Jahresbericht 2012 - Innere Mission München
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Leitwort<br />
4<br />
„Wir haben hier keine bleibende Stadt,<br />
sondern die zukünftige suchen wir.“<br />
(Hebräer 13,14)<br />
Das einzig Beständige ist der Wandel<br />
Heraklit wird der Satz zugeschrieben<br />
„Das einzige Beständige ist der Wandel“.<br />
Um die Mitte des ersten vorchristlichen<br />
Jahrtausends bezog er damit<br />
eine Gegenposition zu Parmenides,<br />
der postulierte, dass das Sein der Möglichkeit<br />
zur Veränderung enthoben<br />
sei. Mit diesem historischen Hinweis<br />
ist eine Daueraufgabe für das persönliche<br />
und politische Leben jedes Einzelnen<br />
und unserer Gesellschaft beschrieben.<br />
Was soll bestehen bleiben<br />
und was soll sich ändern? Oder: Was<br />
muss ich ändern, damit die Lebensgrundlagen<br />
erhalten bleiben?<br />
Wolf Biermann hat diese Grundfrage<br />
für sich beantwortet: „Nur wer<br />
sich ändert, bleibt sich treu.“ Und<br />
auch der in Bethel geborene Liedermacher<br />
Hannes Wader hat 1972<br />
in seinem berühmten Song „Heute<br />
hier, morgen dort“ einprägsame<br />
Formulierungen gefunden. Ihm war<br />
klar, „dass nichts bleibt, wie es war“.<br />
Und noch deutlicher heißt es weiter:<br />
„Denn was neu ist, wird alt und was<br />
gestern noch galt, stimmt schon heut<br />
oder morgen nicht mehr.“ Was Biermann<br />
und Wader rückblickend feststellen,<br />
greift die Jahreslosung 2013<br />
in Richtung auf die Zukunft auf. Das<br />
Bestehende wird nicht abgewertet,<br />
aber der Wandel bejaht, wenn der<br />
Verfasser des Hebräerbriefes formuliert,<br />
dass wir die zukünftige Stadt suchen.<br />
Neben dieser Zukunftsorientierung<br />
ist besonders erstaunlich, dass<br />
die Metaphorik für den Wandel nicht<br />
aus der Natur stammt: Bewusst wählt<br />
der Verfasser des He bräerbriefes eine<br />
kulturelle Metapher: die Stadt. Die<br />
Stadt ist ein von Menschenhand kulturell<br />
gestalteter Ort: Hier finden sich<br />
Kirchen und Tempel, Versammlungsstätten<br />
und Schulen, Märkte und<br />
Werkstätten, öffentliche Plätze und<br />
privater Wohnraum.<br />
Dies alles und noch viel mehr hat<br />
seinen Platz in der kleinen oder großen<br />
Stadt. Jede Stadt muss sich immer<br />
wieder anpassen an die Veränderungen<br />
im Umfeld und an diejenigen,<br />
die sie selbst hervorbringt. Die Stadt<br />
soll den Menschen dienen. Damit sie<br />
ihren Dienst an den Menschen erfüllen<br />
kann, ist sie stetem Wandel unterworfen.<br />
Christen wagen Zukunft<br />
Mit dem Verfasser des Hebräerbriefes<br />
fragen wir darum auch heute<br />
nach der Zukunft der Stadt, die wir<br />
suchen. Sie soll eben nicht nur Ballungsraum<br />
sein. Sie darf nicht nur<br />
mit wirtschaftlichen oder sozialwissenschaftlichen<br />
Kennzahlen und<br />
Theorien beschrieben werden. Die<br />
Stadt ist immer mehr als die Summe<br />
ihrer Menschen und Gebäude. Städte<br />
haben ihren eigenen Charakter, ihre<br />
eigene Mentalität.<br />
Zu diesem Charakter einer Stadt<br />
tragen auch Christen und Kirchen erheblich<br />
bei. Sie beteiligen sich daran,<br />
der Stadt Gestalt zu geben. Sie weisen<br />
nicht nur auf das hin, was sich bewährt<br />
hat, sondern starten neue Initiativen,<br />
probieren auch etwas aus,<br />
ja riskieren etwas: Sie sind Anwälte<br />
der menschlichen Gemeinschaft und<br />
der Zukunft. Christen können bei der<br />
Gestaltung der Stadt auch etwas riskieren,<br />
weil sie wissen, dass weder<br />
der Erfolg ihrer Initiativen noch ihr<br />
Scheitern sie von der Liebe Gottes<br />
trennen kann. Weil Gott uns trägt,<br />
deshalb können wir Christen uns auf<br />
die Zukunft einlassen, sie mitgestalten<br />
und suchen, was der Stadt zum<br />
Besten dient. „Suchet der Stadt Bestes,<br />
denn wenn es ihr wohl geht, so<br />
wird’s auch Euch wohl gehen“, wusste<br />
schon der Prophet Jeremia. Wer<br />
sich mit der Jahreslosung auf den<br />
Weg macht, tritt nicht nur ein für Offenheit<br />
bei der Suche, sondern auch<br />
für Öffentlichkeit im Ringen um das<br />
Beste für die Stadt.<br />
Gemeinsam auf der Suche<br />
In der Suchbewegung nach der<br />
künftigen Stadt sind Christen nicht<br />
allein. Green City engagiert sich seit<br />
mehr als zwanzig Jahren für ökologische<br />
Stadtgestaltung in München.<br />
Die Urbanauten bereichern unsere<br />
Stadt nicht nur mit dem Kulturstrand.<br />
Und die „Transition Town<br />
Bewegung“ thematisiert das Leben<br />
nach dem Peak Oil. Wie werden sich<br />
Gestalt, Philosophie und Lebensstil in<br />
München und anderen Städten verändern,<br />
wenn erdöl- und kohlenstoffbasierte<br />
Technologien und Mobilität<br />
unser Leben nicht mehr beherrschen?