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Aus der Geschichte der Neuapostolischen Kirche - Sekten.ch

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<strong>Aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

Gesammeltes historis<strong>ch</strong>es Quellenmaterial<br />

Lutz, die Irvingianer, die 'Londoner Prophetens<strong>ch</strong>ule', Thiers<strong>ch</strong>, die neuen Apostel – frühe Anfänge,<br />

Abspaltung und fals<strong>ch</strong>e Prophetie; Geld, viel Geld, Geldrafferei und Berei<strong>ch</strong>erung und<br />

’fromme Sosse’ drum herum. – Die Neu-Apostel, spiritistis<strong>ch</strong>e Tricks: stets mit Kritik umwittert.<br />

Allgemeine<br />

Deuts<strong>ch</strong>e Biographie.<br />

Neunzehnter Band<br />

v. Littrow – Lysura.<br />

Auf Veranlassung<br />

Seiner Majestät des Königs von Bayern<br />

herausgegeben<br />

dur<strong>ch</strong> die historis<strong>ch</strong>e Commission<br />

bei <strong>der</strong><br />

Königl. Akademie <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aften.<br />

Neudruck <strong>der</strong> 1. Auflage von 1884<br />

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN<br />

Lutz: Johann Evangelist Georg L., katholis<strong>ch</strong>er Geistli<strong>ch</strong>er, geb. am 12. März 1801 zu Burg bei<br />

Thannhausen in Bayern, + am 9. Juli 1882 zu Esslingen. L. erhielt seine <strong>Aus</strong>bildung auf dem Gymnasium und in<br />

dem damals unter <strong>der</strong> Leitung von J. B. Gerhauser (s. Bd. VIII, 783) stehenden Seminar zu Dillingen. Einige<br />

seiner Lehrer waren Geistesverwandte von Sailer, und dieser übte dur<strong>ch</strong> seine S<strong>ch</strong>riften und dur<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong>en<br />

Verkehr einen bedeutenden Einfluss auf ihn. Am 7. Juni 1823 zum Priester geweiht, wurde L. zunä<strong>ch</strong>st zum<br />

Vikar in Grimoldsried bei S<strong>ch</strong>wabmün<strong>ch</strong>en, 1826 zum Pfarrvikar in <strong>der</strong> Kolonie Karlshuld im Donaumoose bei<br />

Ingolstadt ernannt. Hier bemühte er si<strong>ch</strong> eifrig und erfolgrei<strong>ch</strong> für die Verbesserung <strong>der</strong> materiellen Verhältnisse<br />

<strong>der</strong> armen Moosbewohner; er erhielt dafür das goldene Civil-Verdienst-Ehrenzei<strong>ch</strong>en. Dur<strong>ch</strong> die Lektüre <strong>der</strong><br />

S<strong>ch</strong>riften von Martin Boos (s. Bd. III, 138) geriet er in die "mystis<strong>ch</strong>e" Ri<strong>ch</strong>tung und wirkte, 1828 "erweckt",<br />

seitdem im Gossner's<strong>ch</strong>en Sinne ( s. Bd. IX, 407 "Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Notizen über die bürgerli<strong>ch</strong>en und religiösen<br />

Verhältnisse <strong>der</strong> Kolonie Karlshuld auf dem Donaumoose", 1830). Im J. 1830 wurde er, von bena<strong>ch</strong>barten<br />

Geistli<strong>ch</strong>en denunziert, von dem Augsburger Ordinariate vorgeladen, gab aber befriedigende Erklärungen ab und<br />

wurde nur ermahnt, fortan alles Ungewöhnli<strong>ch</strong>e und Aufsehen Erregende zu vermeiden, und unter die Aufsi<strong>ch</strong>t<br />

eines bena<strong>ch</strong>barten Pfarrers gestellt. Er fuhr indes fort in <strong>der</strong> bisherigen Weise zu wirken und hielt namentli<strong>ch</strong><br />

gegen den Willen des Ordinariates mit den "Erweckten" in seiner Gemeinde beson<strong>der</strong>e Anda<strong>ch</strong>tsstunden. Im<br />

Oktober 1831 sollte er auf eine Pfarrei in <strong>der</strong> Mün<strong>ch</strong>ener Diözese versetzt werden, weigerte si<strong>ch</strong> aber Karlshuld<br />

zu verlassen und erklärte mit einem grossen Teil seiner Gemeinde zunä<strong>ch</strong>st im Dezember 1831 seinen <strong>Aus</strong>tritt<br />

aus dem römis<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nverbande, dann, da die Bildung einer "eigenen, für si<strong>ch</strong> bestehenden<br />

apostolis<strong>ch</strong>-<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Gemeinde" von dem Ministerium ni<strong>ch</strong>t gestattet wurde, im Februar 1832 seinen<br />

Quellenmaterial Seite 1


Übertritt zur evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Er veröffentli<strong>ch</strong>te nun eine neue Bearbeitung <strong>der</strong> "ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Notizen"<br />

und das "Bekenntnis <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Wahrheit, wie sol<strong>ch</strong>e in <strong>der</strong> Pfarrei Karlshuld erkannt und geglaubt wird".<br />

Aber in <strong>der</strong> Hoffnung als protestantis<strong>ch</strong>er Geistli<strong>ch</strong>er in Karlshuld bleiben und die Gemeinde na<strong>ch</strong> seinen<br />

Ans<strong>ch</strong>auungen von alt<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Disziplin und alt<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>em Kultus organisieren zu können, sah er si<strong>ch</strong><br />

getäus<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> das protestantis<strong>ch</strong>e Oberkonsistorium hielt seine Entfernung von Karlshuld für nötig und<br />

ernannte ihn zum Pfarrverweser in Wassertrudingen. S<strong>ch</strong>on im Juni 1832 äusserte L. mündli<strong>ch</strong>, in den folgenden<br />

Monaten wie<strong>der</strong>holt s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>, dass er seinen Übertritt als eine Übereilung bereue, und bat um Wie<strong>der</strong>aufnahme<br />

in die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Diese erfolgte, na<strong>ch</strong>dem er einen Wi<strong>der</strong>ruf geleistet und das tridentinis<strong>ch</strong>e<br />

Glaubensbekenntnis abgelegt, am 16. Nov. 1832. Er bewog au<strong>ch</strong> den grössten Teil seiner Anhänger in<br />

Karlshuld, si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> wie<strong>der</strong> anzus<strong>ch</strong>liessen ("<strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>reiben des Ordinariats Augsburg über<br />

Wie<strong>der</strong>aufnahme des J. G. Lutz" vom 5. Dez. 1832, abgedruckt in Benkert's Religions- und <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nfreund<br />

1833, Bem. 1). – Na<strong>ch</strong>dem L. einige Zeit als Privatgeistli<strong>ch</strong>er in Unterroth gelebt, wurde er im September 1834<br />

zum Pfarrer in Tafertshofen im Kapitel Oberroth ernannt. Im J. 1839 veröffentli<strong>ch</strong>te er mit Approbation des<br />

Ordinariats Augsburg "Zeugnisse von Christo, dargelegt in einigen Erbauungsreden", bald darauf aber anonym<br />

und ohne Approbation "Feierstunden des Christen", 3 Bde., 1839 – 41, und "Frü<strong>ch</strong>te des Geistes Jesu", 2<br />

Bänd<strong>ch</strong>en, 1842. Diese letzteren S<strong>ch</strong>riften wurden in <strong>der</strong> Augsburger "Sion" als "aftermystis<strong>ch</strong>" angegriffen; L.<br />

antwortete in den Bros<strong>ch</strong>üren: "Sends<strong>ch</strong>reiben an die Redaktion <strong>der</strong> Sion, Dr. Wittmann und Dr. Herbst", 1843,<br />

"Letztes Wort an Dr. Patritz Wittmann und die Sion", 1845. Der Bis<strong>ch</strong>of von Augsburg, Peter v. Ri<strong>ch</strong>arz,<br />

ernannte L. trotz dieser Angriffe 1843 zum Kammerer und einige Jahre später zum Dekan des Kapitels Oberroth.<br />

– Im J. 1844 befreundete si<strong>ch</strong> L. mit dem S<strong>ch</strong>otten William Renny Caird, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> als Missionar <strong>der</strong> Irvingianer<br />

in Bayern aufhielt. Unter dessen Mitwirkung veröffentli<strong>ch</strong>te er anonym eine Deutung <strong>der</strong> Bibel im Sinne <strong>der</strong><br />

Irvingianis<strong>ch</strong>en Es<strong>ch</strong>atologie: "Über den Rats<strong>ch</strong>luss Gottes mit <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>heit und <strong>der</strong> Erde", 2 Bde., 1847,<br />

dann selbständig glei<strong>ch</strong>falls anonym, die S<strong>ch</strong>riften "Prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind" (1848 – 54, drei<br />

Auflagen), "Die Hoffnungen <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi und des Volkes Israel in <strong>der</strong> Gegenwart", 2 Hefte, 1848, 1849,<br />

und "Das prophetis<strong>ch</strong>e Wort des Herrn und unsere Zeit o<strong>der</strong> Betra<strong>ch</strong>tungen über Matth. 24 und 25", 1849. Im<br />

November 1854 wurde in Augsburg eine Untersu<strong>ch</strong>ung wi<strong>der</strong> ihn eingeleitet. Er legte 1855 das tridentinis<strong>ch</strong>e<br />

Glaubensbekenntnis ab und erklärte, er verwerfe alles, was in dem "Rats<strong>ch</strong>luss" den Lehren <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> wi<strong>der</strong>streitendes enthalten sein möge. Er wurde zunä<strong>ch</strong>st vom Dekanate enthoben und die erwähnten vier<br />

S<strong>ch</strong>riften verboten (<strong>der</strong> "Rats<strong>ch</strong>luss" wurde am 6. Dez. 1855 au<strong>ch</strong> in Rom auf den Index gesetzt). Na<strong>ch</strong> dem<br />

Tode des Bis<strong>ch</strong>ofs Ri<strong>ch</strong>arz, während <strong>der</strong> Dompropst Allioli Bistumsverweser war, wurde er im Februar 1856 als<br />

des Irvingianismus verdä<strong>ch</strong>tigt zu einem zeitweiligen Aufenthalte im Pönitenzhause zu Villingen verurteilt, dann<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, sieben Sätze zu unters<strong>ch</strong>reiben. Da er die Unterzei<strong>ch</strong>nung <strong>der</strong> Sätze: die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ist die<br />

allein seligma<strong>ch</strong>ende; die angebli<strong>ch</strong>en Apostel <strong>der</strong> Irvingianer sind entwe<strong>der</strong> Betrüger o<strong>der</strong> Betrogene,<br />

verweigerte, wurde er 1859 exkommuniziert. – In diesen Jahren veröffentli<strong>ch</strong>te L. "Beleu<strong>ch</strong>tung einiger<br />

religiöser Streitfragen. Ein Wort <strong>der</strong> Beruhigung an meine Freunde und Ni<strong>ch</strong>tfreunde", 1856; "Gottes Werk in<br />

unserer Zeit, dargelegt vor dem Domkapitel des Bistums Augsburg in <strong>der</strong> Untersu<strong>ch</strong>ungssa<strong>ch</strong>e des J. G. L.".<br />

1857; "Notwehr wi<strong>der</strong> unglei<strong>ch</strong>e Waffen. Eine Verteidigungss<strong>ch</strong>rift gegen ein Generale des Ordinariates<br />

Augsburg über Gottes Werk in unserer Zeit", 1858. Mit L. wurden vier glei<strong>ch</strong>gesinnte Geistli<strong>ch</strong>e und etwa 50<br />

Laien exkommuniziert und dann au<strong>ch</strong> polizeili<strong>ch</strong> bedrängt ("Bitte exkommunizierter Laien in S<strong>ch</strong>waben und<br />

Franken und fünf exkommunizierter katholis<strong>ch</strong>er Priester <strong>der</strong> Diözese Augsburg an die Kammer <strong>der</strong><br />

Abgeordneten, S<strong>ch</strong>utz gegen Verfolgung und religiöse Freiheit betreffend", 1859). Einige fanden in<br />

Württemberg ein Asyl, L. in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz; er war 1857 – 69 an <strong>der</strong> irvingianis<strong>ch</strong>en Gemeinde in Züri<strong>ch</strong> und Bern<br />

tätig. Im J. 1861 erhielten die Irvingianer dur<strong>ch</strong> ein Rescript des Königs Maximilian II. die Re<strong>ch</strong>te einer<br />

Privatkir<strong>ch</strong>engesells<strong>ch</strong>aft. L. kehrte aber erst 1870 na<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land zurück (in diesem Jahre veröffentli<strong>ch</strong>te er<br />

"Wahrheit in Sa<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden zur Erwi<strong>der</strong>ung auf einen Artikel im Berner 'Bund' über das<br />

sog. Irvingianertum"). Er wirkte seitdem als "Evangelist" an vers<strong>ch</strong>iedenen Orten in Bayern und Württemberg,<br />

zuletzt in Nürnberg.<br />

Ein württembergis<strong>ch</strong>er Pfarrer Josef Lutz hat 1846 "Chrysostomus und die übrigen berühmtesten kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Redner" und später einige an<strong>der</strong>e homiletis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften veröffentli<strong>ch</strong>t: s. Thesaurus librorum rei catholicae,<br />

1850, S. 506.<br />

H. S<strong>ch</strong>mid, Ges<strong>ch</strong>. <strong>der</strong> kath. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, 1872, I, 311. Hist.-polit. Bl. 39, Bd. (1857), S. 508. B. Thalhofer, Beiträge<br />

zu einer <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> des Aftermysticismus und insbeson<strong>der</strong>e des Irvingianismus im Bistum Augsburg, 1857. –<br />

Briefli<strong>ch</strong>e Mitteilungen von Prof. Hnr. Thiers<strong>ch</strong> in Basel.<br />

Reus<strong>ch</strong><br />

Quellenmaterial Seite 2


Wetzer und Welte's<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nlexikon<br />

o<strong>der</strong><br />

Encyklopädie <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en Theologie und ihrer Hülfswissens<strong>ch</strong>aften.<br />

Zweite Auflage,<br />

in neuer Bearbeitung, unter Mitwirkung vieler katholis<strong>ch</strong>en Gelehrten<br />

begonnen von<br />

Joseph Cardinal Hergenröther,<br />

fortgesetzt von<br />

Dr. Franz Kaulen,<br />

Professor <strong>der</strong> Theologie in Bonn.<br />

Mit Approbation des Ho<strong>ch</strong>w. Herrn Erzbis<strong>ch</strong>ofs von Freiburg.<br />

Se<strong>ch</strong>ster Band.<br />

Himmelfahrt Christi bis Juvencus.<br />

Freiburg im Breisgau.<br />

Her<strong>der</strong>'s<strong>ch</strong>e Verlagshandlung.<br />

1889<br />

Zweignie<strong>der</strong>lassungen in Strassburg, Mün<strong>ch</strong>en und St. Louis, Mo.<br />

Wien I, Wollzeile 33: B. Her<strong>der</strong>, Verlag.<br />

Irving, Eduard, s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>er Prädicant [=Prediger bzw. Hilfsprediger], <strong>der</strong> Haupturheber <strong>der</strong> na<strong>ch</strong> ihm<br />

benannten <strong>ch</strong>iliastis<strong>ch</strong>en Secte <strong>der</strong> Irvingianer. Bekanntli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on in den ersten Decennien unseres<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts in <strong>der</strong> episcopalen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Englands sowohl als in <strong>der</strong> presbyterialen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> S<strong>ch</strong>ottlands gegenüber<br />

<strong>der</strong> Versumpfung im Staatskir<strong>ch</strong>entum und dem eingedrungenen Rationalismus eine grossartige, von Geistli<strong>ch</strong>en<br />

und eifrigen Laien unterstützte Reaction geltend, die auf Umgestaltung <strong>der</strong> bestehenden kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Verhältnisse, auf lebendiges Christenthum, auf Berei<strong>ch</strong>erung <strong>der</strong> Liturgie und auf fleissigeren Gebrau<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Gnadenmittel hinarbeitete. Unbefriedigt dur<strong>ch</strong> das Bestehende, fingen au<strong>ch</strong> gelehrte Theologen <strong>der</strong><br />

Universität Oxford an, gründli<strong>ch</strong>e Studien über das <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Alterthum zu ma<strong>ch</strong>en, die S<strong>ch</strong>riften <strong>der</strong><br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nväter, sodann mit beson<strong>der</strong>er Vorliebe die alten Liturgien zu studieren und die gewonnenen Resultate in<br />

einer Reihenfolge (1833 – 1841) wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Tractate, na<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>en sie den Namen Tractarianer<br />

erhielten, zu veröffentli<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> entstanden zahlrei<strong>ch</strong>e Gebetsvereine, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> angesi<strong>ch</strong>ts des<br />

ungeheuren religiösen Abfalls in England und S<strong>ch</strong>ottland um eine erneute <strong>Aus</strong>giessung des heiligen Geistes<br />

behufs einer dur<strong>ch</strong>greifenden Umgestaltung <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Verhältnisse in England und S<strong>ch</strong>ottland mit grossem<br />

Eifer flehten. Während nun die Tractarianer und ihre zahlrei<strong>ch</strong>en Anhänger das erwähnte Ziel einer Reform na<strong>ch</strong><br />

altkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Muster gründli<strong>ch</strong>, consequent und ohne S<strong>ch</strong>wärmerei anstrebten und in Folge dessen vielfa<strong>ch</strong> zur<br />

katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> förmli<strong>ch</strong> übertraten o<strong>der</strong> do<strong>ch</strong> <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en Glaubenslehre und Disciplin si<strong>ch</strong> in<br />

erfreuli<strong>ch</strong>er Weise annäherten, liessen An<strong>der</strong>e si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Anblick <strong>der</strong> traurigen Zeitverhältnisse zu religiöser<br />

S<strong>ch</strong>wärmerei verleiten und gelangten auf dem Wege ihrer Reformbestrebungen – wiewohl au<strong>ch</strong> in vielen<br />

Punkten <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> näher kommend – zu einem pietistis<strong>ch</strong>-<strong>ch</strong>iliastis<strong>ch</strong>en Lehrsystem. Hierher<br />

gehören in erster Reihe die Irvingianer, die si<strong>ch</strong> selber gewöhnli<strong>ch</strong> als die "heilige, apostolis<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>e"<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngemeins<strong>ch</strong>aft bezei<strong>ch</strong>nen.<br />

Eduard Irving wurde als Sohn eines Lohgerbers im Städt<strong>ch</strong>en Annan in S<strong>ch</strong>ottland am 4. August 1792<br />

geboren, ma<strong>ch</strong>te die höheren Studien an <strong>der</strong> Universität Edinburgh und war, na<strong>ch</strong>dem er mit beson<strong>der</strong>er Vorliebe<br />

mathematis<strong>ch</strong>en Studien si<strong>ch</strong> gewidmet hatte, zunä<strong>ch</strong>st an vers<strong>ch</strong>iedenen Orten Lehrer <strong>der</strong> Mathematik.<br />

Gründli<strong>ch</strong>e, einheitli<strong>ch</strong>e und zusammenhängende theologis<strong>ch</strong>e Studien s<strong>ch</strong>eint er nie gema<strong>ch</strong>t zu haben;<br />

glei<strong>ch</strong>wohl wandte er si<strong>ch</strong> später dem Predigtamte zu, ward 1815 für dasselbe ordiniert und verwaltete es einige<br />

Jahre hindur<strong>ch</strong> in Glasgow als Gehilfe Chalmers'. Im J. 1822 wurde er an die kleine "caledonis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>" in<br />

Quellenmaterial Seite 3


London berufen. Hier predigte <strong>der</strong> riesig grosse Mann, wel<strong>ch</strong>er gewinnende S<strong>ch</strong>önheit und ein gewaltiges Organ<br />

besass, meist zwei bis drei Stunden lang mit sol<strong>ch</strong>em Erfolge, dass im J. 1827 für die grossen Massen seiner<br />

Zuhörer eine neue <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> am Regentsquare erbaut werden musste. Vom grössten Einflusse auf die specifis<strong>ch</strong>en<br />

Ans<strong>ch</strong>auungen, wel<strong>ch</strong>e er in seinen Predigten mit hinreissen<strong>der</strong> Beredsamkeit vertrat, waren die Conferenzen,<br />

wel<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> rei<strong>ch</strong>e Londoner Banquier Drummond seit 1825 alljährli<strong>ch</strong> je eine Wo<strong>ch</strong>e lang auf seinem Landsitze<br />

Albury Park mit einer grösseren (bis auf 40 si<strong>ch</strong> belaufenden) Anzahl von Männern abhielt. Diese befassten si<strong>ch</strong><br />

ganz speciell mit Meditation und Studium <strong>der</strong> prophetis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften und Stellen des Alten und des Neuen<br />

Testamentes, zu dem Zwecke, aus <strong>der</strong> Bibel zu beweisen, dass die Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn und die Herrs<strong>ch</strong>aft des<br />

Anti<strong>ch</strong>rists, auf wel<strong>ch</strong>e das tausendjährige Rei<strong>ch</strong> folge, in nä<strong>ch</strong>ster Nähe sei. Behufs <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />

Gläubigen auf diese Wie<strong>der</strong>kunft, behufs ihrer Sammlung aus den vers<strong>ch</strong>iedenen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Confessionen, die<br />

alle vom ursprüngli<strong>ch</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Ideal <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> abgefallen seien, müsse eine neue <strong>Aus</strong>giessung des<br />

heiligen Geistes, ein erneutes Pfingstwun<strong>der</strong> erfolgen und eine zweite apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> mit den<br />

ursprüngli<strong>ch</strong>en Ämtern ins Leben treten. <strong>Aus</strong> diesen Conferenzen, an denen Irving mit beson<strong>der</strong>em Eifer si<strong>ch</strong><br />

beteiligte, stammten, wie gesagt, die bewegenden Gedanken seiner Predigten und stammten überhaupt die<br />

specifis<strong>ch</strong>en Lehren des Irvingianismus. Au<strong>ch</strong> das Spra<strong>ch</strong>enwun<strong>der</strong> (Apg. 2, 4. 1 Cor. 14, 1 ff),dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>es<br />

<strong>der</strong> mitgeteilte heilige Geist seinen Willen kundgeben und die für das neue Rettungswerk taugli<strong>ch</strong>en Organe<br />

bezei<strong>ch</strong>nen sollte, durfte bei dem erneuten Pfingstwun<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t fehlen. Daher gestattete au<strong>ch</strong> Irving den<br />

angebli<strong>ch</strong> vom heiligen Geiste Ergriffenen (Männern und Frauen), zuerst nur in privaten, na<strong>ch</strong>mals aber au<strong>ch</strong> in<br />

den öffentli<strong>ch</strong>en gottesdienstli<strong>ch</strong>en Versammlungen, "in Zungen zu reden" und selbst seine Predigtvorträge zu<br />

unterbre<strong>ch</strong>en. Um seine Zuhörer zu desto zuversi<strong>ch</strong>tsvollerer Na<strong>ch</strong>ahmung Jesu anzueifern, lehrte Irving, dass<br />

Jesus glei<strong>ch</strong> den übrigen Mens<strong>ch</strong>en mit <strong>der</strong> Erbsünde behaftet gewesen sei, aber keine actuelle Sünde begangen<br />

habe. Diese offenbar häretis<strong>ch</strong>e Doctrin und die dur<strong>ch</strong> häufiges und tumultuöses Zungenreden veranlassten<br />

Scandale beim öffentli<strong>ch</strong>en Gottesdienste hatten (1832) die Absetzung Irvings von seinem Predigtamte dur<strong>ch</strong> das<br />

Presbyterium in London zur Folge. Nunmehr bes<strong>ch</strong>affte Drummond, wel<strong>ch</strong>er fort und fort für die irvingianis<strong>ch</strong>e<br />

Sa<strong>ch</strong>e grosse Geldopfer bra<strong>ch</strong>te, mit seinen rei<strong>ch</strong>en Anhängern für Irving ein eigenes Kir<strong>ch</strong>lein in London, in<br />

wel<strong>ch</strong>em er an hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Ämtern und an gottesdienstli<strong>ch</strong>en Formen einri<strong>ch</strong>ten konnte, was ihm und seinem<br />

klein gewordenen Häuflein getreuer Anhänger als in Gottes Wort begründet ers<strong>ch</strong>ien. Um seinen fixen Ideen von<br />

<strong>der</strong> nahen Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn u.s.w. in weiteren Kreisen Eingang zu vers<strong>ch</strong>affen, begab er si<strong>ch</strong>, obs<strong>ch</strong>on<br />

seine Kraft dur<strong>ch</strong> fortwährende fieberhafte Geistesaufregung bereits gebro<strong>ch</strong>en und <strong>der</strong> gewaltige Mann zu einer<br />

fast bis zur Unkenntli<strong>ch</strong>keit verunstalteten Ruine geworden war, im Herbst 1834 von London na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>ottland;<br />

hier starb er aber, erst 42 Jahre alt, mit Hinterlassung einer Witwe und dreier Kin<strong>der</strong> am 8. Dezember 1834 in<br />

Glasgow gebro<strong>ch</strong>enen Herzens.<br />

Dur<strong>ch</strong> die am meisten specifis<strong>ch</strong>e Lehre <strong>der</strong> Anhänger Irvings von <strong>der</strong> nahen Wi<strong>der</strong>kunft des Herrn war<br />

ihr <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbegriff wesentli<strong>ch</strong> bedingt. Der Herr soll nämli<strong>ch</strong> die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, wel<strong>ch</strong>e im Katholicismus und no<strong>ch</strong><br />

mehr im Protestantismus dur<strong>ch</strong> Abwei<strong>ch</strong>en von <strong>der</strong> ursprüngli<strong>ch</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Ordnung zum Babel <strong>der</strong><br />

Apocalypse (18, 2) geworden ist, bei seiner Wie<strong>der</strong>kunft bereits restauriert, soll sie als die makellose Braut<br />

finden, wel<strong>ch</strong>e mit Sehnsu<strong>ch</strong>t auf seine Ankunft harrt und würdig ist, von ihm vor dem Losbru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Greuel des<br />

Anti<strong>ch</strong>rists (2 Thess. 2, 3 ff)weggerückt zu werden (1 Thess. 4, 16), mit ihm alsdann im 1'000jährigen Rei<strong>ch</strong>e<br />

(Offenb. 20, 3) auf Erden und darna<strong>ch</strong> am Ende aller Zeit im Himmel (Offenb. 21, 1 ff) zu herrs<strong>ch</strong>en. Um nun<br />

seine in so tiefen Verfall geratene <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> no<strong>ch</strong> vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kunft zu restaurieren, um die empfängli<strong>ch</strong>en<br />

Gläubigen aus <strong>der</strong> ganzen Christenheit in diese neue ("heilige, katholis<strong>ch</strong>e", d.i. irvingianis<strong>ch</strong>e) <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zu<br />

sammeln, beruft <strong>der</strong> Herr no<strong>ch</strong>mals zwölf Apostel, wel<strong>ch</strong>e mit den zwölf ersten Aposteln die 24 Ältesten <strong>der</strong><br />

Apocalypse (4, 4) ausma<strong>ch</strong>en, für die wie<strong>der</strong>hergestellten ursprüngli<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nämter (Eph. 4, 11) geeignete,<br />

dur<strong>ch</strong> Prophetenmund bezei<strong>ch</strong>nete Personen mittels Handauflegung zu ordinieren und die oberste (Binde- und<br />

Löse-) Gewalt in <strong>der</strong> neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> auszuüben haben. Zwei dieser Apostel (Cardale und Drummond) wurden<br />

no<strong>ch</strong> zu Lebzeiten Irvings in gottesdienstli<strong>ch</strong>er Versammlung dur<strong>ch</strong> Prophetenmund bezei<strong>ch</strong>net und sofort als<br />

unmittelbar von Christus bestellt anerkannt. Auf dem Londoner Concil zu Weihna<strong>ch</strong>ten 1835 ers<strong>ch</strong>ienen bereits<br />

alle zwölf Apostel und erliessen ein Manifest an die geistli<strong>ch</strong>en und weltli<strong>ch</strong>en Häupter <strong>der</strong> drei britis<strong>ch</strong>en<br />

Rei<strong>ch</strong>e, auf dem Concil von 1836 sodann ein sol<strong>ch</strong>es an die gesamte <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> (Papst, weltli<strong>ch</strong>e Fürsten u.s.w.). Ein<br />

Apostel (Cardale) blieb in England, einer erhielt als Missionsgebiet Amerika, die übrigen Zehn teilten si<strong>ch</strong> in<br />

den europäis<strong>ch</strong>en Continent; als Apostel für Süddeuts<strong>ch</strong>land wurde Carlyle bestellt. <strong>Aus</strong>ser den Aposteln waren<br />

für die Verbreitung <strong>der</strong> von ihnen auctoritativ festgestellten Lehre beson<strong>der</strong>s die sogen. Evangelisten tätig. Aber<br />

<strong>der</strong> Erfolg dieser gesamten Missionstätigkeit, wel<strong>ch</strong>e unter Katholiken und Protestanten ganz im Stillen geübt<br />

wurde [Anmrkung: Ein Versu<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>breitung dur<strong>ch</strong> leise Unterwan<strong>der</strong>ung ?], war anfangs unbedeutend; erst<br />

seit dem Jahre 1848 gewannen die irvingianis<strong>ch</strong>en Missionare, zumal in Deuts<strong>ch</strong>land, mehr Boden. Sie erklärten<br />

nämli<strong>ch</strong> die damaligen revolutionären Ers<strong>ch</strong>ütterungen in Europa als die si<strong>ch</strong>eren Vorboten des Anti<strong>ch</strong>rists und<br />

behaupteten auf's Bestimmteste, dass nur diejenigen, wel<strong>ch</strong>e an die nahe Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn glaubten und<br />

in die neue apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> einträten, vor dem Losbru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Greuel des Anti<strong>ch</strong>rists lebendigen Leibes dem<br />

kommenden Heiland entgegen von <strong>der</strong> Welt hinweggerückt und in <strong>der</strong> Wegrückung verwandelt würden, eine<br />

Lehre, die auf ängstli<strong>ch</strong>e Gemüter vielfa<strong>ch</strong> hinreissend wirkte. Sehr för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> war für die irvingianis<strong>ch</strong>e<br />

Quellenmaterial Seite 4


Sa<strong>ch</strong>e sodann au<strong>ch</strong>, dass am 18. Dezember 1849 <strong>der</strong> gelehrte Marburger Theologieprofessor Dr. Heinri<strong>ch</strong><br />

Thiers<strong>ch</strong> zur "apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde" übertrat und fortan als (vom Apostel Carlyle) ordinierter Evangelist in<br />

Wort und S<strong>ch</strong>rift für dieselbe tätig war. Am meisten Anhang gewann die Secte unter den Protestanten<br />

Norddeuts<strong>ch</strong>lands, beson<strong>der</strong>s in Berlin, dessen grosse irvingianis<strong>ch</strong>e Gemeinde aber s<strong>ch</strong>on um die Mitte <strong>der</strong><br />

fünfziger Jahre sehr zusammenges<strong>ch</strong>wunden war. In Süddeuts<strong>ch</strong>land (mit dem Missionszentrum in Basel) fand<br />

<strong>der</strong> Irvingianismus ein günstiges Terrain fast nur im Bistum Augsburg; denn hier war dur<strong>ch</strong> die katholis<strong>ch</strong>en<br />

Priester Martin Boos, Joh. Gossner, Ignaz Lindl und Martin Völk seit Ende des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts eine<br />

aftermystis<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>tung begründet und na<strong>ch</strong>mals dur<strong>ch</strong> den Decan Joh. Ev. Lutz und an<strong>der</strong>e Priester erhalten<br />

und gepflegt worden (vgl. Thalhofer, Beiträge zur <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> des Aftermysticismus und insbeson<strong>der</strong>e des<br />

Irvingianismus im Bisthum Augsburg, Regensburg 1857). Genannter Decan Lutz, wel<strong>ch</strong>er s<strong>ch</strong>on im J. 1832<br />

förmli<strong>ch</strong> zum Protestantismus übergetreten, dann wie<strong>der</strong> in die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zurückgekehrt war, und bei<br />

wel<strong>ch</strong>em si<strong>ch</strong> bereits um die Mitte <strong>der</strong> vierziger Jahre <strong>der</strong> Evangelist Renny William Caird aus Montrose in<br />

S<strong>ch</strong>ottland wie<strong>der</strong>holt längere Zeit aufhielt, gab zuglei<strong>ch</strong> mit demselben (in erster Auflage 1847 anonym, in<br />

dritter Auflage mit Nennung <strong>der</strong> Namen) die vielverbreitete S<strong>ch</strong>rift "Über den Raths<strong>ch</strong>luss Gottes mit <strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>heit und <strong>der</strong> Erde" (2 Bände), ein dogmatis<strong>ch</strong>-exegetis<strong>ch</strong>es Handbu<strong>ch</strong> des Irvingianismus, und ausserdem<br />

unter dem Deckmantel <strong>der</strong> Anonymität no<strong>ch</strong> mehrere kleinere S<strong>ch</strong>riften heraus, dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e er weit über die<br />

Grenzen seiner Pfarrei (Oberroth) und die Diöcese Augsburg hinaus die Verbreitung des Irvingianismus för<strong>der</strong>te.<br />

Als endli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> fünfziger Jahre die oberhirtli<strong>ch</strong>e Stelle in Augsburg die wahre Sa<strong>ch</strong>lage erkannte<br />

und gegen das geheime Treiben <strong>der</strong> irvingianisierenden Priester eins<strong>ch</strong>ritt, wurden Decan Lutz nebst fünf<br />

an<strong>der</strong>en Diöcesanpriestern (darunter Domvicar Spindler) und nahezu 100 Laien aus vers<strong>ch</strong>iedenen Pfarreien<br />

öffentli<strong>ch</strong> excommuniciert, worauf dieselben si<strong>ch</strong> offen zum Irvingianismus bekannten und förmli<strong>ch</strong>e<br />

"apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinden" mit öffentli<strong>ch</strong>em Gottesdienst na<strong>ch</strong> irvingianis<strong>ch</strong>em Ritus (in Augsburg und Hürben)<br />

bildeten. Seitdem hat die Secte im Bistum Augsburg wie au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>wärts keinen Zuwa<strong>ch</strong>s mehr gewonnen, und<br />

selbst in England ist die Zahl ihrer Anhänger auf etli<strong>ch</strong>e Tausend zusammenges<strong>ch</strong>wunden; in Italien, Frankrei<strong>ch</strong>,<br />

Belgien, Holland, Russland und Amerika hatte sie von Anfang an nur ganz vereinzelte Aufnahme gefunden.<br />

Vom Protestantismus unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Irvingianismus vorteilhaft dadur<strong>ch</strong>, dass er eine si<strong>ch</strong>tbare<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> lehrt, wel<strong>ch</strong>er man ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> die sola fides, son<strong>der</strong>n dur<strong>ch</strong> das ex opere operato wirkende Sacrament<br />

<strong>der</strong> Taufe mittels ganz realer, positiver Re<strong>ch</strong>tfertigung eingeglie<strong>der</strong>t werde. Die Ämter dieser si<strong>ch</strong>tbaren <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

(das Amt <strong>der</strong> Apostel, Propheten, Evangelisten und Lehrer für die gesamte <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, das Amt des Engels o<strong>der</strong><br />

Bis<strong>ch</strong>ofs, <strong>der</strong> Ältesten o<strong>der</strong> Priester, <strong>der</strong> Diaconen und <strong>der</strong> Diaconissen (!) für die einzelnen Gemeinden) seien<br />

von Christus eingesetzt; ihre Träger sind also keineswegs Delegierte <strong>der</strong> Gemeinde, son<strong>der</strong>n haben<br />

hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en, mittleris<strong>ch</strong>en Charakter, <strong>der</strong> ihnen dur<strong>ch</strong> sacramentale Weihe verliehen werde. <strong>Aus</strong>ser <strong>der</strong> Taufe<br />

und Ordination gelten sodann den Irvingianern au<strong>ch</strong> die Firmung (Versiegelung) und die Krankenölung als<br />

eigentli<strong>ch</strong>e Sacramente; desglei<strong>ch</strong>en legen sie die Busse (mit facultativer Privatbei<strong>ch</strong>te und mit Losspre<strong>ch</strong>ung)<br />

und <strong>der</strong> Ehe, die na<strong>ch</strong> ihnen unauflösli<strong>ch</strong> ist, sacramentalen Charakter bei. Da sie ein über das Volkspriestertum<br />

erhabenes mittleris<strong>ch</strong>es Priestertum lehren, so ers<strong>ch</strong>eint consequent au<strong>ch</strong> ihr Gottesdienst ni<strong>ch</strong>t als blosses Tun<br />

<strong>der</strong> Gemeinde, son<strong>der</strong>n ist mittleris<strong>ch</strong>er Natur. Als Centrum des öffentli<strong>ch</strong>en Gottesdienstes, zu dem au<strong>ch</strong><br />

liturgis<strong>ch</strong>e Gebetsstunden (Matutin [=nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es Stundengebet], Terz [=Gebet des Breviers um die dritte<br />

Tagesstunde, 9 Uhr], Non [=Stundengebet zur neunten Tagesstunde um 3 Uhr na<strong>ch</strong>m.], Vesper [=abendli<strong>ch</strong>e<br />

Gebetsstunde/Gottesdienst um 6 Uhr]) gehören, betra<strong>ch</strong>ten sie consequent die eu<strong>ch</strong>aristis<strong>ch</strong>e Feier (Liturgie), bei<br />

wel<strong>ch</strong>er die Liturgen rei<strong>ch</strong>e, denen <strong>der</strong> Katholiken ähnli<strong>ch</strong>e Kultgewän<strong>der</strong> tragen. Sie nennen es eine<br />

folgens<strong>ch</strong>were Verirrung des Protestantismus, dass er den Opfer<strong>ch</strong>arakter <strong>der</strong> Eu<strong>ch</strong>aristie verworfen hat, und<br />

erklären ihre eu<strong>ch</strong>aristis<strong>ch</strong>e Feier na<strong>ch</strong>drucksamst als Opfer, leugnen aber dessen Sühne<strong>ch</strong>arakter und Identität<br />

mit dem Kreuzesopfer; den Opfer<strong>ch</strong>arakter verlegen sie hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in einen Akt, <strong>der</strong> in Wirkli<strong>ch</strong>keit nur als<br />

Oblation [=Liebesgabe <strong>der</strong> Gemeinde], ni<strong>ch</strong>t aber als Opfer im eigentli<strong>ch</strong>en Sinne gelten kann, nämli<strong>ch</strong> in die<br />

liturgis<strong>ch</strong>e (unserem Supplices te rogamus entspre<strong>ch</strong>ende) Darbietung des in <strong>der</strong> Consecration gegenwärtig<br />

gewordenen Fleis<strong>ch</strong>es und Blutes Christi an die göttli<strong>ch</strong>e Majestät. Die Transsubstantiation (=Wesensverwandlung<br />

von Brot und Wein in Leib und Blut Christi) leugnen sie und nehmen an, dass Christi Fleis<strong>ch</strong> und<br />

Blut zuglei<strong>ch</strong> mit Brot und Wein gegenwärtig sei (Impanation). Ihre Gottesdienstordnung, wel<strong>ch</strong>e im J. 1842<br />

dur<strong>ch</strong> die zwölf Apostel festgestellt wurde, ist aus Bestandteilen grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Liturgien, des römis<strong>ch</strong>en<br />

Messbu<strong>ch</strong>es, des englis<strong>ch</strong>en Common Prayer Book und aus zahlrei<strong>ch</strong>en selbstgema<strong>ch</strong>ten Gebeten<br />

zusammengesetzt, in wel<strong>ch</strong> letzteren die specifis<strong>ch</strong> irvingianis<strong>ch</strong>en Ans<strong>ch</strong>auungen am deutli<strong>ch</strong>sten hervortreten.<br />

Ursprüngli<strong>ch</strong> in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e verfasst, ist diese Gottesdienstordnung dur<strong>ch</strong> Professor Thiers<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in<br />

deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e veröffentli<strong>ch</strong>t worden unter dem Titel "Die Liturgie (=eu<strong>ch</strong>aristis<strong>ch</strong>e Feier) und an<strong>der</strong>e<br />

Gottesdienste <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>" (2 Bde., Basel 1866 – 1872). Die zu London in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e gehaltenen<br />

Vorlesungen über die gesamte Gottesdienstordnung <strong>der</strong> Irvingianer wurden von Ri<strong>ch</strong>thofen und An<strong>der</strong>en<br />

glei<strong>ch</strong>falls in's Deuts<strong>ch</strong>e übersetzt, worüber des Verfassers diesbezügli<strong>ch</strong>e Anzeige in <strong>der</strong> Liter. Runds<strong>ch</strong>au (9.<br />

Jahrg., Nr. 12) näheren Aufs<strong>ch</strong>luss gibt. Entgegen den Protestanten verwerfen die Irvingianer ents<strong>ch</strong>ieden die<br />

sogen. freie S<strong>ch</strong>riftfors<strong>ch</strong>ung und for<strong>der</strong>n für die <strong>Aus</strong>legung <strong>der</strong> Bibel eine lebendige, untrügli<strong>ch</strong>e Auctorität, die<br />

sie in ihren Aposteln und Propheten erblicken. Im Hinweis auf das Alte Testament und Hebr. 7, 4 haben sie den<br />

Quellenmaterial Seite 5


Zehnten (vom sämtli<strong>ch</strong>en Einkommen) wie<strong>der</strong> eingeführt: <strong>der</strong>selbe ist zum Unterhalte <strong>der</strong> Amtsträger und<br />

für die Armen bestimmt. (Vgl. no<strong>ch</strong> Mrs. Oliphant, The Life of E. Irving, 3. ed., London 1865; Edw. Miller,<br />

The History and Doctrine of the Irvingianism, 2 vols., London 1878; Mi<strong>ch</strong>ael Hohl, Bru<strong>ch</strong>stücke aus dem Leben<br />

und den S<strong>ch</strong>riften Irvings, 2. Aufl., St. Gallen 1850 (<strong>der</strong> Verfasser, ein s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>er Arzt, war Augenzeuge<br />

<strong>der</strong> neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbildung in London, Freund und Bewun<strong>der</strong>er Irvings); J. F. Jörg, Der Irvingianismus, Abdruck<br />

aus den Histor.-polit. Blättern, Mün<strong>ch</strong>en 1856; Jacobi, Die Lehre <strong>der</strong> Irvingiten, 2. Aufl., Berlin 1868. Als eine<br />

Art offizieller Dogmatik <strong>der</strong> Irvingianer ers<strong>ch</strong>eint Charles J. T. Böhms "S<strong>ch</strong>atten und Li<strong>ch</strong>t in dem<br />

gegenwärtigen Zustand <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>", Frankfurt 1855, mit Vorwort von Thiers<strong>ch</strong>, in dessen Bü<strong>ch</strong>lein Über <strong>ch</strong>ristl.<br />

Familienleben (Frankf. 1854) die Moral <strong>der</strong> Irvingianer, speciell ihre Lehre von <strong>der</strong> Ehe zur Darstellung kommt;<br />

die irvingianis<strong>ch</strong>e Cultus- und Opfertheorie hat bündig und s<strong>ch</strong>wungvoll behandelt Karl Rothe, Das Opfer<br />

unseres Herrn Jesu Christi am Kreuze und das Opfer <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im heiligen Sacrament des Altars, 2. Aufl.,<br />

Frankf. 1854).<br />

Thalhofer<br />

Realencyklopädie<br />

für protestantis<strong>ch</strong>e<br />

Theologie und <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

Begründet von J. J. Herzog<br />

In dritter verbesserter und vermehrter Auflage<br />

unter Mitwirkung<br />

vieler Theologen und an<strong>der</strong>er Gelehrten<br />

herausgegeben<br />

von<br />

D. Albert Hauck<br />

Professor in Leipzig<br />

Neunter Band<br />

Jesus Christus – Kanon Muratori<br />

Leipzig<br />

J. C. Hinri<strong>ch</strong>s's<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong>handlung<br />

1901<br />

Irving, Edward (gest. 1834) und <strong>der</strong> Irvingianismus. W. Jones, Biographical Sket<strong>ch</strong> of the Rev. Edward<br />

Irving with Extracts from and Remarks on his principal Publications, London 1835; W. Wilks, Edward Irving:<br />

An ecclesiastical and literary biography, London 1854; Mrs. O. W. Oliphant, The Life of Edward Irving,<br />

Minister of the National Scot<strong>ch</strong> Chur<strong>ch</strong>, London: Illustrated by his Journals and Correspondence 2 vol., London<br />

1862, New Edition 1864 (dagegen David Ker, Observations on Mrs. Oliphants "life of Edward Irving" etc.,<br />

Edinburgh 1863; J. N. Köhler, Het Irvingisme. Eene historis<strong>ch</strong>-critis<strong>ch</strong>e proeve. S'Gravenhage 1876 (hier auf S.<br />

413 – 443 eine na<strong>ch</strong> bestimmten Gesi<strong>ch</strong>tspunkten geordnete wertvolle Übersi<strong>ch</strong>t über die rei<strong>ch</strong>e<br />

Irvingianerliteratur); Edward Miller, The history and doctrines of Irvingism or of the so called catholic and<br />

apostolic <strong>ch</strong>ur<strong>ch</strong>, London 1878, 2 vol.; Thomas Carlyle, Edward Irving in des Verf.s Reminiscences. Edited by<br />

Charles Elliot Norton, II. vol., London 1887; daraus deuts<strong>ch</strong> in Lebenserinnerungen von Thomas Carlyle.<br />

Übersetzt von Paul Jäger, Göttingen 1897; M. Hohl, Bru<strong>ch</strong>stücke aus dem Leben Irvings, St. Gallen 1838,<br />

zweite <strong>Aus</strong>gabe 1850; E. Ad. Rossteus<strong>ch</strong>er, <strong>der</strong> Aufbau <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi auf den ursprüngli<strong>ch</strong>en Grundlagen,<br />

Basel 1871, 2. Aufl., 1886 (dies die offizielle <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>der</strong> Bewegung); J. Köstlin Art. Irving. In <strong>der</strong> zweiten<br />

Aufl. dieses Werkes; Th. Kolde, Edward Irving, ein biographis<strong>ch</strong>er Essay, Leipzig 1901.<br />

Edward Irwing wurde am 4. Aug. 1792 in dem Städt<strong>ch</strong>en Annan in <strong>der</strong> Grafs<strong>ch</strong>aft Dumfries im<br />

südli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ottland geboren, wo sein verhältnismässig wohlhaben<strong>der</strong> Vater das Gewerbe eines Gerbers betrieb.<br />

Dort konnte <strong>der</strong> Knabe s<strong>ch</strong>on den ersten höheren S<strong>ch</strong>ulunterri<strong>ch</strong>t haben, zeigte aber keine son<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Quellenmaterial Seite 6


Lernbegierde, ausser für die Mathematik. Au<strong>ch</strong> auf <strong>der</strong> Universität in Edinburgh, wohin er erst dreizehnjährig<br />

ges<strong>ch</strong>ickt wurde, um zunä<strong>ch</strong>st die unseren oberen Gymnasialklassen entspre<strong>ch</strong>enden unteren Kurse<br />

dur<strong>ch</strong>zuma<strong>ch</strong>en und si<strong>ch</strong> später dur<strong>ch</strong> allerlei philosophis<strong>ch</strong>e Studien bis zum Fa<strong>ch</strong>studium <strong>der</strong> Theologie<br />

hindur<strong>ch</strong>zuarbeiten, stand neben <strong>der</strong> Neigung für alle körperli<strong>ch</strong>en Übungen die für die Mathematik oben an, die<br />

dem siebzehnjährigen auf Empfehlung seines Lehrers, Professor Leslie, die Stelle eines Lehrers <strong>der</strong> Mathematik<br />

an <strong>der</strong> höheren S<strong>ch</strong>ule in dem Städt<strong>ch</strong>en Haddington eintrug. Ein Jahr später vertaus<strong>ch</strong>te er sie mit <strong>der</strong> eines<br />

Rektors <strong>der</strong> neugegründeten, si<strong>ch</strong> "Akademie" nennenden S<strong>ch</strong>ule zu Kirkaldy, blieb dabei aber Studieren<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Theologie und besu<strong>ch</strong>te, wenn au<strong>ch</strong> unregelmässig, die meist auf wenige Wintermonate si<strong>ch</strong> erstreckenden<br />

Universitätskurse. In jenen Aufenthalt in Kirkaldy fällt au<strong>ch</strong> die Freunds<strong>ch</strong>aft mit dem grösseren Landsmann,<br />

dem späteren Weisen von Chelsea, Thomas Carlyle, <strong>der</strong> glei<strong>ch</strong>falls daselbst ein Lehramt bekleidete. Des<br />

letzteren Erinnerungen lassen uns lei<strong>der</strong> keinen Einblick in Irvings Entwicklung tun. Ein regelre<strong>ch</strong>tes,<br />

methodis<strong>ch</strong>es Studieren war s<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong> seine Sa<strong>ch</strong>e, do<strong>ch</strong> verstand es <strong>der</strong> zweifellos ungemein begabte Mann,<br />

si<strong>ch</strong> mühelos ein ni<strong>ch</strong>t ungewöhnli<strong>ch</strong>es Wissen auf vielen Gebieten zu erwerben. Am wenigsten wissen wir von<br />

seiner religiösen Entwicklung, nur dass er, um den berühmtesten Prediger des Landes, Dr. Chalmers von<br />

Glasgow (s. d. A. Bd. III, 777) zu hören, keinen Weg s<strong>ch</strong>eute. Na<strong>ch</strong>dem er die vorges<strong>ch</strong>riebenen, sehr<br />

umständli<strong>ch</strong>en Examina (vgl. Th. Kolde S. 8) bestanden, erhielt er 1815 von dem Presbyterium (Kreissynode)<br />

zu Kirkaldy die Predigterlaubnis. Aber seine Predigten wurden ni<strong>ch</strong>t gern gehört. Sein Pathos, die gesu<strong>ch</strong>te<br />

Erhabenheit seiner Spra<strong>ch</strong>e fand man gespreizt, ja s<strong>ch</strong>auspieleris<strong>ch</strong>. Im Jahre 1818 ging er, na<strong>ch</strong>dem er 3 Jahre<br />

vergebli<strong>ch</strong> eine Verwendung im <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ndienst erstrebt hatte, des S<strong>ch</strong>ulmeisterlebens müde, na<strong>ch</strong> Edinburgh und<br />

bes<strong>ch</strong>äftigte si<strong>ch</strong> mit allerlei spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Studien. Aber erst ein Jahr später, als er,<br />

weil niemand in <strong>der</strong> Heimat ihn haben wollte, s<strong>ch</strong>on ernstli<strong>ch</strong> daran da<strong>ch</strong>te, als Missionar na<strong>ch</strong> Persien zu gehen,<br />

war es Chalmers in Glasgow, <strong>der</strong> ihn im Oktober 1819 als Predigtgehilfe annahm. Aber, wie Treffli<strong>ch</strong>es er au<strong>ch</strong><br />

als Seelsorger, namentli<strong>ch</strong> unter den Arbeitern leistete, neben dem berühmten Chalmers konnte er, wenn er au<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> einiger Zeit einen kleinen Kreis von Verehrern um si<strong>ch</strong> gesammelt hatte, ni<strong>ch</strong>t aufkommen. Das Gros <strong>der</strong><br />

Gemeinde mied seine Predigten und trug ihre Gerings<strong>ch</strong>ätzung offen zur S<strong>ch</strong>au, aber in stolzem Bewusstsein<br />

seiner Kraft und <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit seiner Methode, sah er darin nur den Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> grossen Menge, gegen<br />

die, wel<strong>ch</strong>e die ausgetretenen Pfade verlassen haben, um den umfassenden Bedürfnissen <strong>der</strong> Welt gere<strong>ch</strong>t zu<br />

werden. Da war es eine Art Erlösung, als er dur<strong>ch</strong> die Vermittlung von Chalmers im Jahre 1822 zum Minister<br />

<strong>der</strong> kleinen, damals ca. 50 Seelen umfassenden nationals<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en (sog. kaledonis<strong>ch</strong>en) Gemeinde, die mit<br />

einem kleinen s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Krankenhause in Hatton Garden in London zusammenhing, erwählt wurde. Das<br />

Presbyterium in Annan erteilte ihm die Ordination. Mit einer fulminanten Abs<strong>ch</strong>iedspredigt, in <strong>der</strong> er die<br />

For<strong>der</strong>ung ganz neuer Predigtmethoden aufstellte, um die Welt unter die Autorität Christi zu bringen (beinahe<br />

vollständig bei Wilks S. 17), s<strong>ch</strong>ied er von Glasgow. Man müsse die Sa<strong>ch</strong>e ganz an<strong>der</strong>s anfangen, als es bisher<br />

ges<strong>ch</strong>ehen, das Christentum müsse in einem mehr herois<strong>ch</strong>en Stile getrieben werden, so s<strong>ch</strong>rieb er um dieselbe<br />

Zeit (Oliphant S. 73) an den Rektor Martin in Kirkaldy, dessen To<strong>ch</strong>ter Isabel er Herbst 1823 als seine Gattin in<br />

sein Haus führte.<br />

Und wirkli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ien es nur <strong>der</strong> Übersiedlung na<strong>ch</strong> London bedurft zu haben, um ihn zu Ruf und<br />

Ansehen zu bringen. S<strong>ch</strong>on bei seinen Probepredigten erregte er Aufsehen. Eindrucksvoll o<strong>der</strong> wenigstens<br />

auffallend war s<strong>ch</strong>on seine äussere Ers<strong>ch</strong>einung. Er war über sehs Fuss ho<strong>ch</strong>, seine s<strong>ch</strong>warzen, fast bis zu den<br />

S<strong>ch</strong>ultern herabfallenden Locken umrahmten ein blei<strong>ch</strong>es Gesi<strong>ch</strong>t mit dunklen Augen, von denen das eine sehr<br />

stark, je na<strong>ch</strong> dem Urteile vieler in unheimli<strong>ch</strong>er Weise s<strong>ch</strong>ielte. Wer ihn sah und hörte, mit wel<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>erheit<br />

er auftrat, hatte den Eindruck einer Herrs<strong>ch</strong>erpersönli<strong>ch</strong>keit, die si<strong>ch</strong> ihrer Kraft bewusst war. Man fand au<strong>ch</strong> in<br />

London, dass seine Gestikulation heftig und ungraziös war, aber sie war eindrückli<strong>ch</strong>. Die ausgetretenen Pfade<br />

<strong>der</strong> damaligen Homiletik ging er in <strong>der</strong> Tat ni<strong>ch</strong>t. Immer strebte er dana<strong>ch</strong>, etwas beson<strong>der</strong>es zu sagen, in<br />

blumenrei<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e zu reden, die Di<strong>ch</strong>ter seines Volkes o<strong>der</strong> die Heroen <strong>der</strong> puritanis<strong>ch</strong>en Literatur<br />

heranzuziehen und ungewöhnli<strong>ch</strong>e Bil<strong>der</strong> zu gebrau<strong>ch</strong>en. Sein grosser Landsmann Walter Scott vermisste in<br />

seiner Predigtweise eine gewisse Keus<strong>ch</strong>heit und <strong>Aus</strong>geprägtheit des Charakters; sie war ihm zu ho<strong>ch</strong>fliegend<br />

und ekstatis<strong>ch</strong> und legte zu viel Wert auf eleganten <strong>Aus</strong>druck. So werden man<strong>ch</strong>e geurteilt haben, aber sie waren<br />

vereinzelt. Vielmehr hatte die Beredsamkeit des s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Predigers na<strong>ch</strong> ganz kurzer Zeit eine bisher<br />

unerhörte Zuhörers<strong>ch</strong>aft um si<strong>ch</strong> gesammelt. Es kam vor, dass die Menge <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> zu seiner<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> drängten, den öffentli<strong>ch</strong>en Verkehr störte. Bald konnte man nur auf Grund von Eintrittskarten Einlass<br />

erhalten. Man musste eine neue <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> bauen, die dann in Regent-Square erri<strong>ch</strong>tet wurde. Dass au<strong>ch</strong> die gute<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft auf ihn aufmerksam wurde, war <strong>der</strong> Erfolg einer gelegentli<strong>ch</strong>en Äusserung des Ministers Canning,<br />

<strong>der</strong> bei einer die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> betreffenden Bill auf die Beredsamkeit des in den allerbes<strong>ch</strong>eidensten Verhältnissen<br />

wirkenden Irving hingewiesen hatte. Bald war es <strong>der</strong> eigenartige Mann selbst und was er sagte, was eine ganz<br />

ungewöhnli<strong>ch</strong>e Anziehungskraft ausübte. Irving war <strong>der</strong> Modeprediger Londons geworden, aber ni<strong>ch</strong>t nur das,<br />

au<strong>ch</strong> ein Erweckungsprediger, gerade unter den Gebildeten, wie es <strong>der</strong>en wenig gegeben hat. Und mit dem<br />

Erfolg wu<strong>ch</strong>s das Bewusstsein seiner Kraft und <strong>der</strong> Wuns<strong>ch</strong>, no<strong>ch</strong> grösseres zu leisten.<br />

Den bisher von <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gröbli<strong>ch</strong> Verna<strong>ch</strong>lässigten, den Gebildeten, die no<strong>ch</strong> draussen stehen, den<br />

Erfin<strong>der</strong>n, den Politikern, den Juristen, den Männern <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aft, die die Welt in <strong>der</strong> Hand haben, die<br />

Quellenmaterial Seite 7


Wahrheit nahe zu bringen mit den Mitteln <strong>der</strong> Bildung und einer blumenrei<strong>ch</strong>en Rhetorik war au<strong>ch</strong> die Tendenz<br />

seiner ersten Drucks<strong>ch</strong>rift (For the oracles of God, four orations. For Judgement to come, An Argument in nine<br />

parts, London 1823) wenigstens im ersten Teil, während er im zweiten bedeuten<strong>der</strong>en, zu dem er dur<strong>ch</strong> die<br />

damals viel bespro<strong>ch</strong>enen frivolen Gedi<strong>ch</strong>te "Vision of judgement" von Southey und Byron (Näheres darüber bei<br />

Th. Kolde, a.a.O. S. 24) angeregt wurde, darauf ausging, "ni<strong>ch</strong>t als Theologe, son<strong>der</strong>n als Mens<strong>ch</strong>, ni<strong>ch</strong>t als<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nmann, son<strong>der</strong>n als Christ", Gottes Re<strong>ch</strong>t, die Mens<strong>ch</strong>heit zur Verantwortung zu ziehen und die<br />

Notwendigkeit des Geri<strong>ch</strong>ts vor dem Forum <strong>der</strong> Vernunft zu erweisen su<strong>ch</strong>te. Beifall und s<strong>ch</strong>arfer Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>,<br />

die si<strong>ch</strong> im ganzen die Waage hielten, erhöhten nur seine s<strong>ch</strong>on übergrosse Popularität und zur bangen Sorge<br />

seiner Freunde das immer massloser werdende Selbstgefühl des Predigers, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> immer mehr in die Rolle<br />

eines in beson<strong>der</strong>er Weise berufenen untrügli<strong>ch</strong>en Propheten seines Volkes hineinlebte, und au<strong>ch</strong> die<br />

wohlmeinenden Warnungen <strong>der</strong> von ihm s<strong>ch</strong>arf angegriffenen evangelis<strong>ch</strong>en Partei verä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zurückwies. Da<br />

war es seine Su<strong>ch</strong>t, immer neues vorzubringen, immer grössere Erfolge zu erzielen, die ihn einer Ri<strong>ch</strong>tung<br />

zutrieb, dur<strong>ch</strong> die sein Leben eine ganz an<strong>der</strong>e Wendung nahm.<br />

Wie vorübergehend au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>wärts hatte si<strong>ch</strong> in England unter den Eindrücken <strong>der</strong> französis<strong>ch</strong>en<br />

Revolution und <strong>der</strong> ihr folgenden Greuel und Kriegsstürme ein Kreis von Frommen gebildet, die in Erwartung<br />

des jüngsten Tages si<strong>ch</strong> in apokalyptis<strong>ch</strong>e Studien vertieften. Daraus entstand eine stets breiter werdende<br />

apokalyptis<strong>ch</strong>e Literatur, aus <strong>der</strong> die S<strong>ch</strong>riften von Hutley Frere und Lewis Way (Näheres darüber bei Th. Kolde<br />

a.a.O. S. 30) hervorragten, die in kühnen Bere<strong>ch</strong>nungen aus Apokalypse und Propheten die Entwicklung des<br />

Gottesrei<strong>ch</strong>es und die Stadien <strong>der</strong> Endzeit zu bestimmen su<strong>ch</strong>ten. Unter den für diese Gedanken gewonnenen<br />

war bald keiner so eifrig als Henry Drummond, ein vielseitig gebildeter Laie, ein rei<strong>ch</strong>er Londoner Bankier, <strong>der</strong><br />

s<strong>ch</strong>on in jungen Jahren als Parlamentsmitglied si<strong>ch</strong> hervorgetan, auf weiten Reisen si<strong>ch</strong> in Welt und <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

umgesehen hatte, und dessen Zeit und Geld überall zu Gebote stand, wo es galt, allgemein nützli<strong>ch</strong>es zu<br />

unterstützen o<strong>der</strong> gutes zu tun. So hatte er die Continental Society, zur Hebung des geistli<strong>ch</strong>en Zustandes des<br />

Kontinents gegründet, im Jahre 1821 dem Fors<strong>ch</strong>ungsreisenden Dr. Joseph Wolff die Mittel zu seiner damals<br />

Aufsehen erregenden Erfors<strong>ch</strong>ung des inneren Asiens gegeben und no<strong>ch</strong> 1825 in Oxford eine Professur für<br />

Nationalökonomie (die erste, die es überhaupt gab), gestiftet. Seitdem er von den apokalyptis<strong>ch</strong>en Gedanken<br />

ergriffen worden, hatte er, obwohl er später wie<strong>der</strong> und zwar bis an sein Lebensende (1860) im englis<strong>ch</strong>en<br />

Parlament sass, kein höheres Streben, als die Resultate <strong>der</strong> apokalyptis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ung zu allgemeiner<br />

Anerkennung zu bringen. Da war es Hutley Frere, <strong>der</strong> in dem no<strong>ch</strong> kleinen Kreise, dessen Führer Drummond<br />

bald geworden war, auf den Gedanken kam, im Interesse <strong>der</strong> grösseren Propaganda den Versu<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en, den<br />

gefeiertsten Prediger <strong>der</strong> Hauptstadt, Edward Irving, zu gewinnen. Es gelang überras<strong>ch</strong>end s<strong>ch</strong>nell. Mit <strong>der</strong> ihm<br />

eigenen Freude am neuen nahm er die wun<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>e Exegese jener Leute und ihre Gedankenwelt, die so vieles<br />

erklärte und die dem Bussprediger in ihm ein neues Feld eröffnete, wirkli<strong>ch</strong> wie neue Offenbarungen auf. Bald<br />

wurden sie wie bei jenen, <strong>der</strong> Mittelpunkt seines Denkens und Redens. In einer stundenlangen, später in<br />

erweiterter Form gedruckten Predigt (Bapylon and Infidelity, foredoomed of God: A discourse on the prophecies<br />

of Daniel and the Apocalypse, whi<strong>ch</strong> relate to these later times and until the second advent. Glasgow 1826, 2 vol.<br />

Vgl. darüber Th. Kolde a.a.O. S. 35 ff) bei dem Jahresfeste <strong>der</strong> Continental Society im Jahre 1825 entwickelte er<br />

sie zum ersten male vor <strong>der</strong> grossen Öffentli<strong>ch</strong>keit, zeigte an einzelnen Ereignissen seit 1793 das <strong>Aus</strong>giessen <strong>der</strong><br />

se<strong>ch</strong>s ersten Zorness<strong>ch</strong>alen und stellte das Kommen des Herrn und die Aufri<strong>ch</strong>tung des tausendjährigen Rei<strong>ch</strong>es<br />

für 1864 in <strong>Aus</strong>si<strong>ch</strong>t. Zwei Jahre darauf ers<strong>ch</strong>ien mit einer zweihun<strong>der</strong>t Seiten langen Einleitung seine<br />

Bearbeitung des 1816 pseudonym herausgekommenen Werkes des spanis<strong>ch</strong>en Exjesuiten Lacunza unter dem<br />

Titel: The coming of Messiah in glory and majesty, London 1827 (vgl. ebenda S. 38). Inzwis<strong>ch</strong>en hatte sein<br />

Eintreten dafür wirkli<strong>ch</strong> den Erfolg gehabt, dass ni<strong>ch</strong>t wenige hervorragende Geistli<strong>ch</strong>e und erweckte Laien <strong>der</strong><br />

Londoner "Prophetens<strong>ch</strong>ule", wie Irving zuerst die Apokalyptiker genannt zu haben s<strong>ch</strong>eint, si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>lossen.<br />

Auf Veranlassung von Lewis Way kamen seit dem 1. Advent 1826 alljährli<strong>ch</strong> auf Drummonds Landsitz Albury<br />

unweit von Guildford in <strong>der</strong> Grafs<strong>ch</strong>aft Surrey Leute aus vers<strong>ch</strong>iedenen Denominationen – die Zahl s<strong>ch</strong>wankte<br />

zwis<strong>ch</strong>en 20 – 40 Personen, unter ihnen au<strong>ch</strong> Irving – zu einer Konferenz zusammen, um unter dem Ortspfarrer<br />

Hugh Mac Neil, <strong>der</strong> übrigens wie mehrere an<strong>der</strong>e si<strong>ch</strong> dem späteren Irvingianismus ni<strong>ch</strong>t ans<strong>ch</strong>loss, son<strong>der</strong>n als<br />

einer <strong>der</strong> angesehensten Kanzelredner und Häupter <strong>der</strong> "evangelis<strong>ch</strong>en Partei" 1879 starb, auf Grund ernster<br />

Fors<strong>ch</strong>ung si<strong>ch</strong> über die wi<strong>ch</strong>tigsten Fragen zu einigen. Seit dem Jahre 1829 – 33 ers<strong>ch</strong>ien au<strong>ch</strong> ein eigenes<br />

Organ auf Drummonds Kosten "The morning Wat<strong>ch</strong>, Journal of Prophecy", wel<strong>ch</strong>es von Mr. Tudor<br />

herausgegeben wurde. In dem Meeting von 1829 wurde als einmütiges Ergebnis erklärt, seit <strong>der</strong> Zeit Justinians I.<br />

bis zur französis<strong>ch</strong>en Revolution sei eine grosse, in <strong>der</strong> heiligen S<strong>ch</strong>rift angekündigte Periode von 1260 Jahren<br />

abgelaufen, auf wel<strong>ch</strong>e jetzt die letzten Wehen, eine Zerstörung <strong>der</strong> si<strong>ch</strong>tbaren <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, die Zurückführung <strong>der</strong><br />

Juden in ihr Land, dann die Parusie und das tausendjährige Rei<strong>ch</strong> folgen werden, und es sei Pfli<strong>ch</strong>t aller, die dies<br />

glauben, diese Erkenntnis aller Welt so eindrückli<strong>ch</strong> als mögli<strong>ch</strong> zu verkündigen (vgl. Miller I, 44 ff.). Damit<br />

verband si<strong>ch</strong> alsbald ein sektiereris<strong>ch</strong>er Zug. Wer ni<strong>ch</strong>t auf demselben Standpunkt stand, wurde des völligen<br />

Abfalls geziehen. Ja die ganze bisherige kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Entwicklung, und ni<strong>ch</strong>t am wenigsten die evangelis<strong>ch</strong>e Partei<br />

im englis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ntum, die auf die Neubelebung evangelis<strong>ch</strong>en Glaubenslebens au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e<br />

Veranstaltungen, die man später innere Mission nannte, ausging, traf diese Anklage. Seitdem das "fünffältige<br />

Quellenmaterial Seite 8


Amt <strong>der</strong> Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer" aus <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ges<strong>ch</strong>wunden sind, die Irving<br />

s<strong>ch</strong>on 1824 als die ewigen Grundlagen <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> bezei<strong>ch</strong>nete, ist au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> heilige Geist aus ihr gewi<strong>ch</strong>en:<br />

"Über Christus und <strong>der</strong> gläubigen Seele, - die ganze Summe unserer Lehre und geistli<strong>ch</strong>en Praxis – sind uns <strong>der</strong><br />

heilige Geist, die Gemeins<strong>ch</strong>aft <strong>der</strong> Heiligen, die heilige katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, zu toten Bu<strong>ch</strong>staben im Credo<br />

geworden –. Man lallt vom Glauben und einfältigen Glauben und erkennt ni<strong>ch</strong>t o<strong>der</strong> will ni<strong>ch</strong>t erkennen, was <strong>der</strong><br />

ganze Inhalt unseres Glaubens ist, - die ho<strong>ch</strong>heilige Dreieinigkeit und ihre Gaben, Ämter und Wirkungen zum<br />

Heile." S<strong>ch</strong>on zeigt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> vielfa<strong>ch</strong> erst <strong>der</strong> späteren Sekte zuges<strong>ch</strong>riebene Syncretismus: "aus allen<br />

vorhandenen Bekenntnissen und Glaubensparteien wird erst das Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t erstehen, die wahre <strong>Aus</strong>wahl unter<br />

den <strong>Aus</strong>erwählten, wel<strong>ch</strong>es unter seinem Josua in das langersehnte Kanaan eingehen wird" (vgl. Rossteus<strong>ch</strong>er S.<br />

107 – 111).<br />

Damit verband si<strong>ch</strong> bei Irving alsbald eine immer deutli<strong>ch</strong>er werdende Abkehr von grundlegenden<br />

Gedanken und Prinzipien des s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ntums, seiner Verfassung und seines Gottesdienstes, von <strong>der</strong><br />

Prädestination, wogegen er, in dieser Beziehung ni<strong>ch</strong>t unbeeinflusst dur<strong>ch</strong> das Werk des ho<strong>ch</strong>kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Anglikaners Ri<strong>ch</strong>ard Hooker (Ecclesiastical polity 1599) si<strong>ch</strong> als Priester fühlte und seiner Gemeinde und<br />

seinem Presbyterium gegenüber priesterli<strong>ch</strong>es Ansehen und priesterli<strong>ch</strong>e Gewalt in Anspru<strong>ch</strong> nahm, worüber es<br />

sehr bald zu unliebsamen Erörterungen kam. Grosses Aufsehen ma<strong>ch</strong>te es, und es wurde bei weitem als die<br />

s<strong>ch</strong>limmste Heterodoxie empfunden, was man Ende 1827 von eigentümli<strong>ch</strong>en <strong>ch</strong>ristologis<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>lassungen,<br />

die er auf <strong>der</strong> Kanzel vortrüge, erfuhr, dass er von eines sinful substance des Leibes Christi spre<strong>ch</strong>e. Deshalb<br />

interpelliert, s<strong>ch</strong>rieb er eine grosse, wie immer mehr rhetoris<strong>ch</strong>e als dogmatis<strong>ch</strong>e Abhandlung "über die Lehre<br />

von <strong>der</strong> Inkarnation" (Abs<strong>ch</strong>nitt III und IV seiner Sermons, Lectures and Occasional Discourses, 3. Vol., London<br />

1828), in <strong>der</strong> er offenbar im Interesse an <strong>der</strong> vollen Mens<strong>ch</strong>heit Christi unter fals<strong>ch</strong>er Pressung das [grie<strong>ch</strong>.<br />

S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] in dem paulinis<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>druck [grie<strong>ch</strong>.S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] (Röm. 8,3) seine These begründet. Nur<br />

wenn Christus wirkli<strong>ch</strong> unsere Natur angenommen hat, die gefallene Mens<strong>ch</strong>ennatur, konnte er unser Erlöser<br />

sein.. Da seiner Mutter Substanz gewissli<strong>ch</strong> gefallen, er aber seiner Mens<strong>ch</strong>heit na<strong>ch</strong> von <strong>der</strong> Substanz seiner<br />

Mutter war, so ist die Natur, die er annahm, eine sündige gewesen. Eben deshalb fühlte er, obwohl er an <strong>der</strong><br />

Erbsünde ni<strong>ch</strong>t teilnahm und dur<strong>ch</strong> den ihm immer beiwohnenden heiligen Geist vor je<strong>der</strong> wirkli<strong>ch</strong>en Sünde<br />

bewahrt wurde, in seinem natürli<strong>ch</strong>en Willen eine Rebellion gegen den Willen Gottes. Denn wenn er unter das<br />

Gesetz getan war, so musste er ni<strong>ch</strong>t nur zugängli<strong>ch</strong>, son<strong>der</strong>n für alles das geneigt sein, was das Gesetz verbot.<br />

Ja, Irving geht so weit, zu sagen, jede Art von S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tigkeit, die zur Tat geworden ist, o<strong>der</strong> zur Tat werden<br />

konnte, gehörte zum Wesen seiner Natur, und eben in <strong>der</strong> Grösse des Sieges über die in seiner Natur liegende<br />

Sünde sieht Irving die Wahrheit <strong>der</strong> Erlösung <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>ennatur und erklärt im Bewusstsein, damit die alte<br />

orthodoxe Lehre <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> wie<strong>der</strong>zugeben, jede an<strong>der</strong>e Auffassung als eine pestilenzialis<strong>ch</strong>e Häresie (Th.<br />

Kolde S. 50 ff).<br />

Dies alles und seine apokalyptis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wärmereien, die ni<strong>ch</strong>t wenige seiner früheren Anhänger aus<br />

<strong>der</strong> grossen, für ihn erbauten und im Frühjahr 1827 geweihten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> auf dem Regent-Square vertrieben,<br />

ers<strong>ch</strong>ütterten sein Ansehen in weiten Kreisen, beson<strong>der</strong>s in London. Glei<strong>ch</strong>wohl gewann die es<strong>ch</strong>atalogis<strong>ch</strong>e,<br />

apokalyptis<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong>tung, die si<strong>ch</strong> mit einer neuen von Rev. J. Haldane Steward angeregten Bewegung<br />

begegnete, die darauf ausging, alle Frommen in allen Denominationen zum Gebete um eine neue ma<strong>ch</strong>tvolle<br />

<strong>Aus</strong>giessung des Heiligen Geistes zu verbinden, in allen Teilen Grossbritanniens immer mehr an Boden,<br />

beson<strong>der</strong>s in S<strong>ch</strong>ottland. Hier waren es Irvings Freunde, die Geistli<strong>ch</strong>en Campbell, Story und Alex. Scott, die in<br />

glei<strong>ch</strong>em Sinne wirkten, und letzterer, <strong>der</strong> eine Zeit lang Irvings Predigtassistent gewesen, spra<strong>ch</strong> die Hoffnung<br />

aus, dass mit <strong>der</strong> ersehnten neuen <strong>Aus</strong>giessung des Geistes au<strong>ch</strong> die beson<strong>der</strong>en Gaben und Kräfte <strong>der</strong> Urkir<strong>ch</strong>e<br />

wie<strong>der</strong> zur Ers<strong>ch</strong>einung kommen würden. Die Erregung <strong>der</strong> Gläubigen wurde no<strong>ch</strong> gestärkt dur<strong>ch</strong> zwei grosse<br />

Predigtreisen Irvings in S<strong>ch</strong>ottland in den Jahren 1828 und 1829, von denen beson<strong>der</strong>s die erste, die<br />

auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Verkündigung des neuen Advents galt, einem wahren Triumphzuge gli<strong>ch</strong>, und mit kaum<br />

bezähmbarer Ungeduld erwartete man die <strong>Aus</strong>giessung des Geistes.<br />

Da vernahm man im März 1830, dass sie in Fernicarry, einem Dörf<strong>ch</strong>en an <strong>der</strong> Mündung des Clyde, im<br />

Kir<strong>ch</strong>spiel des s<strong>ch</strong>on erwähnten Pfarrers Robert Story von Rosneath, erfolgt sei. Eine gewisse Mary Campbell,<br />

eine Näherin, die na<strong>ch</strong> aller Meinung si<strong>ch</strong> im letzten Stadium <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>windsu<strong>ch</strong>t befand, glei<strong>ch</strong>wohl aber im<br />

Bewusstsein, von Gott zu Grossem berufen zu sein, an dem längstgehegten Gedanken, als Missionarin na<strong>ch</strong> den<br />

Südseeinseln zu gehen, festhielt, hatte unter dem unmittelbaren Eindruck von Irvings Predigt, mit ganz<br />

beson<strong>der</strong>er Energie die Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Wie<strong>der</strong>erweckung <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Geistesgaben in si<strong>ch</strong> aufgenommen,<br />

vornehmli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Gabe <strong>der</strong> Heilung dur<strong>ch</strong> Gebet und des Redens in Zungen, worunter sie die für ihren<br />

Missionsberuf beson<strong>der</strong>s erwüns<strong>ch</strong>te Begabung mit fremden heidnis<strong>ch</strong>en Zungen verstand. An einem Sonntage,<br />

dem 21. März 1830, hatte sie mit einer S<strong>ch</strong>wester und einer Freundin wie<strong>der</strong>um unter Fasten und Beten um die<br />

grosse Sa<strong>ch</strong>e den Tag zugebra<strong>ch</strong>t. Da am Abend, so wird behauptet, ri<strong>ch</strong>tete si<strong>ch</strong> die Kranke, die seit Wo<strong>ch</strong>en<br />

unfähig war, si<strong>ch</strong> zu erheben, plötzli<strong>ch</strong> auf und spra<strong>ch</strong> mit verzücktem Angesi<strong>ch</strong>t eine Viertelstunde lang in<br />

gänzli<strong>ch</strong> unverständli<strong>ch</strong>en, übrigens sofort notierten Lauten, was si<strong>ch</strong> am nä<strong>ch</strong>sten Sonntage wie<strong>der</strong>holte. Das ist<br />

die von den Irvingianern behauptete Wie<strong>der</strong>ers<strong>ch</strong>einung <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>engabe, wobei soglei<strong>ch</strong> bemerkt sein mag,<br />

dass, na<strong>ch</strong>dem die Gelehrten von Oxford und Cambridge erklärt hatten, dass jene Laute, entgegen <strong>der</strong> Meinung<br />

Quellenmaterial Seite 9


<strong>der</strong> Campbell, mit keiner mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e etwas zu tun hätten, man jenes verzückte Reden einfa<strong>ch</strong> als<br />

Zungenreden deutete. Die Kunde davon ma<strong>ch</strong>te beson<strong>der</strong>en Eindruck in einer befreundeten Familie in dem<br />

nahen, am an<strong>der</strong>en Ufer des Clyde gelegenen Ort Glasgow, wo zwei fromme S<strong>ch</strong>iffszimmerleute namens<br />

Macdonald mit ihrer S<strong>ch</strong>wester Margaret die Frommen zu Gebetsversammlungen in ihrem Hause zu<br />

versammeln pflegten. Eines Tages im April 1830 bra<strong>ch</strong> die sterbenskranke Margaret in stundenlangen Preis<br />

Gottes und s<strong>ch</strong>loss dann mit einem heissen Gebet für ihren Bru<strong>der</strong> James, dass er in dieser Stunde angetan werde<br />

mit <strong>der</strong> Kraft aus <strong>der</strong> Höhe, worauf dieser <strong>der</strong> seit 18 Monaten an das Bett gefesselten Kranken gebot,<br />

aufzustehen, was diese au<strong>ch</strong> tat und am gemeinsamen Mahle teilnahm. Und am folgenden Tage gebot J.<br />

Macdonald briefli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> befreundeten M. Campbell, ebenfalls aufzustehen und über den Fluss herüber zu<br />

kommen, wel<strong>ch</strong>er Auffor<strong>der</strong>ung sie folgte. Damit s<strong>ch</strong>ien au<strong>ch</strong> die Gabe <strong>der</strong> Krankenheilung, von <strong>der</strong>en weiteren<br />

Anwendung man übrigens ni<strong>ch</strong>ts hört, wie<strong>der</strong> erweckt zu sein. In den zahlrei<strong>ch</strong>en Gebetsversammlungen, die auf<br />

diese Aufsehen erregenden Ereignisse folgten, trat dem von M. Campbell geübten Zungenreden au<strong>ch</strong> die<br />

verständli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e im Geiste in kurzen, auf das Kommen des Herrn bezügli<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>rufen zur Seite, und wie<br />

sehr man si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on in Gedanken an das Wie<strong>der</strong>aufleben des apostolis<strong>ch</strong>en Geistes hineingelebt hatte, zeigt die<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t, dass in jenen Versammlungen vielmals <strong>der</strong> Ruf gehört wurde: "Sende uns Apostel."<br />

Die Londoner Prophetens<strong>ch</strong>ule, die eine Kommission, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsanwalt Cardale hervorragte,<br />

na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>ottland, wo immer mehrere vom Geiste ergriffen wurden, ges<strong>ch</strong>ickt hatte, bestätigte die erwartete<br />

Erneuerung <strong>der</strong> Geistesgaben, was, wie begreifli<strong>ch</strong>, für die Beteiligten au<strong>ch</strong> ein Erweis <strong>der</strong> Wahrheit <strong>der</strong> ganzen<br />

apokalyptis<strong>ch</strong>en Predigt war. In Cardales Hause su<strong>ch</strong>te man nunmehr in Gebetsversammlungen dasselbe zu<br />

errei<strong>ch</strong>en wie in S<strong>ch</strong>ottland. Und hier begann im Frühjahr 1831 Cardales Frau mit kurzen <strong>Aus</strong>rufen. Nun kam<br />

au<strong>ch</strong> Mary Campbell, die inzwis<strong>ch</strong>en einen Mr. Caird geheiratet hatte, na<strong>ch</strong> London, und bald wurde das<br />

Zungenreden und die Rede in verständli<strong>ch</strong>en Lauten, die "Prophetie" häufiger. Bei einem <strong>der</strong> Hausgottesdienste,<br />

die Irving seit langem tägli<strong>ch</strong> bei si<strong>ch</strong> zu halten pflegte, ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> zuerst mit seiner Mark und Bein<br />

dur<strong>ch</strong>dringenden Stimme ein gewisser Taplin als Prophet bemerkli<strong>ch</strong>. No<strong>ch</strong>mehr Eindruck ma<strong>ch</strong>te auf Irving ein<br />

an<strong>der</strong>er Prophet Baxter, <strong>der</strong> freili<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einiger Zeit, wie die Prophetin Miss Hall, in einer eigenen S<strong>ch</strong>rift seine<br />

Weissagungen wi<strong>der</strong>rief und alles auf Selbstbetrug zurückführte (vgl. Oliphant S. 357, Ev. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nztg. 1837<br />

S. 437 ff), dessen <strong>Aus</strong>lassungen aber glei<strong>ch</strong>wohl in vieler Beziehung für die Ordnungen und Einri<strong>ch</strong>tungen <strong>der</strong><br />

späteren Sekte grundlegend wurden. Eine Zeit lang su<strong>ch</strong>te Irving, wie sehr er au<strong>ch</strong> über die Manifestationen des<br />

Geistes erfreut war, das Zungenreden aus dem eigentli<strong>ch</strong>en Gottesdienst fern zu halten, nur die Sakristei räumte<br />

er dazu ein, um gewissermassen das Zungenreden zu üben und um die Wie<strong>der</strong>aufri<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong> längst als<br />

notwendig erkannten sogenannten apostolis<strong>ch</strong>en Ämter, <strong>der</strong> Sendung von Aposteln, Propheten, Evangelisten,<br />

Hirten und Lehrern, die vom hl. Geist gesalbt wären, und das betonte beson<strong>der</strong>s Baxter, ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Berufung son<strong>der</strong>n dur<strong>ch</strong> den Geist selbst ausgeson<strong>der</strong>t werden sollten, in anhaltendem Gebete zu ringen. Aber<br />

<strong>der</strong> einmal entfesselte Enthusiasmus war ni<strong>ch</strong>t mehr aufzuhalten. Offenbarung drängte si<strong>ch</strong> auf Offenbarung, und<br />

Irving, <strong>der</strong>, seitdem er von <strong>der</strong> E<strong>ch</strong>theit dieser himmlis<strong>ch</strong>en Stimmen si<strong>ch</strong> überzeugt hatte, ni<strong>ch</strong>ts mehr s<strong>ch</strong>eute,<br />

als dem Wirken des Geistes entgegenzutreten, musste si<strong>ch</strong> von den Propheten sagen lassen, dass er, um <strong>der</strong><br />

S<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong> Christi zu entgehen, den Geist dämpfen wolle. Da gab er na<strong>ch</strong>. Mitte Oktober 1831 hielt <strong>der</strong><br />

Enthusiasmus in stürmis<strong>ch</strong>er Weise seinen Einzug in seine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Nur so viel hatte man ihm zugestanden,. dass<br />

die Geistbewegten erst na<strong>ch</strong> seiner Beendigung <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>riftvorlesung und na<strong>ch</strong> seiner Predigt, wozu er jedesmal<br />

eine Pause ma<strong>ch</strong>en wollte, spre<strong>ch</strong>en sollten. Bald trat <strong>der</strong> Prediger naturgemäss hinter den Trägern des Geistes<br />

zurück. Es kam ni<strong>ch</strong>t selten zu aufregenden und lärmenden Szenen. Das musste zu einer S<strong>ch</strong>eidung in <strong>der</strong><br />

Gemeinde führen. Die alten s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Familien zogen si<strong>ch</strong> zumeist zurück o<strong>der</strong> wurden von den<br />

apokalyptis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wärmern, die bald in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zu Regent Square ihren Mittelpunkt sahen, verdrängt. Als<br />

er im Jahre 1830 seiner Christologie wegen vor das Forum des Presbyteriums <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Gemeinden in<br />

London ( d.h. des über den <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nvorständen <strong>der</strong> Einzelgemeinden stehenden Gesamtpresbyteriums) gezogen<br />

wurde und diesen Geri<strong>ch</strong>tshof ablehnte und vielmehr an die s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>e Generalsynode appellierte, hatte er sein<br />

Presbyterium no<strong>ch</strong> auf seiner Seite. Jetzt verklagte es ihn vor <strong>der</strong>selben Behörde wegen Verletzung <strong>der</strong><br />

gottesdienstli<strong>ch</strong>en Ordnung, weil er Männer, die ni<strong>ch</strong>t Minister <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> seien und sogar Frauen<br />

in seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> habe spre<strong>ch</strong>en lassen. Das Urteil vom 2. Mai 1832 lautete auf Absetzung. Am 6. Mai begann er<br />

in einem Saale mit seiner aus etwa 800 Kommunikanten bestehenden Gemeinde eigene Gottesdienste, die im<br />

Oktober in ein zu einer Art <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> umgewandeltes Maleratelier auf <strong>der</strong> Newmanstreet verlegt wurden. Jetzt<br />

s<strong>ch</strong>wanden die letzten Reste <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Gottesdienstordnung. Die Stimmen <strong>der</strong> Propheten drängten den<br />

Prediger, <strong>der</strong> jetzt als "Engel" <strong>der</strong> Gemeinde (Apk 2,3), wie er si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on früher genannt hatte, fungierte, immer<br />

mehr in den Hintergrund. Immer offenkundiger traten Cardale, Drummond und <strong>der</strong> Prophet Taplin an die Spitze<br />

<strong>der</strong> Bewegung. Dur<strong>ch</strong> den letzteren wurde Cardale, ein Mann von grosser Willenskraft und grossem<br />

Organisationstalent am 31. Oktober und 7. November 1832 zum "Apostel" ausgerufen (näheres darüber Th.<br />

Kolde a.a.O. S. 71 ff), in erster Linie, um ein Organ zu haben, das den vom "Geiste" zum Engel <strong>der</strong> Gemeinde in<br />

Albury erwählten Drummond ordinieren könnte.<br />

Damit begann die si<strong>ch</strong> sehr ras<strong>ch</strong> vollziehende Organisation <strong>der</strong> neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, wobei allenthalben das<br />

Bestreben zu bemerken ist, das "Amt" als sol<strong>ch</strong>es in den Vor<strong>der</strong>grund treten zu lassen und dadur<strong>ch</strong> den<br />

Quellenmaterial Seite 10


Enthusiasmus <strong>der</strong> einzelnen einzudämmen. Taplin, <strong>der</strong> Hauptzungenredner, wurde auf Grund einer Offenbarung<br />

zum Propheten (zwei Worte in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>rift) ordiniert, denn von <strong>der</strong> blossen Gabe <strong>der</strong> Weissagung, die<br />

von allen erstrebt werden sollte, sei das prophetis<strong>ch</strong>e Amt mit seiner Aufgabe, den "apostolis<strong>ch</strong>en Baumeistern<br />

das Li<strong>ch</strong>t des Geistes in <strong>der</strong> prophetis<strong>ch</strong>en Form zuzuführen", zu unters<strong>ch</strong>eiden, denn <strong>der</strong> Herr habe nur<br />

"Etli<strong>ch</strong>e" zu Propheten eingesetzt. Auf sein Prophetenwort hin wurden nunmehr (April 1833) se<strong>ch</strong>s Älteste<br />

berufen, die beim Gottesdienst auf <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> eingeri<strong>ch</strong>teten Plattform zu Re<strong>ch</strong>ten und Linken des Engels<br />

sitzend, den siebenarmigen Leu<strong>ch</strong>ter <strong>der</strong> Stiftshütte darzustellen hatten, während <strong>der</strong> Prophet neben dem Apostel<br />

sass. Dazu kamen (am 14. April) "Helfer" (helps = [Wort in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] 1. Ko 12, 28 vgl.<br />

Rossteus<strong>ch</strong>er S. 368 f), anfangs se<strong>ch</strong>s, die glei<strong>ch</strong>falls Priester wie die Ältesten, diesen unterworfen seien und in<br />

ihrer Gegenwart zu s<strong>ch</strong>weigen hätten. Aber bald darauf erfuhr man, dass je<strong>der</strong> Amtsträger seinen Helfer haben<br />

solle, <strong>der</strong> Engel, <strong>der</strong> Älteste usw., und no<strong>ch</strong> vor Ende <strong>der</strong> Wo<strong>ch</strong>e setzte man au<strong>ch</strong> sieben Diakonen für die<br />

äusserli<strong>ch</strong>en kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Verhältnisse ein, und ein Jahr später unter Berufung auf 1. Ko 12, 29 [Wort in<br />

grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] au<strong>ch</strong> Subdiakonen. Da nun s<strong>ch</strong>on Irving soglei<strong>ch</strong> beim Beginne <strong>der</strong> Separation<br />

"Evangelisten" ausgesandt hatte, die jetzt dur<strong>ch</strong> apostolis<strong>ch</strong>e Ordination zu wirkli<strong>ch</strong>en Amtsträgern erhoben<br />

wurden, so war das "fünffältige" Amt, an dessen Vorhandensein die Wirksamkeit des Geistes in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

geknüpft wurde, wie<strong>der</strong>hergestellt. Und wie <strong>der</strong> Geist es for<strong>der</strong>te, entstanden bald no<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s an<strong>der</strong>e Gemeinden<br />

in London, mit <strong>der</strong>jenigen Irvings eine Erneuerung <strong>der</strong> sieben apokalyptis<strong>ch</strong>en Gemeinden. Na<strong>ch</strong> ihrem Vorbild<br />

bildeten si<strong>ch</strong> mit glei<strong>ch</strong>er hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Glie<strong>der</strong>ung eine ganze Reihe an<strong>der</strong>er Gemeinden im ganzen Lande<br />

vornehmli<strong>ch</strong> in S<strong>ch</strong>ottland.<br />

Irving hat das alles, wenn ihm au<strong>ch</strong> das eine o<strong>der</strong> das an<strong>der</strong>e s<strong>ch</strong>wer wurde, weil es vom Geiste zu<br />

kommen s<strong>ch</strong>ien, gläubig und kritiklos hingenommen. Freili<strong>ch</strong> den Apostolat hatte er si<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>s geda<strong>ch</strong>t, und er<br />

war <strong>der</strong> Meinung, dass "<strong>der</strong> Apostel zur Amtshandlung des Wortes und des Regiments ausser in <strong>der</strong> offenbaren<br />

Geisteskraft überhaupt ni<strong>ch</strong>t befung sei" und wollte seine, des Engels, Selbstständigkeit innerhalb seiner<br />

Gemeinde wahren. Aber <strong>der</strong>artige Versu<strong>ch</strong>e wurden zurückgewiesen, und wenn er es wagte, auf das für ihn<br />

untrügli<strong>ch</strong>e Prophetenwort hin selbstständig zu handeln, musste er si<strong>ch</strong> sagen lassen, dass er es ni<strong>ch</strong>t verstehe die<br />

Symbolik <strong>der</strong> Prophetie in die kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Praxis umzusetzen, was er ohne Wi<strong>der</strong>rede demütig ges<strong>ch</strong>ehen liess.<br />

Und man benutzte jede Gelegenheit den do<strong>ch</strong> bisweilen unbequemen Mann mit seiner grossen Vergangenheit, an<br />

dessen Persönli<strong>ch</strong>keit so viele dankbar hingen, zu demütigen. Als er von dem Presbyterium zu Annan, dem<br />

s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> von <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Generalsynode die Untersu<strong>ch</strong>ung gegen ihn wegen Irrlehre übertragen worden,<br />

von <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Nationalkir<strong>ch</strong>e ausges<strong>ch</strong>lossen und damit seines geistli<strong>ch</strong>en Amtes entsetzt worden war,<br />

glei<strong>ch</strong>wohl aber im Bewusstsein, <strong>der</strong> von Gott zum Engel berufene Hirt seiner Herde zu sein, na<strong>ch</strong> London<br />

zurückgekehrt, seine priesterli<strong>ch</strong>en Funktionen weiter ausüben und ein Kind taufen wollte, wurde ihm, dem<br />

wie<strong>der</strong> zum Laien gewordenen, dies gewehrt. Er musste warten, bis er auf Anordnung des Propheten von neuem<br />

und zwar jetzt dur<strong>ch</strong> den Apostel ordiniert würde. Dadur<strong>ch</strong> musste seine Stellung natürli<strong>ch</strong> eine ganz an<strong>der</strong>e<br />

werden, aber nur das s<strong>ch</strong>merzte ihn, dass die Kraft von oben gerade auf ihn ni<strong>ch</strong>t kommen wollte. Längst s<strong>ch</strong>wer<br />

leidend hatte er, obwohl erst wenig über vierzig Jahre alt, das <strong>Aus</strong>sehen eines Greises bekommen. Der Arzt<br />

verlangte im Herbst 1834 einen Aufenthalt im Süden, wenn er den Winter überleben sollte. Glei<strong>ch</strong>wohl folgte er<br />

freudig dem Befehl na<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>ottland zu gehen, weil ihm die Prophetenstimme dort Massenerfolge in <strong>der</strong> Kraft<br />

des Geistes geweissagt hatte. Er kam bis Glasgow. Dort ist er am 8. Dezember 1834 gestorben und liegt in <strong>der</strong><br />

Krypta <strong>der</strong> Kathedrale begraben (vgl. über seine letzten Tage Th. Kolde a.a.O. S. 79 ff).<br />

Inzwis<strong>ch</strong>en war die Zahl <strong>der</strong> Apostel bis zum Sommer 1834, zu wel<strong>ch</strong>er Zeit Woodhouse hinzugetan<br />

wurde, auf se<strong>ch</strong>s gewa<strong>ch</strong>sen. Und mit ihrer Zahl und namentli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Tode Irvings, mit dem in man<strong>ch</strong>er<br />

Beziehung ein Hemmnis gefallen war, wu<strong>ch</strong>s ihr Stärkegefühl und das Bestreben, die Organe ni<strong>ch</strong>t nur <strong>der</strong><br />

Disziplin son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Lehre zu sein. Das musste zur Eins<strong>ch</strong>ränkung <strong>der</strong> Prophetie führen. Cardale erklärte<br />

es jetzt für notwendig, dogmatis<strong>ch</strong>e Belehrungen an die Propheten zu ri<strong>ch</strong>ten, um das Weissagen [hier fünf<br />

Worte in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>staben] (Rö 12, 7) zu för<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> Praxis entwickelte si<strong>ch</strong> die Sa<strong>ch</strong>e so, dass die<br />

Apostel nur diejenigen Äusserungen des Geistes anerkannten, die ihnen gefielen, und si<strong>ch</strong>, was freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

ohne s<strong>ch</strong>were Kämpfe mit den zuerst vom Geist erleu<strong>ch</strong>teten und auf ihre Selbstständigkeit eifersü<strong>ch</strong>tigen<br />

S<strong>ch</strong>otten abging, die Ma<strong>ch</strong>t in allen Dingen au<strong>ch</strong> in den einzelnen Gemeinden aneigneten. In einer<br />

wö<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong>en Ratsversammlung, an <strong>der</strong> die Engel und Ältesten <strong>der</strong> Gemeinde teilnahmen, ents<strong>ch</strong>ieden sie über<br />

das Einzelne, während die Prophetie abgesehen von allgemeinen Mahnungen an die Gemeinde, wesentli<strong>ch</strong> dazu<br />

diente, über die Männer, die zu Ämtern berufen werden sollten, Zeugnis abzulegen, und über die Formen des<br />

Gottesdienstes Offenbarung zu verbreiten. Taplin, <strong>der</strong> weil man eine auf sein Prophetenwort vorgenommene<br />

kultis<strong>ch</strong>e Neuordnung Irvings (Rossteus<strong>ch</strong>er S. 424 ff) verworfen hatte, si<strong>ch</strong> ein Jahr lang grollend<br />

zurückgezogen hatte, wurde, als er im Februar 1831 reumütig zurückkehrte, zum Säulen- o<strong>der</strong> Pfeilerpropheten<br />

ernannt. Mit se<strong>ch</strong>s an<strong>der</strong>en Propheten, die ihm beigegeben wurden, sollte er eine gewisse Oberaufsi<strong>ch</strong>t über die<br />

ganze Prophetie ausüben. Dieses Kollegium trat dem Apostelkollegium an die Seite, ni<strong>ch</strong>t als Lehrer <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>,<br />

"son<strong>der</strong>n als Werkzeuge zur Hervorbringung <strong>der</strong> verborgenen Geheimnisse Gottes, das Li<strong>ch</strong>t am dunklen Orte,<br />

in dessen S<strong>ch</strong>eine die Apostel wandeln und das Haus ordnen sollten". Und letzteres, die <strong>Aus</strong>bildung des<br />

Kultis<strong>ch</strong>en im weitesten Sinne des Wortes wurde, jetzt immer mehr die Hauptsa<strong>ch</strong>e, weshalb au<strong>ch</strong> die Tätigkeit<br />

Quellenmaterial Seite 11


<strong>der</strong> Engel eine an<strong>der</strong>e wurde; denn <strong>der</strong> Geist offenbarte, ni<strong>ch</strong>t die Predigt, son<strong>der</strong>n die Anbetung sei die<br />

Hauptsa<strong>ch</strong>e ihres Dienstes. Sie wurden seit dieser Zeit, namentli<strong>ch</strong> seit dem Tode Irvings, des Predigers,<br />

wesentli<strong>ch</strong> Liturgen.<br />

Immer weiter s<strong>ch</strong>ritt man in <strong>der</strong> symbolis<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>deutung <strong>der</strong> Einri<strong>ch</strong>tungen <strong>der</strong> Stiftshütte, <strong>der</strong>en<br />

wahres Abbild in dem nunmehr allmonatli<strong>ch</strong> zusammentretenden Konzil von Zion, den sieben Gemeinden<br />

Londons, zur Ers<strong>ch</strong>einung kommen sollte. Auf <strong>der</strong> oberen Stufe des Podiums sollten se<strong>ch</strong>s Apostel sitzen, hinter<br />

ihnen die se<strong>ch</strong>s Propheten, die ihnen zugeteilt waren, hindeutend auf das in <strong>der</strong> Stiftshütte mit Brettern<br />

abges<strong>ch</strong>lossene Allerheiligste und dessen Geräte. Dieser Doppelreihe gegenüber die vier Pfeiler des Amtes, <strong>der</strong><br />

erste <strong>der</strong> Apostel, <strong>der</strong> Propheten, <strong>der</strong> Evangelisten und <strong>der</strong> Hirten (Engel) als die Säulen vor dem Allerheiligsten.<br />

Auf einer niedrigeren Stufe zuerst die sieben Engel, und hinter dem Stuhle eines jeden die se<strong>ch</strong>s Ältesten seiner<br />

Gemeinde zusammen 42, entspre<strong>ch</strong>end den 42 Brettern, die die Seitenwände <strong>der</strong> Hütte gebildet hatten. Die<br />

übrigen fünf Apostel sollten beson<strong>der</strong>s sitzen, quer zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Reihe <strong>der</strong> se<strong>ch</strong>s Apostel und <strong>der</strong> sieben Engel<br />

mit ihren Ältesten, um die fünf dur<strong>ch</strong>gehenden Riegel darzustellen, dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e die ganze Umfassung <strong>der</strong><br />

Hütte zusammengehalten war. Etwas unterhalb <strong>der</strong> Engel <strong>der</strong> sieben Gemeinden die fünf Hauptevangelisten als<br />

die Säulen am Eingang des Heiligen, endli<strong>ch</strong> rings um die ganze Plattform her die jenen untergeordneten 60<br />

Evangelisten als die Säulen des Vorhofs (Rossteus<strong>ch</strong>er S. 452). Man zählte hierna<strong>ch</strong> normalerweise 135<br />

Amtsträger. So wurde das Konzil zum erstenmal am 17. Juni 1835 abgehalten, obwohl es damals no<strong>ch</strong> einige<br />

Lücken gab, indem zwar von Februar bis Mai vier neue Apostel berufen wurden, aber no<strong>ch</strong> zwei zu <strong>der</strong> längst<br />

als nötig erkannten Zwölfzahl fehlten. Ni<strong>ch</strong>t ohne grosse S<strong>ch</strong>wierigkeiten, - <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>otte Davis Dow, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong><br />

selbst einmal in Edinburg zum Apostel aufgeworfen hatte, und <strong>der</strong> jetzt "dur<strong>ch</strong> den Geist berufen wurde",<br />

weigerte si<strong>ch</strong> das Amt anzunehmen, und man musste endli<strong>ch</strong> zum Lose greifen – gelang es einen elften und<br />

zwölften zu gewinnen, worauf am 14. Juli 1835 die sogenannte <strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Apostel stattfand (vgl.<br />

Rossteus<strong>ch</strong>er S. 465). Sie wird mit <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>sendung des Paulus und Barnabas (AG 13,1) vergli<strong>ch</strong>en, sollte aber<br />

vielmehr eine feierli<strong>ch</strong>e Anerkennung des Apostolats und eine Einweisung in den spezifis<strong>ch</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Beruf<br />

für die gesamte Welt sein. Denn mit ihnen, so hiess es jetzt, ist na<strong>ch</strong> jenem ersten jüdis<strong>ch</strong>en Apostolat, wel<strong>ch</strong>es<br />

<strong>der</strong> Herr selbst eingesetzt hat, <strong>der</strong> Apostolat <strong>der</strong> Heidenkir<strong>ch</strong>e eingetreten, denn Paulus war nur ein Anbru<strong>ch</strong>, wie<br />

er selbst sagt (1 Ko 15, 8), eine unzeitige Geburt gewesen.<br />

Zur Vorbereitung auf ihren beson<strong>der</strong>en Beruf begaben si<strong>ch</strong> nunmehr die Apostel in Begleitung <strong>der</strong><br />

sieben Propheten <strong>der</strong> Ratsversammlung na<strong>ch</strong> Albury, um dort mittelst <strong>der</strong> Unterweisung dur<strong>ch</strong> die Propheten mit<br />

kurzen Unterbre<strong>ch</strong>ungen ein Jahr lang (ni<strong>ch</strong>t 2 ½ Jahre, wie oft angegeben wird; vgl. Rossteus<strong>ch</strong>er S. 47) dem<br />

Studium <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>rift obzuliegen, und dann "Gottes Volk auszuführen aus <strong>der</strong> grossen Stadt <strong>der</strong> Verwirrung, <strong>der</strong><br />

verbannten Stadt" (Rossteus<strong>ch</strong>er S. 473). Ein erstes "Zeugnis", wel<strong>ch</strong>es die Welt über ihre Mission aufklären<br />

sollte, und Anfang 1836 ausging, ri<strong>ch</strong>tete si<strong>ch</strong> an die Bis<strong>ch</strong>öfe <strong>der</strong> englis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, ein zweites an den König<br />

Wilhelm IV. von England (beide bei Miller II 361 ff). Auf Grund einer Drummond zu teil gewordenen<br />

Offenbarung, wona<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Herr die Christenheit teilen wolle unter die zwölf Apostel, und je<strong>der</strong> <strong>der</strong> zwölf Fürsten<br />

des geistli<strong>ch</strong>en Israels angesi<strong>ch</strong>ts des nahen Kommens des Herrn seinem Stamme zugeteilt werden solle, um<br />

allenthalben die ursprüngli<strong>ch</strong>en Ordnungen aufzuri<strong>ch</strong>ten und je 12'000 Versiegelte zu sammeln, wurde die Welt,<br />

ri<strong>ch</strong>tiger freili<strong>ch</strong> Europa, als <strong>der</strong> eigentli<strong>ch</strong>e Sitz des grossen Königs, und Amerika und die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

Kolonien, als die Vorstädte <strong>der</strong> grossen Stadt am 15. Juli 1836 – d.h. dem Tage mit <strong>der</strong> alten Bezei<strong>ch</strong>nung<br />

Apostolorum divisio – verteilt. Cardale, <strong>der</strong> Säulenapostel, ward für England bestimmt. Drummond erhielt<br />

S<strong>ch</strong>ottland und die S<strong>ch</strong>weiz, King-Chur<strong>ch</strong> die Nie<strong>der</strong>lande und Dänemark, Perceval Italien, Armstrong Irland<br />

und die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n Grie<strong>ch</strong>enlands und des Orients, Woodhouse Süddeuts<strong>ch</strong>land und Österrei<strong>ch</strong>, Tudor Polen und –<br />

Indien, Dalton Frankrei<strong>ch</strong>, Carlyle Norddeuts<strong>ch</strong>land, Sittwill Spanien und Portugal, William Dow Russland,<br />

Mackenzie Norwegen und S<strong>ch</strong>weden. Na<strong>ch</strong>dem man dann no<strong>ch</strong> in demselben Jahre 1836 ein langatmiges,<br />

beinahe 200 Seiten umfassendes "Zeugnis" in englis<strong>ch</strong>er, französis<strong>ch</strong>er, deuts<strong>ch</strong>er und lateinis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e hatte<br />

ausgehen lassen (abgedruckt bei Reinwald Acta hist. eccl. 1837 p. 793 – 867. Englis<strong>ch</strong> bei Miller I, 346 ff,<br />

deuts<strong>ch</strong> bei Rossteus<strong>ch</strong>er im Anhang) begaben si<strong>ch</strong> die Apostel mit <strong>Aus</strong>nahme Cardales, <strong>der</strong> daheim blieb, um<br />

die Gemeinden Zions zu leiten, begleitet von je einem Propheten, Evangelisten und Hirten auf die Reise zu ihren<br />

Stämmen (na<strong>ch</strong> Rossteus<strong>ch</strong>er S. 490 Herbst 1836, na<strong>ch</strong> Miller I, 185 erst Anfang 1838). Ihr Hauptzweck war<br />

dabei zu erfors<strong>ch</strong>en, was etwa no<strong>ch</strong> von reinem Golde übrig geblieben, das für die grosse Aufgabe, unter<br />

Nie<strong>der</strong>reissung <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ranken <strong>der</strong> vers<strong>ch</strong>iedenen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> eine Gemeinde <strong>der</strong> Heiligen aufzuri<strong>ch</strong>ten, zu brau<strong>ch</strong>en<br />

wäre. Und wiewohl sie allenthalben in regem Verkehr mit kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Grossen und sonstigen hervorragenden<br />

Männern für die Anerkennung ihrer apostolis<strong>ch</strong>en Würde warben, gingen sie do<strong>ch</strong> vorsi<strong>ch</strong>tig zu Werke, sodass<br />

sie selbst in dem damaligen Italien, Spanien und Österrei<strong>ch</strong> von <strong>der</strong> Polizei unbehelligt blieben. Wie verabredet<br />

trafen sie na<strong>ch</strong> Ablauf <strong>der</strong> mystis<strong>ch</strong>en 1260 Tage (na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung) Weihna<strong>ch</strong>ten 1938 wie<strong>der</strong> in Albury<br />

zusammen, unternahmen dann 1839 eine zweite Reise, von <strong>der</strong> sie Cardale vorzeitig zurückrufen musste, weil es<br />

zu s<strong>ch</strong>werwiegenden Differenzen im Konzil zu Zion gekommen war. Die vers<strong>ch</strong>iedenen Amtsträger waren es<br />

nämli<strong>ch</strong> müde geworden, blosse Statisten in den Konzilsversammlungen zu sein, und erklärten, unterstützt von<br />

<strong>der</strong> Prophetie, unter Berufung auf AG 15 und die <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> aller Zeiten, dass die Ältesten immer mitgewirkt,<br />

und die auf dem Konzile Versammelten selbst die hö<strong>ch</strong>ste Autorität einzunehmen hätten, während die Apostel,<br />

Quellenmaterial Seite 12


obwohl den ersten Rang einnehmend, nur die Konzilsbes<strong>ch</strong>lüsse ausführen sollten. Aber es gelang dem wie<strong>der</strong><br />

vollzählig versammelten Apostolat den Angriff zurückzuweisen und, um ähnli<strong>ch</strong>e Vorkommnisse zu verhin<strong>der</strong>n,<br />

wurde das Konzil, für wel<strong>ch</strong>es, wie erzählt, <strong>der</strong> Geist so bestimmte Vors<strong>ch</strong>riften bis zur Bestimmung <strong>der</strong> Plätze<br />

gegeben hatte, und wel<strong>ch</strong>es die Erfüllung <strong>der</strong> Stiftshütte sein sollte, in <strong>der</strong> bisherigen Weise ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

zusammen berufen und lebte nur als Konferenz <strong>der</strong> sieben Engel Londons unter dem Vorsitz des Apostels im<br />

Jahre 1877 wie<strong>der</strong> auf. Wi<strong>ch</strong>tiger war no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> au<strong>ch</strong> bei dieser Gelegenheit (Juni 1840) festgelegte Grundsatz,<br />

dass weil ein unreines Gefäss kein reines Wasser bieten könne, in jedem Fall die Reinheit des Propheten von den<br />

Aposteln geprüft werden müsste, womit die absolute Superiorität des Apostolats, aufs strikteste zum <strong>Aus</strong>druck<br />

kam. Aber die glückli<strong>ch</strong> überwundene Krisis hatte ein s<strong>ch</strong>werwiegendes Na<strong>ch</strong>spiel, indem einer <strong>der</strong> Apostel<br />

selbst, Duncan Mackenzie, <strong>der</strong> vergebli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung auf eine neue <strong>Aus</strong>giessung des Geistes<br />

gewartet hatte, an seiner Apostelwürde irre wurde und si<strong>ch</strong> gänzli<strong>ch</strong> zurückzog. Er starb in Kapland 1855.<br />

Die übrigen Apostel nahmen jetzt wie<strong>der</strong> ihren Wohnsitz in Albury, um an die Verwertung <strong>der</strong><br />

Resultate ihrer Missionsreise zu gehen. Merkwürdig genug waren sie, na<strong>ch</strong>dem sie nur wenig an<strong>der</strong>e bekehrt<br />

hatten, in gewissem Sinne selbst als Bekehrte zurückgekommen. Bei <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>on früher beoba<strong>ch</strong>teten Betonung<br />

des priesterli<strong>ch</strong>en Charakters <strong>der</strong> Amtsträger und <strong>der</strong> Anbetung im Kultus begreift si<strong>ch</strong>, dass, wie sie selbst<br />

bezeugt haben, eine genauere Bekannts<strong>ch</strong>aft mit dem Katholizismus in seinen Heimatgebieten, auf diese Leute,<br />

die viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on vom Puseismus angeregt waren, den grössten Einfluss haben konnte. Derselbe war in<br />

<strong>der</strong> Tat so gross, dass man sagen darf, dass mit ihrer Reise und bald darauf seit 1840 eine neue Periode <strong>der</strong><br />

Bewegung beginnt, die Romanisierung des Irvingianismus o<strong>der</strong> <strong>der</strong> "apostolis<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>en Gemeinden", wie<br />

sie nunmehr offiziell auf Geheiss des Geistes si<strong>ch</strong> nannten. Alles was etwa no<strong>ch</strong> an die s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>presbyterianis<strong>ch</strong>en<br />

und englis<strong>ch</strong>e, nonkonformistis<strong>ch</strong>en Traditionen erinnerte, wurde jetzt wirkli<strong>ch</strong> ausgemerzt.<br />

Während in den meisten irvingianis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n bis zum Jahre 1838 keine Altäre waren, mussten jetzt sol<strong>ch</strong>e<br />

erri<strong>ch</strong>tet werden, au<strong>ch</strong> wurde <strong>der</strong> Raum um den Altar (wie au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> anglikanis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>) als sacrarium<br />

(screen) abgegrenzt, und empfingen nunmehr die Kommunikanten an diesem knienend das Abendmahl. Direkt<br />

wurde das Volk belehrt, dass die Eu<strong>ch</strong>aristie als Opfer aufzufassen sei (vgl. über die frühen Anfänge <strong>der</strong><br />

Opferidee Th. Kolde, Irving S. 75 ff), und zwar in dem Sinne, dass die konsekrierten und damit dur<strong>ch</strong> den<br />

heiligen Geist in Christi Leib und Blut verwandelten Elemente (Wein und ungesäuertes, gebro<strong>ch</strong>enes Brot) Gott<br />

dargebra<strong>ch</strong>t werden zur Erinnerung an Christi Tod, als eine Handlung auf Erden, wel<strong>ch</strong>e mit <strong>der</strong> Handlung des<br />

Hohenpriesters im Himmel korrespondiert. Die Abwei<strong>ch</strong>ung von <strong>der</strong> römis<strong>ch</strong>en Auffassung, mit <strong>der</strong> sie die<br />

allerdings ni<strong>ch</strong>t überall klar ausgedrückte Wandlungslehre und den Gedanken <strong>der</strong> notwendigen priesterli<strong>ch</strong>en<br />

Interzession gemein hat, liegt darin, dass man keine Wie<strong>der</strong>holung des einmal vollgültig ges<strong>ch</strong>ehenen<br />

Versöhnungsopfers annimmt, es glei<strong>ch</strong>wohl aber als Dank- und Gedä<strong>ch</strong>tnisopfer Gott von neuem darbringt, es<br />

gewissermassen ihm von neuem ins Gedä<strong>ch</strong>tnis ruft (so wird das [hier fünf Worte in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>staben] 1.<br />

Ko 12, 26 gedeutet), wodur<strong>ch</strong> es versöhnend wirkt, weshalb denn au<strong>ch</strong> an die das Opfern symbolisierende<br />

Handlung <strong>der</strong> Elevation und des Brotbre<strong>ch</strong>ens ("für Eu<strong>ch</strong>") die Fürbitten anges<strong>ch</strong>lossen werden (vgl. Karl Rothe,<br />

Das Opfer unsers Herrn Jesu Christi am Kreuz und das Opfer <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im hl. Sakramente des Altars, 2. Aufl.<br />

Frankf. 1854). Dies und an<strong>der</strong>es, was die theoretis<strong>ch</strong> kaum irgendwo klar zusammengefassten<br />

Son<strong>der</strong>vorstellungen <strong>der</strong> Irvingianer <strong>ch</strong>arakterisiert, kommt am klarsten zum <strong>Aus</strong>druck in <strong>der</strong> seit 1842<br />

eingeführten wesentli<strong>ch</strong> von Cardale herrührenden Gottesdienstordnung, in <strong>der</strong> man mit Vorliebe auf<br />

altkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e, au<strong>ch</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Formeln zurückging und si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> die Tendenz verfolgt, mögli<strong>ch</strong>st viel<br />

Abwe<strong>ch</strong>slungen hineinzubringen und die einzelnen Akte an die vers<strong>ch</strong>iedenen Amtsträger, Engel. Älteste,<br />

Propheten, Evangelisten zu verteilen (die Liturgie und an<strong>der</strong>e Gottesdienste <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> 1. Th. Na<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Übersetzung <strong>der</strong> engl. <strong>Aus</strong>gabe von 1853 II. Aufl., Berlin 1860; vgl. namentli<strong>ch</strong> das Opfergebet S. 30). Zuglei<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>ritt man zur Annahme von Kultusgewän<strong>der</strong>n, <strong>der</strong>en Notwendigkeit auf jener Missionsreise einem Propheten<br />

in Rouen aufgegangen war. Sie sind wesentli<strong>ch</strong> dieselben, wie bei den Römern, Alba, Stola, Gürtel, Kasula und<br />

die Dalmatica, das beson<strong>der</strong>e Amtskleid des Engels, dabei ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> das Bestreben geltend, dur<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>ste<br />

Pra<strong>ch</strong>tentfaltung auf die Sinne zu wirken. Im Jahre 1847 wurde den Priestern ein ausführli<strong>ch</strong>es Direktorium für<br />

die <strong>Aus</strong>führung <strong>der</strong> Liturgie in den vers<strong>ch</strong>iedenen Gottesdiensten in die Hand gegeben (Über die Funktionen <strong>der</strong><br />

einzelnen Geistli<strong>ch</strong>en im Gottesdienst, Miller I, 259). In demselben Jahre adoptierte man die letzte Ölung. Seit<br />

1850 wurden die geweihten Abendmahlselemente wie bei den Römern in einem Tabernakel aufbewahrt, aus dem<br />

sie bei den tägli<strong>ch</strong> abzuhaltenden Morgen- und Abendgottesdiensten herausgenommen und, ein Abbild <strong>der</strong><br />

S<strong>ch</strong>aubrote <strong>der</strong> Stiftshütte, ausgestellt werden, ni<strong>ch</strong>t als Gegenstände <strong>der</strong> Adoration, son<strong>der</strong>n um die Gemeinde<br />

<strong>der</strong> Gegenwart des Herrn und seiner fortwärenden Interzession zu versi<strong>ch</strong>ern. Im Jahre 1852 folgte die<br />

Aufstellung von Kerzen, zwei auf dem Altar als Symbole <strong>der</strong> Gegenwart Gottes in seinen beiden Zeugen, den<br />

Aposteln und Propheten, und des siebenarmigen Leu<strong>ch</strong>ters, um des Herrn Gegenwart in dem Dienste des<br />

siebenfältigen Ältestenamtes, des wahren Leu<strong>ch</strong>ters anzudeuten. Zuglei<strong>ch</strong> kam die Anwendung des Weihrau<strong>ch</strong>es<br />

auf (Miller I, 266), sehr viel später, obwohl es von einer Partei s<strong>ch</strong>on früher gefor<strong>der</strong>t worden war, nämli<strong>ch</strong> erst<br />

1868, die des Weihwassers. Für den Unterhalt des natürli<strong>ch</strong> wegen <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> Priester sehr kostspieligen<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nwesens wurde s<strong>ch</strong>on seit dem Jahre 1833 <strong>der</strong> Zehnte als Opfer erhoben und zwar geht die Verpfli<strong>ch</strong>tung<br />

in <strong>der</strong> Tat dahin, den zehnten Teil des wirkli<strong>ch</strong>en Einkommens [Hinweis des @btippers: Opfer vom Brutto-<br />

Quellenmaterial Seite 13


Einkommen !] zu opfern.<br />

Ihre originellste Zeremonie ist die auf Cardales Veranlassung im Jahre 1847 aufgekommene Versiegelung.<br />

<strong>Aus</strong> Apk 7,3 ff entnimmt man, dass diejenigen, die gerettet werden sollten, versiegelt werden müssten,<br />

um so <strong>der</strong> grossen Trübsal zu entgehen und mit dem Herrn in seinem Gefolge zu ers<strong>ch</strong>einen. Daraufhin wurde<br />

jetzt gelehrt, dass es für die <strong>Aus</strong>erwählten nötig sei, dur<strong>ch</strong> den Apostel, und zwar allein dur<strong>ch</strong> diesen und ni<strong>ch</strong>t<br />

vor dem 20. Jahre dur<strong>ch</strong> Handauflegung und Salbung mit Öl versiegelt zu werden, und, dass um die mystis<strong>ch</strong>e<br />

Zahl 144'000 voll zu ma<strong>ch</strong>en, genau je 12'000 aus jedem Stamme zu versiegeln sein. Und obwohl zwei Apostel<br />

si<strong>ch</strong> weigerten, die Versiegelung vorzunehmen, also wohl ni<strong>ch</strong>t an sie glaubten, ist es Tatsa<strong>ch</strong>e, dass die<br />

<strong>Aus</strong>si<strong>ch</strong>t, dur<strong>ch</strong> diesen Akt in die Reihen <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>erwählten aufgenommen zu werden, namentli<strong>ch</strong> unter den<br />

Frauen no<strong>ch</strong> heutigen Tages einen beson<strong>der</strong>en Anziehungspunkt des Irvingianismus ausma<strong>ch</strong>t. Damit hängt die<br />

Vorstellung zusammen, dass eben diese versiegelten Gläubigen dem Herrn bei seinem Kommen, wie auf Grund<br />

von 1. Th 4,16 f gelehrt wird, dur<strong>ch</strong> die Luft entgegengerückt werden (vgl. dagegen Luthard, Lehre von den<br />

letzten Dingen, Leipzig 1861 S. 37ff).<br />

Der teilweise Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>, den die ges<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>ten kultis<strong>ch</strong>en Neuerungen im Kreise <strong>der</strong> neuen<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft erfuhren, <strong>der</strong> Rücktritt des Apostels Mackenzie, vor allem aber, dass die vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Zeitpunkte, die man für das Kommen des Herrn in <strong>Aus</strong>si<strong>ch</strong>t gestellt hatte, z.B. <strong>der</strong> 14. Juli 1835, Weihna<strong>ch</strong>ten<br />

1838, 14. Juli 1842 und ebenso 1845 verstri<strong>ch</strong>en waren, ohne dass diese Erwartung in Erfüllung gegangen, war<br />

<strong>der</strong> numeris<strong>ch</strong>en Enzwicklung in England ni<strong>ch</strong>t för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> gewesen. Ende März 1851 zählte man daselbst an<br />

4018 Anhänger mit 32 <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, was gegen das erste Aufflackern des Enthusiasmus um die Zeit von Irvings<br />

Tode ents<strong>ch</strong>ieden einen Rückgang bedeutete. Aber wenn die Prophezeihungen fehlges<strong>ch</strong>lagen waren, konnte<br />

man si<strong>ch</strong>, wie das bis auf den heutigen Tag ges<strong>ch</strong>ieht, immer darauf berufen, dass man den Sinn des Herrn ni<strong>ch</strong>t<br />

ganz erkannt habe, und wie wenig man si<strong>ch</strong> gedrückt fühlte, zeigt, dass man gerade damals an die Erri<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong><br />

1853 vollendeten grossen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> in Gordon Square als Zentralpunkt für die Gemeins<strong>ch</strong>aft ging, die mit grosser<br />

Pra<strong>ch</strong>t ausgestattet als eines <strong>der</strong> bemerkenswertesten neueren kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gebäude Londons bezei<strong>ch</strong>net werden<br />

muss.<br />

Aber s<strong>ch</strong>on längst war es <strong>der</strong> neuen Gemeins<strong>ch</strong>aft gelungen, au<strong>ch</strong> in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n festen Fuss zu<br />

fassen. S<strong>ch</strong>on vor <strong>der</strong> ersten Missionsreise hatten, wie s<strong>ch</strong>eint, ohne eigentli<strong>ch</strong>en Auftrag irvingianis<strong>ch</strong>e<br />

Evangelisten in den Jahren 1835 und 1836 in Genf in dortigen Theologiekreisen Eingang gefunden, ja sogar bei<br />

dem Professor <strong>der</strong> Theologie Preiswerk, <strong>der</strong> deshalb abgesetzt wurde (sehr bald aber si<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> vom<br />

Irvingianismus abwandte und später Professor in Basel wurde, vgl. Ev. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzeitung 1837 Nr. 54 ff). Im Jahre<br />

1843 wurde von einzelnen Aposteln und ihren Emissären die Mission offiziell wie<strong>der</strong> aufgenommen. Aber s<strong>ch</strong>on<br />

zwei Jahre vorher 1841 hatte <strong>der</strong> Evangelist Caird, ein früherer S<strong>ch</strong>nei<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Witwer <strong>der</strong> ersten 1840<br />

gestorbenen Zungenrednerin M. Campbell, den <strong>der</strong> Apostel für Süddeuts<strong>ch</strong>land wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> seiner Zeit<br />

zurückgelassen, in Bayern angefangen Propaganda zu ma<strong>ch</strong>en. Ni<strong>ch</strong>t mit offener Predigt ihrer Lehre son<strong>der</strong>n<br />

heimli<strong>ch</strong> unter Berufung auf Josua und Caleb, das ist no<strong>ch</strong> heute die Weise <strong>der</strong> Irvingianis<strong>ch</strong>en Sendlinge,<br />

s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en sie si<strong>ch</strong> ein, um auf Umwegen die Seelen zu gewinnen und ohne etwa den <strong>Aus</strong>tritt aus <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> o<strong>der</strong><br />

die Nie<strong>der</strong>legung eines kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Amtes zu for<strong>der</strong>n, ihre Profelyten glei<strong>ch</strong>wohl ihrer Son<strong>der</strong>gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

zuzuführen. Da sie die konfessionelle Vers<strong>ch</strong>iedenheit <strong>der</strong> "<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nabteilungen" überbrücken wollen, nehmen<br />

sie dabei, je na<strong>ch</strong> Bedürfnis, katholis<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>e Haltung an. So s<strong>ch</strong>on jener Caird, dem es gelang, in<br />

<strong>der</strong> Diözese Augsburg seit 1844 einige ernst gesinnte katholis<strong>ch</strong>e Geistli<strong>ch</strong>e zu gewinnen, die teilweise s<strong>ch</strong>on<br />

vers<strong>ch</strong>iedene religiöse Phasen dur<strong>ch</strong>gema<strong>ch</strong>t hatten, wie den lange zwis<strong>ch</strong>en Katholizismus und Protestantismus<br />

hin- und hers<strong>ch</strong>wankenden, dann als S<strong>ch</strong>riftsteller <strong>der</strong> Sekte angesehenen Dekan Georg Lutz (er s<strong>ch</strong>rieb u.a. über<br />

den Rats<strong>ch</strong>luss Gottes mit <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>heit und <strong>der</strong> Erde 1847, 3. Aufl. gemeinsam mit William Caird, Augsburg<br />

1879. Über ihn Thalhofer, Beiträge zu einer <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> des Aftermystizismus, Regensburg 1857 und L. W.<br />

S<strong>ch</strong>oller [Irvingianer] <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es aus dem deuts<strong>ch</strong>en Süden. Mitteilungen aus dem Leben von J.E.G.<br />

Lutz, Basel 1891), dann den Domvikar Spindler (vgl. Spindler, Aktenm. Darstellung d. offiz. Verh. über die<br />

Glaubensansi<strong>ch</strong>ten in betr. d. sog. Irvingianismus, Kaufbeuren 1857), und Augsburg, viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> heute die<br />

grösste süddeuts<strong>ch</strong>e Gemeinde, dann Basel wurden die Zentren <strong>der</strong> Propaganda im deuts<strong>ch</strong>en Süden, wobei<br />

bemerkt zu werden verdient, dass ausser im ersten Anfange die Sekte innerhalb des Katholizismus nirgends<br />

nennenswerte Erfolge erzielt hat. Das grösste Aufsehen ma<strong>ch</strong>te es aber, als <strong>der</strong> damalige Erlanger Privatdozent,<br />

<strong>der</strong> spätere Marburger Professor <strong>der</strong> Theologie Heinri<strong>ch</strong> Thiers<strong>ch</strong> (s.d.A.) si<strong>ch</strong> gewinnen liess und damit ni<strong>ch</strong>t<br />

wenige mit si<strong>ch</strong> fortriss. Ihm folgte u.a. <strong>der</strong> Marburger Privatdozent <strong>der</strong> Theologie Rossteus<strong>ch</strong>er und <strong>der</strong> lelehrte<br />

Botaniker Wigand.<br />

Weit grösseren Eifer entwickelte übrigens <strong>der</strong> Apostel für Norddeuts<strong>ch</strong>land, <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>otte Thomas<br />

Carlyle, ein früherer Advokat (von ihm ers<strong>ch</strong>ien u.a. anonym "Das apostolis<strong>ch</strong>e Amt, Berlin 1850; Blicke eines<br />

Englän<strong>der</strong>s in die kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und sozialen Zustände Deuts<strong>ch</strong>lands, deuts<strong>ch</strong>. Breslau 1870") und sein Evangelist<br />

Ch. Böhm, <strong>der</strong> neben vielen an<strong>der</strong>en Traktaten in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e über das Ganze des Irvingianismus eine Art<br />

Dogmatik ges<strong>ch</strong>rieben hat u.d.T. "S<strong>ch</strong>atten und Li<strong>ch</strong>t in dem gegenwärtigen Zustande <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> u.s.w., 2.Aufl.,<br />

Basel 1878". Dur<strong>ch</strong> sie wurden u.a. in Berlin zwei evangelis<strong>ch</strong>e Geistli<strong>ch</strong>e, <strong>der</strong> Pastor Köppen von <strong>der</strong> Bethlehemsgemeinde<br />

und C. Rothe bekehrt, und was fast no<strong>ch</strong> grösseres Aufsehen ma<strong>ch</strong>te, <strong>der</strong> Kreuzzeitungsredakteur<br />

Quellenmaterial Seite 14


Wagner. In Berlin wurde 1848 <strong>der</strong> erste Gottesdienst eröffnet. Von ähnli<strong>ch</strong>en Erfolgen hörte man bald in<br />

Königsberg und Hamburg, namentli<strong>ch</strong> waren es in Deuts<strong>ch</strong>land die Kreise <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Positiven und politis<strong>ch</strong><br />

Ho<strong>ch</strong>konservativen, die angesi<strong>ch</strong>ts <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ier trostlos aussehenden kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und politis<strong>ch</strong>en Lage und des<br />

drohenden allgemeinen Umsturzes (vgl. dazu Köstlin in Gelzers prot. Monatsbl. IX, Bd 1857, S. 262 f, S. 269 f,<br />

und Th. Kolde, N. kir<strong>ch</strong>l. Zeits<strong>ch</strong>r. XI, S. 193 ff) in ihrem Hunger na<strong>ch</strong> einer vermeintli<strong>ch</strong> völlige Si<strong>ch</strong>erheit<br />

gebenden Autorität diese bei den neuen Aposteln zu finden hofften, und es wurde natürli<strong>ch</strong> für die Propaganda<br />

sehr bedeutsam, dass vers<strong>ch</strong>iedene Adelige u.a. Max v. Po<strong>ch</strong>hammer, B. von Ri<strong>ch</strong>thofen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur <strong>der</strong><br />

Bewegung ans<strong>ch</strong>lossen, son<strong>der</strong>n si<strong>ch</strong> und ihre Mittel in ihren Dienst stellten und ni<strong>ch</strong>t wenige Standesgenossen<br />

herüberzogen. So kam es, dass ein Netz kleiner Gemeinden si<strong>ch</strong> über ganz Deuts<strong>ch</strong>land ausbreitete, während <strong>der</strong><br />

Erfolg in den übrigen Län<strong>der</strong>n ausser in Holland, wo später (1865) namentli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Übertritt des Dr. Isaak<br />

Capadote, eines frommen Mannes, <strong>der</strong> ein hohes Amt im Kolonialministerium bekleidete, viel von si<strong>ch</strong> reden<br />

ma<strong>ch</strong>te, ein kaum nennenswerter war. Da erregte es ni<strong>ch</strong>t geringe Besorgnis, dass ni<strong>ch</strong>t nur <strong>der</strong> neue Termin, den<br />

man für das Kommen des Herrn in <strong>Aus</strong>si<strong>ch</strong>t gestellt hatte, Juli 1855 vorüberging, son<strong>der</strong>n gegen alle bestimmt<br />

ausgespro<strong>ch</strong>ene Erwartung die Apostel starben wie an<strong>der</strong>e Mens<strong>ch</strong>en. So starben 1855 Mackenzie, Carlyle und<br />

W. Dow. Man<strong>ch</strong>e fielen darüber ab. Die Mehrzahl wurde jedo<strong>ch</strong> festgehalten und es wirkte beruhigend, als die<br />

Prophetie eine Auferstehung vor <strong>der</strong> "ersten" Offenb 20,5 erwähnten, ni<strong>ch</strong>t aller Heiligen, aber einer erwählten<br />

Anzahl verkündete, unter ihnen <strong>der</strong> Apostel, so dass sie do<strong>ch</strong> als Lebende dem Herrn entgegen gehen könnten<br />

(vgl. Köhler S. 131). Um <strong>der</strong> Sorge entgegenzutreten, was na<strong>ch</strong> dem Tode <strong>der</strong> Apostel aus den vielen werden<br />

würde, die ni<strong>ch</strong>t versiegelt worden wären, – und die Versiegelung war bis dorthin nur an verhältnismässig sehr<br />

wenigen vollzogen worden, entwickelte si<strong>ch</strong> auf Grund prophetis<strong>ch</strong>er <strong>Aus</strong>legung die Idee, dass die Apostel au<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong> ihrem Abs<strong>ch</strong>eiden ni<strong>ch</strong>t müssig seien und an den Gläubigen die Versiegelung im Paradiese na<strong>ch</strong>holen<br />

würden, eine Theorie, die später (na<strong>ch</strong> Miller I, 193) wie<strong>der</strong> aufgegeben worden sein soll. Jedenfalls genügte sie,<br />

als die immer wie<strong>der</strong> für bestimmte Zeiten angekündigte "Krisis" ni<strong>ch</strong>t eintrat, und weitere Apostel starben<br />

(Perceval 1859, Drummond 1860, Tudor 1863, Sittwill 1866), 1862 war au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Säulenprophet Taplin<br />

gestorben – längst ni<strong>ch</strong>t allen, und s<strong>ch</strong>on im Jahre 1860 rief bei einer Versammlung des Apostelkollegs in<br />

Albury <strong>der</strong> Prophet Heinri<strong>ch</strong> Geyer (vgl. Köhler S. 132 f. na<strong>ch</strong> Miller I, 315 wäre es, was unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ist,<br />

Taplin gewesen) "in the power" die früher erwähnten Charles Böhm und Caird zu Aposteln aus, wurde aber<br />

dahin belehrt, dass es si<strong>ch</strong> nur um Koadjutor-Apostel handeln könne. Als sol<strong>ch</strong>e, also ni<strong>ch</strong>t als Ersatz für die<br />

Verstorbenen, son<strong>der</strong>n als Unterstützung für die Lebenden, wurden die beiden anerkannt, und was hier soglei<strong>ch</strong><br />

bemerkt sein soll, am 12. Januar 1870 wie<strong>der</strong>um auf prophetis<strong>ch</strong>e Anordnung neue Koadjutoren berufen. Aber<br />

Geyer war davon ni<strong>ch</strong>t überzeugt und verkündete, als er das Jahr darauf im August 1861 mit dem Apostel<br />

Woodhouse in Königsberg war, dem dortigen Ältesten Rogasatzki, dass <strong>der</strong> Herr diesen als Apostel berufen.<br />

Dieser liess si<strong>ch</strong> überzeugen, au<strong>ch</strong> davon, dass diese Berufung einstweilen no<strong>ch</strong> geheim zu halten sei. Ni<strong>ch</strong>t also<br />

deshalb, son<strong>der</strong>n weil er die Lehre, dass die Versiegelten vor dem Ers<strong>ch</strong>einen des Anti<strong>ch</strong>rists entrückt werden<br />

würden, leugnete, wurde er 1862 exkommuniziert. Jetzt, na<strong>ch</strong>dem er auf den Hilfsengel S<strong>ch</strong>wartz von <strong>der</strong><br />

Hamburger Gemeinde zur Anerkennung <strong>der</strong> Berufung Rogasatzkis bewogen hatte, offenbarte er dieselbe. Und<br />

obwohl <strong>der</strong> neue Apostel bald reuig Busse tat und jene Berufung als eine teuflis<strong>ch</strong>e bezei<strong>ch</strong>nete, kam es zum<br />

S<strong>ch</strong>isma. Geyer wurde Anfang 1863 in Hamburg dur<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wartz zum Apostel ausgerufen, zehn Monate<br />

später dieser selbst mit <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Bestimmung für Holland, worauf er seinen Wohnsitz in Amsterdam<br />

nahm. Die drei damals no<strong>ch</strong> lebenden englis<strong>ch</strong>en Apostel wollte man anerkennen, hielt aber für notwendig, das<br />

Apostelkollegium auf die Zwölfzahl zu ergänzen, weshalb man na<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> in Hamburg se<strong>ch</strong>s und drei in<br />

Amsterdam berief. (So <strong>der</strong> Stand um 1875). Darüber kam es natürli<strong>ch</strong> zu heftiger Befehdung bei<strong>der</strong> Parteien, die<br />

si<strong>ch</strong> gegenseitig Verrat und Betrug vorwarfen.<br />

Im englis<strong>ch</strong>en Irvingianismus trat mit dem Tode Taplins die Prophetie als konstitutives Element immer<br />

mehr zurück. Von Bedeutung war sie freili<strong>ch</strong> längst nur dann gewesen, wenn man sie gerade brau<strong>ch</strong>te.<br />

[Anmerkung: Das gibt sehr zu denken!] Die Vorgänge mit Geyer und S<strong>ch</strong>wartz und was ihnen folgte, zeigten,<br />

wie gefährli<strong>ch</strong> sie werden konnte. Cardale gab ihr dann im Jahre 1868 den Todesstoss, indem in seinem Traktat<br />

Prophesying and the Ministry of the Prophet in the Christian Chur<strong>ch</strong> den Propheten <strong>der</strong> Einzelgemeinde dem<br />

Engel unterordnete (vgl. die interessante Begründung bei Miller I, 303). Seitdem ist das "Weissagen" mehr nur<br />

eine Dekoration des Gottesdienstes, zumeist warnende <strong>Aus</strong>rufe ohne irgendwel<strong>ch</strong>e Bedeutung. Mit Bestimmtheit<br />

hatte man auf das Jahr 1866 gehofft, dann wurde auf den 14. Juli 1877 [2x7. 7. 1877; Zahlenmagie?]<br />

hingewiesen, an dem 42 Jahre [6x7 Jahre; Zahlenmagie?] na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung verflossen wären. Aber was<br />

allein ges<strong>ch</strong>ah, war, dass vier Tage später am 18. Juli <strong>der</strong> Säulenapostel Cardale starb. Und da Dalton s<strong>ch</strong>on<br />

1871 gestorben, Armstrong hoffnungslos gelähmt war, verkörperte si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Apostolat in Woodhouse und<br />

klammerte si<strong>ch</strong> bei vielen die Hoffnung daran, dass mit ihm <strong>der</strong> Apostolat erhalten bleiben würde, bis <strong>der</strong> Herr<br />

komme. Aber au<strong>ch</strong> wenn Woodhouse, <strong>der</strong> seit langem ein alterss<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>er Greis jetzt (Oktober 1900), beinahe<br />

96 Jahre alt, in völliger Zurückgezogenheit in <strong>der</strong> Apostelwohnung in Albury vegetiert, gestorben sein wird, ist<br />

ein vollständiger Zusammenbru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Sekte ni<strong>ch</strong>t zu erwarten. Mit merkwürdiger Versatilität [= Bewegli<strong>ch</strong>keit;<br />

Wandelbarkeit] haben die Führer es immer verstanden, si<strong>ch</strong> mit den Tatsa<strong>ch</strong>en abzufinden und<br />

ihre Gläubigen mit neuen Hoffnungen zu erfüllen. S<strong>ch</strong>on Ende <strong>der</strong> siebziger Jahre fing man an, die Gemüter<br />

Quellenmaterial Seite 15


für eine neue Entwicklungsreihe vorzubereiten, indem man daran erinnerte, dass <strong>der</strong> Herr na<strong>ch</strong> den 12<br />

Aposteln no<strong>ch</strong> 70 Jünger ausgesandt habe. Warum sollte er jetzt ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> 70 Koadjutoren aussenden?<br />

[Anmerkung: Spiel mit dem Glauben vertrauen<strong>der</strong> Seelen?] Um diesen Gedanken populär zu ma<strong>ch</strong>en, an<strong>der</strong>s<br />

kann man es s<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong> auffassen, begannen um jene Zeit die Propheten <strong>der</strong> Gesamtkir<strong>ch</strong>e in London ihre<br />

<strong>Aus</strong>lassungen ni<strong>ch</strong>t mehr mit <strong>der</strong> früheren Anrede "O ihr Zwölfe", son<strong>der</strong>n "O ihr Zwölfe und ihr siebzig". Ob<br />

man wirkli<strong>ch</strong> zu diesem <strong>Aus</strong>kunftsmittel gegriffen hat o<strong>der</strong> no<strong>ch</strong> greifen will, ist, da die Geheimniskrämerei<br />

immer grösser geworden ist, bisher ni<strong>ch</strong>t bekannt geworden. Sollte es so sein, dann hat man, bis die 70 alle<br />

gestorben sind, no<strong>ch</strong> eine lange Zeit vor si<strong>ch</strong>, in <strong>der</strong> die Propheten wohl Rat s<strong>ch</strong>affen werden (Miller I, 316).<br />

Was die <strong>Aus</strong>breitung anlangt, so fehlen darüber alle offiziellen Angaben, und au<strong>ch</strong> bei offiziellen<br />

Religionsstatistiken hat bekanntermassen nur ein kleiner Teil <strong>der</strong> Irvingianer ihre Zugehörigkeit zur apostolis<strong>ch</strong>katholis<strong>ch</strong>en<br />

Gemeinde angegeben, weil sie keine selbstständige Gesells<strong>ch</strong>aft, son<strong>der</strong>n die <strong>Aus</strong>erwählten aus<br />

allen Gemeins<strong>ch</strong>aften sein wollen und darum von ihren Angehörigen for<strong>der</strong>n, so lange als irgend mögli<strong>ch</strong>, in<br />

ihrer bisherigen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngemeins<strong>ch</strong>aft zu bleiben. Si<strong>ch</strong>er ist, dass im englis<strong>ch</strong>en Mutterlande <strong>der</strong> Bewegung<br />

kaum no<strong>ch</strong> eine Bedeutung zukommt. Der anglikanis<strong>ch</strong>e Geistli<strong>ch</strong>e Dr. Maurice Davies weiss in seinem Werke<br />

Unorthodox London (1875), von <strong>der</strong> Pra<strong>ch</strong>t des Gottesdienstes in den sieben meist ansehnli<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n<br />

Londons zu beri<strong>ch</strong>ten, und dass in <strong>der</strong> grossen Hauptkir<strong>ch</strong>e in Gordon Square im Sonntagsgottesdienste nahezu<br />

fünfzig Geistli<strong>ch</strong>e zu glei<strong>ch</strong>er Zeit ministrieren, wie in den tägli<strong>ch</strong>en Früh- und Abendgottesdiensten in <strong>der</strong><br />

Regel bis 14 Geistli<strong>ch</strong>e, dass aber in den letzteren Gottesdiensten si<strong>ch</strong> oft nur gegen 20 Gemeindeglie<strong>der</strong><br />

zusammenfanden (Ev. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzeitung 1876 Nr. 21, S. 268). Miller a.a.O. nahm 1878 für London ca. 3000<br />

Mitglie<strong>der</strong>, für das übrige England ca. 1700 mit im ganzen 37 selbstständigen Gemeinden, für S<strong>ch</strong>ottland 800,<br />

für Irland 200, für England und die englis<strong>ch</strong>en Kolonien 1500, was aber ledigli<strong>ch</strong> auf S<strong>ch</strong>ätzung beruht. Der<br />

Erfolg <strong>der</strong> Propaganda in den romanis<strong>ch</strong>en Län<strong>der</strong>n war immer ein minimaler. Das Hauptkontingent stellte no<strong>ch</strong><br />

immer Deuts<strong>ch</strong>land, und ist die Meinung, dass, weil man weniger als früher davon hört, die Sekte hier au<strong>ch</strong> im<br />

Nie<strong>der</strong>gang begriffen wäre, eine dur<strong>ch</strong>aus irrige. Die Behauptung, dass, weil viellei<strong>ch</strong>t weniger als ri<strong>ch</strong>tig ist von<br />

<strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Hoffnung gepredigt wird, <strong>der</strong> Gemeinde dieses angebli<strong>ch</strong>e wi<strong>ch</strong>tigste Lehrstück vorenthalten<br />

wird, wirbt no<strong>ch</strong> immer Gläubige für die apokalyptis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wärmereien, ebenso übt die Pra<strong>ch</strong>t des<br />

Gottesdienstes, wie die Mögli<strong>ch</strong>keit, selbsttätig dabei mitzuwirken, auf viele die alte Anziehungskraft. In<br />

Preussen allein zählte man, – wobei das früher über Ungenauigkeit <strong>der</strong> betreffenden Angaben gesagte mit in<br />

Betra<strong>ch</strong>t zu ziehen ist – 1890: 16'081 und 1895 22'610 Irvingianer, davon im Stadtkreis Berlin 3073, in <strong>der</strong><br />

Provinz Brandenburg 3538, in Pommern 3125, in den Rheinlanden 1384 (vgl. Statistis<strong>ch</strong>es Handbu<strong>ch</strong> für den<br />

preussis<strong>ch</strong>en Staat Bd III, Berlin 1898, S. 419). Eine erhebli<strong>ch</strong>e Zunahme lässt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in Bayern und<br />

namentli<strong>ch</strong> in Sa<strong>ch</strong>sen, wo Chemnitz ein Hauptsitz ist, konstatieren.<br />

Unglei<strong>ch</strong> zahlrei<strong>ch</strong>er als die englis<strong>ch</strong>en Irvingianer dürften aber wie in Holland so in Deuts<strong>ch</strong>land die<br />

"neuen Irvingianer" sein, die in jenen Zahlen, soweit sie überhaupt gezählt sind, miteinbegriffen sein werden,<br />

denn das S<strong>ch</strong>isma dauert ni<strong>ch</strong>t nur fort, son<strong>der</strong>n die deuts<strong>ch</strong>-holländis<strong>ch</strong>en Dissidenten haben immer mehr an<br />

Boden gewonnen. Mit völliger Klarheit lässt si<strong>ch</strong> ihre Entwicklung und ihre Eigenart bis jetzt ni<strong>ch</strong>t fixieren,<br />

do<strong>ch</strong> lässt si<strong>ch</strong> immerhin einiges feststellen. Die Loslösung von England hat im Laufe <strong>der</strong> Zeit bei<br />

ents<strong>ch</strong>iedenem Festhalten an den apokalyptis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wärmereien, die unter dem Einfluss <strong>der</strong> meist ganz<br />

ungebildeten Führer zu immer massiveren Vorstellungen si<strong>ch</strong> ausgebildet haben, zur Aufgabe des Katholisierenden<br />

in Kultus und zur Anpassung an deuts<strong>ch</strong>e Verhältnisse geführt. Apostel, Propheten und sonstige<br />

Geistli<strong>ch</strong>e ers<strong>ch</strong>einen in gewöhnli<strong>ch</strong>er Tra<strong>ch</strong>t, an Stelle des Altars findet man in den Versammlungs-lokalen<br />

einen einfa<strong>ch</strong>en Tis<strong>ch</strong>. Dazu kommt ein gewisser methodistis<strong>ch</strong>er Zug. Bildet au<strong>ch</strong> das Weissagen, au<strong>ch</strong> aus den<br />

Reihen <strong>der</strong> Gläubigen, ein stehendes Stück des Gottesdienstes, so tritt do<strong>ch</strong> das anbetende Moment zurück und<br />

ist die Bekehrung dur<strong>ch</strong> die Predigt und die Prophetie und die Sammlung <strong>der</strong> Gläubigen angesi<strong>ch</strong>ts des nahen<br />

Kommens des Herrn die Hauptaufgabe. Ebendaselb tritt au<strong>ch</strong> hier und da die Sekte unter dem Namen apostol.<br />

Missionsgemeinde ("Apostolis<strong>ch</strong>e Mission" au<strong>ch</strong> "allgemeine <strong>ch</strong>ristl.-apostolis<strong>ch</strong>e Mission") auf, während ihr<br />

gewöhnli<strong>ch</strong>er Name "Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde" ist, ubd sie die "englis<strong>ch</strong>e Partei" gewöhnli<strong>ch</strong> als die sogenannten<br />

Irvingianer bezei<strong>ch</strong>net. Während bei Beginn des S<strong>ch</strong>ismas die Berufung neuer Apostel mit <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> Zwölfzahl begründet wurde, wird die Behauptung, dass es "zwölf" sein müssten, jetzt als Bu<strong>ch</strong>stabendienst<br />

bezei<strong>ch</strong>net und nur die Notwendigkeit des Fortbestehens des apostolis<strong>ch</strong>en Amts betont, wogegen die Zahl <strong>der</strong><br />

Apostel si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> den Bedürfnisse ri<strong>ch</strong>ten müsse, und augenblickli<strong>ch</strong> (Oktober 1900) fungieren 14 als Apostel.<br />

Ebenso wird erklärt, dass neben den vier resp. fünf vom Apostel Paulus an den bekannten Stellen aufgezählten<br />

Ämtern au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e erri<strong>ch</strong>tet werden könnten, was mit dem für die Propaganda sehr wi<strong>ch</strong>tigen, dem<br />

Methodismus abgelernten Streben zusammenhängt, mögli<strong>ch</strong>st viele in den unmittelbaren Gemeindedienst<br />

hineinzuziehen. Die Lehre von <strong>der</strong> Unfehlbarkeit <strong>der</strong> Apostel, die sie den Englän<strong>der</strong>n zus<strong>ch</strong>reiben, wird<br />

verworfen, ebenso, dass die Gläubigen vor dem letzten Kampfe entrückt würden. Grosser Wert wird auf die<br />

Versiegelung dur<strong>ch</strong> die Apostel gelegt, und dürfte die Hauptspezialität dieser neuen Irvingianer die sein, dass sie<br />

au<strong>ch</strong> die Verstorbenen und zwar oft grosse Massen versiegeln. Wel<strong>ch</strong>es die Bedingungen sind und wel<strong>ch</strong>e<br />

Zeremonien dabei angewendet werden, habe i<strong>ch</strong> bisher ni<strong>ch</strong>t feststellen können. Ihre Propaganda ist eine sehr<br />

rührige und ihr Erfolg allerdings im Gegensatz zu den englis<strong>ch</strong>en Irvingianern in den unteren Volkss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten,<br />

Quellenmaterial Seite 16


aus denen au<strong>ch</strong> sämtli<strong>ch</strong>e jetzt fungierenden Apostel zu stammen s<strong>ch</strong>einen, ist in den letzten Jahren ein<br />

auffallend grosser. Ihre Gemeinden und Missionsstationen, <strong>der</strong>en Zentralsitze Brauns<strong>ch</strong>weig, Hamburg, Berlin,<br />

Königsberg sind, breiten si<strong>ch</strong> zur Zeit über ganz Deuts<strong>ch</strong>land aus und die fortwährend auf Reisen befindli<strong>ch</strong>en<br />

Apostel versiegeln na<strong>ch</strong> den offiziellen Beri<strong>ch</strong>ten jeden Monat Hun<strong>der</strong>te von Gläubigen. <strong>Aus</strong>ser in Holland<br />

findet man sie, abgesehen von Deuts<strong>ch</strong>land, neuerdings au<strong>ch</strong> zahlrei<strong>ch</strong> in Nord- und Südamerika (Buenos-Ayres)<br />

und in <strong>Aus</strong>tralien, und na<strong>ch</strong>dem es ihnen im Jahre 1899 gelungen, einen eingeborenen Missionar Sadra<strong>ch</strong> auf<br />

Java zu bekehren, sollen ihrer Behauptung zufolge in kurzer Zeit dort 15'000 (!) Eingeborene dur<strong>ch</strong><br />

Versiegelung aufgenommen worden sein. Ihr Organ war vom Oktober 1887 – 1888 (Früheres ist mir ni<strong>ch</strong>t<br />

bekannt geworden) das von H. Geyer in Hamburg redigierte Monatsblatt "Der Prediger in <strong>der</strong> Wüste". Dann<br />

ers<strong>ch</strong>ienen au<strong>ch</strong> in Hamburg vom 1. Januar 1891 an an<strong>der</strong>thalb Jahrgänge eines Monatsblattes unter dem Titel:<br />

"Blitze, Donner und Stimmen. Zeugnisse <strong>der</strong> Wahrheit an das <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Volk." Jetzt ist das Hauptorgan die im<br />

Verlag von H. Bornemann in Iserlohn ers<strong>ch</strong>einende und von dem Apostel Fr. Krebs, einem früheren<br />

Bahnmeister, heute dem eigentli<strong>ch</strong>en Führer <strong>der</strong> Sekte, redigierte Monatss<strong>ch</strong>rift "Wä<strong>ch</strong>terstimmen aus Ephraim"<br />

mit <strong>der</strong> Beilage "Der Herold". In dem letzteren finden si<strong>ch</strong> die regelmässigen Beri<strong>ch</strong>te über die Reisen <strong>der</strong><br />

Apostel und ihre Erfolge mit den Zahlen <strong>der</strong> von ihnen Versiegelten.<br />

Th. Kolde<br />

Realencyklopädie<br />

für protestantis<strong>ch</strong>e<br />

Theologie und <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

Begründet von J. J. Herzog<br />

In dritter verbesserter und vermehrter Auflage<br />

unter Mitwirkung<br />

vieler Theologen und an<strong>der</strong>er Gelehrten<br />

herausgegeben<br />

von<br />

D. Albert Hauck<br />

Professor in Leipzig<br />

A<strong>ch</strong>tzehnter Band<br />

S<strong>ch</strong>waba<strong>ch</strong>er Artikel – Stephan II.<br />

Leipzig<br />

J. C. Hinri<strong>ch</strong>s's<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong>handlung<br />

1906<br />

<strong>Sekten</strong>wesen in Deuts<strong>ch</strong>land. – Literatur:<br />

Allgem. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt, bes. in den Jahrgängen 1853, 1855, 1884, 1885 (Verhandlungen <strong>der</strong> Eisena<strong>ch</strong>er<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nkonferenz über die <strong>Sekten</strong>frage);<br />

Herm. S<strong>ch</strong>midt, Die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Ihre biblis<strong>ch</strong>e Idee und die Formen ihrer ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tl. Ers<strong>ch</strong>einung,<br />

Leipzig 1884, bes. S. 189 ff.;<br />

W. Rohnert, <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n und <strong>Sekten</strong>, Leipzig 1900;<br />

Palmer, Die Gemeins<strong>ch</strong>aften und <strong>Sekten</strong> Württembergs, Tübingen 1877;<br />

Dresba<strong>ch</strong>, Die prot. <strong>Sekten</strong> <strong>der</strong> Gegenwart, Barmen 1888;<br />

E. Kalb, <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n und <strong>Sekten</strong> <strong>der</strong> Gegenwart, Stuttagrt 1905, bes. S. 519 ff.;<br />

Art. "<strong>Sekten</strong>" im Calwer Theol. Handwörterbu<strong>ch</strong> Bd. II, 690 v. Th. Hermann.<br />

E.F. Ko<strong>ch</strong>, Allgem. Landre<strong>ch</strong>t, IV, 162 ff.;<br />

H.F. Jacobson, Über die religiösen Re<strong>ch</strong>tsverhältnisse <strong>der</strong> Dissidenten in Preussen, in<br />

ZKR I, 392 ff.; <strong>der</strong>s., Ev. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nre<strong>ch</strong>t des Preuss. Staates, Halle 1864, I, 124 f.; 132 ff.;<br />

v. Rönne, Staatsre<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> preuss. Monar<strong>ch</strong>ie, II, 2, 151 ff.;<br />

Ri<strong>ch</strong>ter-Dove-Kahl, <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nre<strong>ch</strong>t, S. 318 ff.<br />

Zur Statistik: P. Pieper, Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Statistik Deuts<strong>ch</strong>lands, Freiburg 1899, S. 90 ff.;<br />

H.A. Krose, Konfessionsstatistik Deuts<strong>ch</strong>lands, Freiburg 1904, S. 3 ff.;<br />

Quellenmaterial Seite 17


v. Hirs<strong>ch</strong>feld, <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> und Statistik des Dissidententums im preuss. Staate, in Zeits<strong>ch</strong>r. des kgl.<br />

preuss. stat. Bureaus III (1863) und IV (1864).<br />

Ni<strong>ch</strong>t um die Entstehung, ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Entwicklung und Eigentümli<strong>ch</strong>keit in Lehre und Verfassung <strong>der</strong><br />

vers<strong>ch</strong>iedenen <strong>Sekten</strong> soll es si<strong>ch</strong> in diesem Artikel handeln. Wer darüber Aufs<strong>ch</strong>luss su<strong>ch</strong>t, findet in den<br />

speziellen Artikeln das Erfor<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>e. Hier handelt es si<strong>ch</strong> um das <strong>Sekten</strong>wesen als Ganzes, indem versu<strong>ch</strong>t<br />

werden soll, über den Begriff "Sekte", über die allgemeinen Entstehungsgründe für dieselben, über die Stellung<br />

<strong>der</strong> staatli<strong>ch</strong>en Gesetzgebung zu ihnen und über die Mittel einer Gegenwirkung gegen sie von seiten <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n<br />

zu handeln.<br />

1. Wir beginnen mit kurzen Bemerkungen über die Etymologie des Wortes "Sekte". Die Lexikographen<br />

leiten das Wort entwe<strong>der</strong> von sequor o<strong>der</strong> von seco ab, aber von seco nur, insofern seco = sequor ist. In <strong>der</strong><br />

klassis<strong>ch</strong>en Latinität bedeutet es die Denk- und Handlungsweise o<strong>der</strong> die Lebensweise, dann speziell entwe<strong>der</strong><br />

die politis<strong>ch</strong>e Partei, <strong>der</strong> man angehört, o<strong>der</strong> die philosophis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>ule und Ri<strong>ch</strong>tung, <strong>der</strong> man si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>liesst.<br />

Die Vulgata gebrau<strong>ch</strong>t das Wort zur Übersetzung von [hier ein Wort in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] AG 24,5<br />

[hier vier Worte in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en]; 26, 5 (Partei <strong>der</strong> Pharisäer); 28, 22 [hier drei Worte in grie<strong>ch</strong>.<br />

S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] als Bezei<strong>ch</strong>nung des Christentums in jüdis<strong>ch</strong>em Munde); AG 24, 14 wird [hier se<strong>ch</strong>s Worte in<br />

grie<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] übersetzt: secundum sectam quam dicunt haeresim. An diesen Stellen bezei<strong>ch</strong>net es<br />

einfa<strong>ch</strong> die religiöse Ri<strong>ch</strong>tung, die jemand erwählt hat. Etwas an<strong>der</strong>s wird <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> in den Briefen des<br />

Neuen Testaments. Da bezei<strong>ch</strong>net es in tadelndem Sinne die Rottenbildung innerhalb <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Gemeinde.<br />

So werden Ga 5,20 unter den Werken des Fleis<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong> [hier ein Wort in grie<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en], sectae<br />

genannt, hier engstens verbunden mit rixae und dissensiones; ferner 2 Pt 2,1: die Pseudopropheten [hier drei<br />

Worte in grie<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en], sectas perditionis. An diesen Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> des NTs hat si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Gebrau<strong>ch</strong> des Wortes anges<strong>ch</strong>lossen; vgl. bei August. contra Faust. Mani<strong>ch</strong>. XX. 3: "secta est longe alia<br />

opinantem quam ceteri, alio etiam sibi ac longe dissimili ritu divinitatis instituisse culturam." Die kath. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

hat jedo<strong>ch</strong> von dem Worte secta ni<strong>ch</strong>t viel Gebrau<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t. Ihr <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nre<strong>ch</strong>t behält das grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Wort<br />

haeresis, haeretici bei und unters<strong>ch</strong>eidet bei Trennungen, die si<strong>ch</strong> von <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> abson<strong>der</strong>n, die beiden<br />

Kategorien <strong>der</strong> haeretici, die si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Lehrautorität <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> entzogen und neue Lehre aufgebra<strong>ch</strong>t haben, und<br />

<strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ismatici, die si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Hierar<strong>ch</strong>ie ni<strong>ch</strong>t unterordnen: "haeresis perversum dogma habet,<br />

s<strong>ch</strong>isma propter episcopalem dissensionen ab ecclesia pariter separat" c. 26 C. 24 q 3 (na<strong>ch</strong> Hieronymus). Die<br />

mittelalterli<strong>ch</strong>e deuts<strong>ch</strong>e Bibel übersetzte [hier ein Wort in grie<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] an den angezogenen<br />

Bibelstellen mit "irrtum" o<strong>der</strong> "ketzerei", o<strong>der</strong> in AG 26, 5 mit "orden"; nur in 24, 14 haben einzelne <strong>Aus</strong>gaben:<br />

"na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> sect, die sie heissen eine ketzerei". Luther dagegen behielt in seiner Bibel das Wort bei: als<br />

Bezei<strong>ch</strong>nung <strong>der</strong> Christen in AG 24, 5: "Sekte <strong>der</strong> Nazarener", 24, 14: "dieser Weg, den sie eine Sekte heissen";<br />

28, 22: "von dieser Sekte ist uns kund, dass ihr wird an allen Enden wi<strong>der</strong>spro<strong>ch</strong>en"; zur Bezei<strong>ch</strong>nung <strong>der</strong><br />

Pharisäer AG 15, 5 und 26, 5; <strong>der</strong> Sadduzäer 5, 17; zur Bezei<strong>ch</strong>nung endli<strong>ch</strong> von Spaltungen innerhalb <strong>der</strong><br />

Christengemeinde 2 Pt 2, 1 "ver<strong>der</strong>bli<strong>ch</strong>e <strong>Sekten</strong>"; im übrigen bediente er si<strong>ch</strong> zur Übersetzung von [hier ein<br />

Wort in grie<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] des Wortes "Rotten" Ga 5, 20: "Rotten, Hass, Mord"; in 1 Ko 11, 19: "es müssen<br />

Rotten unter eu<strong>ch</strong> sein, auf dass die, so re<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>affen sind, offenbar unter eu<strong>ch</strong> werden". Ebenso übersetzte er<br />

[hier zwei Worte in grie<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en] Ju 19 mit "die da Rotten ma<strong>ch</strong>en". Das Wörterbu<strong>ch</strong> von Josua Maaler<br />

(Pictorius) "Die Teüts<strong>ch</strong> spraa<strong>ch</strong>", Züri<strong>ch</strong> 1561, erklärt S. 369 "Seckt": "Anhang, Meinung von vielen<br />

angenommen, weyss und gestalt zeläben. Secta, Haeresis". Wenn in dieser Erklärung das Wort "Sekte" no<strong>ch</strong> in<br />

einem sehr allgemeinen Sinne na<strong>ch</strong> klassis<strong>ch</strong>em Vorbild genommen wird, so muss do<strong>ch</strong> bea<strong>ch</strong>tet werden, dass<br />

Luther im Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> seiner S<strong>ch</strong>riften das Wort wesentli<strong>ch</strong> in dem Sinne gebrau<strong>ch</strong>te, wie es in 2 Pt 2, 1<br />

gemeint ist. Er bildet die Zusammensetzung: "S<strong>ch</strong>wärmer, Rotten und <strong>Sekten</strong>" (z.B. Tis<strong>ch</strong>reden, <strong>Aus</strong>gb.<br />

Förstemann-Bindseil 3, 351), "Secten, Ketzerei und Rotten" (EA 30, 17), "Secten und S<strong>ch</strong>wirmergeister (ebd.<br />

40, 266), "Irrthumb, Rotten, Secten, Ketzerei" (ebd. 41, 20), und sieht die Eigentümli<strong>ch</strong>keit des <strong>Sekten</strong>ma<strong>ch</strong>ens<br />

darin, dass man bei Anerkennung des Evangeliums do<strong>ch</strong> zuglei<strong>ch</strong> "etwas aufri<strong>ch</strong>tet, das <strong>der</strong> Art ni<strong>ch</strong>t ist",<br />

"Nebenlehre" einführt neben <strong>der</strong> "re<strong>ch</strong>ten Lehre" (EA 52, 237). In diesem Sinne wird das Wort weiter<br />

Besitzstand des kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong>es und <strong>Aus</strong>druck für bestimmte kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Empfindungen und<br />

Urteile. Es muss nämli<strong>ch</strong> u.E. <strong>der</strong> staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e und <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>ieden werden.<br />

Staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ist <strong>der</strong> Gebrau<strong>ch</strong> des Wortes orientiert an dem Vorhandensein staatli<strong>ch</strong> anerkannter und<br />

"aufgenommener" <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n; jede religiöse Gemeins<strong>ch</strong>aft, die ni<strong>ch</strong>t zu diesen privilegierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n gehört, und<br />

neben ihnen Aufnahme o<strong>der</strong> Duldung begehrt, ist staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> eine Sekte, vgl. die Bestimmung im Westfäl.<br />

Frieden § 7: praeter religiones supra nominatas (kath., luth., ref.) nulla alia recipiatur vel toleretur. Es fehlt in <strong>der</strong><br />

Gegenwart ni<strong>ch</strong>t an Theologen, die das Wort "Sekte" nur in diesem staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Sinne zulassen wollen; so<br />

Loofs, Symbolik I (1902), S. 74: "Der Begriff <strong>der</strong> 'Sekte' steht in unlösli<strong>ch</strong>er Beziehung zu dem <strong>der</strong> Staatskir<strong>ch</strong>e<br />

und ist nur von hier aus zu erfassen"; ähnli<strong>ch</strong> Drews, Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Leben im Königrei<strong>ch</strong> Sa<strong>ch</strong>sen 1902, S. 295:<br />

"I<strong>ch</strong> acceptiere den <strong>Aus</strong>druck <strong>Sekten</strong>, insofern als darunter die ni<strong>ch</strong>t mit Korporationsre<strong>ch</strong>t versehenen, staatli<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t 'anerkannten' Religionsgemeins<strong>ch</strong>aften zu verstehen sind". Es fragt si<strong>ch</strong> aber do<strong>ch</strong>, ob ni<strong>ch</strong>t neben diesem<br />

staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Gebrau<strong>ch</strong> des Wortes ein näher definierbarer kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Gebrau<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>weisbar ist.<br />

Quellenmaterial Seite 18


Ents<strong>ch</strong>ieden zurückweisen müssen wir die Verwendung des Wortes, wie sie uns in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>rift des Amerikaners<br />

W.H.Lyon, A Study of the sects, Boston 1891, p. IV entgegentritt, <strong>der</strong> dort sagt: Das Wort Sekte sei die passende<br />

Bezei<strong>ch</strong>nung für die Teile, in wel<strong>ch</strong>e die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> geteilt o<strong>der</strong> zers<strong>ch</strong>nitten sei (dissected),<br />

daher er sämtli<strong>ch</strong>e Denominationen von <strong>der</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en und römis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> an bis zu den Mormonen hin<br />

unter den Gattungsnamen "<strong>Sekten</strong>" befasst. Dieser Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> stützt si<strong>ch</strong> auf eine fals<strong>ch</strong>e Etymologie, als<br />

wenn Sekte = Sektion wäre und auf die Bedeutung "zers<strong>ch</strong>neiden" für secare zurückgeführt werden müsste,<br />

wi<strong>der</strong>spri<strong>ch</strong>t ausserdem dem dur<strong>ch</strong> Luther unter uns verbreiteten Sinn des Wortes. Der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gebrau<strong>ch</strong> des<br />

Wortes stimmt mit dem staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>aus überein, denn es gibt für unser kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Empfinden<br />

kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aften neben und unabhängig von den staatli<strong>ch</strong> privilegierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, die wir dur<strong>ch</strong>aus<br />

ni<strong>ch</strong>t als <strong>Sekten</strong> bezei<strong>ch</strong>nen. Wir könnten uns ferner sehr wohl denken, dass das jetzt bestehende Verhältnis des<br />

Staates zu den evangelis<strong>ch</strong>en Landeskir<strong>ch</strong>en gelöst würde o<strong>der</strong> dass <strong>der</strong> Staat den Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en den<br />

anerkannten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n und <strong>Sekten</strong> staatsre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> aufhöbe, und trotzdem würde es für unser Empfinden no<strong>ch</strong><br />

Gemeins<strong>ch</strong>aften geben, die wir mit dem <strong>Sekten</strong>namen bezei<strong>ch</strong>neten. Im kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gebrau<strong>ch</strong> des Wortes liegt<br />

immer ein tadelndes Urteil bei seiner Anwendung ausgespro<strong>ch</strong>en. Es ist die Anklage darin enthalten, dass in<br />

unbere<strong>ch</strong>tigter Weise <strong>der</strong> Friede <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> dur<strong>ch</strong> Abson<strong>der</strong>ung gestört werde, und dass <strong>der</strong> Geist, <strong>der</strong> zur<br />

Abson<strong>der</strong>ung treibe, ein <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Reformation frem<strong>der</strong>, daher <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> feindli<strong>ch</strong>er, ihr entgegengesetzter<br />

sei; und zwar ist dabei die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ni<strong>ch</strong>t als Staatskir<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong> vom Staate privilegierte geda<strong>ch</strong>t, wohl aber als<br />

Volkskir<strong>ch</strong>e, die kraft ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Entwicklung die Aufgabe religiöser und sittli<strong>ch</strong>er Arbeit am Volksganzen<br />

auf si<strong>ch</strong> genommen hat. Wenn i<strong>ch</strong> re<strong>ch</strong>t sehe, wird das Urteil, dass eine Gemeins<strong>ch</strong>aft "Sekte" sei und in ihr ein<br />

"sektiereris<strong>ch</strong>er" Geist walte, wesentli<strong>ch</strong> da angewendet, wo uns, um es kurz auszudrücken, <strong>der</strong> donatistis<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbegriff als treibende Kraft entgegentritt, wo über <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, die heilige Gemeinde darzustellen, die<br />

Allgemeinheit <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zurückgestellt, die Volkskir<strong>ch</strong>e daher mehr o<strong>der</strong> weniger als ein Babel angesehen<br />

wird, von dem man si<strong>ch</strong> abson<strong>der</strong>n müsse, und das ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> Gewordene an <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gering<br />

gea<strong>ch</strong>tet wird. Die Anwendung des Urteils, dass hier "Sekte" sei, wird <strong>der</strong> einzelnen religiösen Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

gegenüber oft etwas Subjektives an si<strong>ch</strong> tragen, in man<strong>ch</strong>en Fällen wird unser Urteil s<strong>ch</strong>wanken; aber es erhellt<br />

au<strong>ch</strong> von hier aus, wie wir dazu kommen, au<strong>ch</strong> einzelne Mitglie<strong>der</strong> unserer Landeskir<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> ihrer Sinnesart<br />

und den Tendenzen, die sie verfolgen, als "Sektierer" zu bezei<strong>ch</strong>nen. Zum Verglei<strong>ch</strong> seien folgende mehr o<strong>der</strong><br />

weniger abwei<strong>ch</strong>ende Bestimmungen des Terminus "Sekte" angeführt: Eisena<strong>ch</strong>r Konferenz 1855:<br />

"Gemeins<strong>ch</strong>aften, wel<strong>ch</strong>e unter Organisierung eines ihnen eigenen Lehramtes und Regimentes, o<strong>der</strong> do<strong>ch</strong> unter<br />

Trennung vom kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Regiment und Lehramt, si<strong>ch</strong> in Bezug auf Lehre und Bekenntnis mit keiner <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong><br />

den westfälis<strong>ch</strong>en Frieden und na<strong>ch</strong>her in Deuts<strong>ch</strong>land öffentli<strong>ch</strong> anerkannten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n in Übereinstimmung<br />

befinden und si<strong>ch</strong> vom Bekenntnis dieser <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n losgesagt haben" (Allg.<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbl. 1855, S. 419 f.); Kliefoth:<br />

"Abson<strong>der</strong>ung vom <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nkörper auf Grund fals<strong>ch</strong>er Lehre" (ebd. 1884, S. 344); Palmer: "Nur eine<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft religiösen Glaubens und Lebens, die imstande ist, ein ganzes Volksleben zu dur<strong>ch</strong>dringen und<br />

eine weltges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Potenz zu werden, kann als <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> anerkannt werden, alle übrigen, die si<strong>ch</strong> um einzelne<br />

Häupter sammeln, <strong>der</strong>en abson<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>e Meinungen annehmen, die aber viel zu kleinli<strong>ch</strong> und subjektiv sind, um<br />

weltges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> und volkstümli<strong>ch</strong> zu werden, sind und bleiben <strong>Sekten</strong>" (Die Gemeins<strong>ch</strong>aften und <strong>Sekten</strong><br />

Württembergs S. 10); Rohnert: "Sekte ist eine meist kleine Religionsgesells<strong>ch</strong>aft, wel<strong>ch</strong>e bei einseitigem<br />

Herausreissen und Betonen einzelner Lehrstücke von <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>tgläubigen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> abwei<strong>ch</strong>t und si<strong>ch</strong> von ihr dur<strong>ch</strong><br />

Irrlehren abson<strong>der</strong>t, wobei fast immer das Bestreben hervortritt, eine si<strong>ch</strong>tbare Gemeinde von wahrhaft<br />

Wie<strong>der</strong>geborenen darzustellen, und eine den ökumenis<strong>ch</strong>en Charakter <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> missa<strong>ch</strong>tende Engherzigkeit<br />

und Unduldsamkeit si<strong>ch</strong> kundgibt" (<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n u. <strong>Sekten</strong>, S. 135 f.); H. S<strong>ch</strong>midt: "Unter <strong>Sekten</strong> verstehen<br />

wir sol<strong>ch</strong>e religiöse Gemeins<strong>ch</strong>aften, wel<strong>ch</strong>e im Gegensatz zur Katholicität auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Herstellung<br />

eines heiligen Volkes das Ideal sehen, das sie anstreben" (Die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> S. 192).<br />

2. Die Gemeins<strong>ch</strong>aften, die in Deuts<strong>ch</strong>land neben den evangelis<strong>ch</strong>en Volks- und Landeskir<strong>ch</strong>en existieren<br />

o<strong>der</strong> zeitweise existiert haben, zerfallen in sehr vers<strong>ch</strong>iedene Gruppen:<br />

a. Zunä<strong>ch</strong>st sind Gemeins<strong>ch</strong>aften zu nennen, die, in an<strong>der</strong>en Territorien verfolgt, hie und da Aufnahme<br />

und Zuflu<strong>ch</strong>t gefunden haben und dann in dem Gebiet, wo man sie aufnahm, ihr eigenes <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nwesen<br />

aufri<strong>ch</strong>ten durften. Hierher gehören z.B. Wallonen und Franzosen aus dem Gebiete des Calvinismus, Böhmis<strong>ch</strong>e<br />

Brü<strong>der</strong>, die na<strong>ch</strong> Polen eingewan<strong>der</strong>t waren, Waldenser in Württemberg. Hierher gehören vor allem au<strong>ch</strong> die<br />

Mennoniten (Taufgesinnten). Gemeinden dieser Art, die Zuflu<strong>ch</strong>t su<strong>ch</strong>end in evangelis<strong>ch</strong>en Territorien<br />

aufgenommen wurden, sind meist von den entspre<strong>ch</strong>enden Landeskir<strong>ch</strong>en allmähli<strong>ch</strong> angeglie<strong>der</strong>t worden, so<br />

no<strong>ch</strong> im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t jene Böhmis<strong>ch</strong>en Brü<strong>der</strong>-Gemeinden in <strong>der</strong> Provinz Posen als Unitätsgemeinden mit<br />

gewissen Son<strong>der</strong>re<strong>ch</strong>ten von <strong>der</strong> preuss. Landeskir<strong>ch</strong>e (Regl. v. 25. Aug. 1796 und Kab.O. v. 30. Dez. 1831).<br />

Aber au<strong>ch</strong> wo sie, wie die Mennoniten, aus Gründen <strong>der</strong> Lehre und <strong>der</strong> Verfassung ihre Son<strong>der</strong>existenz behalten<br />

mussten, und ni<strong>ch</strong>t mehr als eben Duldung fanden, wird man sie na<strong>ch</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Empfinden s<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong> als<br />

<strong>Sekten</strong> bezei<strong>ch</strong>nen wollen; denn sie sind na<strong>ch</strong> ihrer Herkunft gar ni<strong>ch</strong>t Abson<strong>der</strong>ungen von unseren<br />

evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, neben denen sie jetzt bestehen, und haben au<strong>ch</strong> nie die Tendenz gehabt, propagandistis<strong>ch</strong><br />

den Bestand dieser <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n zu gefährden. Sie haben Zuflu<strong>ch</strong>t gesu<strong>ch</strong>t und begehren nur das eine, im Frieden<br />

Quellenmaterial Seite 19


na<strong>ch</strong> den Traditionen ihrer Gemeins<strong>ch</strong>aft leben zu können. In gewissem Sinne ist au<strong>ch</strong> die Herrenhutis<strong>ch</strong>e<br />

Brü<strong>der</strong>gemeinde hierher zu re<strong>ch</strong>nen, insofern die Gründung von Herrenhut dur<strong>ch</strong> die Aufnahme und<br />

Ansiedelung von Mähris<strong>ch</strong>en Brü<strong>der</strong>n veranlasst worden ist und Graf Zinzendorf in seiner Gemeindeorganisation<br />

eine Erneuerung <strong>der</strong> alten Brü<strong>der</strong>kir<strong>ch</strong>e erstrebte. Damit verband si<strong>ch</strong> freili<strong>ch</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Gedanke,<br />

innerhalb <strong>der</strong> evang. Volkskir<strong>ch</strong>e einzelne Gemeinden dur<strong>ch</strong> eine beson<strong>der</strong>e Gemeindeverfassung zu einem<br />

rei<strong>ch</strong>eren Gemeins<strong>ch</strong>aftsleben und damit zu Lebenszentren für das <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nganze zu gestalten. Von <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

Kursa<strong>ch</strong>sens ist er genötigt worden, diesen Versu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t innerhalb <strong>der</strong> Volkskir<strong>ch</strong>e, son<strong>der</strong>n neben <strong>der</strong>selben<br />

zur <strong>Aus</strong>führung zu bringen. Damit war die Mögli<strong>ch</strong>keit gegeben, dass die Brü<strong>der</strong>gemeinde zur Sekte wurde, und<br />

sie hat au<strong>ch</strong> eine Zeit gehabt, in <strong>der</strong> diese Mögli<strong>ch</strong>keit Wirkli<strong>ch</strong>keit werden wollte; aber diese Gefahr hat sie<br />

überwunden, und ihre Stellung neben <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e ist daher mehr und mehr die eines friedli<strong>ch</strong>en<br />

Beisammenlebens in gegenseitigem <strong>Aus</strong>taus<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Gaben geworden, so dass es uns heutigentags völlig fern<br />

liegt, in ihr eine Sekte zu erblicken.<br />

Den Flü<strong>ch</strong>tlingsgemeinden früherer Jahrhun<strong>der</strong>te, die um Aufnahme baten, entspre<strong>ch</strong>en unter<br />

verän<strong>der</strong>ten Verhältnissen <strong>der</strong> Gegenwart die Fremdlingsgemeinden, die si<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>s in den Grossstädten<br />

gebildet haben, anglikanis<strong>ch</strong>e, presbyterianis<strong>ch</strong>e usw. Gemeinden, mit dem Zweck, die in grossen Städten<br />

dauernd o<strong>der</strong> vorübergehend si<strong>ch</strong> aufhaltenden <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngenossen kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> zu bedienen. Es wird niemand<br />

einfallen, <strong>der</strong>artige Gemeinden als <strong>Sekten</strong> zu beurteilen.<br />

b. Eine an<strong>der</strong>e Gruppe ist als die <strong>der</strong> Separationen zu bezei<strong>ch</strong>nen. Sol<strong>ch</strong>er Trennungen hat die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts eine ganze Reihe von grösserem o<strong>der</strong> kleinerem Umfange uns gebra<strong>ch</strong>t. Unter<br />

diesen lassen si<strong>ch</strong> zwei Arten unters<strong>ch</strong>eiden: die einen entstanden, sobald in einer Lamndeskir<strong>ch</strong>e auf dem<br />

Gebiete <strong>der</strong> Verfassung o<strong>der</strong> des Ritus Verän<strong>der</strong>ungen si<strong>ch</strong> vollzogen, indem eine Minorität in diesen<br />

Än<strong>der</strong>ungen ni<strong>ch</strong>t eine naturgemässe Fortentwicklung, son<strong>der</strong>n eine ihr Gewissen bedrückende, die Grundlagen<br />

<strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> alterierende Neuerung sahen. So vor allem aus Anlass <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Union zwis<strong>ch</strong>en<br />

lutheris<strong>ch</strong>en und reformierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n und <strong>der</strong> Einführung einer Unionsagende (in Altpreussen) o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Vereinigung <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbehörden lutheris<strong>ch</strong>en und reformierten Charakters zu einer einheitli<strong>ch</strong>en Behörde (in<br />

Hessen). Aber au<strong>ch</strong> weit geringere Än<strong>der</strong>ungen konnten zu Separationen Anlass geben, so die Abän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Trauformel na<strong>ch</strong> Einführung <strong>der</strong> bürgerli<strong>ch</strong>en Ehes<strong>ch</strong>liessung (in Hannover); sind do<strong>ch</strong> sogar lokale<br />

Absplitterungen einst erfolgt, als S<strong>ch</strong>ulbehörden die Bibel als Lesebu<strong>ch</strong> aus dem deuts<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>t <strong>der</strong><br />

Volkss<strong>ch</strong>ulen entfernten und dafür ein deuts<strong>ch</strong>es Lesebu<strong>ch</strong> einführten und nun Gemeindeglie<strong>der</strong> si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

ausreden liessen, dass die Landeskir<strong>ch</strong>e damit anfange "die Bibel abzus<strong>ch</strong>affen." Aber neben den Separationen<br />

aus Anlass von Massnahmen, die eine ganze <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> betreffen, die daher au<strong>ch</strong> die Tendenz in si<strong>ch</strong> tragen, in dem<br />

ganzen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngebiete si<strong>ch</strong> auszubreiten, stehen zahlrei<strong>ch</strong>e Separationen rein lokalen und daher au<strong>ch</strong> ephemeren<br />

Charakters, meist dadur<strong>ch</strong> hervorgerufen, dass ein einzelner Geistli<strong>ch</strong>er mit seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbehörde in Konflikt<br />

gerät, einer Anordnung aus Gewissensgründen meint, den Gehorsam verweigern zu müssen, und daher als<br />

renitent entlassen wird. Ist ein sol<strong>ch</strong>er eine kraftvolle Persönli<strong>ch</strong>keit, dann wird es ihm wohl gelingen, einen Teil<br />

<strong>der</strong> Gemeinde in seinen Wi<strong>der</strong>stand mithineizuziehen und ein eigenes Kir<strong>ch</strong>lein aufzuri<strong>ch</strong>ten. Häufig su<strong>ch</strong>t dann<br />

ein sol<strong>ch</strong>er seinen Ans<strong>ch</strong>luss bei einer bereits bestehenden Separation, an<strong>der</strong>nfalls wird si<strong>ch</strong> eine sol<strong>ch</strong>e<br />

Absplitterung nur kurze Zeit halten können. Als eine Separation aus Anlass einer in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> si<strong>ch</strong><br />

vollziehenden Wandlung ist na<strong>ch</strong> ihren Anfängen au<strong>ch</strong> die sog. "li<strong>ch</strong>tfreundli<strong>ch</strong>e" Bewegung zu beurteilen, in<br />

wel<strong>ch</strong>er die vom Rationalismus gross gezogene Aufklärung gewisser Bürgerkreise unter Führung von<br />

freisinnigen Geistli<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> gegen den kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Geist, <strong>der</strong> in den preussis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbehörden wie<strong>der</strong> zur<br />

Herrs<strong>ch</strong>aft gelangt war, protestierend erhob. Hier erfolgte aber na<strong>ch</strong> dem <strong>Aus</strong>tritt aus <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> in rapi<strong>der</strong><br />

Entwicklung ein so völliges Preisgeben <strong>der</strong> Grundlagen alles Christentumes, dass diese Separation auf den<br />

Namen einer <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t mehr Anspru<strong>ch</strong> erheben konnte, daher au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t etwa mehr als eine Sekte <strong>der</strong><br />

evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> bezei<strong>ch</strong>net werden kann.<br />

Inwieweit Separationen <strong>der</strong> vorbezei<strong>ch</strong>neten Art unter den Begriff "Sekte" fallen, ist sehr umstritten. Es<br />

kommt dabei in Betra<strong>ch</strong>t, ob man ihrem Wi<strong>der</strong>stande gegen die Fortentwicklung in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, um <strong>der</strong>en willen<br />

sie si<strong>ch</strong> trennten, ein (volles o<strong>der</strong> bedingtes) Re<strong>ch</strong>t zuerkennt; und weiter, ob bei ihrem <strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>eiden ihr<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbegriff selbst eine Umbildung in <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tung zum Donatismus hin erfahren hat; ob sie au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> ihrem<br />

<strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>eiden no<strong>ch</strong> den Sinn für die volkskir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Aufgabe si<strong>ch</strong> bewahrt haben; ferner ob sie no<strong>ch</strong> im stande<br />

sind, an <strong>der</strong> theologis<strong>ch</strong>en Fortarbeit <strong>der</strong> Zeit teilzunehmen, o<strong>der</strong> si<strong>ch</strong> theologis<strong>ch</strong> völlig abs<strong>ch</strong>liessen und damit<br />

aus <strong>der</strong> geistigen Bewegung <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en Theologie auss<strong>ch</strong>eiden und dadur<strong>ch</strong> sektenhaft werden. (Au<strong>ch</strong><br />

eine Landeskir<strong>ch</strong>e kann si<strong>ch</strong> selbst zur Sekte degradieren, sobald sie ihre Geistli<strong>ch</strong>en von dem Konnex mit <strong>der</strong><br />

Fortentwicklung <strong>der</strong> Theologie absperrt.) Vgl. Dove: "Separationen, wel<strong>ch</strong>e auf dem Boden <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en<br />

Reformation beharren, fallen ni<strong>ch</strong>t notwendig unter die für <strong>Sekten</strong> massgebende Beurteilung." (Allgem.<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt 1884, S. 344).<br />

c. Die dritte Gruppe von Son<strong>der</strong>bildungen, auf die unzweifelhaft die Bezei<strong>ch</strong>nung "Sekte" Anwendung<br />

findet, ist unter uns entstanden dur<strong>ch</strong> die Invasion englis<strong>ch</strong>-amerikanis<strong>ch</strong>en Dissidenten<strong>ch</strong>ristentums in die<br />

Volkskir<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Reformation. Hier handelt es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um Trennungen auf Grund <strong>der</strong> inneren<br />

Quellenmaterial Seite 20


<strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> dieser <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n selbst, son<strong>der</strong>n Vertreter eines an<strong>der</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbegriffs, an<strong>der</strong>er Ans<strong>ch</strong>auungen über<br />

den Heilweg, an<strong>der</strong>er Frömmigkeitsideale sind na<strong>ch</strong> Deuts<strong>ch</strong>land herübergekommen, haben unsere <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n als<br />

ihr Missionsgebiet angesehen, su<strong>ch</strong>en für ihre Ans<strong>ch</strong>auungen erweckte Glie<strong>der</strong> unserer Gemeinden zu gewinnen<br />

und gehen dann dazu über, diese unsern Gemeinden abwendig zu ma<strong>ch</strong>en und zu Son<strong>der</strong>gemeins<strong>ch</strong>aften zu<br />

vereinigen. Dies Hinüberwirken englis<strong>ch</strong>-amerikanis<strong>ch</strong>er Propaganda ist z.Z. für unsere <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n die eigentli<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Sekten</strong>gefahr, mit <strong>der</strong> wir es zu tun haben. Und zwar handelt es si<strong>ch</strong> um eine Gefahr doppelter Art: einmal<br />

darum, dass unsern Gemeinden lebendige Glie<strong>der</strong> entzogen werden, aber daneben um die viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong><br />

grössere, dass weitere Kreise gläubiger und kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> interessierter Gemeindeglie<strong>der</strong> von gewissen Gedanken<br />

und Idealen jener Christentumsauffassung beeinflusst werden und dadur<strong>ch</strong> in unserer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> selbst ein den<br />

evangelis<strong>ch</strong>en Volkskir<strong>ch</strong>en frem<strong>der</strong> Geist hineingetragen wird und als ein Element <strong>der</strong> Auflösung und<br />

Zersetzung in diesen wirksam wird. Diese Gemeins<strong>ch</strong>aften englis<strong>ch</strong>-amerikanis<strong>ch</strong>en Ursprungs wei<strong>ch</strong>en unter<br />

si<strong>ch</strong> selbst mannigfa<strong>ch</strong> ab. Namentli<strong>ch</strong> muss die "Apostolis<strong>ch</strong>e" Gemeinde <strong>der</strong> sog. Irvingianer als ein<br />

Gebilde ganz eigener Art von denen unters<strong>ch</strong>ieden werden, die unmittelbar o<strong>der</strong> mittelbar ihre geistige<br />

Physiognomie <strong>der</strong> methodistis<strong>ch</strong>en Erweckung Englands im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t verdanken. So sehr also au<strong>ch</strong><br />

Unters<strong>ch</strong>iede gema<strong>ch</strong>t werden müssen, so ist do<strong>ch</strong> das Gemeinsame eine von aussen her über uns<br />

hereingebro<strong>ch</strong>ene Propaganda eines auf an<strong>der</strong>em Boden, bei an<strong>der</strong>em Volks<strong>ch</strong>arakter und unter an<strong>der</strong>en<br />

Verhältnissen entwickelten Christentums. (Der Methodismus trägt in Amerika den Charakter einer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>; das<br />

hin<strong>der</strong>t ni<strong>ch</strong>t, dass er unter uns si<strong>ch</strong> als Sekte bemerkbar ma<strong>ch</strong>t.)<br />

3. Wenn man na<strong>ch</strong> den Ursa<strong>ch</strong>en fragt, aus denen die Zuneigung lebendiger Glie<strong>der</strong> unserer Gemeinden<br />

zu <strong>der</strong> Propaganda des <strong>Sekten</strong>tums si<strong>ch</strong> erklärt, so ist es m.E. ein Irrtum, wenn man, wie häufig ges<strong>ch</strong>ieht, dabei<br />

in erster Linie die etwa in Betra<strong>ch</strong>t kommenden Son<strong>der</strong>lehren <strong>der</strong> einzelnen Denominationen in Betra<strong>ch</strong>t zieht.<br />

Die Anziehungskraft des <strong>Sekten</strong>tums will viel tiefer erfasst sein. Es darf ni<strong>ch</strong>t verkannt werden, dass in jedem<br />

Volkskir<strong>ch</strong>entum unvermeidli<strong>ch</strong> eine starke Spannung vorhanden ist zwis<strong>ch</strong>en dem religiösen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbegriff<br />

und dem empiris<strong>ch</strong>en Zustand <strong>der</strong> Gemeinden. Die Volkskir<strong>ch</strong>e ist Erzieherin des Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts, unter dem sie<br />

besteht. Ihre Paro<strong>ch</strong>ialgemeinden [=zum <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nspiel gehörende Gemeinden] vereinigen kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e und<br />

unkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e, lebendige und tote Glie<strong>der</strong>. <strong>Aus</strong> diesen Verhältnissen lockt die Sekte gerade die lebendigen Glie<strong>der</strong><br />

heraus, indem sie ihnen eine Gemeins<strong>ch</strong>aft von lauter lebendigen Christen verlockend in <strong>Aus</strong>si<strong>ch</strong>t stellt. Die<br />

Volkskir<strong>ch</strong>e muss au<strong>ch</strong> auf den vers<strong>ch</strong>iedenen Stufen ihrer Verfassung Leute zur Mitarbeit in den<br />

Gemeindekir<strong>ch</strong>enräten o<strong>der</strong> Presbyterien, Synoden usw. zulassen, die zwar einen gewissen Zusammenhang mit<br />

ihrer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> na<strong>ch</strong>weisen können, <strong>der</strong>en positiv geistli<strong>ch</strong>e Qualifikation aber ni<strong>ch</strong>t untersu<strong>ch</strong>t wird und oft<br />

zweifelhaft ist. Natürgemäss spielt in diesen Vertretungen die Zugehörigkeit zu den Honorationen <strong>der</strong> Gemeinde<br />

oft eine grössere Rolle als die Zugehörigkeit zu den Kin<strong>der</strong>n Gottes.. Au<strong>ch</strong> hier liegen Anstösse vor, die <strong>der</strong><br />

Propaganda des <strong>Sekten</strong>tums zu statten kommen. In hervorragendem Masse aber ist überall da für die Sekte ein<br />

günstiger Boden, wo Pastoren einer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> von den erweckten Gemeindeglie<strong>der</strong>n ni<strong>ch</strong>t als geeignete<br />

Seelenführer anerkannt werden, wo sie dur<strong>ch</strong> ihre Lehre o<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> ihre ganze weltförmige Lebenshaltung o<strong>der</strong><br />

dur<strong>ch</strong> Lässigkeit in ihrer Amtsführung Anstoss geben. Dazu kommt das Bedürfnis vieler Christen na<strong>ch</strong> engerer<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft mit Glei<strong>ch</strong>gesinnten und Glei<strong>ch</strong>gestimmten, das Verlangen na<strong>ch</strong> einer rei<strong>ch</strong>eren Befriedigung<br />

ihrer religiösen Bedürfnisse, na<strong>ch</strong> Gelegenheit zur <strong>Aus</strong>spra<strong>ch</strong>e über Fragen des inneren Lebens o<strong>der</strong> über das<br />

re<strong>ch</strong>te Verständnis von Worten <strong>der</strong> hl. S<strong>ch</strong>rift. Diese Verhältnisse, diese unbefriedigten Bedürfnisse bahnen den<br />

<strong>Sekten</strong> den Weg in unsere Gemeinden hinein. Es ist dabei relativ nebensä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>, ob nun die Männer, die sol<strong>ch</strong>en<br />

Gemeindeglie<strong>der</strong>n in ihrem Konventikel [=(heimli<strong>ch</strong>e)Zusammenkunft; private religiöse Versammlung] die<br />

Befriedigung aller ihrer kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und geistli<strong>ch</strong>en Bedürfnisse anbieten, zuglei<strong>ch</strong> baptistis<strong>ch</strong>e o<strong>der</strong><br />

methodistis<strong>ch</strong>e Beson<strong>der</strong>heiten mitbringen, o<strong>der</strong> ob sie etwa <strong>ch</strong>iliastis<strong>ch</strong>e [Chiliasmus = Lehre von <strong>der</strong><br />

Erwartung des Tausendjährigen Rei<strong>ch</strong>es Christi auf Erden na<strong>ch</strong> seiner Wie<strong>der</strong>kunft vor dem Weltende] und<br />

montanistis<strong>ch</strong>e [= s<strong>ch</strong>wärmeris<strong>ch</strong>-, sittenstreng-sektiereris<strong>ch</strong>] Son<strong>der</strong>lehren ausstreuen. Die Anzeihungskraft <strong>der</strong><br />

Sekte ist in erster Linie die enge geistli<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft, die sie bietet. Den genannten hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Ursa<strong>ch</strong>en lassen si<strong>ch</strong> als fernere Gründe zur Abson<strong>der</strong>ung, ganz abgesehen von den nur zu häufig mitspielenden<br />

"unlauteren Motiven <strong>der</strong> Neuerungssu<strong>ch</strong>t, religiöser Mode- und Genusssu<strong>ch</strong>t, geistli<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>muts, <strong>der</strong><br />

Überhebung über das kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> geordnete Amt, Ehrgeiz und Re<strong>ch</strong>thaberei" no<strong>ch</strong> folgende hinzufügen: Ungeduld<br />

und Unzufriedenheit gegenüber den Zuständen in den Landeskir<strong>ch</strong>en; Misstrauen in Bezug auf ihre aus dem<br />

mo<strong>der</strong>nen politis<strong>ch</strong>en Leben entlehnten Verfassungsbestimmungen sowie auf ihre bürokratis<strong>ch</strong>en Formen;<br />

Wi<strong>der</strong>wille gegen die Verflo<strong>ch</strong>tenheit <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> mit dem Staat und ihre mannigfaltige Abhängigkeit von ihm;<br />

Unsi<strong>ch</strong>erheit o<strong>der</strong> befangene Ängstli<strong>ch</strong>keit betreffs <strong>der</strong> Aufre<strong>ch</strong>terhaltung des Bekenntnisses ("ihr habt keine<br />

Lehrzu<strong>ch</strong>t !") o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Disziplin in den Landeskir<strong>ch</strong>en ("ihr habt keine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzu<strong>ch</strong>t !"); <strong>der</strong><br />

Anstoss, den eine an die alte Inspirationslehre gebundene Gemeindeorthodoxie an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

Theologie nimmt, daher das Misstrauen gegen die auf den Universitäten von "ungläubiger" Wissens<strong>ch</strong>aft<br />

infizierten Geistli<strong>ch</strong>en; Unkenntnis und Missverständnis des evangelis<strong>ch</strong>en Heilsglaubens, namentli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Lehre<br />

von <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tfertigung, die mit <strong>der</strong> Heiligung vermis<strong>ch</strong>t wird; methodistis<strong>ch</strong>e Vorstellungen über den Heilsweg;<br />

Unters<strong>ch</strong>ätzung <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, ihres Amtes, ihrer Sakramente und Ordnungen bei Übers<strong>ch</strong>ätzung<br />

Quellenmaterial Seite 21


estimmter <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Lebensformen in pietistis<strong>ch</strong>er Prägung; mystis<strong>ch</strong>e Art <strong>der</strong> Frömmigkeit auf Kosten <strong>der</strong><br />

evangelis<strong>ch</strong>en Einsi<strong>ch</strong>t, dass <strong>der</strong> Christ s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t an das Wort Gottes gewiesen ist, an diesem aber au<strong>ch</strong> die<br />

genugsame Quelle aller geistli<strong>ch</strong>en Erkenntnis hat; Missverständnisse und Missgriffe bei <strong>Aus</strong>legung und<br />

Anwendung <strong>der</strong> hl. S<strong>ch</strong>rift; Betonen einzelner namentli<strong>ch</strong> aus dem AT und <strong>der</strong> Offenbarung Johannis<br />

herausgerissener Bibelstellen (Vorstehendes z.T. wörtli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Referat von v. Berleps<strong>ch</strong> auf <strong>der</strong> Eisena<strong>ch</strong>er<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nkonferenz 1884, das si<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong>um ans<strong>ch</strong>liesst an Thesen von Klemm und Harnack auf <strong>der</strong><br />

Oberhessis<strong>ch</strong>en Pastoralkonferenz vom 8. August 1882; s. Allgem. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt 1884, S. 475).<br />

4. Die Stellung <strong>der</strong> Staatsgesetzgebung zu den ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> den Augsburger Religionsfrieden und den<br />

Westfälis<strong>ch</strong>en Frieden privilegierten, öffentli<strong>ch</strong> aufgenommenen Religionsgesells<strong>ch</strong>aften hat im Lauf <strong>der</strong> Zeiten<br />

allerlei Wandlungen dur<strong>ch</strong>gema<strong>ch</strong>t, die hier wenigstens an <strong>der</strong> Entwicklung dieser Verhältnisbeziehungen in<br />

Preussen kurz illustriet werden sollen. Jene Friedenss<strong>ch</strong>lüsse erkannten ausser den Katholiken nur die Bekenner<br />

<strong>der</strong> Augsburgis<strong>ch</strong>en Konfession und seit 1648 ausdrückli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Reformierten an. Diese ecclesiae receptae<br />

geniessen damit – no<strong>ch</strong> heute – den Vorzug, dass <strong>der</strong> Staat die geistli<strong>ch</strong>en Ämter dieser <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n als öffentli<strong>ch</strong>e<br />

Ämter ansieht, für die Vorbildung ihrer Geistli<strong>ch</strong>en auf den Staatsuniversitäten dur<strong>ch</strong> theologis<strong>ch</strong>e Fakultäten<br />

Fürsorge trifft, dass er ferner ihnen den weltli<strong>ch</strong>en Arm leiht zur Eintreibung von Abgaben und Leistungen,<br />

sodann dass er den Festtagen dieser <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n dur<strong>ch</strong> Anordnungen Bea<strong>ch</strong>tung und S<strong>ch</strong>utz im öffentli<strong>ch</strong>en Leben<br />

vers<strong>ch</strong>afft und ihnen Dotationen o<strong>der</strong> Zus<strong>ch</strong>üsse aus staatli<strong>ch</strong>en Mitteln gewährt. An<strong>der</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aften sollten<br />

überhaupt ni<strong>ch</strong>t geduldet werden – eine <strong>Aus</strong>nahme bildeten allein die Juden. Au<strong>ch</strong> das Reformationsre<strong>ch</strong>t <strong>der</strong><br />

Landesherren blieb auf diese rezipierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n bes<strong>ch</strong>ränkt. Aber dieser Re<strong>ch</strong>tszustand wurde allmähli<strong>ch</strong><br />

gelockert, <strong>Aus</strong>nahmen wurden gema<strong>ch</strong>t. Für den brandenburgis<strong>ch</strong>-preussis<strong>ch</strong>en Staat war von Bedeutung, dass<br />

das Herzogtum Preussen ni<strong>ch</strong>t zum deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong> gehörte. Hier waren s<strong>ch</strong>on 1548 böhmis<strong>ch</strong>e Brü<strong>der</strong> (freili<strong>ch</strong><br />

unter man<strong>ch</strong>er Bes<strong>ch</strong>ränkung ihrer Eigentümli<strong>ch</strong>keiten und mit <strong>der</strong> Tendenz auf Anglie<strong>der</strong>ung an die<br />

Landeskir<strong>ch</strong>e) aufgenommen worden (vgl. Ts<strong>ch</strong>ackert in Publikationen aus den Preussis<strong>ch</strong>en Staatsar<strong>ch</strong>iven 43,<br />

343 ff). Dann gewährte hier das Reskript Friedri<strong>ch</strong> Wilhelms I. vom 22. März 1722 den Mennoniten Duldung;<br />

na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Teilung Polens erhielten au<strong>ch</strong> die Mennoniten in Westpreussen dur<strong>ch</strong> das Privileg vom 29. März 1780<br />

Zusi<strong>ch</strong>erung ihrer Glaubensfreiheit. Faktis<strong>ch</strong>er Duldung erfreuten si<strong>ch</strong> hier sogar au<strong>ch</strong> Socinianer. Französis<strong>ch</strong><br />

Reformierten war s<strong>ch</strong>on am 13. März 1639 ein Patent erteilt worden; dann folgten na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

aus Frankrei<strong>ch</strong> flü<strong>ch</strong>tenden Reformierten die Privilegien vom 9. Oktober 1685 und 4. Mai 1694. Erhebli<strong>ch</strong><br />

weiter ging <strong>der</strong> Aufklärungskönig Friedri<strong>ch</strong> II., <strong>der</strong> am 25. Dezember 1742 und in mehreren na<strong>ch</strong>folgenden<br />

Erlassen Ansiedlungen <strong>der</strong> herrenhutis<strong>ch</strong>en Brü<strong>der</strong>gemeinde konzessionierte, aber au<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>wenckfel<strong>der</strong>n<br />

am 8. März 1742 die preussis<strong>ch</strong>en Lande öffnete und sogar den Socinianern am 28. Juni 1776 die Erbauung<br />

eines Bethauses gestattete. So gab es jetzt neben "öffentli<strong>ch</strong> aufgenommenen" <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n au<strong>ch</strong> "geduldete"<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngesells<strong>ch</strong>aften mit einem exercitium religionis privatum und mit je na<strong>ch</strong> dem Wortlaut <strong>der</strong> Konzession<br />

vers<strong>ch</strong>ieden bemessenen Re<strong>ch</strong>ten; am günstigsten gestellt war dabei die Brü<strong>der</strong>gemeinde. Diesem Zustand<br />

entspri<strong>ch</strong>t sowohl das Wöllners<strong>ch</strong>e Religionsedikt vom 9. Juli 1788, das von "bisher öffentli<strong>ch</strong> geduldeten<br />

<strong>Sekten</strong>" redet, "wel<strong>ch</strong>e unter landesherrli<strong>ch</strong>em S<strong>ch</strong>utz ihre gottesdienstli<strong>ch</strong>en Zusammenkünfte halten", wie au<strong>ch</strong><br />

das Allgem. Landre<strong>ch</strong>t T. II, Tit. XI, § 17 ff. mit <strong>der</strong> Unters<strong>ch</strong>eidung von "öffentli<strong>ch</strong> aufgenommenen" und<br />

"geduldeten Religionsgesells<strong>ch</strong>aften." <strong>Aus</strong> letzterer Klasse ragten die Herrenhuter insofern hervor und näherten<br />

si<strong>ch</strong> den öffentli<strong>ch</strong>en privilegierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngesells<strong>ch</strong>aften, als sie als "wahre Augsburgis<strong>ch</strong>e Konfessionsverwandte"<br />

anerkannt wurden, unter <strong>der</strong> "Oberherrs<strong>ch</strong>aft und Protektion" des Königs standen, au<strong>ch</strong> ihre Bis<strong>ch</strong>öfe<br />

vom König bestätigt werden und den Treueid leisten sollten. Do<strong>ch</strong> waren ihnen nur Bethäuser ohne Glocken<br />

gestattet und ihren Geistli<strong>ch</strong>en fehlten die Privilegien <strong>der</strong> öffentli<strong>ch</strong> aufgenommenen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n. Die bloss<br />

geduldeten Religionsgesells<strong>ch</strong>aften (so die Mennoniten, ferner die Quäker {Kab.O. vom 16. Mai 1830}) mussten<br />

na<strong>ch</strong> T. II, Tit. XI, § 489 die unter ihnen vorkommenden Geburten, Heiraten und Sterbefälle dem Pfarrer des<br />

Kir<strong>ch</strong>spiels, in dessen Bezirk sie wohnten, zur Eintragung ins <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbu<strong>ch</strong> anzeigen. Ihre Glie<strong>der</strong> blieben <strong>der</strong><br />

landeskir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gemeinde in Bezug auf <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n- und S<strong>ch</strong>ullasten und zur Zahlung <strong>der</strong> Stolgebühren<br />

(=Gebühren für bestimmte Amtshandlungen des Geistli<strong>ch</strong>en/Taufe, Trauung u.ä.) verpfli<strong>ch</strong>tet, als wenn sie<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nglie<strong>der</strong> wären. Die "vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit", die T. II, Tit.XI, § 2 allen<br />

Einwohnern im Staat gewährte, gestattete den Anhängern einer ni<strong>ch</strong>t ausdrückli<strong>ch</strong> tolerierten Religionspartei<br />

do<strong>ch</strong> nur das Hausvaterre<strong>ch</strong>t häusli<strong>ch</strong>en Gottesdienstes. Die um <strong>der</strong> Union willen seit 1830 si<strong>ch</strong> separierenden<br />

Lutheraner bekamen, solange Friedri<strong>ch</strong> Wilhelm III. regierte, die ganze S<strong>ch</strong>ärfe des Verbots <strong>der</strong> "<strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

Religion und dem Staate s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en Conventicula" zu spüren. Erst die Generalkonzession vom 23. Juli 1845<br />

(Ko<strong>ch</strong> IV, 168 f) verlieh ihnen ähnli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>te wie sie die Brü<strong>der</strong>gemeinde erhalten hatte. (Dass sie aber au<strong>ch</strong><br />

heute ni<strong>ch</strong>t den privilegierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n glei<strong>ch</strong>gestellt sind, darüber vgl. das Erkenntnis des<br />

Oberverwaltungsgeri<strong>ch</strong>ts vom 29. Juni 1898, Allgem. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt 1899, S. 17 ff.). Ebenso erhielten die si<strong>ch</strong><br />

separierenden Reformierten (Kohlbrüggianer) am 24. November 1849 eine Generalkonzession, ZKR I, 416 ff.<br />

III, 358 f. Den inzwis<strong>ch</strong>en (seit 1837) aufgetretenen Baptisten wurde dur<strong>ch</strong> die Kab.O. vom 19. Oktober 1841<br />

zwar die formelle Duldung versagt, zuglei<strong>ch</strong> aber wurde verfügt, dass ni<strong>ch</strong>t mit Strenge gegen sie verfahren<br />

werden sollte. Die deuts<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>e und die li<strong>ch</strong>tfreundli<strong>ch</strong>e Bewegung führten staatli<strong>ch</strong>erseits zu neuen<br />

Quellenmaterial Seite 22


Erwägungen über die Beglaubigung <strong>der</strong> Geburten, Heiraten und Sterbefälle in sol<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aften, die mit<br />

dem Bekenntnis keiner <strong>der</strong> rezipierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n in wesentli<strong>ch</strong>er Übereinstimmung waren, und <strong>der</strong>en Geistli<strong>ch</strong>en<br />

o<strong>der</strong> Vorstehern man ni<strong>ch</strong>t geneigt war, die Gere<strong>ch</strong>tsame <strong>der</strong> Geistli<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> privilegierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n beizulegen.<br />

Die Verordnung vom 30. März 1847 s<strong>ch</strong>uf für sol<strong>ch</strong>e eine bürgerli<strong>ch</strong>e Beglaubigung jener Akte dur<strong>ch</strong> die<br />

Ortsgeri<strong>ch</strong>te. Eine weitere Fortentwicklung bra<strong>ch</strong>te die Verfassungsurkunde von 1848, resp. ihre revidierte<br />

Gestalt vom 31. Januar 1850 dur<strong>ch</strong> die Bestimmung in Art. 12: "Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, <strong>der</strong><br />

Vereinigung zu Religionsgesells<strong>ch</strong>aften und <strong>der</strong> gemeinsamen häusli<strong>ch</strong>en und öffentli<strong>ch</strong>en Religionsübung wird<br />

gewährleistet. Der Genuss <strong>der</strong> bürgerli<strong>ch</strong>en und staatsbürgerli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>te ist unabhängig von dem religiösen<br />

Bekenntnisse." Aber Art. 13 fügt hinzu, dass Religionsgesells<strong>ch</strong>aften, wel<strong>ch</strong>e keine Korporationsre<strong>ch</strong>te haben,<br />

diese nur dur<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>e Gesetze erlangen können. War damit die Bildung von Religionsgesells<strong>ch</strong>aften<br />

allgemein frei gegeben, soweit ni<strong>ch</strong>t Sitte o<strong>der</strong> Staatsordnung gefährtdet ers<strong>ch</strong>ien, und konnten nun au<strong>ch</strong><br />

religiöse Versammlungen <strong>der</strong>selben einfa<strong>ch</strong> unters Vereinsgesetz gestellt werden, so war do<strong>ch</strong> die Erteilung des<br />

Korporationsre<strong>ch</strong>tes an einen Akt <strong>der</strong> Gesetzgebung gebunden. Auf diesem Wege gelangten denn au<strong>ch</strong> am 12.<br />

Juni 1874 die Mennoniten (Ko<strong>ch</strong> IV, 169 f.) und am 7. Juli 1875 die Baptisten (Ko<strong>ch</strong> IV, 170) in Preussen zu<br />

sol<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>ten. Erlei<strong>ch</strong>tert wurde die Re<strong>ch</strong>tslage <strong>der</strong> "<strong>Sekten</strong>" dur<strong>ch</strong> die Einführung <strong>der</strong> Standesämter und <strong>der</strong><br />

obligatoris<strong>ch</strong>en Zivilehe (9. März 1874 für Preussen, 6. Februar 1875 fürs deuts<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong>), indem damit die<br />

Vorre<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> privilegierten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n in Bezug auf die bürgerli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>tswirkung ihrer Trauhandlungen und<br />

ihrer Beurkundungen des Personenstandes hinwegfielen, und für die Angehörigen an<strong>der</strong>er Gemeins<strong>ch</strong>aften <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>nahmestand <strong>der</strong> Notzivilehe. Endli<strong>ch</strong> sind die Bestimmungen zu erwähnen, die <strong>der</strong> Erlass des Bürgerli<strong>ch</strong>en<br />

Gesetzbu<strong>ch</strong>es (1896) fürs ganze Rei<strong>ch</strong> gebra<strong>ch</strong>t hat. Dana<strong>ch</strong> ist für den privatre<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Erwerb <strong>der</strong><br />

Re<strong>ch</strong>tsfähigkeit au<strong>ch</strong> für Vereine mit religiösem Zweck <strong>der</strong> einfa<strong>ch</strong>e Weg geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Eintragung<br />

vorgezei<strong>ch</strong>net; do<strong>ch</strong> ist für diese eine vorgängige Prüfung seitens <strong>der</strong> Staatsbehörde vorbehalten, <strong>der</strong> damit<br />

Gelegenheit gegeben ist, si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mit den landeskir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Behörden darüber ins Benehmen zu setzen und<br />

event. gegen die Eintragung Einspru<strong>ch</strong> zu erheben (BGB. § 21 und 61). Damit aber Religionsgesells<strong>ch</strong>aften<br />

Korporationsre<strong>ch</strong>te erlangen, bedarf es au<strong>ch</strong> heutigen Tages no<strong>ch</strong> eines Aktes <strong>der</strong> Gesetzgebung (vgl. au<strong>ch</strong><br />

Einführungsgesetz Art. 81). Die For<strong>der</strong>ung (in den Frankfurter Grundre<strong>ch</strong>ten), dass keine Religionsgesells<strong>ch</strong>aft<br />

vor an<strong>der</strong>en Vorre<strong>ch</strong>te dur<strong>ch</strong> den Staat geniessen solle, ist bisher in Deuts<strong>ch</strong>land nirgends verwirkli<strong>ch</strong>t, ist au<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t im Interesse des Staates. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, die in einer <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> von Jahrhun<strong>der</strong>ten massgebende Faktoren des<br />

sittli<strong>ch</strong>en und religiösen Volkslebens geworden sind und als grosse Volkskir<strong>ch</strong>en Erzieher des Volkes sind,<br />

müssen au<strong>ch</strong> vom Staat an<strong>der</strong>s gewertet werden, als ephemere Assoziationen [=kurzfristige Vereinigungen]<br />

kleiner Kreise, die da kommen und gehen und si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t als Träger <strong>der</strong> religiösen und sittli<strong>ch</strong>en Kultur<br />

erwiesen haben. Gere<strong>ch</strong>tigkeit ebenso wie praktis<strong>ch</strong>e Politik wi<strong>der</strong>streben hier in glei<strong>ch</strong>er Weise den<br />

For<strong>der</strong>ungen von Doktrinären, <strong>der</strong> Re<strong>ch</strong>tsglei<strong>ch</strong>heit für alle. (vgl. Ri<strong>ch</strong>ter-Dove-Kahl, <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nre<strong>ch</strong>t S. 324 f. und<br />

im Patent vom 30. März 1847 bei Ko<strong>ch</strong> IV, 165 die feierli<strong>ch</strong>e Erklärung: "Wir sind ents<strong>ch</strong>lossen, den in unseren<br />

Staaten ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> und na<strong>ch</strong> Staatsverträgen bevorre<strong>ch</strong>teten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en und <strong>der</strong> römis<strong>ch</strong>katholis<strong>ch</strong>en,<br />

na<strong>ch</strong> wie vor S<strong>ch</strong>utz angedeihen zu lassen und sie in dem Genusse ihrer beson<strong>der</strong>en Gere<strong>ch</strong>tsame<br />

zu erhalten".)<br />

5. Die Gegenwirkung von kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Seite gegen das Vordringen des <strong>Sekten</strong>wesens ergibt si<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong><br />

Erkenntnis <strong>der</strong> Ursa<strong>ch</strong>en dieser Ers<strong>ch</strong>einung. Darin ist man wohl einig geworden, dass die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n ihre<br />

Verteidigung gegen die Invasion <strong>der</strong> <strong>Sekten</strong> in <strong>der</strong> Regel und prinzipiell ni<strong>ch</strong>t dadur<strong>ch</strong> führen dürfen, dass sie<br />

den Staat um polizeili<strong>ch</strong>e Massregeln angehen. Die Erfahrung hat gelehrt, dass die Gegenwirkung mit diesem<br />

Mittel niemals die Propaganda aufhält, son<strong>der</strong>n nur Märtyrer s<strong>ch</strong>afft und die Sa<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> s<strong>ch</strong>ädigt. Nur<br />

offenbare <strong>Aus</strong>wü<strong>ch</strong>se, dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e die Ruhe und Ordnung gestört werden, sollten polizeili<strong>ch</strong>er Massregelung<br />

unterliegen. Die Gegenwirkung, die <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> würdig ist, muss vor allem darin bestehen, dass sie das religiöse<br />

Bedürfnis, das ihre Glie<strong>der</strong> den <strong>Sekten</strong> zuführt, von si<strong>ch</strong> aus mit ihren Mitteln ernstli<strong>ch</strong> zu befriedigen bemüht<br />

ist. Jedes Auftraten von <strong>Sekten</strong> ist eine Mahnung an die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> wegen man<strong>ch</strong>erlei Versäumnissen und wegen<br />

Missständen, die si<strong>ch</strong> wenigstens bis zu einem gewissen Grade abstellen lassen. Th. Kolde hat den Satz<br />

formuliert, bei je<strong>der</strong> <strong>Sekten</strong>bildung handle es si<strong>ch</strong> um "die einseitige Betonung eines an si<strong>ch</strong> bere<strong>ch</strong>tigten, von<br />

<strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zeitweilig verna<strong>ch</strong>lässigten Gedankens o<strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Handelns." (Die Heilsarmee, Erlangen<br />

1885, S. 117.) Die Wahrheit dieses Satzes lässt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verkennen. Dann ist es aber Aufgabe <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, die<br />

allgemeinen und beson<strong>der</strong>en Ursa<strong>ch</strong>en zur <strong>Sekten</strong>bildung na<strong>ch</strong> Kräften zu beseitigen. Es handelt si<strong>ch</strong> also um<br />

eine rei<strong>ch</strong>ere und lebendigere Verkündigung des göttli<strong>ch</strong>en Wortes, um treue spezielle Seelsorge, die si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

die Pflege <strong>der</strong> lebendigen Gemeindeglie<strong>der</strong> angelegen sein lässt, um die Einri<strong>ch</strong>tung von Nebengottesdiensten<br />

behufs mannigfaltiger Formen <strong>der</strong> Darbietung geistli<strong>ch</strong>er Speise, um eine kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Pflege des<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aftsbedürfnisses <strong>der</strong> Erweckten, um die Pflege sol<strong>ch</strong>er Vereine innerhalb <strong>der</strong> Gemeinde, die <strong>der</strong><br />

religiösen Erbauung und <strong>der</strong> sittli<strong>ch</strong>en Bewahrung dienen (Jünglings- und Jungfrauenvereine), um geistli<strong>ch</strong>en<br />

Wandel und geisterfüllte Predigt <strong>der</strong> Pastoren, um die Fernhaltung von Mietlingen vom geistli<strong>ch</strong>en Stande, um<br />

die Reaktion gegen grundstürzenden und Ärgernis gebenden Missbrau<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Lehrfreiheit um Handhabung einer<br />

ernsten Zu<strong>ch</strong>t in den Gemeinden, um Erzeihung <strong>der</strong> Gemeindevorstände zur Mitarbeit ni<strong>ch</strong>t nur an den Externa,<br />

Quellenmaterial Seite 23


son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> an den inneren Angelegenheiten <strong>der</strong> Gemeinde, um die Heranholung lebendiger Gemeindeglie<strong>der</strong><br />

zur Mitarbeit ja na<strong>ch</strong> ihren Gaben und Kräften an <strong>der</strong> Pflege und Erbauung <strong>der</strong> Gemeinde (als Helfer in<br />

Sonntagss<strong>ch</strong>ulen, in <strong>der</strong> Armen- und Krankenpflege und an den Vereinen in <strong>der</strong> Gemeinde); vgl. hierzu die<br />

<strong>Aus</strong>führungen von v. Berleps<strong>ch</strong>, Allg. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt 1884, S. 476 f. Gewiss wird es ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> sein, auf<br />

diesem Wege alle Quellen zu verstopfen, aus denen die Neigung zum <strong>Sekten</strong>tum fliesst, aber ni<strong>ch</strong>t nur, dass<br />

man<strong>ch</strong>es Glied auf diese Weise <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> erhalten bleibt – es wird ihr dadur<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ermögli<strong>ch</strong>t, je ernster sie<br />

diese Aufgaben ergreift, um so zuversi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er mit gutem Gewissen den Anklagen <strong>der</strong> Sektierer gegenüber zu<br />

treten.<br />

Einer kir<strong>ch</strong>engesetzli<strong>ch</strong>en Erledigung harrt no<strong>ch</strong> die Frage, in wel<strong>ch</strong>em Umfange und in wel<strong>ch</strong>er Weise<br />

disziplinare Massnahmen gegen Gemeindeglie<strong>der</strong>, die si<strong>ch</strong> mit <strong>Sekten</strong> einlassen, vorzunehmen seien. Es liegt ja<br />

die Tatsa<strong>ch</strong>e vor, dass viele Gemeindeglie<strong>der</strong> an den Gottesdiensten, sogar am Abendmahl von <strong>Sekten</strong><br />

teilnehmen, ohne formell ihre Zugehörigkeit zur Landeskir<strong>ch</strong>e aufzulösen. Da entsteht die Frage, an wel<strong>ch</strong>en<br />

Punkten und in wel<strong>ch</strong>en Fällen die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> die Pfli<strong>ch</strong>t habe, sol<strong>ch</strong>e Glie<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr als in <strong>der</strong> Irre gehende,<br />

und daher seelsorgerli<strong>ch</strong> zu behandelnde, son<strong>der</strong>n als abtrünnige und daher zum <strong>Aus</strong>tritt zu zwingende, resp. als<br />

auszus<strong>ch</strong>liessende zu behandeln. Auf dem Wege <strong>der</strong> Partikulargesetzgebung ist hie und da versu<strong>ch</strong>t worden, den<br />

<strong>Aus</strong>tritt von Gemeindeglie<strong>der</strong>n, die zu einer neuen Religionsgemeins<strong>ch</strong>aft hinzutreten wollten, aus ihrer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

zu for<strong>der</strong>n. So wurde in Sa<strong>ch</strong>sen-Altenburg am 24. Januar 1851 verordnet, dass die Prediger o<strong>der</strong> Vorsteher<br />

sol<strong>ch</strong>er Gemeins<strong>ch</strong>aften niemand als Angehörigen ihrer Gemeins<strong>ch</strong>aft aufnehmen, nennen und behandeln<br />

dürften, <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Ortspolizeibehörde s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> <strong>Aus</strong>tritt und Übertritt angezeigt hätte (Allgem. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt<br />

1853, S. 179). An<strong>der</strong>erseits ist man dafür eingetreten, dass selbst eine ein- o<strong>der</strong> mehrmalige Abendmahlsfeier in<br />

einer Sekte den betreffenden no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus dem Verhältnis zu seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> auss<strong>ch</strong>liesse, son<strong>der</strong>n dass er au<strong>ch</strong><br />

dann no<strong>ch</strong> unter <strong>der</strong> seelsorgeris<strong>ch</strong>en Einwirkung des Geistli<strong>ch</strong>en seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> verbleibe; erst ein beharrli<strong>ch</strong>er<br />

Ans<strong>ch</strong>luss an die sacra <strong>der</strong> Sekte gebe zum <strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>luss mit den Mitteln <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzu<strong>ch</strong>t einen ausrei<strong>ch</strong>enden<br />

Anlass. Eine re<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>iedenartige Behandlung haben in dieser Beziehung die Irvingianer erfahren, die ja,<br />

wo sie ni<strong>ch</strong>t dazu genötigt wurden, grundsätzli<strong>ch</strong> ihre Landeskir<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t verliessen und oft au<strong>ch</strong> Wert<br />

darauf legten, den kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Zusammenhang mit ihrer landeskir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gemeinde dur<strong>ch</strong> Teilnahme am<br />

Gottesdienst und Abendmahl zu bezeugen, zuglei<strong>ch</strong> aber in <strong>der</strong> "apostolis<strong>ch</strong>en" Gemeinde viellei<strong>ch</strong>t sogar<br />

Ämter bekleideten. Während <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>e Oberkir<strong>ch</strong>enrat unterm 29. März 1852 den Grundsatz ausspra<strong>ch</strong>,<br />

dass die evangelis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> sol<strong>ch</strong>en, die an ihrer Auflösung arbeiteten, do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ihr Sakrament rei<strong>ch</strong>en<br />

dürfe, und wenn seelsorgerli<strong>ch</strong>e Einwirkung fru<strong>ch</strong>tlos bleibe, Versagung des Sakramentes for<strong>der</strong>te, um ni<strong>ch</strong>t<br />

dur<strong>ch</strong> Spendung desselben den S<strong>ch</strong>ein einer Billigung <strong>der</strong> Irrlehre zu erwecken, haben an<strong>der</strong>e kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Instanzen gerade den Irvingianern gegenüber ein hohes Mass von Duldung erwiesen und die Zulassung sogar<br />

von anerkannten Häuptern dieser Gemeinde zum Abendmahl <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e gestattet, von dem Grundsatz<br />

aus, dass die Zulassung seelsorgerli<strong>ch</strong> nur von <strong>der</strong> würdigen Herzensverfassung des Kommunikanten abhängig<br />

zu ma<strong>ch</strong>en sei.<br />

Einigkeit besteht wohl über folgende Punkte:<br />

1. dass Geistli<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong> im Amte bleiben können, wenn sie zu einer Sekte in ein positives<br />

Verhältnis treten;<br />

2. dass von den S<strong>ch</strong>ulbehörden erwartet wird, dass sie keinen Lehrer als Religionslehrer unterri<strong>ch</strong>ten lassen, <strong>der</strong><br />

si<strong>ch</strong> einer Sekte anges<strong>ch</strong>lossen hat:.<br />

3. dass zu kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ehrenämtern als <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nälteste und dgl. Anhänger einer Sekte ni<strong>ch</strong>t zugelassen werden<br />

dürfen;<br />

4. dass die Annahme <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>taufe als tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er <strong>Aus</strong>tritt aus <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e zu behandeln sei.<br />

Weiter wird zu for<strong>der</strong>n sein, dass au<strong>ch</strong> alle Personen, die von einer Sekte si<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Funktion <strong>der</strong><br />

Wortverkündigung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sakramentsverwaltung betrauen lassen, als ausges<strong>ch</strong>ieden gelten müssen, und dass<br />

beharrli<strong>ch</strong>e Teilnahme an <strong>der</strong> Abendmahlsfeier einer Sekte den <strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>luss herbeiführen muss (vgl. hierzu v.<br />

Berleps<strong>ch</strong> in Allgem. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt 1884, S. 461 ff.). In <strong>der</strong> preuss. Landeskir<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> älteren Provinzen steht zu<br />

erwarten, dass das s<strong>ch</strong>on lange begehrte und vorbereitete <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzu<strong>ch</strong>tsgesetz au<strong>ch</strong> die <strong>Sekten</strong>frage unter<br />

disziplinarem Gesi<strong>ch</strong>tspunkt zu regeln versu<strong>ch</strong>en wird.<br />

5. Eine genaue Statistik <strong>der</strong> <strong>Sekten</strong> in Deuts<strong>ch</strong>land zu geben, ist bei dem Mangel an ausrei<strong>ch</strong>enden Unterlagen<br />

ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>. Eine statistis<strong>ch</strong>e Erhebung von seiten <strong>der</strong> preussis<strong>ch</strong>en Regierungen am 1. Juli 1862 über<br />

"Dissidenten" ergab 27'909 in Beziehung auf die Wahl ihrer Religion selbstständige, also mindestens 14jährige<br />

Mitglie<strong>der</strong>; darunter 8'741 freireligiöse, 5'546 deuts<strong>ch</strong>- und <strong>ch</strong>ristkatholis<strong>ch</strong>e; Baptisten 5'603, Irvingianer<br />

3'069. Aber au<strong>ch</strong> diese Zählung war unvollständig, vgl. Zeits<strong>ch</strong>r. d. k. preuss. statist. Bureaus IV, 95 f. Die<br />

Eisena<strong>ch</strong>er <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nkonferenz von 1884 versu<strong>ch</strong>te unter Mitwirkung aller <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbehörden eine statistis<strong>ch</strong>e<br />

Tabelle aufzustellen, s. Allgem.<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nblatt 1884, S. 485 – 509. Aber diese bietet an so vielen Stellen statt <strong>der</strong><br />

Zahlen nur Fragezei<strong>ch</strong>en, dass sie eben nur die Unmögli<strong>ch</strong>keit aufweist, eine Statistik zu bieten. Piepers<br />

Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Statistik Deuts<strong>ch</strong>lands 1899, S. 92 ff weist na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Volkszählung von 1895 für Preussen neben<br />

20'351'448 Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> evang. Landeskir<strong>ch</strong>e 119'245 Mitglie<strong>der</strong> "an<strong>der</strong>er protestantis<strong>ch</strong>er<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngemeins<strong>ch</strong>aften" auf, d.h. fas 0,6% Evangelis<strong>ch</strong>e, die ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e angehören. Darunter waren<br />

Quellenmaterial Seite 24


Altlutheraner 27'412, Altreformierte 9'047, Brü<strong>der</strong>gemeinde 4'300 (1871: 3'325), Mennoniten 13'951 (1871:<br />

14'644), Baptisten 31'877 (1871: 12'792), Methodisten und Quäker 4'217 (1871: 733), Apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

(Irvingianer) 22'610 (1871: nur 2'213, die si<strong>ch</strong> so bezei<strong>ch</strong>net haben !), Anglikaner, Presbyterianer u. dgl.<br />

2'496. Die preussis<strong>ch</strong>e Statistik von 1900 zählt dagegen Altlutheraner 45'594, Altreformierte 14'543,<br />

Brü<strong>der</strong>gemeinde 4'031, Mennoniten 13'876, Baptisten 38'143, Methodisten und Quäker 5'226, Apostolis<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> 32'215, englis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngemeins<strong>ch</strong>aften 2'557. <strong>Aus</strong>serdem sind gezählt: Heilsarmee 272, Freireligiöse<br />

8'400, Dissidenten 27'679, sonstige Christen 5'635 (Preussis<strong>ch</strong>e Statistik, Heft 177 I, Berlin 1903). Die Statistik<br />

des deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>es von 1890 ergab, dass auf etwa 31 Millionen landeskir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Evangelis<strong>ch</strong>en im ganzen<br />

Rei<strong>ch</strong>e ca. 145'000 Angehörige kleinerer Gemeins<strong>ch</strong>aften kamen, also etwa 0,47%. Ähnli<strong>ch</strong> ergab fürs<br />

Königrei<strong>ch</strong> Sa<strong>ch</strong>sen die Statistik von 1895 0,41%. Krose re<strong>ch</strong>net im ganzen deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong> für 1900 auf<br />

35'231'104 "Evangelis<strong>ch</strong>e" (d.h. landeskir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e und separierte Lutheraner, Reformierte und Unierte) 203'793<br />

Zugehörige kleinerer <strong>ch</strong>risti<strong>ch</strong>er Parteien (wobei Deuts<strong>ch</strong>-Katholis<strong>ch</strong>e, Freireligiöse, Unitarier, Mormonen und<br />

"Dissidenten" mitgezählt sind). Dana<strong>ch</strong> repräsentiert diese bunte Gruppe gegenüber <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung<br />

Deuts<strong>ch</strong>lands von 56'367'178 eine Quote von 0,36%; im Verhältnis nur zu <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> "Evangelis<strong>ch</strong>en"<br />

wären es 0,57%, aber es sind hier Gemeins<strong>ch</strong>aften mitgezählt, die wir ni<strong>ch</strong>t als <strong>Sekten</strong> <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

betra<strong>ch</strong>ten können, an<strong>der</strong>erseits müssten aber au<strong>ch</strong> die Separierten von <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> "Evangelis<strong>ch</strong>en"<br />

abgezogen werden, um mit den früheren Bere<strong>ch</strong>nungen vergli<strong>ch</strong>en werden zu können. Wie weit aber die<br />

statistis<strong>ch</strong>en Angaben in den Zählkarten gerade in Bezug auf die Konfessionsbezei<strong>ch</strong>nung zuverlässig sind, ist<br />

fragli<strong>ch</strong>. Verwirrend sind s<strong>ch</strong>on die so unglei<strong>ch</strong>artigen Bezei<strong>ch</strong>nungen, unter denen viele ihren Konfessionsstand<br />

eintragen; vgl. die daher so konfuse Konfessionsstatistik von 1880 im Theol. Hülfslexikon, Gotha 1894 II, 3,<br />

10f. Offenbar bleiben ferner viele, die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> zu einer Sekte halten, aber aus ihrer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ni<strong>ch</strong>t förmli<strong>ch</strong><br />

ausgetreten sind, und sol<strong>ch</strong>e, die si<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong> "evangelis<strong>ch</strong>" nennen, dabei unbere<strong>ch</strong>net. Im Königrei<strong>ch</strong> Sa<strong>ch</strong>sen<br />

zählte man in den zwei Jahrzehnten von 1870 – 1890 Übertritte aus <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e zur Apostol. Gemeinde<br />

5'400, zu den Methodisten 2'878, zu den separierten Lutheranern 1'720 (Missourier !). Na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Statistik von<br />

1900 traten in Preussen aus den evangelis<strong>ch</strong>en Landeskir<strong>ch</strong>en zu kleineren kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aften über<br />

1'847, im übrigen deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>e 1'132, also im ganzen 2'979, wogegen 1'044 Rücktritte aus denselben<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aften zur Landeskir<strong>ch</strong>e bekannt wurden. 1904 zählte man in Preussen in den älteren Provinzen 2'370<br />

Übertritte zu <strong>Sekten</strong> usw. aus <strong>der</strong> Landeskir<strong>ch</strong>e, dagegen nur 602 Rücktritte (Kir<strong>ch</strong>l. Gesetz- und<br />

Verordnungsblatt 1905, S. 85). So unzulängli<strong>ch</strong> dieses Zahlenmaterial au<strong>ch</strong> ist, so lehrt es in seiner Gesamtheit<br />

do<strong>ch</strong>, dass die <strong>Sekten</strong> in <strong>der</strong> Zunahme begriffen sind, und dass daher die Aufmerksamkeit aller Freunde <strong>der</strong><br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> <strong>der</strong> Frage na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>ten Gegenwirkung zugewendet bleiben muss.<br />

Kawerau.<br />

Realencyklopädie<br />

für protestantis<strong>ch</strong>e<br />

Theologie und <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

Begründet von J. J. Herzog<br />

In dritter verbesserter und vermehrter Auflage<br />

unter Mitwirkung<br />

vieler Theologen und an<strong>der</strong>er Gelehrten<br />

herausgegeben<br />

von<br />

D. Albert Hauck<br />

Professor in Leipzig<br />

Neunzehnter Band<br />

Stephan III. – Tonsur<br />

Leipzig<br />

J. C. Hinri<strong>ch</strong>s's<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong>handlung<br />

1907<br />

Quellenmaterial Seite 25


Thiers<strong>ch</strong>, Heinri<strong>ch</strong> Wilh. Josias, gest. 1885. – H. W. J. Thiers<strong>ch</strong>s Leben, z.T. von ihm selbst erzählt,<br />

heruasgeg. v. P. Wigand, Basel 1888; P. Wigand in d. Allg. konservat. Monatss<strong>ch</strong>rift 1886; v. Orelli im Baseler<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nfreund 1885, Nr. 25 und 26; Luthardt in d. AELKZ 1885, Nr. 45 und 46, 1886, Nr 1 und 2; Zöckler, Ev.<br />

KZ 1886, Nr. 4; vgl. au<strong>ch</strong> J. R. Köhler, Het Irvingisme, Haag 1876, S. 176 ff; v. Pe<strong>ch</strong>mann in AdB, 38. Bd S.<br />

17; G. Frank, Die Theologie des 19. Jahrh.s S. 475 f.<br />

H. Thiers<strong>ch</strong>, <strong>der</strong> einflussrei<strong>ch</strong>ste ni<strong>ch</strong>t-englis<strong>ch</strong>e Führer und För<strong>der</strong>er des Irvingianismus, wurde am 5.<br />

November 1817 zu Mün<strong>ch</strong>en geboren als ältester Sohn des berühmten Philologen und Philhellenen Friedri<strong>ch</strong><br />

Thiers<strong>ch</strong> (gest. 1860). In die Elemente <strong>der</strong> alten Spra<strong>ch</strong>en und ihrer Literatur von seinem Vater eingeführt,<br />

besu<strong>ch</strong>te er seit 1827 zuerst das neue Gymnasium in Mün<strong>ch</strong>en, dann einige Zeit die Lateins<strong>ch</strong>ule zu Nürtingen<br />

a.N., endli<strong>ch</strong> das Mün<strong>ch</strong>ener Wilhelmsgymnasium, von wo er im Herbste 1833, no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ganz 16jährig, als<br />

reif zur Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule entlassen wurde. Während des se<strong>ch</strong>sjährigen Gymnasialkursus wirkten einerseits <strong>der</strong><br />

Mün<strong>ch</strong>ener Philologe Spengel, dessen Vorträge über die Rhetorik <strong>der</strong> Alten und <strong>der</strong> Prima ihn für klassis<strong>ch</strong>philologis<strong>ch</strong>e<br />

und historis<strong>ch</strong>e Studien begeisterten, an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> fromme Mün<strong>ch</strong>ener lutheris<strong>ch</strong>e Pfarrer<br />

Böckh, dessen Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t zuerst die Neigung zur Theologie in ihm weckte, beson<strong>der</strong>s na<strong>ch</strong>haltig<br />

auf seine Geistesentwicklung ein. Für die ersten Jahre seines Universitätsstudiums (1833 – 35) wurde sein Vater<br />

<strong>der</strong> hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Leiter seiner Studien; die Erinnerung an dessen Vorträge über grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Literaturges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

über Pindar und Euripides, sowie an sein philologis<strong>ch</strong>es Seminar, konnte no<strong>ch</strong> den Greis zu<br />

dankbarer Begeisterung stimmen. Er besu<strong>ch</strong>te übrigens au<strong>ch</strong> theologis<strong>ch</strong>e Vorlesungen, liess si<strong>ch</strong> von S<strong>ch</strong>ubert<br />

in die Naturkunde, von Görres in die <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> einführen und hörte bei S<strong>ch</strong>elling, seinem Paten, philosophis<strong>ch</strong>e<br />

Kollegien. Seinen Ans<strong>ch</strong>luss an die S<strong>ch</strong>ellings<strong>ch</strong>e Philosophie, aus wel<strong>ch</strong>er er übrigens si<strong>ch</strong> nur die eigentli<strong>ch</strong><br />

positiven Elemente aneignete, för<strong>der</strong>te <strong>der</strong> ihm nä<strong>ch</strong>ststehende seiner Studienfreunde, Emil August von S<strong>ch</strong>aden.<br />

Während <strong>der</strong> Mün<strong>ch</strong>ener vier Semester bildete die klassis<strong>ch</strong>e Altertumswissens<strong>ch</strong>aft den Mittelpunkt seines<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Strebens. Dagegen wandte er si<strong>ch</strong> seit <strong>der</strong> Übersiedelung na<strong>ch</strong> Erlangen (Herbst 1835), wo<br />

Olshausen, Harless und Hofmann seine Lehrer wurden, überwiegend, bald auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> dem theologis<strong>ch</strong>en<br />

Studium zu. Mit beson<strong>der</strong>er Hingabe vertiefte er si<strong>ch</strong> in die Lektüre <strong>der</strong> Werke Luthers und des Konkordienbu<strong>ch</strong>s<br />

[massgebende Sammlung <strong>der</strong> altkir<strong>ch</strong>l. Bekenntnisse u. <strong>der</strong> luth. Bekenntniss<strong>ch</strong>riften (1580)]. Es war eine<br />

ents<strong>ch</strong>ieden lutheris<strong>ch</strong>-kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> geartete, dabei wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> rei<strong>ch</strong> vermittelte und fest fundamentierte<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Weltansi<strong>ch</strong>t, die er bei Absolvierung seines theologis<strong>ch</strong>en Studiums (dur<strong>ch</strong> glänzend bestandenes<br />

Examen zu Ansba<strong>ch</strong>, im Herbste 1837) in den Kandidatenstand hinübernahm. Na<strong>ch</strong>dem er zu weiterer<br />

<strong>Aus</strong>bildung während des folgenden Wintersemesters no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Tübinger Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule angehört hatte, wo <strong>der</strong><br />

Gegensatz zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> kritis<strong>ch</strong>en Ri<strong>ch</strong>tung Baurs und <strong>der</strong>jenigen des Bibeltheologen C. F. S<strong>ch</strong>midt ihn<br />

bedeutsam berührte, promovierte er am 19. März 1838 auf Grund des Anfangs seiner Studie über die<br />

Pentateu<strong>ch</strong>version [Pentateu<strong>ch</strong> = "Fünfrollenbu<strong>ch</strong>", Bezei<strong>ch</strong>nung für die fünf Bü<strong>ch</strong>er Mosis im A.T.] <strong>der</strong><br />

Septuaginta [septua = lat. Siebzig; die seit Mitte des 3. Jh.s v. Chr. in Alexandria entstandene grie<strong>ch</strong>.<br />

Übersetzung des A.T; na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Legende von 72 Gelehrten verfasst; Abk. LXX] (später erweitert zu <strong>der</strong><br />

Abhandlung: De Pentateu<strong>ch</strong>i versione Alexandria libri III, Erl. 1841) in Mün<strong>ch</strong>en zum Doktor <strong>der</strong> Philosophie.<br />

Am Tage seiner Doktorpromotion erhielt Thiers<strong>ch</strong> einen Ruf als Lehrer für Religion (insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und Exegese), Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> und Deuts<strong>ch</strong>, an die evangelis<strong>ch</strong>e Missionsanstalt zu Basel, <strong>der</strong> ihn<br />

für die Dauer eines Jahres na<strong>ch</strong> dieser Rheinstadt führte. Wi<strong>ch</strong>tige persönli<strong>ch</strong>e Beziehungen wurden hier<br />

angeknüpft mit den damaligen Hauptför<strong>der</strong>ern <strong>der</strong> Missionssa<strong>ch</strong>e wie mit Lehrern an <strong>der</strong> Universität. Bei J. T.<br />

Beck, damaligem ausserordentli<strong>ch</strong>em Professor in <strong>der</strong> theologis<strong>ch</strong>en Fakultät, hospitierte er in Vorlesungen;<br />

öfter verweilte er zu Beuggen a. Rh., im Hause des Inspektors Zeller, dieses würdigen Altvaters <strong>der</strong> inneren<br />

Missionsbestrebungen. – Ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ter Gesundheit halber musste er den Posten am Basler Missionsseminar<br />

bereits 1839 wie<strong>der</strong> aufgeben. Er bestand im Herbste dieses Jahres zu Mün<strong>ch</strong>en die philologis<strong>ch</strong>e Staatsprüfung<br />

und ging dann als theologis<strong>ch</strong>er Repetent na<strong>ch</strong> Erlangen, wo er si<strong>ch</strong> im Frühjahr 1840 als Privatdozent<br />

habilitierte und einige Monate später mit Bertha Zeller (gest. 1868) in die Ehe trat. Zu <strong>der</strong> so begründeten<br />

überaus glückli<strong>ch</strong>en Häusli<strong>ch</strong>keit traten das innige Verhältnis zu seinem Freunde und S<strong>ch</strong>wager v. S<strong>ch</strong>aden<br />

(damals no<strong>ch</strong> Dozent, späterem Extraordinarius <strong>der</strong> Philosophie), sowie sonstige wertvolle kollegialis<strong>ch</strong>e<br />

Beziehungen mit wohltätiger Wirkung für seine fernere geistige Entwicklung hinzu. Eine erfolgrei<strong>ch</strong>e<br />

Lehrbegabung betätigte er ebensowohl als Repetent, wie als Dozent; er las über Exegese bei<strong>der</strong> Testamente, über<br />

ältere <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und theolog. Enzyklopädie. <strong>Aus</strong> seiner Tätigkeit als Repetent ist<br />

sein Lehrbu<strong>ch</strong> <strong>der</strong> hebr. Grammatik (in erster <strong>Aus</strong>gabe ers<strong>ch</strong>ienen Erlangen 1842 unter dem Titel: "[Hier: Hebr.<br />

S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en], Grammatis<strong>ch</strong>es Lehrbu<strong>ch</strong> für den ersten Unterri<strong>ch</strong>t in <strong>der</strong> hebräis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e", in zweiter 1858<br />

unter dem Titel: "Hebr. Grammatik für Anfänger, wel<strong>ch</strong>e des Lateinis<strong>ch</strong>en und Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en kundig sind")<br />

hervorgegangen. Ostern 1843 folgte er einem Rufe auf eine ausserordentli<strong>ch</strong>e Professur in Marburg; Januar 1846<br />

wurde er zum ordentli<strong>ch</strong>en Professor beför<strong>der</strong>t. Mit <strong>der</strong> Übersiedelung na<strong>ch</strong> Marburg beginnt <strong>der</strong> bedeutendste<br />

und am rei<strong>ch</strong>sten gesegnete Abs<strong>ch</strong>nitt seines Wirkens als akademis<strong>ch</strong>er Lehrer und als theologis<strong>ch</strong>er<br />

S<strong>ch</strong>riftsteller.<br />

<strong>Aus</strong> dem Kreise seiner Vorlesungsgegenstände kam das AT fortan in Wegfall, während die Dogmatik<br />

Quellenmaterial Seite 26


hinzutrat. Seine na<strong>ch</strong> Inhalt wie Form glei<strong>ch</strong> anziehenden Vorlesungen über diese Gebiete <strong>der</strong> Theologie<br />

si<strong>ch</strong>erten ihm ras<strong>ch</strong> einen beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Einfluss auf die Studierenden, während er glei<strong>ch</strong>zeitig dur<strong>ch</strong> energis<strong>ch</strong>e<br />

Glaubenszeugnisse auf <strong>der</strong> Kanzel in die Entwicklung des kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lebens <strong>der</strong> Stadt Marburg eingriff. Die<br />

letztere praktis<strong>ch</strong>e Hauptseite seines Wirkens, bei <strong>der</strong> er mit A. F. C. Vilmar (damaligem Gymnasialdirektor zu<br />

Marburg), Hand in Hand ging, verlief allerdings ni<strong>ch</strong>t, ohne hie und da s<strong>ch</strong>arfe Konflikte mit <strong>der</strong> liberalen<br />

Gegenpartei hervorzurufen. Zwei seiner wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> gehaltvollsten und einflussrei<strong>ch</strong>sten S<strong>ch</strong>riften sind<br />

während dieser Marburger Zeit entstanden: <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> Baurs "Paulus" hervorgerufene "Versu<strong>ch</strong> zur Herstellung<br />

des historis<strong>ch</strong>en Standpunkts für die Kritik <strong>der</strong> neutestamentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften" (Erlangen 1845) und die den seit<br />

Möhlers theologis<strong>ch</strong>er Lehrtätigkeit wie<strong>der</strong> aufgelebten Ultramontanismus bestreitenden "Vorlesungen über<br />

Protestantismus und Katholizismus" (ebendas. 1846; 2. Auflage 1848). Wie das letztere Werk innerhalb <strong>der</strong><br />

neueren Literatur über protestantis<strong>ch</strong>e Polemik eine hervorragende Stelle einnimmt und bei aller Milde des (hie<br />

und da unleugbar zu weit getriebenen) irenis<strong>ch</strong>en Strebens na<strong>ch</strong> Anerkennung des Grossen und relativ<br />

Bere<strong>ch</strong>tigten am Katholizismus do<strong>ch</strong> die dogmatis<strong>ch</strong>e und praktis<strong>ch</strong>-religiöse Überlegenheit des evangelis<strong>ch</strong>en<br />

Standpunkts mit genialer Geistess<strong>ch</strong>ärfe und siegen<strong>der</strong> Wirkung dartut, so ist die Streits<strong>ch</strong>rift gegen den<br />

Tübinger Kritiker eine <strong>der</strong> ersten, gelungensten und wirksamsten wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Be- und Verurteilungen <strong>der</strong><br />

Neutübinger Tendenzkritik. Auf die Baurs<strong>ch</strong>e Gegens<strong>ch</strong>rift: "Der Kritiker und <strong>der</strong> Fanatiker in <strong>der</strong> Person des<br />

Herrn H. W. Thiers<strong>ch</strong>" (Stuttgart 1846) antwortete Thiers<strong>ch</strong> mit kurzer, massvoller aber bestimmt gehaltener<br />

Re<strong>ch</strong>tfertigung seiner Positionen in <strong>der</strong> Bros<strong>ch</strong>üre: "Einige Worte über die E<strong>ch</strong>theit <strong>der</strong> neutestamentli<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>riften", Erlangen 1846. Als bedeutsame Berei<strong>ch</strong>erungen <strong>der</strong> neutestamentli<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ung in streng<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Form gehören <strong>der</strong>selben Zeit zwei lateinis<strong>ch</strong>e Programme an: De epistola ad Hebraeos<br />

commentatio historica, 1848 (worin Tertullians Zeugnis für die Autors<strong>ch</strong>aft des Barnabas zuerst wie<strong>der</strong> in<br />

kräftige Erinnerung gebra<strong>ch</strong>t wurde) und De Stephani protomartyris oratione commentatio exegetica, 1849.<br />

Gegen Ende <strong>der</strong> Marburger Zeit begann Thiers<strong>ch</strong> dem Standpunkt <strong>der</strong> "apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden"<br />

Englands zuerst näher zu treten. Zur ersten Kenntnisnahme von demselben war er allerdings s<strong>ch</strong>on gegen Ende<br />

seines Erlanger Wirkens, dur<strong>ch</strong> Berührungen mit dem damals Süddeuts<strong>ch</strong>land bereisenden s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en<br />

Anhänger Irvings, dem Evangelisten William Caird, veranlasst worden; dieser hatte ihm das "Zeugnis <strong>der</strong><br />

Apostel an die geistli<strong>ch</strong>en und weltli<strong>ch</strong>en Häupter <strong>der</strong> Christenheit" (vom Jahre 1836) in die Hände gespielt<br />

und damit einen ersten, günstigen Eindruck von dem in dieser Gemeins<strong>ch</strong>aft waltenden Geiste in ihm<br />

hervorgerufen, ohne das Wesentli<strong>ch</strong>e seiner theologis<strong>ch</strong>en Überzeugung än<strong>der</strong>n zu können. In Marburg besu<strong>ch</strong>te<br />

ihn ein an<strong>der</strong>er Evangelist, Charles Böhm (Verfasser mehrerer S<strong>ch</strong>riften, u.a. <strong>der</strong> später, 1855, von Thiers<strong>ch</strong><br />

mit Vorwort herausgegebenen: "S<strong>ch</strong>atten und Li<strong>ch</strong>t im gegenwärtigen Zustande <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>"),<br />

wel<strong>ch</strong>er weiteres zu seiner Befreundung mit <strong>der</strong> prophetis<strong>ch</strong>-es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>en Weltansi<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Partei und <strong>der</strong> als<br />

Stütze für dieselbe gehandhabten allegoris<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftauslegung beigetragen zu haben s<strong>ch</strong>eint. Zum Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong><br />

gelangten seine Sympathien für den Irvingismus im Jahre 1947, als Thomas Carlyle, Apostel <strong>der</strong><br />

apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden für Norddeuts<strong>ch</strong>land, ihn besu<strong>ch</strong>te, und mit <strong>der</strong> ihm eigenen begeisterten Glut sein<br />

Zeugnis für die Notwendigkeit einer Erneuerung des prophetis<strong>ch</strong>en und apostolis<strong>ch</strong>en Amts in <strong>der</strong> Christenheit<br />

vor ihm und einem engeren Kreise von Freunden ablegte. Thiers<strong>ch</strong> selbst beri<strong>ch</strong>tet über diesen Vorgang in einem<br />

Privatbriefe aus viel späterer Zeit (mitgeteilt von P. Wigand, S. 682): "Die Notwendigkeit von Aposteln sah i<strong>ch</strong><br />

lange Zeit ni<strong>ch</strong>t ein; i<strong>ch</strong> wartete ab, ob sie si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong> so beglaubigen würden, wie die Evangelisten.<br />

Dies war in vollem Masse <strong>der</strong> Fall. Als i<strong>ch</strong> 1847 den sel. Mr. Carlyle kennen lernte. Mit dieser Weihe und Kraft<br />

hatte i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> niemand predigen hören. I<strong>ch</strong> sah endli<strong>ch</strong> ein, dass die Gemeinde und das apostolis<strong>ch</strong>e Werk in<br />

seiner Gesamtheit Zeugnis für die Sendung vom Himmel sind und dass ohne sol<strong>ch</strong>e Sendung, also ohne<br />

Apostolat keine Hilfe für die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zu erwarten sei, dass insbeson<strong>der</strong>e prophetis<strong>ch</strong>e Gaben ohne apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Leitung ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>en würden". Es erhellt aus diesem Geständnisse, dass <strong>der</strong> letzte S<strong>ch</strong>ritt des Ans<strong>ch</strong>lusses<br />

an die irvingitis<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft in Gestalt einer Art von Opfer des Intellekts, jedenfalls von Unterordnung<br />

seiner theologis<strong>ch</strong>-wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Überzeugung unter eine mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Autorität, die er als<br />

göttli<strong>ch</strong> inspiriert betra<strong>ch</strong>ten zu müssen meinte, zu stande kam. An vorbereitenden Motiven für diese<br />

Gefangennahme seiner lutheris<strong>ch</strong>-kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ulten Vernunft unter ein neues, mittelst allegoris<strong>ch</strong>er Kunst aus<br />

<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>rift eruiertes Evangelium fehlte es bei <strong>der</strong> Eigentümli<strong>ch</strong>keit seines ideal geri<strong>ch</strong>teten Geistes allerdings<br />

ni<strong>ch</strong>t. Ein tiefes Weh ob <strong>der</strong> auf mehreren Gebieten hervortretenden Gebundenheit und Zerrissenheit <strong>der</strong><br />

evangelis<strong>ch</strong>en Christenheit erfüllte ihn. Das Ja und das Nein in <strong>der</strong> protestantis<strong>ch</strong>en Theologie <strong>der</strong> Gegenwart,<br />

das Nebeneinan<strong>der</strong> von Glaube und Unglaube innerhalb engerer kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Genossens<strong>ch</strong>aften und Anstalten,<br />

vor allem au<strong>ch</strong> in den theologis<strong>ch</strong>en Fakultäten unserer Zeit, war ihm namentli<strong>ch</strong> bei seinem Kampfe gegen die<br />

Tübinger Kritikers<strong>ch</strong>ule mit s<strong>ch</strong>merzli<strong>ch</strong>er Wirkung fühlbar geworden. Na<strong>ch</strong> einer an<strong>der</strong>en Seite hatten die <strong>der</strong><br />

Verglei<strong>ch</strong>ung des Katholizismus mit dem Protestantismus geltenden Studien ihm die Unzulängli<strong>ch</strong>keit unseres<br />

evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nwesens zum Bewusstsein gebra<strong>ch</strong>t. Der Mangel fester kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Institutionen äusserer<br />

Art, die Unfreiheit <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gegenüber dem Staat und die verhängnisvolle Verfle<strong>ch</strong>tung ihrer Aktionen mit <strong>der</strong><br />

Politik, weckte in ihm die Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> reineren, von verweltli<strong>ch</strong>enden Einflüssen freieren Zuständen <strong>der</strong><br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft. Die Heilmittel aber für diesen seinen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ns<strong>ch</strong>merz su<strong>ch</strong>te er, s<strong>ch</strong>on bevor er<br />

si<strong>ch</strong> enger an die Emissäre <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden ans<strong>ch</strong>loss, auf einem ganz an<strong>der</strong>en Wege als auf dem<br />

Quellenmaterial Seite 27


<strong>der</strong> Reformatoren. Sein Christentum und seine Theologie hatten, wenn man so sagen darf, "keinen paulinis<strong>ch</strong>en,<br />

son<strong>der</strong>n eher den johanneis<strong>ch</strong>en Typus". "Die Re<strong>ch</strong>tfertigung dur<strong>ch</strong> den Glauben allein, die Freude über die<br />

persönli<strong>ch</strong> erfahrene Versöhnung war ni<strong>ch</strong>t so sein Kern und Stern, wie bei einem Paulus, Luther und so vielen<br />

Christen geringeren Namens. Ohne Zweifel hat er, wie alle re<strong>ch</strong>ten Christen, au<strong>ch</strong> im s<strong>ch</strong>weren Kampfe mit <strong>der</strong><br />

Sünde bre<strong>ch</strong>en müssen, bevor er zum Frieden in Christo gelangte; aber zu einem paulinis<strong>ch</strong>en Bru<strong>ch</strong> mit dem<br />

Gesetze ists bei ihm ni<strong>ch</strong>t gekommen. Das Gesetz s<strong>ch</strong>webte ihm mehr na<strong>ch</strong> seiner göttli<strong>ch</strong>en Harmonie und<br />

Herrli<strong>ch</strong>keit als na<strong>ch</strong> seiner tödli<strong>ch</strong>en Wirkung vor; daher trat die Heiligung für ihn stärker in den Vor<strong>der</strong>grund<br />

als die Re<strong>ch</strong>tfertigung ! ... Wäre er im Kampfe mit dem Gesetz zur Freiheit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Gottes dur<strong>ch</strong>gedrungen<br />

wie Paulus, so hätte er si<strong>ch</strong> die Mens<strong>ch</strong>ensatzungen <strong>der</strong> Irvingianer ni<strong>ch</strong>t als göttli<strong>ch</strong>e gefallen lassen<br />

können. Diese Abhängigkeit von äusseren Formen und mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Autoritäten – ist freili<strong>ch</strong> ebensowenig<br />

johanneis<strong>ch</strong> als paulinis<strong>ch</strong>: sie ist vielmehr katholis<strong>ch</strong>, und dass er mit <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> si<strong>ch</strong> in vielem<br />

verbunden fühlte, hat Thiers<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t geleugnet. Die römis<strong>ch</strong>e zog ihn glei<strong>ch</strong>wohl ni<strong>ch</strong>t an, weil er in ihr den<br />

Gegensatz gegen die evangelis<strong>ch</strong>en Wahrheiten zu deutli<strong>ch</strong> verspürte; die grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e wäre ihm sonst wohl am<br />

sympathis<strong>ch</strong>sten gewesen, aber dort fand er kein Leben mehr. Und in <strong>der</strong> protestantis<strong>ch</strong>en wollte man seine<br />

For<strong>der</strong>ungen ni<strong>ch</strong>t verstehen; ja was ihm am hö<strong>ch</strong>sten galt, fand er hier misskannt, verna<strong>ch</strong>lässigt, lei<strong>ch</strong>thin<br />

preisgegeben, wenn ni<strong>ch</strong>t gar böswillig angegriffen. So war er denn dem Boden, auf wel<strong>ch</strong>em er stand,<br />

innerli<strong>ch</strong>st entfremdet und vermo<strong>ch</strong>te den ihn übernehmenden Eindrücken <strong>der</strong> neuen Geistesgaben, die das<br />

Wirken <strong>der</strong> Apostel aus dem Westen ihm nahe zu bringen s<strong>ch</strong>ien, ni<strong>ch</strong>t zu wi<strong>der</strong>stehen" (v. Orelli a.a.O.).<br />

"Thiers<strong>ch</strong> konnte an Tertullian erinnern; er hatte zwar ni<strong>ch</strong>t das leidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Feuer jenes heissblütigen<br />

Afrikaners und sein Stil zeigte ni<strong>ch</strong>ts von <strong>der</strong> stossweisen Gedrängtheit tertullianis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>riften, vielmehr trug<br />

alles was er s<strong>ch</strong>rieb die ruhige Klarheit und das s<strong>ch</strong>öne Mass eines S<strong>ch</strong>ülers <strong>der</strong> Alten an si<strong>ch</strong>. Aber in ihm selbst<br />

war immer etwas Düsteres, und sein grosser religiös-sittli<strong>ch</strong>er Ernst war pessimistis<strong>ch</strong> gestimmt und zu<br />

Übertreibung geneigt. Das gewöhnli<strong>ch</strong>e Christentum ward ihm lei<strong>ch</strong>t langweilig, sein Geist verlangte na<strong>ch</strong><br />

stärker gewürzter Speise, und seine Studien über die erste <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> mo<strong>ch</strong>ten ihm jene <strong>ch</strong>arismatis<strong>ch</strong>en Zeiten als<br />

Ideal ers<strong>ch</strong>einen lassen" (Luthardt a.a.O.).<br />

Die Wirkung jenes Carlyles<strong>ch</strong>en Besu<strong>ch</strong>es ma<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> bald genug in Thiers<strong>ch</strong>' Lehrweise und<br />

sonstigem Wirken bemerkli<strong>ch</strong>. Das es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e Element, getragen von heilsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Typologie und<br />

allegorisieren<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>riftbehandlung, trat in seinen Vorlesungen und Predigten in zunehmen<strong>der</strong> Stärke hervor.<br />

Seine Zuhörers<strong>ch</strong>aft begann si<strong>ch</strong> zu teilen; einen kleineren Teil zog das Eigentümli<strong>ch</strong>e seiner Betra<strong>ch</strong>tungsweise<br />

aufs stärkste an; eine zunehmende Mehrheit wandte si<strong>ch</strong> von ihm ab. Während <strong>der</strong> aufgeregten Zeiten des<br />

Revolutionsjahres 1848 behauptete er no<strong>ch</strong> den gewohnten Einfluss auf weitere Kreise; hier vermo<strong>ch</strong>te er es<br />

no<strong>ch</strong> bei einer Pastoralkonferenz zu Ziegenhain dur<strong>ch</strong> eine Anspra<strong>ch</strong>e über die Vorzei<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Zukunft Christi<br />

auf Grund von 2 Th 2 die ganze Versammlung hinzureissen und in mä<strong>ch</strong>tige Erregung zu versetzen. Gegen das<br />

folgende Jahr wurde es an<strong>der</strong>s; seine Verbindungen mit England wurden bekannt; man erfuhr, dass er in <strong>der</strong><br />

Stille die apostolis<strong>ch</strong>e Ordination erhalten hatte, dass er das kleine Häuflein seiner Marburger Anhänger mit<br />

Wort und Sakrament bediente, dass er die Aufsi<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> über die übrigen in norddeuts<strong>ch</strong>en Städten si<strong>ch</strong><br />

bildenden apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden übernahm und infolge davon öfters zu ausgedehnten Reisen genötigt<br />

wurde. Wie je<strong>der</strong>mann in seiner Umgebung, so erkannte er selbst, dass seine Stellung in <strong>der</strong> theologis<strong>ch</strong>en<br />

Fakultät einer evangelis<strong>ch</strong>en Landeskir<strong>ch</strong>e unhaltbar geworden war. Am 1. August 1849 bat er das kurhessis<strong>ch</strong>e<br />

Ministerium um Enthebung von seiner theologis<strong>ch</strong>en Professur – kurz vor dem Antritt einer Reise na<strong>ch</strong> England,<br />

wel<strong>ch</strong>e seine Bande mit den Führern des Irvingismus no<strong>ch</strong> enger zu knüpfen diente, sowie kurz vor<br />

Überrei<strong>ch</strong>ung eines offenen Sends<strong>ch</strong>reibens an den Marburger lutheris<strong>ch</strong>en Superintendenten Merle und an alle<br />

evangelis<strong>ch</strong>en Pfarrer Hessens, worin er auf Grund von AG 24, 14 – 16 Re<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aft gab über seinen Ans<strong>ch</strong>luss<br />

an die irvingitis<strong>ch</strong>en Gemeinden und über dessen Beweggründe. No<strong>ch</strong> fuhr er, auf Wuns<strong>ch</strong> des Ministers<br />

Eberhard, wärend des Wintersemesters 1849/50 zu lesen fort; aber im Frühling 1850 untersagte das neue<br />

Ministerium Hassenpflug-Vilmar ihm die fernere <strong>Aus</strong>übung seiner akademis<strong>ch</strong>en Lehrwirksamkeit, die er nun,<br />

so weit sie eine theologis<strong>ch</strong>e gewesen, für immer einstellte. – Sein Wuns<strong>ch</strong>, wenigstens eine philologis<strong>ch</strong>historis<strong>ch</strong>e<br />

Dozententätigkeit ausüben zu können, wurde ihm, ungea<strong>ch</strong>tet er 1853 si<strong>ch</strong> bei <strong>der</strong> Marburger<br />

philosophis<strong>ch</strong>en Fakultät als Privatdozent habilitiert hatte, dur<strong>ch</strong> die seinen Einfluss für<strong>ch</strong>tende Regierung<br />

zunä<strong>ch</strong>st no<strong>ch</strong> vereitelt. Erst seit 1858, na<strong>ch</strong> inzwis<strong>ch</strong>en eingetretenem Ministerwe<strong>ch</strong>sel, wurde ihm das Halten<br />

von Vorlesungen über Gegenstände <strong>der</strong> klassis<strong>ch</strong>en Philologie und <strong>der</strong> alten <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> gestattet; do<strong>ch</strong> konnte,<br />

was er auf diesem Gebiete wirkte, ni<strong>ch</strong>t gerade bedeutend genannt werden. Immerhin blieb sein Wirkungskreis<br />

während <strong>der</strong> auf seinen <strong>Aus</strong>tritt aus <strong>der</strong> theologis<strong>ch</strong>en Fakultät gefolgten weiteren 14 Jahre seines Marburger<br />

Aufenthaltes keineswegs auf die Pastorierung <strong>der</strong> kleinen irvingianis<strong>ch</strong>en Gemeinden zu Marburg und Kassel<br />

bes<strong>ch</strong>ränkt. Vermöge jener s<strong>ch</strong>on erwähnten ephoralen Stellung in Bezug auf sämtli<strong>ch</strong>e norddeuts<strong>ch</strong>e<br />

Gemeinden <strong>der</strong> Sekte hatte er die Stelle eines Reisepredigers auszuüben, die ihm zur Erstreckung seines<br />

Einflusses in weite Kreise Anlass gewährte, ihm u.a. gelegentli<strong>ch</strong> eine Audienz bei König Friedri<strong>ch</strong> Wilhelm IV.<br />

in Berlin Gelegenheit zur Darlegung des Eigentümli<strong>ch</strong>en seiner Ans<strong>ch</strong>auungen und Bestrebungen bot und<br />

ausserdem regelmässig wie<strong>der</strong>kehrende Besu<strong>ch</strong>e Englands, behufs Teilnahme an den Jahreskonferenzen <strong>der</strong><br />

Leiter seiner Gemeins<strong>ch</strong>aft, bedingte. Seit 1860 übernahm er die Pflege <strong>der</strong> irvingianis<strong>ch</strong>en Gemeinden<br />

Quellenmaterial Seite 28


Süddeuts<strong>ch</strong>lands und <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz, wel<strong>ch</strong>e er zunä<strong>ch</strong>st vier Jahre hindur<strong>ch</strong> von Marburg aus übte, bis zu seiner<br />

Übersiedelung na<strong>ch</strong> seiner Vaterstadt Mün<strong>ch</strong>en im Juli 1864. Auf den um die Mitte <strong>der</strong> se<strong>ch</strong>ziger Jahre in<br />

Oberdeuts<strong>ch</strong>land, beson<strong>der</strong>s in Bayris<strong>ch</strong>-S<strong>ch</strong>waben (wo übrigens s<strong>ch</strong>on gegen Ende des vorhergehenden<br />

Jahrzehnts mehrere Übertritte angesehener katholis<strong>ch</strong>er Geistli<strong>ch</strong>er, wie Dekan Lutz, Domvikar Spindler etc.<br />

zu <strong>der</strong> Sekte stattgefunden hatten) hervorgetretenen Aufs<strong>ch</strong>wung <strong>der</strong> irvingianis<strong>ch</strong>en Propaganda hat Thiers<strong>ch</strong><br />

teils direkt, teils indirekt, beson<strong>der</strong>s dur<strong>ch</strong> seinen S<strong>ch</strong>wiegersohn Geering, Prediger <strong>der</strong> Augsburger Gemeinde<br />

seit 1865, eingewirkt. Er selbst vertaus<strong>ch</strong>te 1869 Mün<strong>ch</strong>en mit Augsburg als seinem Wohnsitz und unmittelbaren<br />

pastoralen Wirkungskreise. Sein letztes Jahrzehnt, seit 1875, hat er in Basel zugebra<strong>ch</strong>t, ni<strong>ch</strong>t mehr als<br />

"Evangelist" einer dortigen apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde, son<strong>der</strong>n als "Hirte" d.i. Oberhirte sämtli<strong>ch</strong>er Irvingianergemeinden<br />

<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz, Süddeuts<strong>ch</strong>lands und Österrei<strong>ch</strong>s. Einen regen persönli<strong>ch</strong>en Verkehr mit positiven<br />

Theologen <strong>der</strong> vers<strong>ch</strong>iedensten Denominationen hat er während <strong>der</strong> ganzen Dauer dieses seines praktis<strong>ch</strong>en<br />

Wirkens auf vers<strong>ch</strong>iedenen Posten unausgesetzt unterhalten, und wie er selbst hieraus rei<strong>ch</strong>en Gewinn zog und<br />

bis in sein höheres Alter hinein eine ungewöhnli<strong>ch</strong>e Fris<strong>ch</strong>e und Fülle seines geistigen Interessenkreises si<strong>ch</strong><br />

si<strong>ch</strong>erte, so hat er ni<strong>ch</strong>t aufgehört, wie s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong> so dur<strong>ch</strong> eine ausgedehnte Korrespondenz, dur<strong>ch</strong><br />

Behandlung <strong>der</strong> vers<strong>ch</strong>iedenartigsten Themata in wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Vorträgen für weitere Kreise, und dur<strong>ch</strong><br />

persönli<strong>ch</strong>en Verkehr weit über das engere Berei<strong>ch</strong> seiner kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft hinaus anregend zu wirken.<br />

Zahlrei<strong>ch</strong>e ältere wie jüngere Theologen und religiös geri<strong>ch</strong>tete Laien sind ihm auf diese Weise nahe gekommen.<br />

Au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Verfasser dieses Artikels durfte während <strong>der</strong> letzten Jahre von Thiers<strong>ch</strong>' Marburger Aufenthalt<br />

gelegentli<strong>ch</strong> mehrfa<strong>ch</strong>en Verkehrs in seinem gastli<strong>ch</strong>en Hause seine na<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedenen Seiten hin anregende<br />

Einwirkung mit Dank erfahren (vgl. Ev. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzeit. 1886, Nr. 4). Seit dem vatikanis<strong>ch</strong>en Konzil waren es<br />

beson<strong>der</strong>s die Theologen des Altkatholizismus und unter ihnen namentli<strong>ch</strong> Döllinger, mit wel<strong>ch</strong>en Thiers<strong>ch</strong> gern<br />

über theologis<strong>ch</strong>e und kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Fragen verkehrte.<br />

Sein s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>affen gewann infolge seines Ans<strong>ch</strong>lusses an den Irvingismus einerseits an<br />

Vielseitigkeit <strong>der</strong> behandelten Stoffe und an Fris<strong>ch</strong>e und Glanz <strong>der</strong> Darstellung, an<strong>der</strong>erseits zeigte es im Punkte<br />

<strong>der</strong> wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Tiefe und Gründli<strong>ch</strong>keit einen unleugbaren Rückgang. Ungefähr no<strong>ch</strong> auf glei<strong>ch</strong>er Höhe<br />

mit den Erstlingsarbeiten <strong>der</strong> Marburger Zeit hält si<strong>ch</strong> sein 1852 veröffentli<strong>ch</strong>tes Apostolis<strong>ch</strong>es Zeitalter, worin<br />

er aus jenem mehr prinzipiell gehaltenen und analytis<strong>ch</strong> voruntersu<strong>ch</strong>enden "Versu<strong>ch</strong>" wi<strong>der</strong> Bauer das Fazit in<br />

Gestalt einer übersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en pragmatis<strong>ch</strong>-historis<strong>ch</strong>en Darstellung zieht ("Die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im apostolis<strong>ch</strong>en Zeitalter<br />

und die Entstehung <strong>der</strong> neutestamentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften", Frankfurt a.M. 1852; 3. Aufl., Augsburg 1877). Für das<br />

eigentümli<strong>ch</strong> Milde, Ökumenis<strong>ch</strong>e, von engherzigem <strong>Sekten</strong>geist Freie seiner <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Welt- und<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsansi<strong>ch</strong>t ist die Haltung dieses Werkes <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>; dasselbe betont we<strong>der</strong> bei Behandlung <strong>der</strong><br />

apostolis<strong>ch</strong>en Charismen no<strong>ch</strong> sonst die Son<strong>der</strong>meinungen seiner Partei auffällig stark; enthält si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> aller<br />

zeitges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Anspielungen und polemis<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>fälle. An Eigentümli<strong>ch</strong>keiten <strong>der</strong> ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tsansi<strong>ch</strong>t, sowie <strong>der</strong> Auffassung und Lösung einzelner isagogis<strong>ch</strong>-kritis<strong>ch</strong>er Probleme fehlt es<br />

selbstverständli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, und trotz <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> die ganze Anlage des Werks bedingten Knappheit <strong>der</strong> Fassung und<br />

Fernhaltung alles gelehrten Apparats weiss <strong>der</strong> Verfasser jede seiner Annahmen geistvoll zu begründen und in<br />

ein mögli<strong>ch</strong>st günstiges Li<strong>ch</strong>t zu setzen. – Einen gediegenen Beitrag zur <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Sozialethik bot Thiers<strong>ch</strong> in<br />

seinem zwei Jahre na<strong>ch</strong> dem ersten Ers<strong>ch</strong>einen des "Apost. Zeitalters" veröffentli<strong>ch</strong>ten Bü<strong>ch</strong>lein. "Über<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>es Familienleben" (Frankfurt und Erlangen 1854, 7. Aufl. 1876), glei<strong>ch</strong> ausgezei<strong>ch</strong>net dur<strong>ch</strong> die<br />

Geistes- und Gemütstiefe seines Inhalts wie dur<strong>ch</strong> die edle Klassizität seiner Diktion. Eine Art von sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />

Ergänzung zu dieser vor allen übrigen in weiteren Kreisen beliebt gewordenen kleinen S<strong>ch</strong>rift lieferte Thiers<strong>ch</strong><br />

in seinem vorgerückteren Alter dur<strong>ch</strong> Veröffentli<strong>ch</strong>ung des Bu<strong>ch</strong>es "Vom <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Staat" (Frankfurt 1875).<br />

Er su<strong>ch</strong>t darin die Anwendung <strong>der</strong>selben <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Grundsätze, wie er sie dort in Bezug auf die Familie<br />

geltend gema<strong>ch</strong>t, auf das Staats- und Volksleben als notwendig zu erweisen und "die auf diesen Gebieten<br />

gegenwärtig hervortretenden Probleme im Li<strong>ch</strong>te des Christentums zu betra<strong>ch</strong>ten". Seine na<strong>ch</strong> strenger<br />

Re<strong>ch</strong>tsans<strong>ch</strong>auung normierte, klar dur<strong>ch</strong>gebildete und <strong>ch</strong>araktervolle politis<strong>ch</strong>e Denkweise, wie er sie früher<br />

wie<strong>der</strong>holt gelegentli<strong>ch</strong> bedeutsamer Krisen des deuts<strong>ch</strong>en Vaterlandes zum <strong>Aus</strong>druck gebra<strong>ch</strong>t hatte (beson<strong>der</strong>s<br />

1848, in öffentli<strong>ch</strong>en Vorträgen gegen seinen sozialdemokratis<strong>ch</strong>en Kollegen Prof. Bayrhoffer zu Marburg;<br />

sodann 1866 in einem Briefe an Dr. Fabri in Barmen), legt er hier ges<strong>ch</strong>ickt und mit eindringli<strong>ch</strong>er Wirkung im<br />

Zusammenhange dar – "glei<strong>ch</strong>sehr liberal, wo es si<strong>ch</strong> um die Freiheit des göttli<strong>ch</strong>en Re<strong>ch</strong>tes handelt, als<br />

strengkonservativ, wo es göttli<strong>ch</strong>e Ordnungen zu s<strong>ch</strong>irmen und zu erhalten gilt" (P. Wigand S. 800). – Zur<br />

Darlegung des Wesentli<strong>ch</strong>en seiner politis<strong>ch</strong>en Ans<strong>ch</strong>auungen boten ihm au<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e jener populären Vorträge<br />

ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Inhalts Gelegenheit, wie er sie seit seinen letzten Marburger Jahren an vers<strong>ch</strong>iedenen Orten hielt<br />

und teils in monographis<strong>ch</strong>er Form, teils als Zeits<strong>ch</strong>riftenartikel veröffentli<strong>ch</strong>te. Es gehören dahin die beson<strong>der</strong>s<br />

wegen ihrer genialen S<strong>ch</strong>lussbetra<strong>ch</strong>tungen über die Orientpolitik <strong>der</strong> europäis<strong>ch</strong>en Grossmä<strong>ch</strong>te lesenswerte<br />

S<strong>ch</strong>rift: "Grie<strong>ch</strong>enlands S<strong>ch</strong>icksale vom Anfang des Befreiungskrieges (1821) bis auf die gegenwärtige Krisis"<br />

(Frankfurt 1863; die geistvolle Trias biographis<strong>ch</strong>er Skizzen: "Luther, Gustav Adolf und Maximilian I. von<br />

Bayern" (1869), die anziehende Betra<strong>ch</strong>tung über "Ursprung und Entwicklung <strong>der</strong> Kolonien Nordamerikas"<br />

(1880), die Studie über "Edmund Ludlow und seine Unglücksgefährten in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz" (1881), sowie mehrere<br />

Abhandlungen in <strong>der</strong> Allgemeinen konservativen Monatss<strong>ch</strong>rift seit 1879 (über Napoleon I., über Abessinien<br />

Quellenmaterial Seite 29


etc). – Als teils dem politis<strong>ch</strong>en, beziehungsweise sozialpolitis<strong>ch</strong>en, teils dem ethis<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>e angehörige<br />

Gelegenheitss<strong>ch</strong>riften reihen wir den hier erwähnten na<strong>ch</strong> an: "Das Verbot <strong>der</strong> Ehe innerhalb <strong>der</strong> nahen<br />

Verwandts<strong>ch</strong>aft, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> hl. S<strong>ch</strong>rift und na<strong>ch</strong> den Grundsätzen <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> dargestellt" (1869);<br />

"Über vernünftige und <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>" (1864); "Die Strafgesetze in Bayern zum S<strong>ch</strong>utze <strong>der</strong><br />

Sittli<strong>ch</strong>keit, den neuesten Abs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ungsversu<strong>ch</strong>en gegenüber verteidigt" (1868); "Über die Gefahren und die<br />

Hoffnungen <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Fünf Vorträge", 1877; 2. Aufl. 1878.<br />

Die letztgenannte Zusammenstellung von Vorträgen leitet hinüber zu den S<strong>ch</strong>riften praktis<strong>ch</strong>erbauli<strong>ch</strong>en<br />

Inhalts, <strong>der</strong>en Thiers<strong>ch</strong> mehrere hinterlassen hat. Es gehören dahin: "Am Anfang und am Ende des<br />

Krieges. Drei Predigten" (1871); "Homilien über die Sonntagsevangelien <strong>der</strong> Fastenzeit" (1874); sowie einige<br />

Beiträge zur erbauli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftauslegung: "Die Glei<strong>ch</strong>nisse Christi na<strong>ch</strong> ihrer moralis<strong>ch</strong>en und prophetis<strong>ch</strong>en<br />

Bedeutung" (2. Aufl. 1875); "Die Bergpredigt Christi na<strong>ch</strong> ihrer Bedeutung für die Gegenwart" (2. Aufl. 1878);<br />

"Die Genesis na<strong>ch</strong> ihrer moralis<strong>ch</strong>en und prophetis<strong>ch</strong>en Bedeutung" 1869 (2. Aufl. 1877 unter dem Titel: "Die<br />

Anfänge <strong>der</strong> heiligen <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> na<strong>ch</strong> dem 1. Bu<strong>ch</strong> Mosis") und : "Blicke in die Lebensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des Propheten<br />

Daniel" (1884). Interessanten Inhalts ist die während des Basler Aufenthalts von Thiers<strong>ch</strong> in Gemeins<strong>ch</strong>aft mit<br />

einem seiner Söhne ausgearbeitete und pseudonym veröffentli<strong>ch</strong>te S<strong>ch</strong>rift: "Die Physiognomie des Mondes.<br />

Versu<strong>ch</strong> einer neuen Deutung im Ans<strong>ch</strong>luss an die Arbeiten von Mädler, Carpenter, Nasmyth etc. Von Asterios<br />

(Nördlingen 1879; 2. Aufl. Augsburg 1883). Es ist das Problem <strong>der</strong> Entstehung des Mondes und im<br />

Zusammenhange damit das <strong>der</strong> Genesis des Planetensystems überhaupt, das er in dieser anziehend<br />

ges<strong>ch</strong>riebenen und mit Li<strong>ch</strong>tdrucktafeln ausgestatteten S<strong>ch</strong>rift einer genaueren Untersu<strong>ch</strong>ung unterwirft. Das<br />

<strong>der</strong>malige, mit Lö<strong>ch</strong>ern und Narben bedeckte <strong>Aus</strong>sehen <strong>der</strong> Mondoberflä<strong>ch</strong>e su<strong>ch</strong>t er aus urzeitli<strong>ch</strong>en<br />

Katastrophen von <strong>der</strong> Art heutiger Meteorsteinfälle o<strong>der</strong> Meteoritenregen zu erklären, indem er Hypothesen<br />

verwandter Art in Bezug auf Werden und Gestaltung <strong>der</strong> Planeten, <strong>der</strong> Sonne etc. damit kombiniert und so einen<br />

Beitrag zur Himmelskosmogenie (direkt entgegengesetzt <strong>der</strong> Laplaces<strong>ch</strong>en Weltbildungshypothese, dagegen<br />

verwandt <strong>der</strong> Proctors<strong>ch</strong>en Agglomerationstheorie) darbietet o<strong>der</strong> wenigstens anzuregen su<strong>ch</strong>t. Die von genialem<br />

S<strong>ch</strong>arfsinn und von ni<strong>ch</strong>t unbeträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Belesenheit und Erudition auf astro-physikalis<strong>ch</strong>em Gebiete zeugende<br />

S<strong>ch</strong>rift ist, wie si<strong>ch</strong> dies kaum an<strong>der</strong>s erwarten liess, seitens <strong>der</strong> zünftigen Naturfors<strong>ch</strong>er nur wenig bea<strong>ch</strong>tet<br />

worden, beanspru<strong>ch</strong>t aber als Denkmal von <strong>der</strong> bewun<strong>der</strong>nswerten Vielseitigkeit <strong>der</strong> wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Bestrebungen und Kenntnisse ihres Autors jedenfalls ein hohes Interesse.<br />

Diejenigen literaris<strong>ch</strong>en Arbeiten aus Thiers<strong>ch</strong>s irvingianis<strong>ch</strong>er Epo<strong>ch</strong>e, <strong>der</strong>en Verdienstli<strong>ch</strong>keit am<br />

wenigsten bestritten werden kann und die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> eine allseitige Anerkennung, au<strong>ch</strong> ausserhalb des engeren<br />

Kreises seiner Verehrer, gefunden haben, gehören dem Berei<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Biographie an. Diesen Zweig <strong>der</strong><br />

historis<strong>ch</strong>en Literatur kultivierte er mit hervorragen<strong>der</strong> Meisters<strong>ch</strong>aft, mo<strong>ch</strong>ten es nun Persönli<strong>ch</strong>keiten aus mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger entlegener Vergangenheit, an wel<strong>ch</strong>en er si<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>te, o<strong>der</strong> Zeitgenossen und ihm selbst<br />

nahestehende Personen sein. Einiges hierher Gehörige ist bereits oben in an<strong>der</strong>em Zusammenhange von uns<br />

genannt worden. Als eine Ergänzung zu jenem Lebensbilde des deuts<strong>ch</strong>en Reformators, das er mit dem Gustav<br />

Adolfs und Max I. von Bayern herausgegeben hatte, liess er später eine mit Meisterhand gezei<strong>ch</strong>nete Skizze vom<br />

Praeceptor Germaniae folgen (Melan<strong>ch</strong>thon. Vortrag 1877); desglei<strong>ch</strong>en ein Lebensbild J. Wesleys (1879), und<br />

ein sol<strong>ch</strong>es von Lavater (1881). Liegt <strong>der</strong> Wert sol<strong>ch</strong>er knapp gehaltenen Skizzen naturgemäss weniger im<br />

Zutageför<strong>der</strong>n neuer Aufs<strong>ch</strong>lüsse als in <strong>der</strong> geistvoll <strong>ch</strong>arakterisierenden Art des Zei<strong>ch</strong>nens, so tritt in dem, was<br />

Thiers<strong>ch</strong> an Beiträgen zur Biographie <strong>der</strong> unmittelbaren Zeitgenossens<strong>ch</strong>aft geliefert hat, ein rei<strong>ch</strong>es Quantum<br />

originaler Mitteilungen und gewissenhaft ausges<strong>ch</strong>öpften Quellenmaterials hinzu. Die drei Männer, wel<strong>ch</strong>e er als<br />

Gegenstände eines sol<strong>ch</strong>en eingehen<strong>der</strong>en S<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>ns si<strong>ch</strong> erwählt hat, gehörten zu seinen nä<strong>ch</strong>sten, ihm<br />

teuersten Verwandten. Zuerst war es ein mit lieben<strong>der</strong> Hand gezei<strong>ch</strong>netes Lebens- und Charakterbild seines<br />

S<strong>ch</strong>wagers, des frühverstorbenen v. S<strong>ch</strong>aden, womit er si<strong>ch</strong> auf diesem Felde <strong>der</strong> zeitgenössis<strong>ch</strong>-biographis<strong>ch</strong>en<br />

Literatur legitimierte (Erinnerungen an Emil August v. S<strong>ch</strong>aden, Frankfurt 1853); dann galt es dem teuern Vater<br />

und seinen hervorragenden Verdiensten um die klassis<strong>ch</strong>e Altertumswissens<strong>ch</strong>aft, das bayeris<strong>ch</strong>e und deuts<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>ulwesen und die Befreiung Grie<strong>ch</strong>enlands ein ehrendes Denkmal zu setzen (Friedri<strong>ch</strong> Thiers<strong>ch</strong>s Leben, 2<br />

Bände, Leipzig 1866); endli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>t er in ähnli<strong>ch</strong>er <strong>Aus</strong>führli<strong>ch</strong>keit die Wirksamkeit seines S<strong>ch</strong>wiegervaters<br />

Zeller (Christian Heinri<strong>ch</strong> Zellers Leben, 2 Bände, Basel 1876). <strong>Aus</strong>ser dem religiös-kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>e, und<br />

teilweise mehr als das, waren es die Gebiete <strong>der</strong> spekulativen Philosophie, <strong>der</strong> klassis<strong>ch</strong>en Philologie, <strong>der</strong><br />

Pädagogik und des mo<strong>der</strong>nen geistigen Kulturlebens überhaupt, über <strong>der</strong>en ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Entwicklung in<br />

neuerer Zeit hier wertvolle Aufs<strong>ch</strong>lüsse gespendet wurden.<br />

Wie aus <strong>der</strong> hier vorgeführten Reihe <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>riften von Thiers<strong>ch</strong>, die mit ihren Publikationsterminen bis<br />

in sein vorletztes Lebensjahr hineinrei<strong>ch</strong>t, ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ist, hat seine literaris<strong>ch</strong>e Produktivität bis in sein höheres<br />

Alter ohne wesentli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung fortgedauert. Die volle geistige Fris<strong>ch</strong>e und Rüstigkeit, <strong>der</strong>en er si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Basler Zeit, während er dem 70. Jahre immer näher rückte, erfreuen durfte, beruhte in ni<strong>ch</strong>t<br />

unwesentli<strong>ch</strong>em Masse darauf, dass er mit geistigem Verausgaben ein einnehmendes und assimilierendes<br />

Verhalten stets zweckmässig zu verbinden wusste. "[hier drei Worte in grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftzei<strong>ch</strong>en]" rief, mit<br />

Solons Worten, <strong>der</strong> 65jährige Greis in Basel seinem S<strong>ch</strong>wiegersohne zu, als dieser ihn aus einer historis<strong>ch</strong>en<br />

Vorlesung Jak. Burkhardts kommen sah. Neben den Vorträgen dieses Historikers waren es die von Steffensen<br />

Quellenmaterial Seite 30


über <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> <strong>der</strong> Philosophie, wovon <strong>der</strong> greise Basler Studierende si<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>s angezogen fühlte. In<br />

seinem teils lernenden teils lehrenden wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Verkehr und Ideenaustaus<strong>ch</strong> griff er aber no<strong>ch</strong> viel<br />

weiter, und für fru<strong>ch</strong>tbringende Wie<strong>der</strong>gabe und lehrhafte Verwertung dessen, was er auf diese Weise in si<strong>ch</strong><br />

aufnahm, sorgte er dur<strong>ch</strong> Beteiligung an öffentli<strong>ch</strong>en Wintervorträgen vor wissbegierigem Laienpublikum, sowie<br />

dur<strong>ch</strong> Abhaltung jener "gemütli<strong>ch</strong>en Privatissima" über biblis<strong>ch</strong>-exegetis<strong>ch</strong>e Materien (AG, Hebräerbriet etc), zu<br />

wel<strong>ch</strong>en er Theologiestudierende bis kurz vor seinem Ende um si<strong>ch</strong> zu versammeln pflegte. "Die Weltges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

blieb ihm ein Lieblingsfa<strong>ch</strong>, wo er, namentli<strong>ch</strong> in Bezug auf England, selbstständige Studien ma<strong>ch</strong>te; die<br />

neuesten Entdeckungen auf physikalis<strong>ch</strong>em Gebiete elektrisierten ihn ebenso, wie die <strong>Aus</strong>grabungen des<br />

Ägyptologen und Assyriologen ... Kurz, <strong>der</strong> Humanist war bei ihm ni<strong>ch</strong>t begraben, son<strong>der</strong>n so aufgeweckt, dass<br />

man si<strong>ch</strong> wohl etwa fragte, wie dieses vielges<strong>ch</strong>äftige Interesse mit <strong>der</strong> Erwartung <strong>der</strong> Zukunft des Herrn als<br />

einer unmittelbar bevorstehenden si<strong>ch</strong> reime. Allein au<strong>ch</strong> hierin bestand für ihn kein Gegensatz. Der<br />

S<strong>ch</strong>werpunkt seines Wesens und <strong>der</strong> Zielpunkt seines Strebens wurde dur<strong>ch</strong> jenes Vielerlei seiner<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Interessen ni<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>oben: das "Alles ist euer, ihr aber seid Christi" war in ihm zur<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit geworden ... Wie lebte er do<strong>ch</strong> auf, als (Anfang 1884) die neu aufgefundene "Lehre <strong>der</strong> Apostel"<br />

aus dem 2. Jahrhun<strong>der</strong>t bekannt wurde ! Das war Geist von seinem Geist: eine s<strong>ch</strong>on ziemli<strong>ch</strong> gesetzli<strong>ch</strong><br />

gewordene <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nordnung, wel<strong>ch</strong>e do<strong>ch</strong> den "Propheten" no<strong>ch</strong> so viel Spielraum liess – das war ein Bild,<br />

wel<strong>ch</strong>es auf ihn, wie er sagte, einen "rührenden Eindruck ma<strong>ch</strong>te; daraus wehte ihm heimatli<strong>ch</strong>e Luft entgegen"<br />

(v. Orelli a.a.O., S. 412 f). – Dass er an den prophetis<strong>ch</strong>-es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>en Ans<strong>ch</strong>auungen und Erwartungen des<br />

Irvingianismus bis an sein Ende mit voller Überzeugung festhielt, gab si<strong>ch</strong> weniger in den S<strong>ch</strong>riften seiner<br />

letzten Jahre ( - do<strong>ch</strong> vgl. unter diesen jene s<strong>ch</strong>on erwähnten Vorträge über die "Gefahren und Hoffnungen <strong>der</strong><br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>" - ), als in mündli<strong>ch</strong>en Äusserungen zu erkennen, beson<strong>der</strong>s in sol<strong>ch</strong>en, die er an den engeren Kreis<br />

seiner Freunde und Angehörigen ri<strong>ch</strong>tete. Zu seinem S<strong>ch</strong>wiegersohne P. Wigand sagte er einst, als dieser ihm<br />

erzählte, er werde in Norddeuts<strong>ch</strong>land von Gegnern <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden oft gefragt, was diese<br />

tun würden, wenn nun au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> letzte ihrer Apostel vor dem Kommen des Herrn dahin stürbe:<br />

"Ni<strong>ch</strong>t wir werden etwas tun, son<strong>der</strong>n wir haben nur darauf zu a<strong>ch</strong>ten, was <strong>der</strong> Herr tut ! Und was <strong>der</strong><br />

im entgegengesetzten Falle zu tun vor hat, wissen wir ni<strong>ch</strong>t, kann uns au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t beunruhigen" (Wigand<br />

a.a.O., S. 810). [Bea<strong>ch</strong>tenswert: Worte, wie sie au<strong>ch</strong> im Jahre 2001 in <strong>der</strong> <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gepredigt<br />

werden könnten!]<br />

Während des Winters 1884/85 befiel Thiers<strong>ch</strong>, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> bis dahin, abgesehen von <strong>der</strong>, seit seiner<br />

Kindheit ihm anhaftenden Lähmung des einen Fusses, einer guten Gesundheit erfreut hatte, ein Leiden ernsterer<br />

und s<strong>ch</strong>merzhafter Art, das ihn zu allmähli<strong>ch</strong>er Eins<strong>ch</strong>ränkung seiner literaris<strong>ch</strong>en Tätigkeit auf blosse Lektüre<br />

nötigte. Es entwickelte si<strong>ch</strong> Tuberkulose, die den ganzen Körper ergriff, und, na<strong>ch</strong> mehrmonatli<strong>ch</strong>em s<strong>ch</strong>werem<br />

Leiden, in <strong>der</strong> Frühe des 3. Dezember 1885 seinen Tod herbeiführte. – In seinem literaris<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>lass befand<br />

si<strong>ch</strong>, ausser einem kurzen (als Manuskript gedruckten und auf einen engeren Kreis von S<strong>ch</strong>ülern und Anhängern<br />

bes<strong>ch</strong>ränkt gebliebenen) Abriss einer Pastoraltheologie, ein ni<strong>ch</strong>t ganz zum Abs<strong>ch</strong>luss gediehenes populärdogmatis<strong>ch</strong>es<br />

Lehrbu<strong>ch</strong> in Kate<strong>ch</strong>ismusform, wel<strong>ch</strong>es unmittelbar na<strong>ch</strong> seinem Tode unter dem Titel: "Inbegriff<br />

<strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Lehre" ers<strong>ch</strong>ien (Basel, F. S<strong>ch</strong>nei<strong>der</strong>) und ras<strong>ch</strong> eine zweite Auflage erlebte. Diese S<strong>ch</strong>rift, <strong>der</strong>en<br />

<strong>Aus</strong>arbeitung für den Druck ihn bis in seine letzte Leidenszeit hinein bes<strong>ch</strong>äftigt hatte und die in gewissem Sinne<br />

als sein geistli<strong>ch</strong>es Vermä<strong>ch</strong>tnis an die Na<strong>ch</strong>welt gelten darf, ist von ihm "dem <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Volk insgemein zur<br />

Erbauung und Belehrung, sowie <strong>der</strong> reiferen Jugend zur Mitgabe bestimmt worden" und gibt allerdings in<br />

man<strong>ch</strong>em ihr Hervorgegangensein aus dem, was Thiers<strong>ch</strong> jahraus jehrein im Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t zu lehren<br />

pflegte, zu erkennen. Aber vieles darin setzt do<strong>ch</strong> eine höhere Fassungskraft als die des <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Volks und<br />

<strong>der</strong> Jugend voraus; und trotz mehrfa<strong>ch</strong>er Anlehnung an Inhalt und <strong>Aus</strong>druck des Lutheris<strong>ch</strong>en Kathe<strong>ch</strong>ismus hat<br />

das Bu<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dauernd Eingang in lutheris<strong>ch</strong>-pastorale Kreise gewonnen. Erklärli<strong>ch</strong>; denn das spezifis<strong>ch</strong><br />

Irvingianis<strong>ch</strong>e des Lehrgehalts tritt – trotz <strong>der</strong> au<strong>ch</strong> hier wahrnehmbaren Symptome von grosser Milde und<br />

ökumenis<strong>ch</strong>er Weitherzigkeit – auf ni<strong>ch</strong>t wenigen Punkten deutli<strong>ch</strong> zu Tage. Es lautet ökumenis<strong>ch</strong> und<br />

prinzipiell anti-sektiereris<strong>ch</strong>, wenn (S. 84) es als eine "Verirrung" beklagt wird, des eingetretenen grossen<br />

Abfalls wegen si<strong>ch</strong> von <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zu trennen, o<strong>der</strong> wenn (S.81) die Spaltungen in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> mit den<br />

"Entzweiungen in einer Familie", den Streitigkeiten von Brü<strong>der</strong>n und S<strong>ch</strong>western, die zur Betrübnis ihres Vaters<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr in einem Hause wohnen wollen etc., vergli<strong>ch</strong>en werden. Allein die Art, wie vom Abfall unserer<br />

Zeiten, vom Gegensatz zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi und <strong>der</strong> im Argen liegenden Welt geredet wird, irvingisiert<br />

do<strong>ch</strong> stark genug, und <strong>der</strong> gesetzli<strong>ch</strong> katholisierende Zug, wel<strong>ch</strong>en Thiers<strong>ch</strong> überhaupt in seiner Lehrweise nie<br />

verleugnen konnte, ers<strong>ch</strong>eint ni<strong>ch</strong>t wenigen seiner Darlegungen aufgeprägt. Ein Hervortreten irvingianis<strong>ch</strong>er<br />

Son<strong>der</strong>lehren ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> ebensowohl bei <strong>der</strong> Erklärung des Vaterunsers bemerkli<strong>ch</strong> (wo das Ges<strong>ch</strong>ehen von<br />

Wun<strong>der</strong>n und Zei<strong>ch</strong>en ausdrückli<strong>ch</strong> mit zu den Gegenständen <strong>der</strong> ersten Bitte gere<strong>ch</strong>net und Luthers Satz in <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>legung <strong>der</strong> zweiten Bitte: "Gottes Rei<strong>ch</strong> kommt wohl ohne unser Gebet" geradezu bestritten wird), wie bei<br />

Behandlung <strong>der</strong> Lehre von <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> (wo u.a. die Einsetzung ni<strong>ch</strong>t "des Amtes", son<strong>der</strong>n "<strong>der</strong> Ämter" dur<strong>ch</strong><br />

Christum als <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> hervortritt), sowie vor allem bei <strong>der</strong> Sakramentslehre (wo die fünf ausserprotestantis<strong>ch</strong>en<br />

Sakramente des Katholizismus als "Nebensakramente" neben Taufe und Abendmahl ihre Stelle finden,<br />

und zumal hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Eu<strong>ch</strong>aristie die Behauptung einer Wandlung <strong>der</strong> Elemente und die For<strong>der</strong>ung einer<br />

Quellenmaterial Seite 31


Epiklesis [=Anrufung] des hl. Geistes zum Behuf dieser Wandlung als unlutheris<strong>ch</strong>e Momente si<strong>ch</strong> bemerkli<strong>ch</strong><br />

ma<strong>ch</strong>en). Wäre das Werk zur Vollendung gediehen und so au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> das Lehrstück von den letzten Dingen zu<br />

spezieller Behandlung gelangt, so würde das spezifis<strong>ch</strong> Irvingianis<strong>ch</strong>e seines Inhalts no<strong>ch</strong> fühlbarer zu Tage<br />

getreten sein. Do<strong>ch</strong> mangelt es dem Bu<strong>ch</strong>e, au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on so wie es vorliegt, ni<strong>ch</strong>t an bedeutsamen Kriterien seines<br />

Herrührens von dem Theologen, <strong>der</strong> für die Verbreitung irvingianis<strong>ch</strong>er Lehren und Ans<strong>ch</strong>auungen auf dem<br />

europäis<strong>ch</strong>en Kontinent unzweifelhaft das wi<strong>ch</strong>tigste getan hat. Zöckler +<br />

Methodisten, Adventisten<br />

und Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde (Neu-Irvingianer).<br />

Eine kurze Darstellung ihrer <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong><br />

und ihrer Lehren für Gebildete und das Volk<br />

von<br />

Dr. Max Heimbu<strong>ch</strong>er,<br />

o. Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulprofessor am K. Lyzeum in Bamberg.<br />

Mit kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Druckgenehmigung.<br />

Regensburg 1916.<br />

Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz,<br />

Bu<strong>ch</strong>- und Kunstdruckerei A.-G., Mün<strong>ch</strong>en - Regensburg<br />

Vorrede.<br />

Verehrter Herr Professor !<br />

Die <strong>Sekten</strong> <strong>der</strong> Methodisten, <strong>der</strong> Adventisten und <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde entfalten gerade<br />

jetzt in <strong>der</strong> Kriegszeit [1. Weltkrieg] eine eifrige Tätigkeit, und zwar ni<strong>ch</strong>t ohne Erfolg. I<strong>ch</strong> habe bereits einige<br />

aufklärende Vorträge über die Adventisten gehalten, wobei mir Ihr S<strong>ch</strong>rift<strong>ch</strong>en ("Die Adventisten", Bamberg<br />

1911) sehr gute Dienste leistete. I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te nun au<strong>ch</strong> über die Methodisten und über die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Gemeinde Vorträge halten; do<strong>ch</strong> fehlt es mir an <strong>der</strong> nötigen Literatur, die mir über die Bestrebungen <strong>der</strong><br />

genannten <strong>Sekten</strong> Aufklärung bieten würde. I<strong>ch</strong> bitte Sie, mir baldgefällig sol<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften zu bezei<strong>ch</strong>nen.<br />

Viellei<strong>ch</strong>t sind bereits von katholis<strong>ch</strong>er Seite Aufklärungss<strong>ch</strong>riften ers<strong>ch</strong>ienen.<br />

Indem i<strong>ch</strong> im voraus für Ihre Mühewaltung verbindli<strong>ch</strong>st danke, verbleibe i<strong>ch</strong> mit ehrerbietigem Gruss<br />

Ihr<br />

dankbarer S<strong>ch</strong>üler.<br />

____________________<br />

Ho<strong>ch</strong>würdiger Mitbru<strong>der</strong> !<br />

S<strong>ch</strong>riften, wel<strong>ch</strong>e über die Methodisten und die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde ausführli<strong>ch</strong>er<br />

unterri<strong>ch</strong>ten, sind sogar in grösseren Bibliotheken nur spärli<strong>ch</strong> vorhanden. Sie stammen auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> von<br />

ni<strong>ch</strong>tkatholis<strong>ch</strong>en Verfassern und sind zudem teilweise veraltet. I<strong>ch</strong> habe deshalb auf den folgenden Blättern das<br />

Wi<strong>ch</strong>tigste über die beiden Religionsgenossens<strong>ch</strong>aften selbst zusammengestellt. Da au<strong>ch</strong> mein S<strong>ch</strong>rift<strong>ch</strong>en über<br />

die Adventisten, soviel i<strong>ch</strong> weiss, vergriffen ist, so habe i<strong>ch</strong> die Abhandlung, mit vers<strong>ch</strong>iedenen Ergänzugen<br />

versehen, glei<strong>ch</strong>falls neu beigefügt. Ein Verzei<strong>ch</strong>nis <strong>der</strong> wi<strong>ch</strong>tigsten Literatur über alle drei Gemeins<strong>ch</strong>aften<br />

finden Sie im Anhang.<br />

Dur<strong>ch</strong> die Veröffentli<strong>ch</strong>ung meiner Arbeit im Drucke glaube i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>n Mitbrü<strong>der</strong>n einen kleinen<br />

Dienst zu erweisen. Ja, i<strong>ch</strong> zweifle ni<strong>ch</strong>t, dass au<strong>ch</strong> gebildeten Laien und weiteren Volkskreisen eine kurze<br />

Aufklärung über die drei genannten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n sehr erwüns<strong>ch</strong>t ist.<br />

Ihren Bemühungen besten Erfolg wüns<strong>ch</strong>end, bin i<strong>ch</strong> mit freundli<strong>ch</strong>em Gruss<br />

Bamberg, am heiligen Osterfeste<br />

(23. April) 1916.<br />

Ihr<br />

dienstbereiter Lehrer<br />

Professor Dr. Max Heimbu<strong>ch</strong>er.<br />

Quellenmaterial Seite 32


3. Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde (Neu-Irvingianer).<br />

Die Entstehungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Neu-Irvingianer führt uns von<br />

Amerika wie<strong>der</strong> na<strong>ch</strong> Europa und zwar zunä<strong>ch</strong>st na<strong>ch</strong> England zurück. Do<strong>ch</strong> ist es ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> südli<strong>ch</strong>e Teil<br />

Grossbritanniens, in dem die Wiege des Methodismus gestanden war, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> nördli<strong>ch</strong>e Teil o<strong>der</strong><br />

S<strong>ch</strong>ottland, wo einige Jahrzehnte na<strong>ch</strong> Wesleys Tod ein an<strong>der</strong>er Erweckungsredner auftrat und den Grund zu<br />

einer neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> legen sollte. Es war Edward Irving (spri<strong>ch</strong>: Örwing).<br />

Irving wurde am 4. August 1792 in dem Städt<strong>ch</strong>en Annan im südli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ottland geboren. Seine<br />

Eltern, vermögli<strong>ch</strong>e und angesehene Lohgerberseheleute, gaben ihren drei Söhnen und fünf Tö<strong>ch</strong>tern eine gute<br />

Erziehung und hielten sie zu fleissigem <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbesu<strong>ch</strong> an, obs<strong>ch</strong>on <strong>der</strong> dem Trunk ergebene presbyterianis<strong>ch</strong>e<br />

(calvinistis<strong>ch</strong>e ) Pfarrer grossen Anstoss gab. Eduard zeigte im Gegensatz zu seinen Brü<strong>der</strong>n keinen beson<strong>der</strong>en<br />

Lerneifer, jedo<strong>ch</strong> Vorliebe für Mathematik, in die ihn ein blin<strong>der</strong> Lehrer eingeführt hatte. Mit dreizehn Jahren<br />

bezog er die Universität Edinburgh und erhielt bereits als Siebzehnjähriger auf Empfehlung seines Lehrers<br />

Leslie eine Lehrstelle für Mathematik an <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ule in Haddington. Ein Jahr darauf wurde er sogar Rektor <strong>der</strong><br />

neugegründeten Akademie in Kirkaldy. Hier befreundete er si<strong>ch</strong> mit dem englis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>reiber Thomas<br />

Carlyle (+ 1881), <strong>der</strong> an <strong>der</strong> glei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ule als Lehrer wirkte und später das englis<strong>ch</strong>e Volk mit S<strong>ch</strong>iller,<br />

Goethe und an<strong>der</strong>n deuts<strong>ch</strong>en Klassikern bekannt ma<strong>ch</strong>te.<br />

Neben den Obliegenheiten seines Lehramtes widmete si<strong>ch</strong> Irving dem Studium <strong>der</strong> Theologie und<br />

besu<strong>ch</strong>te, wenn au<strong>ch</strong> kaum regelmässig, die auf wenige Wintermonate si<strong>ch</strong> erstreckenden Vorlesungen an <strong>der</strong><br />

Universität Edinburgh. Im Juni 1815 erhielt er vom Presbyterium die Erlaubnis zu predigen. Do<strong>ch</strong> fand seine<br />

"gespreizte" Predigtweise zunä<strong>ch</strong>st keinen Beifall, und die erwüns<strong>ch</strong>te Anstellung im <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>namt blieb aus. Da<br />

au<strong>ch</strong> das Lehramt ihn ni<strong>ch</strong>t mehr befriedigte, zog er 1818 von Kirkaldy ganz na<strong>ch</strong> Edinburgh, wo er nun mit<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und naturwissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Studien si<strong>ch</strong> befasste. S<strong>ch</strong>on da<strong>ch</strong>ter er daran, als Missionär na<strong>ch</strong><br />

Persien zu gehen, als ihn <strong>der</strong> ho<strong>ch</strong>angesehene Prediger Thomas Chalmers (+ 1847) in Glasgow, <strong>der</strong> später (1843)<br />

selbst aus <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Staatskir<strong>ch</strong>e austrat und die "Freie presbyterianis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> S<strong>ch</strong>ottlands"<br />

mitbegründete, als seinen Gehilfen annahm (Oktober 1819).<br />

Irving hatte s<strong>ch</strong>on von Kirkaldy aus öfters Chalmers' Predigten besu<strong>ch</strong>t und ihn na<strong>ch</strong>zuahmen si<strong>ch</strong><br />

bemüht. Do<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te au<strong>ch</strong> in Glasgow mehr seine äussere Ers<strong>ch</strong>einung – Irving war auffallend gross und trug<br />

lange, bis zu den S<strong>ch</strong>ultern herabwallende s<strong>ch</strong>warze Haarlocken – als <strong>der</strong> Inhalt seiner langen, no<strong>ch</strong> dazu meist<br />

abgelesenen Predigten Eindruck. Grösseren Erfolg erzielte er in <strong>der</strong> Armenpflege, beim Hausbesu<strong>ch</strong> von 300<br />

Weber- und Spinnerfamilien, die ihm lange ein dankbares Andenken bewahrten.<br />

Im Jahre 1822 wurde Irving zum Minister (Seelsorger) <strong>der</strong> kleinen, kaum 50 Seelen umfassenden<br />

nationals<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en (sogenannten kaledonis<strong>ch</strong>en) Gemeinde in London gewählt. Er verabs<strong>ch</strong>iedete si<strong>ch</strong> in<br />

Glasgow mit einer (au<strong>ch</strong> im Druck ers<strong>ch</strong>ienenen) Predigt, in wel<strong>ch</strong>er er <strong>der</strong> Gemeinde dankte, dass sie ihn drei<br />

Jahre ertragen habe, und zuglei<strong>ch</strong> die Aufgabe entwickelte, die er für seine fernere Wirksamkeit si<strong>ch</strong> gesetzt<br />

hatte. Die Zeitverhältnisse erfor<strong>der</strong>ten ni<strong>ch</strong>t blosse Statisten, die an die hergebra<strong>ch</strong>te Form des Dienstes si<strong>ch</strong><br />

halten, dem abgedros<strong>ch</strong>enen Kreislauf <strong>der</strong> Pfli<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>gehen und dann befriedigt si<strong>ch</strong> nie<strong>der</strong>legen. "Es bedarf<br />

(vielmehr) waghalsiger Abenteurer, die von <strong>der</strong> erhabenen Höhe einer heiligen und himmlis<strong>ch</strong>en Gesinnung aus<br />

all den Jammer ins Auge fassen, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Religion lastet, und all die Hin<strong>der</strong>nisse, die ihren Lauf hemmen, und<br />

dann mit <strong>der</strong> Selbstverleugnung und dem Glauben eines Apostels herabsteigen, um gegen dies alles den Kampf<br />

zu beginnen."<br />

In ähnli<strong>ch</strong>er Weise s<strong>ch</strong>rieb er an seinen Na<strong>ch</strong>folger, den Rektor Martin in Kirkaldy, dessen To<strong>ch</strong>ter<br />

Isabella er im Herbst 1823 eheli<strong>ch</strong>te: "Man muss die Sa<strong>ch</strong>e ganz an<strong>der</strong>s anfangen, als es bisher ges<strong>ch</strong>ehen ist;<br />

das Christentum muss in einem mehr herois<strong>ch</strong>en Sinn betrieben werden."<br />

Dann liess si<strong>ch</strong> Irving vom Presbyterium in Annan die Sendung erteilen und zog na<strong>ch</strong> London. Hier<br />

fanden seine blumenrei<strong>ch</strong>en, feurigen Predigten alsbald grossen Anklang. Selbst im Parlament ward auf die<br />

Beredtsamkeit Irvings hingewiesen, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Weise eines alttestamentli<strong>ch</strong>en Propheten den Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />

Sittli<strong>ch</strong>keit und des religiösen Lebens, beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> vornehmen Welt, s<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>te und Ho<strong>ch</strong> und Nie<strong>der</strong> zur<br />

Busse und Besserung aufrief. Mit sol<strong>ch</strong>er Wärme und Überzeugung hatte seit Wesley und Whitefield niemand<br />

mehr in London gepredigt. Bald musste für Irving <strong>der</strong> Bau einer neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> am Regent-Square begonnen<br />

werden.<br />

Freili<strong>ch</strong> fehlte es au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>. In Zeitungen sowohl wie in einem eigenen, s<strong>ch</strong>on 1823<br />

ers<strong>ch</strong>ienenen S<strong>ch</strong>rift<strong>ch</strong>en wurde Irving <strong>der</strong> Übertreibung bes<strong>ch</strong>uldigt. Au<strong>ch</strong> Walter Scott (+ 1832), <strong>der</strong> berühmte<br />

s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>e Di<strong>ch</strong>ter und Romans<strong>ch</strong>riftsteller, gewann (na<strong>ch</strong> einem Briefe vom 12. April 1825) den Eindruck,<br />

dass Irving auf die äussere Form zu viel Wert lege und eine gewisse Reinheit und <strong>Aus</strong>geprägtheit vermissen<br />

lasse. Do<strong>ch</strong> Irving liess si<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Überzeugung, ein "Herold Gottes" zu sein, ni<strong>ch</strong>t irre ma<strong>ch</strong>en. No<strong>ch</strong> 1823<br />

veröffentli<strong>ch</strong>te er ein grösseres Werk: "Für die Orakel Gottes (vier Reden); Für das Kommen des Geri<strong>ch</strong>ts (ein<br />

Na<strong>ch</strong>weis in 9 Teilen)." In diesem Bu<strong>ch</strong> sagte er, dass neun Zehntel <strong>der</strong> Bewohner Englands ni<strong>ch</strong>ts von den<br />

göttli<strong>ch</strong>en Offenbarungen wissen, was darauf zurückzuführen sei, dass diese in ungenügen<strong>der</strong> Weise gepredigt<br />

werden. Zuglei<strong>ch</strong> brandmarkte er zwei eben ers<strong>ch</strong>ienene Di<strong>ch</strong>tungen "Vision des Geri<strong>ch</strong>ts" von Southey und<br />

Quellenmaterial Seite 33


Lord Byron als s<strong>ch</strong>limme Zei<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Zeit; brandmarkte sie (wie er s<strong>ch</strong>rieb) "ni<strong>ch</strong>t als Theologe, son<strong>der</strong>n als<br />

Mens<strong>ch</strong>, ni<strong>ch</strong>t als Diener <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, son<strong>der</strong>n als Christ". Als darauf die Londoner Tageszeitung "The Times"<br />

einen heftigen Angriff gegen Irving bra<strong>ch</strong>te, in dem es hiess, "es könne si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t mehr lange dauern, bis diese<br />

Wasserblase einmal platze," erklärte er in <strong>der</strong> Vorrede zur dritten Auflage, das Urteil einer Nation von gottlosen<br />

Kritikern könne wenig Eindruck ma<strong>ch</strong>en auf einen Mann, <strong>der</strong> mit dem Bewusstsein seiner Überzeugung und<br />

unter <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> Orakel <strong>der</strong> Wahrheit s<strong>ch</strong>reibe.<br />

Grosses Aufsehen erregte es au<strong>ch</strong>, als Irving bei einer am Jahresfest <strong>der</strong> englis<strong>ch</strong>en Missionsgesells<strong>ch</strong>aft<br />

am 14. Mai 1824 gehaltenen, fast drei Stunden währenden Predigt die Abnahme <strong>der</strong> Missionserfolge und das<br />

völlige Aufhören <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong> und Kräfte, die <strong>der</strong> Herr seinen Boten verheissen habe, auf die Ni<strong>ch</strong>tbea<strong>ch</strong>tung des<br />

Herrenwortes (Matth. 10, 9 f) zurückführte: "Besitzet we<strong>der</strong> Gold no<strong>ch</strong> Silber no<strong>ch</strong> (an<strong>der</strong>es) Geld in euren<br />

Gürteln, au<strong>ch</strong> keine Tas<strong>ch</strong>e auf dem Wege, no<strong>ch</strong> zwei Klei<strong>der</strong>, ni<strong>ch</strong>t S<strong>ch</strong>uhe, no<strong>ch</strong> Stab; denn <strong>der</strong> Arbeiter ist<br />

seines Unterhaltes wert."<br />

In dieser Predigt erklärte Irving bereits au<strong>ch</strong>, dass das "fünffältige Amt" <strong>der</strong> Apostel, Propheten,<br />

Evangelisten, Hirten und Lehrer, das Christus (na<strong>ch</strong> Eph. 4, 11) eingesetzt habe, zu den ewigen unabän<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Grundlagen <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gehöre.<br />

Weitere Gedanken und Anregungen, die für seine Entwicklung von grösstem Einfluss waren, s<strong>ch</strong>öpfte<br />

Irving in einem kleinen Kreis von Männern, die <strong>der</strong> rei<strong>ch</strong>e Londoner Bankier Henry Drummond (+ 1860) um<br />

si<strong>ch</strong> versammelte. Drummond hatte s<strong>ch</strong>on in jungen Jahren als Parlamentsmitglied Aufsehen erregt, dann weite<br />

Reisen gema<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> das Heilige Land besu<strong>ch</strong>t und überall auf dem europäis<strong>ch</strong>en Festland einen Nie<strong>der</strong>gang<br />

des religiösen Lebens bemerkt. Er stiftete zur Hebung des geistli<strong>ch</strong>en Zustandes des Kontinents die "Kontinentalgesells<strong>ch</strong>aft"<br />

und war emsig beda<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> in England selbst <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und sittli<strong>ch</strong>en Not zu steuern. Zu<br />

seinen Vertrauten zählten Hutley Frere und Lewis Way, wel<strong>ch</strong>e beide S<strong>ch</strong>riften über die Geheime Offenbarung<br />

verfasst hatten und bald au<strong>ch</strong> Drummond für ihre Ans<strong>ch</strong>auung gewannen, dass na<strong>ch</strong> den Weissagungen <strong>der</strong><br />

Heiligen S<strong>ch</strong>rift die Zeit des Anti<strong>ch</strong>rists gekommen sei und deshalb die – Wie<strong>der</strong>kunft Christi erwartet<br />

werden müsse. Wel<strong>ch</strong> Gedanke s<strong>ch</strong>ien geeigneter, in England und auf dem Festland eine religiöse Erneuerung<br />

herbeizuführen ? Do<strong>ch</strong>, wer sollte die grosse Menge von seiner Wahrheit überzeugen ? Dazu bedurfte es eines<br />

Predigers, wie es Irving war. Hutley Frere übernahm es, Irving von <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit dieser S<strong>ch</strong>riftauslegung zu<br />

überzeugen, und <strong>der</strong> sonst so selbständige Irving liess um so lei<strong>ch</strong>ter si<strong>ch</strong> überreden, als er im Wirken des<br />

Anti<strong>ch</strong>rists die Ursa<strong>ch</strong>e zu erkennen glaubte, weshalb die Bosheit <strong>der</strong> Geister immer mehr zunahm.<br />

Drummond bestimmte den Irving, beim Jahresfest <strong>der</strong> Kontinentalgesells<strong>ch</strong>aft im Frühjahr 1825 die<br />

Predigt zu halten. In dieser stundenlangen, bald in erweiterter Form in zwei Bänden unter dem Titel "Babylon<br />

und Unglauben na<strong>ch</strong> Gottes Vorherbestimmung" veröffentli<strong>ch</strong>ten Predigt entwickelte Irving bereits seine<br />

Gedanken vom Ende <strong>der</strong> Welt und <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kunft Christi. Und im Ans<strong>ch</strong>luss an seinen Lehrer Frere und na<strong>ch</strong><br />

dem Vorgang William Millers, des Stifters <strong>der</strong> Adventisten, bot au<strong>ch</strong> er eine – Bere<strong>ch</strong>nung <strong>der</strong> Zeit des<br />

Weltendes.<br />

Irving ging dabei von <strong>der</strong> Stelle beim Propheten Daniel (12, 7) aus, wo <strong>der</strong> in Linnen gekleidete Mann<br />

beim ewig Lebenden s<strong>ch</strong>wört: "Bis zu einer Zeit und zwei Zeiten und einer halben Zeit, wenn die Zerstreuung<br />

<strong>der</strong> Ma<strong>ch</strong>t des heiligen Volkes aufs hö<strong>ch</strong>ste gekommen ist, wird dies alles erfüllt werden," das heisst das Ende<br />

kommen. Die glei<strong>ch</strong>e Angabe von 3 ½ Zeiten findet si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bei Daniel im 7. Kapitel. Hier ist von vier (die vier<br />

aufeinan<strong>der</strong>folgenden Weltrei<strong>ch</strong>e darstellend) Tieren die Rede. Das vierte Tier hat zehn Hörner auf dem Haupte.<br />

Diese sind zehn Könige, und na<strong>ch</strong> ihnen wird ein an<strong>der</strong>er König aufstehen, <strong>der</strong> no<strong>ch</strong> mä<strong>ch</strong>tiger sein wird als die<br />

früheren und drei Könige nie<strong>der</strong>werfen wird (Vers 24). "Er wird Reden gegen den Allerhö<strong>ch</strong>sten ausstossen und<br />

die Heiligen des Allerhö<strong>ch</strong>sten zu Boden treten und darauf sinnen, Zeiten und Gesetze än<strong>der</strong>n zu können, und sie<br />

werden bis auf eine Zeit und zwei Zeiten und die Hälfte einer Zeit in seine Hand gegeben sein" (Vers 25).<br />

Irving hielt es für ausgema<strong>ch</strong>t, dass die 3 ½ Zeiten 3 ½ Jahre seien, da es in <strong>der</strong> Geheimen Offenbarung<br />

11, 2 heisse: "Sie werden die heilige Stadt zertreten 42 Monate lang." Ebenso seien im Vers 3: "Und i<strong>ch</strong><br />

werde meinen zwei Zeugen verleihen, dass sie weissagen 1260 Tage lang" die Tage als Jahre zu nehmen, und<br />

diesen wie<strong>der</strong> die 3 ½ Zeiten glei<strong>ch</strong>zusetzen ! Irving hielt es aber au<strong>ch</strong> für ausgema<strong>ch</strong>t, dass <strong>der</strong> mä<strong>ch</strong>tige<br />

gottlose König bei Daniel, wie desglei<strong>ch</strong>en "Babylon, das grosse, das mit dem Zornwein seiner Unzu<strong>ch</strong>t alle<br />

Völker getränkt hat" (Offb. 14, 8), Rom o<strong>der</strong> das Papsttum bedeute. Nun re<strong>ch</strong>nete er also: Die Hers<strong>ch</strong>aft<br />

Babylons, das ist des Papsttums, Begann im Jahre 533 mit <strong>der</strong> Gesetzgebung Kaiser Justinians I., die dem Papst<br />

die Herrs<strong>ch</strong>aft über die ganze <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> einräumte (was freili<strong>ch</strong> unri<strong>ch</strong>tig ist, da Justinian au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

gegenüber den Satz "Des Königs Wille ist oberstes Gesetz" zur Geltung bra<strong>ch</strong>te, und die geistli<strong>ch</strong>e Gewalt des<br />

Papstes diesem von Christus verliehen ist). Das Rei<strong>ch</strong> des Anti<strong>ch</strong>rists, das mit dem Jahre 533 seinen Anfang<br />

nahm, dauert aber 1260 Jahre, folgli<strong>ch</strong> geht es zu Ende mit dem Jahr 1793, dem Ents<strong>ch</strong>eidungsjahr <strong>der</strong><br />

französis<strong>ch</strong>en Revolution. Dieses Jahr ist für das Papsttum <strong>der</strong> Anfang vom Ende. In diesem Jahr begann das<br />

Geri<strong>ch</strong>t über Babylon und den Unglauben. In den seit damals verflossenen 30 Jahren wurden bereits die se<strong>ch</strong>s<br />

ersten Zorness<strong>ch</strong>alen (Offb. 16) ausgegossen. Ja, au<strong>ch</strong> die siebente S<strong>ch</strong>ale zittert s<strong>ch</strong>on in <strong>der</strong> Hand des Engels.<br />

Deshalb ist das Ende und die völlige Verni<strong>ch</strong>tung Babylons zu erwarten und steht das Kommen des Herrn und<br />

die Aufri<strong>ch</strong>tung des tausendjährigen Rei<strong>ch</strong>es bevor, wofür Irving das Jahr – 1864 ansetzte. Und er war fest<br />

Quellenmaterial Seite 34


überzeugt, dass niemand an <strong>der</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit seiner Aufstellung zweifeln könne !<br />

In <strong>der</strong> Tat liessen au<strong>ch</strong> jetzt wie einst zu William Millers Zeiten viele Laien, ja selbst hervorragende<br />

Geistli<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Anglikanis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> si<strong>ch</strong> betören. Irving übersetzte ein 1816 in London ers<strong>ch</strong>ienenes<br />

spanis<strong>ch</strong>es Werk "Über das Kommen des Herrn in Herrli<strong>ch</strong>keit und Majestät," und seine Anhänger begrüssten<br />

das zweibändige Werk mit jubelndem Beifall.<br />

Für die weitere Entwicklung Irvings und seiner Adventkir<strong>ch</strong>e waren von hoher Bedeutung die<br />

Versammlungen, die auf Lewis Way's Rat Henry Drummond vom Advent 1826 an alljährli<strong>ch</strong> auf seinem<br />

Landsitz Albury-Park veranstaltete. Die Bespre<strong>ch</strong>ungen <strong>der</strong> Londoner "Prophetens<strong>ch</strong>ule" in diesen<br />

Konferenzen ers<strong>ch</strong>ienen seit 1827 – als "Dialoge über Prophetie" au<strong>ch</strong> im Drucke; ja, seit 1829 wurde eine<br />

eigene Zeits<strong>ch</strong>rift für Prophetie: "Die Morgenwa<strong>ch</strong>e" herausgegeben. Irving nahm an den Versammlungen<br />

regelmässig teil, ohne indes, wie es s<strong>ch</strong>eint, eine tonangebende Rolle gespielt zu haben. Er war mehr Empfänger<br />

als Spen<strong>der</strong> und betra<strong>ch</strong>tete es als seine Hauptaufgabe, das Kommen des Herrn sowohl einzelnen wie ganzen<br />

Gemeinden zu verkünden. Das tat er mit allen Mitteln seiner Beredsamkeit sowohl in seiner am 11. Mai 1827<br />

eingeweihten neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> am Regent-Square in London als au<strong>ch</strong> in den Provinzen. Während er indes in<br />

London viele <strong>der</strong> früheren Zuhörer dur<strong>ch</strong> seine langen Predigten über die neue Lehre vertrieb, hatte er in seiner<br />

Heimat Annan und in an<strong>der</strong>n Städten S<strong>ch</strong>ottlands um so grösseren Erfolg. Bei seiner zweiten Missionsreise<br />

dahin (1829) soll er oft vor mehr als 10'000 Mens<strong>ch</strong>en von einem im Freien aufgestellten Pult o<strong>der</strong> vom<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nfenster aus bis zu 4 Stunden die Geheime Offenbarung des heiligen Johannes ausgelegt haben. Zu<br />

Chalmers sagte er, es gebe in England keinen Winkel mehr, wo die Prophetie und die bevorstehende zweite<br />

Ankunft Christi keine überzeugten Anhänger hätte.<br />

Wohl gab es bereits damals Stimmen, wel<strong>ch</strong>e die Re<strong>ch</strong>tgläubigkeit Irvings bezweifelten. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

erregten Aufsehen seine, au<strong>ch</strong> in einer S<strong>ch</strong>rift "Über die Lehre von <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>werdung" (des Sohnes<br />

Gottes) nie<strong>der</strong>gelegten Ans<strong>ch</strong>auungen über die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Natur Christi, die er als "sündli<strong>ch</strong>e" bezei<strong>ch</strong>nete,<br />

ohne Christus indes die Erbsünde o<strong>der</strong> eine persönli<strong>ch</strong>e Tatsünde zuzus<strong>ch</strong>reiben. Do<strong>ch</strong> die grosse Menge<br />

kümmerte si<strong>ch</strong> darum um so weniger, als sie zu jener Zeit eine neue ma<strong>ch</strong>tvolle <strong>Aus</strong>giessung des Heiligen<br />

Geistes erwartete. Ein s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>er Geistli<strong>ch</strong>er J. Haldane Steward hatte in einem eigenen S<strong>ch</strong>rift<strong>ch</strong>en<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, alle kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und religiösen Gegensätze beruhen zu lassen und in flehentli<strong>ch</strong>en Gebeten um eine<br />

neue Geistessendung si<strong>ch</strong> zu vereinigen. An<strong>der</strong>e wie Campbell, Story und Alexan<strong>der</strong> Scott, eine zeitlang Irvings<br />

Assistent, s<strong>ch</strong>lossen si<strong>ch</strong> ihm an. Scott spra<strong>ch</strong> die Erwartung aus, dass damit au<strong>ch</strong> die ausserordentli<strong>ch</strong>en<br />

Wun<strong>der</strong>gaben <strong>der</strong> Urkir<strong>ch</strong>e wie<strong>der</strong> aufleben würden, während Irving selbst damit die Hoffnung auf eine<br />

Wie<strong>der</strong>belebung des "fünffältigen Amtes" verband. Und sie täus<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t !<br />

Die neue Geistessendung erfolgte in <strong>der</strong> Pfarrei Rosneath, wo <strong>der</strong> genannte Story Pfarrer war, und zwar<br />

im Dörf<strong>ch</strong>en Fernicarry. Hier war im Jahre 1828 ein junges Bauernmäd<strong>ch</strong>en Isabella Campbell im Rufe<br />

grosser Frömmigkeit gestorben. Au<strong>ch</strong> ihre S<strong>ch</strong>wester Mary, eine Näherin, genoss diesen Ruf. Sie war willens,<br />

si<strong>ch</strong> zu verheiraten und dann mit ihrem Mann als Missionarin na<strong>ch</strong> den Südsee-Inseln zu gehen. Als ihr<br />

Bräutigam starb, erkrankte sie indes, und alles befür<strong>ch</strong>tete den baldigen Tod des s<strong>ch</strong>windsü<strong>ch</strong>tigen Mäd<strong>ch</strong>ens.<br />

Mary selbst jedo<strong>ch</strong> erwartete, von Irvings Predigt ergriffen, mit Zuversi<strong>ch</strong>t ihre Genesung dur<strong>ch</strong> Gebet, und<br />

ni<strong>ch</strong>t nur dies; sie vertraute au<strong>ch</strong> darauf, dass ihr <strong>der</strong> Heilige Geist die Gabe des – Zungenredens verleihen<br />

werde, damit sie, wie es no<strong>ch</strong> immer ihr sehnli<strong>ch</strong>ster Wuns<strong>ch</strong> war, auf den Südsee-Inseln als Missionarin wirken<br />

könne. Sie bra<strong>ch</strong>te mit einer S<strong>ch</strong>wester und einer Freundin den ganzen Sonntag den 21. März 1830 in Fasten und<br />

Gebet zu, und am Abend dieses Tages erfolgte wirkli<strong>ch</strong> die neue Geistessendung. Mary, die seit Wo<strong>ch</strong>en völlig<br />

unfähig war, von ihrem Lager si<strong>ch</strong> zu erheben, ri<strong>ch</strong>tete si<strong>ch</strong> plötzli<strong>ch</strong> auf und redete eine ganze Viertelstunde<br />

lang in unverständli<strong>ch</strong>en, zum Glück sofort aufgezei<strong>ch</strong>neten Lauten, und au<strong>ch</strong> am nä<strong>ch</strong>sten Sonntag wie<strong>der</strong>holte<br />

si<strong>ch</strong> dieses S<strong>ch</strong>auspiel. Freili<strong>ch</strong> erklärten die Professoren <strong>der</strong> Universitäten von Oxford und Cambridge, dass die<br />

aufges<strong>ch</strong>riebenen Laute we<strong>der</strong> einer Spra<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Südsee-Inseln no<strong>ch</strong> überhaupt einer mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e<br />

angehörten, so dass von einer Wie<strong>der</strong>holung des Pfingstwun<strong>der</strong>s (Apostelg. 2) o<strong>der</strong> von einem Reden in fremden<br />

Spra<strong>ch</strong>en keine Rede sein könne. Aber die Leute liessen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t irre ma<strong>ch</strong>en in dem Glauben, dass <strong>der</strong> Heilige<br />

Geist aufs neue gesendet worden sei, wie eben das "Zungenreden" beweise, und sie wurden in ihrem Glauben<br />

no<strong>ch</strong> mä<strong>ch</strong>tig bestärkt, als bald darauf eine in <strong>der</strong> Nähe (am an<strong>der</strong>n Ufer des Clyde) wohnende Freundin <strong>der</strong><br />

Mary Campbell, die bereits 1 ½ Jahre krank danie<strong>der</strong>liegende Margarete Macdonald auf den Anruf ihres Bru<strong>der</strong>s<br />

James (eines S<strong>ch</strong>iffszimmermanns): "Erhebe di<strong>ch</strong> und stehe auf !" plötzli<strong>ch</strong> gesundete.<br />

Alsbald bra<strong>ch</strong> eine Abordnung <strong>der</strong> Londoner "Prophetens<strong>ch</strong>ule" unter Führung des Re<strong>ch</strong>tsanwalts<br />

Cardale na<strong>ch</strong> Fernicarry auf. Sie erkannte, wie zu erwarten, die Vorgänge als Wun<strong>der</strong> an und s<strong>ch</strong>loss daraus<br />

ni<strong>ch</strong>t nur auf die Wirkli<strong>ch</strong>keit <strong>der</strong> Geistessendung, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> auf die Wahrheit <strong>der</strong> Lehre von <strong>der</strong> baldigen<br />

Wie<strong>der</strong>kunft Christi. Au<strong>ch</strong> Irving zweifelte ni<strong>ch</strong>t am wun<strong>der</strong>baren Eingreifen Gottes. Wie<strong>der</strong>holte si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong><br />

das "Zungenreden" bald da, bald dort ! Zunä<strong>ch</strong>st in S<strong>ch</strong>ottland, dann au<strong>ch</strong> in London, wo Cardale zu diesem<br />

Zweck eigene Gebetsversammlungen in seinem Hause veranstaltete, bis endli<strong>ch</strong> seine – Frau vom Heiligen<br />

Geiste ergriffen wurde, "in Zungen redete", das heisst einige s<strong>ch</strong>rille unverständli<strong>ch</strong>e Sätze hervorstiess und dann<br />

in englis<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e verkündigte: "Der Herr eilt zu kommen." Beson<strong>der</strong>s mehrte si<strong>ch</strong> das "Zungenreden", als<br />

Mary Campbell selbst na<strong>ch</strong> London kam, die inzwis<strong>ch</strong>en den S<strong>ch</strong>nei<strong>der</strong> Renny William Caird aus Montrose,<br />

Quellenmaterial Seite 35


einen späteren Bahnbre<strong>ch</strong>er <strong>der</strong> Irvingianer in Deuts<strong>ch</strong>land, geheiratet hatte.<br />

Bald traten au<strong>ch</strong> männli<strong>ch</strong>e "Zungenredner" auf. Zuerst Mister Templin, <strong>der</strong> mit Mark und Bein<br />

ers<strong>ch</strong>üttern<strong>der</strong> Stimme Irvings Gebet im Hause Cardales unterbra<strong>ch</strong>. Dann Mister Baxter, <strong>der</strong> allerdings später<br />

(glei<strong>ch</strong> einer Miss Hall) sein Zungenreden und die damit verbundenen Prophezeihungen in einer eigenen S<strong>ch</strong>rift<br />

als Selbstbetrug erklärte. Glei<strong>ch</strong>wohl wurden die ihm angebli<strong>ch</strong> zuteil gewordenen Offenbarungen für die<br />

spätere Einri<strong>ch</strong>tung <strong>der</strong> irvinianis<strong>ch</strong>en Adventkir<strong>ch</strong>e in vielen Stücken massgebend.<br />

Irving selbst su<strong>ch</strong>te das "Zungenreden" wenigstens vom öffentli<strong>ch</strong>en Gottesdienst fernzuhalten. Er<br />

verwies die Zungenredner in die Sakristei, da <strong>der</strong> Apostel (1. Kor. 14, 28) den Zungenredner ermahnte: "Ist aber<br />

kein <strong>Aus</strong>leger da, so s<strong>ch</strong>weige er in <strong>der</strong> Versammlung; zu si<strong>ch</strong> selbst aber rede er und zu Gott." Zuglei<strong>ch</strong> for<strong>der</strong>te<br />

er sie auf, in anhaltendem Gebet den Heiligen Geist um <strong>Aus</strong>sendung von Aposteln, Propheten, Evangelisten,<br />

Hirten und Lehrern anzuflehen. Do<strong>ch</strong> Irving war ni<strong>ch</strong>t imstande, den Geistern zu gebieten. Als er am 15.<br />

Oktober 1831 in <strong>der</strong> Predigt an das Wort des Apostels (1. Kor. 14, 34) erinnerte: "Die Frauen sollen in den<br />

Versammlungen s<strong>ch</strong>weigen", standen drei S<strong>ch</strong>western gegen ihn auf und offenbarten si<strong>ch</strong> als Prophetinnen,<br />

während ihm die Miss Hall vorwarf, dass er, um <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong> Christi zu entgehen, den Geist dämpfen wolle. So<br />

liess es denn Irving ges<strong>ch</strong>ehen, dass <strong>der</strong> nü<strong>ch</strong>terne s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>e Gottesdienst bald von den Lauten <strong>der</strong><br />

"Zungenredner" und den Stimmen <strong>der</strong> "Propheten" wi<strong>der</strong>hallte. Darauf zogen si<strong>ch</strong> die alten s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en<br />

Familien zurück; an<strong>der</strong>e, oft re<strong>ch</strong>t fragwürdige Personen s<strong>ch</strong>lossen si<strong>ch</strong> neu an.<br />

Auf eine Bemerkung <strong>der</strong> "Times", dass Irving nur so lange Minister <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> sein könne,<br />

als er ihrer Ordnung si<strong>ch</strong> füge, kam es zum Prozess gegen Irving. Dieser fand vor dem Presbyterium <strong>der</strong><br />

s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n von London statt, das am 2. Mai 1832 auf Absetzung Irvings erkannte. No<strong>ch</strong> vor <strong>der</strong><br />

Urteilsverkündigung gab Irving folgende Erklärung ab: "I<strong>ch</strong> erkläre hiermit feierli<strong>ch</strong> als meinen Glauben, dass<br />

die protestantis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n ebenso gewiss als die römis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im Zustande Babylons sind. I<strong>ch</strong> trenne mi<strong>ch</strong><br />

und meine Herde von dieser babylonis<strong>ch</strong>en Verbindung und stelle mi<strong>ch</strong> unter den Heiligen Geist und unter das<br />

grosse Haupt <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> in Erwartung seiner Ers<strong>ch</strong>einung, kein S<strong>ch</strong>isma veranstaltend, son<strong>der</strong>n wie ein Diener,<br />

<strong>der</strong> da glaubt, dass sein Herr bald kommen wird, und <strong>der</strong> daher sehnli<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>t, dass seine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> dur<strong>ch</strong> die<br />

Taufe mit dem Heiligen Geist für seine Ers<strong>ch</strong>einung vorbereitet werden möge."<br />

Bereits am 6. Mai 1832 feierte Irving in einem gemieteten Saal mit etwa 800 Gläubigen das<br />

Abendmahl. Den Sommer über predigte er öfters vor Tausenden im Freien. Im Herbst begannen sodann in einem<br />

ehemaligen Maleratelier die regelmässigen, oft von Zungenrednern und Propheten unterbro<strong>ch</strong>enen Gottesdienste<br />

<strong>der</strong> neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Zuglei<strong>ch</strong> wurde nun das "fünffältige Amt" eingeri<strong>ch</strong>tet, wobei jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Irving,<br />

son<strong>der</strong>n Cardale, Drummond und <strong>der</strong> Prophet Taplin, die immer offenkundiger an die Spitze <strong>der</strong> Bewegung<br />

traten, den <strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>lag gaben. S<strong>ch</strong>on am 31. Oktober ward Cardale dur<strong>ch</strong> Drummonds Prophetenmund zum<br />

"Apostel" ausgerufen und sofort als – unmittelbar von Christus bestellter Apostel anerkannt. Der neue<br />

"Apostel" weihte Drummond zum "Engel <strong>der</strong> Gemeinde" (vgl. Offb. 2) von Albury, dann (im April 1833) Irving<br />

zum "Engel <strong>der</strong> Gemeinde" von London. No<strong>ch</strong> im glei<strong>ch</strong>en Jahr ersah si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Heilige Geist dur<strong>ch</strong><br />

Prophetenmund au<strong>ch</strong> Drummond zum "Apostel" aus. Irving selbst sollte ni<strong>ch</strong>t "Apostel" werden. Keine<br />

Prophetenstimme erhob si<strong>ch</strong> für Irving, <strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> fortwährende Geistesaufregung (!) bereits vor <strong>der</strong> Zeit<br />

gealtert war und, obwohl erst wenig über 40 Jahre alt, das <strong>Aus</strong>sehen eines Greises hatte. Der Arzt riet ihm, zu<br />

seiner Erholung na<strong>ch</strong> dem Süden zu gehen. Do<strong>ch</strong> die Stimme des Propheten Taplin gebot ihm na<strong>ch</strong> Norden, in<br />

sein Geburtsland, zu gehen, wo er zuglei<strong>ch</strong> grosse Mengen bekehren werde. Willig folgte Irving <strong>der</strong><br />

Prophetenstimme, kam aber nur bis Glasgow. Er wurde tägli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>er, und trotz <strong>der</strong> Prophezeiung, dass<br />

er ni<strong>ch</strong>t sterben werde, starb er [also fals<strong>ch</strong>e, irrige Prophetie!] am 8. Dezember 1834 unter Hinterlassung<br />

einer Witwe und dreier Kin<strong>der</strong>. Er wurde in <strong>der</strong> Gruft <strong>der</strong> alten Kathedralkir<strong>ch</strong>e in Glasgow beigesetzt.<br />

Na<strong>ch</strong> Irvings Tod erfolgte <strong>der</strong> weitere <strong>Aus</strong>bau seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Zunä<strong>ch</strong>st wurden neue "Apostel"<br />

berufen, bis endli<strong>ch</strong> die Zwölfzahl voll war. Na<strong>ch</strong>dem am 17. Juni 1835 ein "Apostelkonzil" gehalten war, fand<br />

am 14. Juli die "<strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Apostel" statt, worauf diese in Begleitung von 7 Propheten na<strong>ch</strong> Albury si<strong>ch</strong><br />

begaben, um hier ein Jahr dem – Studium <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift zu obliegen. Dann erliessen sie an die Bis<strong>ch</strong>öfe<br />

<strong>der</strong> Anglikanis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> sowie an den König Wilhelm IV. von England ein "Zeugnis" über ihre Mission. Als<br />

Drummond geoffenbart wurde, dass je<strong>der</strong> <strong>der</strong> 12 Fürsten des geistli<strong>ch</strong>en Israel einen Stamm erhalten solle, um<br />

12'000 Versiegelte (Offb. 7) daraus zu sammeln, erfolgte am Feste <strong>der</strong> Teilung <strong>der</strong> Apostel (15. Juli) 1836 die<br />

Aufteilung <strong>der</strong> Welt in zwölf Missionsbezirke. Cardale, ein "Säulenapostel", erhielt England, Drummond<br />

S<strong>ch</strong>ottland und die S<strong>ch</strong>weiz, Woodhouse Süddeuts<strong>ch</strong>land und Österrei<strong>ch</strong>, Thomas Carlyle Norddeuts<strong>ch</strong>land usw.<br />

Ehe die "Apostel" auszogen, erliessen sie abermals ein fast 200 Seiten umfassendes, in lateinis<strong>ch</strong>er,<br />

englis<strong>ch</strong>er, französis<strong>ch</strong>er und deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e abgefasstes "Zeugnis von den kommenden Geri<strong>ch</strong>ten und den<br />

Rats<strong>ch</strong>lüssen Gottes zu unserer Errettung" an Papst, Patriar<strong>ch</strong>en, Erzbis<strong>ch</strong>öfe, Bis<strong>ch</strong>öfe und an<strong>der</strong>e Vorsteher <strong>der</strong><br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi in allen Landen sowie an die Kaiser, Könige, Fürsten und an<strong>der</strong>e Regenten <strong>der</strong> getauften<br />

Nationen. Na<strong>ch</strong> 1260 Tagen, von <strong>der</strong> "<strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung" an gere<strong>ch</strong>net, kamen sie wie<strong>der</strong> in Albury zusammen<br />

(Weihna<strong>ch</strong>ten 1838). Von <strong>der</strong> zweiten <strong>Aus</strong>reise (1839) wurden sie indes vorzeitig von Cardale zurückberufen,<br />

als die Träger <strong>der</strong> übrigen Ämter auf einer Zionsversammlung in London über Zurücksetzung si<strong>ch</strong><br />

bes<strong>ch</strong>werten [das bedeutet: die damaligen "Apostel" hatten s<strong>ch</strong>on eine dominante Vorma<strong>ch</strong>tstellung inne !].<br />

Quellenmaterial Seite 36


Do<strong>ch</strong> gelang es den versammelten "Aposteln", ihre Re<strong>ch</strong>te zu wahren; nur ein "Apostel" selbst, Duncan<br />

Mackenzie, zog si<strong>ch</strong> später zurück. Von dieser Zeit an verblieben die "Apostel" in Albury und London und<br />

widmeten si<strong>ch</strong> des Feststellung <strong>der</strong> Lehren und Einri<strong>ch</strong>tungen <strong>der</strong> Adventkir<strong>ch</strong>e, die seit 1840 auf Weisung des<br />

Heiligen Geistes "Apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>" o<strong>der</strong> Gemeinde hiess. Im Jahre 1842 ward in London die<br />

Gottesdienstordnung festgestellt.<br />

Der <strong>Aus</strong>breitung <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> oblagen nun die Evangelisten, freili<strong>ch</strong> im ganzen mit nur<br />

unbedeutendem Erfolg. Im Jahre 1851 gab es in England erst 4'000 Irvingianer, die zusammen 32 Gotteshäuser<br />

besassen. Die Hauptkir<strong>ch</strong>e Londons und zuglei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> Gemeins<strong>ch</strong>aft war gerade am Gordon-<br />

Square im Bau begriffen; sie wurde 1853 vollendet. In den übrigen Län<strong>der</strong>n war <strong>der</strong> Erfolg anfangs no<strong>ch</strong><br />

geringer. Erst das Jahr 1848 bereitete mehr den Boden, zumal in Deuts<strong>ch</strong>land. Die Evangelisten erklärten die<br />

damaligen revolutionären Ers<strong>ch</strong>ütterungen als si<strong>ch</strong>ere Zei<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Herrs<strong>ch</strong>aft des Anti<strong>ch</strong>rists und behaupteten<br />

ferner, dass nur jene, die in die "Apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>" eintreten, no<strong>ch</strong> vor dem <strong>Aus</strong>bru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Greuel des<br />

Anti<strong>ch</strong>rists (2. Thess. 2, 3 ff) lebendigen Leibes mit den auferstandenen Gere<strong>ch</strong>ten entrückt würden auf<br />

Wolken, dem kommenden Heiland entgegen in die Luft (1. Thess. 4, 17), um mit ihm alsdann im<br />

tausendjährigen Rei<strong>ch</strong>e (Offb. 20, 3) auf Erden und am Ende aller Zeiten im Himmel zu herrs<strong>ch</strong>en<br />

(Offb. 21, 1 ff).<br />

In Süddeuts<strong>ch</strong>land (Zentrale in Basel) fand die Adventkir<strong>ch</strong>e hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> im Bistum Augsburg<br />

Eingang. Hier gewann <strong>der</strong> Evangelist Caird, Witwer <strong>der</strong> Mary Campbell (+ 1840), seit 1841 zunä<strong>ch</strong>st im stillen<br />

einige Anhänger. Do<strong>ch</strong> mehrte si<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong> ihre Zahl, als es ihm gelang, den katholis<strong>ch</strong>en Pfarrer und Dekan<br />

Johann Evangelist Lutz in Oberroth von <strong>der</strong> Wahrheit <strong>der</strong> Adventkir<strong>ch</strong>e Irvings zu überzeugen. Lutz war s<strong>ch</strong>on<br />

1832 zum Protestantismus abgefallen, dann aber wie<strong>der</strong> zur katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zurückgekehrt. Nunmehr trat er,<br />

zuerst ohne Namensnennung, in mehreren Flugs<strong>ch</strong>riften für den Irvingianismus ein und verfasste zuglei<strong>ch</strong> mit<br />

Caird ein weitverbreitetes zweibändiges Lehrbu<strong>ch</strong>: "Über den Rats<strong>ch</strong>luss Gottes mit <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>heit und <strong>der</strong><br />

Erde" (1847), das erst in dritter Auflage (Augsburg 1879) mit Nennung <strong>der</strong> Namen <strong>der</strong> Verfasser ers<strong>ch</strong>ien. Als<br />

sodann 1856 <strong>der</strong> Bis<strong>ch</strong>of von Augsburg den Dekan Lutz und 5 an<strong>der</strong>e Geistli<strong>ch</strong>e sowie an 100 Laien<br />

exkommunizierte, bekannten si<strong>ch</strong> diese förmli<strong>ch</strong> als Irvingianer und bildeten zuglei<strong>ch</strong> in Augsburg und Hürben<br />

eigene "apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinden" mit öffentli<strong>ch</strong>em Gottesdienst. Do<strong>ch</strong> hat seitdem <strong>der</strong> (alte) Irvingianismus in<br />

Süddeuts<strong>ch</strong>land keinen wesentli<strong>ch</strong>en Zuwa<strong>ch</strong>s mehr erhalten.<br />

Sehr för<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> für die <strong>Aus</strong>breitung des Irvingianismus in Deuts<strong>ch</strong>land war es au<strong>ch</strong>, dass Dr. Heinri<strong>ch</strong><br />

Wilhelm Josias Thiers<strong>ch</strong>, Professor <strong>der</strong> Theologie in Marburg (1843 – 1850), am 18. Dezember 1849 <strong>der</strong> Sekte<br />

si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>loss, <strong>der</strong> au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e, wie den gelehrten Botaniker Wigand und den Privatdozenten <strong>der</strong> Theologie Dr.<br />

Rossteus<strong>ch</strong>er mit si<strong>ch</strong> fortriss. Thiers<strong>ch</strong> widmete si<strong>ch</strong> fortan dem Dienste <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en, später au<strong>ch</strong><br />

österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en und s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Irvingianer sowohl als Pastor wie als S<strong>ch</strong>riftsteller („Die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Zeitalter“, 1852; 1879; „Über <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>es Familienleben“, 1854; 1889). Er starb am 3. Dezember<br />

1885 in Basel.<br />

In Norddeuts<strong>ch</strong>land entfaltete zunä<strong>ch</strong>st <strong>der</strong> Apostel Thomas Carlyle, ein früherer s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>er Advokat,<br />

und sein Evangelist Charles J. T. Böhm eine emsige Wirksamkeit. Böhm gewann au<strong>ch</strong> zwei evangelis<strong>ch</strong>e<br />

Geistli<strong>ch</strong>e, den Pastor Köppen in Berlin und den Diakon Karl Rothe in Trebbin, sowie den Redakteur <strong>der</strong> 1848<br />

gegründeten „Neuen Preussis<strong>ch</strong>en Zeitung“ (Kreuzzeitung), H. Wagener. Au<strong>ch</strong> mehrere angesehene<br />

protestantis<strong>ch</strong>e Adlige, wie Max von Po<strong>ch</strong>hammer und Bolko Freiher von Ri<strong>ch</strong>thofen, s<strong>ch</strong>lossen si<strong>ch</strong> an und<br />

wirkten, glei<strong>ch</strong> Böhm und Rothe, teilweise au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>riftstelleris<strong>ch</strong>e Tätigkeit im Dienste <strong>der</strong> Sekte.<br />

Förmli<strong>ch</strong>e Gemeinden entstanden in Berlin, wo 1848 <strong>der</strong> erste Gottesdienst gefeiert wurde, in Hamburg,<br />

Königsberg in Preussen, später au<strong>ch</strong> an an<strong>der</strong>n Orten.<br />

In Holland erregte <strong>der</strong> Übertritt des Dr. Isaak Capadote, <strong>der</strong> ein hohes Amt im Kolonialministerium<br />

bekleidete, Aufsehen. Im übrigen war au<strong>ch</strong> hier die <strong>Aus</strong>breitung <strong>der</strong> Sekte ni<strong>ch</strong>t von Belang. Beson<strong>der</strong>s<br />

s<strong>ch</strong>ädigte ihr Ansehen und behin<strong>der</strong>te ihre <strong>Aus</strong>dehnung <strong>der</strong> allmähli<strong>ch</strong> erfolgende Tod <strong>der</strong> zwölf „Apostel“, von<br />

denen do<strong>ch</strong> die Prophetie mit aller Bestimmtheit verkündigt hatte, dass sie ni<strong>ch</strong>t sterben werden, ehe <strong>der</strong> Herr<br />

komme [Anmerkung: Also war es eine fals<strong>ch</strong>e Prophetie, Einbildug, utopistis<strong>ch</strong>e Wuns<strong>ch</strong>vorstellung], son<strong>der</strong>n<br />

lebendigen Leibes ihm entgegengerückt werden in die Luft. Wohl vertröstete man die Gläubigen mit <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>legung, dass die „Apostel“, wennglei<strong>ch</strong> gestorben, do<strong>ch</strong> fortleben und im Paradies die Versiegelung <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>erwählten vornehmen, bis <strong>der</strong>en Zahl voll sei, au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> vor dem Kommen Christi mit den übrigen<br />

Gere<strong>ch</strong>ten auferweckt und so lebend entrückt würden [Anmerkung: Eine bewusste Irreführung <strong>der</strong> vertrauenden<br />

Gläubigen o<strong>der</strong> Wahn?]; aber das so oft von <strong>der</strong> Prophetie angekündigte, von Irving selbst auf 1864 bere<strong>ch</strong>nete<br />

Kommen des Herrn blieb ebenso aus wie die Auferweckung <strong>der</strong> verstorbenen „Apostel“ no<strong>ch</strong> vor <strong>der</strong><br />

Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn. Als dies au<strong>ch</strong> 1864 ni<strong>ch</strong>t erfolgte, hoffte man auf den 14. Juli 1877, an wel<strong>ch</strong>em Tage 3<br />

½ Zeiten o<strong>der</strong> 42 Jahre seit <strong>der</strong> „<strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Apostel“ verflossen sein sollten. Aber das einzige, was 1877<br />

ges<strong>ch</strong>ah, war dieses, dass am 18. Juli au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> „erstberufene Apostel“ Cardale starb.<br />

Do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> nunmehr bot die – Heilige S<strong>ch</strong>rift selbst einen <strong>Aus</strong>weg. Christus hat do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur 12<br />

Apostel, son<strong>der</strong>n (na<strong>ch</strong> Luk 10, 1) au<strong>ch</strong> – 72 Jünger ausgesandt ! So fingen denn die Londoner Propheten an,<br />

ihre „Offenbarungen“ ni<strong>ch</strong>t mehr mit dem früheren <strong>Aus</strong>ruf: „O ihr Zwölfe !“ zu s<strong>ch</strong>liessen, son<strong>der</strong>n sie riefen:<br />

Quellenmaterial Seite 37


„O ihr Zwölfe und ihr Siebzig !“ Und sie verkündeten, dass auf die zwölf „Apostel“ no<strong>ch</strong> 70 „Apostel-<br />

Koadjutoren“ (Apostel-Gehilfen) folgen werden.<br />

S<strong>ch</strong>on 1852 hatten die „Apostel“ selbst den Bes<strong>ch</strong>luss gefasst: „Je<strong>der</strong> Apostel ist bere<strong>ch</strong>tigt, mit<br />

Zustimmung seiner Brü<strong>der</strong> einen geweihten Engel als seinen Koadjutor für den ihm anvertrauten Stamm<br />

aufzustellen.“ Auf Grund dessen wurden 1859 Böhm und 1865 Caird als Apostelhelfer berufen. Dagegen gaben<br />

die „Apostel“, damals no<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s an Zahl, ni<strong>ch</strong>t ihre Zustimmung, als auf einem Konzil zu Albury im Jahre 1860<br />

<strong>der</strong> Berliner Prophet Heinri<strong>ch</strong> Geyer dur<strong>ch</strong> Weissagung den Koadjutor Böhm als Apostel für Süddeuts<strong>ch</strong>land<br />

und den Evangelisten Caird als Apostel für Frankrei<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>nete. Die „Apostel“ erklärten, dass für die<br />

<strong>Aus</strong>füllung <strong>der</strong> Stellen abges<strong>ch</strong>iedener Apostel dur<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e Apostel keine Ermä<strong>ch</strong>tigung in <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift<br />

gegeben sei.<br />

Geyer beruhigte si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>einbar. Als er jedo<strong>ch</strong> im August 1861 mit dem „Apostel“ Woodhouse in<br />

Königsberg im Hause des Ältesten Rozo<strong>ch</strong>acki si<strong>ch</strong> befand, berief er diesen „in seiner Ma<strong>ch</strong>t“ zum „Apostel“.<br />

Rozo<strong>ch</strong>acki wollte davon soglei<strong>ch</strong> dem „Apostel“ Woodhouse Mitteilung ma<strong>ch</strong>en. Aber Geyer erklärte, die Zeit<br />

hierzu sei no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t da, sie werde aber bald kommen. Und sie kam in <strong>der</strong> Tat bald. Im Jahre 1862 weissagte<br />

Geyer in einer Versammlung <strong>der</strong> Berliner Irvingianer, dass „<strong>der</strong> Boshaftige“ (<strong>der</strong> Anti<strong>ch</strong>rist) in den sieben<br />

Greueln vor <strong>der</strong> Gemeinde (<strong>der</strong> Versiegelten) offenbar werden solle. Der „Engel“ Karl Rothe fragte ihn, ob er<br />

denn ni<strong>ch</strong>t glaube, dass die Gemeinde s<strong>ch</strong>on vorher entrückt werde dem Heiland entgegen in die Luft. Als Geyer<br />

dies verneinte und si<strong>ch</strong> weigerte, seine Weissagung als fals<strong>ch</strong> zu erklären, wurde er wegen Irrlehre seines<br />

Prophetenamtes entsetzt.<br />

Geyer wandte si<strong>ch</strong> hierauf an den „Engel“ <strong>der</strong> Gemeinde Hamburg, F. W. S<strong>ch</strong>warz, von dem er wusste,<br />

dass er in bezug auf die Anfüllung <strong>der</strong> Apostel auf zwölf ebenso wie er selbst da<strong>ch</strong>te. S<strong>ch</strong>warz liess si<strong>ch</strong> von<br />

Geyer von Rozo<strong>ch</strong>ackis Berufung zum „Apostel“ überzeugen, worauf diese öffentli<strong>ch</strong> bekanntgema<strong>ch</strong>t wurde.<br />

Do<strong>ch</strong> nun empfand Rozo<strong>ch</strong>acki selbst Reue über seine Berufung und wi<strong>der</strong>rief sie. Als sodann S<strong>ch</strong>warz dem<br />

Verlangen Rothes, die Berufung eines neuen „Apostels“ dur<strong>ch</strong> Geyer als Teufelswerk zu erklären, wi<strong>der</strong>spra<strong>ch</strong>,<br />

weil er ni<strong>ch</strong>ts wi<strong>der</strong> den Heiligen Geist tun wolle und die Auffüllung <strong>der</strong> Vollzahl <strong>der</strong> Apostel s<strong>ch</strong>riftgemäss sei,<br />

wurde sowohl er wie au<strong>ch</strong> Geyer dur<strong>ch</strong> den „Apostel“ Woodhouse aus <strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“<br />

ausges<strong>ch</strong>lossen. Do<strong>ch</strong> nun (1863) gründeten die <strong>Aus</strong>ges<strong>ch</strong>lossenen eine neue Irvingianis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>: die<br />

„Allgemeine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e apostolis<strong>ch</strong>e Mission“. Als ihr Stifter kann Geyer (+ 1896) betra<strong>ch</strong>tet werden, wie<br />

au<strong>ch</strong> die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> neuen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> als „Geyerianer“ bezei<strong>ch</strong>net wurden.<br />

Geyer berief alsbald an Rozo<strong>ch</strong>ackis Stelle den „Engel“ Preuss von Hamburg zum „Apostel und wies<br />

ihm Norddeuts<strong>ch</strong>land und Skandinavien (Dänemark, S<strong>ch</strong>weden und Norwegen) als Gebiet zu. Als Preuss 1878<br />

starb, folgte ihm Güldner (+ 1904) na<strong>ch</strong>, <strong>der</strong> no<strong>ch</strong> zu Lebzeiten seines Vorgängers von Geyer zum „Apostel“<br />

berufen wurde und na<strong>ch</strong> Preuss‘ Tod die „<strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung“ erhielt. Ebenso berief Geyer den „Engel“ F.W.<br />

S<strong>ch</strong>warz zum „Apostel“ für Belgien und Holland, musste es aber erleben, dass später S<strong>ch</strong>warz von ihm si<strong>ch</strong><br />

trennte. Geyer hatte s<strong>ch</strong>on vor seiner <strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>liessung ein „<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>es“ Sonntagsblatt „Die Morgenröte“ (Druck<br />

und Verlag von G. Jansen in Berlin) herausgegeben, das in allen deuts<strong>ch</strong>en Gemeinden <strong>der</strong> „apostolis<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“ gelesen wurde. Es ers<strong>ch</strong>ien von 1860 bis 1863, wurde aber nunmehr von Woodhouse allen Irvingianern<br />

bei Strafe <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>s<strong>ch</strong>liessung verboten. Darauf gründete Geyer das Sonntagsblatt „Der Sendbote“ mit dem<br />

Untertitel „Fris<strong>ch</strong>e Blätter und Frü<strong>ch</strong>te vom Baume des Lebens zur Gesundheit des <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Volkes“, das bei<br />

G. E. Nolte (Herolds<strong>ch</strong>e Bu<strong>ch</strong>handlung) in Hamburg ers<strong>ch</strong>ien. Als es 1865 einging, liess Geyer no<strong>ch</strong> vier<br />

weitere, jedo<strong>ch</strong> nur kurzlebige Monatsblätter ers<strong>ch</strong>einen: „Abend- und Morgenrot <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi“, „Der<br />

Säemann“, „Der Prediger in <strong>der</strong> Wüste, eine Wä<strong>ch</strong>terstimme an alle Christen zur Vorbereitung auf die<br />

Wie<strong>der</strong>kunft unseres Herrn Jesu Christi“, und „Blitze, Donner und Stimmen“. In dem S<strong>ch</strong>rift<strong>ch</strong>en<br />

„Vergangenheit und Zukunft <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi“ (Hamburg 1889, H. W. Lehsten), su<strong>ch</strong>te Geyer zuglei<strong>ch</strong> seine<br />

Lehre über die Berufung neuer Apostel (aus Apostelg. 13) zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Au<strong>ch</strong> Paulus und Barnabas seien<br />

dur<strong>ch</strong> das Wort <strong>der</strong> Weissagung zu Aposteln berufen worden, ohne dass die übrigen Apostel befragt worden<br />

wären.<br />

Hiermit haben wir bereits die wi<strong>ch</strong>tigste Unters<strong>ch</strong>eidungslehre <strong>der</strong> „Allgemeinen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Mission“ und <strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“ kennen gelernt. Im Gegensatz zu dieser lehren die<br />

„Geyerianer“ die Bere<strong>ch</strong>tugung und Notwendigkeit <strong>der</strong> Berufung neuer Apostel. Sodann bestreiten sie, dass die<br />

Gläubigen o<strong>der</strong> Versiegelten s<strong>ch</strong>on vor dem <strong>Aus</strong>bru<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Greuel des Anti<strong>ch</strong>rists entrückt werden, und stellen<br />

ferner das Prophetenamt dem Apostelamt glei<strong>ch</strong>, während die „Apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“ eine Unterordnung <strong>der</strong><br />

Propheten unter die Apostel lehrt, freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t von Anfang an lehrte, son<strong>der</strong>n erst, seitdem Cardale, dur<strong>ch</strong> die<br />

Vorgänge in Deuts<strong>ch</strong>land veranlasst in einer 1868 verfassten S<strong>ch</strong>rift „Prophezeiung und das Amt des Propheten<br />

in <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“ es so bestimmt hatte.<br />

Su<strong>ch</strong>en wir nun, ehe wir die Entwicklung des Irvingianismus weiter verfolgen und die Entstehung <strong>der</strong><br />

<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> Gemeinde selbst kennen lernen, zunä<strong>ch</strong>st die irvingianis<strong>ch</strong>en Lehren darzustellen.<br />

Die Irvingianer lehren, dass Christus eine si<strong>ch</strong>tbare <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gestiftet hat, in die man dur<strong>ch</strong> das<br />

Sakrament <strong>der</strong> Taufe eingeglie<strong>der</strong>t wird. Da die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> und no<strong>ch</strong> mehr die protestantis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n<br />

dur<strong>ch</strong> Preisgabe des „fünffältigen Amtes“ (Ephes. 4, 11) von <strong>der</strong> ursprüngli<strong>ch</strong>en Ordnung abgefallen sind, so<br />

Quellenmaterial Seite 38


erweckte Christus, um bei seinem Wie<strong>der</strong>kommen seine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> als makellose Braut zu finden und si<strong>ch</strong> selbst<br />

herrli<strong>ch</strong> darzustellen, ohne Makel, ohne Runzel o<strong>der</strong> etwas <strong>der</strong>glei<strong>ch</strong>en (Ephes. 5, 27), die irvingianis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

und stellte das „fünffältige Amt“ in ihr wie<strong>der</strong> her. Vor allem berief er no<strong>ch</strong>mals zwölf Apostel, die mit den 12<br />

ersten Aposteln die 24 Ältesten <strong>der</strong> Geheimen Offenbarung (4, 4) bilden. Sodann berief er Propheten,<br />

Evangelisten und Lehrer für die Gesamtkir<strong>ch</strong>e; für die einzelnen Gemeinden aber Hirten, das ist Engel o<strong>der</strong><br />

Bis<strong>ch</strong>öfe, Älteste o<strong>der</strong> Priester, Diakone und Diakonissen. Diese Ämter werden dur<strong>ch</strong> sakramentale Weihe<br />

verliehen, dur<strong>ch</strong> die ihre Träger von den Laien ausges<strong>ch</strong>ieden und „Diener Christi und Verwalter <strong>der</strong><br />

Geheimnisse Gottes“ (1. Kor. 4, 1) werden. Die Irvingianer lehren also, dass es ein beson<strong>der</strong>es, von Christus<br />

eingesetztes Priestertum gibt, ohne freili<strong>ch</strong> ebensowenig wie die Bis<strong>ch</strong>öfli<strong>ch</strong>e methodistis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> die<br />

Weihegewalt von Christus und seinen Aposteln herleiten zu können.<br />

<strong>Aus</strong>ser <strong>der</strong> Taufe und <strong>der</strong> Ordination betra<strong>ch</strong>ten die Irvingianer au<strong>ch</strong> die „Versiegelung“ (eine Art<br />

Firmung) und die Krankenölung als wirkli<strong>ch</strong>e Sakramente. Ebenso haben sie ein Busssakrament mit freiwilliger<br />

Ohrenbei<strong>ch</strong>te und darauffolgen<strong>der</strong> Losspre<strong>ch</strong>ung, und au<strong>ch</strong> die Ehe, die sie glei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> als<br />

unauflösli<strong>ch</strong> erklären, gilt ihnen als wahres Sakrament.<br />

Den Mittelpunkt ihres Gottesdienstes bildet die Feier <strong>der</strong> Eu<strong>ch</strong>aristie o<strong>der</strong> des Altarsakramentes, bei <strong>der</strong><br />

die Priester (Liturgen) rei<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>mückte, denen <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ähnli<strong>ch</strong>e Kultgewän<strong>der</strong> tragen. Sie<br />

fassen die Eu<strong>ch</strong>aristie als wirkli<strong>ch</strong>es Opfer, jedo<strong>ch</strong> in dem Sinne, dass es nur zur Erinnerung an Christi Tod<br />

dargebra<strong>ch</strong>t wird, also ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> dasselbe Opfer wie das Kreuzopfer ist und keine sühnende Kraft besitzt.<br />

Sie leugnen au<strong>ch</strong> die Wesenswandlung von Brot und Wein in das wahre Fleis<strong>ch</strong> und Blut Christi, indem sie<br />

lehren, dass in <strong>der</strong> Eu<strong>ch</strong>aristie (infolge des Opfergebetes) Christi Fleis<strong>ch</strong> und Blut zuglei<strong>ch</strong> mit Brot und Wein<br />

gegenwärtig sei. Seit 1850 werden die bei <strong>der</strong> Opferfeier geweihten Abendmahlselemente (ungesäuertes Brot<br />

und Wein) o<strong>der</strong> Christi Fleis<strong>ch</strong> und Blut, die darin zuglei<strong>ch</strong> zugegen sein sollen, im Tabernakel aufbewahrt und<br />

bei den tägli<strong>ch</strong> stattfindenden liturgis<strong>ch</strong>en Gebetsstunden (Matutin, Terz, Non, Vesper) o<strong>der</strong> den Morgen- und<br />

Abendgottesdiensten ausgesetzt, jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zur Anbetung, son<strong>der</strong>n um die Gemeinde <strong>der</strong> Gegenwart Christi<br />

und seiner fortwährenden Fürbitte für uns zu versi<strong>ch</strong>ern. Im Jahre 1852 erfolgte die Einführung von Li<strong>ch</strong>tern,<br />

von denen stets zwei auf dem Altar brennen als Sinnbild <strong>der</strong> Gegenwart Gottes in seinen „beiden Zeugen“: den<br />

Aposteln und den Propheten. Zuglei<strong>ch</strong> kam die Anwendung des Weihrau<strong>ch</strong>s auf, 1868 au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Gebrau<strong>ch</strong> des<br />

Weihwassers.<br />

Die Irvingianer verwerfen die freie S<strong>ch</strong>riftfors<strong>ch</strong>ung und for<strong>der</strong>n für die <strong>Aus</strong>legung <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift<br />

ein lebendiges Lehramt, das sie in ihren Aposteln und Propheten zu besitzen glauben.<br />

Unter Hinweis auf alttestamentli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riftstellen und eine Stelle im Hebräerbrief (7, 4): „Sehet, wie<br />

gross <strong>der</strong> ist, dem selbst Abraham den Zehnten von dem Besten gab!“ haben die Irvingianer glei<strong>ch</strong> den<br />

Adventisten den Zehnt im Jahre 1833 eingeführt. Er wird glei<strong>ch</strong>falls vom ganzen Einkommen [Hinweis: Brutto-<br />

Einkommen!] erhoben und zum Unterhalt <strong>der</strong> Priester usw. sowie zur Unterstützung <strong>der</strong> Armen verwendet.<br />

Näherten si<strong>ch</strong> die Irvingianer in einigen Stücken den Lehren und Gebräu<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>,<br />

so nahmen die Neu-Irvingianer o<strong>der</strong> die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde wie<strong>der</strong> teilweise dagegen Stellung<br />

o<strong>der</strong> stellten selbst neue Lehren auf. Wel<strong>ch</strong>es ist nun ihre Entstehungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, und wodur<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eiden<br />

sie si<strong>ch</strong> von den alten Irvingianern und ferner von <strong>der</strong> „Allgemeinen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Mission“ ?<br />

Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde entstand 1878 dur<strong>ch</strong> Trennung einiger Mitglie<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Allgemeinen<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Mission in Hamburg. Diese erhoben gegen <strong>der</strong>en Stifter, den Propheten<br />

Heinri<strong>ch</strong> Geyer, den Vorwurf, dass er die Gemeinde in die evangelis<strong>ch</strong>e Landeskir<strong>ch</strong>e „zurück predige“, und<br />

während eines Gottesdienstes am 4. August [1878] kam es zum offenen Wi<strong>der</strong>stand gegen ihn. Die<br />

Anführer <strong>der</strong> Bewegung waren ein ehemaliger Bahnmeister Friedri<strong>ch</strong> Krebs [Anmerkung: Später<br />

Stammapostel <strong>der</strong> <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>!], damals „Priester“ einer Gemeinde im Harz, <strong>der</strong> Diakon-<br />

Evangelist Sebastian in Wolfenbüttel und ein gewisser Wa<strong>ch</strong>mann, <strong>der</strong> einfa<strong>ch</strong>es Gemeindeglied in Hamburg<br />

war. Sie bildeten sofort eine „neue Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde“ und s<strong>ch</strong>lossen si<strong>ch</strong>, da sie ohne Apostel und<br />

Propheten waren, dem von Geyer 1863 für Belgien und Holland berufenen Apostel. F. W. S<strong>ch</strong>warz an, <strong>der</strong> in<br />

Amsterdam seinen Sitz aufges<strong>ch</strong>lagen hatte.<br />

S<strong>ch</strong>warz hatte bereits seinerseits eine Umbildung <strong>der</strong> Einri<strong>ch</strong>tungen und Lehren <strong>der</strong> „Allgemeinen<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Mission“ vollzogen. Das rei<strong>ch</strong>e, <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> na<strong>ch</strong>gebildete Zeremoniell<br />

<strong>der</strong> „Allgemeinen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Mission“, das völlig mit dem <strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“<br />

übereinstimmte, passte ni<strong>ch</strong>t für den eine gewisse Nü<strong>ch</strong>ternheit des Kultus gewohnten Sinn <strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

reformierten (holländis<strong>ch</strong>en) <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gewonnenen Gläubigen. S<strong>ch</strong>warz s<strong>ch</strong>affte deshalb die eigene liturgis<strong>ch</strong>e<br />

Kleidung ab und ging, na<strong>ch</strong>dem bereits hierdur<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Bru<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Hamburger Gemeinde eingetreten<br />

war, au<strong>ch</strong> dazu über, neue Glaubenslehren aufzustellen. Er gewann verhältnismässig viele Anhänger, <strong>der</strong>en<br />

Zahl no<strong>ch</strong> erhebli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> mehrte, als 1878 Krebs und seine Genossen ihm si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>lossen und in Deuts<strong>ch</strong>land<br />

eine lebhafte Missionsarbeit entfalteten. Bei S<strong>ch</strong>warz‘ Tod im Jahre 1895 gab es im Deuts<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong> 70 –<br />

80 Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinden, 12 Jahre später bereits an 200, davon in Berlin allein 9 Gemeinden, die an<br />

6'000 Personen umfassten.<br />

An <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde in Deuts<strong>ch</strong>land stand zunä<strong>ch</strong>st (bis 1880) Menkhoff.<br />

Dann 25 Jahre lang bis zu seinem Tod am 21. Januar 1905 <strong>der</strong> “Apostel des Stammes Ephraim“: „Vater“<br />

Quellenmaterial Seite 39


Friedri<strong>ch</strong> Krebs in Brauns<strong>ch</strong>weig [Anmerkung: S<strong>ch</strong>on damals wur<strong>der</strong> um den Stammapostel eine ‚Vergötterung‘<br />

betrieben!]. Ihm folgte als „Apostel-Vater“ <strong>der</strong> Landwirt H. Niehaus aus Steinhagen in Westfalen,<br />

<strong>der</strong> s<strong>ch</strong>on lange vorher von Krebs zu seinem Na<strong>ch</strong>folger berufen war und ihm au<strong>ch</strong> die Grabrede hielt.<br />

Krebs gründete 1895 das Hauptorgan <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde, die Monatss<strong>ch</strong>rift:<br />

„Wä<strong>ch</strong>terstimmen aus Ephraim“ (mit <strong>der</strong> Beilage „Der Herold“), die von Heinri<strong>ch</strong> Bornemann in Iserlohn<br />

verlegt wird. Krebs berief au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Vorgang <strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“ für die 12 Stämme des<br />

geistli<strong>ch</strong>en Israel die „Stammapostel“. Später freili<strong>ch</strong> wu<strong>ch</strong>s die Zahl <strong>der</strong> „Apostel“ auf 16 o<strong>der</strong> 17 an, indem<br />

man die 12 Stämme Israels als „Bu<strong>ch</strong>stabensa<strong>ch</strong>e“ betra<strong>ch</strong>tete, im Ans<strong>ch</strong>luss an Vers 9 des 2. Kapitels des ersten<br />

Briefes Petri nur von „einem auserwählten Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t“ redete und an die Stelle <strong>der</strong> Stämme die Apostelbezirke<br />

Holland, Bielefeld, Wolfenbüttel, Hamburg, Frankfurt a.M., Berlin, Ostpreussen, Breslau, Sa<strong>ch</strong>sen, Süddeuts<strong>ch</strong>land<br />

und die S<strong>ch</strong>weiz, Nordamerika, Südamerika, Südafrika, <strong>Aus</strong>tralien, Java und Indien setzte.<br />

Die grosse Zahl <strong>der</strong> Apostelbezirke mit ihren Namen weist zuglei<strong>ch</strong> auf die <strong>Aus</strong>dehnung <strong>der</strong><br />

Missionsarbeit <strong>der</strong> "Krebsianer" hin. Do<strong>ch</strong> es waren fast nur Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>en, weniger gebildeten<br />

Volkss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, die dur<strong>ch</strong> die Prediger <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde si<strong>ch</strong> gewinnen liessen.<br />

Von den Lehren <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde besitzt grundlegende Bedeutung <strong>der</strong> Glaube an die<br />

Sendung <strong>der</strong> „Apostel“, <strong>der</strong> zur Erlangung <strong>der</strong> ewigen Seligkeit als unbedingt notwendig erklärt wird. Denn<br />

„Jesus Christus im Fleis<strong>ch</strong>e, in den Aposteln, <strong>der</strong> Sohn ist in dieser Zeit zu sehen in seinen gesandten<br />

Aposteln“. Dana<strong>ch</strong> lebt Christus in den „Aposteln“ <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde ni<strong>ch</strong>t bloss geistigerweise<br />

fort, sofern er ihnen die Lehr- und Regierungsgewalt in seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> übertragen hat, son<strong>der</strong>n im – Fleis<strong>ch</strong>e“;<br />

„er ward ni<strong>ch</strong>t nur offenbar im Fleis<strong>ch</strong>e“ (1. Tim. 3, 16). Als er auf Erden weilte, son<strong>der</strong>n er ist fort und<br />

fort no<strong>ch</strong> offenbar im Fleis<strong>ch</strong>e, <strong>der</strong> „Apostel“ nämli<strong>ch</strong> ! Im „Apostolis<strong>ch</strong>en Gesangbu<strong>ch</strong>“ (Verlag von W.<br />

Sebastian in Wolfenbüttel) heisst es im Liede Nr. 281 vom „Apostel“: „Er trägt den S<strong>ch</strong>lüssel <strong>der</strong> Höll‘ und<br />

des Todes, Im Fleis<strong>ch</strong>e steht hier Gott vor uns.“ Also die „Apostel“ besitzen ni<strong>ch</strong>t nur die S<strong>ch</strong>lüssel des<br />

Himmelrei<strong>ch</strong>es, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> des Todes und <strong>der</strong> Hölle. Auf den Einwand, dass die Heilige S<strong>ch</strong>rift keine<br />

<strong>der</strong>artige fortwährende Offenbarung Christi im Fleis<strong>ch</strong>e und keine sol<strong>ch</strong>e Stellung und Ma<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Apostel kenne,<br />

erwi<strong>der</strong>n die Neu-Irvingianer, dass die Erkenntnis des Apostels Paulus und seiner Zeit, die er selbst (1. Kor. 13,<br />

9 f) als „Stückwerk“ bezei<strong>ch</strong>ne, no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t „das Vollkommene“ war und ni<strong>ch</strong>t als Mass <strong>der</strong> Erkenntnis für alle<br />

Zeiten hingestellt werden darf, und dass es neben dem Bibelwort no<strong>ch</strong> „das Wort von heut (!)“ gibt, das dem<br />

Bibelwort glei<strong>ch</strong>komme, ja no<strong>ch</strong> darübergestellt werden könne.<br />

Neben den „Charakterämtern“ <strong>der</strong> Aspostel, <strong>der</strong> Propheten, <strong>der</strong> Evangelisten und <strong>der</strong> Hirten (das ist <strong>der</strong><br />

einfa<strong>ch</strong>e Priester, gewöhnli<strong>ch</strong> „Brü<strong>der</strong>“ genannt) haben die Neu-Irvingianer no<strong>ch</strong> eine Reihe an<strong>der</strong>er Ämter<br />

eingeführt. Vor allem das Amt <strong>der</strong> Siebenziger o<strong>der</strong> Apostelhelfer; dann <strong>der</strong> Bis<strong>ch</strong>öfe, die einen grösseren Kreis,<br />

und <strong>der</strong> Bezirks-Ältesten, die einen kleineren Kreis von Gemeinden vorstehen und Stellvertreter <strong>der</strong> Apostel,<br />

jedo<strong>ch</strong> ihnen untergeordnet sind; weiterhin das Amt <strong>der</strong> Gemeinde-Ältesten o<strong>der</strong> ersten Priester grösserer<br />

Gemeinden; sodann <strong>der</strong> Diakonen, Unterdiakonen und Diakonissen, endli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Läufer und Türhüter. Nur die<br />

„Apostel“ sind ni<strong>ch</strong>t von Mens<strong>ch</strong>en, son<strong>der</strong>n von Gott gesandt. Alle übrigen Amtsträger sind dur<strong>ch</strong> die<br />

„Apostel“ gesandt. Während jedes Glied <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> weissagen kann, kann ni<strong>ch</strong>t jedes das<br />

Prophetenamt erlangen, vielmehr ist dieses auf einzelne wenige bes<strong>ch</strong>ränkt, die von den Aposteln berufen<br />

werden.<br />

Ebenso wi<strong>ch</strong>tig wie das Sakrament <strong>der</strong> Taufe o<strong>der</strong> vielmehr no<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tiger ist in <strong>der</strong> Neu-<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde die Versiegelung. Diese wird bei den alten Irvingianern erst im 20. Lebensjahr<br />

vorgenommen und wurde früher dur<strong>ch</strong> Stirnsalbung vollzogen. Bei den Neu-Irvingianern kann sie soglei<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

<strong>der</strong> Taufe (au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>) stattfinden. Nur ein Apostel kann sie spenden. Bei Erwa<strong>ch</strong>senen, die zur Sekte<br />

übertreten, erfolgt sie erst, na<strong>ch</strong>dem sie eine Zeitlang zur Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde gehalten haben, und<br />

bildet dann zuglei<strong>ch</strong> den Ritus für die Aufnahme. Die Handlung selbst besteht in blosser Handauflegung unter<br />

Gebet. Die Versiegelung ist die Taufe „in Heiligem Geiste und Feuer“ (Matth. 3, 11). Ihre Wirkung die<br />

„Versiegelung und Erfüllung mit dem Heiligen Geiste“.<br />

Dur<strong>ch</strong> die Versiegelung gehören die, wel<strong>ch</strong>e sie empfangen, zu den <strong>Aus</strong>erwählten. Sie ist also<br />

heilsnotwendig. Während jene, die sie ni<strong>ch</strong>t empfangen, au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t selig werden, können die Neu-Irvingianer,<br />

die sie empfangen haben, ni<strong>ch</strong>t verloren gehen.<br />

Do<strong>ch</strong> die Apostel, wel<strong>ch</strong>e die S<strong>ch</strong>lüssel des Todes und <strong>der</strong> Hölle haben [Anmerkung: Warum können<br />

sie dann Verstorbene ni<strong>ch</strong>t erwecken wie die biblis<strong>ch</strong>en Apostel?], können au<strong>ch</strong> Tote versiegeln. Selbst sol<strong>ch</strong>e<br />

Verstorbenen, die niemals zur Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde gehört haben; denn als ein Zweifel darüber<br />

entstanden war, erklärte <strong>der</strong> prophetis<strong>ch</strong>e Geist: „Ri<strong>ch</strong>tet ni<strong>ch</strong>t, damit ihr ni<strong>ch</strong>t geri<strong>ch</strong>tet werdet !“ (Matth. 7, 1).<br />

Deshalb finden si<strong>ch</strong> die Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde vor den Aposteln ein, um an Stelle ihrer<br />

verstorbenen Eltern und Angehörigen die Versiegelung zu empfangen [Anmerkung: Das ist Okkultismus]. Der<br />

Apostel legt ihnen die Hände auf und betet für die zu versiegelnden Verstorbenen.<br />

Für diesen Brau<strong>ch</strong> berufen si<strong>ch</strong> die Neu-Irvingianer auf eine S<strong>ch</strong>riftstelle (1. Kor. 15, 29), die also<br />

lautet: „Was werden sonst die tun, die für die Toten si<strong>ch</strong> taufen lassen, wenn die Toten überhaupt ni<strong>ch</strong>t<br />

auferstehen? Warum lassen sie si<strong>ch</strong> für dieselben taufen ?“ Aber <strong>der</strong> Apostel Paulus billigt o<strong>der</strong> empfiehlt hier<br />

Quellenmaterial Seite 40


diesen Brau<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t; er will die Korinther nur auf den Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> aufmerksam ma<strong>ch</strong>en, <strong>der</strong> darin liegt,<br />

einerseits den Verstorbenen die Taufgnade dur<strong>ch</strong> stellvertretende Taufe zuwenden zu wollen, und an<strong>der</strong>seits die<br />

Auferstehung <strong>der</strong> Toten zu leugnen.<br />

In ähnli<strong>ch</strong>er Weise wie die Versiegelung empfangen die Neu-Irvingianer au<strong>ch</strong> das Abendmahl für die<br />

Verstorbenen.<br />

Do<strong>ch</strong> es ist no<strong>ch</strong> auf eine an<strong>der</strong>e Wirkung <strong>der</strong> Versiegelung näher einzugehen: die Verleihung <strong>der</strong><br />

sieben Geistesgaben dur<strong>ch</strong> sie. Während die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im Ans<strong>ch</strong>luss an Jsaias 11, 1 f glei<strong>ch</strong>falls von<br />

sieben beson<strong>der</strong>en Gaben des Heiligen Geistes redet (<strong>der</strong> Gabe <strong>der</strong> Weisheit und des Verstandes, des Rates und<br />

<strong>der</strong> Stärke, <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aft und <strong>der</strong> Frömmigkeit und <strong>der</strong> Gabe <strong>der</strong> Fur<strong>ch</strong>t des Herrn), die von Christus als dem<br />

Haupte <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> au<strong>ch</strong> auf die Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> überfliessen und als Wirkung <strong>der</strong> heiligen Firmung den<br />

Christen beson<strong>der</strong>s geneigt ma<strong>ch</strong>en, den Einspre<strong>ch</strong>ungen des Heiligen Geistes Folge zu leisten, verstehen die<br />

Neu-Irvingianer darunter die vom Apostel Paulus (1. Kor. 12, 8 ff) aufgeführten Charismen, also jene<br />

ausserordentli<strong>ch</strong>en Gnaden- und Wun<strong>der</strong>gaben des Heiligen Geistes, die beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> ersten Zeit <strong>der</strong><br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> hervortraten, dann aber mit <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>breitung <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> immer mehr aufhörten, wenn sie<br />

au<strong>ch</strong> niemals völlig ausgestorben sind. Sie werden in einer 1872 verfassten S<strong>ch</strong>rift des „Apostels“ S<strong>ch</strong>warz „Das<br />

Bu<strong>ch</strong> für unsere Zeit“ (eine Erklärung <strong>der</strong> Geheimen Offenbarung) also aufgezählt: 1. Die Gabe <strong>der</strong> Weisheit<br />

und Erkenntnis Gottes (<strong>der</strong> Apostel redet von Weisheits- und Erkenntnisrede); 2. Die Gabe des Glaubens; 3. Die<br />

Gabe <strong>der</strong> Gesundma<strong>ch</strong>ung; 4. Die Gabe <strong>der</strong> Kräfte o<strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>; 5. Die Gabe <strong>der</strong> Weissagung; 6. Die Gabe <strong>der</strong><br />

Unters<strong>ch</strong>eidung <strong>der</strong> Geister; 7. Die Gabe in fremden Spra<strong>ch</strong>en zu reden und <strong>der</strong>en <strong>Aus</strong>legung.<br />

Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde behauptet nun, diese ausserordentli<strong>ch</strong>en Geistesgaben <strong>der</strong> Urkir<strong>ch</strong>e<br />

wie<strong>der</strong> zu besitze. Ja, sie bezei<strong>ch</strong>net sie sogar als ordentli<strong>ch</strong>e Wirkungen des Sakramentes „<strong>der</strong> heiligen Segnung<br />

des Geistes“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Versiegelung“, ohne sie freili<strong>ch</strong> jedem einzelnen si<strong>ch</strong>er zu verspre<strong>ch</strong>en, indem „<strong>der</strong> Geist<br />

einem jeden zuteilt, wie er will“ (1. Kor. 12, 11). Aber besitzt die Neu-Irvingianis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> diese Charismen<br />

wirkli<strong>ch</strong> ? Ist das, was sie als Geistesgaben bezei<strong>ch</strong>net, in Wahrheit ein Werk des Heiligen Geistes o<strong>der</strong> nur ein<br />

Blendwerk ?<br />

Sehen wir uns nur die „Gabe <strong>der</strong> Weissagung“, auf die die Neu-Irvingianer glei<strong>ch</strong> den alten soviel<br />

Gewi<strong>ch</strong>t legen, näher an ! Was vermögen denn jene, die diese Gabe zu besitzen glauben, uns zu weissagen?<br />

Dass ihre „Apostel“ S<strong>ch</strong>warz, Krebs, o<strong>der</strong> wie sie sonst heissen vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kunft Christi ni<strong>ch</strong>t sterben<br />

werden ! Aber sie sind ebenso gestorben wie die „Apostel“ <strong>der</strong> Alt-Irvingianer, denen dur<strong>ch</strong> den Heiligen<br />

Geist in glei<strong>ch</strong>er Weise verheissen war, dass sie vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kunft Christi n i c h t sterben werden !<br />

O<strong>der</strong>, dass <strong>der</strong> „Apostel“ Krebs Li<strong>ch</strong>t, Wahrheit, Leben und Liebe sei ! Aber das ist eine S<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>elei,<br />

jedo<strong>ch</strong> keine Weissagung. O<strong>der</strong>, dass die Zeit, in <strong>der</strong> wir stehen, eine ernste ist, dass das Volk umkehren<br />

müsse, dass <strong>der</strong> „Fremdling“ ni<strong>ch</strong>t kritisieren soll, son<strong>der</strong>n selbst um- und zurückkehren müsse, sonst<br />

werde ihn <strong>der</strong> Herr verstocken; und „weh denen, die ni<strong>ch</strong>t erkannt haben die Wahrheit !“ Aber dies ist<br />

eine allgemeine Busspredigt und wie<strong>der</strong> keine Weissagung.<br />

Ebensowenig ist es ein wirkli<strong>ch</strong>es „Spra<strong>ch</strong>enreden“, wenn eine vom Heiligen Geist ergriffene Frau<br />

während des Gottesdienstes die Worte lallt: „Vena asora alasigena aradena libi vistina, arasidena hoc adora<br />

arasidena“, und dann selbst diese Worte als Glückseligpreisung <strong>der</strong> – Neu-Irvingianer auslegt.<br />

„Von <strong>der</strong> Gabe Wun<strong>der</strong> zu tun,“ s<strong>ch</strong>rieb <strong>der</strong> „Apostel“ S<strong>ch</strong>warz selbst (im Jahre 1872),<br />

„ist uns bis jetzt in <strong>der</strong> ganzen apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> no<strong>ch</strong> kein Beispiel bekannt.“ Es ist<br />

au<strong>ch</strong> seitdem kein Beispiel bekannt geworden.<br />

Der Gottesdienst <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> von dem <strong>der</strong> alten Irvingianer<br />

vor allem dur<strong>ch</strong> seine Nü<strong>ch</strong>ternheit. Kein Altar o<strong>der</strong> Kreuz o<strong>der</strong> Bild s<strong>ch</strong>mückt den weissgetün<strong>ch</strong>ten Gebetssaal.<br />

Nur die Sinnbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Charakterämter“ (eigentli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> vier Evangelisten): Engel, Löwe, Opferstier und Adler<br />

sind irgendwo im Saale angebra<strong>ch</strong>t. Für den Prediger, <strong>der</strong> ohne Kultusgewän<strong>der</strong>, ledigli<strong>ch</strong> im gewöhnli<strong>ch</strong>en<br />

Sonntagsrock seines Amtes waltet, ist eine Art Kathe<strong>der</strong> aufgestellt. Au<strong>ch</strong> ein Harmonium befindet si<strong>ch</strong> im<br />

Saale. Die Ordnung wird von den Türhütern gehandhabt, die au<strong>ch</strong> dem „Fremdling“ einen Platz anweisen, ihm<br />

ein „Apostolis<strong>ch</strong>es Gesangbu<strong>ch</strong>“ überrei<strong>ch</strong>en und ferner a<strong>ch</strong>t geben, dass er von <strong>der</strong> Predigt und den prophetis<strong>ch</strong>en<br />

Reden ni<strong>ch</strong>ts na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>reibt. (!)<br />

Auf das Eingangsgebet folgt Gesang, Verlesung eines Abs<strong>ch</strong>nittes aus <strong>der</strong> Bibel, dann wie<strong>der</strong> ein<br />

Gesang und ein kurzes Gebet, das ungefähr also lautet: „Lieber Vater, du hast gesagt: Für<strong>ch</strong>tet eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, i<strong>ch</strong><br />

will zur Stunde das re<strong>ch</strong>te Wort geben. So gib es heut ! Lass uns deine Gnade fassen dur<strong>ch</strong> deinen lieben Sohn,<br />

unsern Apostel.“ Dann beginnt ni<strong>ch</strong>t etwa die Predigt, son<strong>der</strong>n es setzen zunä<strong>ch</strong>st die „Weissagungen“ <strong>der</strong><br />

Gemeindeglie<strong>der</strong> ein, die gewöhnli<strong>ch</strong> in einer Ermunterung des „Priesters“ und einer Ermahnung an das Volk<br />

bestehen, die Worte des Predigers wohl zu bea<strong>ch</strong>ten und – aller Kritik si<strong>ch</strong> zu enthalten.<br />

Na<strong>ch</strong>dem <strong>der</strong> Prediger mit einem „Genug!“ dem Geist <strong>der</strong> Weissagung Ruhe geboten hat, beginnt er die<br />

Verlesung <strong>der</strong> Predigt selbst. Dieser ist zwar ein Bibeltext zugrunde gelegt, aber <strong>der</strong> Prediger hält si<strong>ch</strong> in <strong>der</strong><br />

Regel ni<strong>ch</strong>t an ihn, son<strong>der</strong>n ergeht si<strong>ch</strong> in allgemeinen Ermahnungen o<strong>der</strong> Klagen, sowie in Lobpreisungen des<br />

Apostelamtes <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde. Das geht etwa eine halbe Stunde fort, oft in s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tem<br />

Deuts<strong>ch</strong>, worauf wie<strong>der</strong> die Prophetenstimmen einsetzen und zur Beherzigung <strong>der</strong> „zur Stunde geoffenbarten<br />

Quellenmaterial Seite 41


Wahrheit“ und zur Umkehr mahnen.<br />

Darauf folgt eine Ermahnung des Predigers zur Vorbereitung auf den Empfang des Abendmahls, <strong>der</strong> ein<br />

Gesang und ein (allgemeines) Sündenbekenntnis si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>liesst. Nun wird das Vaterunser gebetet mit dem<br />

S<strong>ch</strong>luss: „Erlöse uns von dem Bösen“, worauf <strong>der</strong> „Priester“ die Losspre<strong>ch</strong>ung mit den Worten erteilt: „In dem<br />

Namen und Tun unseres Herrn Jesu Christi, in dem gesandten Gnadenamte, dem die Ma<strong>ch</strong>t gegeben ist zu lösen<br />

und zu binden, verkünde i<strong>ch</strong> eu<strong>ch</strong> völlige Gnade und Vergebung und spre<strong>ch</strong>e eu<strong>ch</strong> los von allen euren Sünden.<br />

Friede sei mit eu<strong>ch</strong> !“ Na<strong>ch</strong>dem die Gemeinde die „Zehnten und Opfergaben des Volkes Gottes“ dargebra<strong>ch</strong>t<br />

und <strong>der</strong> Prediger Gott gedankt hat, dass er den Glauben seiner Kin<strong>der</strong> dazu gestärkt hat, wird ein<br />

vierstimmiges Lied o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> ein Kin<strong>der</strong><strong>ch</strong>or zum Vortrag gebra<strong>ch</strong>t. Es folgt die „Segnung“ von (ungesäuertem)<br />

Brot und Wein, indem <strong>der</strong> Priester die Einsetzungsworte darüber spri<strong>ch</strong>t. Dann das „Opfergebet na<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

Konsekration“ und ein „allgemeines Gebet für die Vollendung des Werkes Gottes, inson<strong>der</strong>heit für das<br />

bestehende Amt <strong>der</strong> Apostel und die mit diesem verbundenen Ämter, für die Entfaltung <strong>der</strong> Gaben und Kräfte<br />

des Heiligen Geistes und für Kranke, die Fürbitte für die Obrigkeit, das Gedä<strong>ch</strong>tnis <strong>der</strong> Ents<strong>ch</strong>lafenen, endli<strong>ch</strong><br />

ein Gebet um die Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn.“<br />

Die <strong>Aus</strong>teilung <strong>der</strong> Kommunion selbst ges<strong>ch</strong>ieht in <strong>der</strong> Weise, dass <strong>der</strong> „Priester“ das Brot dem<br />

Kommunikanten in die re<strong>ch</strong>te Hand gibt und dabei spri<strong>ch</strong>t: „Der Leib unseres Herrn Jesu Christi, für di<strong>ch</strong><br />

gegeben !“ Der Empfänger antwortet: „Amen“. Hierauf rei<strong>ch</strong>t ihm <strong>der</strong> Diakon den Kel<strong>ch</strong> mit Wein und spri<strong>ch</strong>t<br />

dabei: „Das Blut unseres Herrn Jesu Christi, für di<strong>ch</strong> vergossen !“ Abermals antwortet <strong>der</strong> Empfänger: „Amen“.<br />

Den S<strong>ch</strong>luss <strong>der</strong> Kommunionfeier, die alle Sonntage und zwar vor- und na<strong>ch</strong>mittags stattfindet, bildet<br />

das Danksagungsgebet. Daran reihen si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>e Fürbitten für sol<strong>ch</strong>e Personen, die eigens darum<br />

na<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>en. Öfters melden si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Gemeindeglie<strong>der</strong>, die während <strong>der</strong> Feier „Gesi<strong>ch</strong>te“ gehabt haben, um<br />

diese vor <strong>der</strong> versammelten Gemeinde zu s<strong>ch</strong>il<strong>der</strong>n. Handtmann bietet (Seite 69) folgendes Beispiel: „I<strong>ch</strong> sah,<br />

als <strong>der</strong> Liebe Apostel Niehaus nie<strong>der</strong>kniete und betete, ein grosses Li<strong>ch</strong>t. In diesem Li<strong>ch</strong>t sah i<strong>ch</strong> zwei grosse<br />

Bäume. Der Baum an <strong>der</strong> Ostseite war mit Frü<strong>ch</strong>ten beladen, und <strong>der</strong> Mond s<strong>ch</strong>ien hindur<strong>ch</strong>. Als <strong>der</strong> liebe<br />

Apostel von <strong>der</strong> Perle redete, glänzte das Himmelsli<strong>ch</strong>t von allen Seiten. Und als <strong>der</strong> eine Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> zum<br />

grossen Fis<strong>ch</strong>fang musste, die Versiegelung empfing, kam ein Tier gelaufen, aber ein Engel kam mit einem Stab<br />

und verjagte das Tier. Darauf war alles vom glänzenden Himmelsli<strong>ch</strong>t beleu<strong>ch</strong>tet, und die Sonne s<strong>ch</strong>ien sehr<br />

prä<strong>ch</strong>tig im Osten etc.“ – „Genug !“<br />

Den Abs<strong>ch</strong>luss <strong>der</strong> ganzen, meist zwei Stunden dauernden Gottesdienstfeier bildet <strong>der</strong> vom Prediger<br />

gespro<strong>ch</strong>ene Segen Aarons (Num. 6, 24 – 26), dem no<strong>ch</strong> ein gemeinsam gesungenes Lied folgt.<br />

Man mö<strong>ch</strong>te nun glauben, <strong>der</strong> Irvingianismus, aus dem sowohl die Allgemeine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Mission als au<strong>ch</strong> die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde hervorgingen, hätte si<strong>ch</strong> damit genügend „entwickelt“.<br />

Do<strong>ch</strong> dies ist ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Fall. Au<strong>ch</strong> aus <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde ging bereits wie<strong>der</strong> eine weitere<br />

„<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“ [Anmerkung: Abspaltung!] hervor: „Das Z e p t e r J u d a, d a s n e u e A p o s t e l a m t.“<br />

Der Stifter dieser irvingianis<strong>ch</strong>en Gruppe ist <strong>der</strong> ehemalige Stroms<strong>ch</strong>iffer, spätere Landwirt (in<br />

Zehdenick in Brandenburg) und Ziegeleiverwalter (in Gransee, Kreis Ruppin), Julius Fis<strong>ch</strong>er. Er war 1896 von<br />

Krebs „versiegelt“ und dann in ras<strong>ch</strong>er Folge Unterdiakon, Diakon, „Priester“ und „Bezirksältester“ von 8<br />

Gemeinden geworden. Do<strong>ch</strong> alsbald kam es zwis<strong>ch</strong>en ihm und mehreren an<strong>der</strong>n, die ni<strong>ch</strong>t so s<strong>ch</strong>nell zu Amt und<br />

Würden aufrückten, zu Eifersu<strong>ch</strong>t und Streit. Man bes<strong>ch</strong>uldigte Fis<strong>ch</strong>er, dass er im Gegensatz zur Neu-<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ni<strong>ch</strong>t annehme, Christus werde bei seiner Wie<strong>der</strong>kunft „auf den Wolken des Himmels mit<br />

grosser Ma<strong>ch</strong>t und Herrli<strong>ch</strong>keit kommen“, wie er do<strong>ch</strong> selbst (Matth. 24, 30) es vorausverkündigte; son<strong>der</strong>n er<br />

lehre, unter den Wolken des Himmels sei die „Zeugens<strong>ch</strong>ar“ o<strong>der</strong> die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde zu verstehen,<br />

in <strong>der</strong>en Mitte Christus als Haupt in den Aposteln im Fleis<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>on ers<strong>ch</strong>ienen sei. Es kam zu Verhandlungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en Fis<strong>ch</strong>er und Krebs, und als keine Einigung zu erzielen war, zu einer grossen Versammlung in<br />

Zehdenick, auf <strong>der</strong> Gott selbst dur<strong>ch</strong> Weissagung die Ents<strong>ch</strong>eidung für – Julius Fis<strong>ch</strong>er gab. Dieser wurde zum<br />

„Vater“ o<strong>der</strong> „Apostel Juda“ ausgerufen und berief dann selbst und salbte eine Reihe an<strong>der</strong>er „Stammapostel“<br />

für die Städte <strong>der</strong> Provinz Brandenburg und darüber hinaus.<br />

Fis<strong>ch</strong>er gründete au<strong>ch</strong> im September 1904 eine bei J. Weidli<strong>ch</strong> in Zehdenick gedruckte Monatss<strong>ch</strong>rift:<br />

„Wahrheitskunde vom Zepter Juda, das neue Apostelamt“. Zuglei<strong>ch</strong> verfasste er ein neues „Apostolis<strong>ch</strong>es<br />

Glaubensbekenntnis“, das im ersten Hauptstück in 3 Artikeln die Lehre von den drei göttli<strong>ch</strong>en Personen, im<br />

zweiten die Lehre von den Sakramenten <strong>der</strong> heiligen Taufe, <strong>der</strong> heiligen Segnung des Geistes und des heiligen<br />

Abendmahls behandelte. Abgesehen von <strong>der</strong> bildli<strong>ch</strong>en Auffassung <strong>der</strong> „Wolken des Himmels“, dur<strong>ch</strong> die<br />

allerdings die persönli<strong>ch</strong>e Wie<strong>der</strong>kunft Christi am Ende <strong>der</strong> Welt geleugnet wird, unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> „Das Zepter<br />

Juda, das neue Apostelamt“ indes ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> von den Lehren und Einri<strong>ch</strong>tungen <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Gemeinde. Do<strong>ch</strong> beraubte si<strong>ch</strong> Fis<strong>ch</strong>er hierdur<strong>ch</strong> eines zugkräftigen, von Alt- und Neu-Irvingianern und<br />

Adventisten angewendeten Bekehrungsmittels. Infolgedessen rei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> die <strong>Aus</strong>breitung <strong>der</strong> neuen Sekte lange<br />

ni<strong>ch</strong>t an die <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde hinan. Sie zählt nur wenige Tausende Bekenner, während die<br />

Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde etwa 15'000 Gläubige [um 1904] zählt, und die Mitglie<strong>der</strong>zahl <strong>der</strong> alten Irvingianer<br />

auf 60'000 ges<strong>ch</strong>ätzt wird, wovon über die Hälfte auf Deuts<strong>ch</strong>land kommt.<br />

Ist den vers<strong>ch</strong>iedenen irvingianis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> von Irving selbst gegründeten<br />

„apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>“, ein gewisser religiöser Ernst ni<strong>ch</strong>t abzuerkennen, so sind sie an<strong>der</strong>seits von religiöser<br />

Quellenmaterial Seite 42


S<strong>ch</strong>wärmerei ni<strong>ch</strong>t freizuspre<strong>ch</strong>en. Samt und son<strong>der</strong>s aber stehen sie mit den von Christus aufgestellten<br />

Aposteln in keinerlei Zusammenhang. Sie können ihre „Ämter“ und „Weihegewalten“ ni<strong>ch</strong>t auf die<br />

Apostel und damit auf den Heiland selbst zurückführen, während von ihren „Prophezeiungen“ das Wort des<br />

Propheten Jeremias (23, 16) gilt: „Sie verkünden Gesi<strong>ch</strong>te, die ihr eigenes Herz, ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Mund des Herrn<br />

eingegeben hat.“<br />

Darum: „Glaubet ni<strong>ch</strong>t jedem Geiste !“ (1. Joh. 4, 1). Nur jene <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> ist als die wahre, von Christus<br />

gestiftete zu betra<strong>ch</strong>ten, <strong>der</strong>en Vorsteher ihre Lehr- und Weihegewalt bis auf die Apostel zurückführen können,<br />

die in ununterbro<strong>ch</strong>ener Verbindung mit dem Apostel Petrus steht, weil dieser na<strong>ch</strong> dem Willen Christi<br />

(Matth. 16, 18) den Einheitspunkt und das Fundament <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> bildet. Ihr hat Christus au<strong>ch</strong> (Matth. 28, 20;<br />

Luk. 22, 31 f; Joh. 16, 13) den Beistand des Heiligen Geistes bis zum Ende <strong>der</strong> Welt verheissen, so dass sie<br />

ni<strong>ch</strong>ts Irrtümli<strong>ch</strong>es lehrt o<strong>der</strong> verkündet. Deshalb wollen wir uners<strong>ch</strong>ütterli<strong>ch</strong> an ihr festhalten, da sie die wahre<br />

Lehre Christi predigt und die wahren Heilsmittel im Auftrag und Namen Christi spendet.<br />

*<br />

„I<strong>ch</strong> bin erstaunt,“ s<strong>ch</strong>reibt <strong>der</strong> heilige Apostel Paulus an die Galater (1, 6 ff), „dass ihr eu<strong>ch</strong> so<br />

bald abwenden lasset von dem, <strong>der</strong> eu<strong>ch</strong> zur Gnade Christi berufen hat, zu einem an<strong>der</strong>en<br />

Evangelium, da es do<strong>ch</strong> kein an<strong>der</strong>es gibt . . . Allein, wenn au<strong>ch</strong> wir o<strong>der</strong> ein E n g e l<br />

v o m H i m m e l ein an<strong>der</strong>es Evangelium verkündete, als wir eu<strong>ch</strong> verkündet haben,<br />

<strong>der</strong> sei ausgestossen!“<br />

S<strong>ch</strong>riftenverzei<strong>ch</strong>nis<br />

Über die Irvingianer und die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde:<br />

W. Jones, Biographical Sket<strong>ch</strong> of E. Irving, London 1835.<br />

W. Wilks, E. Irving, London 1854.<br />

Mrs. O. Oliphant, The life of E. Irving, 2 Bände, London 1862.<br />

Edw. Miller, The history and doctrines of Irvingism, 2 Bände, London 1878.<br />

J. N. Köhler, Het Irvingisme, S’Gravenhage 1876, mit einer Übersi<strong>ch</strong>t über die irvingianis<strong>ch</strong>e Literatur<br />

auf S. 413 – 443.<br />

Mi<strong>ch</strong>ael Hohl, Bru<strong>ch</strong>stücke aus dem Leben und <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>riften Irvings, St. Gallen 1838; 1850.<br />

Jos. Edm. Jörg, Der Irvingianismus, Mün<strong>ch</strong>en 1856, Abdruck aus den „Historis<strong>ch</strong>-politis<strong>ch</strong>en Blättern“,<br />

37. Band.<br />

Th. Kolde, Edward Irving, Leipzig 1901.<br />

Bal. Thalhofer, Beiträge zur <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> des Aftermystizismus und insbeson<strong>der</strong>e des Irvingianismus im<br />

Bistum Augsburg, Regensburg 1857. Über die Lehren <strong>der</strong> Irvingianer verbreiteten si<strong>ch</strong> beson<strong>der</strong>s die<br />

irvingianis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften von:<br />

E. Ad. Rossteus<strong>ch</strong>er, Der Aufbau <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi auf den ursprüngli<strong>ch</strong>en Grundlagen, Basel 1871;<br />

1886.<br />

Karl Rothe, Das Opfer unseres Herrn Jesu Christi am Kreuz und das Opfer <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> im heiligen<br />

Sakrament des Altars, Frankfurt 1854.<br />

Charles J. T. Böhm, S<strong>ch</strong>atten und Li<strong>ch</strong>t in dem gegenwärtigen Zustand <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, ebd. 1855; über den<br />

Gottesdienst das von Thiers<strong>ch</strong> übersetzte Werk: Die Liturgie und an<strong>der</strong>e Gottesdienste <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, 2<br />

Bände, Basel 1866 ff, und an<strong>der</strong>e von Thalhofer in <strong>der</strong> „Literaris<strong>ch</strong>en Runds<strong>ch</strong>au“, 9. Jahrgang, Nr, 12,<br />

bespro<strong>ch</strong>enen S<strong>ch</strong>riften. Vgl. au<strong>ch</strong>:<br />

Johannes Rubanowits<strong>ch</strong>, Die Apostolis<strong>ch</strong>en (Irvingianer), Neumünster (1906); die Artikel: „Irving und<br />

<strong>der</strong> Irvingianismus“ von Kolde in: Realencyklopädie für prot. Theologie und <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, 3. Aufl., 9. Band,<br />

S. 424 – 437, mit weiteren Literaturangaben, und „Irving“ von Thalhofer in: <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nlexikon. 2. Aufl., 6.<br />

Band, Sp. 928 – 934.<br />

Über die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde handelt: Karl Handtmann, die Neu-Irvingianer o<strong>der</strong> die „Apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Gemeinde“, Gütersloh 1907.<br />

*<br />

Quellenmaterial Seite 43


Wi<strong>der</strong> die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“<br />

und ihre neuen Apostel.<br />

Aufsatz aus<br />

Evangelis<strong>ch</strong>er Bund<br />

Berlin W 35<br />

1925<br />

Die <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>, eine Sekte, die in Deuts<strong>ch</strong>land seit etwa 20 Jahren ziemli<strong>ch</strong> stark zunimmt,<br />

werden häufig mit den Irvingianern, den Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en, verwe<strong>ch</strong>selt und oft tritt einem die Frage<br />

entgegen: Wodur<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>eiden si<strong>ch</strong> denn beide voneinan<strong>der</strong> ? Man kann kurz sagen: die Neuapostolkis<strong>ch</strong>en<br />

sind die deuts<strong>ch</strong>e Spielart des ursprüngli<strong>ch</strong> englis<strong>ch</strong>en Irvingianismus, genau so wie es eine deuts<strong>ch</strong>e<br />

„Anthroposophie“ neben <strong>der</strong> indis<strong>ch</strong>-englis<strong>ch</strong>en „Theosophie“, einen deuts<strong>ch</strong>en Zweig <strong>der</strong> Heilsarmee neben<br />

dem englis<strong>ch</strong>en Hauptstamm gibt. Das Wesen des Englän<strong>der</strong>tums ist mehr aktiv, dringt energis<strong>ch</strong> auf die Tat,<br />

<strong>der</strong> mehr besinnli<strong>ch</strong>e Deuts<strong>ch</strong>e legt desto höheren Wert auf die Lehre. Der Englän<strong>der</strong> reformierter Art will die<br />

Wie<strong>der</strong>kunft Christi glei<strong>ch</strong>sam erzwingen: Wir müssen Geistesgaben haben, damit <strong>der</strong> Herr wie<strong>der</strong>kommt, also<br />

s<strong>ch</strong>affen wir Zungenreden, Weissagen u. dgl. Der Herr kann erst dann wie<strong>der</strong>kommen, sagt Irving, <strong>der</strong> Stifter <strong>der</strong><br />

Irvingianer, wenn wir Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer wie<strong>der</strong> haben. S<strong>ch</strong>ön, sagt sein<br />

Zuhörer, also s<strong>ch</strong>affen wir Apostel; dann zwingen wir den Herrn glei<strong>ch</strong>sam gesetztli<strong>ch</strong>, wie<strong>der</strong>zukommen, wenn<br />

er ein Mann von Wort ist. Er muss wie<strong>der</strong>kommen ! Der Deuts<strong>ch</strong>e lässt si<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn<br />

no<strong>ch</strong> Zeit, wenn er nur seine Apostel hat, auf <strong>der</strong>en Rede er hören kann !<br />

Ein kurzer Blick nur auf die Vorges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und die <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> unserer <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>. Wie<strong>der</strong>um<br />

sehen wir uns zurückversetzt in jene erregungsrei<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong>napoleonis<strong>ch</strong>e Zeit, <strong>der</strong> so man<strong>ch</strong>e Sekte in<br />

England wie in Amerika ihren Ursprung verdankt. London ist die Geburtsstätte <strong>der</strong> „Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en“.<br />

Ein rei<strong>ch</strong>er Bankier, Henry Drummond, studierte mit einer Reihe von Gesinnungsgenossen die<br />

Offenbarung Johannes und die Propheten, um daraus Christi Wie<strong>der</strong>kunft zu erre<strong>ch</strong>nen. Nun wirkte seit 1822 an<br />

<strong>der</strong> s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>-reformierten Gemeinde in London <strong>der</strong> 1792 geborene Eduard Irving, einst Hilfsprediger des<br />

berühmten Dr. Chalmers, dann selbst ein viel gehörter geistvoller Bussprediger. Wenn man ihn gewinnen<br />

könnte ! Und er liess si<strong>ch</strong> gewinnen. S<strong>ch</strong>on 1825 hatte er selbständig die Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn für 1844<br />

erre<strong>ch</strong>net. Nun wurde festgestellt: dass <strong>der</strong> Herr ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on viel früher gekommen sei, daran sei die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

s<strong>ch</strong>uld, die in Missa<strong>ch</strong>tung von Eph. 4, 12 das fünffa<strong>ch</strong>e Amt <strong>der</strong> Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und<br />

Leher aufgegeben habe. Nun kam, vor allem in S<strong>ch</strong>ottland, das Zungenreden, das Gebetsheilen. Nun kam au<strong>ch</strong><br />

die <strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Amtsträger, vor allem <strong>der</strong> zwölf Apostel. Sie würden, so hoffte man bestimmt trotz<br />

Apostelges<strong>ch</strong>. 1, 7, die Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn erleben. Irving war s<strong>ch</strong>on 1834 gestorben, ohne die Wie<strong>der</strong>kunft<br />

des Herrn erlebt zu haben. Nun zogen die Apostel eilig in alle Welt, um gemäss Matth. 24, 14 das Evangelium<br />

vom Rei<strong>ch</strong> allen Völkern zu verkündigen, hatten au<strong>ch</strong> allerlei Erfolge, wie denn in Berlin die<br />

Bethlehemgemeinde ges<strong>ch</strong>lossen zu ihnen übertrat; aber <strong>der</strong> Herr kam ni<strong>ch</strong>t. Er sollte 1847 kommen, er<br />

kam ni<strong>ch</strong>t; 1864, no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t; die ersten Apostel begannen zu sterben: sie sahen ihn ni<strong>ch</strong>t mehr. Aber <strong>der</strong> letzte<br />

wird es erleben ! Au<strong>ch</strong> er starb, 96jährig, 1901. Der Herr war ni<strong>ch</strong>t gekommen ! Nun redet man mit Offenb. 8,<br />

1 von <strong>der</strong> „Stille im Himmel bei einer halben Stunde“ und wartet still weiter. Ob au<strong>ch</strong> hoffnungslos ? Dieser<br />

Zweig steht still und wird wohl aussterben ! – Inzwis<strong>ch</strong>en waren aber bei den deuts<strong>ch</strong>en Anhängern Son<strong>der</strong>besterebungen<br />

hervorgetreten. Der Prophet Heinri<strong>ch</strong> Geyer aus Berlin, augens<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> erregt, dass unter<br />

den Aposteln kein einziger deuts<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> befand, versu<strong>ch</strong>te seit 1860 deuts<strong>ch</strong>e Apostel auszurufen [Anmerkung:<br />

Hinweis auf Ma<strong>ch</strong>tkampf ??], wurde aber darüber ausgestossen und gründete nun seit 1863 seine sehr<br />

kir<strong>ch</strong>enfreundli<strong>ch</strong>e, aber zwerghaft gebliebene „Allgemeine Christli<strong>ch</strong>e Apostolis<strong>ch</strong>e Mission“. Dass er so<br />

kir<strong>ch</strong>enfreundli<strong>ch</strong> war, seine Konfirmanden na<strong>ch</strong> dem Lutheris<strong>ch</strong>en Kate<strong>ch</strong>ismus unterri<strong>ch</strong>tete, war vielen<br />

Heissspornen ein Dorn im Auge. Er wurde von einem <strong>der</strong> von ihm eingesetzten Apostel, Wi<strong>ch</strong>mann in<br />

Hamburg, kurzerhand beiseite gedrängt. Diese Heisssporne begannen allmähli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> zu organisieren. Nur<br />

fehlten ihnen vorerst no<strong>ch</strong> Apostel.<br />

Zunä<strong>ch</strong>st setzten sie si<strong>ch</strong> in den Sattel: gewannen Anhänger in Westfalen, <strong>der</strong> Harzgegend, in S<strong>ch</strong>lesien<br />

und Hessen. Nun knüpfte man au<strong>ch</strong> mit dem in Holland wirkenden, no<strong>ch</strong> von Geyer berufenen Aposte<br />

S<strong>ch</strong>wartz, einem Hamburger „Priester“, an. S<strong>ch</strong>wartz hatte inzwis<strong>ch</strong>en im reformierten Holland seine Arbeit<br />

total umgestaltet, jegli<strong>ch</strong>er katholisieren<strong>der</strong> Prunk <strong>der</strong> Apostolis<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>wand: die kultis<strong>ch</strong>en Prunkgewän<strong>der</strong><br />

wi<strong>ch</strong>en dem Sonntagsrock, die Altäre den Predigttis<strong>ch</strong>en, die Bil<strong>der</strong> den kahlen Wänden und vor allem die<br />

dramatis<strong>ch</strong>en Opferliturgien den einfa<strong>ch</strong>en kunstlosen Bekehrungspredigten. Bedeutsam war hier <strong>der</strong> Einfluss<br />

Quellenmaterial Seite 44


des Westfalen Menkhoff, eines aus reformierten Kreisen in <strong>der</strong> Gegend von Herford stammenden ehemaligen<br />

Missionskandidaten, späteren Reisepredigers. Während S<strong>ch</strong>wartz in Holland blieb, ging Menkhoff 1868 na<strong>ch</strong><br />

Deuts<strong>ch</strong>land, wurde 1872 zum Apostel für dieses Land ausgerufen und hat hier, vor allem in Hamburg und im<br />

westfälis<strong>ch</strong>en Industriegebiet, die Arbeit organisiert. S<strong>ch</strong>wartz, <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>on den Titel eines „Stammapostels“<br />

geführt hatte, und Menkhoff starben beide 1895. Als Menkhoffs Na<strong>ch</strong>folger für Deuts<strong>ch</strong>land war s<strong>ch</strong>on vor<br />

seinem Tode <strong>der</strong> ehemalige Bahnmeister Krebs aus S<strong>ch</strong>ierke am Harz „ausgeson<strong>der</strong>t“ worden. Er nahm nun<br />

bei S<strong>ch</strong>wartz‘ Lei<strong>ch</strong>enbegräbnis au<strong>ch</strong> den Titel eines „Stammapostels“ an si<strong>ch</strong>. Mit Feuereifer ging er gegen<br />

die Landeskir<strong>ch</strong>e und ihre „S<strong>ch</strong>warzröcke“ vor und fand bald in Deuts<strong>ch</strong>land eifrigen Zulauf, ja au<strong>ch</strong> ausserhalb<br />

Deuts<strong>ch</strong>lands, in Skandinavien, Nord- wie Südamerika, <strong>Aus</strong>tralien, den holländis<strong>ch</strong>en Kolonien, gewann er<br />

Anhänger. Beson<strong>der</strong>es Aufsehen erregte 1899 <strong>der</strong> Übertritt des javanis<strong>ch</strong>en Missionskate<strong>ch</strong>eten Sadra<strong>ch</strong> mit<br />

etwa 5'000 Christen zu den <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>.<br />

Na<strong>ch</strong> Krebs‘ Tode (1905) wurde sein Na<strong>ch</strong>folger als Stammapostel <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>on 1896 zum Apostel<br />

ausgerufene Landmann Hermann Niehaus aus Quelle bei Bielefeld. Unter ihm ist das Wa<strong>ch</strong>stum, vor allem in<br />

Berlin, Sa<strong>ch</strong>sen und in Westdeuts<strong>ch</strong>land, ununterbro<strong>ch</strong>en vor si<strong>ch</strong> gegangen. Niehaus hat die Sekte in den Jahren<br />

seiner Kraft mit fester Hand, mit „westfälis<strong>ch</strong>er Dicks<strong>ch</strong>ädeligkeit“ geleitet. Neuerdings, wo er älter geworden<br />

ist. s<strong>ch</strong>einen si<strong>ch</strong> Streitigkeiten um die Na<strong>ch</strong>folge anzubahnen. Weniger hatte in dieser Hinsi<strong>ch</strong>t zu bedeuten<br />

eine bald na<strong>ch</strong> dem Kriege [Hinweis: 1. Weltkrieg] in Stuttgart ausgebro<strong>ch</strong>ene Spaltung. Aber seit <strong>der</strong> alternde<br />

Niehaus in <strong>der</strong> Person des Frankfurter Apostels Bis<strong>ch</strong>off 1920 einen Stammapostelhelfer erhalten hat, geht <strong>der</strong><br />

Leipzig-Dresdner Apostel Brückner eigene Wege mehr „liberaler“ Natur. Es s<strong>ch</strong>eint, als wenn das gesamte<br />

Apostelkollegium si<strong>ch</strong> gegenüber dem bisher überragenden Einfluss des Stammapostels neuerdings mehr zur<br />

Geltung bringen will. Au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint neuerdings die Erwartung <strong>der</strong> baldigen Wie<strong>der</strong>kunft des Herrn in <strong>Aus</strong>nahme<br />

zu kommen. Dabei steigt aber die Mitglie<strong>der</strong>zahl andauernd. Man wird sie trotz <strong>der</strong> Brückners<strong>ch</strong>en Spaltung<br />

ruhig auf 60 – 70‘000 s<strong>ch</strong>ätzen dürfen.<br />

Die Apostel bezei<strong>ch</strong>nen si<strong>ch</strong>, wie wir unten des weiteren sehen werden, als Fleis<strong>ch</strong> gewordene<br />

Christusse. Man sollte nun do<strong>ch</strong> denken, dass sie na<strong>ch</strong> dem Wort 1. Petri 2, 23: „Wel<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t wie<strong>der</strong> s<strong>ch</strong>alt, da<br />

er ges<strong>ch</strong>olten ward“ und na<strong>ch</strong> dem Wort des Herrn selbst Matth. 5, 44: „Segnet, die eu<strong>ch</strong> flu<strong>ch</strong>en“ si<strong>ch</strong> eines<br />

ruhigen Tones befleissigen würden. Gegen einen so sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gegner wie Handtamnn hat Niehaus selbst eine<br />

von unflätigsten Bes<strong>ch</strong>impfungen strotzende Bros<strong>ch</strong>üre ges<strong>ch</strong>rieben. Ebenso wird S<strong>ch</strong>midt, <strong>der</strong> „Mauersteiger“,<br />

wie sie ihn na<strong>ch</strong> seinem sehr sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> gehaltenen Bu<strong>ch</strong> „Jenseits <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nmauern“ höhnis<strong>ch</strong> nennen,<br />

mit einer S<strong>ch</strong>ale voll fanatis<strong>ch</strong>er Zornesausbrü<strong>ch</strong>e übergossen. Do<strong>ch</strong> sie wollen ihre Sa<strong>ch</strong>e, von <strong>der</strong>en<br />

Ri<strong>ch</strong>tigkeit sie natürli<strong>ch</strong> überzeugt sind, verteidigen, und ihr Zorn beweist ja si<strong>ch</strong>er, dass diese Gegner ihnen<br />

s<strong>ch</strong>arfe Hiebe beigebra<strong>ch</strong>t haben. – Aber ist <strong>der</strong> Ton, dessen sie si<strong>ch</strong> untereinan<strong>der</strong> befleissigen, ein an<strong>der</strong>er ?<br />

Gesetzt einmal den Fall, die grosse <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> hätte darin gefehlt, dass sie das Apostelamt hätte abkommen lasssen,<br />

was, wie wir sehen werden, dur<strong>ch</strong>aus ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Fall ist: aber hatten sie denn ni<strong>ch</strong>t, immer von ihrem Standpunkt<br />

aus gesehen, in <strong>der</strong> Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde die Wie<strong>der</strong>herstellung dieser angebli<strong>ch</strong> verloren<br />

gegangenen Ämter ? In Hamburg haben si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> 1878 bei <strong>der</strong> Trennung <strong>der</strong> <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> von den<br />

Geyerianern Szenen abgespielt, wel<strong>ch</strong>e sehr wenig dem Geiste des entspre<strong>ch</strong>en, dessen erstes Wort am<br />

Kreuzesstamm war: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen ni<strong>ch</strong>t, was sie tun !“ Geyer hat do<strong>ch</strong> damals mit Re<strong>ch</strong>t<br />

die „entweihte Stätte“ verlassen, um nie wie<strong>der</strong> dahin zurückzukehren. Wird ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> „sanftmütige und von<br />

Herzen demütige“ Herr au<strong>ch</strong> zu denen sagen, die damals den Platz behaupteten: „I<strong>ch</strong> habe eu<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> nie<br />

erkannt; wei<strong>ch</strong>et alle von mir, ihr Übeltäter“ (Matth. 7, 23) ? Wir wissen sehr wohl, dass in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Unkraut<br />

neben dem Weizen wä<strong>ch</strong>st; aber ist, was damals bei den <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> in die Ers<strong>ch</strong>einung getreten ist,<br />

Weizen o<strong>der</strong> ganz garstiges Unkraut ? – S<strong>ch</strong>reiber dieses kennt au<strong>ch</strong> sehr wohl die Streits<strong>ch</strong>riften, die vor ein<br />

paar Jahren anlässli<strong>ch</strong> des Falles Brückner gewe<strong>ch</strong>selt sind, ebenso die damals in Leipzig gewe<strong>ch</strong>selten<br />

Reden. Ist es <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>liebe o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Geist heiligen Zornes (Matth. 23), <strong>der</strong> aus ihnen spri<strong>ch</strong>t,<br />

o<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t vielmehr ein Geist ganz gehässiger Re<strong>ch</strong>thaberei ? Sie könnten <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> erst dann mit Re<strong>ch</strong>t<br />

Unduldsamkeit vorwerfen, wenn sie selbst davon frei wären ! Worauf die <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> vor allem po<strong>ch</strong>en,<br />

das sind die Apostel, die sie zu besitzen vorgeben, vor allem <strong>der</strong> Stammapostel, <strong>der</strong> unter ihnen mit einer<br />

Würde angetan ist, gegen die selbst die des Papstes verblasst. Sie glauben na<strong>ch</strong> Artikel 4 ihres Glaubensbekenntnisses,<br />

„dass <strong>der</strong> Herr Jesus seine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> dur<strong>ch</strong> lebende Apostel regiert bis zu seinem Wie<strong>der</strong>kommen“.<br />

Sie werfen uns vor: Ihr übertretet das Wort eph. 4, 11: „Er hat etli<strong>ch</strong>e zu Aposteln gesetzt, etli<strong>ch</strong>e aber<br />

zu Propheten, etli<strong>ch</strong>e zu Evangelisten, etli<strong>ch</strong>e zu Hirten und Lehrern !“ Der Apostel sagt au<strong>ch</strong> 1. Kor 12, 28:<br />

„Gott hat gesetzt in <strong>der</strong> Gemeinde aufs erste die Apostel, aufs an<strong>der</strong>e die Propheten, aufs dritte die Lehrer,<br />

dana<strong>ch</strong> die Wun<strong>der</strong>täter, dana<strong>ch</strong> die Gaben, gesund zu ma<strong>ch</strong>en, Helfer, Regierer, man<strong>ch</strong>erlei Spra<strong>ch</strong>en.“ Hätte<br />

<strong>der</strong> Apostel ein Gesetz daraus ma<strong>ch</strong>en wollen, dann hätte er wohl die Reihenfolge genau glei<strong>ch</strong> gesetzt und ni<strong>ch</strong>t<br />

an einer Stelle weggelassen, was er an <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n bringt. Sehen wir genauer zu, dann will <strong>der</strong> Apostel 1. Kor. 12<br />

nur die Geistesgaben aufzählen, die Gott <strong>der</strong> Gemeinde gegeben hat. Diese Gaben alle sind aber ni<strong>ch</strong>t das beste.<br />

Das Kapitel s<strong>ch</strong>liesst B. 31: „Strebet aber na<strong>ch</strong> den besten Gaben; und i<strong>ch</strong> will eu<strong>ch</strong> einen köstli<strong>ch</strong>en Weg<br />

zeigen“: und nun folgt 1. Kor. 13 das Hohelied von <strong>der</strong> Liebe, die da bleibet, wenn alles an<strong>der</strong>e, au<strong>ch</strong> das<br />

Apostelamt, vergeht. Die Gemeinde soll dana<strong>ch</strong> geri<strong>ch</strong>tet werden, ob sie Glaube, Hoffnung, Liebe gehabt hat,<br />

Quellenmaterial Seite 45


ni<strong>ch</strong>t aber na<strong>ch</strong> dem Bleiben o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>erstehen des Apostelamts. Ganz ähnli<strong>ch</strong> ist <strong>der</strong> Gedankengang in Eph.<br />

4, das überhaupt (vgl. v. 4 – 6 mit 1. Kor. 12, 4 – 6) ganz auffällig mit 1. Kor. 12 parallel geht. Au<strong>ch</strong> hier heisst<br />

es v. 8: „(Christus) hat den Mens<strong>ch</strong>en Gaben gegeben“, und dann folgt die Aufzählung <strong>der</strong> Gaben. Können wir<br />

Gott nun zwingen, allezeit seine Gaben zu geben ? Sind diese Gaben ni<strong>ch</strong>t vielmehr nur ein Mittel und zwar ein<br />

vorübergehendes Mittel zu dem Zweck, (v. 12) „dass die Heiligen zugeri<strong>ch</strong>tet werden zum Werk des Amts,<br />

dadur<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Leib Christi erbaut werde“ ? Ein Apostel ist von Jesus Christus berufen: so die Zwölf, so Paulus<br />

na<strong>ch</strong> 1. Kor. 1, 1; 1. Tim. 1, 1; vor allem Gal. 1, 1. Sind die „Apostel“ aus England o<strong>der</strong> Deuts<strong>ch</strong>land o<strong>der</strong><br />

Holland so berufen wie die Apostel <strong>der</strong> alten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>? Weiter aber: Johannes sagt (1. Joh. 1, 1): „ ... das wir<br />

gehört haben, das wir gesehen haben mit unseren Augen, das wir bes<strong>ch</strong>aut haben und unsere Hände betastet<br />

haben ... was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir eu<strong>ch</strong>“. Petrus sagt (2. Petr. 1, 16. 18 f): „Denn<br />

wir sind ni<strong>ch</strong>t klugen Fabeln gefolgt ...., son<strong>der</strong>n wir haben seine Herrli<strong>ch</strong>keit selber gesehen ....; und diese<br />

Stimme haben wir gehört vom Himmel ges<strong>ch</strong>ehen, da wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge“. Derselbe sagt<br />

im Hause des Cornelius (Apostelges<strong>ch</strong>. 10, 9 – 11): „Und wir sind Zeugen alles des, das er getan hat im<br />

jüdis<strong>ch</strong>en Lande und zu Jerusalem ...; den hat Gott auferweckt am dritten Tage und ihn lassen offenbar werden<br />

ni<strong>ch</strong>t allem Volk, son<strong>der</strong>n uns, den vorerwählten Zeugen von Gott, die wir mit ihm gegessen und getrunken<br />

haben na<strong>ch</strong> seiner Auferstehung von den Toten“. Als ein Na<strong>ch</strong>folger für Judas bestellt werden soll, umgrenzt<br />

Petrus ganz genau den Kreis <strong>der</strong> Wählbaren, indem er sagt (Apostelges<strong>ch</strong>. 1, 21 f): "So muss nun einer unter<br />

diesen Männern, die bei uns gewesen sind die ganze Zeit über, wel<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Herr Jesus unter uns ist aus- und<br />

eingegangen von <strong>der</strong> Taufe des Johannes an bis auf den Tag, da er von uns aufgenommen ist, ein Zeuge seiner<br />

Auferstehung mit uns werden“. Und Paulus sagt (1. Kor. 9,1): „Habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t unsern Herrn Jesus Christus<br />

gesehen ?“ Ein Apostel im ursprüngli<strong>ch</strong>en Sinn des Wortes muss Christus gesehen haben. Dazu kommt no<strong>ch</strong> die<br />

Bestätigung dur<strong>ch</strong> Zei<strong>ch</strong>en und Wun<strong>der</strong>. – Und nun fragen wir: Was haben denn Herr Niehaus und seine<br />

Apostel in diesen Stücken, vor allem im zweiten, aufzuweisen, das sie mehr zum Apostel qualifiziert als einen<br />

beliebigen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong> getauften Herrn S<strong>ch</strong>ulze o<strong>der</strong> Müller, als einen tiefgegründeten Christen, <strong>der</strong> zwar ni<strong>ch</strong>t so<br />

viele Worte ma<strong>ch</strong>en kann wie sie, sie aber an <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Erkenntnis weit übertrifft? Wir wollen vom römis<strong>ch</strong>en<br />

Papst ni<strong>ch</strong>ts wissen; wir wollen ebensowenig etwas wissen von seinem Gergenstück in Quelle bei Bielefeld.<br />

Bloss s<strong>ch</strong>impfen können, ist kein Erweis des Geistes und <strong>der</strong> Kraft.<br />

Aber diese Apostel eigenen Re<strong>ch</strong>ts, die si<strong>ch</strong>, wie aus unzähligen Belegstellen hervorgeht, selbst als<br />

Fleis<strong>ch</strong>werdung Christi betra<strong>ch</strong>ten, wollen au<strong>ch</strong> die Bibel beiseite s<strong>ch</strong>ieben. Von dem Stammapostel Niehaus<br />

erzählt Karl S<strong>ch</strong>midt (Jenseits <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nmauern S. 147) folgende bezei<strong>ch</strong>nende Äusserung:<br />

„I<strong>ch</strong> hatte au<strong>ch</strong> eine Bibel und legte sie auf den S<strong>ch</strong>rank und fand na<strong>ch</strong> einiger Zeit, die<br />

Mäuse hatten Jesum und die Apostel aufgefressen. Das ist euer Jesus und das sind eure<br />

Apostel, von denen ni<strong>ch</strong>t einmal eine Maus Respekt hat; seitdem i<strong>ch</strong> dem lebendigen Gott<br />

diene, ist das ganz an<strong>der</strong>s, da laufen selbst die Hunde vor mir fort“.<br />

Wenn es <strong>der</strong>artige blöde Witze sind, dur<strong>ch</strong> die si<strong>ch</strong> Niehaus das Lob <strong>der</strong> Volkstümli<strong>ch</strong>keit erworben hat, so ist er<br />

allerdings um eine sol<strong>ch</strong>e Volkstümli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t zu beneiden. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> spielen aber au<strong>ch</strong> die Bibeltexte in<br />

den Anspra<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Apostel usw. eine sehr nebensä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Rolle. Wir aber a<strong>ch</strong>ten darauf, dass Jesus zu den<br />

Juden sagt (Joh. 5, 39): „(Ihr) Su<strong>ch</strong>et in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>rift, denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darin, und sie ists,<br />

die von mir zeuget“ und dass Petrus sagt (2. Petr. 2, 19): „Und wir haben desto fester das prophetis<strong>ch</strong>e Wort, und<br />

ihr tut wohl, dass ihr darauf a<strong>ch</strong>tet ...“ – Der Leser möge no<strong>ch</strong> folgende Abs<strong>ch</strong>weifung verzeihen. Das<br />

Christentum, für den S<strong>ch</strong>reiber dieses selbstverstänmdli<strong>ch</strong> die absolute, ni<strong>ch</strong>t überbietbare Religion, gehört zu<br />

den sogen. „Bu<strong>ch</strong>religionen“ d. h. zu den Religionen, die auf einer ges<strong>ch</strong>riebenen Religionsurkunde fussen. Nun<br />

gehören sämtli<strong>ch</strong>e „Weltreligionen“, die Religionen, die auf Weltgeltung Anspru<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, z. B. Buddhismus,<br />

Islam, Judentum, zu den „Bu<strong>ch</strong>religionen“. Wollte man nun, worauf sol<strong>ch</strong>e obigen u. a. Äusserungen<br />

hinzuzielen s<strong>ch</strong>einen, das Christentum seines „Bu<strong>ch</strong>es“ berauben und dieses dur<strong>ch</strong> die mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

enthusiastis<strong>ch</strong>en Äusserungen <strong>der</strong> neuapostolis<strong>ch</strong>en Apostel ersetzen, so würde das Christentum seiner<br />

Weltgeltung verlustig gehen und zur Rolle irgend eines muhammedanis<strong>ch</strong>en Derwis<strong>ch</strong>ordens herabsinken. Wir<br />

sehen, au<strong>ch</strong> von religionsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>em Standpunkt sind diese "Apostel" eigener Ma<strong>ch</strong>tvollkommenheit<br />

geri<strong>ch</strong>tet. – Zu unseren beiden Sakramenten kommt bei den <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> au<strong>ch</strong> die Versiegelung.<br />

Dieselbe, auf Stellen wie 2. Kor. 1, 22; Eph. 1, 13; 4, 30 begründet, ist dur<strong>ch</strong>aus kein Sakrament im Sinne<br />

unserer <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Wenn man dieses „Sakrament“, na<strong>ch</strong> Weise <strong>der</strong> Mormonen, gar dur<strong>ch</strong> Vermittlung von<br />

Lebenden unter Berufung auf 1. Kor. 15, 29 au<strong>ch</strong> Toten applizieren will, so muss man sagen, dass diese Stelle,<br />

wo Paulus nur eines von abergläubis<strong>ch</strong>en Leuten in Korinth geübten Brau<strong>ch</strong>es ohne eine Spur <strong>der</strong> Zustimmung<br />

Erwähnung tut, do<strong>ch</strong> nun und nimmermehr lehrgesetzli<strong>ch</strong> aufzufassen ist. Wenn sie so aufzufassen wäre, dann<br />

würde desselben wohl au<strong>ch</strong> an an<strong>der</strong>en Stellen des Neuen Testaments Erwähnung getan. Das ges<strong>ch</strong>ieht aber<br />

ni<strong>ch</strong>t und kann au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ehen, weil er <strong>der</strong> gesamten biblis<strong>ch</strong>-<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Auffassung <strong>der</strong> Sakramente<br />

wegen seines zauberhaften Charakters wi<strong>der</strong>spri<strong>ch</strong>t.<br />

Die <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong> wollen uns verhöhnen, dass wir gegenüber Joh. 10, 3 o<strong>der</strong> Offenb. 3, 30 Jesu<br />

Stimme ni<strong>ch</strong>t mehr hören, son<strong>der</strong>n lesen, <strong>der</strong> „Apostel“ Stimme müsse man hören ! Sie haben wohl<br />

übersehen, dass na<strong>ch</strong> Luk. 4, 16 f sogar Jesus in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ule zu Nazareth „gelesen“ hat. Wir begehren ni<strong>ch</strong>ts<br />

Quellenmaterial Seite 46


an<strong>der</strong>es, als die für uns grundlegenden Heilstatsa<strong>ch</strong>en immer wie<strong>der</strong> zu vernehmen. Bisher haben jene Apostel<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts zutage geför<strong>der</strong>t, das geeignet wäre, sie zu ersetzen. Darum bleiben wir lieber bei dem Alten,<br />

Bewährten ! Matth. 24, 24.<br />

Kaltenkir<strong>ch</strong>en (Holstein).<br />

H. Stocks<br />

Wer sind<br />

die Apostolis<strong>ch</strong>en ?<br />

(genannt Irvingianer)<br />

Ein Wort <strong>der</strong> Belehrung und Warnung<br />

von<br />

Gustav Is<strong>ch</strong>ebeck<br />

4. Auflage<br />

29. bis 34. Tausend.<br />

Preis 10 Pfg.<br />

Verlag: Joh. S<strong>ch</strong>ergens G. m. b. H. Bonn a. Rh.<br />

Druck: Bu<strong>ch</strong>druckerei Westfalia, Witten<br />

[ Eine S<strong>ch</strong>rift ohne Jahresangabe ]<br />

„Verleih uns, Herr, in dieser Zeit <strong>der</strong> Wirren,<br />

Dass wir von deiner Bahn uns ni<strong>ch</strong>t verirren,<br />

Lass keine Ma<strong>ch</strong>t dein heil’ges Wort uns rauben,<br />

Stärk uns im Glauben !“<br />

So betete vor vierzig Jahren <strong>der</strong> Di<strong>ch</strong>ter J. Sturm, und Tausende beteten es ihm na<strong>ch</strong>, denn das Gewitter<br />

<strong>der</strong> Stimmen ist seitdem ni<strong>ch</strong>t geringer geworden. Laut und bestrickend tönt <strong>der</strong> Zuruf: „Hie ist Christus !“ „Da<br />

ist Christus !“ aber: „glaubt ihnen ni<strong>ch</strong>t,“ lautet Christi Warnung. Bibelfeste Gotteskin<strong>der</strong> antworten: „Er ist<br />

ni<strong>ch</strong>t hier, son<strong>der</strong>n er ist auferstanden und gen Himmel gefahren, sitzet zur Re<strong>ch</strong>ten auf dem Stuhle <strong>der</strong> Majestät<br />

im Himmel, von dort wird er kommen mit grosser Kraft und Herrli<strong>ch</strong>keit.“ (Matth. 24, 30; Ebr. 4, 14; 8, 1 u.<br />

And.)<br />

Diese Antwort kann je<strong>der</strong> Leser au<strong>ch</strong> gelegentli<strong>ch</strong> den dreisten Leuten geben, die man „Irvingianer“<br />

und „Apostolis<strong>ch</strong>e“ zu nennen pflegt, und wenn er sie gibt, wird er bald inne werden, wess Geistes Kin<strong>der</strong> sie<br />

sind. Der Name „Irvingianer“ hat si<strong>ch</strong> in Deuts<strong>ch</strong>land eingebürgert und bis in die neueste Zeit wird er in den<br />

besten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten gebrau<strong>ch</strong>t; wir müssen ihn deshalb au<strong>ch</strong> mit benutzen, obs<strong>ch</strong>on diese Bezei<strong>ch</strong>nung<br />

anfe<strong>ch</strong>tbar ist. Die ersten Aposteln dieser <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Benennung wurden ohne Irvings Wissen und Wollen<br />

ernannt, die Organisation <strong>der</strong> ganzen Bewegung ges<strong>ch</strong>ah na<strong>ch</strong> seinem Tode. Fäls<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>erweise belegt man dazu<br />

mit dem einen Namen „Irvingianer“ zwei Parteien und Gruppen, die si<strong>ch</strong> mindestens ebenso ferne stehen wie<br />

Protestanten und Katholiken. Es ist au<strong>ch</strong> irreführend, dass man für die b e i d e n Gruppen den Namen:<br />

„Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>“ gebrau<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> das hat zu man<strong>ch</strong>erlei Verwe<strong>ch</strong>slung Anlass gegeben. Die ältere<br />

Gruppe nennt si<strong>ch</strong> „Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>“, die jüngere dreist „Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde“. Die ältere Gruppe hat<br />

ihre Geburtsstätte in einem dur<strong>ch</strong>aus ernsten Kreise gläubiger Fors<strong>ch</strong>er prophetis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>riften in London, die<br />

jüngere in einem aufsässigen, exkommunizierten Kreise <strong>der</strong> älteren Gemeinde in Hamburg. Die E r s t e n<br />

begannen mit <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>rufung des Bankiers Drummond zum „Hirten“ und des tü<strong>ch</strong>tigen Advokaten Cardale zum<br />

„Apostel“; ersteres am 20. Oktober, letzteres am 7. Novbr. 1832. Die Z w e i t e n haben ihren Anfang in <strong>der</strong><br />

<strong>Aus</strong>rufung des Königsberger Priesters Roso<strong>ch</strong>aki zum „Apostel“ am 4. Januar 1863. Die Quelle sagt darüber<br />

folgendes: "In Berlin lebte in <strong>der</strong> (Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en) Gemeinde <strong>der</strong> Engelprophet H. Geyer, <strong>der</strong> als<br />

Priester-Prophet in <strong>der</strong> Gemeinde diente –, aber, <strong>der</strong> fals<strong>ch</strong>en Lehre bes<strong>ch</strong>uldigt, von seinem Amte suspendiert<br />

war. (Die fals<strong>ch</strong>e Lehre bestand für sie darin, dass er gesagt und gelehrt, die aus ihrer Zwölf-Zahl gestorbenen<br />

Quellenmaterial Seite 47


Apostel müssten dur<strong>ch</strong> neue ersetzt werden, damit es zwölf blieben.) Bei einem Besu<strong>ch</strong> in Königsberg wusste er<br />

den Priester Roso<strong>ch</strong>aki für seine Ans<strong>ch</strong>auung zu gewinnen und ebenso den Hamburger Gemeinde-Engel<br />

S<strong>ch</strong>warz in Hamburg. S<strong>ch</strong>warz lud Geyer und Roso<strong>ch</strong>aki na<strong>ch</strong> Hamburg. Beide, G. und R., ers<strong>ch</strong>ienen am<br />

Sonntag, den 4. Januar 1863, in Amtsgewän<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> und wurden dur<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>warz anerkannt. Die<br />

Berufung des Roso<strong>ch</strong>aki als Erster eines neuen zwölffa<strong>ch</strong>en Apostel-Amtes wurde dur<strong>ch</strong> Handauflegung<br />

öffentli<strong>ch</strong> kundgetan. S<strong>ch</strong>warz wurde als Engel bestätigt (etli<strong>ch</strong>e Monate später wurde er au<strong>ch</strong> Apostel), Geyer<br />

als Prophet. Roso<strong>ch</strong>aki kehrte na<strong>ch</strong> Königsberg zurück und trat auf ernste Vorstellungen mit Reue von seinem<br />

Apostel-Amt zurück." „Do<strong>ch</strong> das neue Gewä<strong>ch</strong>s war da und hat den alten Baum längst in S<strong>ch</strong>atten gestellt. Oft<br />

belegt man diese b e i d e n Gruppen irreführend mit dem einen Namen „Irvingianer“. Die „Katholis<strong>ch</strong>-<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en“ sind zur Zeit ohne Apostel, na<strong>ch</strong> ihrer eigenen Meinung flügellahm und auf’s Stillesein und<br />

Warten angewiesen; die „Apostolis<strong>ch</strong>en“°) (°) Sie nennen si<strong>ch</strong> seit 1907 je und dann au<strong>ch</strong> „Neu-Apostolis<strong>ch</strong>e“.)<br />

sind sehr begeistert von si<strong>ch</strong>, haben jetzt mehr als zwölf Apostel und warten auf ihren Weltsieg.<br />

Die alte Gruppe hat in Deuts<strong>ch</strong>land und in <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz etwa 100 Gemeinden und Gemeindlein mit fast<br />

15'000 Mitglie<strong>der</strong>n; sie ist sehr rituell und überbietet fast die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> in ihren bunten Amtsklei<strong>der</strong>n.<br />

Seit dem Tode des Apostels Woodhouse am 3. Februar 1901 haben sie keine Apostel und infolgedessen au<strong>ch</strong><br />

keine Versiegelung mehr. Die Leitung ist in den Händen zweier Koadjutoren, (na<strong>ch</strong> ihrer Meinung<br />

Apostelhelfer, glei<strong>ch</strong>wie es Tomotheus und Titus waren); für Nord-Deuts<strong>ch</strong>land, Holland und Russland ist’s Dr.<br />

J. Capadose, <strong>der</strong> vom 14. – 18. Mai 1901 mit den Vertretern aus diesen Län<strong>der</strong>n in Berlin eine Konferenz<br />

abhielt, um zu beraten, was jetzt na<strong>ch</strong> des letzten Apostels Tode ges<strong>ch</strong>ehen solle. Zu glei<strong>ch</strong>em Zwecke war am<br />

26. Februar 1901 eine Konferenz in London. „Die Koadjutoren <strong>der</strong> Apostel fassen ihre Stellung na<strong>ch</strong> wie vor so<br />

auf, dass sie an sie herantretende Auffor<strong>der</strong>ungen, irgendwel<strong>ch</strong>e apostolis<strong>ch</strong>e Handlungen zu vollziehen,<br />

ents<strong>ch</strong>ieden zurückweisen und erklären, die gegenwärtige Stille veranlasst uns zur Demütigung.“ „Wir müssen<br />

stille sein und laus<strong>ch</strong>en auf das, was <strong>der</strong> Herr uns sagen will, bereit, dem Lamme zu folgen, wohin es uns au<strong>ch</strong><br />

immer führen mag, wenn es au<strong>ch</strong> ganz wi<strong>der</strong> unsere Gedanken und Erwartungen sein sollte“. „Je<strong>der</strong> Diener soll<br />

si<strong>ch</strong> demütigen, si<strong>ch</strong> fragen, ob sein Dienst ni<strong>ch</strong>t häufig Selbstdienst statt Gottesdienst gewesen ist.“ „Unsere<br />

Aufgabe ist also: Stille, Busse, Demütigung, völlige Reinigung. Dann wird uns <strong>der</strong> Herr au<strong>ch</strong> helfen.“ So und<br />

ähnli<strong>ch</strong> spra<strong>ch</strong> man si<strong>ch</strong> auf <strong>der</strong> Konferenz aus. Seitdem halten sie au<strong>ch</strong> keine Werbevorträge mehr und warten<br />

angebli<strong>ch</strong> auf eine göttli<strong>ch</strong>e Anweisung. Dabei wurde es den Engeln (Gemeindeleitern) nahegelegt, als <strong>Aus</strong>druck<br />

des Apostelmangels und <strong>der</strong> Demütigung den beson<strong>der</strong>en Amtsmantel beim Dienst ni<strong>ch</strong>t zu tragen, da „jetzt die<br />

Teilnahme am hohenpriesterli<strong>ch</strong>en Dienst <strong>der</strong> Fürbitte aufgehört hat, das Heilige <strong>der</strong> Stiftshütte s<strong>ch</strong>eine jetzt<br />

verdeckt, dazu sei man jetzt auf den Vorhof angewiesen.“ – <strong>Aus</strong> dem letzteren ersieht man, dass diese Gruppe<br />

si<strong>ch</strong> so sehr an alttestamentli<strong>ch</strong>e Ideen und Einri<strong>ch</strong>tungen gewöhnt hat, wie es in keiner zweiten deuts<strong>ch</strong>en<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Benennung zu finden ist. Sie haben es mit einer <strong>Aus</strong>rufung von zwölf neuen Aposteln (von 1832 –<br />

1853) bewenden lassen, hingegen halten die „Apostolis<strong>ch</strong>en“ die Zwölfzahl seit <strong>der</strong> Neuberufung im Jahre<br />

1863 voll, sie haben ständig neue in Reserve, die sie s<strong>ch</strong>on Apostel, au<strong>ch</strong> wohl Apostelgehilfen nennen, und<br />

berufen si<strong>ch</strong> darauf, dass au<strong>ch</strong> Paulus an<strong>der</strong>en den Namen Apostel gab (Röm. 16, 7; Phil. 2, 25). Je<strong>der</strong><br />

aufmerksame Leser kann an diesen Stellen ersehen, dass Paulus die Vertreter o<strong>der</strong> Abgesandte, die ihn o<strong>der</strong><br />

Gemeinden vertraten, mit diesem Namen benannte, wie denn das im Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en gebrau<strong>ch</strong>te Wort für Apostel,<br />

Bezei<strong>ch</strong>nung für „Vertreter“ und „Gesandter“ ist. Aber für das vollendete Rei<strong>ch</strong> Gottes nennt die Heilige S<strong>ch</strong>rift<br />

nur „z w ö l f A p o s t e l d e s L a m m e s.“ (Offenb. 21, 14; Matth. 19, 28).<br />

Die „Apostolis<strong>ch</strong>en“, <strong>der</strong>entwegen <strong>der</strong> Traktat ges<strong>ch</strong>rieben ist, räumten bald mit man<strong>ch</strong>en<br />

Einri<strong>ch</strong>tungen aus dem alttestamentli<strong>ch</strong>en Ritus <strong>der</strong> alten Ri<strong>ch</strong>tung auf. Die Priestergewän<strong>der</strong> und sonstige<br />

prunkhafte Einri<strong>ch</strong>tungen wurden abges<strong>ch</strong>afft, teils wohl, weil für die kostenrei<strong>ch</strong>en Einri<strong>ch</strong>tungen die Mittel<br />

fehlten, und teils, weil die Neugrün<strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t im e n g l i s c h e n H o c h k i r c h e n t u m erzogen waren.<br />

Von Hamburg und Berlin ging die Bewegung na<strong>ch</strong> Holland über – im reformierten Holland ist bis heute kein<br />

wa<strong>ch</strong>stumrei<strong>ch</strong>er Boden für sie – aber die Zentrale blieb D e u t s c h l a n d. Die „Alten“ hatten ihre Apostel<br />

nur aus gebildeten Kreisen Englands – wie sie denn au<strong>ch</strong> in Deuts<strong>ch</strong>land stets Mitglie<strong>der</strong> und eifrige Vertreter<br />

aus sol<strong>ch</strong>en Kreisen hatten; ni<strong>ch</strong>t nur traten mehrere lutheris<strong>ch</strong>e Theologen, darunter Professor H. Thiers<strong>ch</strong> – ein<br />

S<strong>ch</strong>wager von Zeller in Männedorf – sowie katholis<strong>ch</strong>e Theologen zu ihnen über, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> <strong>der</strong><br />

„Kreuzzeitungs“-Leiter Wagner und etli<strong>ch</strong>e Adelige; die bekanntesten sind von Po<strong>ch</strong>hammer und von<br />

Ri<strong>ch</strong>thofen. Die „Neuen“ haben ihre Apostel aus dem Bürger- und Arbeiterstande, was an si<strong>ch</strong> gewiss kein Tadel<br />

ist, denn die „zwölf Apostel des Herrn“ waren es au<strong>ch</strong> zumeist; vor Gott ist <strong>der</strong> sogenannte „Laien-Stand“<br />

dur<strong>ch</strong>aus ni<strong>ch</strong>t min<strong>der</strong>wertig. Er benutzte sehr viele sogenannte „Laien“ und ma<strong>ch</strong>te sie zu „auserwählten<br />

Werkzeugen seiner Gnade“. Der „Herold“, ein Organ <strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>en“, s<strong>ch</strong>reibt über die bürgerli<strong>ch</strong>e Stellung<br />

<strong>der</strong> „neuen Apostel“ im Juli-Heft 1904: „Ein Freiherr ist wohl imstande, unter Standesgenossen, den Adeligen,<br />

Freiherrn u. s. w. etwas auszuri<strong>ch</strong>ten, aber ni<strong>ch</strong>t unter dem Volke; „Sorte bei Sorte“, sagt das Spri<strong>ch</strong>wort; so ist<br />

au<strong>ch</strong> ein „Herr Pastor“ wohl imstande, unter seinesglei<strong>ch</strong>en etwas Gutes auszuri<strong>ch</strong>ten, aber „Sorte bei Sorte“; die<br />

Apostel in dieser Zeit sind einfa<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te Männer aus dem Volke, sie haben aber ein warmes Herz für ihre<br />

Standesgenossen ...“ Die „Apostolis<strong>ch</strong>en“ haben ihre meisten Apostel aus den Deuts<strong>ch</strong>en, daneben wird für<br />

Holland Kofmann, für Nordamerika Mierau, für Südamerika Faber, für Südafrika Klibbe, für <strong>Aus</strong>tralien<br />

Quellenmaterial Seite 48


Niemeier, für Java und Ost-Indien Hannibal, Jakobus und <strong>der</strong> in Neukir<strong>ch</strong>ener und holländis<strong>ch</strong>en<br />

Missionsberi<strong>ch</strong>ten oft erwähnte, fast heidnis<strong>ch</strong>e Sadra<strong>ch</strong> genannt.<br />

Für Deuts<strong>ch</strong>land werden folgende Männer als Apostel ernannt: Niehaus, <strong>der</strong> seit dem Tode Krebs (am<br />

21. Januar 1905) „A p o s t e l -V a t e r“, „A p o s t e l-F ü r s t“, „A p o s t e l-P f e i l e r“, „S t a m m-<br />

A p o s t e l“ und das „H a u p t d e r A p o s t e l-E i n h e i t“ ist; [Anmerkung: Mens<strong>ch</strong>enverehrung!]<br />

Wa<strong>ch</strong>mann, Obst, Hallmann, Bornemann, Ruff, Sebastian; letzterer war im Auftrage von Krebs im Jahre 1904<br />

au<strong>ch</strong> in S<strong>ch</strong>weden tätig. Im Oktober 1905 wurden dann für Deuts<strong>ch</strong>land no<strong>ch</strong> drei weitere Apostel ausgerufen,<br />

nämli<strong>ch</strong> Brückner, Bock und Oehlmann, und an<strong>der</strong>e herna<strong>ch</strong>. Sie haben bisher keine eigene Literatur, wohl für<br />

Deuts<strong>ch</strong>land zwei Monatss<strong>ch</strong>riften: „Wä<strong>ch</strong>terstimme aus Ephraim“ und „Herold“; daneben sendet <strong>der</strong> „Apostel-<br />

Vater“ den Leitern Gelegenheitsbriefe und –beri<strong>ch</strong>te als Manuskript gedruckt. In dem Gemeindegesangbu<strong>ch</strong> sind<br />

die liturgis<strong>ch</strong>en und amtli<strong>ch</strong>en Regeln und Gebete kurz angegeben.<br />

Trotz aller Freigeisterei haben sie von den „Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en“ no<strong>ch</strong> vieles beibehalten. Ni<strong>ch</strong>t<br />

nur das Versiegeln, Weissagen, Zungenreden, den Zehnten als Gemeindesteuer°),<br />

°) Darüber sagt <strong>der</strong> frühere Evangelist G. Hofele <strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde“ in<br />

Göppingen: „Man hat den Zehnten für die Gemeinde zu opfern. Es ist mir aber während<br />

meiner ganzen zehnjährigen Tätigkeit als Prediger ni<strong>ch</strong>t ein einziges Mal ein<br />

Re<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aftsberi<strong>ch</strong>t zu Gesi<strong>ch</strong>t gekommen, <strong>der</strong> darüber Aufs<strong>ch</strong>luss gegeben hätte, in<br />

wel<strong>ch</strong>er Weise die Opfer verwendet werden. Es ist eben so, dass von Vierteljahr zu<br />

vierteljahr <strong>der</strong> „Apostel“, <strong>der</strong> für unsere Gegend in Frankfurt seinen Sitz hat, die<br />

einzelnen Gemeinden besu<strong>ch</strong>t und die bis dahin gesammelten Opfer einstrei<strong>ch</strong>t. –<br />

„Chronik <strong>der</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Welt“ 1905, Seite 398.<br />

son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> die Lehre von <strong>der</strong> Weihe des Taufwassers, dass die Kin<strong>der</strong>taufe wirkli<strong>ch</strong>e Neugeburt gebe,<br />

weshalb au<strong>ch</strong> „Nottaufe“ den ni<strong>ch</strong>t beamteten Personen gestattet ist, die aber herna<strong>ch</strong> amtli<strong>ch</strong> bestätigt werden<br />

muss. Auf Grund dieser Lehre haben sie au<strong>ch</strong> das Abendmahl für Säuglinge und Kin<strong>der</strong> eifrigst beibehalten,<br />

„weil das neue göttli<strong>ch</strong>e Leben au<strong>ch</strong> göttli<strong>ch</strong>e Nahrung haben muss.“ Niehaus sagt in seiner Abwehr gegen<br />

Pastor Handtmann Seite 24 darüber: „Wir lassen ni<strong>ch</strong>t die Kin<strong>der</strong> 14 Jahre ohne Leben ... Auf unsere Frage<br />

antworten sie mit funkelnden Augen: wir bekommen Leibn und Blut Christi, und oft weinen sie, wenn es ihnen<br />

entzogen wird;“ ein unbiblis<strong>ch</strong>er, sinnli<strong>ch</strong>er Beweis. Hingegen haben sie au<strong>ch</strong> vieles, was die alte Gruppe, die<br />

„Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en“ allen Ernstes rügen und aus Pietät vor dem Worte Gottes ni<strong>ch</strong>t lehren, eingeführt.<br />

Fals<strong>ch</strong>e Propheten gab es s<strong>ch</strong>on vor 1800 Jahren. Und jene wie au<strong>ch</strong> die heutigen haben dies<br />

gemeinsam, sie bedürfen <strong>der</strong> Lobebriefe, re<strong>ch</strong>t mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Empfehlung, so zu lesen 2. Kor. 3, 1 f: 11. 13 f. Die<br />

heutigen Apostel leiten ihre Anhänger dazu an, dass sie ihr Amt und ihre Person ho<strong>ch</strong>heben und besingen,<br />

und dieses ist dem anti<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Personenkultus fast auf’s Haar ähnli<strong>ch</strong>. Von 390 Lie<strong>der</strong>n des Gesangbu<strong>ch</strong>es<br />

stehen 36 unter folgen<strong>der</strong> Rubrik (In einem Anhang von 130 Lie<strong>der</strong>n, Herbst 1905, ist’s ganz ähnli<strong>ch</strong><br />

gehalten.): „Vom gesandten Apostelamt und dessen Taten.“ Wir geben im folgenden daraus etli<strong>ch</strong>e Sti<strong>ch</strong>proben:<br />

Nr. 365:<br />

„Es ist do<strong>ch</strong> wahrli<strong>ch</strong> grosse Gnad‘,<br />

dass Gott Apostel wie<strong>der</strong> gab,<br />

und können wir dur<strong>ch</strong> sie allein,<br />

nur re<strong>ch</strong>te Gotteskin<strong>der</strong> sein.“<br />

Nr. 373:<br />

„O, mein Apostel birgt mi<strong>ch</strong> gut !<br />

ein starker Fels in wildem Sturm, fest steht er !“<br />

Wi<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> und <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> ist folgendes aus<br />

Nr. 176:<br />

„Wer Jesum in seinen Aposteln erblickt,<br />

wird heil zu <strong>der</strong>selbigen Stund‘.<br />

Drum blick‘ nur auf sie, die <strong>der</strong> Vater ges<strong>ch</strong>ickt,<br />

sie werden für di<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> verwund’t.“<br />

Im Osterlied Nr. 149 heisst es:<br />

„Er ist ni<strong>ch</strong>t mehr im Grab,<br />

nur im lebend’gen Boten<br />

er si<strong>ch</strong> auf’s neu‘ uns gab:<br />

In <strong>der</strong> Apostel-Einheit,<br />

da wohnt und thronet er.“<br />

In Nr. 221:<br />

„A p o s t e l a m t, gesandter Geist, dir sei gebra<strong>ch</strong>t,<br />

Ruhm, Dank und Preis, Lob, Ehre und A n b e t u n g.<br />

Du hast mi<strong>ch</strong> aus des Irrtums Na<strong>ch</strong>t,<br />

aus Gnaden an d e i n L i c h t gebra<strong>ch</strong>t !<br />

... in <strong>der</strong> Sendung.“<br />

Quellenmaterial Seite 49


Nr. 278:<br />

„Im Apostel ist das Leben,<br />

ist das Li<strong>ch</strong>t, das uns entflammt.<br />

Wieviel Gnade, wieviel Segen,<br />

spendet <strong>der</strong> Apostelsinn.“<br />

Das Gesangbu<strong>ch</strong> mit sol<strong>ch</strong>em Personenkultus ist von Krebs und seinen Aposteln herausgegeben. Ist das ni<strong>ch</strong>t<br />

Selbstlob und Eitelkeit ? Man weiss ni<strong>ch</strong>t, worüber man si<strong>ch</strong> mehr wun<strong>der</strong>n soll, über die Selbstvergötterung<br />

und die Dreistigkeit <strong>der</strong> Führer, wie sie in Wort und Lied si<strong>ch</strong> geben und den biblis<strong>ch</strong>en Aposteln so unähnli<strong>ch</strong><br />

wie mögli<strong>ch</strong> sind, o<strong>der</strong> über die unbegrenzte Lei<strong>ch</strong>tgläubigkeit <strong>der</strong> Gefolgs<strong>ch</strong>aft. – Als man Paulus fleis<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

ehren wollte, s<strong>ch</strong>rieb er: „Wer ist Paulus ? Wer ist Apollos ? Diener sind sie ... so ist nun we<strong>der</strong> <strong>der</strong> da<br />

pflanzet, no<strong>ch</strong> <strong>der</strong> da begiesset, etwas, son<strong>der</strong>n Gott, <strong>der</strong> das Gedeihen gibt“ (1. Kor. 3, 5) und riet je<strong>der</strong>mann,<br />

wie er si<strong>ch</strong> gab zum Vorbilde, „mässigli<strong>ch</strong> von si<strong>ch</strong> zu halten“ (Phil. 3, 17. Röm. 12, 3). Petrus erinnert als<br />

Mitältester seiner Ältesten: Na<strong>ch</strong>zufolgen dem Vorbilde Christi und in seinen Fussstapfen zu wandeln, ni<strong>ch</strong>t als<br />

sol<strong>ch</strong>e, die über das Volk herrs<strong>ch</strong>en, son<strong>der</strong>n Vorbil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Demut zu sein (1. Petr. 2, 21; 5, 1 – 6). Johannes<br />

nennt si<strong>ch</strong>: „I<strong>ch</strong> Johannes, euer Bru<strong>der</strong> und Mitgenosse an <strong>der</strong> Trübsal“ (Offenb. 1, 9). Der Herr Jesus sagte<br />

seinen Aposteln: „Wenn ihr alles getan habt, was eu<strong>ch</strong> befohlen ist, so spre<strong>ch</strong>et, wir sind unnütze Kne<strong>ch</strong>te“ (Luk.<br />

17, 10). Im Gegensatz zu dieser Gesinnung lesen wir im Na<strong>ch</strong>ruf auf Krebs – wohl vom Apostel Bornemann<br />

zusammengestellt – Seite 6: „Es ist ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t, in die Nähe des von Gott gesandten Apostels zu kommen, denn<br />

er ist ni<strong>ch</strong>t mein Kollege, au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mein Gespiele, au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mein Bru<strong>der</strong> – son<strong>der</strong>n mein HERR, mein<br />

MEISTER !“ (Fettdruck daselbst – <strong>der</strong> Fettdruck in den Zitaten, ist immer im Original enthalten.) Damit ist <strong>der</strong><br />

„Apostel-Vater“, jetzt Niehaus, gemeint. Sie sagen: „es regieren l e b e n d e Apostel das Glaubensleben <strong>der</strong><br />

Gemeinde und keine ents<strong>ch</strong>lafenen.“ Was diesen Aposteln an biblis<strong>ch</strong>er Grundlage, <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Demut, an<br />

Geistesklarheit fehlt, su<strong>ch</strong>en sie dur<strong>ch</strong> „Glorie des Amtes“ zu ersetzen. In vielen Lie<strong>der</strong>n – wir zählten in <strong>der</strong><br />

neuen <strong>Aus</strong>gabe 65 Nummern, – und Aufsätzen wird die göttli<strong>ch</strong>e Autorität ihrer Apostel hervorgehoben. Das,<br />

was den „Apostolis<strong>ch</strong>en“ zum Christen ma<strong>ch</strong>t, ist ni<strong>ch</strong>t die Erneuerung des Herzens dur<strong>ch</strong> Busse und Glauben,<br />

no<strong>ch</strong> das Zeugnis des Heiligen Geistes, sin<strong>der</strong>n <strong>der</strong> G e h o r s a m gegen die Lehren s e i n e r Apostel, <strong>der</strong><br />

selbst bis ins Familien- und Ges<strong>ch</strong>äftsleben gefor<strong>der</strong>t wird; im letzteren sind etli<strong>ch</strong>e Leiter freili<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong>giebiger.<br />

In ihrem Gesangbu<strong>ch</strong> haben sie au<strong>ch</strong> viele unserer besten alten und neuen Lie<strong>der</strong> unverän<strong>der</strong>t und sie<br />

singen sie mit einer seelis<strong>ch</strong>en Begeisterung, die na<strong>ch</strong>ahmenswert wäre, aber <strong>der</strong> biblis<strong>ch</strong>e Boden mit den<br />

Grundwahrheiten ist von den Führern und Na<strong>ch</strong>folgern, trotz frommem Gerede, ganz verlassen. Trotz <strong>der</strong> groben<br />

Irrtümer wird <strong>der</strong> Herr in seiner Gnade und Liebe wohl einzelne zum Heile in Christo zu führen wissen.<br />

Die H e i l i g e S c h r i f t gilt ihnen nur soviel, als sie einzelne Worte für ihre Zwecke zustutzen<br />

können, über das „Wie“ ma<strong>ch</strong>en sie si<strong>ch</strong> keine Skrupeln. Bisher fanden wir in keiner ihrer S<strong>ch</strong>riften den<br />

<strong>Aus</strong>druck: „Heilige S<strong>ch</strong>rift“ o<strong>der</strong> „Gottes Wort“, son<strong>der</strong>n nur die Benennung „die Bibel“ (Seit <strong>der</strong> III. Auflage<br />

dieses Traktates hat man aus frommer Politik in dieser Hinsi<strong>ch</strong>t die Taktik etwas geän<strong>der</strong>t.). Hier ist einer<br />

ihrer tiefsten S<strong>ch</strong>äden, woraus Irrtum auf Irrtum geboren ist. Weil die Führer d e n untrügli<strong>ch</strong>en Boden<br />

verlassen, verführen sie und werden verführt. Im „Herold“ Nr. 119, 4 lesen wir: „Wenn <strong>der</strong> Apostel als Führer<br />

(gemeint ist Niehaus) ein Wort o<strong>der</strong> Gebot gibt und <strong>der</strong> Bis<strong>ch</strong>of o<strong>der</strong> Priester (Gemeindeleiter) will erst mal<br />

na<strong>ch</strong>sehen in <strong>der</strong> Bibel, ob Moses das au<strong>ch</strong> sagt, o<strong>der</strong> Paulus o<strong>der</strong> Petrus, .... n e i n, was du h e u t e hörest,<br />

das ist massgebend, dafür bist du verantwortli<strong>ch</strong>. Wenn i<strong>ch</strong> die h e u t i g e Stimme Gottes in seinen (heutigen)<br />

Aposteln erkenne und folge, DAS IST GLAUBE, aber in <strong>der</strong> Bibel lesen, und das na<strong>ch</strong> seiner Herzensstellung<br />

beurteilen, das ist kein Glaube, son<strong>der</strong>n ein FÜRWAHRHALTEN.“ In Niehaus S<strong>ch</strong>rift gegen Pastor<br />

Handtmann Seite 12 steht: „U n g l ü c k l i c h w ä r e n wir, wenn das s<strong>ch</strong>affende Wort mit <strong>der</strong> ersten<br />

S<strong>ch</strong>öpfung (den zwölf Aposteln) aufgehört hätte und wir nur das Na<strong>ch</strong>lesen hätten.“ S. 23: „Wir h a b e n g a r<br />

n i c h t e i n m a l n ö t i g, d i e B i b e l z u f r a g e n, o b d a s s o r e c h t s e i, au<strong>ch</strong> keinen<br />

Theologen ... wie uns die Salbung lehrt, und sie lehrt allerlei, als <strong>der</strong> Geist uns au<strong>ch</strong> selbst das offenbart, was <strong>der</strong><br />

Herr EINST s e i n e n A p o s t e l n n o c h n i c h t s a g e n k o n n t e,“ und ebenda: „Wenn Gott si<strong>ch</strong><br />

einst in den Aposteln n i c h t k ü m m e r t e u m d i e B i b e l, dann tut Gott heute das no<strong>ch</strong> ebenso i n<br />

seinen Aposteln.“ Das Wört<strong>ch</strong>en „in“ ist mit Absi<strong>ch</strong>t gebrau<strong>ch</strong>t. Seite 17: „Wir geben zu, dass früher oft Ämter<br />

erbeten sind, w e i l d a v o n i n d e r B i b e l s t e h t, während Gott h e u t e seine Apostel dahin zur<br />

Erkenntnis gebra<strong>ch</strong>t hat, dass die Ämter n i c h t u m d e r B i b e l w i l l e n s e i n s o l l e n.“ Wie ist<br />

damit do<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Willkür dieser heutigen Apostel Tor und Tür geöffnet ! Seite 8 heisst es: „Als man sie (die<br />

Apostel <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift sind damit gemeint) umgebra<strong>ch</strong>t hatte, d a f i n g S a t a n a n, ihre S<strong>ch</strong>riften<br />

als ewig geltende Grundsätze hinzustellen, damit ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>e kämen mit Wahrheit und Taten; wel<strong>ch</strong> eine L i s t<br />

d e s T e u f e l s!“ Wir sagen, wel<strong>ch</strong> eine Teufelslist ist es, also Gottes Wort zu entkräften und ebendaselbst zu<br />

for<strong>der</strong>n: „weshalb ma<strong>ch</strong>t man ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> die S<strong>ch</strong>riften <strong>der</strong> jetzigen Apostel und Boten Gottes heilig?“ Wir<br />

antworten: wir tun es deshalb ni<strong>ch</strong>t, weil sie voller Irrtum und Mens<strong>ch</strong>enbetrug sind. In „Wä<strong>ch</strong>terstimme“ Nr. 14<br />

steht: „D i e B i b e l g e n ü g t n i c h t z u m F i n d e n d e r W a h r h e i t, a b e r d i e W a h r-<br />

h e i t i s t a u s s e r h a l b d e r s e l b e n.“ So lästerhaft reden und s<strong>ch</strong>reiben Männer, die vorgeben, Boten<br />

Quellenmaterial Seite 50


<strong>der</strong> Wahrheit, „Gottgesandte“ zu sein. In „Wä<strong>ch</strong>terstimme“ 62 und 78 sagt Krebs: „Wo man si<strong>ch</strong> an Bu<strong>ch</strong>staben<br />

bindet und glaubt, das Christentum bestehe darin, die Bibel zu verteidigen, da haben w i r o f t g e f u n d e n,<br />

d a s s G o t t s o l c h e W e i s e v e r u r t e i l t.“ „Die stückweise Erkenntnis des Aspostels Paulus und<br />

seiner Umgebung, seiner Zeit, kann do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t als vollkommene Form und Norm für alle Zeiten hingestellt<br />

werden ! Es ist d e m B ö s e n g e l u n g e n, d i e B i b e l a l s h e i l i g h i n z u s t e l l e n, das Wort<br />

von HEUTE ist unseres Fusses Leu<strong>ch</strong>te.“ Wer ers<strong>ch</strong>rickt ni<strong>ch</strong>t vor sol<strong>ch</strong>en Aposteln ! Ist sol<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t<br />

abti<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong> ? Zwiefa<strong>ch</strong> betrogen ist, wer diesen Aposteln folgt und ihrem Wort von h e u t e traut ! Also<br />

das Wort eines „heutigen Apostels“ soll si<strong>ch</strong>erer und wertvoller sein als die Heilige S<strong>ch</strong>rift ! Wer mö<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong><br />

auf sol<strong>ch</strong> einen s<strong>ch</strong>wammigen, s<strong>ch</strong>wankenden Boden stellen ? Fur<strong>ch</strong>tbar ist getäus<strong>ch</strong>t, wer es tut. Die dreisten<br />

ungläubigen Theologen und d i e s e Leute haben den glei<strong>ch</strong>en teuflis<strong>ch</strong>en Inspirator. Sie verlangen<br />

herausfor<strong>der</strong>nd für ihre Meinungen Anerkennung mit Hintansetzung des Wortes, das seit 1800 und mehr Jahren<br />

„seine Gotteskraft“ unter fast allen Völkern an heilsbedürftigen Herzen bezeugt hat. Dieser Leute<br />

„Mens<strong>ch</strong>enfündlein“ ist „Mens<strong>ch</strong>enbetrug“ ! Paulus warnt uns und sagt: „Sol<strong>ch</strong>e fals<strong>ch</strong>e Apostel und<br />

trügeris<strong>ch</strong>e Arbeiter verstellen si<strong>ch</strong> zu Christi Apostel, und das ist au<strong>ch</strong> kein Wun<strong>der</strong>, denn er selbst, Satan,<br />

verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts. Darum ist es ni<strong>ch</strong>t ein Grosses (Beson<strong>der</strong>es), wenn au<strong>ch</strong> seine Diener si<strong>ch</strong><br />

verstellen als Prediger <strong>der</strong> Gere<strong>ch</strong>tigkeit, wel<strong>ch</strong>er Ende wird sein na<strong>ch</strong> ihren Werken.“ 2. Kor. 11, 13 – 15.<br />

Wel<strong>ch</strong> ein Geri<strong>ch</strong>t wird es sein !<br />

Der neue „Apostel-Vater“ sagte in seiner Rede am Sarge des Krebs: „Als i<strong>ch</strong> telegraphis<strong>ch</strong> gerufen<br />

wurde, (Krebs war drei Tage krank und starb), habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr mit ihm spre<strong>ch</strong>en können. Als wir zum<br />

letztenmale bei ihm waren, rief i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong>: VATER, WILLST DU UNS VERLASSEN ? Darauf die Antwort<br />

aus des Vaters Munde: „DARAN IST KEIN DENKEN !“ I<strong>ch</strong> war zufrieden und sagte: „diese Worte s i n d<br />

m i r m e h r w e r t, a l s z e h n K a p i t e l i n d e r B i b e l.“ (Wä<strong>ch</strong>terstimme Nr. 115 Seite 5). „Im<br />

Herold Nr. 115 lesen wir: „Gott will sein Werk dur<strong>ch</strong> LEBENDE APOSTEL, wir betonen es, DURCH<br />

LEBENDE APOSTEL WILL GOTT SEINE KIRCHE BAUEN UND VOLLENDEN. HEUTE redet Jesus<br />

dur<strong>ch</strong> seine gesandten Apostel, und die Sendung <strong>der</strong> Apostel in dieser Zeit ist eine laute Spra<strong>ch</strong>e Gottes.“ „Krebs<br />

hat uns den Willen Gottes gesagt ... es ist das Wort Gottes aus seinem Munde.“ Im Blick auf das „HEUTIGE<br />

A p o s t e l w o r t“ singen sie:<br />

„S<strong>ch</strong>alle wie<strong>der</strong> im höheren Chor,<br />

heil’ges Apostelwort !<br />

Wort voll Geist und Leben,<br />

ma<strong>ch</strong> uns dir ergeben.<br />

Herrli<strong>ch</strong>es Wort, heil’ges Apostelwort“ ! Nr. 279.<br />

„O Wort <strong>der</strong> Apostel voll Gnade und Heil,<br />

Di<strong>ch</strong> h e u t e zu hören, wel<strong>ch</strong>‘ köstli<strong>ch</strong>es Teil.“ Nr. 417.<br />

Dreister hat no<strong>ch</strong> niemand geredet. Trug und Betrug !<br />

Wir spre<strong>ch</strong>en mit Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen ? Du hast Worte des ewigen Lebens !“<br />

Seitdem wir diesem „Worte des ewigen Lebens“ glauben und folgen, erfahren wir tägli<strong>ch</strong>: „Wir sind ni<strong>ch</strong>t<br />

klugen Fabeln gefolgt,“ son<strong>der</strong>n wir haben ein festes prophetis<strong>ch</strong>es Wort, und wir tun wohl, dass wir darauf<br />

a<strong>ch</strong>ten“; denn das Wort ist uns ni<strong>ch</strong>t Mens<strong>ch</strong>enwort, son<strong>der</strong>n, wie es denn wahrhaftig ist: „Gottes Wort“,<br />

„göttli<strong>ch</strong>e Weisheit“ und „Gotteskraft“. Wir erfahren es, wie Ungezählte vor uns und mit uns: „Das Wort ist<br />

s<strong>ch</strong>ärfer denn ein zweis<strong>ch</strong>neidiges S<strong>ch</strong>wert und ist ein Ri<strong>ch</strong>ter <strong>der</strong> Gedanken und Sinne des Herzens.“ Dem alten<br />

und neuen Aber- und Unglauben zum Trotz sagen wir: „Herr, d e i n Wort ist unseres Fusses Leu<strong>ch</strong>te“; „Herr,<br />

dein Wort ist unsers Herzens Freude und Trost!“ „Wir freuen uns über dasselbe, wie einer, <strong>der</strong> eine grosse Beute<br />

findet.“ Denn es ist bei uns wirksam, „in <strong>der</strong> Kraft und im heiligen Geiste und in grosser Gewissheit“ (1. Thess.<br />

1, 5). Den fals<strong>ch</strong>en Aposteln aus alter und neuer Zeit sagt Gottes Wort: „So aber jemand an<strong>der</strong>s lehrt und<br />

b l e i b t n i c h t b e i den heilsamen Worten unseres Herrn Jesu Christi, <strong>der</strong> ist aufgeblasen und weiss ni<strong>ch</strong>ts<br />

... es sind Mens<strong>ch</strong>en mit zerrütteten Sinnen, die <strong>der</strong> Wahrheit beraubt sind.“ (1. Tim. 6, 3 – 5). Lieber Leser, lass<br />

di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verführen, als Beute wegführen, na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en Lehre, wel<strong>ch</strong>e ist ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Christo (Kol. 2, 8).<br />

Hat Gottes Wort seine erneuernde Kraft an deinem Herzen offenbaren können ? Das ist das si<strong>ch</strong>erste<br />

Bewahrungsmittel und hat si<strong>ch</strong> seit des Herrn Jesu Sieg über den Erzfeind, <strong>der</strong> mit „dem Worte <strong>der</strong> Wahrheit“<br />

errungen wurde, als einzig si<strong>ch</strong>ere Waffe bewährt.<br />

Diese si<strong>ch</strong> „Apostel“ nennenden Männer stellen ni<strong>ch</strong>t nur ihr Wort an die Stelle <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift –<br />

ja gar über dieselbe – son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> ihre Person an die Stelle Christi. Sie sagen, sie seien Christus im Fleis<strong>ch</strong>,<br />

Gott sei im Fleis<strong>ch</strong> in ihnen. „Wä<strong>ch</strong>terstimme Nr. 115, 3. heisst es: „Dass Jesus einst ins Fleis<strong>ch</strong> gekommen, das<br />

glauben alle Geister, dass aber Jesus CHRISTUS HEUTE AUCH IM FLEISCHE LEBT UND WIRKT,<br />

das will man ni<strong>ch</strong>t glauben; Seite 8. „Wir Apostolis<strong>ch</strong>en haben den Vater in dem lieben ents<strong>ch</strong>lafenen Apostel<br />

Krebs geliebt und geehrt, und es ist wohl lei<strong>ch</strong>t, in dem lieben Apostel Niehaus den V a t e r zu ehren.“ Herold<br />

Nr. 119, 3: „Verlassen wir den Apostel (Niehaus gemeint), so verlassen wir Jesum.“ Wä<strong>ch</strong>terstimme Nr. 83, 4:<br />

„Wenn Jesus vor fals<strong>ch</strong>en Christussen und fals<strong>ch</strong>en Propheten warnt, so müssen WAHRE CHRISTUSSE<br />

Quellenmaterial Seite 51


u n d w a h r e P r o p h e t e n da sein.“ <strong>Aus</strong> dem Zusammenhang geht hervor, dass damit die neuen Apostel<br />

und ihre Vertreter gemeint sind. Ist diese Rede ni<strong>ch</strong>t anti<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong> ? Im Herold Nr. 107 ist ein Artikel: „Wo<br />

waren die Apostel am Pfingsttage 1904“ ? Darinnen sind folgende ers<strong>ch</strong>reckende Irrtümer: „A l s o w i r<br />

b e t o n e n a u c h d i e T a t e n G o t t e s, d i e f r ü h e r g e s c h e h e n s i n d, befriedigen uns<br />

ni<strong>ch</strong>t, SONDERN NUR DIE TATEN GOTTES IN DER GEGENWART. „I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>rieb meinem lieben<br />

Apostel K., er möge mi<strong>ch</strong> decken mit SEINER Gere<strong>ch</strong>tigkeit ..., damit i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vom Feuer verzehret würde.“<br />

„Wir müssen zeugen von den E r l ö s u n g s t a t e n d u r c h d i e A p o s t e l, sol<strong>ch</strong>en Erlösungstaten,<br />

die wir am eigenen Herzen empfunden haben.“ „Wir müssen dem Satan antworten: „da steht mein Apostel, d e<br />

r h a t m i c h e r l ö s t“! So irre und grundstürzend redet selbst Rom ni<strong>ch</strong>t. <strong>Aus</strong> einem an<strong>der</strong>n Aufsatz: „Du<br />

zeigst auf die Quelle in deinem Apostel hin, auf die Vaters<strong>ch</strong>aft, auf den Ursprung ... das ist re<strong>ch</strong>t, i c h m u s s<br />

d e n W i l l e n, d e n G e i s t u n d d a s L e b e n m e i n e s V a t e r s u n d A p o s t e l s t ä g l i<br />

c h neu erbitten und immer wie<strong>der</strong> neu aus <strong>der</strong> Quelle nehmen.“ So zu lesen in dem Blatt, wel<strong>ch</strong>es <strong>der</strong> „Apostel<br />

Pfeiler“ Krebs redigierte; das ist mehr als römis<strong>ch</strong>er „Krebs-S<strong>ch</strong>aden“ !<br />

Bisher bietet darin <strong>der</strong> Na<strong>ch</strong>ruf auf Krebs („Mein letztes Wort“) das Abs<strong>ch</strong>reckendste; wir geben daraus<br />

eine wörtli<strong>ch</strong>e <strong>Aus</strong>lese. Es sagt Niehaus Seite 8: H e u t e steht es klar vor meinen und aller Augen – sein<br />

Wort ist erfüllt ! E r h a t d i e S c h u l d m i t s e i n e m L e i b e b e z a h l t ! - ! - !<br />

W e i n e n d und flehend stand Vater Krebs vor seinem Gott für uns Mens<strong>ch</strong>en und e i n h e i s s e r<br />

B l u t s t r o m C h r i s t i q u o l l a u s s e i n e m M u n d e !<br />

Seite 10: D e r h e r r l i c h e G o t t e s d i e n s t am Sonntag, wo <strong>der</strong> liebe Vater wie verklärt im<br />

Geisteswirken voll d e r F ü l l e, d e r G o t t h e i t u n d d e s L i c h t e s vor uns stand, bleibt mir ein<br />

Denkmal des Gedä<strong>ch</strong>tnisses bis zum Tode, wie au<strong>ch</strong> allen Teilnehmern ! Das war kein Mens<strong>ch</strong> mehr, <strong>der</strong> da<br />

spra<strong>ch</strong>, DAS KONNTE NUR CHRISTUS SEIN, wie Vater Krebs das au<strong>ch</strong> beim Abendmahl vorbra<strong>ch</strong>te:<br />

D a s i s t m e i n F l e i s c h, obwohl i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> lebe.<br />

Seite 11: D e m l i e b e n V a t e r N i e h a u s wurde es s<strong>ch</strong>wer zu spre<strong>ch</strong>en, (bei <strong>der</strong><br />

Gedä<strong>ch</strong>tnisfeier), wie er sagte, aber i<strong>ch</strong> habe meinen S<strong>ch</strong>merz in mi<strong>ch</strong> gefressen, denn wenn i<strong>ch</strong> eu<strong>ch</strong> wollte<br />

meine Tränen zeigen, so würdet ihr ges<strong>ch</strong>lagen. Die Hölle feiert ein Freudenfest, denn ihr mä<strong>ch</strong>tigster Feind, ihr<br />

Tod- und Erbfeind (nämli<strong>ch</strong> Krebs) ist zu Boden gestreckt. Die Welt wird si<strong>ch</strong> freuen, aber ihr werdet weinen.<br />

Aber eure Tränen sollen in Freude verwandelt werden, und die Hölle soll zittern und beben, denn <strong>der</strong><br />

Auferstandene lebet und hat mi<strong>ch</strong> zugeri<strong>ch</strong>tet wie ein ges<strong>ch</strong>mücktes Ross zum Streit. Wo nun die Hölle sagt, nun<br />

ist unser Erbfeind zu Boden gestreckt, nun wird <strong>der</strong> Niehaus no<strong>ch</strong> ein paar Wo<strong>ch</strong>en klappern und dann geht es<br />

langsam zurück, und das Haus fällt zusammen, und die Hütten zerbre<strong>ch</strong>en, so sage i<strong>ch</strong> (Niehaus) heute, i<strong>ch</strong><br />

vermag alles, dur<strong>ch</strong> den, <strong>der</strong> mi<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t hat, dur<strong>ch</strong> den E n t s c h l a f e n e n; Tod, i<strong>ch</strong> will dir ein Gift<br />

sein; Hölle, i<strong>ch</strong> will dir eine Pestilenz sein, deine Sklaven sollen zittern und beben, und es soll kein Stein auf<br />

dem an<strong>der</strong>n bleiben.<br />

Seite 12: D i e d e m Apostel Krebs bisher treu gewesen sind und ihm ni<strong>ch</strong>t wi<strong>der</strong>standen, von<br />

denen soll au<strong>ch</strong> kein einziger verloren gehen.<br />

Seite 14: D a s s a n d e m alten, ehrwürdigen und s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Greis im Silberhaar viele, viele<br />

Tausende von Mens<strong>ch</strong>en in reiner und aufri<strong>ch</strong>tiger Liebe und Ehrfur<strong>ch</strong>t hingen, wie wohl selten einem<br />

Sterbli<strong>ch</strong>en zuteil wird, sah man hier deutli<strong>ch</strong>. Man kann davon sagen, er ist wie ein Armer gestorben, aber wie<br />

ein Rei<strong>ch</strong>er begraben. E r h a t s e i n L e b e n z u m S c h u l d o p f e r g e g e b e n u n d i s t a u s<br />

d e r A n g s t u n d d e m G e r i c h t g e n o m m e n, d a e r u m d i e M i s s e t a t d e r M e n-<br />

s c h e n g e p l a g t w a r. E r h a t S a m e n i n d i e L ä n g e, und des Herrn Vornehmen und Werk,<br />

dur<strong>ch</strong> seine Hand angefangen, wird zum S<strong>ch</strong>recken <strong>der</strong> Hölle fortgehen und weitergelingen, darum, dass seine<br />

Seele gearbeitet hat.<br />

Seite 15: Niehaus spra<strong>ch</strong>: „I<strong>ch</strong> z i t t e r e bei dem Gedanken <strong>der</strong> Verantwortung, die i<strong>ch</strong> übernehme,<br />

wo i<strong>ch</strong> weiss, wie unendli<strong>ch</strong> viel M ü h e u n d S c h w e i s s u n d B l u t s t r o p f e n es den lieben<br />

Vater Krebs gekostet hat, das grosse Werk so weit hervorzubringen, und i<strong>ch</strong> weiss, was da kommen wird, wie es<br />

na<strong>ch</strong> dem Tode des Apostels Menkhoff sowie des Apostels S<strong>ch</strong>warz war, wo s i c h R o t t e n g e m e i n-<br />

s c h a f t e n bildeten, wel<strong>ch</strong>e su<strong>ch</strong>ten, die S<strong>ch</strong>afe an si<strong>ch</strong> zu ziehen. I<strong>ch</strong> will heute ni<strong>ch</strong>t weiter darüber<br />

spre<strong>ch</strong>en, die Zeit wird es bringen, aber soviel sage i<strong>ch</strong> heute, dass sie an meiner Dickfaust und eisernen<br />

Stirne zers<strong>ch</strong>ellen werden.“ So reden die fals<strong>ch</strong>en Propheten, wie sie in <strong>der</strong> Heil. S<strong>ch</strong>rift vorausverkündigt<br />

sind. Sie sehen dem Heiland und seinen Aposteln nimmer ähnli<strong>ch</strong>; und dieser Niehaus mit seiner erhobenen<br />

„Dickfaust und eisernen Stirn“ am Sarge des „A p o s t e l – V a t e r K r e b s“ beanspru<strong>ch</strong>t jetzt <strong>der</strong> hö<strong>ch</strong>ste<br />

Vertreter Gottes und Jesu Christi auf Erden zu sein ! ? Ni<strong>ch</strong>t wahr, dann haben Wolf und Lamm au<strong>ch</strong><br />

Ähnli<strong>ch</strong>keit ?<br />

Lieber Leser, du rufst wohl aus: Wel<strong>ch</strong>‘ grundstürzen<strong>der</strong> Irrtum, wel<strong>ch</strong>‘ bodenlose Verdrehung ! Ja, so<br />

ist’s ! Wehe dem, <strong>der</strong> diesem frommen Betrug anheimfällt ! Und trotzdem folgen diesen Irreleitern und<br />

Betrogenen viele Tausende. Mit Begeisterung singen sie na<strong>ch</strong> ihrem Gesangbu<strong>ch</strong><br />

Quellenmaterial Seite 52


Nr. 357:<br />

„Brü<strong>der</strong> und S<strong>ch</strong>western,<br />

freuet eu<strong>ch</strong> , ...<br />

es lebt allein <strong>der</strong> wahre Gott<br />

in dem Apostelamt“<br />

Nr. 221:<br />

„Apostelamt, gesandter Geist,<br />

dir sei gebra<strong>ch</strong>t Ruhm, Dank und Preis,<br />

Lob, Ehre und Anbetung,<br />

i<strong>ch</strong> fand in dir Erlösung.“<br />

Nr. 281:<br />

„Wer misst die Liebe in meinem Apostel ?<br />

Wer wäs<strong>ch</strong>t uns rein ohn‘ seine Hand ?<br />

I m F l e i s c h e s t e h t h i e r G o t t v o r u n s !“<br />

Nr. 217:<br />

„Sei gegrüsst, du Gesalbter des Herrn;<br />

Kne<strong>ch</strong>tsgestalt, Gott im Fleis<strong>ch</strong>.<br />

Führ uns zum Ziele !“<br />

Nr. 456:<br />

„Der Herr <strong>der</strong> Welt, er ist in seinen Boten,<br />

im sünd’gen Fleis<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>‘ Herrli<strong>ch</strong>keit ...<br />

Wer an di<strong>ch</strong> glaubt, Apostelwort,<br />

Der hat das ew’ge Leben.“<br />

Dies alles gibt uns eine kleine Probe davon, wie <strong>der</strong> A n t i – C h r i s t u s es ma<strong>ch</strong>en wird, um si<strong>ch</strong><br />

als V e r t r e t e r Christi einzuführen, um Christus na<strong>ch</strong>zuäffen und die Ungeübten mit frommem Trug zu<br />

täus<strong>ch</strong>en, als „Gott im Fleis<strong>ch</strong>“, „<strong>der</strong> Gott von heute“ selbst „<strong>der</strong> Sohn von heute“ Lied Nr. 402. Mit Finsternis<br />

sind die Männer bestraft, „ein Flu<strong>ch</strong> <strong>der</strong> bösen Tat“. Der Na<strong>ch</strong>ruf auf den im Jahre 1895 gestorbenen „Apostel-<br />

Vater“ S<strong>ch</strong>warz (Wä<strong>ch</strong>terstimme Nr. 5) enthielt no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sol<strong>ch</strong> eine trügeris<strong>ch</strong>e, fals<strong>ch</strong>-<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e.<br />

Der Unkrautsamen wä<strong>ch</strong>st s<strong>ch</strong>nell.<br />

Bei dieser s<strong>ch</strong>rankenlosen Verdrehung <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift nimmt uns ni<strong>ch</strong>t wun<strong>der</strong>, dass die<br />

„Apostolis<strong>ch</strong>en“ vom Herrn Jesu bezeugte Tatsa<strong>ch</strong>en und von den Aposteln und <strong>der</strong> gesamten gläubigen<br />

Gemeinde verkündigte Wahrheiten leugnen. Für jeden Gläubigen sitzt <strong>der</strong> Herr Jesus seit seiner glorrei<strong>ch</strong>en<br />

Himmelfahrt als treuer Hohepriester zur Re<strong>ch</strong>ten Gottes auf dem Thron im Himmel (Matth. 24, 30; 26, 64. Hebr.<br />

3, 1 u. And.). Darauf antewortet je<strong>der</strong> „Apostolis<strong>ch</strong>e“: Christus sitzt im Himmel, d. h. in den Aposteln, „in den<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en !“ In Wä<strong>ch</strong>terstimme Nr. 108 heisst es in Bezug darauf: „Die Wohnung Gottes wird „Himmel“<br />

genannt und diese Wohnung s i n d d i e, d i e d a l i e b h a b e n u n d h a l t e n s e i n e G e b o t e.<br />

Und aus diesem Himmel hat <strong>der</strong> Sohn Gottes einst geredet und redet er no<strong>ch</strong>, nämli<strong>ch</strong> aus dem Kreise seiner<br />

Apostel.“ „Der Thron des Herrn ist <strong>der</strong> Berg Zion, worauf des Herrn Haus ist, die Einheit seiner jetzigen<br />

Apostel.“ Dazu singen sie<br />

Nr. 148:<br />

„Nur in lebend’gen Boten<br />

er si<strong>ch</strong> auf’s neu uns gab.<br />

I n d e r A p o s t e l – E i n h e i t,<br />

d a w o h n t u n d t h r o n e t e r.“<br />

S. 278:<br />

„An<strong>der</strong>e su<strong>ch</strong>en in den Lüften,<br />

ihn, <strong>der</strong> immer bei uns ist.<br />

Ni<strong>ch</strong>t in Gräbern, ni<strong>ch</strong>t in Grüften,<br />

ist <strong>der</strong> Heiland Jesus Christ.<br />

Hier im Fleis<strong>ch</strong>e, im Apostel<br />

offenbar sei sein Geheimnis,<br />

als des wahren Gottes Stimm‘,<br />

als des wahren Gott von heute.<br />

Darum preiset Gottes Lieb‘,<br />

lobt den wahren Gott von heut‘.“<br />

Dazu wenden sie no<strong>ch</strong> ein: „J e s u s k a n n n i c h t i n e i n e m f e r n e n H i m m e l s e i n, v o n<br />

d e m n i e m a n d w e i s s, w o e r i s t, u n d i n u n s, das ist ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>“, - so erniedrigt man<br />

den „Herrn <strong>der</strong> Herrli<strong>ch</strong>keit“ in die kleinen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ranken, und an<strong>der</strong>erseits erhebt man „d i e<br />

A p o s t e l <strong>der</strong> Neuzeit“ in göttli<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>tstellung. Ein Geri<strong>ch</strong>t ist’s über jene Irreleiter, dass sie den<br />

fur<strong>ch</strong>tbaren Taus<strong>ch</strong> und Betrug, die after<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Bekehrung ni<strong>ch</strong>t erkennen ! Die Anhänger sind zu<br />

Quellenmaterial Seite 53


vertrauensselig und urteilslos, als dass sie die Täus<strong>ch</strong>ung erkennen, nur einzelne merken es und entflohen. Wir<br />

aber freuen uns, dass wir Ihn, „den Auferstandenen aus den Toten“, wissen thronend zur Re<strong>ch</strong>ten <strong>der</strong> Majestät<br />

im Himmel, wo er lebt immerdar für uns und bittet für die Seinen, von dannen er kommen wird zum S<strong>ch</strong>recken<br />

seiner Feinde, zur Freude seiner Erlösten, und wer weiss wie bald.<br />

Sind einmal die biblis<strong>ch</strong>en Grundlinien verlassen, so ergibt si<strong>ch</strong> eine Verirrung aus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Sie<br />

lehren: Selbst die vor Jahrhun<strong>der</strong>ten abges<strong>ch</strong>iedenen Seelen unterstehen no<strong>ch</strong> ihrer Apostel Einfluss. Deshalb<br />

haben sie au<strong>ch</strong> d i e V e r s i e g e l u n g d.h. S e l i g m a c h u n g l ä n g s t Verstorbener mit in<br />

Händen. Selbst Luther, Calvin und an<strong>der</strong>e teure Männer sollen nur auf Weissagung und Gebet hin, kraft dieses<br />

Apostelamtes, endli<strong>ch</strong> zur Ruhe gekommen sein. Sie sagen, sie konnten in ihren Tagen ni<strong>ch</strong>t selig werden, weil<br />

kein Apostel zum Versiegeln vorhanden, weil sie aber ehrli<strong>ch</strong>e Su<strong>ch</strong>er <strong>der</strong> a p o s t o l i s c h e n Wahrheit<br />

gewesen sind, deshalb hat Gott dur<strong>ch</strong> die Stimme ihrer Weissager angebli<strong>ch</strong> diesen fals<strong>ch</strong>en Aposteln den<br />

Auftrag gegeben, sie j e t z t zu versiegeln. Wel<strong>ch</strong>‘ eine Vermessenheit und Verirrung ! Die V e r s i e g e-<br />

l u n g d e r T o t e n“ o<strong>der</strong> „Ents<strong>ch</strong>lafenen“, wie sie es in ihren Blättern (seit dieser Blossstellung in unserer<br />

I. und II. Auflage nennen sie mit Absi<strong>ch</strong>t die Z a h l <strong>der</strong> versiegelten Toten nur no<strong>ch</strong> selten) nennen, ist bei<br />

ihnen sehr im S<strong>ch</strong>wange, denn sehr oft wurden mehr „Tote“ als „Lebendige“ versiegelt, wie aus Na<strong>ch</strong>stehendem<br />

zu ersehen ist:<br />

Ruff versiegelte auf einer Reise in Süddeuts<strong>ch</strong>land und <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>weiz 161 Lebende und 360 Tote.<br />

Krebs versiegelte vom 1. bis 8. November 1903 in und um Magdeburg und in Brauns<strong>ch</strong>weig 96<br />

Lebende und 161 Tote; vom 13. bis 26. November in Berlin und Umgebung in 25 Gemeinden 914<br />

Lebende und 1084 Tote. Vom 1. bis 4. November 1903 versiegelten die Apostel Bornemann und<br />

Niehaus am Nie<strong>der</strong>rhein 167 Lebende und 238 Tote. Anfangs Juli 1904 wurden in Düsseldorf und<br />

Umgegend 86 Lebende und 120 Tote versiegelt.<br />

Dur<strong>ch</strong> Gebet wird angebli<strong>ch</strong> bei Gott angefragt, ob dieser o<strong>der</strong> jener längst Verstorbene versiegelt werden soll;<br />

wenn dur<strong>ch</strong> Gesi<strong>ch</strong>te o<strong>der</strong> die Stimme <strong>der</strong> Propheten und Weissager ein „Ja“ erfolgt, dann wird <strong>der</strong> Hokus-Pokus<br />

unter allerlei frommem Trug als „apostolis<strong>ch</strong>“ und Gott wohlgefällig angesehen, trotz striktem Verbot des<br />

Herrn, die Toten zu fragen (5. Mose 18, 11: „vor dem Herrn ist’s ein Greuel.“). Bei <strong>der</strong> Versiegelung s<strong>ch</strong>liesst<br />

<strong>der</strong> Gemeindeleiter das Totenrei<strong>ch</strong> auf, irgend eine Person weissagt und sieht meist (als „Hellseher“) Gestalten<br />

aufsteigen – wohl wie die Zauberin von Endor bei Saul – na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Versiegelung treten die Verwandten des<br />

Verstorbenen vor und empfangen f ü r d i e V e r s t o r b e n e n das Abendmahl. Die Geister, die gerufen<br />

wurden, haben zu allen Zeiten das Re<strong>ch</strong>t – wie es s<strong>ch</strong>eint sogar den Auftrag, unter frommem S<strong>ch</strong>ein irrezuleiten<br />

und zu verführen, ob sie auf alttestamentli<strong>ch</strong>em Boden gerufen wurden o<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> ein spiritistis<strong>ch</strong>es Medium<br />

o<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> Gebets- und Weissagungsformeln „Apostolis<strong>ch</strong>er“ o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>er, allemal war’s und ist’s eine<br />

teuflis<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>tübers<strong>ch</strong>reitung und führt in weiteren Betrug<br />

Lästerung ist au<strong>ch</strong> die unter den Apostolis<strong>ch</strong>en eingebürgerte frivole Redensart: „Die Bibel, das ist<br />

vers<strong>ch</strong>immeltes Brot.“ „Das Blut Christi ist längst vertrocknet und kann jetzt ni<strong>ch</strong>t mehr helfen.“<br />

Derartige Ans<strong>ch</strong>auungen gehören in die Rubrik <strong>der</strong> Gotteslästerung, und do<strong>ch</strong> müssen wir sie als Kennzei<strong>ch</strong>en<br />

den Lesern bieten. Zweifellos sind diese Irrlehren Ers<strong>ch</strong>einungen, die die Heilige S<strong>ch</strong>rift als „kräftige Irrtümer“<br />

vorausverkündigt. Lieber Leser, lass di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t blenden dur<strong>ch</strong> die angebli<strong>ch</strong>en Kräfte, Zei<strong>ch</strong>en und Wun<strong>der</strong>, die<br />

bei den Neu-„Apostolis<strong>ch</strong>en“ vorkommen sollen, es sind „lügenhafte Kräfte Satans“ (2. Thess. 2, 9). Diese<br />

sind um so gefährli<strong>ch</strong>er, weil sie mit frommem Gewande und dreistem Auftreten in religiöser Verpuppung<br />

eingeführt werden. Satan kann au<strong>ch</strong> Wun<strong>der</strong> tun, die den Wun<strong>der</strong>n Jesu ähnli<strong>ch</strong> sind: 2. Thess. 2, 9 – 12; Matth.<br />

24, 24; Offb. 13, 12 – 14. Viele in unserm Vaterlande haben si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on damit betrügen lassen, selbst hier aund<br />

da etli<strong>ch</strong>e die vorgaben, bekehrt zu sein. Solltest du in Gefahr stehen, au<strong>ch</strong> verführt zu werden, so nimm dur<strong>ch</strong><br />

Busse und Glaube „die Liebe zur Wahrheit, die in Christo Jesu ist“ an, so wirst du „ni<strong>ch</strong>t glauben <strong>der</strong> Lüge“ und<br />

mit dem S<strong>ch</strong>ild des Glaubens kannst du di<strong>ch</strong> decken und wirst Gefährdete warnen. Bestrickend ist, dass sie<br />

glei<strong>ch</strong> den u n g l ä u b i g e n Theologen unserer Tage überall biblis<strong>ch</strong>e Worte und Lehren gebrau<strong>ch</strong>en,<br />

darunter aber etwas ganz an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Herr, seine Propheten und Apostel anbieten und als wahr verkündigen.<br />

Die erfolgrei<strong>ch</strong>e List <strong>der</strong> alten S<strong>ch</strong>lange des Satans ! Würden wir uns ni<strong>ch</strong>t vor Gott und an vielen Mens<strong>ch</strong>en<br />

versündigen, wenn wir diesen frommen Betrug ni<strong>ch</strong>t aufdeckten ? Mit allem Ernst zeigen wir jedem gefährdeten<br />

Leser an Hand von Lie<strong>der</strong>n und gedruckten Anspra<strong>ch</strong>en dieser Leute deutli<strong>ch</strong> genug, so weit es im Rahmen<br />

dieser kleinen S<strong>ch</strong>rift mögli<strong>ch</strong> ist, was sie lehren, was sie heilsbedürftigen Mens<strong>ch</strong>en mit ihrer neuen<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Wahrheit bieten. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> na<strong>ch</strong>prüfen will und kann, muss hier finden, alles was diese Irrlehrer<br />

mit ihrem selbstbewussten Auftreten anbieten, es ist ein an<strong>der</strong>es Evangelium als jenes, wel<strong>ch</strong>es die Apostel Jesu<br />

Christi verkündigten. Man lese Pauli Worte Gal. 1, 6 – 10 dazu.<br />

Es sei no<strong>ch</strong> darauf hingewiesen, dass die „Apostolis<strong>ch</strong>en“ ein Wa<strong>ch</strong>stum haben, dem wohl keine<br />

deuts<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngenossens<strong>ch</strong>aft glei<strong>ch</strong>kommt, und des rühmen sie si<strong>ch</strong> mit Fleiss. Bezei<strong>ch</strong>nend für den Geist<br />

des Kreises ist, dass <strong>der</strong> Anhang son<strong>der</strong>li<strong>ch</strong> in den Gegenden aussergewöhnli<strong>ch</strong> zunimmt, wo die Ho<strong>ch</strong>burgen<br />

des Spiritismus sind, in Berlin und im Königrei<strong>ch</strong> Sa<strong>ch</strong>sen und an<strong>der</strong>wärts. Sie haben au<strong>ch</strong> sehr viel Verwandtes<br />

mit den fromms<strong>ch</strong>einenden Spiritisten, religiösen Wun<strong>der</strong>tätern und <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Nikolaiten (Off. 2, 6. 15).<br />

Man<strong>ch</strong>e deuts<strong>ch</strong>e Kreise haben si<strong>ch</strong> daran gewöhnt, alles Neue alsbald „ausländis<strong>ch</strong>“ zu s<strong>ch</strong>elten.<br />

Quellenmaterial Seite 54


Dieses Gewä<strong>ch</strong>s hier ist ein e<strong>ch</strong>tdeuts<strong>ch</strong>er Wildling, wenn au<strong>ch</strong> zugegeben werden muss, dass er aus dem alten<br />

englis<strong>ch</strong>en Stamm gewa<strong>ch</strong>sen ist, jedo<strong>ch</strong> ganz für si<strong>ch</strong> auf deuts<strong>ch</strong>em Boden, unter deuts<strong>ch</strong>er Leitung, was<br />

allerdings viele tonangebende Männer ni<strong>ch</strong>t bea<strong>ch</strong>ten.<br />

In <strong>der</strong> Zukunft wird es weiter offenbar werden, wel<strong>ch</strong>e Tiefen Satans unter frommem S<strong>ch</strong>ein in diesen<br />

Kreisen verheerend wirken. Zündstoff ist rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> vorhanden und die Zeit ist für sie lei<strong>der</strong> sehr günstig.<br />

Man<strong>ch</strong>e Leser werden sagen: „den Geist für<strong>ch</strong>ten wir ni<strong>ch</strong>t“, re<strong>ch</strong>t und gut, aber vergessen wir dabei<br />

ni<strong>ch</strong>t, dass man jetzt wohl mehr denn je, lei<strong>ch</strong>thin geneigt ist, allem Neuen si<strong>ch</strong> hinzugeben, und die Masse um<br />

uns her dur<strong>ch</strong>aus ni<strong>ch</strong>t fähig ist, mit <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift in <strong>der</strong> Hand ernstli<strong>ch</strong> zu prüfen. Geliebter Leser, bist du<br />

si<strong>ch</strong>er gestellt ? Nur in Christo Jesu, dem ewigen Sohn Gottes ist vollkommenes Heil und ganze Si<strong>ch</strong>erheit. Ist<br />

er dein persönli<strong>ch</strong>er Bürge und Heiland ? Kannst du sagen, „i<strong>ch</strong> weiss, dass mein Erlöser lebt ? Trotz allem<br />

offenbaren Irrtum haben die Apostolis<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>on man<strong>ch</strong>e ungefestigte Leute selbst aus gläubigen Kreisen an<br />

si<strong>ch</strong> gezogen. Vornehmli<strong>ch</strong> dieser Tatsa<strong>ch</strong>e und sol<strong>ch</strong>er Gefahr wegen sind diese Zeilen ges<strong>ch</strong>rieben, und wenn<br />

sie mit Gottes Segen zur Belehrung, Warnung und Bewahrung dienen, ist ihr Zweck errei<strong>ch</strong>t.<br />

Die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“<br />

Von<br />

Pastor M. Krawielitzki<br />

*<br />

Bu<strong>ch</strong>druckerei und Verlag „Harfe“ G. m. b. H.<br />

Bad Blankenburg, Thür.Wald<br />

[Eine S<strong>ch</strong>rift ohne Datumsangabe um 1930]<br />

1. <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong>.<br />

Die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ gehen zurück auf den s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en Prediger Edvard Irving, <strong>der</strong> um 1830 in<br />

London als Pfarrer wirkte. Er war eine bedeutende Persönli<strong>ch</strong>keit und zog dur<strong>ch</strong> seine feurigen Predigten viele<br />

namentli<strong>ch</strong> aus vornehmen Kreisen an. Irving gehörte au<strong>ch</strong> zu dem Kreis, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> um den begüterten<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Bankier Drummond ges<strong>ch</strong>art hatte. Man bes<strong>ch</strong>äftigte si<strong>ch</strong> dort viel mit dem prophetis<strong>ch</strong>en Wort und<br />

wartete auf beson<strong>der</strong>e Geisteswirkungen. Da kam 1830 die Kunde von Geistesgaben, wel<strong>ch</strong>e einige Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> reformierten s<strong>ch</strong>ottis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zu Glasgow in aufsehenerregen<strong>der</strong> Weise erhalten hatten. Irving sah darin<br />

die gottgewirkte Erfüllung seines Strebens.<br />

Bald vers<strong>ch</strong>affte er den Geistesgaben au<strong>ch</strong> in seiner Londoner Gemeinde Eingang. Jedo<strong>ch</strong> das Presbyterium<br />

trat ihm entgegen und verabs<strong>ch</strong>iedete ihn 1832. Ras<strong>ch</strong> sammelten si<strong>ch</strong> seine Anhänger in sieben eigenen<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aften innerhalb Londons um ihn und erbauten eine eigene Kapelle. Das „vierfa<strong>ch</strong>e Amt <strong>der</strong><br />

Ur<strong>ch</strong>ristenheit“ wurde erneuert und demzufolge Drummond zum „Hirten“, <strong>der</strong> Advokat Cardale zum „Apostel“<br />

gewählt, während Irving selbst die Rolle eines „Engels“ o<strong>der</strong> Vorstehers erhielt. Seine Kräfte waren jedo<strong>ch</strong> bald<br />

aufgezehrt; er starb bereits mit 42 Jahren in Glasgow und wurde in einem Sarkophag in <strong>der</strong> Hauptkir<strong>ch</strong>e<br />

beigesetzt. Die heutigen „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ s<strong>ch</strong>ieben seine Persönli<strong>ch</strong>keit in den Hintergrund.<br />

Irvings Anhänger nahmen die Bezei<strong>ch</strong>nung „katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde“ an, führten das neue<br />

Sakrament <strong>der</strong> „Versiegelung“ ein und hielten feierli<strong>ch</strong>e Gottesdienste ab. Die Zahl <strong>der</strong> „Apostel“ wurde auf<br />

zwölf vervollständigt. Am 14. Juli 1835 wurden diese ausgesandt und kehrten na<strong>ch</strong> 1260 Tagen (Offb. 11, 3)<br />

wie<strong>der</strong> na<strong>ch</strong> England zurück. Sie zogen si<strong>ch</strong> in die Stille zurück, wo sie Belehrungen und Offenbarungen<br />

empfingen, und kündigten die Ankunft Christi auf das Jahr 1845 an.<br />

Die Ni<strong>ch</strong>terfüllung dieser Weissagung ma<strong>ch</strong>te man<strong>ch</strong>e Anhänger stutzig. Das tat aber <strong>der</strong> Wirkungskraft<br />

<strong>der</strong> Bewegung, namentli<strong>ch</strong> in Deuts<strong>ch</strong>land, keinen Abbru<strong>ch</strong>. Mehrere Persönli<strong>ch</strong>keiten aus ho<strong>ch</strong>stehenden<br />

Kreisen liessen si<strong>ch</strong> von ihr gewinnen, z.B. Professor <strong>der</strong> Theologie Thiers<strong>ch</strong> in Marburg, zwei märkis<strong>ch</strong>e<br />

Pfarrer, Redakteur Wagner von <strong>der</strong> „Kreuzzeitung“ in Berlin und die beiden Adeligen v. Ri<strong>ch</strong>thofen und v.<br />

Po<strong>ch</strong>hammer. Die heutige Mitglie<strong>der</strong>zahl <strong>der</strong> „katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinde“ in Deuts<strong>ch</strong>land wird auf<br />

15'000 angegeben. Im Unters<strong>ch</strong>ied zum „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Spross betreibt die altapostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde<br />

Quellenmaterial Seite 55


keine Propaganda, nimmt au<strong>ch</strong> die „Versiegelung“ ni<strong>ch</strong>t mehr vor und bes<strong>ch</strong>ränkt si<strong>ch</strong> auf „Stillesein und<br />

Warten“ (Offb. 8, 11).<br />

Als die „zwölf Apostel“ einer na<strong>ch</strong> dem an<strong>der</strong>n starben, son<strong>der</strong>te si<strong>ch</strong> in Deuts<strong>ch</strong>land 1863 die Geyers<strong>ch</strong>e<br />

Ri<strong>ch</strong>tung ab, wel<strong>ch</strong>e eine „Auffüllung des Zwölf – Apostelamtes“ erstrebte. In ihr wurde bald <strong>der</strong> brauns<strong>ch</strong>weigis<strong>ch</strong>e<br />

Bahnmeister Krebs, später „Priester“ einer Harzgemeinde, die tonangebende Persönli<strong>ch</strong>keit, <strong>der</strong><br />

„Stammapostel“ und „Vater“. Er verfolgte seine Ideen mit glühen<strong>der</strong> Hingabe und fanatis<strong>ch</strong>em Eifer trotz<br />

grosser Wi<strong>der</strong>stände von seiten seiner Gesinnungsgenossen und <strong>der</strong> Welt; wenn es darauf ankam, griff er<br />

rücksi<strong>ch</strong>tslos dur<strong>ch</strong>. Na<strong>ch</strong> seinem Tode (1905) folgte ihm <strong>der</strong> Landwirt Niehaus zu Steinhagen i. Westf. Im<br />

„Stammapostolat“ na<strong>ch</strong>.<br />

2. Lehre<br />

Wie ho<strong>ch</strong> das Apostelamt bei den „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ einges<strong>ch</strong>ätzt wird, zeigen folgende Sätze:<br />

„Woher kommt es, dass die spätere <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> in keiner Weise <strong>der</strong> Urkir<strong>ch</strong>e an Glei<strong>ch</strong>gestaltung, Reinheit,<br />

Festigkeit und e<strong>ch</strong>tem Baumaterial nahekam ? Weil die Baumeister, die Apostel Jesu, ausges<strong>ch</strong>altet wurden<br />

und bis heute sind und weil nun ein je<strong>der</strong> na<strong>ch</strong> seinem eigenen Ermessen und Gutdünken, also na<strong>ch</strong> seinem<br />

eigenen Bauplan arbeitet, so dass Gebäude von allerlei Stilarten, oft in <strong>der</strong> bizarrsten Form, entstanden sind, in<br />

denen allerlei Geister wohnen“ (W. 15). – „Die Gere<strong>ch</strong>tigkeit, die aus dem Glauben kommt, besteht darin, die<br />

Boten Gottes aufzunehmen, die Gott zum Segen gesandt hat. Wenn einstens die Apostel zu dem Volke Gottes<br />

gesagt hätten: „Christus hat eu<strong>ch</strong> beauftragt, eu<strong>ch</strong> mit Gnade und Barmherzigkeit zu bes<strong>ch</strong>enken und mit dem<br />

Heiligen Geist zu taufen“, und es hätten dann etli<strong>ch</strong>e gesagt: „Wir wissen genau, dass Christus gestorben ist, und<br />

wir glauben au<strong>ch</strong> an Ihn“, so hätten die Apostel erwi<strong>der</strong>n können: „Ihr geht mit eurem Glauben an den<br />

Gottessohn, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Höhe ist, in die Hölle, weil ihr uns, die von Gott zeitgemäss gegebenen Boten, ni<strong>ch</strong>t<br />

annehmt“ (W. 53). – „Wollte ein gläubig gewordener Heide Gott hän<strong>der</strong>ingend und ununterbro<strong>ch</strong>en anflehen,<br />

Er selbst möge ihn do<strong>ch</strong> unmittelbar taufen o<strong>der</strong> ihm das heilige Mahl spenden, so würde das heissen, ringende<br />

Bitten do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Erhörung finden, weil <strong>der</strong> Bittende ni<strong>ch</strong>t den ein für allemal gegebenen Weg <strong>der</strong> göttli<strong>ch</strong>en<br />

Ordnung, also dur<strong>ch</strong> mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Handlung, erhalten will. Sobald dies aber ges<strong>ch</strong>ieht, gelangt <strong>der</strong> Bittende<br />

sofort in den Besitz <strong>der</strong> göttli<strong>ch</strong>en Segnungen" (W. 22). – „Blind das Vertrauen setzen in den Apostel und<br />

blind folgen ! Die das getan haben, blind na<strong>ch</strong>gefolgt sind und ni<strong>ch</strong>t imstande waren, zu sehen, die sind<br />

glückli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>gekommen unter dem Apostel Krebs“ (KZ. 839).<br />

„Aber die Vermittlung <strong>der</strong> Versöhnung und ihre priesterli<strong>ch</strong>e Spendung hat, wie aus 2. Kor. 5, 18 bis<br />

20; Eph. 3, 2; Joh. 20, 23 unweigerli<strong>ch</strong> trotz aller theologis<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>legungskünste hervorgeht, <strong>der</strong> HERR<br />

Seinem Apostelamte übertragen, in dessen Namen und Auftrage die aus ihm hervorgegangenen Hilfsämter<br />

handeln“ (W. 21). – „Gewiss, <strong>der</strong> HERR ist da, <strong>der</strong> dem Sün<strong>der</strong> vergibt; aber dur<strong>ch</strong> sie (die Apostel), die an<br />

Seiner Statt stehen. Diese Lehre ist eine rein biblis<strong>ch</strong>e ...“ (16). – „Nennen nun die Gegner die Lehre „Jesus im<br />

Apostel !“ eine Gotteslästerung und ungeheure Anmassung und giessen sie darüber au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> so viel Lauge<br />

zersetzenden und beissenden Spottes, so bleibt do<strong>ch</strong> trotz allen Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong>s und aller Gehässigkeit, trotz aller<br />

Bes<strong>ch</strong>impfungen <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en und ausserkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Kreise die alte Wahrheit und beseligende Lehre<br />

bestehen: Jesus ist es, <strong>der</strong> im Apostel redet, wirkt, segnet, erlöst (!) und alle Gnadengaben austeilt“ (19). – Im<br />

„neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Gottesdienst wird gesungen:<br />

„Jesus im Apostel müsst ihr trau’n !<br />

Er ist ein Fels, er ist ein Fels;<br />

Ein starker Fels im wilden Sturm.“<br />

Zwei angebli<strong>ch</strong> biblis<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>weise werden von den „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ geführt:<br />

1. dass es neue Apostel gibt;<br />

2. dass Jesus im Fleis<strong>ch</strong>e dieser Apostel ist. Ferner wird no<strong>ch</strong> ein kir<strong>ch</strong>enges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er Beweis geführt.<br />

Dieser besagt, dass <strong>der</strong> Name „Apostel“ auf einen weiteren Kreis von Männern <strong>der</strong> Ur<strong>ch</strong>ristenheit<br />

anwendbar sei, wie z.B. Barnabas (Apg. 13, 2: 14, 4), Timotheus, Silvanus, Apollos und Jakobus, den<br />

Bru<strong>der</strong> des HERRN; ja sogar Andronikus und Junius (Röm. 16, 7). Die letzte Stelle kann ni<strong>ch</strong>t als Beleg<br />

angesehen werden; denn dort ist nur gesagt, dass Andronikus und Junius „bei den Aposteln in Ansehen<br />

standen“. Den übrigen Männern wird <strong>der</strong> Name „Apostel“ nirgends beigelegt. So ist <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>enges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Na<strong>ch</strong>weis hinfällig.<br />

Die Notwendigkeit eines bleibenden, ni<strong>ch</strong>t historis<strong>ch</strong>en Apostelamtes wird dur<strong>ch</strong> Stellen wie Luk. 11, 49;<br />

Apg. 1, 8; Eph. 4, 11 – 13; 2. Kor. 2, 12 begründet. Aber die <strong>Aus</strong>sage des HERRN in Luk. 11, 49 gilt denselben<br />

Jüngern, die au<strong>ch</strong> die späteren Apostel sind. Apg. 1, 8 („bis an die Enden <strong>der</strong> Erde“) zeitli<strong>ch</strong> umzudeuten, ist<br />

reine Willkür. <strong>Aus</strong> Eph. 4, 11 – 13 vollends ist keine gesetzmässige Einri<strong>ch</strong>tung abzuleiten, und die „Zei<strong>ch</strong>en des<br />

Apostels“ von 2. Kor. 2, 12 sind göttli<strong>ch</strong>e Gnadenwirkungen, die ni<strong>ch</strong>t auf eigenes Konto verbu<strong>ch</strong>t werden<br />

können. Wie, wenn Paulus, <strong>der</strong> Apostel, göttli<strong>ch</strong>e Ehre für si<strong>ch</strong> beanspru<strong>ch</strong>t hätte ? Apg. 14, 14 dagegen sehen<br />

wir ihn und seine Begleiter unter die abgöttis<strong>ch</strong>e Menge springen und entsetzt ausrufen: „Was ma<strong>ch</strong>t ihr da ?<br />

Au<strong>ch</strong> wir sind Mens<strong>ch</strong>en von glei<strong>ch</strong>er Art wie Ihr !“<br />

Dass nun Jesus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Apostel wirke, wird begründet mit 1. Joh. 4, 2;<br />

1. Tim. 3, 16; Apg. 3, 26; Gal. 2, 20; 1. Petri 2, 9; Matth. 24, 24. Aber in 1. Joh. 4, 2 und 1. Tim. 3, 16 ist von <strong>der</strong><br />

Quellenmaterial Seite 56


Mens<strong>ch</strong>werdung des Gottessohnes die Rede. <strong>Aus</strong> Apg. 3, 26 und Gal. 2, 20 ist kein Vorzug für den Apostel<br />

abzuleiten, und <strong>der</strong> von Petrus ausgegangene Segen kann, ebenso wie 1. Petri 2, 9 das „allgemeine Priestertum“<br />

und 2. Kor. 5, 20 das Verkündigen an Christi Statt, von allen Gläubigen genau so ausgehen. Ges<strong>ch</strong>macklos ist<br />

es, aus dem Auferstehen fals<strong>ch</strong>er Propheten in Matth. 24, 24 die Existenz <strong>der</strong> wirkli<strong>ch</strong>en ableiten zu<br />

wollen.<br />

Die „neuapostolis<strong>ch</strong>e“ Lehre vom Apostelamt ist daher ohne S<strong>ch</strong>riftgrund. Somit<br />

fallen Vorzugsstellung und Verfügungsanspru<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>er Apostel dahin.<br />

Wie ist es nun mit <strong>der</strong> „Versiegelung“ ? In ihr werden dur<strong>ch</strong> Handauflegung des „Apostels“ Geistestaufe<br />

und Heilsgewissheit vermittelt. Offb. 7, 3 dient zur Begründung; wobei gänzli<strong>ch</strong> übersehen wird, dass es<br />

si<strong>ch</strong> um einen von den himmlis<strong>ch</strong>en Engeln in <strong>der</strong> Zukunft verri<strong>ch</strong>teten Dienst handelt. Die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“<br />

übertragen ihn kühn in die Gegenwart. Sie pflegen während <strong>der</strong> „Versiegelung“ von beson<strong>der</strong>en „Gesi<strong>ch</strong>ten“ zu<br />

beri<strong>ch</strong>ten, die sie na<strong>ch</strong>her in „Weissagungen“ kundtun. Z.B.: „Als <strong>der</strong> liebe Apostel Krebs zu beten anfing, sah<br />

i<strong>ch</strong> die Sonne und den Mond, ein grosses Li<strong>ch</strong>t verbreitend. Au<strong>ch</strong> sah i<strong>ch</strong> eine S<strong>ch</strong>lange mit einem Kranz, aber<br />

dieser ging s<strong>ch</strong>nell weg. Während <strong>der</strong> Versiegelung kam wie<strong>der</strong> die Sonne, und vieles Himmelsfeuer und Li<strong>ch</strong>t<br />

kam auf die Apostel nie<strong>der</strong>“ (KZ. 839). Man wird indessen, wenn diese „Gesi<strong>ch</strong>te“ auf ihre Glaubwürdigkeit<br />

geprüft werden sollen, zu einem ers<strong>ch</strong>ütternden Ergebnis kommen. Do<strong>ch</strong> das ist den „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“<br />

belanglos; genug, dass sie einen augens<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>en Beweis für die „Versiegelung“ bekommen, <strong>der</strong>, wenn au<strong>ch</strong><br />

suggestiv und spiritistis<strong>ch</strong>, den mangelnden S<strong>ch</strong>riftbeweis ersetzt.<br />

Der <strong>Aus</strong>druck „versiegeln“ ist im Neuen Testament weiter ni<strong>ch</strong>ts als ein Bild <strong>der</strong> Heilsgewissheit<br />

(Eph. 1, 13). Wie kostbar, wenn das Gotteskind seiner Seligkeit gewiss wird ! Dazu brau<strong>ch</strong>t es keine Hände<br />

auflegenden „Apostel“, son<strong>der</strong>n es wendet si<strong>ch</strong> an den HERRN selber.<br />

<strong>Aus</strong>serordentli<strong>ch</strong>e Geisteswirkungen sollen anlässli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> „Versiegelung“ dur<strong>ch</strong> das Händeauflegen<br />

<strong>der</strong> Apostel bewirkt werden auf Grund von Apg. 8, 14 – 17; 19, 1 – 6; 2. Tim. 1, 6. <strong>Aus</strong> diesen Stellen, wel<strong>ch</strong>e<br />

das Vorhandensein beson<strong>der</strong>er göttli<strong>ch</strong>er Gnadenkräfte bezeugen, ist jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu s<strong>ch</strong>liessen, dass jede<br />

Geisteswirkung von diesen Kräften begleitet sein müsse. Das war au<strong>ch</strong> bei Petrus ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Fall; denn die<br />

Geistesausgiessung im Hause des Kornelius ges<strong>ch</strong>ah ohne Handauflegung, s<strong>ch</strong>on während <strong>der</strong> Rede des Petrus<br />

(Apg. 10, 44). Wenn <strong>der</strong> Heilige Geist den Gläubigen bei ihrer Bekehrung gegeben wird (Apg. 1, 8; 10, 47; 19,<br />

2), dann ist es gegenstandslos, Ihn dur<strong>ch</strong> ein beson<strong>der</strong>es Sakrament zu verleihen.<br />

Wie son<strong>der</strong>bar die S<strong>ch</strong>riftauslegung <strong>der</strong> „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ ist, beweist ihre Feststellung, dass es in <strong>der</strong><br />

alten <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zwei Taufen gegeben habe. „Hebr. 6, 2 spri<strong>ch</strong>t ausdrückli<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Mehrzahl von Taufen“ (W.<br />

21). Dort steht jedo<strong>ch</strong> die Einzahl („baptizmon“; Luther: „von <strong>der</strong> Taufe“) !<br />

Eine Eigentümli<strong>ch</strong>keit <strong>der</strong> „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ ist die „Versiegelung“ bereits Verstorbener. „Ein<br />

jedes Mitglied <strong>der</strong> „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> kann es bezeugen, dass niemals <strong>der</strong> Person na<strong>ch</strong> Ents<strong>ch</strong>lafene<br />

„versiegelt“ werden. Man kann für seine lieben Heimgegangenen fürbittend eintreten; aber das Übrige liegt<br />

einzig und allein in des HERRN Hand“ (W. 23). Jedo<strong>ch</strong> diese Abs<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>ung än<strong>der</strong>t ni<strong>ch</strong>ts an <strong>der</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e, dass<br />

die „Totenversiegelung“ vorgenommen wird. Als Beweis dient 1. Kor. 15, 29, aus wel<strong>ch</strong>er Stelle si<strong>ch</strong> nur die<br />

antike, <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>riftfors<strong>ch</strong>ung na<strong>ch</strong> undur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tige Gepflogenheit damaliger Mens<strong>ch</strong>en ergibt, si<strong>ch</strong> „<strong>der</strong> Toten<br />

halber“ taufen zu lassen. Die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ ma<strong>ch</strong>en daraus eine Stellvertretung, und das gibt den<br />

S<strong>ch</strong>riftgrund ab für diese Irrlehre.<br />

Wie s<strong>ch</strong>on bei <strong>der</strong> „Weissagung“ vermerkt, so geht erst re<strong>ch</strong>t aus <strong>der</strong> für die „Totenversiegelung“<br />

angeführten Begründung hervor, dass die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ mit spiritistis<strong>ch</strong>en Kräften arbeiten. Nirgends<br />

gibt die Heilige S<strong>ch</strong>rift den Gläubigen die Anweisung, mit den Verstorbenen zu verkehren o<strong>der</strong> für sie zu beten.<br />

Dies wird aber den „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Gemeindeglie<strong>der</strong>n nahegelegt mit dem Erfolg, dass Satan Eingang<br />

gewinnt. S<strong>ch</strong>on aus diesem Grunde liegt die „Totenversiegelung“ ausser dem Berei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit.<br />

Die „Weissagung“ bildet einen Bestandteil jedes „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Gottesdienstes und wird mit<br />

Stellen wie Apg. 2, 17; 26, 24; 1. Kor. 12, 10; 14, 1; 1. Thess. 5, 20; Offb. 19, 10 belegt. Wenn die<br />

„Weissagung“ im „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Gottesdienst das wäre, was diese neutestamentli<strong>ch</strong>en Worte von <strong>der</strong><br />

Ur<strong>ch</strong>ristenheit bezeugen, dann könnten die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ re<strong>ch</strong>t haben, wenn sie aus dem Fehlen dieser<br />

Gnadengabe in <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> einen Vorzug für si<strong>ch</strong> ableiten. Aber die Handhabung <strong>der</strong> „Weissagung“ in den<br />

„neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Gottesdiensten ist nur eine jämmerli<strong>ch</strong>e Verkrüppelung ursprüngli<strong>ch</strong> vorhandener<br />

Gotteskräfte. Die „Weissagung“ wird von dazu bestimmten Personen, vorwiegend Frauen, in vorbereiteter<br />

Fassung aufgesagt.<br />

Zwei Beispiele sol<strong>ch</strong>er „Weissagung“: „Mein Apostel Ephraim (gemeint ist Krebs), siehe hier den Lohn<br />

deines und deiner Brü<strong>der</strong> Glaubens, das Werk deiner Hände Arbeit. Ist dies Volk do<strong>ch</strong> Erzeugnis meines Wortes<br />

in dir. Denn du bist Li<strong>ch</strong>t, Wahrheit und Leben (!). Habe i<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gema<strong>ch</strong>t zu einer Mutter, aus <strong>der</strong> dies<br />

Volk genommen hat das Leben und die Kraft ? Wahrli<strong>ch</strong>, freue di<strong>ch</strong>, Volk, dass <strong>der</strong> dreieinige Gott gekommen<br />

ist in das Fleis<strong>ch</strong> seines Apostels hier vor dir; denn siehe. I<strong>ch</strong> will diesen Tag krönen“ (KZ. 838). – „O dies ist<br />

das Wort des lebendigen Gottes, <strong>der</strong> zu eu<strong>ch</strong> redet dur<strong>ch</strong> Seinen Gesandten. Wahrli<strong>ch</strong>, dies ist Christus, <strong>der</strong> Fels,<br />

an dem si<strong>ch</strong> bre<strong>ch</strong>en und zers<strong>ch</strong>ellen werden die Geister und Meinungen dieser Welt“ (839). Au<strong>ch</strong> die<br />

Quellenmaterial Seite 57


„Weissagung“ ist weiter ni<strong>ch</strong>ts als eine verkappte Form massloser „Prophetenanhimmelung“, wie ein ausgetretener<br />

„Neuapostolis<strong>ch</strong>er“ den Apostelkultus bezei<strong>ch</strong>net hat.<br />

„Versiegelung“ und heiliges Abendmahl werden sogar den Kin<strong>der</strong>n gerei<strong>ch</strong>t mit <strong>der</strong> Begründung,<br />

dass man ihnen sol<strong>ch</strong>e Segnungen zu entziehen ni<strong>ch</strong>t bere<strong>ch</strong>tigt sei. Wird den „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ 1. Kor. 11, 28<br />

entgegengehalten, so sagen sie, „diese Stelle sei für die Erwa<strong>ch</strong>senen ges<strong>ch</strong>rieben“ (W. 24).<br />

Neben die S<strong>ch</strong>rift tritt das „Wort von heute“; d.h. <strong>der</strong> „Apostel“. „Darum a<strong>ch</strong>ten wir die Heiligen<br />

S<strong>ch</strong>riften gewiss ni<strong>ch</strong>t für gering. Aber sinkt darum ein a<strong>ch</strong>tenswerter Mann in meinen Augen, wenn i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

neben ihm no<strong>ch</strong> einen an<strong>der</strong>n für a<strong>ch</strong>tenswert halte ?“ (W. 28). Es wird zur Begründung dieser Lehre darauf<br />

hingewiesen, dass die ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Apostel s<strong>ch</strong>on beson<strong>der</strong>e Offenbarungen erhalten hätten, z.B. Herrenworte<br />

(Apg. 20, 23; 1. Thess. 4, 15). Dort aber steht: „Das sagen wir eu<strong>ch</strong> auf Grund eines Wortes des HERRN !“ Man<br />

wird da beson<strong>der</strong>e Überlieferungen vergebens su<strong>ch</strong>en, und Beweise dafür erübrigen si<strong>ch</strong>.<br />

„Da ist wohl die Frage erlaubt: Sind etwa die Mens<strong>ch</strong>en des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts infolge <strong>der</strong> kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Pflege und Innewohnung des Heiligen Geistes auf eine sol<strong>ch</strong>e Höhe <strong>der</strong> Jesusähnli<strong>ch</strong>keit und Erkenntnis des<br />

göttli<strong>ch</strong>en Willens gelangt, dass ihnen Gott direkt ni<strong>ch</strong>ts mehr zu sagen hat, son<strong>der</strong>n sie bloss in <strong>der</strong> Bibel lesen<br />

lassen kann ? Die Theologen aber verdammen Ihn in den fernen Himmel und verwehren es Ihm, si<strong>ch</strong> zu<br />

offenbaren, indem sie sagen: „Dies ist ni<strong>ch</strong>t mehr nötig; die Bibel, das Wort, das <strong>der</strong> HERR vor Jahrtausenden<br />

gespro<strong>ch</strong>en hat, genügt uns heute no<strong>ch</strong>“ (W. 27). Daraus geht nur hervor, dass die Bibel den „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“<br />

ni<strong>ch</strong>t genügt. Darum heisst es: „Wenn Dein Wort ni<strong>ch</strong>t mehr soll gelten, worauf soll <strong>der</strong> Glaube ruh’n ?“<br />

3. Gemeindeleben<br />

Der ausgestreute Unkrautsamen hat bittere Frü<strong>ch</strong>te gebra<strong>ch</strong>t. Von den Irvingianern haben si<strong>ch</strong> die<br />

Geyerianer und Krebsianer (die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>), von diesen aber wie<strong>der</strong> neue Bildungen wie das<br />

„Apostelamt Juda“, „Apostelamt Jakobus“ usw. abgespalten. Diese Spaltungen erfolgten unter Prügelszenen,<br />

gegenseitigen S<strong>ch</strong>mähs<strong>ch</strong>riften und weltli<strong>ch</strong>en Prozessen. Zuweilen bestehen in einer Stadt zwei o<strong>der</strong> drei<br />

si<strong>ch</strong> erbittert bekämpfende „apostolis<strong>ch</strong>e“ <strong>Sekten</strong>. Es gibt im ganzen se<strong>ch</strong>s abgefallene Apostel (Niemeyer,<br />

<strong>Aus</strong>tralien; Brückner, Sa<strong>ch</strong>sen; Ecke, S<strong>ch</strong>lesien; Klibbe, Kapland [Südafrika]; Zan<strong>der</strong>, Berlin; Franke, Bez.<br />

Brauns<strong>ch</strong>weig) sowie ungezählte abgefallene hohe und nie<strong>der</strong>e Ämter, mehrere Bis<strong>ch</strong>öfe, ja „Apostel a. D.“ und<br />

eine ganze Reihe von Spaltungen. Angesi<strong>ch</strong>ts dieser traurigen Tatsa<strong>ch</strong>e haben die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ wenig<br />

Veranlassung, si<strong>ch</strong> über die kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en „S<strong>ch</strong>mähs<strong>ch</strong>riftens<strong>ch</strong>reiber“ zu beklagen, wel<strong>ch</strong>e Artikel „voller<br />

Unwahrheiten, Bes<strong>ch</strong>impfungen, Verleumdungen und voll hetzeris<strong>ch</strong>en Giftes gegen die <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ (W.<br />

37) ges<strong>ch</strong>rieben haben sollen.<br />

Unter den zahlrei<strong>ch</strong>en „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Absplitterungen ist das „Apostelamt Juda“ erwähnenswert.<br />

Der Name entstammt Offb. 5, 5; 8, 1. Die Sekte entstand um die Jahrhun<strong>der</strong>twende auf Veranlassung<br />

des Stroms<strong>ch</strong>iffers, späteren Landwirts Julius Fis<strong>ch</strong>er in Zehdenik und Gransee, nordwestli<strong>ch</strong> Berlin (s. Petri<strong>ch</strong>,<br />

S. 130 – 131), <strong>der</strong> ein eigenes Bu<strong>ch</strong> „Wahrheitskunde“ herausgegeben hat. In ihr gibt es sogar 24 „Apostel“.<br />

Der „neuapostolis<strong>ch</strong>e“ Gottesdienst wird in einfa<strong>ch</strong>en Sälen, oft in Hinterhäusern gelegen, abgehalten.<br />

Neuerdings mehren si<strong>ch</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nbauten. Der einzige S<strong>ch</strong>muck bildet die Darstellung <strong>der</strong> „vier Charakterämter“.<br />

Apostel, Bis<strong>ch</strong>of, Ältester und Diener nehmen am Altar Platz, während die Gemeinde si<strong>ch</strong> erhebt. Ein Lied aus<br />

dem „neuapostolis<strong>ch</strong>en Gesangbu<strong>ch</strong>“ wird gesungen und ein Gebet gespro<strong>ch</strong>en. Der Chor singt gewöhnli<strong>ch</strong><br />

zweimal mit gutem <strong>Aus</strong>druck; au<strong>ch</strong> Kin<strong>der</strong><strong>ch</strong>öre treten auf. Die Predigt, wel<strong>ch</strong>er ein Bibelwort zugrunde liegt,<br />

bewegt si<strong>ch</strong> in freier Weise über den Text hinaus und enthält stets eine Anpreisung des „Apostelamtes“. Am<br />

S<strong>ch</strong>luss folgen die überstürzt und s<strong>ch</strong>rill gespro<strong>ch</strong>enen „Weissagungen“, die von dem Ältesten und <strong>der</strong><br />

Gemeinde mit „Amen“ beantwortet werden. Na<strong>ch</strong> dem S<strong>ch</strong>lusslied verlässt die Gemeinde ras<strong>ch</strong> und unförmli<strong>ch</strong><br />

den Raum. Abendmahlsfeiern finden sonntägli<strong>ch</strong> statt.<br />

Die Oberleitung hat in Deuts<strong>ch</strong>land das „Apostelkollegium“ in Leipzig, wo au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Verlag <strong>der</strong><br />

Halbmonatss<strong>ch</strong>rift „Wä<strong>ch</strong>terstimme aus Zion“, für die „neuapostolis<strong>ch</strong>en“ Gemeinden des In- und <strong>Aus</strong>landes,<br />

si<strong>ch</strong> befindet. In Veröffentli<strong>ch</strong>ungen befleissigen si<strong>ch</strong> die „<strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>“ in den letzten Jahren grosser<br />

Zurückhaltung, indem sie si<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>ränken auf Versammlungen und stille Werbearbeit namentli<strong>ch</strong> bei sol<strong>ch</strong>en,<br />

die aus irgendeinem Grunde <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> entfremdet sind. Dabei sind sie unabweisbar und von fanatis<strong>ch</strong>em Eifer.<br />

Ein Gebot des Zehnten gibt es ni<strong>ch</strong>t; do<strong>ch</strong> werden freiwillige Leistungen gefor<strong>der</strong>t, über <strong>der</strong>en parteili<strong>ch</strong>e<br />

Verwendung die Klagen ni<strong>ch</strong>t verstummen (<strong>der</strong> „Apostel“ verfügt uneinges<strong>ch</strong>ränkt darüber). Soziale Arbeit<br />

ist ni<strong>ch</strong>t nennenswert. Das Wa<strong>ch</strong>stum <strong>der</strong> Sekte ist bedeutend. Sie verfehlt ihre Wirkung auf seelis<strong>ch</strong> veranlagte,<br />

s<strong>ch</strong>wankende Gemüter ni<strong>ch</strong>t.<br />

Zusammenfassung: Die „neuapostolis<strong>ch</strong>e“ Sekte, wel<strong>ch</strong>e in <strong>der</strong> Christenheit neben den<br />

„Bibelfors<strong>ch</strong>ern“ [Zeugen Jehovas] die grösste Verwirrung anri<strong>ch</strong>tet, setzt Mens<strong>ch</strong>en, die sie fäls<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> als<br />

„Apostel“ bezei<strong>ch</strong>net, an die Stelle Christi und gibt denselben Verfügungsre<strong>ch</strong>t über Seelen und Güter <strong>der</strong><br />

Gläubigen. Entgegen <strong>der</strong> Heiligen S<strong>ch</strong>rift ma<strong>ch</strong>t sie die Seligkeit vom Empfang einer „Versiegelung“ abhängig,<br />

wel<strong>ch</strong>e sie zuglei<strong>ch</strong> mit dem heiligen Abendmahl au<strong>ch</strong> Kin<strong>der</strong>n verabrei<strong>ch</strong>t. Sie s<strong>ch</strong>reibt <strong>der</strong> Handauflegung <strong>der</strong><br />

„Apostel“ eine Geistesausgiessung zu, bringt eine Na<strong>ch</strong>ahmung <strong>der</strong> ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en „Weissagung“ hervor und<br />

Quellenmaterial Seite 58


stellt das „Wort von heute“ als<br />

glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigt neben die S<strong>ch</strong>rift. In ihrem Auftreten berückend und<br />

aufdringli<strong>ch</strong>, bildet die Sekte für S<strong>ch</strong>wankende, im Glauben Ungefestigte eine grosse Gefahr, vor <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t ernst<br />

genug gewarnt werden kann.<br />

Den fals<strong>ch</strong>en Aposteln alter und neuer Gattung sagt Gottes Wort:<br />

„So aber jemand an<strong>der</strong>s lehrt und b l e i b t n i c h t bei den heilsamen<br />

Worten unsres HERRN Jesu Christi, <strong>der</strong> ist aufgeblasen und weiss ni<strong>ch</strong>ts. ...<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die zerrüttete Sinne haben und <strong>der</strong> Wahrheit beraubt sind. ... Tue<br />

di<strong>ch</strong> von sol<strong>ch</strong>en !“ (1. Tim. 6, 3 – 5.)<br />

Literatur:<br />

W.: „Die Wahrheit über die <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>, eine Abwehr.“ Leipzig 1924<br />

Wä<strong>ch</strong>t.: „Wä<strong>ch</strong>terstimme aus Zion“ 1929, Nr. 7.<br />

KZ.: „Allg. Ev.-Luth. <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>nzeitung“, 1898, Nr. 35: „Eine Apostelwahl bei den Irvingianern.“<br />

D. Petri<strong>ch</strong>; „Unsere <strong>Sekten</strong>, Freikir<strong>ch</strong>en und Weltans<strong>ch</strong>auungsgesells<strong>ch</strong>aften“, Kranzverlag, Berlin SW.<br />

68, 1928.<br />

K. Handtmann: „Die Neuirvingianer“, Gütersloh, 1907.<br />

„Kelle und S<strong>ch</strong>wert“ Nr. 7, Bundesverlag, Witten (R.), 1928.<br />

S<strong>ch</strong>riftenreihe:<br />

Irrläufer frommer Sehnsü<strong>ch</strong>te und religiöser Leidens<strong>ch</strong>aften<br />

Heft 1<br />

Die Neu – Apostolis<strong>ch</strong>en<br />

unter dem Geri<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> Apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi<br />

von Lic. Dr. W. Geppert<br />

Sonnenweg – Verlag, Neuffen / Württemberg<br />

[ Eine S<strong>ch</strong>rift ohne Datumsangabe – wohl um 1952 ? ]<br />

In dieser S<strong>ch</strong>rift ers<strong>ch</strong>eint häufig das Wort „keck“ – es lässt si<strong>ch</strong> wohl am besten<br />

ums<strong>ch</strong>reiben mit dem Sinngehalt von „dreist“, „fre<strong>ch</strong>“, „unvers<strong>ch</strong>ämt“.<br />

Inhalt:<br />

Worum geht es ? Seite 1<br />

I. Flu<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Spaltungen<br />

1. Blitzli<strong>ch</strong>ter: Die „Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en“ heute:<br />

a) In den Worten kühn und keck Seite 2<br />

b) Die Helden <strong>der</strong> unbezahlten Arbeit und <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Liebe <strong>der</strong> Tat Seite 4<br />

2. <strong>Aus</strong> Spaltung, dur<strong>ch</strong> Spaltung, in Spaltung – und warum? Seite 7<br />

Quellenmaterial Seite 59


II. Das neu-apostolis<strong>ch</strong>e Spiel vor und hinter den Kulissen unter dem Geri<strong>ch</strong>t<br />

des göttli<strong>ch</strong>en Wortes<br />

1. Neue „Apostel“ Christi unter 2. Kor. 11, 12b – 13: „ ... dass sie rühmen mö<strong>ch</strong>ten,<br />

sie seien wie wir. Denn sol<strong>ch</strong>e fals<strong>ch</strong>e Apostel und trügli<strong>ch</strong>e Arbeiter verstellen<br />

si<strong>ch</strong> zu Christi Aposteln“<br />

a) Unter dem Geri<strong>ch</strong>t des göttli<strong>ch</strong>en Wortes Seite 14<br />

b) Kurzes Zwis<strong>ch</strong>enspiel über den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propaganda-Trick mit den<br />

unstudierten und daher ho<strong>ch</strong>gelobten Neu-Aposteln Seite 18<br />

2. Die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Hintergründe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Blick hinter die Kulissen Seite 22<br />

3. Der sogenannte Stammapostel unter 2. Kor. 11, 14: „Denn er selbst, <strong>der</strong> Satan,<br />

verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts !“ Seite 24<br />

4. Die neu-apostolis<strong>ch</strong>e „Versiegelung“ unter Matth. 12, 31: „Alle Sünde und<br />

Lästerung wird den Mens<strong>ch</strong>en vergeben. Aber die Lästerung wi<strong>der</strong> den Geist<br />

wird den Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t vergeben“ Seite 28<br />

5. Erneutes Zwis<strong>ch</strong>enspiel über die neu-apostolis<strong>ch</strong>e „Totenversiegelung“ Seite 34<br />

6. Allgemeiner Kehraus mit den übrigen neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propaganda-Tricks<br />

a) Wo sind eure neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propheten ? Seite 36<br />

b) Die kecke Rede: Jetzt ist die Endzeit ! Seite 37<br />

c) Irreführung Unwissen<strong>der</strong> mit dem Bü<strong>ch</strong>lein 4. Esra Seite 37<br />

d) Sie essen von unserem Tis<strong>ch</strong>. Ihr Vergelt’s Gott ! ist Spott und Hohn Seite 38<br />

Für Interessenten: Die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ecke Seite 39<br />

Worum geht es ?<br />

Was haben wir seit 1914 alles erlebt ?!: Krieg, Revolution, Bürgerkrieg, Inflation und bald wie<strong>der</strong><br />

Revolution und wie<strong>der</strong> Krieg, dann Sta<strong>ch</strong>eldraht und s<strong>ch</strong>on wie<strong>der</strong> Inflation und immer wie<strong>der</strong> Hunger, Hunger,<br />

Hunger !<br />

Aber no<strong>ch</strong> etwas Beson<strong>der</strong>es haben gerade wir Deuts<strong>ch</strong>en erlebt: Eine fur<strong>ch</strong>tbare Verwirrung <strong>der</strong><br />

Geister. Ein Heilsapostel na<strong>ch</strong> dem an<strong>der</strong>en trat auf. Je<strong>der</strong> hatte ein neues Rezept, na<strong>ch</strong> dem er uns endli<strong>ch</strong>,<br />

endli<strong>ch</strong> glückli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en wollte. In Wirkli<strong>ch</strong>keit wurde das Dur<strong>ch</strong>einan<strong>der</strong> nur grösser.<br />

Da aber trat allmähli<strong>ch</strong> eine S<strong>ch</strong>eidung <strong>der</strong> Geister auf den Plan. Im Geheimen und nur für das s<strong>ch</strong>arfe<br />

Beoba<strong>ch</strong>terauge erkennbar bildeten si<strong>ch</strong> drei Gruppen:<br />

Die erste Gruppe waren und sind die Leute, die jedem neuen Apostel na<strong>ch</strong>laufen, <strong>der</strong> ihnen Neuigkeiten<br />

anbietet. Politis<strong>ch</strong> und religiös lassen sie si<strong>ch</strong> von jedem neuen Apostel begeistern, wenn er nur gut spre<strong>ch</strong>en<br />

kann. So springen sie au<strong>ch</strong> zu jedem neuen Heilsapostel voll wirrer Sehnsu<strong>ch</strong>t und Begier, bis sie si<strong>ch</strong> zuletzt in<br />

ihrem kleinen und zerquälten Gehirn ni<strong>ch</strong>t mehr zure<strong>ch</strong>tfinden und si<strong>ch</strong> endli<strong>ch</strong> irgendwo, bei irgend einem<br />

dieser neuen Heilsapostel ans<strong>ch</strong>liessen.<br />

Die zweite Gruppe sind die Leute, die si<strong>ch</strong> für ni<strong>ch</strong>ts mehr interessieren. Na<strong>ch</strong> dem Zusammenbru<strong>ch</strong><br />

[Anmerkung: Ende 2. Weltkrieg] sagten sie si<strong>ch</strong> kurz und klar: „Wir wurden von allen Seiten angelogen und<br />

betrogen. Jedes gespro<strong>ch</strong>ene, jedes ges<strong>ch</strong>riebene Wort, es ist alles S<strong>ch</strong>windel. Nur no<strong>ch</strong> Betrug und<br />

Geldma<strong>ch</strong>erei gibt es in <strong>der</strong> Welt. Jetzt alles ohne mi<strong>ch</strong>. Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot,<br />

S<strong>ch</strong>luss, Punkt, Streusand drauf !“<br />

Die dritte Gruppe aber waren und sind diejenigen Leute, die si<strong>ch</strong> in den verwirrten Zeiten ihren kühlen<br />

Kopf und eine ruhige Überlegung bewahrt haben. Sie lassen si<strong>ch</strong> von keinem S<strong>ch</strong>lauberger und Neu-S<strong>ch</strong>wätzer<br />

fangen. In ihrem Kopf herrs<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t Wirrwarr, son<strong>der</strong>n Ordnung. Sie sind we<strong>der</strong> lei<strong>ch</strong>tgläubig, no<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>nellgläubig, no<strong>ch</strong> ungläubig. 1945 waren sie die kleinste Gruppe. Allmähli<strong>ch</strong> ist ihre Zahl gewa<strong>ch</strong>sen. Sie<br />

sind niemals s<strong>ch</strong>nell begeistert. Sobald sie die Mehrheit haben, wird es in <strong>der</strong> Welt ruhiger. Dann legen si<strong>ch</strong> die<br />

geistigen Stürme und Staubwolken, und die Konjunkturritter, die bei den s<strong>ch</strong>nell Beeinflussbaren und<br />

Sensationslüsternen aus dem Wirrwarr <strong>der</strong> Geister kräftig profitieren, ma<strong>ch</strong>en immer s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tere Ges<strong>ch</strong>äfte.<br />

An diese Mens<strong>ch</strong>en mit dem kühlen Kopf, die denken können und den Sa<strong>ch</strong>en immer energis<strong>ch</strong> auf den<br />

Grund gehen, wenden si<strong>ch</strong> die folgenden Kapitel. Dass si<strong>ch</strong> diese Zahl gewaltig vermehre und die Geister des<br />

Wirrwarrs endli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>winden, ist das hohe Ziel. In diesen Kapiteln wird sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> und völlig unbeeindruckt<br />

von allem religiösen Ges<strong>ch</strong>wätz geurteilt. Hier werden Tarnungen beseitigt, hier werden täus<strong>ch</strong>ende Kulissen<br />

beiseite ges<strong>ch</strong>oben, und es wird hier hinter die Kulissen ges<strong>ch</strong>aut. Hier werden fa<strong>ch</strong>männis<strong>ch</strong> Verkleidungen<br />

abmontiert. Hier wird grundsätzli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gefragt: Was erzählen diese o<strong>der</strong> jene Leute da ?, son<strong>der</strong>n: Was steckt<br />

dahinter ? Hier gilt es ni<strong>ch</strong>t: Was reden sie ?, son<strong>der</strong>n was meinen sie mit ihrem Gerede ? Worum geht es<br />

ihnen? Mit wel<strong>ch</strong>en Tricks arbeiten sie o<strong>der</strong> ihre Oberführer. Mit s<strong>ch</strong>arfem Beoba<strong>ch</strong>terauge und mit s<strong>ch</strong>arfem<br />

Verstand wollen wir hier hinter s<strong>ch</strong>önen Worten die nackten Tatsa<strong>ch</strong>en, hinter religiösen Kulissen die<br />

Quellenmaterial Seite 60


unges<strong>ch</strong>minkte Wirkli<strong>ch</strong>keit und hinter frommer religiöser Tarnung die eiskalte Wahrheit aufspüren. Denn wir<br />

sind mit allen ruhig, klar und nü<strong>ch</strong>tern denkenden Mens<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Überzeugung: Allein die Wahrheit wird uns frei<br />

ma<strong>ch</strong>en.<br />

I. Flu<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Spaltungen<br />

1. Blitzli<strong>ch</strong>ter: Die „Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en“ heute<br />

a) In den Worten kühn und keck<br />

Es geht hier, kurz gesagt, um die einfa<strong>ch</strong>e und nü<strong>ch</strong>terne, aber ganz ents<strong>ch</strong>iedene Aufklärung über jenen<br />

S<strong>ch</strong>warm von Geistern, die die verwirrten Zeiten mit Zusammenbru<strong>ch</strong>, Inflation, Kriegsgefahr und allgemeiner<br />

Lebensangst als ihre beste Ges<strong>ch</strong>äftszeit loben. Ihre beste Kunds<strong>ch</strong>aft sind die vielen s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en, s<strong>ch</strong>wankenden,<br />

lei<strong>ch</strong>t beeinflussbaren und s<strong>ch</strong>nell zu überzeugenden Mens<strong>ch</strong>en, die allzugern glauben, was sie wüns<strong>ch</strong>en und<br />

herbeisehnen, die na<strong>ch</strong> einem inneren Halt su<strong>ch</strong>en und die si<strong>ch</strong> lei<strong>ch</strong>t fangen lassen, weil jener S<strong>ch</strong>warm von<br />

Geistern sehr ges<strong>ch</strong>ickt, sehr s<strong>ch</strong>lau, sehr selbstbewusst und bestimmt auftritt, mit s<strong>ch</strong>önen, frommen, mit<br />

heiligen und zu Herzen gehenden Worten, triefend von religiösem Fett, dazu mit kühnen Verspre<strong>ch</strong>ungen und<br />

mit kecken Behauptungen, getreu dem altbekannten Trick: Keckheit siegt. So etwas ma<strong>ch</strong>t bei bestimmten<br />

Leuten immer Eindruck, insbeson<strong>der</strong>e bei denen mit geistigem S<strong>ch</strong>iffbru<strong>ch</strong>. Da hat man seinen Führer, da kann<br />

man etwas Neues glauben, da hat man was, da folgt man gern.<br />

Wir nennen diesen S<strong>ch</strong>warm von Geistern hier kurz und bündig „<strong>Sekten</strong>“, zu deuts<strong>ch</strong>: „Spaltungen“.<br />

Über das Wort wollen wir ni<strong>ch</strong>t streiten. Wir wissen keinen besseren Namen und sagen halt: <strong>Sekten</strong>.<br />

Ihre Zahl geht in die Hun<strong>der</strong>te. 1945 witterten sie alle Morgenluft. Wie ein amerikanis<strong>ch</strong>er Professor<br />

dem Verfasser Sommer 1948 beri<strong>ch</strong>tet hat, sollen glei<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Zusammenbru<strong>ch</strong> 1945 über 900 vers<strong>ch</strong>iedene<br />

<strong>Sekten</strong> ihre Zulassung beantragt haben. Eine s<strong>ch</strong>aurige Zahl, ein s<strong>ch</strong>auriger Beweis, dass diese wirren Geister in<br />

<strong>der</strong> Zeit unserer grössten Not Morgenluft witterten und auf gute Konjunktur, auf flotten Ges<strong>ch</strong>äftsgang<br />

re<strong>ch</strong>neten. Si<strong>ch</strong>er bestand man<strong>ch</strong>e dieser <strong>Sekten</strong> nur aus einer Handvoll neuer religiöser „Apostel“ mit<br />

S<strong>ch</strong>reibtis<strong>ch</strong>, Stuhl und einem Posten religiöser Flugblätter. An<strong>der</strong>e waren grösser und man<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>on Jahrzehnte<br />

in kleinem Rahmen tätig. Jetzt, na<strong>ch</strong> dem Zusammenbru<strong>ch</strong> witterten sie Morgenluft und wollten ganz gross<br />

herauskommen. „Armes Vaterland“ mö<strong>ch</strong>te man sagen, wenn man an diese geistige Lauge denkt, die uns<br />

überspülen sollte und tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> fort und fort anspritzt. Spaltung über Spaltung. Mehr kann man ni<strong>ch</strong>t<br />

sagen. Si<strong>ch</strong>er wird je<strong>der</strong> Leser dieser Zeilen in seinem Bekannten- o<strong>der</strong> Verwandtenkreise jemand wissen, <strong>der</strong> zu<br />

einer dieser <strong>Sekten</strong> hingeht und dort die Spaltung und Verwirrung vergrössern hilft. Viellei<strong>ch</strong>t gehörst du selbst,<br />

lieber Leser, zu einer sol<strong>ch</strong>en Gruppe. Sei ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> böse, ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> beleidigt, weil wir Sekte sagen. Das<br />

Wort heisst „Spaltung“, „Abtrennung“, ni<strong>ch</strong>t weniger und ni<strong>ch</strong>t mehr. Und dann no<strong>ch</strong> eins: Halte hier stand !<br />

Wir wollen hier die Wahrheit ergründen und die nackte, unges<strong>ch</strong>minkte Wirkli<strong>ch</strong>keit zeigen. Fliehst du hier, ist<br />

bei dir gewiss etwas krank. Du hast Fur<strong>ch</strong>t, dass es an den Tag kommt, wie es wohl Patienten gibt, die vor dem<br />

Arzt fliehen, weil sie die Wahrheit über ihre Krankheit für<strong>ch</strong>ten o<strong>der</strong> gar ni<strong>ch</strong>t hören wollen, dass sie überhaupt<br />

krank sind.<br />

Um die <strong>Sekten</strong> geht es hier. Aber ni<strong>ch</strong>t um alle auf einmal. Das wäre zuviel des Guten, und wir könnten<br />

die Wahrheit über jede einzelne ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>arf und klar genug ans Tagesli<strong>ch</strong>t stellen. Der Reihe na<strong>ch</strong> sollen alle an<br />

die Reihe kommen und auf Herz und Nieren geprüft werden. Heute geht es um die Sekte, die si<strong>ch</strong> selbst<br />

„neuapostolis<strong>ch</strong>“ s<strong>ch</strong>reibt, hier aber „neu-apostolis<strong>ch</strong>“ ges<strong>ch</strong>rieben wird, damit au<strong>ch</strong> das Auge sofort klar sieht,<br />

es geht um eine neue Sa<strong>ch</strong>e bei ihr. Dass sie als erste an die Reihe kommt, bedeutet keine Bevorzugung und<br />

keinen Ruhm. Ni<strong>ch</strong>ts davon. Einer muss ja den Anfang ma<strong>ch</strong>en. <strong>Aus</strong> Spaltungen sind sie geboren und in<br />

Spaltungen haben sie geführt. Do<strong>ch</strong> darüber später Genaues.<br />

Diese Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en wurden in <strong>der</strong> Zeit des Nie<strong>der</strong>ganges und Zusammenbru<strong>ch</strong>s, in <strong>der</strong> Zeit<br />

grosser geistiger Verwirrung und allgemeiner Lebensangst na<strong>ch</strong> 1945 rege wie die Ameisen im Frühling. Mit<br />

kecken und kühnen religiösen Behauptungen von si<strong>ch</strong> selbst und mit einem künstli<strong>ch</strong> aufgebaus<strong>ch</strong>ten<br />

Selbstbewusstsein su<strong>ch</strong>en sie die Mens<strong>ch</strong>en zu gewinnen, die innerli<strong>ch</strong> ohne Halt sind, na<strong>ch</strong> einer festen Hand<br />

su<strong>ch</strong>en und Ohr und Herz weit offen haben für dreiste Verspre<strong>ch</strong>ungen, die den Himmel garantieren und arme,<br />

geängstigte Seelen über Lebens- und Sterbensangst keck und kühn, aber trügli<strong>ch</strong> und seelenmordend<br />

hinwegbalancieren lassen sollen. Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en markieren die Si<strong>ch</strong>eren <strong>der</strong> Ewigkeit Gottes, die Leute<br />

mit dem inflationsfreien Versi<strong>ch</strong>erungss<strong>ch</strong>ein für den Na<strong>ch</strong>todesfall, die allein Erwählten des Himmels, die<br />

alleinige Braut Christi. Ihr erstes und bestes Jagdwild sind die Leute mit dem geistigen S<strong>ch</strong>iffbru<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>lau<br />

angepackt und kühn und keck gesagt, was jene armen Mens<strong>ch</strong>en gern hören wollen, gibt es wohl man<strong>ch</strong>mal eine<br />

gute Strecke und ein kräftiges religiöses Waidmanns Heil.<br />

Aber hier muss glei<strong>ch</strong> Folgendes ganz klar ausgespro<strong>ch</strong>en werden: Diese Zeilen wenden si<strong>ch</strong> niemals<br />

gegen jene s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten, stillen, treuen und gutgläubigen Leute, die jener neu-apostolis<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>e ohne Arg und<br />

als ho<strong>ch</strong>anständige Mens<strong>ch</strong>en mit einem guten Herzen anhängen. Sie wollen für si<strong>ch</strong> das Beste. Sie denken, dass<br />

sie bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> den Himmel am nä<strong>ch</strong>sten, ja des Himmels si<strong>ch</strong>er sind, wenn sie den<br />

Herrn Sowieso für einen wahrhaften Apostel Christi und seinen Kollegen sogar für den Stammapostel Gottes<br />

Quellenmaterial Seite 61


halten, für den Jesus Christus im Fleis<strong>ch</strong>e dieser Gestalten und den si<strong>ch</strong>eren Führer zur ewigen Seligkeit. Jene<br />

treu-vertrauensseligen, ho<strong>ch</strong>anständigen und sehr sehr gutgläubigen Leute werden au<strong>ch</strong> sofort sagen: „Ja, alles<br />

ganz gut und s<strong>ch</strong>ön. Aber i<strong>ch</strong> weiss bloss dies Eine: I<strong>ch</strong> fühle mi<strong>ch</strong> bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en glückli<strong>ch</strong>. Man<br />

hat es mir immer und immer wie<strong>der</strong> gesagt: „Du gehörst zu den 144'000 Erlösten, zu <strong>der</strong> ersten Brautgemeinde<br />

Christi, die mit Jesus in das Brautgema<strong>ch</strong> gehen wird, während die an<strong>der</strong>en draussen stehen müssen, die ni<strong>ch</strong>t<br />

bei den Neu-Aposteln sind. Du hast dur<strong>ch</strong> den Herrn Sowieso, deinen lieben Apostel Gottes, den Gottgesandten<br />

und Führer zur ewigen Seligkeit, den heiligen Geist eigenhändig erhalten. Du bist versiegelt. So hast du<br />

Garantie. Du hast hier deinen si<strong>ch</strong>eren Vorteil für den Himmel. Ja das gefällt mir, und das glaube i<strong>ch</strong>.“<br />

Nun, wir wollen diesen Anhängern <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en in den folgenden Kapiteln erläutern, wie es<br />

gekommen ist, dass sie sol<strong>ch</strong>e Ansi<strong>ch</strong>ten von dem Herrn Sowieso als dem gottegsandten Führer zur ewigen<br />

Seligkeit und von den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Himmelsgarantien haben. Wir wollen ihnen ihren eigenen seelis<strong>ch</strong>en<br />

Zustand erläutern. Was wir hier aufdecken wollen, nennt man die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Hintergründe. Allerlei<br />

Kunstgriffe <strong>der</strong> <strong>Sekten</strong>-Apostel werden dabei ans Tagesli<strong>ch</strong>t kommen, so dass <strong>der</strong> Leser staunen wird.<br />

Aber wir meinen, dass zwis<strong>ch</strong>en den s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten, gutgläubigen und treuen Gefolgsleuten und den hohen<br />

Herren <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> als Gottes und Christi neue Apostel mit dem Range eines Apostels<br />

Johannes, Petrus, und Paulus ausgeben, als Männer voll heiligen Geistes, als beglückende Führer zur ewigen<br />

Seligkeit, als Herren mit Ma<strong>ch</strong>t bis in das Totenrei<strong>ch</strong> hinein, - wir meinen, dass zwis<strong>ch</strong>en jenen und diesen ein<br />

gewaltiger Unters<strong>ch</strong>ied besteht. Dass diese si<strong>ch</strong> so hohen Ranges dünkenden Mens<strong>ch</strong>en im bürgerli<strong>ch</strong>en Leben<br />

ho<strong>ch</strong>anständige Staatsbürger sind, wollen wir ni<strong>ch</strong>t eine Sekunde bezweifeln. Was aber <strong>der</strong> ganzen Sa<strong>ch</strong>e<br />

zugrunde liegt, warum diese hohen Herren mit göttli<strong>ch</strong>em Rang aus eigener „Überzeugung“ zu argen Frevlern an<br />

<strong>der</strong> Seele frommer und gutgläubiger Mens<strong>ch</strong>en werden, an <strong>der</strong> Seele alter und junger Frauen und Männer, <strong>der</strong><br />

Mäd<strong>ch</strong>en und Buben ihres Kreises, das wollen wir hier zeigen. Viellei<strong>ch</strong>t wird es man<strong>ch</strong>en wie S<strong>ch</strong>uppen von<br />

den Augen fallen, wenn sie ni<strong>ch</strong>t vor <strong>der</strong> Wahrheit Angst haben, und sie werden tief ers<strong>ch</strong>recken. Wer mit<br />

fanatisierten Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en zusammenkommt und mit ihnen über Glaubenssa<strong>ch</strong>en spri<strong>ch</strong>t, merkt sofort:<br />

Diese Leute haben ein ganz gewaltiges Stück Selbstbewusstsein. Kühn und keck und immer wie<strong>der</strong> behaupten<br />

sie: „Ja, wir sind die Erwählten Gottes, wir sind die 144'000 Erlösten. Wir stehen in <strong>der</strong> Endzeit und werden die<br />

Ersten sein. Wir haben den heiligen Geist. Wir sind die Brautgemeinde. Wir haben ri<strong>ch</strong>tige Apostel wie <strong>der</strong><br />

Johannes und <strong>der</strong> Petrus ri<strong>ch</strong>tige Apostel Gottes waren.“ Und <strong>der</strong> einzelne sagt von si<strong>ch</strong>: „I<strong>ch</strong> habe den heiligen<br />

Geist seit dem – na sagen wir: seit dem 12. Februar 1946 –, ja ganz gewiss, i<strong>ch</strong> habe ihn, damals wurde i<strong>ch</strong><br />

„versiegelt“, und mein Apostel, <strong>der</strong> Herr Sowieso, kann den heiligen Geist austeilen, er hat ihn zum <strong>Aus</strong>teilen<br />

erhalten, und er hat ihn au<strong>ch</strong> an mi<strong>ch</strong> ausgeteilt. Ja, ganz bestimmt, i<strong>ch</strong> spüre es au<strong>ch</strong> an mir, dass i<strong>ch</strong> ihn habe,<br />

seit dem 12. Februar 1946. Ja, ja, so sind wir. Aber es dauert gar ni<strong>ch</strong>t mehr lange, da werdet ihr sehen, dass wir<br />

re<strong>ch</strong>t haben. Der Stammapostel hat es gesagt. Denn dann kommt Christus, und wir werden die Ersten sein, die<br />

als die Braut in den Ho<strong>ch</strong>zeitssaal gehen.“ Wenn man das alles so mitanhört, muss man in <strong>der</strong> Tat sagen: „Ein<br />

kolossales Selbstbewusstsein.“<br />

Aber hier beginnen si<strong>ch</strong> bereits die ersten S<strong>ch</strong>leier zu lüften. Wir stellen fest, dass es mit diesem<br />

auffälligen Selbstbewusstsein bei allen <strong>Sekten</strong> genau das Glei<strong>ch</strong>e ist. Spri<strong>ch</strong>t man etwa mit einem sogenannten<br />

Ernsten Bibelfors<strong>ch</strong>er [Anmerkung: Zeuge Jehovas], geht es immer wie<strong>der</strong> aus seinem Munde: „Wir sind die<br />

144'000 Erwählten. Wir sind die Brautgemeinde. Wir werden als die Ersten in den Ho<strong>ch</strong>zeitssaal gehen, nein,<br />

ni<strong>ch</strong>t als Erste, son<strong>der</strong>n als Einzige. Wir wissen: „Jetzt ist Endzeit. Jesus kommt bestimmt in allernä<strong>ch</strong>ster Zeit.<br />

Dann werdet ihr sehen, dass wir re<strong>ch</strong>t hatten.“ – Und s<strong>ch</strong>on löst si<strong>ch</strong> ein S<strong>ch</strong>leier über dem Geheimnis und fällt<br />

zur Erde. Wir merken, hier muss eine Art seelis<strong>ch</strong>er Trick dahinter stecken. Der s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te, gutgläubige Anhänger<br />

merkt ihn sowenig, wie <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>te, gutgläubige Zeitungsleser die Propagandatricks merkt, die ihn dorthin<br />

steuern, wohin man ihn bringen will. Aber jener religiöse Trick ist ganz dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tig. Die Anhänger werden<br />

daraufhin ges<strong>ch</strong>ult, ihren religiösen Vorteil s<strong>ch</strong>arf im Auge zu behalten und ein künstli<strong>ch</strong> stark aufgebaus<strong>ch</strong>tes<br />

Selbstbewusstsein als ihren Glaubensgrund zu betra<strong>ch</strong>ten. Dadur<strong>ch</strong> werden sie hartnäckig gema<strong>ch</strong>t. Sie halten<br />

starr an diesem Selbstbewusstsein fest. An<strong>der</strong>s würde ihnen <strong>der</strong> Boden unter den Füssen entgleiten. Also, um<br />

einen seelis<strong>ch</strong>en Trick handelt es si<strong>ch</strong> hier und um Leute, die auf diesem Gebiet anfällig sind. Im zweiten Teil<br />

wird dies eingehend na<strong>ch</strong>gewiesen.<br />

b) Die Helden <strong>der</strong> unbezahlten Arbeit und die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Liebe <strong>der</strong> Tat<br />

Au<strong>ch</strong> in man<strong>ch</strong>en an<strong>der</strong>en Zügen ähneln die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en sehr stark den sogenannten Ernsten<br />

Bibelfors<strong>ch</strong>ern. Wie diese haben sie in ihrer Anfangszeit kräftig auf die Leute eingeredet: „Bei uns bekommen<br />

die Apostel Gottes und <strong>der</strong> Stammapostel kein Geld für ihre Arbeit. Aber den Pfarrern in den <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n wird <strong>der</strong><br />

Lebensunterhalt gezahlt.“ Es war dies eine gewaltige Propaganda. Immer und immer wie<strong>der</strong> dieselbe Litanei:<br />

„Bei und sind die Leiter <strong>der</strong> ganzen Sa<strong>ch</strong>e grosse Idealisten. Alles freiwillig, alles umsonst.“ Jene Helden <strong>der</strong><br />

unbezahlten Arbeit sollten in einem glänzenden Li<strong>ch</strong>t dastehen. Darauf kam es an. Die einfa<strong>ch</strong>en Leute sollten<br />

mit dem „Glaubensfinger“ auf ihre Neu-Apostel Gottes zeigen und spre<strong>ch</strong>en: „Seht da, unser Apostel, unser<br />

Führer zur ewigen Seligkeit, unser Spen<strong>der</strong> des heiligen Geistes, unser Christus im Fleis<strong>ch</strong>, alles tut er umsonst,<br />

Quellenmaterial Seite 62


nur für uns ! Wie begeistert muss er sein. Ja, er hat bestimmt den heiligen Geist. Er hat göttli<strong>ch</strong>e Gaben. Er führt<br />

mi<strong>ch</strong> zur Seligkeit.“<br />

Aber, aber, bald kam das dicke Ende na<strong>ch</strong>. Jetzt ist jene Propaganda unauffällig abgeblasen. Nur in <strong>der</strong><br />

Flüsterpropaganda lebt sie no<strong>ch</strong> und wird emsig betrieben. Man kann si<strong>ch</strong> kaum eines Lä<strong>ch</strong>elns erwehren. Ganz<br />

unwillkürli<strong>ch</strong> muss man an den grossen Propaganda-Künstler Goebbels denken. Wie s<strong>ch</strong>ön konnte dieser von<br />

dem Idealismus seiner Leute spre<strong>ch</strong>en. Da sagten lei<strong>ch</strong>tgläubige Mens<strong>ch</strong>en: „Seht, das sind Idealisten ! Alles<br />

umsonst, was sie leisten.“ Aber dann kam es ganz an<strong>der</strong>s. Propaganda war alles und immer so, wie es gerade im<br />

Augenblick am besten passte. Das geht au<strong>ch</strong> ganz gut. Denn die meisten Mens<strong>ch</strong>en haben ein kurzes Gedä<strong>ch</strong>tnis.<br />

Wir wollen hier gewiss ni<strong>ch</strong>t kleinli<strong>ch</strong> sein. Aber es wirkt do<strong>ch</strong> eigenartig, wenn man Propaganda und<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit verglei<strong>ch</strong>t. Jene da<strong>ch</strong>ten und denken an das kurze Gedä<strong>ch</strong>tnis <strong>der</strong> Leute. Wir denken an die kurzen<br />

Beine <strong>der</strong> Lügen. Was soll man, um ein Beispiel zu nennen, dazu sagen ?: In <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Zeits<strong>ch</strong>rift<br />

„UNSERE FAMILIE“ 1950 kommen ungefähr in je<strong>der</strong> Nummer ganze Bil<strong>der</strong>reihen von sogenannten neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Massenkundgebungen. Das heisst: Man hat alle Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en aus grossen Bezirken<br />

Deuts<strong>ch</strong>lands immer jeweils an einen Ort zusammengerufen. Dort sollten sie ihren geliebten Führer zur<br />

Seligkeit, den Stammapostel und Gesandten Gottes <strong>der</strong> Endzeit sehen und spre<strong>ch</strong>en hören und von ihm<br />

persönli<strong>ch</strong> Vergebung <strong>der</strong> Sünden empfangen. Nun kamen die braven Anhänger mit <strong>der</strong> Eisenbahn, auf<br />

Fahrrä<strong>der</strong>n, sehr viele natürli<strong>ch</strong> zu Fuss. Aber die Apostel Gottes kamen Mann für Mann in eigenen Autos<br />

elegant daher. Jetzt hört man amtli<strong>ch</strong> keinen Ton mehr von den Idealisten, die nur von ihrem privaten Beruf<br />

leben und alles umsonst tun. In eigenen Limousinen starteten sie au<strong>ch</strong> samt und son<strong>der</strong>s zu einer Fahrt na<strong>ch</strong><br />

Holland (S. „UNSERE FAMILIE“ 1950. Nr. 17. S. 388). Wir wollen, wie gesagt, ni<strong>ch</strong>t kleinli<strong>ch</strong> sein. Aber es<br />

wirkt empörend, wenn man entdeckt: Die Propaganda von gestern ist die Lüge von heute. Idealisten, Helden<br />

unbezahlter Arbeit ? Sie sind in den §§ 6 bis 8 <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Satzungen über die Gehälter und Pensionen<br />

für die hauptamtli<strong>ch</strong>en „Apostel“ und den „Stammapostel“ vers<strong>ch</strong>wunden, dem zudem ausdrückli<strong>ch</strong> „ein<br />

seiner Stellung entspre<strong>ch</strong>endes Gehalt“ na<strong>ch</strong> § 6 zusteht. Man behält einen bitteren Na<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>mack auf <strong>der</strong><br />

Zunge und kann si<strong>ch</strong> eines stillen Lä<strong>ch</strong>elns über jene Propaganda-S<strong>ch</strong>läue ni<strong>ch</strong>t erwehren. Und man muss wie<strong>der</strong><br />

an den Propaganda-Künstler Goebbels denken. Aber hier interessiert uns ein ganz an<strong>der</strong>er Punkt. Wir haben hier<br />

einige Fragen zu stellen:<br />

Wo sind denn bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en öffentli<strong>ch</strong>e Werke <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Nä<strong>ch</strong>stenliebe ? An Geld<br />

würde es do<strong>ch</strong> augens<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t fehlen. Es kamen so viele Heimkehrer aus Russland und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n.<br />

Es gab und gibt soviel Elend bei den Flü<strong>ch</strong>tlingen, bei den körperli<strong>ch</strong> Elenden und den halben Kräften. Das<br />

öffentli<strong>ch</strong>e <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Liebeswerk <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en und katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> hat je für si<strong>ch</strong> diesen Armen zu<br />

Tausenden geholfen. Die Kameraden, die aus dem Sta<strong>ch</strong>eldraht kamen und diese Hilfe am eigenen Leibe<br />

erfahren haben, wissen Bes<strong>ch</strong>eid. Und ni<strong>ch</strong>t allein sie selbst, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> ihre Mütter, Väter, Frauen und<br />

Kin<strong>der</strong>. Wo ist hier <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>e Beitrag zu <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Liebe <strong>der</strong> Tat im grossen Stil und ohne<br />

Propaganda-Absi<strong>ch</strong>ten ? Wo ist hier das neu-apostolis<strong>ch</strong>e Werk <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Nä<strong>ch</strong>stenliebe ? Antwort ? –<br />

Fehlanzeige.<br />

O<strong>der</strong> die Hilfe für die Flü<strong>ch</strong>tlinge, für die vielen, vielen, die alles verloren haben und leben wollen und<br />

leben müssen. O<strong>der</strong> die Hilfe für die Krüppel, für Blinde, Erblindete und Blindgeborene, o<strong>der</strong> die Hilfe für<br />

Epileptiker, für arbeitsbehin<strong>der</strong>te Mens<strong>ch</strong>en, für die sogenannten halben Kräfte, die alle na<strong>ch</strong> dem Werk<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Liebe einen jeden Christen rufen. Die evangelis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> hat wie ihre katholis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wester ein<br />

grossartiges Werk <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Nä<strong>ch</strong>stenliebe aufgebaut. <strong>Aus</strong> den Pfennigen und Markstücken, die die<br />

evangelis<strong>ch</strong>en Christen in ihren <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>ngemeinden opfern, wird ein grossartiges Werk <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Nä<strong>ch</strong>stenliebe<br />

an heimatlosen, kranken und armen Heimkehrern, an Krüppeln und Blinden, an Epileptikern und Behin<strong>der</strong>ten in<br />

ganz Deuts<strong>ch</strong>land getan. Das katholis<strong>ch</strong>e Werk heisst Caritas, das evangelis<strong>ch</strong>e Werk heisst Innere Mission. Wer<br />

kennt ni<strong>ch</strong>t den Engel vieler vieler Elenden und Armen, den Vater Bodels<strong>ch</strong>wingh. Er hielt si<strong>ch</strong> freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t für<br />

einen Führer zur ewigen Seligkeit, son<strong>der</strong>n für einen ganz armen Sün<strong>der</strong> vor Gott, dem Herrn. Er hielt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

für einen Besitzer des heiligen Geistes, son<strong>der</strong>n für einen tägli<strong>ch</strong>en Bettler um den heiligen Geist. Au<strong>ch</strong> hielt er<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t für Christi Apostel neuer Art, son<strong>der</strong>n für einen ganz kleinen S<strong>ch</strong>üler <strong>der</strong> allein wahren Apostel<br />

Christi, <strong>der</strong>en Wort und Geist wie in <strong>der</strong> ganzen <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, so au<strong>ch</strong> und beson<strong>der</strong>s bei ihm lebendig und kräftig war<br />

und ni<strong>ch</strong>t tot und ersatzbedürftig dur<strong>ch</strong> sogenannte lebendige Neu-Apostel. In diesem grossen Werk <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er<br />

Nä<strong>ch</strong>stenliebe werden die Geldopfer <strong>der</strong> einfa<strong>ch</strong>en und kleinen Leute segensrei<strong>ch</strong> verwendet. Da werden die<br />

Spenden den armen und beklagenswerten Empfängern zu einem Christus. Wo ist <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> <strong>Sekten</strong> ? So<br />

fragen wir. Wo ist <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en ? Erstens nehmen sie von ihren Leuten prozentual viel<br />

mehr Geld als die beiden <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n. Das weiss je<strong>der</strong>. Zweitens verwenden sie von diesem Geld praktis<strong>ch</strong> gar<br />

ni<strong>ch</strong>ts für das Werk <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Nä<strong>ch</strong>stenliebe in <strong>der</strong> Öffentli<strong>ch</strong>keit an den vielen unbekannten Armen und<br />

Elenden. Sie verwenden alles Geld für ihre Organisation, für ihre Neu-Apostel und für ihre Propaganda gegen<br />

die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n, aus <strong>der</strong>en Reihen sie unaufhörli<strong>ch</strong> Teile herausbre<strong>ch</strong>en wollen. Das Werk <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Liebe<br />

interessiert sie überhaupt ni<strong>ch</strong>t. Was da in kleinen Kreisen ges<strong>ch</strong>ieht mit warmer Suppe und wollener Unterjacke,<br />

die man gelegentli<strong>ch</strong> mal s<strong>ch</strong>enkt, zählt hier ni<strong>ch</strong>t. Ja, wieviel gutes Geld, das die <strong>Sekten</strong>organisationen sinnlos<br />

s<strong>ch</strong>lucken, wird den armen, heimatlosen, krank und sie<strong>ch</strong> gewordenen Heimkehrern, Flü<strong>ch</strong>tlingen, Krüppeln,<br />

Quellenmaterial Seite 63


Epileptikern und Blinden entzogen. Wo sind die Taten jener angebli<strong>ch</strong>en Besitzer des heiligen Geistes ? Wo<br />

sind hier die Opfer für die Ärmsten <strong>der</strong> Armen, die Blinden und Epileptiker, zu denen du und i<strong>ch</strong> morgen s<strong>ch</strong>on<br />

gehören können, wir o<strong>der</strong> eins unserer Kin<strong>der</strong> ? Sol<strong>ch</strong>e Opfer gehören zu den Christen wie die Luft zum Leben.<br />

Der grosse evangelis<strong>ch</strong>e Vater <strong>der</strong> Inneren Mission, Wi<strong>ch</strong>ern, hat das s<strong>ch</strong>öne Wort zur evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

gesagt: „Die Liebe gehört mir wie <strong>der</strong> Glaube.“ Wo sind bei den angebli<strong>ch</strong> 144'000 Erwählten Gottes diese<br />

Werke des Glaubens an Gott, den Herrn ? Wenn man fragen würde: „Wo ist eure Propaganda ?“, da könnten<br />

alle mit dem „Glaubensfinger“ auf ihre Neu-Apostel und den sogenannten Stammapostel zeigen. Nein, die<br />

einfa<strong>ch</strong>en, starken Taten <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Liebe aus dem Glauben, Taten an den Ärmsten <strong>der</strong> Armen, die die arg von<br />

den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en bes<strong>ch</strong>impfte evangelis<strong>ch</strong>e und die katholis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> übt, das meinen wir hier. Wo ist<br />

hier <strong>der</strong> Griff in den Geldbeutel, um Liebe zu üben, die ni<strong>ch</strong>ts einbringt und keine Propaganda meint. S<strong>ch</strong>elten,<br />

kritisieren, die Pfarrer höhnen, diese Männer, die heute wahre Bettelpfarrer für die Ärmsten <strong>der</strong> Armen, für die<br />

Kameraden aus dem Sta<strong>ch</strong>eldraht und die Verelendeten sind – darin sind die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en stets sehr gross.<br />

Lange, allzulange wurde über diese Tatsa<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>wiegen. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Dabei<br />

denken wir an die arglosen und frommen Leute, die es natürli<strong>ch</strong> bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> gibt. Das ist<br />

klar. Sie haben no<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>ts von dieser bösen Lücke gemerkt, die nur Propaganda und das Gerede ausfüllt:<br />

„Wir sind die Erstlinge, wir sind die Braut, wir sind die 144'000. Die an<strong>der</strong>en sind die Verlorenen.“ Diesen<br />

s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Mens<strong>ch</strong>en wollen wir hier weiterhelfen, dass sie zur ri<strong>ch</strong>tigen Erkenntnis unter dem Spätregen des<br />

unverfäls<strong>ch</strong>ten und unverbogenen heiligen Evangeliums in unserer harten Zeit gelangen, dass sie forts<strong>ch</strong>reiten in<br />

lauterer Erkenntnis und ihre Seele retten, solange es no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t heisst: zu spät ! Sie sollen dur<strong>ch</strong> Tatsa<strong>ch</strong>en zur<br />

Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit und Wirkli<strong>ch</strong>keit kommen. Sie sollen heimkehren aus dieser seelenmordenden Welt<br />

fals<strong>ch</strong>er religiöser Si<strong>ch</strong>erheiten über das Jenseits <strong>der</strong> Todesgrenze, aus dieser Welt <strong>der</strong> unaufhörli<strong>ch</strong>en Lästerung<br />

des heiligen Geistes und <strong>der</strong> wahren Apostel Jesu Christi, die den Herrn von Angesi<strong>ch</strong>t zu Angesi<strong>ch</strong>t vor und<br />

na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Auferstehung gesehen haben und uns das stets lebendige Wort Gottes no<strong>ch</strong> heute kraftvoll und rettend<br />

sagen, nur sie allein. Aber wir müssen zuglei<strong>ch</strong> ein sehr ernstes Wort diesen s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten, frommen und<br />

ho<strong>ch</strong>anständigen Leuten unter den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en zurufen: „Kehret um, kehret heim. Ihr werdet ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>s<br />

jenen den Mund stopfen können, dass sie ni<strong>ch</strong>t mehr den heiligen Geist lästern. Denn die Lästerung gegen den<br />

heiligen Geist ist in Zeit und Ewigkeit eine unvergebbare Sünde. Dur<strong>ch</strong> eure Heimkehr aus jener Welt allein<br />

werdet ihr ni<strong>ch</strong>t mits<strong>ch</strong>uldig an dieser s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>en Sünde.“<br />

2. <strong>Aus</strong> Spaltung, dur<strong>ch</strong> Spaltung, in Spaltung – und warum ?<br />

Hier kommen wir zu einem neuen und überaus wi<strong>ch</strong>tigen Punkt. Hier geht es um die Zerreisser <strong>der</strong><br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Einheit. Spaltung und immer wie<strong>der</strong> Spaltung ist ihr Werk. Viellei<strong>ch</strong>t wirst du entsetzt sein, wenn du<br />

erfahren hast, wie eine Spaltung die an<strong>der</strong>e jagte. Wer aber so mutwillig und ohne klaren Grund <strong>der</strong> heiligen<br />

S<strong>ch</strong>rift Spaltungen betreibt, nur weil er von si<strong>ch</strong> dies und das denkt, dass er es sei, <strong>der</strong> wird s<strong>ch</strong>uldig vor Gott<br />

und am Tage des Geri<strong>ch</strong>ts Re<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aft geben müssen. Dann hilft keine Beteuerung: „I<strong>ch</strong> habe es mir so<br />

geda<strong>ch</strong>t. I<strong>ch</strong> war fest davon überzeugt. I<strong>ch</strong> wollte das Beste.“ Hier geht es um willkürli<strong>ch</strong>e Zerspaltungen.<br />

Mens<strong>ch</strong>en haben sie vers<strong>ch</strong>uldet, die in unents<strong>ch</strong>uldbarer Weise da<strong>ch</strong>ten, sie verstünden etwas von <strong>der</strong> Bibel. Sie<br />

hätten gegen si<strong>ch</strong> selbst misstrauis<strong>ch</strong> sein müssen. Sie hätten si<strong>ch</strong> bei wirkli<strong>ch</strong>en Bibelkennern befragen müssen.<br />

Sie hätten ni<strong>ch</strong>t denken und sagen dürfen: „Das verstehen wir besser.“ Gerade bei <strong>der</strong> Bibel geht es so wie bei<br />

jedem Handwerk und je<strong>der</strong> Kunst und Wissens<strong>ch</strong>aft: Das will gelernt sein, das will gekonnt sein. Das will mit<br />

viel eisernem Fleiss erarbeitet sein in einem langen Leben und in emsigem Hören auf die grossen Lehrer <strong>der</strong><br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Sonst wird ni<strong>ch</strong>ts daraus. Man muss die ganze Bibel übers<strong>ch</strong>auen, wenn man einzelne Bibelsprü<strong>ch</strong>e<br />

ri<strong>ch</strong>tig verstehen und deuten will. An<strong>der</strong>s gerät man lei<strong>ch</strong>t in einen geistigen Wirrwarr und wird oft gar s<strong>ch</strong>nell<br />

<strong>der</strong> Spaltung s<strong>ch</strong>uldig.<br />

Wie kam es eigentli<strong>ch</strong> zu dieser neu-apostolis<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>e ? Darum geht es jetzt. Ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>, aber kurz<br />

und bündig, wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> einwandfrei, aber in einfa<strong>ch</strong>en Worten wollen wir darüber beri<strong>ch</strong>ten. Die<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ecke am S<strong>ch</strong>luss gibt Interessenten weitere Winke. Sie werden bei eigener Fors<strong>ch</strong>ung<br />

feststellen, dass hier zwar ein klares Deuts<strong>ch</strong> geredet, aber ni<strong>ch</strong>ts übertrieben und ni<strong>ch</strong>ts gegen die Wahrheit<br />

gesagt wird.<br />

Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en sind ni<strong>ch</strong>t eine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, son<strong>der</strong>n eine was<strong>ch</strong>e<strong>ch</strong>te Sekte. Das wollen wir<br />

klarstellen. Sie sind die Abspaltung von einer an<strong>der</strong>en Sekte, ja genau genommen, sind sie eine Sekte, die aus<br />

<strong>der</strong> Abspaltung einer Sekte von einer an<strong>der</strong>en Sekte herstammt. Man muss direkt la<strong>ch</strong>en, wenn man das so<br />

s<strong>ch</strong>reibt o<strong>der</strong> liest. Allerdings, die kleine religiöse Sekte in England, aus denen die heutigen Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en<br />

dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene Abspaltungen entstanden sind, ist heute keine Sekte mehr. Ihre Leute haben nämli<strong>ch</strong> als<br />

ehrli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en ihren früheren Irrtum offen zugegeben und führen heute nur no<strong>ch</strong> in kleinen Resten ein<br />

stilles, frommes und zurückgezogenes Leben ohne <strong>Sekten</strong>art. Wie kam nun alles ? Vor rund 120 Jahren lebte in<br />

London, <strong>der</strong> Hauptstadt von England, ein Bankier, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> Henry Drummond s<strong>ch</strong>rieb. Er war sehr fromm und<br />

sammelte fromme Leute um si<strong>ch</strong>. Eines Tages kam man in diesem frommen Verein auf den Gedanken, es wäre<br />

do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ön, wenn wir wie<strong>der</strong> wie ehemals die Ur<strong>ch</strong>risten in Jerusalem und an<strong>der</strong>norts ri<strong>ch</strong>tige Apostel hätten.<br />

Quellenmaterial Seite 64


Gewiss war es ni<strong>ch</strong>t mehr als ein Gedanke, wie etwa jemand sagen könnte, es wäre do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ön, wenn wir wie<strong>der</strong><br />

einen Johannes, den Täufer, bei uns hätten. Ja, am s<strong>ch</strong>önsten wäre es, wenn Jesus si<strong>ch</strong>tbar unter uns wandelte.<br />

No<strong>ch</strong> ein zweiter, ein sehr frommer, aber au<strong>ch</strong> sehr seltsamer Gedanke tau<strong>ch</strong>te in diesem frommen Verein auf.<br />

Irgend jemand behauptete: „Wir leben jetzt in <strong>der</strong> Endzeit. No<strong>ch</strong> zu unseren Lebzeiten, morgen, nä<strong>ch</strong>stes Jahr, in<br />

zehn o<strong>der</strong> zwanzig Jahren, auf alle Fälle aber no<strong>ch</strong> zu unseren Lebzeiten kommt Christus wie<strong>der</strong> auf die Erde zu<br />

Geri<strong>ch</strong>t und Gnade.“ Wie ein Fieber packte dieser seltsame Gedanke jene frommen Leute. Und wie ein Fieber<br />

packte sie damit zuglei<strong>ch</strong> die Frage: „Was tun, es ist hö<strong>ch</strong>ste Zeit !“ Und s<strong>ch</strong>on war au<strong>ch</strong> die Antwort da: „Wir<br />

müssen dies tun: Wir müssen alle Welt rufen gehen: „Kommt, ma<strong>ch</strong>t eu<strong>ch</strong> bereit, Jesus ers<strong>ch</strong>eint no<strong>ch</strong> zu<br />

unseren Lebenstagen.“ Aber no<strong>ch</strong> etwas Beson<strong>der</strong>es müssen wir tun. Wir müssen eine Erstlingsgarbe sammeln<br />

als Ges<strong>ch</strong>enk für den Herrn, wenn er kommt.“ Au<strong>ch</strong> dieser Gedanke packte den Bankier Drummond und seine<br />

Anhänger wie ein Fieber. Wen aber sollten sie in aller Welt, in <strong>Aus</strong>tralien, Europa, Asien, Amerika und Afrika<br />

als Erstlingsgarbe sammeln ? Wieviele sollten es sein. S<strong>ch</strong>nell, nur s<strong>ch</strong>nell musste es ges<strong>ch</strong>ehen. Nun su<strong>ch</strong>ten<br />

sie in <strong>der</strong> Bibel na<strong>ch</strong>, wieviele Leute Erstlingsgarbe sein sollten. Sie blätterten und fors<strong>ch</strong>ten in den Kapiteln, die<br />

von <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Endkatastrophen vor Christi Wie<strong>der</strong>kunft reden. Jetzt hatten sie au<strong>ch</strong> bald eine Zahl gefunden.<br />

Offenbarung 7 steht die Zahl 144'000. Endli<strong>ch</strong> wussten sei, wie sie meinten, die genaue Zahl <strong>der</strong> Erstlinge. Ein<br />

breites Tor zu wilden Phantastereien tat si<strong>ch</strong> auf. In Offenbarung 7 steht, dass in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en<br />

Endkatastrophen die Winde aufhören werden zu wehen. Kein Wind werde alsdann mehr über Erde, Meere und<br />

Bäume gehen. Wenn dies ges<strong>ch</strong>ehe, würden aus den 12 Stämmen Israels je 12'000 einen Stempel o<strong>der</strong> ein<br />

Zei<strong>ch</strong>en, in <strong>der</strong> Spra<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> alten Leute, ein Siegel auf die Stirn erhalten, damit sie ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> bes<strong>ch</strong>ädigt werden<br />

beim Vollzug <strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en Endkatastrophen. 12 mal 12'000 ergibt also 144'000.<br />

Jesus aber hatte 12 Apostel. In dem frommen Verein von London war s<strong>ch</strong>on längst <strong>der</strong> Gedanke<br />

aufgetau<strong>ch</strong>t, es wäre do<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ön, wenn wir wie<strong>der</strong> Apostel, die 12 Apostel Jesu nämli<strong>ch</strong>, hätten. Jetzt ging nun<br />

alles sehr s<strong>ch</strong>nell. Man muss si<strong>ch</strong> ein wenig in diese Welt ho<strong>ch</strong>gespannter religiöser Stimmung und Erwartungen<br />

hineindenken, um all dieses Dur<strong>ch</strong>einan<strong>der</strong> zu verstehen. Kurzum, es blitzte plötzli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Gedanke auf: „Wir<br />

haben tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> Apostel, die wir als Boten in alle Welt zu den 12 Stämmen Israels senden können. Ja, wir<br />

haben bereits Apostel. Der Bankier Henry Drummond wusste jetzt plötzli<strong>ch</strong>: „Der Re<strong>ch</strong>tsanwalt Cardale ist ein<br />

Apostel. Und dieser und jener ist ein Apostel.“ Es dauerte gar ni<strong>ch</strong>t lange, so hatte man die 12 Apostel <strong>der</strong><br />

Endzeit für die Bots<strong>ch</strong>aft an die 12 Stämme Israels in aller Welt zusammen. S<strong>ch</strong>nell, sehr s<strong>ch</strong>nell musste alles<br />

ges<strong>ch</strong>ehen. Eine Vorbereitungszeit wurde eingelegt. Dann ging die Reise los. Jesus sollte ja no<strong>ch</strong> zu Lebzeiten<br />

dieser „Apostel“ eintreffen. Und je<strong>der</strong> wusste: „Es ist alles so Gottes Wille und Geheiss, wie wir es verstehen<br />

und treiben. Der heilige Geist hat es uns, dem Henry Drummond und den an<strong>der</strong>en, offenbart.“ Hier begann das<br />

lose Ges<strong>ch</strong>wätz von dem Besitz des heiligen Geistes dur<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong>e Offenbarung.<br />

Lieber Leser, du wirst viellei<strong>ch</strong>t über diese Leute wegen ihrer wild ers<strong>ch</strong>einenden Phantasie la<strong>ch</strong>en und<br />

sagen: „Die hatten einen Vogel !“ Nein, du tust ihnen Unre<strong>ch</strong>t. Wie wir no<strong>ch</strong> hören werden, haben diese Leute<br />

später gemerkt: „Wir haben uns geirrt. Über die Hälfte unserer sogenannten Apostel ist gestorben. Aber Jesus ist<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gekommen. Wir haben uns also geirrt. Es war gar ni<strong>ch</strong>t die Endzeit, die wir mit tödli<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>erheit<br />

zu erkennen meinten. Es war au<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong> heilige Geist, <strong>der</strong> ja <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong> Wahrheit und ni<strong>ch</strong>t des Irrtums<br />

ist. Nein, es war ein grosser Irrtum.“ Diese Mens<strong>ch</strong>en waren ehrli<strong>ch</strong>. Und sie fühlten bei Beginn eine<br />

Verantwortung gegen die gesamte Christenheit. Sie wollten alle rufen: „Ma<strong>ch</strong>t eu<strong>ch</strong> bereit. Jesus kommt<br />

bestimmt no<strong>ch</strong> zu unserer Lebenszeit.“ Wenn sie wie die evangelis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> gesagt hätten: „Jesus kann au<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>on zu unserer Lebenszeit kommen“, wäre alles in Ordnung gewesen. Unsinn und Phantasterei aus gutem<br />

Glauben war es, dass sie sagten: „Wir wissen es gewiss.“ Aber, wie gesagt, sie haben ihren eigenen Unsinn dann<br />

ehrli<strong>ch</strong> zugegeben. Au<strong>ch</strong> wollten sie eigentli<strong>ch</strong> keine eigene Sekte aufma<strong>ch</strong>en. Nur waren sie natürli<strong>ch</strong> eine neue<br />

Sekte. Sie hatten allerlei eigene Zeremonien. Weil sie mit den 12 sogenannten Aposteln ein allgemeines<br />

Missionswerk vor Christi Wie<strong>der</strong>kunft betrieben, gaben sie si<strong>ch</strong> den Namen: „allgemein“. Daraus kannst du,<br />

lieber Leser, dir keinen Vers ma<strong>ch</strong>en. Du wirst si<strong>ch</strong>er staunen, wenn du erfährst, dass das Wort „allgemein“ in<br />

<strong>der</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e „katholis<strong>ch</strong>“ bedeutet. So nannten sie si<strong>ch</strong>: „katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>“. Über ihre<br />

Anfangsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te laufen wi<strong>der</strong>spre<strong>ch</strong>ende Beri<strong>ch</strong>te um. Man nannte sie au<strong>ch</strong> Irvingianer na<strong>ch</strong> einem Prediger<br />

Irving. Aber dieser Name ist ni<strong>ch</strong>t ganz zutreffend. Irving war eine kleine Grösse in diesem Kreise. Wir nennen<br />

sie hier mit ihrem Standard-Namen: „katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>“. Sie waren au<strong>ch</strong> die Erfin<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Sa<strong>ch</strong>e <strong>der</strong><br />

sogenannten „Versiegelung“. Später liessen sie au<strong>ch</strong> von diesem Treiben, als mit dem Tode des letzten <strong>der</strong><br />

„Endzeit-Apostel“ Christi endgültig ihr grosser Irrtum am Tage war. Wir müssen diesen Leuten, die zuerst von<br />

ihrer neuen Ansi<strong>ch</strong>t wie von einem Fieber gepackt waren und tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> an das beson<strong>der</strong>e Wirken des heiligen<br />

Geistes in ihrem Verein glaubten, die Ehrli<strong>ch</strong>keit ho<strong>ch</strong> anre<strong>ch</strong>nen. Sie su<strong>ch</strong>ten keine <strong>Aus</strong>reden, son<strong>der</strong>n gaben<br />

später offen und ehrli<strong>ch</strong> zu: „Wir haben uns geirrt.“ Aber sie wussten no<strong>ch</strong> etwas sehr wi<strong>ch</strong>tiges. Sie waren na<strong>ch</strong><br />

dem Tode <strong>der</strong> ersten Irrtums-Apostel überzeugt, dass niemand mehr kommen und den Leuten erzählen könne:<br />

„I<strong>ch</strong> bin ein neuer Apostel. Der heilige Geist hat es mir ganz persönli<strong>ch</strong> gesagt. Und dieser da ist ein neuer<br />

Apostel. Au<strong>ch</strong> darüber habe i<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong>e Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t vom heiligen Geist.“ „Nein, Irrtum, grosser Irrtum !“ Das<br />

war fortan ihre Antwort. Wenn nun ein phantasiebegabter Mann auftrat und sagte: „I<strong>ch</strong> bin ein neuer Apostel“,<br />

o<strong>der</strong>: „Dieser und jener ist ein neuer Apostel“, stiessen sie ihn einfa<strong>ch</strong> aus ihrer Gemeins<strong>ch</strong>aft aus. Lateinis<strong>ch</strong><br />

Quellenmaterial Seite 65


sagt man: Sie exkommunizierten ihn. Sie hatten es ja erlebt. Wer so redet, wie<strong>der</strong>holt den Irrtum und treibt<br />

Phantasterei.<br />

An diesem Punkt kam es nun zur nä<strong>ch</strong>sten Spaltung. Die nä<strong>ch</strong>ste Sekte trat auf. Die si<strong>ch</strong> von dieser<br />

neuen Sekte abspalteten und wie<strong>der</strong> eine neue Sekte wurden, nennen sie heute „neu-apostolis<strong>ch</strong>“. Wahrhaft eine<br />

grausige Kette von Spaltungen, Irrtümern und Phantastereien. Au<strong>ch</strong> die Lüge fehlte natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Wir werden<br />

in einem späteren Kapitel sehen, dass au<strong>ch</strong> die Sa<strong>ch</strong>e mit den 144'000 ganz an<strong>der</strong>s ist, als alle diese <strong>Sekten</strong>, von<br />

den katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en angefangen, si<strong>ch</strong> das geda<strong>ch</strong>t haben. Au<strong>ch</strong> in diesem Punkt haben sie si<strong>ch</strong> gewaltig<br />

geirrt. Es kann ja gar ni<strong>ch</strong>t an<strong>der</strong>s sein. Alle diese Leute hätten gegen si<strong>ch</strong> selbst und die seltsamen Stimmen in<br />

ihrer Brust ein wenig misstrauis<strong>ch</strong> sein müssen. Sie hätten si<strong>ch</strong> bei wirkli<strong>ch</strong>en Kennern <strong>der</strong> Bibel, <strong>der</strong>en es in<br />

Deuts<strong>ch</strong>land wahrli<strong>ch</strong> genug gibt, befragen müssen. Sie hätten ni<strong>ch</strong>t die Rolle von S<strong>ch</strong>riftgelehrten auf eigene<br />

Faust und mit einer unbezwingli<strong>ch</strong>en Besserwisserei spielen dürfen. Dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Nü<strong>ch</strong>ternheit und Klarheit,<br />

dur<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>es Misstrauen gegen si<strong>ch</strong> selbst wären sie au<strong>ch</strong> von dem gotteslästerli<strong>ch</strong>en Gerede vers<strong>ch</strong>ont<br />

geblieben, dass die Stimme des heiligen Geistes ihnen das alles eingesagt habe. Dauernd haben sie den heiligen<br />

Geist im Munde. Und den Leuten, die das alles natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>prüfen können, erzählen sie mit<br />

Begeisterung, dass sie vom heiligen Geist erfüllt seien und ihn sogar austeilen könnten. Fur<strong>ch</strong>tbar, mehr als<br />

fur<strong>ch</strong>tbar ! Denn die Lästerung gegen den heiligen Gottes- und Christus-Geist ist eine zeitli<strong>ch</strong> und ewig<br />

unvergebbare Sünde.<br />

Aber nun zurück zum Thema: Also, jene katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>e Sekte wusste: „Wir haben uns geirrt.“<br />

Der letzte dieser angebli<strong>ch</strong>en Apostel hiess Woodhouse und lebte still und zurückgezogen in Deuts<strong>ch</strong>land. Er<br />

war ein feiner und frommer Mann. Ihm war es bestimmt, den tiefen S<strong>ch</strong>merz über eine neue Spaltung zu erleben.<br />

Zu dem Kreise jener katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft in Deuts<strong>ch</strong>land gehörte ein Mann, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong><br />

Heinri<strong>ch</strong> Geyer s<strong>ch</strong>rieb. Er war von Beruf Volkss<strong>ch</strong>ullehrer. Dieser Geyer hatte eine starke religiöse Phantasie,<br />

eine gute Redegabe und einen starken Drang, etwas Beson<strong>der</strong>es, viellei<strong>ch</strong>t sogar etwas Berühmtes zu werden.<br />

An<strong>der</strong>s kann man si<strong>ch</strong> ihn gar ni<strong>ch</strong>t vorstellen. Er fühlte si<strong>ch</strong> als gottbegnadeter und natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den<br />

heiligen Geist beson<strong>der</strong>s erleu<strong>ch</strong>teter „Prophet“ <strong>der</strong> Endzeit. Man findet es oft, dass eine starke religiöse<br />

Phantasie, dazu ein gutes Spre<strong>ch</strong>organ und ein starker Drang, etwas Grosses zu werden, gewissermassen zu Dritt<br />

miteinan<strong>der</strong> verheiratet sind. Sol<strong>ch</strong>e Leute sind gar ni<strong>ch</strong>t selten. In vers<strong>ch</strong>iedener <strong>Aus</strong>führung treten sie auf. Als<br />

kleine Leute im kleinen Kreis wollen sie unter allen Umständen den Ton angeben. Au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Politik begegnet<br />

man ihnen mit kleinen Abwandlungen. In den <strong>Sekten</strong> ist ihr liebster Aufenthalt. Hier werden sie in kurzer Zeit<br />

Älteter o<strong>der</strong> Prediger o<strong>der</strong> etwas Ähnli<strong>ch</strong>es. Es muss auf jeden Fall etwas Höheres sein. Sie fühlen si<strong>ch</strong> ja zu<br />

Grossem berufen. Sind aber jene drei Eigens<strong>ch</strong>aften bei ihnen beson<strong>der</strong>s stark ausgebildet, droht s<strong>ch</strong>nell die<br />

Gefahr, dass sie si<strong>ch</strong> abspalten und eine eigene Sekte aufma<strong>ch</strong>en. Zuletzt glauben sol<strong>ch</strong>e Phantasie-Könige<br />

selbst, was sie den Leuten erzählen.<br />

Jener Geyer muss zu seinen drei Gaben no<strong>ch</strong> ein sehr unruhiges Blut gehabt haben. Er ertrug wohl die<br />

Stille im Kreise <strong>der</strong> Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t länger. Au<strong>ch</strong> wollte er als katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>er<br />

„Prophet“ wohl ni<strong>ch</strong>t zugeben, dass jene si<strong>ch</strong> geirrt haben. Kurzum, eines Tages kam ihm <strong>der</strong> Gedanke: „Wenn<br />

in den Jahren 1830/35 jener Bankier Henry Drummond aus England und dieser Woodhouse, ehemals England,<br />

jetzt Deuts<strong>ch</strong>land, si<strong>ch</strong> für geisterfüllt und Apostel <strong>der</strong> Endzeit hielten, und wenn allerlei Leute ihnen dies<br />

geglaubt haben, müsse eigentli<strong>ch</strong> dieselbe Sa<strong>ch</strong>e jetzt au<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> lebendig gema<strong>ch</strong>t werden können. Es müsste<br />

do<strong>ch</strong> gehen.“ Und siehe da, eines Tages rückte jener Heinri<strong>ch</strong> Geyer mit seiner neuen Sa<strong>ch</strong>e heraus: „Es gibt<br />

wie<strong>der</strong> Apostel. Der heilige Geist hat es mir geoffenbart.“ Ja, <strong>der</strong> heilige Geist hat Heinri<strong>ch</strong> Geyer na<strong>ch</strong> dessen<br />

Erzählungen sogar genau geoffenbart, wel<strong>ch</strong>e zwei Ersatzmänner die erste Ablösung <strong>der</strong> verstorbenen<br />

katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en Irrtums-Apostel seien. Und es gab bald wie<strong>der</strong> Leute, die das glaubten. Es ist fur<strong>ch</strong>tbar,<br />

aber wahr: Immer wie<strong>der</strong> finden si<strong>ch</strong> einfältige Leute, die sol<strong>ch</strong>e religiöse Phantasten, anstatt sie allein zu lassen,<br />

in den Sattel heben, indem sie ihnen na<strong>ch</strong>laufen. So werden diese Anhänger mits<strong>ch</strong>uldig. Sie bestärken die<br />

Wirren, anstatt zu <strong>der</strong>en Heilung mitzuhelfen. Allerdings besass Geyer soviel gesunde Überlegung, dass er ni<strong>ch</strong>t<br />

si<strong>ch</strong> selbst zum Ersatz-Apostel <strong>der</strong> Endzeit ma<strong>ch</strong>te. Nein, er griff si<strong>ch</strong> zwei an<strong>der</strong>e, die wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> so ähnli<strong>ch</strong><br />

veranlagt waren wie er selbst. Der eine war ein gewisser Böhm und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ein gewisser Caird. Zu diesen<br />

sagte er: „Ihr seid – i<strong>ch</strong> weiss es ganz gewiss – genau sol<strong>ch</strong>e Apostel wie die Jünger Jesu, die Augenzeugen <strong>der</strong><br />

Wun<strong>der</strong> und Auferstehung Christi waren.“ Natürli<strong>ch</strong> glaubten es beide liebend gern. S<strong>ch</strong>on längst lebten sie ja in<br />

dieser religiös erregten und kaum gebändigten Welt. Selbst <strong>der</strong> grosse katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>e Irrtum, dieser<br />

katastrophale Zusammenbru<strong>ch</strong> einer Welt voll angebli<strong>ch</strong>er Geistausgiessungen und <strong>Aus</strong>son<strong>der</strong>ungen zu<br />

Christus-Aposteln, hatte jene religiöse Leidens<strong>ch</strong>aften ni<strong>ch</strong>t gedämpft. Geyer hielt si<strong>ch</strong> für einen Propheten<br />

Gottes. Zu ihm hielt si<strong>ch</strong> ein gewisser S<strong>ch</strong>wartz aus Hamburg. Bald folgten dur<strong>ch</strong> Geyer „Apostelberufungen“<br />

am laufenden Band. Nur einer, <strong>der</strong> siebente dieser S<strong>ch</strong>ar, kehrte zur gesunden Einsi<strong>ch</strong>t zurück. Er hiess<br />

Roso<strong>ch</strong>azky. Diesem nü<strong>ch</strong>ternen Ostpreussen kam die ganze Sa<strong>ch</strong>e do<strong>ch</strong> zu bunt vor. Er legte seine<br />

„Apostelwürde“ nie<strong>der</strong>, weil er an diese Sa<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t mehr glaubte. Was aber tat <strong>der</strong> alte katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Irrtums-Apostel Woodhouse ? Er wusste, dass es an einem grossen Irrtum mit den angebli<strong>ch</strong>en Aposteln <strong>der</strong><br />

Endzeit genug sei. Genug <strong>der</strong> Verwe<strong>ch</strong>slung von eigener Phantasie und heiligem Geist. Genug des Ärgernisses<br />

mit neuer Spaltung in <strong>der</strong> Christenheit. Und genug <strong>der</strong> fals<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>legung biblis<strong>ch</strong>er Stellen, hätten wir no<strong>ch</strong><br />

Quellenmaterial Seite 66


hinzugefügt. Kurzum, er tat jenen Geyer und seinen Anhang aus <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

hinaus. Er exkommunizierte den angebli<strong>ch</strong> vom heiligen Geist erfüllten „Propheten“ Geyer. Aber we<strong>der</strong> Geyer,<br />

no<strong>ch</strong> sein Anhang wollte in <strong>der</strong> Versenkung vers<strong>ch</strong>winden. Der Drang, etwas Grosses zu werden, war offenbar<br />

zu stark. Stillesein ertrug man eben ni<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> witterte man Morgenluft. Jetzt bot si<strong>ch</strong> endli<strong>ch</strong> für Heinri<strong>ch</strong><br />

Geyer und seinen Genossen S<strong>ch</strong>wartz eine gute Gelegenheit, eine grosse Rolle zu spielen. Endli<strong>ch</strong> hatten sie<br />

etwas Eigenes. So ma<strong>ch</strong>ten sie als <strong>Aus</strong>gestossene ihre eigene Sekte auf. Einen ihrer Leute nannten sie „Engel“.<br />

So hatten sie alles Wi<strong>ch</strong>tige beieinan<strong>der</strong>: Engel, Apostel, Propheten. Jetzt konnte es losgehen. Mit dem neuen<br />

<strong>Sekten</strong>namen ma<strong>ch</strong>ten sie es hö<strong>ch</strong>st einfa<strong>ch</strong>. Sie übersetzten aus „katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>“ das Wort „katholis<strong>ch</strong>“<br />

kurzerhand ins Deuts<strong>ch</strong>e zurück und nannten si<strong>ch</strong>: allgemein-apostolis<strong>ch</strong>. Seltsamerweise setzten sie no<strong>ch</strong><br />

„<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>“ hinzu. So nannten sie si<strong>ch</strong> fortan: allgemeine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e apostolis<strong>ch</strong>e Mission. Dieses letzte Wort<br />

sollte bedeuten, dass sie nun ni<strong>ch</strong>t etwa bei den S<strong>ch</strong>warzen in Afrika o<strong>der</strong> bei den Gelben in China Mission<br />

treiben wollten. Oh nein, weit gefehlt. Mission hiess: Propaganda gegen ihre früheren Brü<strong>der</strong>, die Katholis<strong>ch</strong>-<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en, und Propaganda bei den Glie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en und katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>.<br />

Es ist klar, dass alles das ni<strong>ch</strong>t so kurz und bündig vonstatten ging, wie es hier beri<strong>ch</strong>tet wird. Es gab<br />

Streit und S<strong>ch</strong>wierigkeiten. Aber es wäre zu langweilig, hier an<strong>der</strong>s als kurz und bündig zu erzählen.<br />

Sofort setzte die neue Sekte mit ihrer Propaganda ein. Man berief si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Kräften auf den heiligen<br />

Geist. Man redete gewaltig, und man ernannte lustig weiter aus <strong>der</strong> angebli<strong>ch</strong>en Kraft des heiligen Geistes neue<br />

„Apostel“.<br />

Aber s<strong>ch</strong>on bald trieb diese neue Sekte zu einer neuen Spaltung. Es gab na<strong>ch</strong> einiger Zeit einen<br />

handfesten Streit zwis<strong>ch</strong>en Geyer und S<strong>ch</strong>wartz. Je<strong>der</strong> dieser beiden berief si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong> auf den heiligen<br />

Geist, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> einmal zum S<strong>ch</strong>uldigen einer neuen Spaltung und Sekte gema<strong>ch</strong>t wurde. Es bildete si<strong>ch</strong> eine<br />

Geyer-Sekte und eine S<strong>ch</strong>wartz-Sekte. Jener S<strong>ch</strong>wartz ist <strong>der</strong> Vater <strong>der</strong> heutigen „Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en“. Jetzt gab<br />

es also drei <strong>Sekten</strong> mit <strong>der</strong> Kennziffer „apostolis<strong>ch</strong>“. Jede berief si<strong>ch</strong> auf unmittelbare Offenbarung dur<strong>ch</strong> den<br />

heiligen Geist. Wir haben dieses Kapitel übers<strong>ch</strong>rieben: <strong>Aus</strong> Spaltung, dur<strong>ch</strong> Spaltung, in Spaltung. Aber neue<br />

Spaltungen standen no<strong>ch</strong> bevor. Damals wusste S<strong>ch</strong>wartz no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass er eigentli<strong>ch</strong> „Stammapostel“ ist. Auf<br />

diesen klugen Gedanken kam erst sein Na<strong>ch</strong>folger, <strong>der</strong> Bahnmeister Fritz Krebs. Damals wusste S<strong>ch</strong>wartz au<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass er neu-apostolis<strong>ch</strong> ist. Viel später kam man auf diesen erleu<strong>ch</strong>teten Gedanken (1907). Fur<strong>ch</strong>tbar<br />

blickt uns hier das Gespenst <strong>der</strong> Spaltungen innerhalb <strong>der</strong> Christenheit dur<strong>ch</strong> anmassende Leute an. Fur<strong>ch</strong>tbar ist<br />

ihr Mangel an Selbstkritik und nü<strong>ch</strong>terner Überlegung. Sie wussten eben alles besser. Von ihnen sagt <strong>der</strong><br />

Apostel Paulus in 2. Kor. 11, 12 – 14: Sie su<strong>ch</strong>en Ursa<strong>ch</strong>e, „dass sie rühmen mö<strong>ch</strong>ten, sie seien wie wir. Denn<br />

sol<strong>ch</strong>e fals<strong>ch</strong>e Apostel und trügli<strong>ch</strong>e Arbeiter verstellen si<strong>ch</strong> zu Christi-Aposteln. Und das ist au<strong>ch</strong> kein Wun<strong>der</strong>.<br />

Denn er selbst, <strong>der</strong> Satan verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts.“ Oh diese Toren ! Wenn alle redebegabten<br />

Mens<strong>ch</strong>en in <strong>der</strong> Christenheit es ebenso trieben wie diese dort, wäre die Christenheit s<strong>ch</strong>on bald in tausend<br />

Fetzen zerrissen und no<strong>ch</strong> mehr. Am grausigsten aber ist die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass alle diese Spaltungen im Namen des<br />

heiligen Geistes betrieben wurden und werden. Alle sagten, sie seien versiegelt, alle beriefen si<strong>ch</strong> auf den<br />

heiligen Geist, alle erklärten, sie, nur sie gehörten zu den 144'000 Erwählten Gottes, die freili<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

Offenbarung 7 ein himmlis<strong>ch</strong>es Wesen bestimmt.<br />

So also lief es: Um 1830/35 die erste gutgemeinte Spaltung: katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>. 1865: die Geyer-<br />

Spaltung. Allgemeine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e apostolis<strong>ch</strong>e Mission. 1878: die dritte Spaltung: Geyer gegen S<strong>ch</strong>wartz. Die<br />

S<strong>ch</strong>wartz-Anhänger gaben si<strong>ch</strong> später den Namen „neu-apostolis<strong>ch</strong>“. Jetzt ging es weiter. 1894 spaltete si<strong>ch</strong><br />

diese neu-apostolis<strong>ch</strong>e Sekte wie<strong>der</strong>, und wie<strong>der</strong> sollte <strong>der</strong> heilige Geist <strong>der</strong> allein S<strong>ch</strong>uldige sein. Ergebnis: zu<br />

den alten eine neue Sekte: Reformierte-apostolis<strong>ch</strong>e Gemeine. Die nä<strong>ch</strong>ste Spaltung war wie<strong>der</strong> etwa a<strong>ch</strong>t Jahre<br />

später fällig. Ein neu-apostolis<strong>ch</strong>er Bezirkshelfer Julius Fis<strong>ch</strong>er, seines Zei<strong>ch</strong>ens ein Landwirt, arbeitete mit <strong>der</strong><br />

unmittelbaren Berufung dur<strong>ch</strong> Jesus Christus persönli<strong>ch</strong>. Ja, er ma<strong>ch</strong>te es glei<strong>ch</strong> ganz radikal und sagte, Jesus<br />

Christus habe si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t allein ihm geoffenbart, son<strong>der</strong>n sogar in ihm verkörpert. Wenn jene sagen: „Der heilige<br />

Geist hat uns zu Aposteln gema<strong>ch</strong>t, uns persönli<strong>ch</strong>,“ warum soll Fis<strong>ch</strong>er, Julius ni<strong>ch</strong>t sagen: „Jesus hat si<strong>ch</strong> in<br />

mir verkörpert.“ Eine leere Behauptung ist soviel wert wie die an<strong>der</strong>e. Es kommt nur darauf an, dass das Leute<br />

glauben. Tun sie es, ist alles in Ordnung. Natürli<strong>ch</strong> fiel es au<strong>ch</strong> Julius Fis<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t im Traume ein, si<strong>ch</strong> über die<br />

Bibel bei Kennern zu befragen, da er ja Landwirt war. Oh nein, er wusste wie die an<strong>der</strong>en alles selbst genau und<br />

viel besser als je<strong>der</strong> Kenner. Seine Sekte nannte er zuerst „Apostelamt Juda“, dann „Apostelamt Simon“, dann<br />

„Apostelamt Naphtali“ und na<strong>ch</strong> 1945, als man Morgenluft witterte und ganz gross herauskommen wollte,<br />

nannten si<strong>ch</strong> die Julius-Fis<strong>ch</strong>er-Anhänger „Apostelamt Jesu Christi“. Vier Jahre na<strong>ch</strong> dieser Julius-Fis<strong>ch</strong>er-Sa<strong>ch</strong>e<br />

war wie<strong>der</strong> eine neue Spaltung an <strong>der</strong> Reihe. Es war im Jahre 1906. Der neu-apostolis<strong>ch</strong>e Stammapostel Niehaus<br />

trat allzusehr als Christus und Herr, in Wahrheit als Diktator auf. Das liessen si<strong>ch</strong> einige seiner<br />

Unterorgane voll Geisterleu<strong>ch</strong>tung ni<strong>ch</strong>t gefallen. Ergebnis: Streit und neue Sekte: Reformatoris<strong>ch</strong>e Bewegung<br />

in den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Gemeinden und endgültig als eigene „Reformiert-Apostolis<strong>ch</strong>e Gemeinde“ seit 1921.<br />

Zu ihr gehörten die nü<strong>ch</strong>ternen Leute. Sie kritisierten mit Re<strong>ch</strong>t, dass die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel<br />

Christus ganz in den Hintergrund drängten und ihre angebli<strong>ch</strong>e Apostel-Vollma<strong>ch</strong>t zur Hauptsa<strong>ch</strong>e erhöben, ja<br />

sogar von Unfehlbarkeit s<strong>ch</strong>wätzten. – In <strong>der</strong> Tat ein Bild des Grauens und fur<strong>ch</strong>tbarer Sünden gegen den<br />

heiligen Geist, auf den si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> alle beriefen. „<strong>Aus</strong> Spaltung, dur<strong>ch</strong> Spaltung, in Spaltung – und warum ?“<br />

Quellenmaterial Seite 67


Wir meinen, eine Antwort zu wissen. Sie ist gar ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>wer zu finden. Teufel heisst in <strong>der</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Spra<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Bibel, von <strong>der</strong> jene fals<strong>ch</strong>en „Apostel“ natürli<strong>ch</strong> keine Ahnung haben, Diapolos. Und Diabolos<br />

heisst Ankläger, Verführer, <strong>Aus</strong>einan<strong>der</strong>bringer, aber gewiss au<strong>ch</strong> Zerstreuer als Vater des Chaos, als <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>sa<strong>ch</strong>er des heiligen Gottes, <strong>der</strong> ein Gott <strong>der</strong> Ordnung ist. Er hat gewiss die Hand im Spiel, wo ni<strong>ch</strong>t das<br />

heilige Evangelium, son<strong>der</strong>n persönli<strong>ch</strong>e Ansi<strong>ch</strong>ten von phantasiebegabten Leuten die Spaltung veranlassten,<br />

weil je<strong>der</strong> da<strong>ch</strong>te, er wäre etwas. Wir wissen aus <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> von Jesu Versu<strong>ch</strong>ung, dass <strong>der</strong> Teufel au<strong>ch</strong><br />

Bibelsprü<strong>ch</strong>e im Maule führen kann. Er wird au<strong>ch</strong> einmal <strong>der</strong> fur<strong>ch</strong>tbare Ankläger werden.<br />

Wie s<strong>ch</strong>aurig klingt in jene Welt <strong>der</strong> Phantasie-Apostel und –<strong>Aus</strong>teiler des angebli<strong>ch</strong>en heiligen<br />

Geistes, glei<strong>ch</strong>, als wäre dieser eine Dutzendware, das Wort des wahren Apostels Christi hinein: 2. Kor. 11, 12 –<br />

14, das wir vorhin genannt haben. Bitte lieber Leser, lies es no<strong>ch</strong>mals. Ja, „Satan verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des<br />

Li<strong>ch</strong>ts.“<br />

Kehret um, ihr braven und gutgläubigen Leute, die ihr bei den Neu-Aposteln als Anhänger, als<br />

Steigbügelhalter, als Stützen <strong>der</strong> ganzen fur<strong>ch</strong>tbaren Sa<strong>ch</strong>e an eurer Seele mits<strong>ch</strong>uldig werdet. Ihr habt es bisher<br />

ni<strong>ch</strong>t besser gewusst. Kehret um, ihr Neu-Apostel, und du, Stammapostel ! Ihr treibt ein gefährli<strong>ch</strong>es Spiel mit<br />

kecken und kühnen behauptungen über das, was ihr zu sein vorgebt und niemals sein könnt. Eure Seele ist in<br />

Gefahr und die Seele <strong>der</strong>er, die euren irrigen Worten glauben. Au<strong>ch</strong> ihr seid wie wir alle nur ganz arme Sün<strong>der</strong><br />

und Bettler um den heiligen Geist, die allein von <strong>der</strong> Gnade Christi leben, in Gottes Augen ni<strong>ch</strong>t um einen<br />

Millimeter erhaben vor den Geringsten unserer S<strong>ch</strong>western und Brü<strong>der</strong>.<br />

II.<br />

Das neu-apostolis<strong>ch</strong>e Spiel vor und hinter den Kulissen unter dem Geri<strong>ch</strong>t des<br />

göttli<strong>ch</strong>en Wortes<br />

1. Neue „Apostel“ Christi unter 2. Kor. 11, 12b – 13: „...dass sie rühmen<br />

mö<strong>ch</strong>ten, sie seien wie wir. Denn sol<strong>ch</strong>e fals<strong>ch</strong>en Apostel und trügli<strong>ch</strong>e Arbeiter<br />

verstellen si<strong>ch</strong> zu Christi Aposteln.“<br />

a) Unter dem Geri<strong>ch</strong>t des göttli<strong>ch</strong>en Wortes<br />

Es interessiert uns ni<strong>ch</strong>t, was diese Neu-Apostel von si<strong>ch</strong> sagen. Und es interessiert uns ni<strong>ch</strong>t, ob sie<br />

selbst glauben, was sie sagen. Niemand kann ihnen von den Sterbli<strong>ch</strong>en ins Herz s<strong>ch</strong>auen. Der ewige Gott, <strong>der</strong><br />

Augen hat wie Feuerflammen, wird diese Helden des Selbstruhms, die meinen, sie seien etwas, zur Re<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>aft<br />

rufen. Dann gilt keine <strong>Aus</strong>rede. „I<strong>ch</strong> da<strong>ch</strong>te, i<strong>ch</strong> hätte den heiligen Geist gehabt und verteilen dürfen. I<strong>ch</strong> da<strong>ch</strong>te,<br />

i<strong>ch</strong> wäre ein Christus-Apostel wie Johannes und Petrus und Paulus gewesen.“ Christen müssen Geister<br />

unters<strong>ch</strong>eiden können und müssen gegen die Stimmen in ihrer Brust auf <strong>der</strong> Hut sein. Das gilt au<strong>ch</strong> von den<br />

Anhängern. Nur dies eine können wir jenen angebli<strong>ch</strong>en Neu-Aposteln, jenen angebli<strong>ch</strong>en Führern zur ewigen<br />

Seligkeit, jenen angebli<strong>ch</strong>en „Christus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel“ sagen: „Irret eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Gott lässt seiner ni<strong>ch</strong>t<br />

spotten !“ S<strong>ch</strong>leier wollen wir hier lüften und Verkleidungen abmontieren. Was sollte es uns interessieren<br />

können, dass jener Geyer o<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>wartz o<strong>der</strong> Krebs, Fritz o<strong>der</strong> „Stamnmapostel“ Niehaus o<strong>der</strong> Bis<strong>ch</strong>off sagen:<br />

„I<strong>ch</strong> bin die Verkörperung Christi, i<strong>ch</strong> bin Gottes Prophet, i<strong>ch</strong> bin geisterfüllter „Apostel“ Christi, i<strong>ch</strong> bin<br />

„Christus im Fleis<strong>ch</strong>e des Apostels“. Fritz Krebs nannte si<strong>ch</strong>, wie wir no<strong>ch</strong> hören werden, sogar selbst Christus<br />

persönli<strong>ch</strong> und sein eigenes Fleis<strong>ch</strong> Christi Leib im heiligen Abendmahl. Diese neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel<br />

haben einen geistigen Vetter. Er heisst Joseph Weissenberg. Er selbst nannte si<strong>ch</strong> die Verkörperung des heiligen<br />

Geistes und seine Anhänger nannten ihn „Unseren Gott, <strong>der</strong> wie vor 2'000 Jahren Fleis<strong>ch</strong> und Blut angenommen<br />

hat“. Göttli<strong>ch</strong>er Meister liess er si<strong>ch</strong> anreden. Erst war er Maurer, dann Kellner, ans<strong>ch</strong>liessend Dros<strong>ch</strong>kenkuts<strong>ch</strong>er,<br />

dana<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>ankwirt. Als er seine Sekte anfing und bald 100'000 Anhänger in dem angebli<strong>ch</strong><br />

aufgeklärten Berlin hatte, war er zuletzt <strong>der</strong> „göttli<strong>ch</strong>e Meister“. Jener Weissenberg, Joseph, wagte sogar die<br />

kecke Rede: „I<strong>ch</strong> bin als die Verkörperung Gottes, früher Mose gewesen, dann Elia, später Johannes <strong>der</strong> Täufer.<br />

Jetzt bin i<strong>ch</strong> Weissenberg als Gott im Fleis<strong>ch</strong>.“ Ist das ni<strong>ch</strong>t neu-apostolis<strong>ch</strong>e Vetterns<strong>ch</strong>aft ! Sagt man hier ni<strong>ch</strong>t<br />

so ers<strong>ch</strong>reckend ähnli<strong>ch</strong>: „Hier ist Jesus Christus in <strong>der</strong> fleis<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Hülle des geliebten Apostels ? – Ni<strong>ch</strong>t in<br />

Gräbern, ni<strong>ch</strong>t in Grüften ist <strong>der</strong> Heiland Jesus Christ. Hier im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel zeigt er si<strong>ch</strong> dem<br />

Kin<strong>der</strong>sinn. – Ja, nirgends auf dem Erdenrund fühlt‘ i<strong>ch</strong> so frei mi<strong>ch</strong> von Bes<strong>ch</strong>werde als an <strong>der</strong> Brust von<br />

Vater Krebs, da war mein Himmel auf <strong>der</strong> Erde.“ In Amerika lässt si<strong>ch</strong> ein Neger als Göttli<strong>ch</strong>er Vater, englis<strong>ch</strong><br />

Father Divine verehren. Die anmassenden Reden sind vers<strong>ch</strong>ieden, aber überall ist <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> glei<strong>ch</strong>e, sind<br />

zwar die Rhythmen und Akkorde dieser seltsamen Musik verirrter religiöser Leidens<strong>ch</strong>aften und Sehnsü<strong>ch</strong>te<br />

vers<strong>ch</strong>ieden, aber die Grundmelodie ist dieselbe. Es ist im Beispiel immer die eine Melodie, die na<strong>ch</strong><br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Texten und vers<strong>ch</strong>ieden au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Tempo und Lautstärke gesungen wird. Wir aber sagen es frei<br />

heraus: „Wir sehen hinter all diesem Treiben und anmassenden Reden immer nur einen, den Zerstreuer, den<br />

Diabolos, den Teufel.“ Denn au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Satan verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts. Da helfen au<strong>ch</strong> keine frommen<br />

und zu Herzen gehenden Reden, die man<strong>ch</strong>e Anhänger zu Tränen rühren mögen.<br />

So fing es bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en keck und kühn an. Sie redeten s<strong>ch</strong>ön, sie rührten Leute zu<br />

Tränen, sie gaben massive Si<strong>ch</strong>erheiten über die Zukunft Christi und über den eigenen Platz ihrer Anhänger im<br />

Himmel. Sie boten und bieten si<strong>ch</strong> selbst als Si<strong>ch</strong>erheiten mit <strong>der</strong> Gabe des heiligen Geistes an. Und sie erfanden<br />

Quellenmaterial Seite 68


si<strong>ch</strong> dazu einen ganz s<strong>ch</strong>lauen Weg. Sie sagten: „Sind wir Apostel Christi, können wir au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e dazu<br />

ernennen. Haben wir den heiligen Geist als festen Besitz, können wir ihn au<strong>ch</strong> an an<strong>der</strong>e austeilen. Das alles<br />

ma<strong>ch</strong>en wir sehr feierli<strong>ch</strong>. Dann glaubt man es lei<strong>ch</strong>ter. So können wir mit Handauflegen und allerlei religiösen<br />

Zeremonien feststellen: Von jetzt ab ist dieser au<strong>ch</strong> ein wahrer Apostel Christi. Im Fleis<strong>ch</strong>e dieses Apostels ist<br />

au<strong>ch</strong> Christus. Im Fleis<strong>ch</strong>e dieses Apostels zeigt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Gott dem Kin<strong>der</strong>sinn. Von jetzt ab ist au<strong>ch</strong> an <strong>der</strong><br />

Brust dieses neu ernannten Apostels <strong>der</strong> Himmel auf <strong>der</strong> Erde. Hauptsa<strong>ch</strong>e ist und bleibt, dass die Leute es<br />

glauben. Glauben sie es, haben wir gewonnen.“<br />

Als zweiter Punkt kommt die Sa<strong>ch</strong>e mit <strong>der</strong> Bibel. Dort steht viel von Aposteln ges<strong>ch</strong>rieben. Was ist zu<br />

tun ? – Sehr einfa<strong>ch</strong> ist die Antwort. Man sagt den Anhängern: „Liebe Leute, alles was in <strong>der</strong> Bibel von den<br />

Aposteln gesagt ist, passt auf uns. Für uns ist es geweissagt. Wir sind immer gemeint. An<strong>der</strong>s kann es ni<strong>ch</strong>t sein.<br />

Wir sind, wie ihr wisst, die ri<strong>ch</strong>tigen Apostel Christi, wie einst Petrus und Johannes und Andreas ri<strong>ch</strong>tige<br />

Apostel Christi waren. Ja, wir sind für eu<strong>ch</strong>, liebe Anhänger, Brü<strong>der</strong> und S<strong>ch</strong>western, no<strong>ch</strong> viel mehr. Diese dort<br />

sind jetzt tot. Was kann uns s<strong>ch</strong>on ein toter Apostel nützen. Wir sind lebendig, wie ihr seht. In uns habt ihr<br />

lebende Apostel. In unserem Fleis<strong>ch</strong> zeigt si<strong>ch</strong> Gott dem Kin<strong>der</strong>sinn.“<br />

Allerdings wird es s<strong>ch</strong>on an dieser Stelle für die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en, soweit sie einen nü<strong>ch</strong>ternen<br />

Verstand si<strong>ch</strong> bewahrt haben, hö<strong>ch</strong>st peinli<strong>ch</strong>. In <strong>der</strong> Bibel sind ja die allein wahren Apostel Christi dur<strong>ch</strong><br />

göttli<strong>ch</strong>e Wun<strong>der</strong>taten ausgewiesen. Petrus, <strong>der</strong> wahre Apostel Christi, hat einen von Mutterleibe an Lahmen in<br />

Jesu Namen aus <strong>der</strong> Kraft des heiligen Geistes geheilt (Apostelges<strong>ch</strong>. 3). Von den allein wahren Aposteln Christi<br />

wird beri<strong>ch</strong>tet, dass sie am 1. Pfingsten na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>giessung des heiligen Geistes, die sie ni<strong>ch</strong>t keck und kühn<br />

nur behaupteten, son<strong>der</strong>n die man sah, in fremden, ihnen bisher unbekannten Spra<strong>ch</strong>en predigten. Petrus hat aus<br />

<strong>der</strong> Kraft des heiligen Geistes die beiden frommen Betrüger Ananias und Saphira entlarvt und ihnen ihren<br />

unmittelbar dana<strong>ch</strong> folgenden Tod prophezeit (Apostelges<strong>ch</strong>. 5). <strong>Aus</strong>drückli<strong>ch</strong> heisst es: „Es ges<strong>ch</strong>ahen aber<br />

viele Zei<strong>ch</strong>en und Wun<strong>der</strong> dur<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Apostel Hände“ (Apostelges<strong>ch</strong>. 5, 12). Die Zahl dieser Zei<strong>ch</strong>en und<br />

Wun<strong>der</strong> war so gross, dass man sie gar ni<strong>ch</strong>t aufs<strong>ch</strong>reiben konnte, ohne die Bibel in ein unförmig grosses Bu<strong>ch</strong><br />

zu verwandeln. Aber wi<strong>ch</strong>tiger ist die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass die allein wahren Apostel Christi Jesus Christus persönli<strong>ch</strong><br />

in seinen Erdentagen gekannt, mit ihm geredet, seine Wun<strong>der</strong>taten gesehen und von Jesus den Auftrag zu<br />

Wun<strong>der</strong>taten und Evangeliumspredigt erhalten haben. Sie haben mit ihren eigenen Augen den Auferstandenen<br />

persönli<strong>ch</strong> gesehen, mit ihren eigenen Ohren persönli<strong>ch</strong> gehört und mit ihren eigenen Händen persönli<strong>ch</strong><br />

betastet. Jedes S<strong>ch</strong>ulkind kennt die <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> von dem anfangs ungläubigen Thomas. Endli<strong>ch</strong> haben sie ausser<br />

dem Verräter Judas die wun<strong>der</strong>bare Erhöhung o<strong>der</strong> Himmelfahrt Christi gesehen. So sind sie Zeugen. Nur weil<br />

sie Zeugen sind, glauben wir ihnen. Ihr Zeugnis ist heute wie zu allen Zeiten <strong>der</strong> Vergangenheit und Zukunft ein<br />

lebendiges Zeugnis voller Kraft. „Gottes Wort ist lebendig und kräftig.“ Dagegen sind die Reden von Leuten, die<br />

denken und behaupten, den heiligen Geist zu haben, und eben ni<strong>ch</strong>t Augenzeugen sein können, natürli<strong>ch</strong> stets<br />

nur tote Worte ohne Wert, wenn si<strong>ch</strong> diese Mens<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> tausendmal „Apostel“ selbst nennen und nennen<br />

lassen. Nur die Augenzeugen Christi sind <strong>der</strong> lebendige Beweis: „Es ist alles Wahrheit, was uns von Christus<br />

beri<strong>ch</strong>tet wird." Gerade diesen apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen hat <strong>der</strong> Auferstandene persönli<strong>ch</strong> verheissen: „Ihr<br />

werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen !“ Es dauerte wenige Tage, da erfüllte es si<strong>ch</strong> bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong>. Es<br />

ges<strong>ch</strong>ah das Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>giessung des heiligen Geistes unter gewaltigen Gotteswun<strong>der</strong>n. Da waren keine<br />

leeren Behauptungen: „Ja, ja, wir haben den heiligen Geist.“ Nein, da sah man es, da hörte man es. Da waren<br />

ni<strong>ch</strong>t persönli<strong>ch</strong>e Behauptungen, son<strong>der</strong>n gewaltige Taten. Natürli<strong>ch</strong> kann es diesen allein wahren Aposteln ni<strong>ch</strong>t<br />

je<strong>der</strong> na<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>en, <strong>der</strong> von si<strong>ch</strong> denkt: „I<strong>ch</strong> bin au<strong>ch</strong> ein wahrer Apostel Christi.“<br />

Aber wir haben bis jetzt no<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t die Stelle aus <strong>der</strong> Bibel angeführt, die diese neu-apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Neu-Apostel ni<strong>ch</strong>t nur als „trügli<strong>ch</strong>e Arbeiter und fals<strong>ch</strong>e Apostel“ na<strong>ch</strong>weist, son<strong>der</strong>n sie geradezu völlig<br />

aufhebt. Es ist die Stelle Apostelges<strong>ch</strong>. 1, 21 und 22. Dort wird beri<strong>ch</strong>tet, wie ein neuer Apostel Christi von Gott<br />

gesetzt wurde. Denn ni<strong>ch</strong>t Mens<strong>ch</strong>en werden setzen, son<strong>der</strong>n Gott h a t gesetzt aufs erste die Apostel, wie<br />

Paulus 1. Kor. 12, 28 und Ephes. 4, 11 ganz klar sagt. Wie Gott, <strong>der</strong> Herr, selbst einen Mann für den Verräter<br />

Judas gesetzt h a t, erfahren wir also. Wäre ein Krebs, Fritz o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er <strong>der</strong> Neu-Apostel zu den allein<br />

wahren Aposteln Christi gekommen und hätte gesagt: „I<strong>ch</strong> bin <strong>der</strong> neue. Mir hat es <strong>der</strong> heilige Geist gesagt“, -<br />

wie wären ihn Christi Apostel als Lügengeist angegangen ! Und hätte jener sogar no<strong>ch</strong> mit Zaubertaten<br />

aufgewartet, hätten sie ihn als den zum Engel Gottes verstellten Satan gestraft. Warum das ? Antwort ist<br />

Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 1, 21 und 22. Hier tritt diese Stelle gewaltig in Kraft. Sie sagt, wer als wahrer neuer Apostel<br />

Na<strong>ch</strong>folger des Judas sein kann: „So muss einer unter diesen Männern, die bei uns gewesen sind die ganze Zeit<br />

über, wel<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Herr Jesus unter uns ist aus- und eingegangen, von <strong>der</strong> Taufe des Johannes an bis auf den Tag,<br />

da er von uns genommen ist, ein Zeuge seiner Auferstehung mit uns werden.“ Jetzt haben wir den harten und<br />

klaren Beweis in <strong>der</strong> Hand. Nur ein Augenzeuge des lebenden und des aus dem Tode auferstandenen Christus<br />

durfte anstelle des Judas-Verräters ein neuer Apostel Christi werden. Vor den Augen des sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> und nü<strong>ch</strong>tern<br />

urteilenden Betra<strong>ch</strong>ters bri<strong>ch</strong>t mit dieser Stelle bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> gesamte Wust katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>er, neuapostolis<strong>ch</strong>er,<br />

Julius-Fis<strong>ch</strong>er-apostolis<strong>ch</strong>er und sonstiger si<strong>ch</strong> „apostolis<strong>ch</strong> neuer Art“ nennen<strong>der</strong> <strong>Sekten</strong> in si<strong>ch</strong><br />

zusammen. Apostel Christi im strengen Sinne heisst Augenzeuge Christi. So wurde <strong>der</strong> Augenzeuge Matthias<br />

dur<strong>ch</strong> das Los bestimmt. Die Sa<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en Apostel, die si<strong>ch</strong> dann als ein so gewaltiger<br />

Quellenmaterial Seite 69


Irrtum erwiesen hat, war von Anfang an eine reine Phantasterei. Augenzeuge ist Augenzeuge. Augenzeugen sind<br />

unwie<strong>der</strong>holbar. Hier kann keiner sagen: „Jetzt bin i<strong>ch</strong> Augenzeuge.“ Augenzeuge bedeutet: Die Augen müssen<br />

Zeuge gewesen sein. So glei<strong>ch</strong>t Apostelges<strong>ch</strong>. 1, 21 und 22 einem gewaltigen Felsblock. Niemand kann ihn<br />

wegreden. Da hilft au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t das Wort jener neuen S<strong>ch</strong>riftgelehrten. So heisst Apostel im strengen Sinne<br />

Augenzeugen Christi, und apostolis<strong>ch</strong> bedeutet: aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi, dasjenige, das von den<br />

Augenzeugen herstammt, dur<strong>ch</strong> Augenzeugen Christi geprüft, bestätigt und als <strong>ch</strong>ristusgemäss anerkannt ist,<br />

ni<strong>ch</strong>ts sonst. Daher ist in <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> die heilige Taufe und das heilige Abendmahl apostolis<strong>ch</strong> von<br />

Christi Augenzeugen her. Ein Wort o<strong>der</strong> Befehl aus <strong>der</strong> unmittelbaren Nähe <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen<br />

Christi ist ein apostolis<strong>ch</strong>es Wort. Das Glaubensbekenntnis aus dem Munde <strong>der</strong> Augenzeugen o<strong>der</strong> ihrer<br />

unmittelbaren Umgebung, zu dem sie ihr Ja gegeben haben, ist ein apostolis<strong>ch</strong>es Glaubensbekenntnis. Ein<br />

sol<strong>ch</strong>es späterer Zeit ist ein na<strong>ch</strong>apostolis<strong>ch</strong>es Glaubensbekenntnis. Aber gültig ist es nur, wenn es ni<strong>ch</strong>t <strong>der</strong><br />

Verkündigung <strong>der</strong> Augenzeugen Christi als <strong>der</strong> allein wahren Apostel wi<strong>der</strong>spri<strong>ch</strong>t. So kann si<strong>ch</strong> heute niemand<br />

hinstellen und so reden o<strong>der</strong> so tun, als hätte sein Wort den glei<strong>ch</strong>en Rang wie das <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Augenzeugen Christi. Je<strong>der</strong> steht hier immer unter den Augenzeugen Christi und ist entwe<strong>der</strong> ihr S<strong>ch</strong>üler o<strong>der</strong><br />

ein S<strong>ch</strong>wätzer. Ein Drittes gibt es ni<strong>ch</strong>t. Wer also im strengen Sinne Apostel und apostolis<strong>ch</strong> sagt, sagt immer<br />

zuglei<strong>ch</strong>: Augenzeugen und aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi. Jetzt verstehen wir, dass man Paulus ebenfalls<br />

einen Apostel Christi nennen muss. Er selbst nannte si<strong>ch</strong> eine unzeitige Geburt, 1. Kor. 15, 8. Einige Zeilen<br />

weiter sagt er: „I<strong>ch</strong> bin <strong>der</strong> geringste unter den Aposteln, dass i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wert bin, dass i<strong>ch</strong> ein Apostel heisse.“ So<br />

ho<strong>ch</strong> denkt Paulus von <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugens<strong>ch</strong>ar. Derselbe Paulus sagt 1. Kor. 9, 1: „Bin i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

ein Apostel ? Bin i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t frei ? Habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t unsern Herrn Jesus Christus g e s e h e n ?“ Ähnli<strong>ch</strong> heisst es<br />

von dem glei<strong>ch</strong>en Paulus 1. Kor. 15, 8: „Am letzten na<strong>ch</strong> allen ist er au<strong>ch</strong> (Christus) von mir (Paulus) als einer<br />

unzeitigen Geburt g e s e h e n worden.“ Wer von <strong>der</strong> biblis<strong>ch</strong>en <strong>Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te</strong> einige Ahnung hat, weiss, dass<br />

dieser Paulus zuerst ein Verfolger war und dann vor Damaskus dur<strong>ch</strong> Jesus persönli<strong>ch</strong> berufen wurde. Nur <strong>der</strong><br />

frühere Saulus und spätere Paulus sah das Himmelsli<strong>ch</strong>t, ni<strong>ch</strong>t aber irgend einer seiner Begleiter (Apostelges<strong>ch</strong>.<br />

9, 7). Es kommt also alles auf die wahre Augenzeugens<strong>ch</strong>aft für die wahren Apostel Christi an. Das ist ganz klar.<br />

An<strong>der</strong>s würde jedem Neuerer Tür und Tot geöffnet. Er brau<strong>ch</strong>te nur keck seine Berufung dur<strong>ch</strong> den heiligen<br />

Geist zu behaupten und dürfte dann glei<strong>ch</strong> als „neuer Apostel“ loslegen und Leute begeistern gehen. Bei Paulus<br />

kommt no<strong>ch</strong> hinzu, dass er seit dem ersten Tage seiner Berufung in die Welt <strong>der</strong> Augenzeugen aus den Zwölf<br />

eintrat, diese befragen und si<strong>ch</strong> mit ihnen beraten konnte. So lebte er ganz und gar aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft<br />

Christi heraus. <strong>Aus</strong> <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi war, um ein Beispiel zu nennen, au<strong>ch</strong> das Markus-<br />

Evangelium, obwohl es kein unmittelbarer Augenzeuge ges<strong>ch</strong>rieben hat, son<strong>der</strong>n Markus, <strong>der</strong> Dolmets<strong>ch</strong>er des<br />

Petrus. Es war dadur<strong>ch</strong>, dass es aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi stammt, stets ein apostolis<strong>ch</strong>es Werk. Das<br />

glei<strong>ch</strong>e gilt etwa von dem Lukas-Ervangelium und <strong>der</strong> Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, die beide von dem grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Arzt<br />

Lukas na<strong>ch</strong> Augenzeugenberi<strong>ch</strong>ten verfasst wurden. So sind die Worte aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi<br />

natürli<strong>ch</strong> lebendige Worte voll Geist und Kraft. Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en stellen die Dinge auf den Kopf. Sie<br />

sagen: „Was <strong>der</strong> Bahnmeister Krebs, Fritz o<strong>der</strong> sonst ein Neu-Apostel gesagt hat, ist lebendiges Apostelwort.<br />

Was aber <strong>der</strong> Jünger Johannes, <strong>der</strong> den Auferstandenen gesehen, <strong>der</strong> unter dem Kreuz Christi gestanden hat, uns<br />

beri<strong>ch</strong>tet und verkündet, ist totes Wort.“ Ein sogenannter Stammapostel, Niehaus, hatte die bodenlose Keckheit,<br />

das Wort <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen zu verhöhnen. Er nannte die Bibel s<strong>ch</strong>immliges Brot und<br />

abgestandenes Wasser. Geradezu gotteslästerli<strong>ch</strong> sind die folgenden Worte des besagten „Stammapostels“<br />

Niehaus: „I<strong>ch</strong> hatte au<strong>ch</strong> eine Bibel und legte sie auf den S<strong>ch</strong>rank und fand na<strong>ch</strong> einiger Zeit, die Mäuse hatten<br />

Jesum und die Apostel aufgefressen. Das ist euer Jesus, das sind eure Apostel, vor denen ni<strong>ch</strong>t einmal eine Maus<br />

Respekt hat.“ Für wie einfältig muss dieser neu-apostolis<strong>ch</strong>e fals<strong>ch</strong>e Apostel und trügli<strong>ch</strong>e Arbeiter Niehaus,<br />

Stammapostel, seine neu-apostolis<strong>ch</strong>en Anhänger gehalten haben ! Man denke si<strong>ch</strong>: Eine Mutter hat einen Brief<br />

von ihrem gefallenen Sohn. Darin s<strong>ch</strong>reibt er zum letzten Mal von seiner Liebe zur Mutter, von seinen Gebeten<br />

für seine liebe Mutter und von seiner Sehnsu<strong>ch</strong>t, ihr im Alter eine Stütze zu sein. Dann fällt <strong>der</strong> Sohn. Die Mutter<br />

hat als s<strong>ch</strong>önstes Kleinod diesen Brief. Darin spri<strong>ch</strong>t ihr Sohn zu ihr. Sie sieht, sie hört ihn geradezu. Alle Worte<br />

sind seine Worte. Nun kommt sol<strong>ch</strong> ein Niehaus, Stammapostel, und sagt: "Dieser Brief ist ni<strong>ch</strong>ts wert. Lege ihn<br />

auf den S<strong>ch</strong>rank. Wenn ihn die Mäuse zerfressen, haben die Mäuse deinen Sohn aufgefressen.“ Ja, ist denn <strong>der</strong><br />

Brief eines gefallenen Sohnes nur das Papier, auf das er ges<strong>ch</strong>rieben wurde ? Ist er nur die Tinte, die verwendet<br />

wurde, o<strong>der</strong> ist er ni<strong>ch</strong>t eben <strong>der</strong> Brief voll Geist und Leben ! Bei den Augenzeugen Christi gilt das alles in<br />

einem no<strong>ch</strong> unendli<strong>ch</strong> erhöhten Masse. Ihr Wort ist Geist und Leben und Kraft und Trost und vor allem Beweis,<br />

dass alles wahr ist, bis einst diese Welt vergeht. Wie kann da sol<strong>ch</strong> ein Niehaus, Stammapostel, in jener Weise<br />

Gottes Wort verhöhnen und Christus mit seinen Augenzeugen lästern. Aber <strong>der</strong> Trick, <strong>der</strong> dahinter steckt, ist<br />

dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tig. Hö<strong>ch</strong>ste Autorität soll ni<strong>ch</strong>t Gottes heiliges Wort, son<strong>der</strong>n in Glaubensdingen <strong>der</strong> Herr Niehaus,<br />

Landwirt und Stammapostel, sein und bleiben. Um Kritik aus Gottes Wort zu ers<strong>ch</strong>üttern, muss man Gottes<br />

Wort verspotten. Heute ist man darin behutsamer und s<strong>ch</strong>lauer. Wie<strong>der</strong> erinnern wir uns hier des<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Gotteswortes: „Er selbst, <strong>der</strong> Satan, verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts.“ 2. Kor. 11, 14.<br />

Quellenmaterial Seite 70


) Kurzes Zwis<strong>ch</strong>enspiel über den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propaganda-Trick mit den<br />

unstudierten und daher ho<strong>ch</strong>gelobten Neu-Aposteln<br />

No<strong>ch</strong> ein kurzes Wort zur Frage <strong>der</strong> sogenannten Apostel <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en ist hier notwendig.<br />

Dazu eine kleine Vorbemerkung: Ein neu-apostolis<strong>ch</strong>er Propaganda-Kniff lautet: „Seht, liebe Leute, die Diener<br />

<strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> sind studierte Leute. Unsere neu-apostolis<strong>ch</strong>en „Apostel“ und <strong>der</strong> liebe Stammapostel – eben au<strong>ch</strong><br />

jener Niehaus – waren und sind unstudierte Leute. Der erste, <strong>der</strong> si<strong>ch</strong> selbst zum Stammapostel ausrief, Fritz<br />

Krebs, war bei <strong>der</strong> Eisenbahn, <strong>der</strong> heutige Stammapostel war früher Maurer, Niehaus war Landwirt. Seht ihr,<br />

liebe Leute, alles unstudierte Leute. Die Jünger Jesu waren au<strong>ch</strong> unstudierte Leute. Also sind in diesem Punkt<br />

die Jünger Jesu und die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel genau dasselbe. Kommt also zu uns ! Bei uns findet ihr<br />

ni<strong>ch</strong>t wie in den <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n studierte, son<strong>der</strong>n unstudierte Leute.“ In einigen Punkten wollen wir hier antworten:<br />

1. Die Jünger Jesu waren die hö<strong>ch</strong>ststudierten Männer aller Zeiten. Sie gingen zu dem gewaltigsten<br />

Lehrer aller Zeiten in die S<strong>ch</strong>ule. Er hiess Jesus. Er übertraf alle Gelehrten seines Volkes. Könnten<br />

heute die Diener <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> drei Jahre, ja au<strong>ch</strong> nur ein Jahr Tag um Tag mit Jesus gehen wie einst<br />

Jesu Jünger, brau<strong>ch</strong>ten sie ni<strong>ch</strong>t mehr Jahr um Jahr in harter geistiger Arbeit, in emsigem Studieren<br />

Nervenkräfte zu opfern, nur um die Wahrheit Gottes in Christus zu ergründen. Sie brau<strong>ch</strong>ten<br />

alsdann ni<strong>ch</strong>t Nervenkräfte zu opfern, um die Spra<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Bibel zu erlernen und was uns als Weg<br />

Gottes die apostolis<strong>ch</strong>e und die na<strong>ch</strong>apostolis<strong>ch</strong>e Zeit lehrt. Denn Studieren, - das sollen si<strong>ch</strong> mal<br />

jene Propaganda-Helden <strong>der</strong> Unstudierten aus den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en hinter die Ohren s<strong>ch</strong>reiben –<br />

heisst ni<strong>ch</strong>t: angeben, gross tun und dabei immer dümmer werden, son<strong>der</strong>n Studieren heisst: in<br />

eiserner geistiger Arbeit Tag und Na<strong>ch</strong>t die Wahrheit erfors<strong>ch</strong>en.<br />

2. Neben diesen bei Jesus, mit Jesus und dur<strong>ch</strong> Jesus ho<strong>ch</strong>studiert gewordenen Christus-Aposteln gab<br />

es no<strong>ch</strong> apostolis<strong>ch</strong>e Augenzeugen Christi und Männer aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi, die an<br />

damaligen Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ulen studiert haben. Als ersten und gewaltigsten Vertreter <strong>der</strong> studierten<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi nennen wir den Apostel Paulus. Er war ein S<strong>ch</strong>üler des grossen<br />

Gelehrten, Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ul-Professors und Ratsherrn von Jerusalem Gamaliel (Apostelges<strong>ch</strong>. 5, 34 und<br />

22, 3). Als nä<strong>ch</strong>sten nennen wir den Evangelisten Lukas. Er war ein studierter Arzt. Als nä<strong>ch</strong>sten<br />

nennen wir Nikodemus, <strong>der</strong> bei Na<strong>ch</strong>t zu Jesus gekommen war. Als nä<strong>ch</strong>sten nennen wir Joseph<br />

von Arimathia. Aber s<strong>ch</strong>on <strong>der</strong> Apostel Paulus s<strong>ch</strong>lägt jene üblen Propaganda-Methoden<br />

zusammen.<br />

3. Diesen dritten Punkt müssen wir mit den Worten übers<strong>ch</strong>reiben: Sie essen von unserem Tis<strong>ch</strong>. Aber<br />

ihr Vergelt’s Gott ist Spott und Hohn ! Sie s<strong>ch</strong>elten die Studierten in den <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n. Aber von den<br />

Studierten haben sie überhaupt erst die Bibel in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e. Auf evangelis<strong>ch</strong>er und auf<br />

katholis<strong>ch</strong>er Seite haben studierte Diener <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> das Alte Testament aus <strong>der</strong> hebräis<strong>ch</strong>en und<br />

das Neue Testament aus <strong>der</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e ins Deuts<strong>ch</strong>e übersetzt. Der erste und grösste<br />

Übersetzer war Martin Luther, <strong>der</strong> Reformator. Werden alte Bibelhands<strong>ch</strong>riften entdeckt, kann man<br />

ni<strong>ch</strong>t den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Stammapostel fragen gehen: „Was steht hier ?“ Nur studierte Männer<br />

und Frauen können diese lesen. Nur studierte Mens<strong>ch</strong>en konnten und können die apostolis<strong>ch</strong>e und<br />

na<strong>ch</strong>apostolis<strong>ch</strong>e Zeit und die geistige Umwelt Jesu erfors<strong>ch</strong>en. Freili<strong>ch</strong>, die studierten Diener <strong>der</strong><br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> s<strong>ch</strong>auen den <strong>Sekten</strong>aposteln auf die Finger und klopfen wohl au<strong>ch</strong> mal gelegentli<strong>ch</strong> darauf.<br />

Und so etwas gefällt jenen ni<strong>ch</strong>t allzusehr. Daher ihr Zorn, ihr Spott und Hohn.<br />

4. Die studierten Diener <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n können die Bibel in den Urspra<strong>ch</strong>en lesen und auslegen. Bei<br />

ihnen hätten si<strong>ch</strong> die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel, ein Krebs, Fritz, ein Niehaus und alle übrigen<br />

bis auf den heutigen Tag befragen sollen. Alsdann wäre die Christenheit um man<strong>ch</strong>e Abspaltung<br />

und Unruhe ärmer. Dort hätten jene Neu-Apostel au<strong>ch</strong> erfahren können, dass es mit dem Wort<br />

„Apostel“ – ja höret und staunet ! – no<strong>ch</strong> seine beson<strong>der</strong>e Bewandtnis hat Da muss man eben<br />

Kenntnisse haben. Diese kommen ni<strong>ch</strong>t aus ni<strong>ch</strong>ts, son<strong>der</strong>n wollen dur<strong>ch</strong> Studieren gewonnen,<br />

errungen, eisern erarbeitet werden. Sonst verwe<strong>ch</strong>selt man die Begriffen. Das ist allerdings au<strong>ch</strong> bei<br />

jenen Neu-Aposteln kräftig ges<strong>ch</strong>ehen. Beweis ? – Hier ist er.<br />

Bisher haben wir erläutert, dass Apostel im strengen Sinne in <strong>der</strong> Bibel Augenzeugen Christi und<br />

apostolis<strong>ch</strong> im strengen Sinne: aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft Christi o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft<br />

Christi her bedeutet. Nun kommt im Neuen Testament dieses Wort „Apostel“ no<strong>ch</strong> im weiteren Sinne<br />

vor, im ni<strong>ch</strong>t-strengen Sinne also. Man sagt in <strong>der</strong> Wissens<strong>ch</strong>aft: im weiteren Sinne und im strengen<br />

o<strong>der</strong> im engeren Sinne. Dadur<strong>ch</strong> verhütet man, das Begriffe verwe<strong>ch</strong>selt werden. Ein kleines Beispiel<br />

soll das kurz erläutern: Wir haben das deuts<strong>ch</strong>e Wort „Bots<strong>ch</strong>after“. Im weiteren Sinne ist es je<strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>, <strong>der</strong> eine Bots<strong>ch</strong>aft überbringt. Das kann beim Kriegsspiel <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ein Bube sein, <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Gegenpartei die Bots<strong>ch</strong>aft überbringt: „Jetzt ist zwis<strong>ch</strong>en uns Friede !“ Er ist <strong>der</strong> Bots<strong>ch</strong>after <strong>der</strong> einen<br />

Partei zur an<strong>der</strong>en. Es kann irgend jemand sein. Aber im engeren Sinne o<strong>der</strong> im strengen Sinne ist<br />

„Bots<strong>ch</strong>after“ ein fest geprägtes Wort, ein fest geprägter Begriff. Es bedeutet alsdann „Bots<strong>ch</strong>after“ein<br />

ganz bestimmtes Amt eines ganz bestimmten Mens<strong>ch</strong>en. So wird es im politis<strong>ch</strong>en Leben <strong>der</strong> Völker<br />

Quellenmaterial Seite 71


gebrau<strong>ch</strong>t. Francois-Poncet war französis<strong>ch</strong>er Bots<strong>ch</strong>after in Deuts<strong>ch</strong>land. Er hatte dieses bestimmte<br />

Amt und diese bestimmte Amtsbezei<strong>ch</strong>nung „Bots<strong>ch</strong>after“. Sein Wohnsitz war Berlin. Genau so ist es<br />

mit dem Wort „Apostel“ im Neuen Testament bestellt. Im engeren o<strong>der</strong> strengen Sinne meint es die<br />

Augenzeugen Christi. Aber im weiteren Sinne heisst es genau übersetzt: Abgesandter, Bote und<br />

lateinis<strong>ch</strong> ausgedrückt: Missionar. Die Apostel im strengen o<strong>der</strong> engeren Sinne als die Augenzeugen<br />

Christi hatten den Auftrag bis an <strong>der</strong> Welt Ende. Damals da<strong>ch</strong>te man si<strong>ch</strong> die Erde als eine S<strong>ch</strong>eibe, die<br />

ein Ende hat. Heute wissen wir, dass die Erde eine Kugel ist. Heute würde man also ni<strong>ch</strong>t sagen: Bis an<br />

<strong>der</strong> Welt Ende, son<strong>der</strong>n: auf <strong>der</strong> ganzen Erdkugel. Im weiteren Sinne also heisst „Apostel“ Abgesandter,<br />

Bote o<strong>der</strong> wie wir au<strong>ch</strong> sagen: Missionar. Wie<strong>der</strong> ein kleines Beispiel: In Röm. 16, 7 steht: „Grüsset mir<br />

Andronikus und den Junias, meine Gefreundeten und meine Mitgefangenen, wel<strong>ch</strong>e sind berühmte<br />

Apostel ...“ Hier sagen die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en: „Seht ihr, seht ihr, es waren also au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e als die<br />

Augenzeugen ri<strong>ch</strong>tige Apostel !“, und s<strong>ch</strong>on sind sie wie<strong>der</strong> hereingefallen. Es heisst nämli<strong>ch</strong> in <strong>der</strong><br />

grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e genau übersetzt: „... wel<strong>ch</strong>e sind berühmt bei den Aposteln ...“ Dazu studiert man<br />

ja die Spra<strong>ch</strong>en, dass man au<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t haars<strong>ch</strong>arfe Übersetzung glei<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig versteht und ni<strong>ch</strong>t<br />

dummes Zeug redet. „... Wel<strong>ch</strong>e sind berühmt bei den Aposteln ...“, das heisst: ihr Ruhm ist bei den<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen gross. Aber bleiben wir bei <strong>der</strong> ungenauen Übersetzung. Sie erklärt als<br />

Beispiel die Sa<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> besser: „... wel<strong>ch</strong>e sind berühmte Apostel ...“ Was bedeutet hier „Apostel“ ?<br />

Heisst es dasselbe wie Apostel Johannes o<strong>der</strong> Petrus ? Lesen wir dazu die an<strong>der</strong>e Stelle: 2. Kor. 8, 23:<br />

„Wir sind grosser Zuversi<strong>ch</strong>t zu eu<strong>ch</strong>, es sei des Titus halben, wel<strong>ch</strong>er mein Geselle und Gehilfe unter<br />

eu<strong>ch</strong> ist, o<strong>der</strong> unserer Brü<strong>der</strong> halben, wel<strong>ch</strong>e B o t e n sind <strong>der</strong> Gemeinde.“ So, und nun sehen wir uns<br />

diese Sa<strong>ch</strong>e in <strong>der</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e an, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Apostel Paulus beide Stellen ges<strong>ch</strong>rieben hat. Im<br />

Deuts<strong>ch</strong>en heisst es das eine Mal „Apostel“ und das an<strong>der</strong>e Mal „Boten“. Im grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Neuen<br />

Testament steht beide Male: A p o s t o l i, zu deuts<strong>ch</strong>: Apostel. Luther hätte beide Mal entwe<strong>der</strong><br />

Apostel o<strong>der</strong> Boten übersetzen können. Es heisst beide Male: Boten, Abgesandte o<strong>der</strong> wie wir au<strong>ch</strong><br />

sagen könnten: Missionare. Hier ist das grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Wort „Apostoloi“ im weiteren Sinne gebrau<strong>ch</strong>t.<br />

Jetzt ist alles klargestellt. Weil die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en hier die Begriffe verwe<strong>ch</strong>seln und diesen<br />

Unters<strong>ch</strong>ied aus Unkenntnis eben ni<strong>ch</strong>t wussten und wissen, haben sie folgende simple S<strong>ch</strong>lüsse<br />

gezogen: <strong>Aus</strong>ser den Augenzeugen können na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Bibel (z.B. Röm. 16, 7) au<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>e Leute Apostel<br />

sein. Wir sind sol<strong>ch</strong>e „Apostel“. Und wenn wir sol<strong>ch</strong>e Apostel sind, dann haben wir die Ma<strong>ch</strong>t, den<br />

Rang und die Begabung <strong>der</strong> Augenzeugen Christi automatis<strong>ch</strong>. Wie<strong>der</strong> sagen wir: hereingefallen. Man<br />

muss eben die Sa<strong>ch</strong>en verstehen, au<strong>ch</strong> wenn es für den Ni<strong>ch</strong>tkenner so glei<strong>ch</strong>mässig und einfa<strong>ch</strong><br />

aussieht. Der Gipser unters<strong>ch</strong>eidet au<strong>ch</strong> sofort gelös<strong>ch</strong>ten Kalk von Weisskäse, wenn beide au<strong>ch</strong> ganz<br />

glei<strong>ch</strong> aussehen. Aber den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Aposteln war es immer die Hauptsa<strong>ch</strong>e, dass ihnen<br />

die Leute, ihre braven und ho<strong>ch</strong>anständigen und gutgläubigen Anhänger glaubten. Dann war s<strong>ch</strong>on alles<br />

in Ordnung. Damit die s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Leute si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bei den studierten Kennern befragen, muss man diese<br />

kräftig bes<strong>ch</strong>impfen. Sehr, sehr unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ist es, dass nunmehr die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Irrtums-<br />

Apostel ebenso ehrli<strong>ch</strong> wie die katholis<strong>ch</strong>-apostolis<strong>ch</strong>en Irrtums-Apostel eingestehen: „Wir haben uns<br />

geirrt. Bittet zu Gott, dem Herrn, dass er uns alle Lästerungen seines heiligen Namens vergebe.“ Oh<br />

nein. Sie haben ni<strong>ch</strong>t die Offenheit und den Charakter <strong>der</strong> Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en. Sie sind<br />

hartnäckig und sind jetzt au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on zu tief in ihre Irrtümer verstrickt. Allzulange haben sie s<strong>ch</strong>on<br />

erzählt: „Ja, wir sind Apostel Christi. Wir wissen es vom heiligen Geist. Er hat es dem Geyer und dem<br />

S<strong>ch</strong>wartz und dem Fritz Krebs und den an<strong>der</strong>en gesagt.“ Aber Gott, <strong>der</strong> Herr, <strong>der</strong> die Herzen <strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>en lenkt wie Wasserbä<strong>ch</strong>e, kann au<strong>ch</strong> ein Wun<strong>der</strong> tun, wie er es gewaltig an dem Saulus getan<br />

und aus einem Verfolger einen Diener <strong>der</strong> wahren <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi gema<strong>ch</strong>t hat. Aber die Nü<strong>ch</strong>ternen<br />

unter den ho<strong>ch</strong>anständigen Anhängern <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en werden si<strong>ch</strong> so ihre Gedanken ma<strong>ch</strong>en,<br />

wenn sie hier die Erläuterungen lesen. Das ist gewiss. No<strong>ch</strong> ein Punkt ist hier kurz zu behandeln. Es<br />

geht um die Stellen 1. Kor. 12, 28 und Ephes. 4, 11. Hier sagen die Neu-Apostel: „Das ist von uns<br />

gesagt. Hier sind wir gemeint. Es heisst hier: „Gott h a t gesetzt aufs erste die Apostel, aufs an<strong>der</strong>e die<br />

Propheten ...“ Wir haben es s<strong>ch</strong>on gehört: „Ja, Gott, <strong>der</strong> Herr, ni<strong>ch</strong>t ein Mens<strong>ch</strong> h a t die wahren<br />

Christus-Apostel gesetzt“ Das ist ges<strong>ch</strong>ehen. Bei dem Na<strong>ch</strong>folger des Judas-Verräters war es ganz klar.<br />

Man hat ihn ni<strong>ch</strong>t ernannt, man hat ihm ni<strong>ch</strong>t die Hand auf den Kopf gelegt und gesagt: „So, jetzt bist<br />

du es“, man hat ihn ni<strong>ch</strong>t bestimmt, man hat ihn ni<strong>ch</strong>t gewählt, wie man dur<strong>ch</strong> einen Bes<strong>ch</strong>luss jemand<br />

wählt. Kein Mens<strong>ch</strong> hat erklärt: „I<strong>ch</strong> bin für diesen da.“ Nein, man hat das Los geworfen. Zuvor<br />

natürli<strong>ch</strong>, wie es immer bei Christen klar ist, haben die Augenzeugen gebetet (Apostelges<strong>ch</strong>. 1, 23 –<br />

26). Was das Los ents<strong>ch</strong>ied, war für die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Gottes Setzung. Ihn hatte Gott<br />

gesetzt. Hier kann kein sogenannter Stammapostel o<strong>der</strong> ein Neu-Apostelrat bestimmen. Das wäre alles<br />

Phantasterei von Mens<strong>ch</strong>en ohne Selbstkritik. Hier haben Mens<strong>ch</strong>en gar ni<strong>ch</strong>ts hineinzupfus<strong>ch</strong>en: „Gott<br />

h a t gesetzt.“ Das ist ges<strong>ch</strong>ehen und einmalig. Weil Gott die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen gesetzt hat,<br />

gilt diese Setzung für alle Zeiten. Die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen sind unwie<strong>der</strong>holbar. Daher sind sie<br />

für uns, bis diese Welt vergeht, die alleinige Autorität. Augenzeuge ist Augenzeuge. „Apostel“ im Sinne<br />

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von Missionaren, die Gott, <strong>der</strong> Herr au<strong>ch</strong> gesetzt hat, Evangelisten, Lehrer, Almosenpfleger und alle<br />

an<strong>der</strong>en Dienste <strong>der</strong> Urkir<strong>ch</strong>e sind wie<strong>der</strong>holbar. Das ist klar. Ein S<strong>ch</strong>üler kann Lehrer werden. Gott,<br />

<strong>der</strong> Herr, hat es so gesetzt, dass gelehrt wird. „Apostel“ im Sinne von Missionaren können wie<strong>der</strong>holt<br />

werden. Das ist ebenfalls klar. Die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n haben Tausende von Missionaren, grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> „Apostel" im<br />

weiteren Sinne. Aber die Augenzeugen Christi, die Gott, <strong>der</strong> Herr, au<strong>ch</strong> gesetzt hat, sind<br />

unwie<strong>der</strong>holbar. Das liegt s<strong>ch</strong>on in dem Begriff „Augenzeuge“ bes<strong>ch</strong>lossen. So muss man eben die<br />

Begriffe unters<strong>ch</strong>eiden und au<strong>ch</strong> denken können. Man muss die Bibel eben, kurz gesagt, verstehen. Mit<br />

<strong>der</strong> Bibel geht es ni<strong>ch</strong>t wie in <strong>der</strong> Kü<strong>ch</strong>e mit dem Ko<strong>ch</strong>bu<strong>ch</strong>: Man nehme, so man hat. Aber die neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Neu-Apostel wollen ja ni<strong>ch</strong>t „Apostel“ im weiteren Sinne sein, son<strong>der</strong>n im engeren Sinne<br />

wie die Augenzeugen Christi. Hier liegt <strong>der</strong> tiefe, tiefe Irrtum, ja die gotteslästerli<strong>ch</strong>e Art <strong>der</strong> ganzen<br />

Sa<strong>ch</strong>e. Daher diese fur<strong>ch</strong>tbaren Worte: „Hier im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel (<strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en ) zeigt si<strong>ch</strong><br />

Gott dem Kin<strong>der</strong>sinn“ o<strong>der</strong> „An <strong>der</strong> Brust von Vater Krebs, da war mein Himmel auf <strong>der</strong> Erde“ o<strong>der</strong><br />

„Jesus im Apostel, dir vertrau i<strong>ch</strong> Tag für Tag.“ Aber die besten Blüten auf diesem Gebiet kommen erst<br />

no<strong>ch</strong> im nä<strong>ch</strong>sten Kapitel. Da wird <strong>der</strong> Leser aus dem Ers<strong>ch</strong>recken über diese Anmassungen armer<br />

kleiner Mens<strong>ch</strong>lein ni<strong>ch</strong>t herauskommen. In Wahrheit sind jene Neu-Apostel diejenigen na<strong>ch</strong><br />

Offenbarung 2, 2: „so da sagen, sie seien Apostel und sind’s ni<strong>ch</strong>t, und hast sie als Lügner erfunden.“<br />

Ja, sie sind na<strong>ch</strong> 2. Kor. 11, 12b – 14: „die Ursa<strong>ch</strong>e su<strong>ch</strong>en, dass sie rühmen mö<strong>ch</strong>ten, sie seien wie wir<br />

(wie Paulus und die an<strong>der</strong>en apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen). Denn sol<strong>ch</strong>e fals<strong>ch</strong>e Apostel und trügli<strong>ch</strong>e<br />

Arbeiter verstellen si<strong>ch</strong> zu Christi Aposteln. Und das ist au<strong>ch</strong> kein Wun<strong>der</strong>. Denn er selbst, <strong>der</strong> Satan,<br />

verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts.“<br />

2. Die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Hintergründe o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Blick hinter die Kulissen<br />

Wir haben no<strong>ch</strong> eine sehr peinli<strong>ch</strong>e Frage an die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel in <strong>der</strong><br />

Reserve. Ein paar Seiten später soll sie folgen. Sie heisst: „Wo sind denn eure Propheten ?“ Ihr sagt<br />

do<strong>ch</strong>: „Gott setzt uns als Apostel immer wie<strong>der</strong> neu.“ Aber es heisst do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>: „Gott hat gesetzt<br />

Propheten.“ Wo sind eure neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propheten ? Ihr hattet sol<strong>ch</strong>e. Warum wurden sie<br />

liquidiert ? Do<strong>ch</strong> darüber und über die neu-apostolis<strong>ch</strong>en <strong>Aus</strong>reden später Genaues. Jetzt wollen wir<br />

das Trickverfahren mit <strong>der</strong> ganzen neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel-Sa<strong>ch</strong>e beleu<strong>ch</strong>ten und zu ergründen<br />

su<strong>ch</strong>en. Wir ma<strong>ch</strong>en es kurz. Der Raum ist knapp und deine Geduld, lieber Leser, wir wissen es, ist<br />

ni<strong>ch</strong>t allzu gross. Zwei seelis<strong>ch</strong>e Eigenarten von Mens<strong>ch</strong>en wollen wir hier aufdecken. Sie sind Mittel<br />

und Werkzeuge, mit denen bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en gearbeitet wird, gewiss von vielen unbewusst,<br />

weil sie selbst Werkzeuge ohne ihr Wissen sind, aber wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t von allen unbewusst. Wir<br />

fragen: „Was steckt dahinter, wenn hier plötzli<strong>ch</strong> ein Heinri<strong>ch</strong> Geyer o<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>wartz o<strong>der</strong> Fritz Krebs<br />

o<strong>der</strong> Julius Fis<strong>ch</strong>er o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> ein Joseph<br />

Weissenberg, <strong>der</strong> Vetter, kommt und erklärt: „Mir hat es <strong>der</strong> heilige Geist persönli<strong>ch</strong>, mir ganz<br />

persönli<strong>ch</strong>, so und so eingegeben. I<strong>ch</strong> bin dies, und i<strong>ch</strong> bin das, i<strong>ch</strong> ganz persönli<strong>ch</strong> ?“ Wenn sol<strong>ch</strong>e<br />

Leute das für si<strong>ch</strong> behalten hätten, wäre dagegen gar ni<strong>ch</strong>ts zu sagen. Aber sie traten je an die<br />

Öffentli<strong>ch</strong>keit. Sie riefen Leute, an sie als sol<strong>ch</strong>e zu glauben. Ja, no<strong>ch</strong> mehr, sie ma<strong>ch</strong>ten au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />

religiöse Zeremonien sogar an<strong>der</strong>e dazu. Sie fühlten si<strong>ch</strong> voll Kraft, an<strong>der</strong>e zu „Aposteln“ zu ma<strong>ch</strong>en<br />

und tun es heute no<strong>ch</strong>. Was steckt dahinter ? Es handelt si<strong>ch</strong> ja hier ni<strong>ch</strong>t um ein s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>tes Amt, zu<br />

dem ein Mens<strong>ch</strong> ordiniert werden kann, son<strong>der</strong>n um „Christus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel“. Dur<strong>ch</strong> diese<br />

Anmassung wird die Sa<strong>ch</strong>e so markant, so hervorgehoben, so peinli<strong>ch</strong>. Die Antwort ist kurz und klar:<br />

Es steckt ein ins Religiöse abgeglittenes, übers<strong>ch</strong>wer wirkendes Geltungsbedürfnis kleiner Mens<strong>ch</strong>lein<br />

dahinter. Gegen sol<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>lein voll übermä<strong>ch</strong>tigem Geltungsbedürfnis hatten s<strong>ch</strong>on die<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen zu kämpfen. An<strong>der</strong>e wollten au<strong>ch</strong> das glei<strong>ch</strong>e sein ... „dass sie sein<br />

mö<strong>ch</strong>ten wie wir ...“, sagt Paulus. Sol<strong>ch</strong>es Geltungsbedürfnis kann Mens<strong>ch</strong>en von <strong>der</strong> Art eines<br />

Heinri<strong>ch</strong> Geyer o<strong>der</strong> S<strong>ch</strong>wartz o<strong>der</strong> Krebs, Fritz o<strong>der</strong> Fis<strong>ch</strong>er, Julius o<strong>der</strong> Weissenberg, Joseph wie ein<br />

Fieber packen. Das gibt es au<strong>ch</strong> auf politis<strong>ch</strong>em Gebiet. Der starke Wille, etwas Grosses zu sein, drängt<br />

ma<strong>ch</strong>tvoll in die Phantasie hinein und verkoppelt si<strong>ch</strong> dort mit religiösen Sendungsgedanken. Das gibt<br />

es au<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Heidenwelt. Die Hauptsa<strong>ch</strong>e bleibt immer: Anhänger gewinnen, die einem sol<strong>ch</strong>en<br />

Mens<strong>ch</strong>en glauben und folgen. Aber bei den Christen heisst es: „Prüfet die Geister.“ Christen müssen<br />

bei an<strong>der</strong>en und bei si<strong>ch</strong> auf <strong>der</strong> Hut sein. Unter Christen gibt es hierin keine Ents<strong>ch</strong>uldigungen. Da gilt<br />

niemals <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong> etwas in diesen Dingen, son<strong>der</strong>n allein Gottes heiliges Wort. Da darf man niemals<br />

sagen: „Christus im Fleis<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Apostel.“ So haben sogar die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi<br />

niemals geredet. Hat nun sol<strong>ch</strong> ein Mens<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> eine gute Redegabe, ist das ganze Unglück als Sekte<br />

s<strong>ch</strong>on halb da. Diese Mens<strong>ch</strong>en können ni<strong>ch</strong>t mehr stille sein. Ihre Na<strong>ch</strong>folger ma<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> dann die<br />

Sa<strong>ch</strong>e mit Weihe und Handauflegung und "Versiegelung" s<strong>ch</strong>on etwas einfa<strong>ch</strong>er. Dann rollt ja <strong>der</strong><br />

Wagen bereits. Hauptsa<strong>ch</strong>e bleibt immer, dass Anhänger es glauben. Da die Bibel ein gewaltiges Bu<strong>ch</strong><br />

ist und bei <strong>der</strong> Bibel unkundige Leute ni<strong>ch</strong>t nur etwas herauslesen, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> etwas hineinlesen<br />

Quellenmaterial Seite 73


können, kommt zu dem ersten Unglück das zweite, dass sie au<strong>ch</strong> mit <strong>der</strong> Bibel als s<strong>ch</strong>einbarem<br />

Beweismittel Unheil anri<strong>ch</strong>ten. Wäre <strong>der</strong> Raum ni<strong>ch</strong>t zu knapp, könnte man hier glei<strong>ch</strong> einen ganzen<br />

Sack voll Vors<strong>ch</strong>läge für neue <strong>Sekten</strong> anbieten. Bibelstellen, die lei<strong>ch</strong>t fals<strong>ch</strong> verstanden werden<br />

können, gibt es wie Sand am Meer. Daher eben das emsige Studieren, bevor einer Diener <strong>der</strong><br />

evangelis<strong>ch</strong>en o<strong>der</strong> katholis<strong>ch</strong>en <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> werden kann. Das Studieren ist eine Barriere, ein Wall, ein<br />

S<strong>ch</strong>ützengraben gegen die Phantasie und die religiösen Leidens<strong>ch</strong>aften und irregeleiteten frommen<br />

Sehnsü<strong>ch</strong>te.<br />

Aber das übers<strong>ch</strong>wer wirkende Geltungsbedürfnis voll religiöser Leidens<strong>ch</strong>aft ist nur die eine<br />

Seite <strong>der</strong> Medaille bei Werden und Wa<strong>ch</strong>sen von <strong>Sekten</strong> und insbeson<strong>der</strong>e bei Werden und Wa<strong>ch</strong>sen<br />

<strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>e seit Geyer, Heinri<strong>ch</strong>, S<strong>ch</strong>wartz und Krebs, Fritz. Was aber ist die an<strong>der</strong>e<br />

Seite <strong>der</strong>selben Medaille ? Hier blicken wir in die seelis<strong>ch</strong>en Hintergründe <strong>der</strong> Anhängers<strong>ch</strong>aft, <strong>der</strong><br />

Gefolgs<strong>ch</strong>aftsleute, <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ar neu-apostolis<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>western und Brü<strong>der</strong> hinein. Wir können hier den<br />

<strong>Aus</strong>druck „Führersehnsu<strong>ch</strong>t“ o<strong>der</strong> au<strong>ch</strong> den <strong>Aus</strong>druck „Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Geborgenheit“ o<strong>der</strong> den<br />

<strong>Aus</strong>druck „Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> religiösen Si<strong>ch</strong>erheiten“ anwenden. Die Seele des Mens<strong>ch</strong>en für<strong>ch</strong>tet ni<strong>ch</strong>ts<br />

so sehr wie den seelis<strong>ch</strong>en Hohlraum o<strong>der</strong> die seelis<strong>ch</strong>e Leere. Sie verursa<strong>ch</strong>t Angstgefühle. Diese<br />

werden sehr stark, ja übermä<strong>ch</strong>tig bei dem Gedanken an das Jenseits und das Geri<strong>ch</strong>t Gottes. Viele<br />

füllen diesen seelis<strong>ch</strong>en Hohlraum im Angesi<strong>ch</strong>t des tägli<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>en Sterbens mit <strong>der</strong> Ansi<strong>ch</strong>t: Mit<br />

dem Tode ist es aus. Es ist <strong>der</strong> Verwesungsstandpunkt. Gewöhnli<strong>ch</strong> sind sol<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t<br />

glückli<strong>ch</strong>. Sie spüren: Die Leere ist ni<strong>ch</strong>t ausgefüllt. Der Hohlraum ist nur miserabel abgedi<strong>ch</strong>tet. Der<br />

evangelis<strong>ch</strong>e Christ im strengen Sinne, <strong>der</strong> in seiner <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> aus Gottes Wort, mit Gottes Wort und dur<strong>ch</strong><br />

Gottes Wort im Glauben allein an Christus lebt, fühlt seine Seele erfüllt von einer herrli<strong>ch</strong>en Gewissheit<br />

aus Hoffnung. Er s<strong>ch</strong>reit ni<strong>ch</strong>t mehr na<strong>ch</strong> irdis<strong>ch</strong>en, mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheiten. Er weiss si<strong>ch</strong> in<br />

Christus allein geborgen. So ist dem evangelis<strong>ch</strong>en Christen unter Gottes Wort seine <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Gehilfin<br />

seiner Freude in dem Herrn, seine Ratgeberin und in allem seine geistli<strong>ch</strong>e Mutter. Aber dann gibt es<br />

Mens<strong>ch</strong>en, die Si<strong>ch</strong>erheit, handfeste, greifbare, ans<strong>ch</strong>aubare Si<strong>ch</strong>erheit su<strong>ch</strong>en, glei<strong>ch</strong>sam den religiösen<br />

Versi<strong>ch</strong>erungss<strong>ch</strong>ein für den Himmelsplatz im S<strong>ch</strong>ubfa<strong>ch</strong> haben mö<strong>ch</strong>ten. Sie halten es ni<strong>ch</strong>t aus bei<br />

frohem, kindli<strong>ch</strong>em Glauben an das Unsi<strong>ch</strong>tbare des göttli<strong>ch</strong>en Wortes in Christus. Ihre Seele s<strong>ch</strong>reit<br />

na<strong>ch</strong> Si<strong>ch</strong>erheiten. Nun kommen jene Neu-Apostel und bieten diese Si<strong>ch</strong>erheiten an: „Komme zu uns.<br />

Sei hier ganz folgsam gegen uns. Wir sind gottgesandte Führer zur Seligkeit. In unserem Fleis<strong>ch</strong>e<br />

s<strong>ch</strong>aust du Christus an. Dur<strong>ch</strong> uns wirst du einer von den 144'000 Erwählten Gottes. Ja, dir ist bei uns,<br />

wenn wir es ma<strong>ch</strong>en, <strong>der</strong> heilige Geist mit genauer Terminangabe si<strong>ch</strong>er. Dir ist <strong>der</strong> Platz in Christi<br />

Ho<strong>ch</strong>zeitssaal si<strong>ch</strong>er.“ – Si<strong>ch</strong>er und immer wie<strong>der</strong> si<strong>ch</strong>er, Si<strong>ch</strong>erheit und immer wie<strong>der</strong> Si<strong>ch</strong>erheit. –<br />

„Du musst nur an unsere Sa<strong>ch</strong>e glauben und mitma<strong>ch</strong>en, ganz ganz streng, je strenger, je besser. Dann<br />

klappt alles mit deiner himmlis<strong>ch</strong>en Erwählung. Du bist einer von den 144'000 Erwählten Gottes.“ Man<br />

ist sogar so keck, dass man sagt: „Ja, du trägst ein goldenes Kreuz auf <strong>der</strong> Stirn als unser Anhänger.<br />

Und siehe, bald kommt Christus. Also, sei klug. Komm !“ Die kecke und si<strong>ch</strong>ere Art dieser<br />

Verspre<strong>ch</strong>ungen errei<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t das Ohr einer na<strong>ch</strong> Si<strong>ch</strong>erheiten aus tiefem Unglauben an den verborgenen<br />

Christus, den Unsi<strong>ch</strong>tbaren, s<strong>ch</strong>reienden Seele. Gerade in Zeiten des Zusammenbru<strong>ch</strong>s ist <strong>der</strong>en<br />

Zahl ni<strong>ch</strong>t gering. Allerlei religiöser Betrieb kommt hinzu. Der Hohlraum <strong>der</strong> Seele erhält Füllung. Die<br />

Füllung beginnt. Es tritt ein Wohlbehagen ein, das man Glück o<strong>der</strong> Seligkeit o<strong>der</strong> ähnli<strong>ch</strong> nennt.<br />

Niehaus, Stammapostel, hat einmal (Herold 19) sehr s<strong>ch</strong>lau für seine Anhänger ges<strong>ch</strong>rieben: „Das<br />

Kin<strong>der</strong>herz kann sagen: I<strong>ch</strong> weiss, dass mein Erlöser lebt ! Und wenn Satan fragt: Wo ist er ? dann mit<br />

dem Glaubensfinger darauf hingewiesen: da steht mein Apostel, <strong>der</strong> hat mi<strong>ch</strong> erlöst !“ Hier sieht man<br />

den Trick seelis<strong>ch</strong>er Art ganz deutli<strong>ch</strong>. Ni<strong>ch</strong>t sagt jener Niehaus: „Dann spri<strong>ch</strong>t das Herz zu Christus<br />

gewandt: „Er, mein Herr Jesus Christus, hat mi<strong>ch</strong> erlöst !“ Nein ! Der Herr Sowieso, den <strong>der</strong><br />

„Stammapostel“ kurzerhand na<strong>ch</strong> seinem Gedanken zum sogenannten Apostel ernannt und geweiht hat,<br />

dieser Herr Sowieso ist jetz „Apostel“ und sogar – man für<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> weiterzus<strong>ch</strong>reiben – Erlöser an<br />

Christi Statt. Hier zeigt <strong>der</strong> besagte „Glaubensfinger“ des neu-apostolis<strong>ch</strong>en „Kin<strong>der</strong>herzens“ auf seine<br />

Si<strong>ch</strong>erheit. Gegen Satan steht als Erlöser <strong>der</strong> Herr Sowieso. Und wenn aber ihn <strong>der</strong> Satan anfi<strong>ch</strong>t, auf<br />

wen zeigt dann dieser brave Herr mit seinem neu-apostolis<strong>ch</strong>en „Glaubensfinger ?“ – Das sind die<br />

Si<strong>ch</strong>erheiten für den seelis<strong>ch</strong>en Hohlraum ? <strong>Aus</strong> Angst vor dem seelis<strong>ch</strong>en Hohlraum halten neuapostolis<strong>ch</strong>e<br />

Anhänger, denen die Bekehrung zu dem wahren Christusglauben an den unsi<strong>ch</strong>tbaren<br />

Erlöser, <strong>der</strong> allein Christus heisst, no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>enkt ist, natürli<strong>ch</strong> mit Fanatismus an jenen fals<strong>ch</strong>en<br />

Si<strong>ch</strong>erheiten fest. Seelis<strong>ch</strong>en Hohlraum um keinen Preis. Ein ganz dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tiges Trickverfahren mit<br />

edlen Mens<strong>ch</strong>en, die von religiöser Leidens<strong>ch</strong>aft gepackt worden sind und zu Irrläufern ihrer frommen<br />

Sehnsü<strong>ch</strong>te werden. Wir aber fragen hier jene Irrtums-Apostel und ihren Chef: „Ja, sagt nur, zittert ihr<br />

ni<strong>ch</strong>t in eurer fals<strong>ch</strong>en Apostelwürde um eure eigene Seele und um die Seelen jener,die eu<strong>ch</strong> glauben ?“<br />

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3. Der sogenannte Stammapostel unter 2. Kor. 11, 14: „Denn er selbst, <strong>der</strong><br />

Satan, verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des Li<strong>ch</strong>ts !“<br />

Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en könnten ihn au<strong>ch</strong> Apostelfürsten o<strong>der</strong> den neuen Petrus nennen. Sein<br />

Amt ist ni<strong>ch</strong>t ein Abklats<strong>ch</strong> zu dem Amt des Papstes als des Na<strong>ch</strong>folgers Petri. Der Stammapostel ist<br />

ni<strong>ch</strong>t Na<strong>ch</strong>folger Petri. Er ist selbst, wenn man es genau nimmt, <strong>der</strong> Apostel Petrus <strong>der</strong> Endzeit – in<br />

seiner und seiner Anhänger Phantasie natürli<strong>ch</strong>.<br />

Wie ma<strong>ch</strong>en es die politis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>lauberger, um die Leute an ihren sogenannten „Führer“ zu<br />

binden ? Sie versäumen keine Gelegenheit, diesen „Führer“ in allen nur denkbaren Tonarten zu loben.<br />

Wir wissen davon ein Liedlein zu singen. Harmlos war dieses Verfahren in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Könige und des<br />

Kaisers. Da liess man die S<strong>ch</strong>uljugend singen: „Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin.<br />

Und wär‘ es ni<strong>ch</strong>t zu weit von hier, ging i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> heute hin:“ Harmlos, sehr harmlos. Gar ni<strong>ch</strong>t<br />

raffiniert. Später arbeitete man mit dem Trick <strong>der</strong> vieltausendfa<strong>ch</strong> wie<strong>der</strong>holten Propaganda-Redensart<br />

von dem „geliebten Führer“. „Wir wollen unsern Führer seh’n !“ „Führer befiehl, wir folgen !“ Mit<br />

sol<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>läue wurden die jungen Mens<strong>ch</strong>en sogar sterbensfreudig für „ihren geliebten Führer“<br />

gema<strong>ch</strong>t. Aber teuflis<strong>ch</strong> wird dieser Trick, wenn <strong>der</strong> Griff in die Ewigkeit von den s<strong>ch</strong>lauen<br />

Propaganda-Leuten gewagt wird und das Ges<strong>ch</strong>wätz mit dem „Gottgesandten“, mit dem „gottbegnadeten<br />

und erleu<strong>ch</strong>teten Führer“ losgeht. Der Hintergrund dieses Trickverfahrens ist klar. Die Mens<strong>ch</strong>en<br />

sollen s<strong>ch</strong>werhörig gegen Kritik, in ihrer Anhängers<strong>ch</strong>aft radikalisiert, fanatisiert und stur gema<strong>ch</strong>t<br />

werden. Wird aber das glei<strong>ch</strong>e Trickverfahren auf dem Gebiet des Glaubens im Namen Jesu Christi<br />

betrieben, muss man mit dem Apostel Paulus spre<strong>ch</strong>en: „Der Satan verstellt si<strong>ch</strong> zum Engel des<br />

Li<strong>ch</strong>ts.“ Alsdann gibt es nur no<strong>ch</strong> ein Wort: Teufelswerk !<br />

Lieber Leser, du sollst jetzt selber darüber S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter sein, ob wir hier hart und lieblos<br />

urteilen und übertreiben, o<strong>der</strong> ob es ni<strong>ch</strong>t – Gott sei es geklagt – wie bei jenen neu-apostolis<strong>ch</strong>en<br />

„Aposteln“, so au<strong>ch</strong> und verstärkt bei jenem sogenannten „Stammapostel“ gilt: TEUFELSWERK !<br />

Wörtli<strong>ch</strong> sollen hier vor dir die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Stimmen selbst aufmars<strong>ch</strong>ieren. Wir sehen hier in<br />

allem das Trickverfahren jener politis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>lauberger vielfa<strong>ch</strong> vergröbert in heiligen Fragen<br />

wie<strong>der</strong>kehren. <strong>Aus</strong> s<strong>ch</strong>lauer trickhaft-propagandistis<strong>ch</strong>er Absi<strong>ch</strong>t wird hier sogar zur Anbetung gerufen.<br />

Dabei wird ganz augens<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur mit <strong>der</strong> „Führersehnsu<strong>ch</strong>t“ und <strong>der</strong> „Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong><br />

Geborgenheit aus Angst vor dem seelis<strong>ch</strong>en Hohlraum“ gearbeitet, son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> mit einer Art religiöser<br />

Profitgier <strong>der</strong> Anhänger. Man sagt si<strong>ch</strong> offenbar: „Wenn unser geliebter Führer zur Seligkeit, unser<br />

Stammapostel voll Gottheit und somit voll heiligen Geistes, unser göttli<strong>ch</strong>es Haupt ist, werden wir<br />

einmal, wenn Christus kommt, als seine Gefolgs<strong>ch</strong>aft, glei<strong>ch</strong>sam als seine alten Kämpfer, kurzum als<br />

seine Anhänger einen grossen Vorteil vor den an<strong>der</strong>en Leuten haben. Wir werden die Ersten sein, die<br />

„Erstlinge“, die 144'000 Erwählten. Wir werden la<strong>ch</strong>en können, während die an<strong>der</strong>en heulen müssen,<br />

die ni<strong>ch</strong>t bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en und bei dem „geliebten Führer zur Seligkeit“, dem „Christus im<br />

Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel“ sind.“ So sind die vers<strong>ch</strong>iedenen Absi<strong>ch</strong>ten und Ziele als Trickverfahren<br />

miteinan<strong>der</strong> verkoppelt. Ein Keil treibt hier den an<strong>der</strong>en. Man muss lange mit s<strong>ch</strong>arfem Auge<br />

hins<strong>ch</strong>auen und alles genau bedenken, ehe man hinter diese Dinge s<strong>ch</strong>aut.<br />

Nun, lieber Leser, urteile selbst. Vorauss<strong>ch</strong>icken müssen wir, dass bisher no<strong>ch</strong> niemals mein<br />

sogenannter Stammapostel die Stimme erhoben und gesagt hat: „Liebe Anhänger, haltet ein. Ihr seid<br />

wahnsinnig. I<strong>ch</strong> bin ni<strong>ch</strong>t Christus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel. I<strong>ch</strong> bin, wie Luther sagt, ein ganz armer<br />

Madensack wie ihr alle. I<strong>ch</strong> kann nur tägli<strong>ch</strong> demütig bitten: O heil’ger Geist, kehr bei mir ein, bei mir<br />

als tägli<strong>ch</strong>em Bettler um den heiligen Geist.“ Nein, ni<strong>ch</strong>ts davon, ni<strong>ch</strong>ts von dem Bekenntnis des<br />

Apostels Paulus, dieses wahren Christus-Apostels: „I<strong>ch</strong> elen<strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>, wer wird mi<strong>ch</strong> erlösen von<br />

dem Leibe dieses Todes ! I<strong>ch</strong> danke Gott dur<strong>ch</strong> Jesu Christum, unsern Herrn !“ Ni<strong>ch</strong>ts au<strong>ch</strong> von dem<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Pauluswort: „Es ist hier kein Unters<strong>ch</strong>ied, sie sind allzumal Sün<strong>der</strong> und mangeln des<br />

Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten und werden ohne Verdienste gere<strong>ch</strong>t aus seiner Gnade dur<strong>ch</strong> die<br />

Erlösung, so dur<strong>ch</strong> Christum Jesum ges<strong>ch</strong>ehen ist.“ Ni<strong>ch</strong>ts endli<strong>ch</strong> von Gottes Wort: „Es ist kein<br />

Ansehen <strong>der</strong> Person bei Gott“ (Röm. 7, 24. 3, 23 u. 2, 11). Niemals hörte man bisher ein sol<strong>ch</strong> ehrli<strong>ch</strong>es<br />

Wort, jedo<strong>ch</strong> fort und fort das Gegenteil. Aber nun zu den Beweisen. Bahnmeister Fritz Krebs,<br />

„Apostel“, sagte am Grabe jenes S<strong>ch</strong>wartz: „Jetzt bin i<strong>ch</strong> Stammapostel !“ Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> erhob si<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t. S<strong>ch</strong>lagartig war <strong>der</strong> gottgesandte Führer zur Seligkeit, „unser geliebter Füher, <strong>der</strong> Stammapostel“<br />

da. Nun begann er für seine Person die Propaganda. Wir kennen s<strong>ch</strong>on den s<strong>ch</strong>lauen Vers: „Ja, nirgends<br />

auf dem Erdenrund fühlt‘ i<strong>ch</strong> so frei mi<strong>ch</strong> von Bes<strong>ch</strong>werde als an <strong>der</strong> Brust von Vater Krebs. Da war<br />

mein Himmel auf <strong>der</strong> Erde.“<br />

In dieselbe Trompete blies <strong>der</strong> frühere „Apostel“ und spätere „Stammapostel“ Niehaus, <strong>der</strong><br />

bereits bekannte Lästerer des heiligen Gotteswortes als „s<strong>ch</strong>immliges Brot, abgestandenes Wasser“, <strong>der</strong><br />

bekannte Niehaus mit den Jesus und die Apostel Jesu fressenden Mäusen. Niehaus trieb Stammapostel-<br />

Propaganda, indem er gar ni<strong>ch</strong>t mehr sagte: „I<strong>ch</strong> bin mit Gottesgeist erfüllt und mit dem Öl des heiligen<br />

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Geistes gesalbt.“ Er ma<strong>ch</strong>te es für die einfältigen Anhänger ganz saftig: „I<strong>ch</strong> bin mit Krebsgeist erfüllt<br />

und mit Krebsfett gesalbt.“ Jener Fritz Krebs, Stammapostel, liess in seinem Lie<strong>der</strong>bu<strong>ch</strong>, dem<br />

Krebsgesangbu<strong>ch</strong> von damals, die lästerli<strong>ch</strong>en Worte drucken: „Apostelamt, gesandter Geist, dir sei<br />

gebra<strong>ch</strong>t Ruhm, Dank und Preis, Lob, Ehre und A n b e t u n g !“ Dort war <strong>der</strong> Träger jenes Phnatasie-<br />

Amtes <strong>der</strong> Erlöser genannt. Hier wird ihm „Anbetung“ gebra<strong>ch</strong>t. Ob ni<strong>ch</strong>t diese „Erlöser“, diese<br />

Empfänger <strong>der</strong> „Anbetung“, wenn sie einmal ehrli<strong>ch</strong>en Herzens si<strong>ch</strong> im Spiegel betra<strong>ch</strong>ten, im Stillen<br />

sagen werden: „A<strong>ch</strong>, sind diese Leute von Anhängern einfältig. I<strong>ch</strong> soll ihr Erlöser, i<strong>ch</strong> in meinem Amt<br />

Empfänger ihrer Anbetung sein ?“ Hier hilft nun kein öffentli<strong>ch</strong>es Gerede von <strong>der</strong> persönli<strong>ch</strong>en Demut<br />

mehr. Hier hilft bloss no<strong>ch</strong> eins: Umkehr und den Leuten zugerufen: „Hört auf, liebe Leute. Mir wird<br />

angst und bange vor eurem Glauben an mi<strong>ch</strong>, den „Apostel“, an mi<strong>ch</strong>, den „Stammapostel“. Aber es<br />

wird no<strong>ch</strong> viel s<strong>ch</strong>limmer. Bei <strong>der</strong> Beerdigung von Fritz Krebs, Stammapostel, sagte jener Niehaus, <strong>der</strong><br />

Na<strong>ch</strong>folger, sehr s<strong>ch</strong>lau (Herold 107, 15): „Krebs hat uns den Willen Gottes gesagt. Es ist das Wort<br />

Gottes aus seinem Munde.“ Das lebendige Gotteswort heiliger S<strong>ch</strong>rift, von Gott eingegeben, ist daher<br />

s<strong>ch</strong>immliges Brot und abgestandenes Wasser. Was Krebs, Fritz, erzählt hat, das ist Gottes Wort. Das ist<br />

levbendiges Gotteswort. Na<strong>ch</strong> jenen Feststellungen ging Niehaus aufs Ganze. Er nannte Fritz Krebs<br />

rundheraus und ganz keck Christus. Er bes<strong>ch</strong>rieb ihn als das Haupt voll Blut und Wunden, den Erlöser.<br />

Mit einfa<strong>ch</strong> unglaubli<strong>ch</strong>er propagandistis<strong>ch</strong>-trickhafter Unverfrorenheit wendete er auf Fritz Krebs,<br />

Stammapostel, das Gotteswort aus Jesaia 53 an, das auf das Haupt voll Blut und Wunden hinweist.<br />

Niehaus sagte (Herold 107, S. 8): „Heute steht es klar vor meinen Augen – sein (des Fritz Krebs) Wort<br />

ist erfüllt. Er hat die S<strong>ch</strong>uld (<strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en vor Gott) mit seinem Leben bezahlt. Weinend und flehend<br />

stand Vater Krebs vor seinem Gott für uns Mens<strong>ch</strong>en (wohlgemerkt für uns Mens<strong>ch</strong>en, ni<strong>ch</strong>t also für<br />

si<strong>ch</strong> selbst. So war also Krebs, Fritz, wie Christus ohne Sünde). Ein heisser Blutstrom Christi quoll aus<br />

dem Munde von Vater Krebs (S. 10). Krebs war verklärt im Geistwirken, voll <strong>der</strong> Gottheit. Das war<br />

kein Mens<strong>ch</strong> mehr, das konnte nur Christus sein, wie Vater Krebs das au<strong>ch</strong> beim Abendmahl<br />

vorbra<strong>ch</strong>te: Das ist mein Fleis<strong>ch</strong>, obwohl i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> lebe.“<br />

Lieber Leser vers<strong>ch</strong>lägt es dir ni<strong>ch</strong>t den Atem ? Krebs ist also Christus und voll <strong>der</strong> Gottheit.<br />

Aber Niehaus sah sein Ziel no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ganz errei<strong>ch</strong>t. Er musste no<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> selbst als Na<strong>ch</strong>folger des Fritz<br />

Krebs, dessen Stammapostel-Lorbeern natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ihm zugute kommen sollten, kräftig herausstellen.<br />

So fuhr er in bombastis<strong>ch</strong>en Worten mit bere<strong>ch</strong>neter S<strong>ch</strong>läue fort: „Die Hölle feiert ein Freudenfest.<br />

Denn ihr mä<strong>ch</strong>tigster Feind, ihr Tod- und Erbfeind (Fritz Krebs) ist zu Boden gestreckt. Aber ... die<br />

Hölle soll zittern und beben, denn <strong>der</strong> Auferstandene lebt und hat mi<strong>ch</strong> (Niehaus) zugeri<strong>ch</strong>tet wie ein<br />

ges<strong>ch</strong>mücktes Ross zum Streit. I<strong>ch</strong> (Niehaus) vermag alles dur<strong>ch</strong> den, <strong>der</strong> mi<strong>ch</strong> mä<strong>ch</strong>tig gema<strong>ch</strong>t hat,<br />

dur<strong>ch</strong> den Ents<strong>ch</strong>lafenen (Fritz Krebs).“ Das letzte Wort ist eine verdreht angewendete Stelle <strong>der</strong><br />

heiligen S<strong>ch</strong>rift und heisst genau: „I<strong>ch</strong> vermag alles dur<strong>ch</strong> den, <strong>der</strong> mi<strong>ch</strong> mä<strong>ch</strong>tig ma<strong>ch</strong>t, Christus.“<br />

Niehaus setzt für Christus kurzerhand und hemmungslos: den Ents<strong>ch</strong>lafenen (Krebs, Fritz). Soweit also<br />

geht es mit <strong>der</strong> Lästerung Christi. Selbst beim neu-apostolis<strong>ch</strong>en Abendmahl hat Krebs si<strong>ch</strong> selber als<br />

Christus bezei<strong>ch</strong>net und gesagt, sein eigenes Fleis<strong>ch</strong>, obwohl es no<strong>ch</strong> lebe, werde im Abendmahl<br />

empfangen. Gegen seine Gegner, die damals s<strong>ch</strong>on mit Niehaus unzufrieden waren und denen er es zu<br />

bunt trieb, sagte Niehaus am Grabe von Fritz Krebs als Träger des heiligen Geistes die bombastis<strong>ch</strong>en<br />

Worte, sie würden an seiner eisernen Stirn und an seiner Dickfaust zers<strong>ch</strong>ellen. Jene Gegner sind daran<br />

ni<strong>ch</strong>t zers<strong>ch</strong>ellt, son<strong>der</strong>n haben halt wie<strong>der</strong> eine eigene Sekte aufgema<strong>ch</strong>t. Das war ein ganz einfa<strong>ch</strong>es<br />

Verfahren. No<strong>ch</strong> viele, ni<strong>ch</strong>t weniger ers<strong>ch</strong>ütternde Belege über diese neue Art <strong>der</strong> Gotteslästerungen<br />

könnten hier angeführt werden. Aber wir sollen in dem kleinen Heft alles behandeln und können daher<br />

nur einige Belege für viele bringen.<br />

Mit dem Tode jenes Lästerreden führenden Niehaus, Stammapostel, än<strong>der</strong>te si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>ts wesentli<strong>ch</strong>. Na<strong>ch</strong>folger wurde ein gewisser Bis<strong>ch</strong>off, ein früherer Maurer, <strong>der</strong> seinen Beruf s<strong>ch</strong>on<br />

bald mit dem eines Neu-Apostels vertaus<strong>ch</strong>t hatte und jetzt von seiner Frankfurter Villa aus als <strong>der</strong><br />

sogenannte Stammapostel herrs<strong>ch</strong>t. Amtli<strong>ch</strong> ist er in die Fussstapfen von Niehaus getreten. In <strong>der</strong> von<br />

ihm herausgegebenen Zeits<strong>ch</strong>rift: „UNSERE FAMILIE“ wird er ebenfalls saftig und kräftig als <strong>der</strong><br />

geliebte Führer zur Seligkeit, als das göttli<strong>ch</strong>e Haupt und als <strong>der</strong> Christus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel und<br />

Inhaber des heiligen Geistes gelobt. Alle diese Lobreden gehen dur<strong>ch</strong> seine Zensur. Er könnte sie unter<br />

den Tis<strong>ch</strong> fallen lassen. Aber weit gefehlt. Er lässt sie abdrucken und ers<strong>ch</strong>rickt ni<strong>ch</strong>t. Bei seinen<br />

Anhängern lässt er si<strong>ch</strong> als ein göttli<strong>ch</strong>es Wesen feiern und bringt dann diese Lobreden ebenfalls in<br />

seiner eigenen Zeitung. Die ihn so loben, sind sogenannte Apostel o<strong>der</strong> sein Mitarbeiter, <strong>der</strong> sogenannte<br />

Stammapostel-Helfer. Natürli<strong>ch</strong> kann man hier ni<strong>ch</strong>ts an<strong>der</strong>es als bestellte Arbeit sehen. Bitte, lieber<br />

Leser, urteile selbst ! Bei Veranstaltungen redet erst er selbst, dann gibt er das Wort einem jener Neu-<br />

Apostel o<strong>der</strong> dem sogenannten Stammapostel-Helfer. Nun geht die Lobrede los mit „geliebter Stammapostel“<br />

und verwandten Worten. Immer aber zuglei<strong>ch</strong> bei den Lobreden <strong>der</strong> satanis<strong>ch</strong>e Griff in die<br />

Ewigkeit Gottes mit „gottgesandt, göttli<strong>ch</strong>, erfüllt vom heiligen Geist“ und sonstigen Verherrli<strong>ch</strong>ungen.<br />

Ein Beispiel für viele möge hier den Beleg bieten: Besagter „Stammapostel“ ist mit dem Flugzeug in<br />

Quellenmaterial Seite 76


Hamburg eingetroffen. Mit dem Auto ging es zum Versammlungslokal. Na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> ganz simplen und auf<br />

einfältige Leute zuges<strong>ch</strong>nittenen Rede dieses sogenannten Stammapostels gibt dieser dem „Apostel“<br />

Rockenfel<strong>der</strong> das Wort. Jener steht daneben und bleibt vor den Augen <strong>der</strong> Zuhörer ganz keck stehen, als<br />

Rockenfel<strong>der</strong> mit seinen Lobsprü<strong>ch</strong>en loslegt („UNSERE FAMILIE“. 1950. S. 344): (wörtli<strong>ch</strong>) „Was<br />

<strong>der</strong> Stammapostel uns entgegengebra<strong>ch</strong>t hat, ist <strong>der</strong> Weg zum ewigen Glück. Die an<strong>der</strong>en haben in<br />

ihren <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n an den Wänden Bil<strong>der</strong>. Jedo<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Neu-Apostolios<strong>ch</strong>e könne erwi<strong>der</strong>n: „Wir haben<br />

Vorbil<strong>der</strong>.“ In <strong>der</strong> Tat ein geistrei<strong>ch</strong>er Absprung zu <strong>der</strong> Lobrede: „Wir dürfen sagen, wir haben in<br />

unserem Stammapostel das edelste und wertvollste Vorbild, das Gottes Volk hier auf Erden besitzt. Er<br />

sagt uns ni<strong>ch</strong>t nur, wie man zum ewigen Glück kommen kann, er geht uns den Weg voran und zeigt<br />

uns, wie wir es ma<strong>ch</strong>en sollen. Die Apostel des Sohnes Gottes folgen ihm gern na<strong>ch</strong>, weil sie in ihm den<br />

Führer <strong>der</strong> Aposteleinheit sehen. Wie bei einem Mens<strong>ch</strong>en im Haupte <strong>der</strong> Wille seinen Sitz hat und aus<br />

dem Haupte die Willensäusserungen offenbar werden, so werden au<strong>ch</strong> die Willensäusserungen des<br />

Geistes Christi aus dem uns gegebenen göttli<strong>ch</strong>en Haupte offenbar.“ Es ist hier genau dasselbe wie bei<br />

Fritz Krebs und Niehaus. Jener sogenannte Stammapostel steht daneben, während er als das „göttli<strong>ch</strong>e<br />

Haupt“ bezei<strong>ch</strong>net wird. Das ist eine gotteslästerli<strong>ch</strong>e Anspielung auf Christus als das Haupt seiner<br />

Gemeinde. Wie keck müssen diese Leute sein, dass sie sol<strong>ch</strong>e Reden über die Lippen bringen und dass<br />

sie an<strong>der</strong>erseits ni<strong>ch</strong>t vor Angst versinken, wenn sie so als göttli<strong>ch</strong>e Gestalten gelobt werden. Überdies<br />

war es eine reine Behauptung, dass „jener Stammapostel“ das edelste und wertvollste Vorbild sei und<br />

dass er den Weg zum ewigen Glück vorangehe. Es ist eine grausige Welt, in die man hier hineins<strong>ch</strong>aut.<br />

Au<strong>ch</strong> dir, lieber s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Leser, <strong>der</strong> du neu-apostolis<strong>ch</strong>er Anhänger bist, wird hier vieles neu sein. Du<br />

wirst viellei<strong>ch</strong>t sagen: „So habe i<strong>ch</strong> das alles no<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t anges<strong>ch</strong>aut. I<strong>ch</strong> habe halt nur gehört, was<br />

sie bei uns predigen und dass die hohen Herren halt Apostel heissen.“ Ja, hier wird dir erläutert, was<br />

gespielt wird. Hier wird über den kleinen Rahmen deiner kleinen Ortsgemeinde hinausgeleu<strong>ch</strong>tet. Es<br />

sieht für di<strong>ch</strong>, lieber Leser, viellei<strong>ch</strong>t alles so harmlos und fromm aus. Aber bedenke, was du hier<br />

erfahren hast: Es ist eine Welt <strong>der</strong> gotteslästerli<strong>ch</strong>en, s<strong>ch</strong>lauen Methoden und <strong>der</strong> grossen, s<strong>ch</strong>weren<br />

Sünde gegen den heiligen Geist. Wahrhaftig wird hier Satan als Engel des Li<strong>ch</strong>ts in <strong>der</strong> Maske des<br />

s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Bürgers und Bie<strong>der</strong>mannes beweihräu<strong>ch</strong>ert. Wie unendli<strong>ch</strong> weit ist diese ganz neu-apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Welt von Christus und seinen apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen entfernt. Hier hat si<strong>ch</strong> ein seelenmorden<strong>der</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>endienst in einer ers<strong>ch</strong>reckenden Form unter <strong>der</strong> Maske von Bibelsprü<strong>ch</strong>en und<br />

religiösen Zeremonien einges<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en. Und keiner jener Neu-Apostel ers<strong>ch</strong>rickt davor zu Tode. Jener<br />

nü<strong>ch</strong>terne Ostpreusse ROSOCHAZKY war <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong> als sogenannter Apostel, als ihn <strong>der</strong><br />

„Prophet“ Heinri<strong>ch</strong> Geyer bestimmt hatte, wie<strong>der</strong> zurücktrat und zu diesem Treiben NEIN ! sagte.<br />

Man könnte wahrhaft weinen und klagen, dass si<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Entartung und Verwil<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Christenheit<br />

einges<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en hat. Denke nur ni<strong>ch</strong>t, dass es dem Verfasser Freude ma<strong>ch</strong>t, hier diese fur<strong>ch</strong>tbare<br />

Welt zu ents<strong>ch</strong>leiern. Aber es muss ja sein. Jener sogenannte Apostel Rockenfel<strong>der</strong> sagte ferner in<br />

seiner Lobrede von dem Stammapostel, niemand dürfe si<strong>ch</strong> ihm glei<strong>ch</strong> a<strong>ch</strong>ten. Diesem göttli<strong>ch</strong>en<br />

Haupte muss man natürli<strong>ch</strong> nur na<strong>ch</strong>folgen. Da muss man hübs<strong>ch</strong> folgsam sein. Ja, Paulus hat re<strong>ch</strong>t: Sie<br />

su<strong>ch</strong>en Ursa<strong>ch</strong>e, dass sie rühmen mö<strong>ch</strong>ten, sie seien wie die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi.<br />

4. Die neu-apostolis<strong>ch</strong>e „Versiegelung“ unter Matth. 12, 31: „Alle Sünde und<br />

Lästerung wird den Mens<strong>ch</strong>en vergeben. Aber die Lästerung wi<strong>der</strong> den Geist<br />

wird den Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t vergeben.“<br />

Die sogenannten Apostel <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en betreiben bei ihren Anhängern eine religiöse Zeremonie,<br />

die sie „Versiegelung“ nennen und als ein drittes Sakrament behandeln. Erfin<strong>der</strong> sind die katholis<strong>ch</strong>apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Irrtums-Apostel gewesen. Heinri<strong>ch</strong> Geyer hat diese Sa<strong>ch</strong>e, als sie dort allmähli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>wand,<br />

wie<strong>der</strong> lebendig gema<strong>ch</strong>t.<br />

Wie<strong>der</strong> ertappt <strong>der</strong> Bibelkenne jene neu-apostolis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riftgelehrten, die si<strong>ch</strong> natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> bei<br />

dieser „Versiegelung“ auf die heilige S<strong>ch</strong>rift berufen, als arge Ni<strong>ch</strong>tkenner. Man wird hier an Jesu Wort gegen<br />

die S<strong>ch</strong>riftgelehrten erinnert, die aus <strong>der</strong> heiligen S<strong>ch</strong>rift Fallstricke des Teufels formen. Wie<strong>der</strong> haben die Neu-<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en wi<strong>ch</strong>tige Begriffe dur<strong>ch</strong>einan<strong>der</strong>gebra<strong>ch</strong>t: Die Mitteilung des heiligen Geistes aus <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong><br />

apostolis<strong>ch</strong>en Augens<strong>ch</strong>aft Christi und die „Versiegelung“ dur<strong>ch</strong> himmlis<strong>ch</strong>e Wesen zur Zeit <strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en<br />

Endkatastrophen bei Aufhören <strong>der</strong> Winde über Meeren, Bergen und Bäumen. Wie<strong>der</strong> sollst du, lieber Leser,<br />

S<strong>ch</strong>iedsri<strong>ch</strong>ter sein. Weil du viellei<strong>ch</strong>t in <strong>der</strong> Eisenbahn o<strong>der</strong> dem Omnibus dieses Heft liest und keine Bibel bei<br />

dir hast, s<strong>ch</strong>reiben wir dir hier die beiden Bibelstellen auf, um die es geht. Zuvor no<strong>ch</strong> einen kleinen Wink:<br />

Wenn dir <strong>der</strong> bekannte neu-apostolis<strong>ch</strong>e Trick begegnet, dass man di<strong>ch</strong> im Gesprä<strong>ch</strong> mit einer Flut von<br />

Bibelstellen zudeckt und so mundtot ma<strong>ch</strong>en will, etwa so: „Ja, in Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 8 steht ... und in<br />

Offenbarung 7 heisst es ... und Matth. 25 sagt ...“, merke dir folgenden Kunstgriff: S<strong>ch</strong>on bei <strong>der</strong> ersten<br />

Bibelstelle, rufe sofort: „Halt ! Aufs<strong>ch</strong>lagen ! I<strong>ch</strong> bin kein Bibelsprü<strong>ch</strong>e-Automat. – Also bitte aufs<strong>ch</strong>lagen<br />

und prüfen !“ Das gilt au<strong>ch</strong> gegenüber an<strong>der</strong>en <strong>Sekten</strong> und vorzügli<strong>ch</strong> gegenüber den sogenannten Ernsten<br />

Quellenmaterial Seite 77


Bibelfors<strong>ch</strong>ern [Anmerkung: Zeugen Jehovas]. An<strong>der</strong>s kannst du diese Springflut von willkürli<strong>ch</strong> herausgerissenen<br />

Bibelsprü<strong>ch</strong>en, die di<strong>ch</strong> zur Bewun<strong>der</strong>ung von <strong>der</strong> kolossalen Bibelkenntnis deines Gegenübers<br />

zwingen soll, überhaupt ni<strong>ch</strong>t mehr bändigen. Ein Gesprä<strong>ch</strong> ist an<strong>der</strong>s au<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>.<br />

Nun also zurück zu jener vermeintli<strong>ch</strong>en „Versiegelung“, bei <strong>der</strong> ein sol<strong>ch</strong>er Neu-Apostel den heiligen<br />

Geist Gottes und Christi mit allerlei religiösen Zeremonien angebli<strong>ch</strong> an seine Anhänger verteilt. Wer etwas<br />

verteilt, muss darüber Verfügungsgewalt haben. So meinen jene, über den heiligen Gottes- und Christus-Geist<br />

Verfügungsgewalt zu haben. Sie fühlen si<strong>ch</strong> als seine Besitzer. Als diese Sektiererei anfing, sagte Geyer,<br />

Heinri<strong>ch</strong> vom heiligen Geist: „I<strong>ch</strong> habe ihn“, und S<strong>ch</strong>wartz sagte au<strong>ch</strong>: „I<strong>ch</strong> habe ihn !“ Als si<strong>ch</strong> beide<br />

verzankten und entzweiten, sagte Geyer von S<strong>ch</strong>wartz: „I<strong>ch</strong> habe ihn, und du hast ihn ni<strong>ch</strong>t.“ Aber S<strong>ch</strong>wartz<br />

bestritt es: „Nein, i<strong>ch</strong> habe ihn, und du hast ihn ni<strong>ch</strong>t !“ Als si<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Landwirt Julius Fis<strong>ch</strong>er von den Neu-<br />

Apostolis<strong>ch</strong>en abspaltete und seine eigene Sekte aufma<strong>ch</strong>te, sagte er zu dem neu-apostolis<strong>ch</strong>en Stammapostel<br />

und den früheren neu-apostolis<strong>ch</strong>en Apostelkollegen: „Ihr habt ihn ni<strong>ch</strong>t, aber i<strong>ch</strong> habe ihn.“ So ging und geht es<br />

weiter. Wenn man aber bedenkt, dass es si<strong>ch</strong> hier um den heiligen Geist Gottes und Jesu Christi handelt, um den<br />

heiligen Geist, den Tröster wert, ahnt au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Fernstehende, dass hier ein ho<strong>ch</strong>gefährli<strong>ch</strong>es Spiel gespielt wird.<br />

Wer wohl mag si<strong>ch</strong> über dieses Spiel freuen ? Ohne erst na<strong>ch</strong> Bibelstellen fors<strong>ch</strong>en zu müssen, erkennt man<br />

s<strong>ch</strong>on an diesen einfa<strong>ch</strong>en Tatsa<strong>ch</strong>en, was bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en in <strong>der</strong> sogenannten „Versiegelung“ vor<br />

si<strong>ch</strong> geht. Aber wir wollen hier si<strong>ch</strong>er vorgehen und untersu<strong>ch</strong>en hier genau die wi<strong>ch</strong>tigsten <strong>der</strong> eins<strong>ch</strong>lägigen<br />

Bibelstellen, auf die si<strong>ch</strong> die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> berufen. Zuerst Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 8, 14 – 17:<br />

„Da aber die Apostel hörten zu Jerusalem, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte,<br />

sandten sie zu ihnen Petrus und Johannes, wel<strong>ch</strong>e, da sie hinabkamen, beteten sie, dass sie den<br />

heiligen Geist empfingen. Denn er war no<strong>ch</strong> auf keinen gefallen, son<strong>der</strong>n sie waren allein getauft<br />

auf den Namen Christi Jesu. Da legten sie die Hände auf, und sie empfingen den heiligen Geist.“<br />

Dort in Samarien haben es die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen so gehandhabt. Sie waren aber die apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Augenzeugen Christi und als sol<strong>ch</strong>e, wie bereits erläutert, einzigartig vor allen an<strong>der</strong>en Christen herausgehoben.<br />

Dass aber <strong>der</strong> heilige Geist über die Christen in Samarien kam, lag in dem Willen des heiligen Geistes begründet.<br />

Der heilige Geist weht, wo er will. In Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 10, 44 – 48 kam er sogar vor <strong>der</strong> heiligen Taufe. Er<br />

ist ni<strong>ch</strong>t gebunden. Jene neu-apostolis<strong>ch</strong>e Versiegelung entfällt s<strong>ch</strong>on darum, weil die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-<br />

Apostel seit Geyer und S<strong>ch</strong>wartz nur denken und erzählen, dass sie Prophet und Apostel Christi sind und den<br />

heiligen Geist zum Verteilen erhalten haben. So etwas denken und erzählen rei<strong>ch</strong>t aber ni<strong>ch</strong>t aus, um es den<br />

apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen glei<strong>ch</strong> zu tun. In Samarien aber taten die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Petrus und<br />

Johannes ihren Dienst. Diesen Augenzeugen kann ja au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t je<strong>der</strong> die Wun<strong>der</strong>taten und ihre Augenzeugens<strong>ch</strong>aft<br />

na<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>en. Wäre dies heute mögli<strong>ch</strong>, könnte man heute von Aposteln reden. An<strong>der</strong>s aber muss alles<br />

Gerede bleiben. Die Bewegung <strong>der</strong> Hände auf das Haupt eines an<strong>der</strong>en Mens<strong>ch</strong>en zu kann man den<br />

Augenzeugen Christi na<strong>ch</strong>ma<strong>ch</strong>en. Dass damit <strong>der</strong> heilige Geist kommt, ist blosse Phantasterei. Aber im Beson<strong>der</strong>en<br />

ist no<strong>ch</strong> Folgendes festzustellen: Dass die apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi die Hände auf den Kopf<br />

legten, ist überhaupt keine Bedingung für das Ges<strong>ch</strong>enk des heiligen Geistes. Was die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en aus<br />

diesem Händeauflegen gema<strong>ch</strong>t haben, nennt man in <strong>der</strong> deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e eine Übertreibung. Um als Sekte<br />

etwas Beson<strong>der</strong>es für si<strong>ch</strong> zu haben, wird irgend eine Sa<strong>ch</strong>e kräftig übertrieben. Das ist alte <strong>Sekten</strong>art. Die<br />

Zeugen Jehovas übertreiben die Sa<strong>ch</strong>e mit dem Gotteswort von dem neuen Himmel und <strong>der</strong> neuen Erde: Hier auf<br />

Erden werden na<strong>ch</strong> ihrer Ansi<strong>ch</strong>t die Freunde <strong>der</strong> 144'000 Erwählten in s<strong>ch</strong>önen Häusern wohnen und herrli<strong>ch</strong><br />

leben. Die Sabbatarier überteiben die Sa<strong>ch</strong>e mit dem Sabbat als Feiertag. Sie behaupten, es gäbe keine Kriege<br />

und kein Elend, hätte man stets anstelle des Sonntags den Samstag heilig gehalten. Die Sekte <strong>der</strong> Pfingstgemeinde<br />

übertreibt die Sa<strong>ch</strong>e mit dem Zungenreden, weil au<strong>ch</strong> davon etwas als Wirkung des heiligen Geistes in<br />

<strong>der</strong> Bibel steht. Alles Übertreiben stammt aber aus Unkenntnis und Besserwisserei in Sa<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> heiligen<br />

S<strong>ch</strong>rift. Das Randhafte wird zur Mitte. So treiben es au<strong>ch</strong> die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en mit ihrer sogenannten<br />

Versiegelung. Wi<strong>ch</strong>tig war in Samarien, dass die Augenzeugen es taten und dass alles aus <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft<br />

Christi herkam (s. au<strong>ch</strong> Apostelges<strong>ch</strong>. 19, 6. 1. Tim. 4, 14. 5, 22. 2. Tim. 1, 6). <strong>Aus</strong> <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft<br />

Christi heraus wurde es in <strong>der</strong> Urkir<strong>ch</strong>e hin und her geübt, war aber von dur<strong>ch</strong>aus untergeordneter Bedeutung.<br />

Derselbe apostolis<strong>ch</strong>e Augenzeuge Petrus, <strong>der</strong> es in Samarien mit Handauflegen auf Grund seiner<br />

Augenzeugens<strong>ch</strong>aft getan hatte, zeigte bei <strong>der</strong> ersten <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Gemeinde gar ni<strong>ch</strong>ts von Handauflegen.<br />

Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 2, 38 sagt er den bekehrten Glie<strong>der</strong>n: „Tut Busse und lasse si<strong>ch</strong> ein jegli<strong>ch</strong>er taufen auf den<br />

Namen Jesu Christi, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes.“ Genau so lehrt es au<strong>ch</strong> die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

Christi aller Zeiten. In jenem ents<strong>ch</strong>eidenden Augenblick am Anfang <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi fällt kein Wort über<br />

Händeauflegen. Der auferstandene Christus hat seine Jünger und Augenzeugen angehau<strong>ch</strong>t und ihnen so die<br />

Gabe des heiligen Geistes übermittelt (Joh. 20, 22). Dem bekehrten Kerkermeister von Philippi sagt <strong>der</strong><br />

Christus-Apostel Paulus in Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 16, 31: „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du und<br />

dein Haus selig !“ Es handelt si<strong>ch</strong> also bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en um eine dur<strong>ch</strong> und dur<strong>ch</strong> missverstandene<br />

ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Zeremonie von zeitweiligem Gebrau<strong>ch</strong>, die hier bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en soweit übertrieben<br />

wird, dass sie daraus ein drittes, ja das hö<strong>ch</strong>ste Sakrament ma<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> dabei ertappen wir sie s<strong>ch</strong>on wie<strong>der</strong> bei<br />

einer bösen Unkenntnis. Sakrament ist von Christus eingesetzt. Christus zeigt aber ni<strong>ch</strong>ts von dem, was jene<br />

Quellenmaterial Seite 78


„Versiegelung“ nennen. Aber hier befinden wir uns überhaupt erst an dem Rande des grossen Irrtums <strong>der</strong> neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

„Versiegelung“. Den Kern dieses gefährli<strong>ch</strong>en Irrtums wirst du, lieber Leser, si<strong>ch</strong>er sofort spüren,<br />

wenn du die Stelle liest, aus <strong>der</strong> die Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en und als ihre S<strong>ch</strong>üler die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en die<br />

„Versiegelung“ herausgelesen haben als eine Sa<strong>ch</strong>e, die sie betreiben könnten und bei <strong>der</strong> sie den heiligen Geist<br />

auszuteilen meinen. Unkenntnis, Übertreibung und <strong>der</strong> Wuns<strong>ch</strong>, etwas Eigenes, etwas Originelles und<br />

Auffälliges zu besitzen, standen bei <strong>der</strong> Erfindung jener „Versiegelung“ Pate. Die fragli<strong>ch</strong>e Stelle steht<br />

Offenbarung 7, 1 – 8. Wir fügen aber no<strong>ch</strong> Vers 9 hinzu, und das Gemäuer <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Versiegelung<br />

verwandelt si<strong>ch</strong> in einen Trümmerhaufen von phantastis<strong>ch</strong>en Träumereien. Die Stelle lautet:<br />

„Und darna<strong>ch</strong> sah i<strong>ch</strong> vier Engel stehen auf den vier Ecken <strong>der</strong> Erde, die hielten die vier Winde<br />

<strong>der</strong> Erde, auf dass kein Wind über die Erde bliese no<strong>ch</strong> über das Meer no<strong>ch</strong> über irgend einen<br />

Baum. Und i<strong>ch</strong> sah einen an<strong>der</strong>n Engel aufsteigen von <strong>der</strong> Sonne Aufgang, <strong>der</strong> hatte das Siegel<br />

des lebendigen Gottes und s<strong>ch</strong>rie mit grosser Stimme zu den vier Engeln, wel<strong>ch</strong>en gegeben war zu<br />

bes<strong>ch</strong>ädigen die Erde und das Meer, und er spra<strong>ch</strong>: Bes<strong>ch</strong>ädiget die Erde ni<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> das Meer<br />

no<strong>ch</strong> die Bäume, bis dass wir versiegeln die Kne<strong>ch</strong>te unseres Gottes an ihren Stirnen ! Und i<strong>ch</strong><br />

hörte die Zahl <strong>der</strong>er, die versiegelt wurden: 144'000, die versiegelt waren von allen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tern<br />

<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> Israel: von dem Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Juda 12'000 versiegelt, von dem Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Ruben 12'000<br />

versiegelt, von dem Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Gad 12'000 versiegelt, von dem Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Asser 12'000 versiegelt,<br />

von dem Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Naphtali 12'000 versiegelt“ und so weiter bis zu dem 12. Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t<br />

Benjamin 12'000 versiegelt ... Darna<strong>ch</strong> sah i<strong>ch</strong> und siehe, eine grosse S<strong>ch</strong>ar, wel<strong>ch</strong>e niemand<br />

zählen konnte, aus allen Heiden und Völkern und Spra<strong>ch</strong>en, vor dem Stuhl stehend und vor dem<br />

Lamm, angetan mit weissen Klei<strong>der</strong>n und Palmen in ihren Händen ...“<br />

Hier haben wir es also klar vor Augen. Diese himmlis<strong>ch</strong>e Versiegelung <strong>der</strong> je 12'000 aus den Stämmen<br />

Israels hat mit <strong>der</strong> Handauflegung <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi überhaupt keinen Zusammenhang.<br />

Beide sind völlig von einan<strong>der</strong> vers<strong>ch</strong>ieden. Ni<strong>ch</strong>ts deutet darauf, dass man beide zusammens<strong>ch</strong>auen und als eine<br />

Einheit verstehen, dass man beide miteinan<strong>der</strong> koppeln dürfte. Wo ist in Offenbarung 7 au<strong>ch</strong> nur ein Sterbenswört<strong>ch</strong>en<br />

von <strong>der</strong> Mitteilung des heiligen Geistes bei Versiegelung <strong>der</strong> je 12'000 aus den Stämmen, die in<br />

Kapitel 14, 1 und 3 no<strong>ch</strong> genau bes<strong>ch</strong>rieben werden. Wo ist in Offenbarung 7 ein Sterbenswört<strong>ch</strong>en gesagt, dass<br />

diese Versiegelung ges<strong>ch</strong>ehen werde, solange no<strong>ch</strong> die Winde über Meere, Berge und Bäume gehen ? Wo ist<br />

hier ein Sterbenswört<strong>ch</strong>en gesagt, dass Mens<strong>ch</strong>en diese Versiegelung vornehmen dürften. Es sind himmlis<strong>ch</strong>e<br />

Wesen, die die Winde versiegen lassen. Und es heisst gewaltig: „Und i<strong>ch</strong> sah einen an<strong>der</strong>en Engel aufsteigen<br />

von <strong>der</strong> Sonne Aufgang, <strong>der</strong> hatte das Siegel des lebendigen Gottes.“ Verwe<strong>ch</strong>seln si<strong>ch</strong> diese neu-apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Neu-Apostel sogar mit diesem gewaltigen göttli<strong>ch</strong>en Wesen, das von <strong>der</strong> Sonne Aufgang aufsteigt, wenn die Zeit<br />

<strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en Endkatastrophen einsetzt und die Winde aufgehört haben und die Stürme ni<strong>ch</strong>t mehr über die<br />

Meere brausen werden ? Einmal wird das alles ges<strong>ch</strong>ehen. Aber dann wird ni<strong>ch</strong>t nur kein Sturm mehr brausen,<br />

son<strong>der</strong>n au<strong>ch</strong> kein Lufthau<strong>ch</strong> und Wind über diese Erde gehen, und die Mens<strong>ch</strong>en werden ers<strong>ch</strong>recken vor<br />

Fur<strong>ch</strong>t über das beginnende Gottesgeri<strong>ch</strong>t. Wird das böse neu-apostolis<strong>ch</strong>e Spiel mit <strong>der</strong> sogenannten Versiegelung<br />

ni<strong>ch</strong>t im Angesi<strong>ch</strong>t dieser Geri<strong>ch</strong>tszeit mit grausiger Windstille zu einer argen Gotteslästerung ! Und nun<br />

die nie<strong>der</strong>s<strong>ch</strong>metternde Frage: Wo steht ein Sterbenswört<strong>ch</strong>en darüber, dass zu den Erwählten Gottes nur diese<br />

144'000 gehören werden. Es heisst ja s<strong>ch</strong>on in Vers 9:<br />

„Dana<strong>ch</strong> sah i<strong>ch</strong> und siehe eine grosse S<strong>ch</strong>ar, wel<strong>ch</strong>e niemand zählen konnte, aus allen Heiden<br />

und Völkern und Spra<strong>ch</strong>en vor dem Stuhl stehen und vor dem Lamm, angetan mit weissen<br />

Klei<strong>der</strong>n und Palmen in ihren Händen.“<br />

Also, hier haben wir es: Unzählbare S<strong>ch</strong>aren zusätzli<strong>ch</strong> zu jenen 144'000 Gezei<strong>ch</strong>neten, die aus Israels<br />

Stämmen Stamm für Stamm genau aufgezählt werden. Wo steht, was die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en ihren arglos<br />

Gläubigen und ho<strong>ch</strong>anständigen Anhängern vorerzählen: von den 144'000, die sie seien ? Unzählbare Millionen<br />

werden vor dem Thron des Erlösers stehen, die jubelnde S<strong>ch</strong>ar <strong>der</strong> triumphierenden <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> Christi. Man hält bei<br />

den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en die Anhänger für so einfältig, dass man si<strong>ch</strong> sagt: „A<strong>ch</strong>, die werden ja bestimmt ni<strong>ch</strong>t<br />

einen Vers weiter lesen. Und tun sie es, verstehen sie die Sa<strong>ch</strong>e ja do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t.“ Wer könnte den gere<strong>ch</strong>ten Zorn<br />

über die Irreführung ho<strong>ch</strong>anständiger, s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Mens<strong>ch</strong>en übel nehmen ! Und endli<strong>ch</strong> die Frage: Wie kann<br />

man jetzt s<strong>ch</strong>on ein Sakrament <strong>der</strong> Versiegelung erfinden, wenn einst, bei Aufhören <strong>der</strong> Winde und bei Beginn<br />

<strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en Endkatastrophen himmlis<strong>ch</strong>e Wesen eine bestimmte S<strong>ch</strong>ar aus Israel zei<strong>ch</strong>nen, dass sie ni<strong>ch</strong>t mit<br />

verni<strong>ch</strong>tet werden ? Es ist für den Kenner ein grausiges Spiel dieser S<strong>ch</strong>riftgelehrten neuer Art mit Gottes<br />

heiligem Wort und den Seelen s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter, ho<strong>ch</strong>anständiger Mens<strong>ch</strong>en, die nur den einen Fehler haben, dass sie<br />

arglos vertrauensselig sind. Aber <strong>der</strong> Trick dieser neu-apostolis<strong>ch</strong>en „Versiegelung“ wird dem s<strong>ch</strong>arfsi<strong>ch</strong>tigen<br />

und klar denkenden Beoba<strong>ch</strong>ter sofort klar: Eine Sekte wie die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en brau<strong>ch</strong>t eine eigene,<br />

beson<strong>der</strong>s auffällige Sa<strong>ch</strong>e für si<strong>ch</strong> als Propaganda-Mittel. Und man brau<strong>ch</strong>t ein Mittel, um den Anhängern<br />

sagen zu können: „Nur wir sind die Erwählten. Nur wir sind die Braut Christi. Denn nur wir sind die 144'000<br />

Erwählten. Es werden nämli<strong>ch</strong> nur 144'000 die Erlösten Christi sein.“ Dadur<strong>ch</strong> fesselt man die Seelen <strong>der</strong><br />

Anhänger. Dadur<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t man sie au<strong>ch</strong> fanatis<strong>ch</strong>-treu. Wäre man bei <strong>der</strong> biblis<strong>ch</strong>en Wahrheit geblieben,<br />

hätte man sagen müssen: „Nein, Irrtum, ni<strong>ch</strong>t nur 144'000 werden es sein, son<strong>der</strong>n unzählbare Millionen.“ Das<br />

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aber würde den ganzen Trick und das beste Propaganda-Mittel ver<strong>der</strong>ben. Also ma<strong>ch</strong>t man es auf die bekannte<br />

Tour. Was heisst jenen Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Wahrheit, was heisst ihnen, einen Irrtum zugeben ? Erfolge<br />

su<strong>ch</strong>en sie. Das allein ist ihnen wi<strong>ch</strong>tig.<br />

Weißt du übrigens, lieber Leser, dass <strong>der</strong> heutige sogenannte Stammapostel, als er no<strong>ch</strong> ein kleiner<br />

„Apostel“ war, unsere Ansi<strong>ch</strong>t über den grossen Irrtum mit den 144'000 Erwählten selbst vertreten hat. Am 26.<br />

September 1918 s<strong>ch</strong>rieb er an den neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel Brückner, seinen damaligen Kollegen, <strong>der</strong><br />

si<strong>ch</strong> später abspaltete: „Wir sehen na<strong>ch</strong> Offenbarung 7 ausser den Versiegelten no<strong>ch</strong> eine grosse S<strong>ch</strong>ar, die au<strong>ch</strong><br />

ihre Klei<strong>der</strong> rein gewas<strong>ch</strong>en haben im Lammesblut, und wie hart war man gegenüber An<strong>der</strong>sgläubigen ?“ (s. K.<br />

Hutten: Seher, Grübler ... 1950. S. 171, Anmerkung). Damals stand dieser Mann gegen den berü<strong>ch</strong>tigten<br />

„Stammapostel“ Niehaus. Aber Niehaus ma<strong>ch</strong>te ihn 1920 zum Stammapostelhelfer. So gab er seine umstürzleris<strong>ch</strong>e<br />

Ansi<strong>ch</strong>t auf und wurde linientreu. Sage ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>, lieber Leser: „Das ist erlogen !“ Bitte frage na<strong>ch</strong><br />

und berufe di<strong>ch</strong> auf das, was hier gesagt ist. Jener Brief des damaligen „Apostels“ und heutigen Stammapostels<br />

Bis<strong>ch</strong>off s<strong>ch</strong>lägt <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Versiegelung ins Gesi<strong>ch</strong>t. Dass es nur 144'000 sein würden, hielt er in<br />

jenem Brief für Unsinn. For<strong>der</strong>e, dass er heute Farbe bekennt, und sage ihm: „Ihre damalige Ansi<strong>ch</strong>t wirft die<br />

neu-apostolis<strong>ch</strong>e Sa<strong>ch</strong>e mit den 144'000 radikal um.“ Damit aber fallen die Verspre<strong>ch</strong>ungen mit den 144'000<br />

Erwählten ebenfalls ins Wasser.“ Ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong> sagen: „Erlogen !“ So einfa<strong>ch</strong> wird man mit <strong>der</strong> Wahrheit ni<strong>ch</strong>t<br />

fertig. Es bri<strong>ch</strong>t an dem einfa<strong>ch</strong>en und klaren Text von Offenbarung 7, 1 – 9 die sogenannte neu-apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Versiegelung völlig in si<strong>ch</strong> zusammen. Sie ist ni<strong>ch</strong>ts, gar ni<strong>ch</strong>ts. Nur etwas ist sie: Ein gewaltiger,<br />

seelenverführen<strong>der</strong> Irrtum, <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>en in eine ganz fals<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheit wiegt. Das ist gewiss eine harte Rede.<br />

Viele s<strong>ch</strong>öne Träume über die Si<strong>ch</strong>erheit, dass man zu den 144'000 Erwählten gehöre, zerrinnen hier wie Nebel<br />

vor <strong>der</strong> Sonne. Halte nun ni<strong>ch</strong>t, lieber neu-apostolis<strong>ch</strong>er Leser, hartnäckig und stur an jener, den heiligen Geist<br />

lästernden Sa<strong>ch</strong>e mit <strong>der</strong> sogenannten Versiegelung neu-apostolis<strong>ch</strong>er Art fest. Es hilft dir gar ni<strong>ch</strong>ts. Die<br />

Si<strong>ch</strong>erheit, die dir die neu-apostolis<strong>ch</strong>en Neu-Apostel anbieten, ist keine Si<strong>ch</strong>erheit, son<strong>der</strong>n nur <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>ein von<br />

Si<strong>ch</strong>erheit. Deine einzige Si<strong>ch</strong>erheit heisst Christus, <strong>der</strong> di<strong>ch</strong> ruft: zum Glauben, <strong>der</strong> ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>aut, und <strong>der</strong> dem<br />

Unsi<strong>ch</strong>tbaren, als säh’ er ihn, vertraut. Es wird dir, wenn du alles überdenkst, deine religiöse Erregung und<br />

Leidens<strong>ch</strong>aft bei den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en wie ein seltsamer Traum vorkommen, und du wirst di<strong>ch</strong> selber gar<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr verstehen können. S<strong>ch</strong>eue di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, deinen Irrtum dir selbst einzugestehen. Frevelhaft ist es,<br />

hartnäckig bei seinem Irrtum zu bleiben, nur weil man ihn einmal begangen hat. Du wirst viellei<strong>ch</strong>t über deinen<br />

neu-apostolis<strong>ch</strong>en Eifer s<strong>ch</strong>on jetzt lä<strong>ch</strong>eln. Viellei<strong>ch</strong>t wird di<strong>ch</strong> alles sehr erregen, was du hier gelesen hast und<br />

als nü<strong>ch</strong>tern und vernünftig denken<strong>der</strong> Christenmens<strong>ch</strong> zugeben musst. S<strong>ch</strong>eue di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, den nä<strong>ch</strong>sten<br />

evangelis<strong>ch</strong>en Pfarrer ganz offen und ehrli<strong>ch</strong> anzuspre<strong>ch</strong>en und um weitere Aufklärung zu bitte. Er wird sie dir<br />

gewiss gern gewähren. Er hat in jahrelanger emsiger Arbeit, in hartem Studieren na<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Wahrheit Gottes<br />

gefors<strong>ch</strong>t. Er weiss dir Antwort zu geben. Viele grosse Lehrer <strong>der</strong> heiligen S<strong>ch</strong>rift aus unserer Zeit sind seine<br />

Lehrer gewesen und dazu die grossen Lehrer <strong>der</strong> heiligen S<strong>ch</strong>rift aus 1900 Jahren Vergangenheit. Bei ihnen allen<br />

hat er gelernt. Frage ihn getrost. S<strong>ch</strong>eue di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Es gilt na<strong>ch</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit des Evangeliums ein<br />

Neues zu bauen. Laufe aber keinesfalls, wenn dir die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en als Irrtums-Apostel endli<strong>ch</strong> klar<br />

geworden sind, zu einer an<strong>der</strong>en Sekte. Su<strong>ch</strong>st du na<strong>ch</strong> brü<strong>der</strong>li<strong>ch</strong>er und s<strong>ch</strong>westerli<strong>ch</strong>er Gemeins<strong>ch</strong>aft, gehe in<br />

eine innerkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft. Dort findest du viele re<strong>ch</strong>te Mens<strong>ch</strong>en. Und wenn du jetzt verzweifelt fragen<br />

solltest: „Ja, habe i<strong>ch</strong> nun ni<strong>ch</strong>t mehr den heiligen Geist, weil ja alles Torheit ist, was mir von <strong>der</strong> sogenannten<br />

Versiegelung erzählt wurde und i<strong>ch</strong> in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Finsternis daran geglaubt habe ?“, so wisse: Jesus sagt: „So<br />

denn ihr, die ihr arg seid, könnet euren Kin<strong>der</strong>n gute Gaben geben, wie viel mehr wird <strong>der</strong> Vater im Himmel den<br />

heiligen Geist geben denen, die ihn bitten !“ Luk. 11, 13. Also, <strong>der</strong> heilige Geist muss tägli<strong>ch</strong> neu erbeten<br />

werden. Er ist überhaupt ein Gegenstand des Gebetes. Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigener Pein,<br />

au<strong>ch</strong> mit religiösen Zeremonien <strong>der</strong> sogenannten Versiegelung lässt Gott si<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>ts nehmen. Es muss<br />

erbeten sein. Wir sind und bleiben Bettler um den heiligen Geist, ni<strong>ch</strong>t mehr und ni<strong>ch</strong>t weniger. Jesus sagt<br />

Matth. 5, 3: „Selig sind, die da geistli<strong>ch</strong> arm sind, denn das Himmelrei<strong>ch</strong> ist ihr.“ Weißt du, dass das wörtli<strong>ch</strong> in<br />

<strong>der</strong> grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>e des Neuen Testaments heisst: „Selig sind die Bettler um den (heiligen) Geist, denn das<br />

Himmelrei<strong>ch</strong> ist ihr.“ Das ist die göttli<strong>ch</strong>e Wahrheit über den heiligen Geist.“ Aber, lieber Leser, wir müssen hier<br />

weiter s<strong>ch</strong>reiten. Ein düsteres Kapitel wartet seiner Erledigung. Es ist die sogenannte neu-apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Versiegelung <strong>der</strong> Toten.<br />

5. Erneutes Zwis<strong>ch</strong>enspiel über die neu-apostolis<strong>ch</strong>e Totenversiegelung<br />

Hier arbeitet man sogar mit spiritistis<strong>ch</strong>en Tricks. Hier zeigt man seine Vetterns<strong>ch</strong>aft mit Joseph<br />

Weissenberg, <strong>der</strong> auf dem Gebiet <strong>der</strong> Totenbefragung seine s<strong>ch</strong>limmsten Taten vollbra<strong>ch</strong>t hat: als Lästerer des<br />

heiligen Gottes. Dur<strong>ch</strong> diese Taten hat er seine Anhänger als Masse gewonnen. Weissenberg behauptete, ins<br />

Totenrei<strong>ch</strong> hinein Ma<strong>ch</strong>t zu haben. Wer hat ni<strong>ch</strong>t einen lieben Ents<strong>ch</strong>lafenen ! Wer denkt ni<strong>ch</strong>t gern an ihn !<br />

Wel<strong>ch</strong>en ernsten Christen bewegt ni<strong>ch</strong>t die Frage: Wie wird mein lieber Ents<strong>ch</strong>lafener <strong>der</strong>einst vor Gott<br />

bestehen? Es gibt ja für ihn kein Zurück mehr. Der Tod hat das Bu<strong>ch</strong> seines Lebens zuges<strong>ch</strong>lagen. Wun<strong>der</strong>bar<br />

ist <strong>der</strong> Trost des <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Glaubens, aus dem unsere evangelis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> lebt und dessen Anfang, Mitte und<br />

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Ende Christus heisst, <strong>der</strong> au<strong>ch</strong> für meinen lieben Ents<strong>ch</strong>lafenen sein heiliges teures Blut vergossen hat und über<br />

Tote und Lebende Herr ist. So weiss <strong>der</strong> evangelis<strong>ch</strong>e Christ in Christus alle Sehnsu<strong>ch</strong>t gestillt, allen S<strong>ch</strong>merz<br />

begraben und alle Ängste um den lieben Ents<strong>ch</strong>lafenen besiegt. Gewaltig aber ist die fromme Sehnsu<strong>ch</strong>t und<br />

religiöse Leidens<strong>ch</strong>aft man<strong>ch</strong>er, ni<strong>ch</strong>t tief und fest in Christus gegründeter Mens<strong>ch</strong>en, in das Totenrei<strong>ch</strong> hineinzuwirken<br />

und dort na<strong>ch</strong>zuhelfen. Es ist eine urheidnis<strong>ch</strong>e Sehnsu<strong>ch</strong>t. Sie ist urmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> und stammt aus Ur-<br />

Instinkten wie alles Heidentum. Ihr ist die Masse heidnis<strong>ch</strong>er Totenkulte zu danken bis hin zu Tier- und<br />

Mens<strong>ch</strong>enopfern. Das ganze Treiben <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Bibel hart verurteilten und gotteslästerli<strong>ch</strong>en Totenbefragungen,<br />

<strong>der</strong> Pendels<strong>ch</strong>winger, Kartenlegerinnen, <strong>der</strong> spiritistis<strong>ch</strong>en Sitzungen und alles ähnli<strong>ch</strong>en, sogar oft <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong><br />

getarnten Aberglaubens lebt aus jenen urheidnis<strong>ch</strong>en, allein dur<strong>ch</strong> Christus zum S<strong>ch</strong>weigen gebra<strong>ch</strong>ten Sehnsü<strong>ch</strong>ten<br />

und religiösen Leidens<strong>ch</strong>aften <strong>der</strong> Mens<strong>ch</strong>enseele. Jener Joseph Weissenberg hatte diese wie<strong>der</strong> aufgewühlt<br />

und dur<strong>ch</strong> Lügenwerke befriedigt. Er verspra<strong>ch</strong> Ma<strong>ch</strong>twirkungen in das Totenrei<strong>ch</strong> hinein. In dieselbe<br />

geistige Linie gehört <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>e sogenannte „Ents<strong>ch</strong>lafenen-Dienst“. Und wie<strong>der</strong> tritt <strong>der</strong> s<strong>ch</strong>lau ausgenütze<br />

S<strong>ch</strong>rei mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Seelen na<strong>ch</strong> Si<strong>ch</strong>erheiten in das Blickfeld. Es ist <strong>der</strong> S<strong>ch</strong>rei <strong>der</strong> seelis<strong>ch</strong>en Irrläufer,<br />

die ni<strong>ch</strong>t wahrhaft vertrauensvoll im heiligen Christusglauben allein ihre lieben Ents<strong>ch</strong>lafenen Christus anbefehlen<br />

können. Dieses seelis<strong>ch</strong>e Irrläufertum leiden<strong>der</strong> und geängsteter armer Mens<strong>ch</strong>en su<strong>ch</strong>en jene Neu-<br />

Apostel dur<strong>ch</strong> den Trick <strong>der</strong> sogenannten „Totenversiegelung“ und dur<strong>ch</strong> frevelhaft s<strong>ch</strong>laue Verspre<strong>ch</strong>ungen<br />

auszunützen. Das bringt Anhänger. Hier liegt <strong>der</strong> Trick vor dem s<strong>ch</strong>arfen Beoba<strong>ch</strong>terauge zu Tage. Hier s<strong>ch</strong>auen<br />

wir hinter die religiösen Kulissen. Man geht hier wie<strong>der</strong> aufs Ganze in einer Zeit grosser Kriege und vieler Toter,<br />

um die zahllose Tränen <strong>der</strong> Trauer geweint werden, und viele fromme Herzen beben, weil sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu dem<br />

sieghaften Glauben an Christus, den Herrn <strong>der</strong> Toten und Lebenden erheben können. Man sagt den frommen,<br />

aber in <strong>der</strong> Irre su<strong>ch</strong>enden Seelen ni<strong>ch</strong>t etwa: „Su<strong>ch</strong>et Christum und sein Li<strong>ch</strong>t, alles andre hilft eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t !“<br />

Nein, man bietet in <strong>der</strong> Totenversiegelung wie<strong>der</strong> fals<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheiten an. Man sagt: „Unsere Apostel“ haben<br />

au<strong>ch</strong> im Totenrei<strong>ch</strong> Ma<strong>ch</strong>t. Ja, verlasst eu<strong>ch</strong> nur ruhig darauf. Es geht alles in Ordnung. Der lebende „Apostel“<br />

ruft einen gestorbenen Apostel. Der lebende ma<strong>ch</strong>t eine fromme Zeremonie bei <strong>der</strong> lebenden Mutter, <strong>der</strong><br />

verstorbene ma<strong>ch</strong>t dazu die „Versiegelung“ bei dem gefallenen Sohn. Wir ma<strong>ch</strong>en die Sa<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>ön feierli<strong>ch</strong>.<br />

Dann hast du Si<strong>ch</strong>erheiten für deinen Sohn im Jenseits. Man denke si<strong>ch</strong> dazu die grübelnde Mutter in ihrem<br />

S<strong>ch</strong>merz, <strong>der</strong> ihr Herz lei<strong>ch</strong>t kecken Behauptungen über jenseitige Si<strong>ch</strong>erheiten öffnet. Wird hier ni<strong>ch</strong>t<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Leid in <strong>ch</strong>ristusferner, seelenmorden<strong>der</strong> Weise ausgenützt ! Arbeitet man hier ni<strong>ch</strong>t mit dem<br />

Grundsatz: Keckheit siegt ! Anstatt frohen Glaubens dem Herrn <strong>der</strong> Gnaden zu vertrauen und den lieben Toten<br />

in Gottes Vaterarme zu betten, kann dann wohl lei<strong>ch</strong>t eine geängstete und dur<strong>ch</strong> fals<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>erheiten<br />

narkotisierte Seele stranden und ewig verlorengehen.<br />

Natürli<strong>ch</strong> arbeiten hier die Neu-Apostel au<strong>ch</strong> kräftig mit Bibelsprü<strong>ch</strong>en. Der Bibelkenner sieht hier die<br />

zweite Gotteslästerung dur<strong>ch</strong> Missbrau<strong>ch</strong> des heiligen Gotteswortes, um einen urheidnis<strong>ch</strong>en, <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong> verkleideten<br />

Totenkult zu re<strong>ch</strong>tfertigen. Die Erläuterung aller missbrau<strong>ch</strong>ten Bibelstellen würde ein zweites Bu<strong>ch</strong><br />

füllen. Aber dir, lieber Leser, geben wir den Rat: Wenn dir jemand mit sol<strong>ch</strong>en Bibelstellen als angebli<strong>ch</strong>en<br />

Beweisen für „Totenversiegelung“ kommt, frage immer sofort: „Wo steht hier etwas klipp und klar von<br />

„Totenversiegelung“, wie ihr Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en sie betreibt ?“ Lasse di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auf die <strong>Aus</strong>rede ein: „Ja, das<br />

muss man si<strong>ch</strong> dazudenken !“ Mit diesem altbekannten Trick arbeiten nämli<strong>ch</strong> alle <strong>Sekten</strong>. An<strong>der</strong>s gäbe es ja<br />

gar keine <strong>Sekten</strong>. Natürli<strong>ch</strong> geht es niemals um das, was man si<strong>ch</strong> dazudenken könnte, son<strong>der</strong>n um das, was<br />

Gottes Wort wirkli<strong>ch</strong> sagt. Ist aber <strong>der</strong> Sinn einer Stelle dunkel, so ist er eben dunkel. Dann kann man no<strong>ch</strong> lange<br />

ni<strong>ch</strong>t etwas hinzudenken o<strong>der</strong> hineindenken. Dann hilft au<strong>ch</strong> keine Gedankenzauberei. Au<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Neu-Apostel<br />

bringt dann kein Li<strong>ch</strong>t. Wenn aber eine Bibelstelle ni<strong>ch</strong>ts klipp und klar von „Totenversiegelung“ sagt, dann sagt<br />

sie eben davon ni<strong>ch</strong>ts und fällt als Beweis aus. In <strong>der</strong> gesamten Bibel steht aber kein Sterbenswort darüber. Sie<br />

wäre sonst au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die Bibel, son<strong>der</strong>n ein allgemein-religiöses Phantasiebu<strong>ch</strong>. Die neu-apostolis<strong>ch</strong>e Hauptstelle<br />

ist 1. Kor. 15, 29: “Was ma<strong>ch</strong>en sonst, die si<strong>ch</strong> taufen lassen über den Toten, so überhaupt die Toten ni<strong>ch</strong>t<br />

auferstehen ?“ Hier ist klipp und klar von <strong>der</strong> heiligen Taufe und wie im ganzen Kapitel 1. Kor. 15 von <strong>der</strong><br />

Auferstehung die Rede. Wo ist hier ein Zusammenhang mit dem Werk <strong>der</strong> „Versiegelung“ (Offenbarung 7), die<br />

himmlis<strong>ch</strong>e Wesen bei Aufhören <strong>der</strong> Winde über Meeren, Bergen und Bäumen an den no<strong>ch</strong> lebenden je 12'000<br />

aus Israels Stämmen vollziehen werden ? Und wo ist vollends au<strong>ch</strong> nur <strong>der</strong> Hau<strong>ch</strong> eines Hinweises auf jene<br />

sogenannte „Totenversiegelung“ ? Hier wird <strong>der</strong> Trick mit den Bibelstellen handgreifli<strong>ch</strong>. Wie man dort das<br />

Handauf-legen <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugen Christi als gelegentli<strong>ch</strong> geübte Form in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Augenzeugens<strong>ch</strong>aft<br />

mit dem Werk <strong>der</strong> himmlis<strong>ch</strong>en Wesen bei Aufhören von Wind und Sturm gekoppelt hat, so<br />

koppelt man dieses himmlis<strong>ch</strong>e Werk aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en Endkatastrophen mit dem urheidnis<strong>ch</strong>en<br />

Versu<strong>ch</strong>, in das Rei<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Toten einzugreifen. Au<strong>ch</strong> das Koppeln von völlig vers<strong>ch</strong>iedenen Bibelsprü<strong>ch</strong>en ist ein<br />

alter Dreh von <strong>Sekten</strong>führern. Um gutgläubige Anhänger geht es immer. Man muss s<strong>ch</strong>on ein bewan<strong>der</strong>ter<br />

Bibelkenner sein, um den versteckten Trick zu erspähen. Nein, den gutgläubigen Anhängern wird Sand in die<br />

Augen gestreut. Das ist alles. Man nützt hier ganz keck einen urmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Si<strong>ch</strong>erheit in das<br />

Totenrei<strong>ch</strong> hinein und für liebe Ents<strong>ch</strong>lafene radikal aus. In Zeiten mit grossen Kriegen, mit vielen Toten und<br />

Vermissten, in Zeiten mit vielen um ihre lieben Toten geängsteten Müttern und Vätern, Bräuten und Ehefrauen<br />

bringt das Zulauf [Hinweis: Und Opfergeldeinnahme]. Wie sollte man es an<strong>der</strong>s verstehen, dass <strong>der</strong> Wahrheit<br />

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Christi und des göttli<strong>ch</strong>en Wortes so keck und so raffiniert glei<strong>ch</strong>sam mitten ins Gesi<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>lagen wird ? Wie<br />

sollte an<strong>der</strong>s die ungeheure und unverfrorene Behauptung jener Neu-Apostel verstanden werden: „Wir können<br />

sogar mit Si<strong>ch</strong>erheiten über die Todesgrenze hinaus, ins Totenrei<strong>ch</strong> hinein garantieren ?“ Au<strong>ch</strong> dabei arbeitet<br />

man mit <strong>der</strong> Lästerung des heiligen Geistes. Lasst eu<strong>ch</strong>, ihr Weinenden und Trauernden, ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> den<br />

S<strong>ch</strong>merz zu Narren <strong>der</strong> Zauberer mit dem Totenrei<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en, sei es glei<strong>ch</strong> mit frommen Redensarten und<br />

Zeremonien. Nehmet in eurem S<strong>ch</strong>merz ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> an eurer Seele S<strong>ch</strong>aden, so dass Leib und Seele, Herz<br />

und Auge in zeitli<strong>ch</strong>e und ewige Trübsal kommen. Lasset eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t kecke Verspre<strong>ch</strong>ungen und das grausige<br />

neu-apostolis<strong>ch</strong>e Treiben mit den Ents<strong>ch</strong>lafenen zum Flu<strong>ch</strong> für Zeit und Ewigkeit werden.<br />

6. Allgemeiner Kehraus mit den übrigen neu-apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Propaganda-Tricks<br />

a) Wo sind eure neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propheten ?<br />

Hier wollen wir uns einmal die Freiheit herausnehmen und so spre<strong>ch</strong>en, als wären wir neu-apostolis<strong>ch</strong>,<br />

aber ni<strong>ch</strong>t sehr folgsam, son<strong>der</strong>n ein wenig kritis<strong>ch</strong> und mit <strong>der</strong> Frage auf den Lippen: „Wo sind unsere neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Propheten ? Erstens sagen do<strong>ch</strong> wir selbst: Gott hat unsere Apostel gesetzt. Es heisst aber au<strong>ch</strong>:<br />

Gott hat Propheten gesetzt (Ephes. 4, 11. 1. Kor. 12, 28). Zweitens hatten wir ja au<strong>ch</strong> früher bis Fritz Krebs,<br />

Stammapostel, neu-apostolis<strong>ch</strong>e Propheten. Diese kann man do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> aus mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Willkür<br />

liquidieren, also ins Wasser fallen lassen !“ Ja, wer A sagt, muss au<strong>ch</strong> B sagen. Wo sein die neu-apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Propheten ? Sie sind vers<strong>ch</strong>wunden dur<strong>ch</strong> Befehl von Fritz Krebs. Warum ? Wir wissen den Grund, nein die<br />

Gründe:<br />

1. Diese neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propheten haben si<strong>ch</strong> mit ihren Prophezeiungen saftig und kräftig immer wie<strong>der</strong><br />

blamiert. Ihnen konnte man es na<strong>ch</strong>re<strong>ch</strong>nen, ob sie „Propheten“ sind. Man brau<strong>ch</strong>te nur auf die Erfüllung ihrer<br />

Prophezeiungen zu lauern.<br />

2. Diese besagten neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propheten haben man<strong>ch</strong>mal unter <strong>der</strong> Maske einer „geisterfüllten“<br />

„Prophetenrede“ den sogenannten Aposteln und dem sogenannten Stammapostel ordentli<strong>ch</strong> die Meinung gesagt.<br />

Da gab es Wi<strong>der</strong>sprü<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en den Reden „aus dem heiligen Geist“ bei jenen „Propheten“ und bei jenen<br />

„Aposteln“. So mussten jene vers<strong>ch</strong>winden. Dass es heisst: Gott hat sie gesetzt, galt glei<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts. Hier konnte<br />

man die peinli<strong>ch</strong>e Sa<strong>ch</strong>e mit ein paar <strong>Aus</strong>reden für die s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten und alles glaubenden Anhänger, die ja immer<br />

nur JA sagen, unter <strong>der</strong> Hand erledigen. Der heutige sogenannte Stammapostel, ein Herr Bis<strong>ch</strong>off aus Frankfurt,<br />

hat si<strong>ch</strong> die <strong>Aus</strong>rede lei<strong>ch</strong>t gema<strong>ch</strong>t. Er sagte („UNSERE FAMILIE“ 1950, S. 439): „Wir haben für unsere Zeit<br />

keine Prophetie mehr nötig. Denn wir wissen, dass <strong>der</strong> Sohn Gottes kommt.“ Eine ganz magere, ja eine ganz<br />

dünne <strong>Aus</strong>rede. Dass <strong>der</strong> Sohn Gottes kommt, hat man s<strong>ch</strong>on vor 1900 Jahren gewusst. Aber unter Fritz Krebs,<br />

Stammapostel, gab es no<strong>ch</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>e Propheten. Es hilft keine <strong>Aus</strong>rede. Wir geben jenen re<strong>ch</strong>t: Vorbei<br />

ist die Zeit <strong>der</strong> Propheten Gottes. Aber vorbei ist au<strong>ch</strong> die Zeit <strong>der</strong> Apostel Christi, nämli<strong>ch</strong> <strong>der</strong> Augenzeugen.<br />

Weil man diese Neu-Apostel ni<strong>ch</strong>t so kontrollieren kann wie jene Propheten, treiben die Neu-Apostel weiter ihr<br />

Wesen und täus<strong>ch</strong>en gutgläubige und arglose Mens<strong>ch</strong>en. Wie eine Wunde, die ni<strong>ch</strong>t heilen will, bleibt in<br />

dieser Welt phantasieerfüllter religiöser Reden und s<strong>ch</strong>lauer <strong>Aus</strong>reden die Frage: Wenn s<strong>ch</strong>on „Apostel“, wo<br />

sind alsdann die „Propheten“ !<br />

b) Die kecke Rede: Jetzt ist die Endzeit<br />

Ganz klar steht in Gottes Wort: „Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in <strong>der</strong> Na<strong>ch</strong>t.“ 1. Thess.<br />

5, 2. Die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en haben si<strong>ch</strong> bei den Irrtumsaposteln <strong>der</strong> Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en und bei den<br />

Irrtumspropheten <strong>der</strong> Zeugen Jehovas Witz gekauft und liefern [darum] keine Bere<strong>ch</strong>nungen über den Sti<strong>ch</strong>tag<br />

von Christi Wie<strong>der</strong>kunft. Die Katholis<strong>ch</strong>-Apostolis<strong>ch</strong>en haben – natürli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den angebli<strong>ch</strong>en heiligen Geist<br />

– zweimal genau gewusst, wann Christus wie<strong>der</strong>kommt: erste Bere<strong>ch</strong>nung: 1866, zweite Bere<strong>ch</strong>nung, no<strong>ch</strong><br />

kecker mit Sti<strong>ch</strong>tag: 14. Juli 1877. Die Wirkli<strong>ch</strong>keit hat diese Phantasten grausam wi<strong>der</strong>legt und damit au<strong>ch</strong> ihre<br />

Behauptung über die Offenbarungen des heiligen Geistes. Wi<strong>der</strong>legt wurde au<strong>ch</strong> das unkontrollierbare Gefasel<br />

von <strong>der</strong> Endzeit. In diesem Punkt ma<strong>ch</strong>en die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en weiter. Sie hämmern auf ihre Anhänger mit <strong>der</strong><br />

Rede ein: „Wir leben in <strong>der</strong> Endzeit Christi. Wir wissen es gewiss !“ Fragt man: „Woher wisst ihr, was nur Gott,<br />

<strong>der</strong> Herr, allein wissen kann ?“, kommen sie halt immer wie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Rede: „Ja, uns hat es <strong>der</strong> heilige Geist so<br />

eingegeben.“ Als ehrli<strong>ch</strong>e Leute müssten sie sagen: „Keiner weiss es gewiss, ob jetzt s<strong>ch</strong>on Endzeit ist. Es<br />

könnte sein. Aber es könnte Gott, dem Herrn, gefallen, no<strong>ch</strong> viele Tausende von Jahren diese Erdekugel weiter<br />

mit Sommer und Winter, Frost und Hitze, um die Sonne kreisen zu lassen.“ Jedenfalls ist es nur eine dreiste<br />

Rede, wenn jemand sagt: „I<strong>ch</strong> weiss es gewiss.“ Nur Gott, <strong>der</strong> Herr, weiss es gewiss, aber keiner <strong>der</strong> Sterbli<strong>ch</strong>en.<br />

Wir wissen nur, dass wir stets bereit sein sollen für Christi Wie<strong>der</strong>kunft. Und wir wissen, dass <strong>der</strong> Tag des Herrn<br />

kommen wird wie ein Dieb in <strong>der</strong> Na<strong>ch</strong>t. Ein Dieb kann aber ni<strong>ch</strong>t vorher bere<strong>ch</strong>net werden: So, jetzt kommt er.<br />

Jetzt legen wir uns auf die Lauer. Aber etwas wissen die Neu-Apostel gewiss, dass nämli<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong> kecke Rede bei<br />

bestimmten Leuten mehr Eindruck ma<strong>ch</strong>t, als die ehrli<strong>ch</strong>e Rede: „Wir wissen es ni<strong>ch</strong>t. Nur Gott, <strong>der</strong> Herr, weiss<br />

es.“ Nein, jene Leute wollen ja Si<strong>ch</strong>erheiten. Also gibt man sie. Auf eine Handvoll mehr o<strong>der</strong> weniger kecke<br />

Quellenmaterial Seite 82


Behauptungen kommt es ni<strong>ch</strong>t an. Hauptsa<strong>ch</strong>e ist <strong>der</strong> Erfolg. So s<strong>ch</strong>wätzt man keck heraus: „Jetzt ist die<br />

Endzeit.“ Der Trick <strong>der</strong> Sa<strong>ch</strong>e ist klar. Man ma<strong>ch</strong>t die Leute religiös s<strong>ch</strong>arf, man beunruhigt sie, man reizt ihre<br />

religiöse Profitgier na<strong>ch</strong> Himmelslohn und dem guten Platz unter den 144'000. Mit einem Wort: Man fesselt sie<br />

an si<strong>ch</strong>, wenn sie nur die kecken Behauptungen: „Jetzt ist die Endzeit. Wir wissen es gewiss. Wir erkennen die<br />

Zei<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> Zeit. Ja, wir wissen es,“ treuherzig glauben. Wie<strong>der</strong> treffen wir hier den Trick mit den fals<strong>ch</strong>en<br />

Si<strong>ch</strong>erheiten an, auf die lei<strong>ch</strong>t beeinflussbare Mens<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> ängstigen lassen und gern glauben, was sie<br />

wüns<strong>ch</strong>en, s<strong>ch</strong>nell anspre<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> dies Treiben ist Sünde. Denn: „Gottes Gedanken sind ni<strong>ch</strong>t unsere<br />

Gedanken.“ Wir dürfen au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so tun, als wäre es an<strong>der</strong>s. Nur die Wahrheit wird uns frei ma<strong>ch</strong>en, ni<strong>ch</strong>t die<br />

Flut von s<strong>ch</strong>lauen Tricks und kecken Reden.<br />

c) Irreführung Unwissen<strong>der</strong> mit dem Bü<strong>ch</strong>lein 4. Esra<br />

Ein Nürnberger Bibelherausgeber hat si<strong>ch</strong> die Freiheit herausgenommen, zu den biblis<strong>ch</strong>en Bü<strong>ch</strong>ern<br />

no<strong>ch</strong> an<strong>der</strong>es, ausserbiblis<strong>ch</strong>es S<strong>ch</strong>riftgut aus <strong>der</strong> Zeit na<strong>ch</strong> Christus, das niemals zur Bibel gehört hat,<br />

abzudrucken. Dies ges<strong>ch</strong>ah im Jahre 1708. Dieses S<strong>ch</strong>riftgut ist au<strong>ch</strong> sonst bekannt und kann dur<strong>ch</strong> jede<br />

Universitäts-Bibliothek bes<strong>ch</strong>afft werden. Ein Stück davon hat den Titel: 4. Esra. Wer es ges<strong>ch</strong>rieben hat, weiss<br />

die Wissens<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t. In diesem Bü<strong>ch</strong>lein weist irgendein S<strong>ch</strong>reiber in einer Übers<strong>ch</strong>rift auf die junge<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> des Ur<strong>ch</strong>ristentums hin. Er sagt nun ni<strong>ch</strong>t „junge“, son<strong>der</strong>n „neue“, und er sagt ni<strong>ch</strong>t<br />

„<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e“, son<strong>der</strong>n, wie es in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> apostolis<strong>ch</strong>en Augenzeugens<strong>ch</strong>aft ri<strong>ch</strong>tig war, „apostolis<strong>ch</strong>e“<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. So kam <strong>der</strong> <strong>Aus</strong>druck: neue apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> zustande. Gemeint war die ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>, die<br />

damals ja eben neu war. Vor 1708 und au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> 1708 hat man dieses Bü<strong>ch</strong>lein natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu den biblis<strong>ch</strong>en<br />

Bü<strong>ch</strong>ern abgedruckt. Man könnte es immer wie<strong>der</strong> mal tun, wenn dies jemand wüns<strong>ch</strong>en sollte. <strong>Aus</strong> jenem<br />

<strong>Aus</strong>druck für die neue <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> von damals haben die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en einen herrli<strong>ch</strong>en<br />

Propaganda-Trick ges<strong>ch</strong>miedet. Sie erzählten und erzählen den unwissenden Anhängern: „Ja, hier wurden wir<br />

prophezeit. Und was hat die <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> getan ? Sie hat dieses Bu<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>lagen.“ In Wirkli<strong>ch</strong>keit ist 4. Esra ein<br />

Bü<strong>ch</strong>lein voll religiöser Phantastereien. Hätte es je zur Bibel gehört, wäre die Bibel ein sehr komis<strong>ch</strong>es Bu<strong>ch</strong>.<br />

Wir s<strong>ch</strong>lagen den Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en vor, dass sie dieses jüdis<strong>ch</strong>e Fabelbu<strong>ch</strong> drucken lassen. Dann haben alle<br />

etwas, worüber sie si<strong>ch</strong> amüsieren können. Aber dann wäre es mit ihrem Trick au<strong>ch</strong> aus.<br />

d) Sie essen von unserem Tis<strong>ch</strong>. Ihr Vergelt’s Gott ! ist Spott und Hohn<br />

Wie kecke Buben in Na<strong>ch</strong>bars Erbsen, Birnen o<strong>der</strong> Pfirsi<strong>ch</strong>e sind die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en in unser<br />

Evangelis<strong>ch</strong>es Gesangbu<strong>ch</strong> gestiegen. Als gutmütiger Na<strong>ch</strong>bar könnte man den mit vollen Tas<strong>ch</strong>en Fliehenden<br />

lä<strong>ch</strong>elnd na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>auen und denken: Wohl bekomm’s ! Aber ihr Vergelt’s Gott ist Spott und Hohn gegen unsere<br />

<strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>. Das wertvolle Liedgut des Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en Gesangbu<strong>ch</strong>es stammt aus den rei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>atzkammern<br />

des evangelis<strong>ch</strong>en Chorals. Man<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> gemausten [Anmerkung: gemaust = gestohlen] Choräle haben sie bis zur<br />

Unkenntli<strong>ch</strong>keit verstümmelt, an<strong>der</strong>e mit Zusätzen über „Christus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel“ ausgestattet, wie<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e auseinan<strong>der</strong>gerissen und mehrere „eigene“ Lie<strong>der</strong> mit ihren neu-apostolis<strong>ch</strong>en Verän<strong>der</strong>ungen daraus<br />

fabriziert. Den Rest haben sie wörtli<strong>ch</strong> übernommen. Jetzt wissen wir no<strong>ch</strong> einmal mehr, warum sie unsere<br />

evangelis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> so arg bes<strong>ch</strong>impfen und so sehr bemüht sind, Gegensatz-Gefühle gegen sie in den Herzen<br />

ihrer Anhänger wa<strong>ch</strong>zurufen. An<strong>der</strong>s würde allzulei<strong>ch</strong>t bei den braven Anhängern die Rede aufkommen:“Wie<br />

gross und herrli<strong>ch</strong> muss do<strong>ch</strong> wohl <strong>der</strong> re<strong>ch</strong>t verstandene evangelis<strong>ch</strong>e Glaube sein, da die evangelis<strong>ch</strong>e <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong><br />

so gewaltige und herrli<strong>ch</strong>e Choräle in sol<strong>ch</strong> grosser Zahl ihr eigen nennt.“ Choräle sind Frü<strong>ch</strong>te und so zuglei<strong>ch</strong><br />

ein Abbild des Glaubens. Ja, er ist ein herrli<strong>ch</strong>er Glaube, <strong>der</strong> aber tief verborgen ist und alles laute Wesen flieht.<br />

Daher sind unsere Gottesdienste voll s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Innigkeit. Die evangelis<strong>ch</strong>e Predigt strebt in vielfa<strong>ch</strong>en<br />

Gewandungen dana<strong>ch</strong>, die stets in die Irre strebenden religiösen Leidens<strong>ch</strong>aften zu bändigen und Christus, nur<br />

Christus zu verkündigen.<br />

Für Interessenten: Die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Ecke<br />

1. Was als direkte Rede geboten wird, ist natürli<strong>ch</strong> stilisierte Darstellung. Es kam auf lei<strong>ch</strong>t fassli<strong>ch</strong>e,<br />

volkstümli<strong>ch</strong>e, flüssige und somit für alle verständli<strong>ch</strong>e Darstellung an. Sie soll Angefo<strong>ch</strong>tenen eine Hilfe sein.<br />

Was hier geboten wird, ist Deutung, ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> Übermittlung von Material.<br />

2. Zur Frage: Handelt es si<strong>ch</strong> um wohlüberlegte Trickverfahren o<strong>der</strong> um religiöses Treiben aus persönli<strong>ch</strong>er<br />

Gutgläubigkeit ? Erkenntnis des Verfassers auf Grund seines Studiums <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>e: Bei den<br />

kleinen Gemeindeglie<strong>der</strong>n in den unteren Graden: Gutgläubigkeit, bei den Dirigierenden in den oberen<br />

Graden s<strong>ch</strong>laue Bere<strong>ch</strong>nung mit dem Ziel <strong>der</strong> Propagandaerfolge. Beweise:<br />

a) Das hemmungslose Vers<strong>ch</strong>windenlassen <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Prophtene trotz <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en<br />

Standard-Stellen 1. Kor. 12, 28 und Ephes. 4, 11: Gott hat gesetzt ... Apostel ... Propheten. Grund: Die neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Prophten wurden dem sog. Stammapostel unangenehm.<br />

b) Die Irreführung unwissen<strong>der</strong> Leute dur<strong>ch</strong> die Sa<strong>ch</strong>e mit 4. Esra. Die Dirigierenden wussten natürli<strong>ch</strong>, dass<br />

<strong>der</strong> fragli<strong>ch</strong>e <strong>Aus</strong>druck die junge <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong> <strong>der</strong> ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Zeit meint. Unwissende sollten irregeführt<br />

Quellenmaterial Seite 83


werden. Grund ganz klar: Verdä<strong>ch</strong>tigung <strong>der</strong> <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n.<br />

c) Betr.„Totenversiegelung“: propagandistis<strong>ch</strong> wirksames Mittel in Zeiten grossen Sterbens. Daher in <strong>der</strong> Zeit<br />

grossen Sterbens, im Jahre 1916: Einri<strong>ch</strong>tung neu-apostolis<strong>ch</strong>er „Ämter für das Jenmseits. Damals Höhepunkt<br />

des Krieges [Anmerkung: 1. Weltkrieg]. Zahlen <strong>der</strong> Gefallenen riesenhaft. Viel Leid um die Gefallenen, allgemein<br />

beginnende Lockerung seelis<strong>ch</strong>er Bande und starkes Hervortreten spiritistis<strong>ch</strong>er Neigungen in Deuts<strong>ch</strong>land.<br />

„Totenversiegelung“: freie Erfindung <strong>der</strong> Neu-Apostel, Geheimnistuerei und <strong>Aus</strong>nützen seelis<strong>ch</strong>er Nöte.<br />

Sogar Abendmahl für die Toten neben „Totenversiegelung“.<br />

d) Betr. Benützung und Bewertung <strong>der</strong> Bibel: Einerseits Missa<strong>ch</strong>tung bei Krebs und Niehaus, Stammapostel: als<br />

„totes“ Wort. Das<br />

Wort jener sei Gotteswort. Verhöhnung dur<strong>ch</strong> Niehaus, Stammapostel. An<strong>der</strong>erseits:<br />

Verwendung mit unglaubli<strong>ch</strong>er Keckheit als Beweismittel zur Irreführung Unwissen<strong>der</strong>. Koppelung mit<br />

Offenbg. 7 in Sa<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en „Versiegelung“ und „Totenversiegelung“, obwohl bei Offebg. 7 die<br />

Irreführung Unwissen<strong>der</strong> handgreifli<strong>ch</strong> ist: Himmlis<strong>ch</strong>e Wesen retten die je 12'000 aus Israels Stämmen bei<br />

Aufhören <strong>der</strong> Winde zur Zeit <strong>der</strong> kosmis<strong>ch</strong>en Endkatastrophen. Hier kann ni<strong>ch</strong>t mehr mit Gutgläubigkeit bei den<br />

dirigierenden Leuten gere<strong>ch</strong>net werden.<br />

e) Der s<strong>ch</strong>reiende Wi<strong>der</strong>spru<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en <strong>der</strong> neu-apostolis<strong>ch</strong>en Propaganda-S<strong>ch</strong>läue, die unwissende gutgläubige<br />

Mens<strong>ch</strong>en hinter das Li<strong>ch</strong>t führt, und <strong>der</strong> kindli<strong>ch</strong>-naiven Art, mit <strong>der</strong> man si<strong>ch</strong> als die Bevorzugten Gottes<br />

und des heiligen Geistes, die alleinige Braut Christi hinstellt.<br />

f) Die Methode, stills<strong>ch</strong>weigend unter den Tis<strong>ch</strong> fallen zu lassen, was propagandistis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr wirkt: z.B.<br />

die Rede von „Christus im Fleis<strong>ch</strong>e <strong>der</strong> Apostel“, die Vergötterung des Krebs, Fritz, in Gesangbu<strong>ch</strong>lie<strong>der</strong>n, die<br />

man stills<strong>ch</strong>weigend in den neuen <strong>Aus</strong>gaben weggelassen hat.<br />

g) Die Ängstli<strong>ch</strong>keit, mit <strong>der</strong> man neu-apostolis<strong>ch</strong>e Zeits<strong>ch</strong>riften usw. vor den Augen <strong>Aus</strong>senstehen<strong>der</strong> hütet.<br />

Grund klar: Fur<strong>ch</strong>t vor sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er literaris<strong>ch</strong>er <strong>Aus</strong>einan<strong>der</strong>setzung. Sie würde abs<strong>ch</strong>reckend wirken.<br />

3. Zur Frage: „Neue Apostel“: zu den bereits behandelten Stellen no<strong>ch</strong> Apostelges<strong>ch</strong> 1, 8: „... bis an das<br />

Ende <strong>der</strong> Erde ...“ <strong>Aus</strong>legung <strong>der</strong> Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en: “Bis zum Ende <strong>der</strong> Weltges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te.“ Grundfals<strong>ch</strong>: Damals<br />

Erde als S<strong>ch</strong>eibe verstanden. So: Bis an die Grenzen <strong>der</strong> Erd-S<strong>ch</strong>eibe. An<strong>der</strong>e Stelle: 1. Joh. 4, 1: „... Jesus<br />

Christus ist in das Fleis<strong>ch</strong> gekommen.“ Neu-apostolis<strong>ch</strong>e <strong>Aus</strong>legung: „Christus ist in das Fleis<strong>ch</strong> des Apostels,<br />

des Herrn Sowieso usw. gekommen.“ Ri<strong>ch</strong>tige <strong>Aus</strong>legung: Christus in das Fleis<strong>ch</strong> gekommen, er ist also <strong>der</strong><br />

Gottmens<strong>ch</strong> und ni<strong>ch</strong>t ein reines Geistwesen gewesen. Beweis: Joh. 1, 14: „und das Wort ward Fleis<strong>ch</strong> und<br />

wohnte unter uns und wir sahen seine Herrli<strong>ch</strong>keit.“ Hier au<strong>ch</strong> Standard-Stelle, dass Apostel eben Augenzeugen<br />

und nur als sol<strong>ch</strong>e Bringer des Gotteswortes sind: „Wir sahen seine Herrli<strong>ch</strong>keit !“ An<strong>der</strong>e Standard-Stellen<br />

gegen jene als sogenannte Apostel: 1. Kor. 9, 1. 15, 5. 6. 7. 8. (sehr wi<strong>ch</strong>tig als Beweis) und vor allem<br />

Apostelges<strong>ch</strong>. 1, 21 – 22. Diese Stellen müssen erst wi<strong>der</strong>legt werden, ehe man die Herren Sowieso „Apostel“<br />

nennt.<br />

4. Gegen alle fals<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>erheiten für das Jenseits: Der Christ hat nur eine Gewissheit. Sie heisst<br />

Christus. Dur<strong>ch</strong> ihn: Glaubensgewissheit, Heilsgewissheit, Erlösungsgewissheit. Aber niemals „Si<strong>ch</strong>erheiten“.<br />

Dies heidnis<strong>ch</strong>.<br />

5. Missbrau<strong>ch</strong> von Bibelstellen für Versiegelung und Totenversiegelung.: krasses Beispiel: Matth: 3, 16:<br />

„Versiegelung Jesu“. Immer fragen: Wo steht klipp und klar von Versiegelung und wo klipp und klar von Totenversiegelung<br />

? Offenb. 7: Werk himmlis<strong>ch</strong>er Wesen bei Aufhören <strong>der</strong> Winde.<br />

Literatur:<br />

E Kalb: <strong>Kir<strong>ch</strong>e</strong>n und <strong>Sekten</strong> <strong>der</strong> Gegenwart. 1907.<br />

Martin Riemer: Die neuzeitli<strong>ch</strong>en <strong>Sekten</strong> und Häresien, 1926.<br />

P. S<strong>ch</strong>eurlen: Die <strong>Sekten</strong> <strong>der</strong> Gegenwart. 1923.<br />

P. S<strong>ch</strong>eurlen: Das kleine <strong>Sekten</strong>bü<strong>ch</strong>lein. 1933.<br />

Kurt Hutten: Seher, Grübler, Enthusiasten. Das Bu<strong>ch</strong> <strong>der</strong> <strong>Sekten</strong>. 1950.<br />

F. W. Bautz: Die <strong>Neuapostolis<strong>ch</strong>en</strong>. 1949.<br />

Gustav Is<strong>ch</strong>ebek: Wer sind die Neu-Apostolis<strong>ch</strong>en (au<strong>ch</strong> genannt Irvingianer) ? 1935.<br />

Der @btipper<br />

Quellenmaterial Seite 84

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