz mit rund<br />

400.000 Euro pro Jahr finanziert. Er<br />

überträgt uns die Betriebsführung –<br />

einstimmig! Mit zwei zusätzlichen<br />

Planstellen sollen wir die sozialpädagogische<br />

Beratung übernehmen.<br />

Am Tag danach wird uns das<br />

Haus übergeben. Die Handwerker<br />

sind noch voll am werkeln; neue<br />

Duschen und Toiletten sollen eingebaut<br />

werden. In den Gängen stehen<br />

Stockbetten und Matratzen. Bis<br />

spät in die Nacht bereiten Kollegen<br />

das Notwendigste vor – sie kaufen<br />

Busladungen an Klopapier, Seife,<br />

Plastikbecher ein und sortieren die<br />

Zimmerschlüssel.<br />

Dezember <strong>2012</strong><br />

Am 1. Dezember pünktlich um<br />

17.00 Uhr wird das Haus erstmalig<br />

geöffnet: Der Wetterdienst hat für<br />

die kommende Nacht eisige Temperaturen<br />

angekündigt. Es soll bis<br />

zu minus 15 Grad kalt werden. Um<br />

17.30 verlässt der letzte Handwerker<br />

das Haus 9.<br />

Schutzbedürftige Menschen strömen<br />

in unser Haus. Sie kommen<br />

vor allem aus Rumänien, Bulgari-<br />

en, Ungarn. Ihre Habe passt meist<br />

in eine Plastiktüte. Sie sind durchgefroren<br />

und freuen sich über warme<br />

Zimmer, Duschen und freundliche<br />

Worte der Mitarbeitenden.<br />

Diese Menschen finden bei uns<br />

in Deutschland selten eine Arbeit<br />

und fast nie eine Wohnung. In ihre<br />

Heimatländer wollen – oder können<br />

– sie nicht zurückkehren. Dort<br />

herrschen Armut, Leid und Diskriminierung.<br />

Deshalb bleiben sie lieber<br />

hier. Und hoffen auf unsere<br />

Menschlichkeit. Anton Auer<br />

::: Meine letzte Hoffnung: Das<br />

Bodelschwingh-Haus<br />

Ich war überraschend zu einer Bewährungsstrafe<br />

verurteilt worden.<br />

Das Gericht war mit meiner Schuld<br />

großzügiger umgegangen, als ich es<br />

selbst tat. Aber der Unterschied lag<br />

darin, dass das Gericht den materiellen<br />

Schaden maß und ich den Vertrauensbruch<br />

als meine eigentliche<br />

Schuld ansah.<br />

Am 31. August 2010 durfte ich in<br />

den frühen Abendstunden die Justizvollzugsanstalt<br />

Stadelheim verlassen.<br />

Einerseits war ich voller Begeisterung<br />

über die wiedergewonnene<br />

Freiheit, auf der anderen Seite stand<br />

ich vor den Scherben meiner Existenz:<br />

Obdachlos, mittellos und voller<br />

Scham. Es war schwer gewesen,<br />

in das Gefängnis zu gehen – aber<br />

wieder „frei“ zu kommen, erschien<br />

mir noch unendlich schwerer.<br />

Zum ersten Mal in meinem Leben<br />

war ich ratlos. 57 Euro hatte ich in<br />

der Tasche; das bisschen Geld reichte<br />

nicht einmal für eine billige Unterkunft.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!