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„Risiken für die Selbstbildung durch Erziehung und ... - Sekten.ch

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Grafik aus: ´Der Gute Hirte`, 1952<br />

<strong>„Risiken</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Selbstbildung</strong><br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> Sozialisation in<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong> religiösen Gemeins<strong>ch</strong>aften“<br />

Überlegungen zur Individuation von Kindern <strong>und</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en<br />

unter institutioneller Beeinflussung<br />

am Beispiel der<br />

´Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e`<br />

*****<br />

Hausarbeit zum Abs<strong>ch</strong>luss der Ausbildung als<br />

Psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Beraterin<br />

Vorgelegt der ALH<br />

(Akademie <strong>für</strong> ganzheitli<strong>ch</strong>e Lebens­ <strong>und</strong> Heilweisen, Haan NRW)<br />

Lehrgangsleiter: Dipl. Psy<strong>ch</strong>. H.W. Becker<br />

Autorin: © Ulrike Bär<br />

Göppingen, im April 2003


Risiken <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Selbstbildung</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> Sozialisation<br />

in f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong> religiösen Gemeins<strong>ch</strong>aften<br />

am Beispiel der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

Ulrike Bär<br />

Inhaltsverzei<strong>ch</strong>nis<br />

Vorwort.................................................................................................................. 2<br />

1. Die Lehre <strong>und</strong> Struktur der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e (NAK) .................................... 2<br />

2. Ist <strong>die</strong> Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e eine religiös­f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>e<br />

Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft?.......................................................................................... 3<br />

3. Die Entwicklung des Kindes unter dem Einfluss einer religiös­<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en <strong>Erziehung</strong> ............................................................................. 4<br />

3.1 Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong> in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e ........................................... 4<br />

3.1.1 Die Kinderzeit........................................................................................................ 6<br />

3.1.1.1 Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ule.................................................................. 6<br />

3.1.1.2 Der Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t................................................................................. 22<br />

3.1.2 Die Jugendzeit...................................................................................................... 27<br />

3.1.3 Das Erwa<strong>ch</strong>senenalter .......................................................................................... 34<br />

3.1.3.1 Die Vaterrolle....................................................................................................... 35<br />

3.1.3.2 Die Mutterrolle..................................................................................................... 37<br />

3.1.3.3 Die Rolle des Mannes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rolle des Amtsträgers ........................................... 38<br />

3.1.3.4 Die Stellung der Frau in der NAK ........................................................................ 40<br />

3.2 Elterli<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong> unter dem Einfluss der NAK­Systems.................................. 42<br />

3.3 <strong>Erziehung</strong>sstile..................................................................................................... 44<br />

3.3.1 Der institutionszentrierte <strong>Erziehung</strong>sstil ............................................................... 45<br />

3.3.2 Der gespaltene <strong>Erziehung</strong>sstil............................................................................... 47<br />

3.3.3 Fazit <strong>und</strong> Zusammenfassung ................................................................................ 50<br />

4. Was verbirgt si<strong>ch</strong> hinter den Konstrukten Selbstaktualisierung <strong>und</strong><br />

Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung............................................................................................ 54<br />

5. Abwehrme<strong>ch</strong>anismen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Selbstbildung</strong> des Mens<strong>ch</strong>en.............. 60<br />

6. Zusammenfassung <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>luss ............................................................................... 67<br />

Anhang: Quellenna<strong>ch</strong>weis <strong>und</strong> Anlagen .................................................................. 69<br />

1


Vorwort<br />

Dieser Arbeit mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> einige Gedanken voranstellen, <strong>die</strong> mir sehr wi<strong>ch</strong>tig sind. I<strong>ch</strong> habe mi<strong>ch</strong><br />

mit dem Thema <strong>„Risiken</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Selbstbildung</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> Sozialisation in religiös ­<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aften“ eingehend bes<strong>ch</strong>äftigt, weil i<strong>ch</strong> selbst in einer sol<strong>ch</strong>en<br />

Gruppierung ­ der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e­ aufgewa<strong>ch</strong>sen bin. 34 Jahre meines Lebens habe<br />

i<strong>ch</strong> dort Erfahrungen gema<strong>ch</strong>t, <strong>die</strong> mi<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>haltig beeinflusst haben. Es ist mir ein Anliegen,<br />

mit der vorliegenden Arbeit eine sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bearbeitung der Erlebnisse vorzunehmen.<br />

Ausdrückli<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> darauf hinweisen, dass i<strong>ch</strong> das System <strong>und</strong> seine Wirkung auf <strong>die</strong><br />

<strong>Selbstbildung</strong> des Mens<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> seine ihm immanenten Methoden <strong>und</strong> Me<strong>ch</strong>anismen<br />

untersu<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>te. Unbestritten geben <strong>die</strong> das System vertretenden Mens<strong>ch</strong>en der Institution<br />

ein eigenes Bild <strong>und</strong> Gepräge, das regional sehr vers<strong>ch</strong>ieden sein kann. Die einzelnen Personen,<br />

vornehmli<strong>ch</strong> <strong>die</strong> jeweiligen Amtsträger, sind ausdrückli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Gegenstand meiner<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungen. Ihre je ganz eigenen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Fähigkeiten führen unter anderem dazu,<br />

dass kaum ein einheitli<strong>ch</strong>es äußeres Bild der NAK gezei<strong>ch</strong>net werden kann. Die Vielfalt der<br />

Ausprägungen <strong>und</strong> Eigenheiten der vers<strong>ch</strong>iedenen Systemvertreter ma<strong>ch</strong>en es au<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>wierig,<br />

<strong>die</strong> Wirkme<strong>ch</strong>anismen der Glaubenslehre von der praktis<strong>ch</strong>en Handhabung vor Ort zu trennen<br />

<strong>und</strong> sie herauszukristallisieren, damit sie auf ein allgemeingültiges Niveau gehoben werden<br />

können. Alleine <strong>die</strong> systemtheoretis<strong>ch</strong>en Aspekte <strong>und</strong> <strong>die</strong> daraus resultierenden<br />

Wirkme<strong>ch</strong>anismen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Psy<strong>ch</strong>e des Mens<strong>ch</strong>en sollen Gegenstand meiner Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />

sein. I<strong>ch</strong> habe mi<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> besten Kräften bemüht ein neutrales <strong>und</strong> objektives Bild zu zei<strong>ch</strong>nen.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig erhebe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t den Anspru<strong>ch</strong>, dass mir <strong>die</strong>s au<strong>ch</strong> vollständig gelungen ist. Einige<br />

Aspekte konnten leider nur kurz gestreift werden <strong>und</strong> bedürfen einer gesonderten Analyse.<br />

Überall dort, wo meine Arbeit Anlass zu Kritik gibt, wüns<strong>ch</strong>e i<strong>ch</strong> mir <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft eine<br />

weiterführende Diskussion, <strong>die</strong> helfen kann no<strong>ch</strong> mehr Klarheit zu s<strong>ch</strong>affen, damit den unter<br />

dem System leidenden Mens<strong>ch</strong>en – vornehmli<strong>ch</strong> den Kindern – geholfen werden kann.<br />

1. Die Lehre <strong>und</strong> Struktur der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

Die Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e (NAK) ist laut ihren eigenen Angaben <strong>und</strong> ihrem Anspru<strong>ch</strong> das<br />

‚wiederaufgeri<strong>ch</strong>tete Erlösungswerk Jesu Christi‘ <strong>und</strong> direkte Fortsetzung der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

Urkir<strong>ch</strong>e. Sie unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> von den großen Landeskir<strong>ch</strong>en <strong>dur<strong>ch</strong></strong> eine Besonderheit: Die<br />

NAK besitzt in ihrer Ämterhierar<strong>ch</strong>ie das Apostelamt. Der Inhaber <strong>die</strong>ses Amtes ist, na<strong>ch</strong> der<br />

Glaubensauffassung der neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen, alleine in der Lage den ‚Heiligen Geist‘ zu<br />

spenden. Dies ges<strong>ch</strong>ieht im Akt der ‚Heiligen Versiegelung‘. Kraft <strong>die</strong>ser sakramentalen<br />

‚heiligen Handlung‘ wird ein Mens<strong>ch</strong> zu einem ‚Gotteskind‘. Ohne den Vollzug <strong>die</strong>ser Handlung<br />

bleibt er ein ‚Weltmens<strong>ch</strong>‘. Dieses dritte Sakrament ist, neben der ‚Heiligen Wassertaufe‘ <strong>und</strong><br />

dem ‚Heiligen Abendmahl‘, <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>voraussetzung, um bei der Wiederkunft Jesu in dessen<br />

Rei<strong>ch</strong> mitgenommen werden zu können. Diese Gr<strong>und</strong>voraussetzungen gelten au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> bereits<br />

verstorbenen Mens<strong>ch</strong>en. Das heißt: Au<strong>ch</strong> sie müssen von einem lebenden Apostel den „Heiligen<br />

Geist“ gespendet bekommen. Dreimal im Jahr werden hierzu spezielle Gottes<strong>die</strong>nste,<br />

sogenannte ‚Ents<strong>ch</strong>lafenengottes<strong>die</strong>nste‘ , abgehalten, innerhalb wel<strong>ch</strong>er den das Heil<br />

erkennenden, verstorbenen Seelen <strong>die</strong> Sakramente gespendet werden. Als Stellvertreter hier<strong>für</strong><br />

gibt es eine sogenannte „Amtskrippe“, bestehend aus meist zwei Amtsträgern, wel<strong>ch</strong>e anstatt der<br />

Verstorbenen <strong>die</strong> heiligen Handlungen an si<strong>ch</strong> vollziehen lassen. Der „Tag der Ersten<br />

Auferstehung“, also <strong>die</strong> Wiederkunft Jesu, bei der <strong>die</strong> hierzu würdigen Gläubigen entrückt<br />

werden, ist das oberste Glaubensziel eines jeden neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen. Die Teilnahme an<br />

<strong>die</strong>sem Ereignis bere<strong>ch</strong>tigt zur Teilnahme an der ‚Ho<strong>ch</strong>zeit im Himmel‘ <strong>und</strong> errettet am<br />

2


Ri<strong>ch</strong>terstuhl Gottes vorbei aus dem Verderben. Im Ans<strong>ch</strong>luss daran wird der Gläubige als König<br />

oder Priester mit Jesu 1000 Jahre regieren <strong>und</strong> den auf der Erde verbliebenen Mens<strong>ch</strong>en das<br />

Rei<strong>ch</strong> Gottes predigen. Die Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e hat eine streng hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> geordnete<br />

Amtsstruktur, an deren Spitze der geistli<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> weltli<strong>ch</strong>e Führer, der Stammapostel, steht.<br />

2. Ist <strong>die</strong> Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e eine f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>e religiöse<br />

Vereinigung?<br />

Religion mö<strong>ch</strong>te Antwort auf das Verlangen des Mens<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> Lebenssinn sein. „Religionen<br />

sind Systeme gelebter Sinnantworten. Antworten auf Lebenssinn verstehen si<strong>ch</strong> endgültig, sie<br />

sind definitiv. Wer <strong>die</strong> Frage na<strong>ch</strong> Sinn <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> beantwortet hat, der ist überzeugt, dass <strong>die</strong><br />

Antwort gilt, <strong>für</strong> ihn endgültig ist. Die Mitglieder von Religionsgemeins<strong>ch</strong>aften sind überzeugt,<br />

dass ihre Religion <strong>die</strong> gültige Sinnantwort auf <strong>die</strong> Fragen des Lebens ist.<br />

Der Religiöse oder das Mitglied einer Religionsgemeins<strong>ch</strong>aft lebt aber in der Regel zuglei<strong>ch</strong> in<br />

einer Welt von Andersgesinnten. Es sind offenbar vers<strong>ch</strong>iedene – religiöse oder ideologis<strong>ch</strong>e<br />

oder andere – Sinnantworten in <strong>die</strong>ser Welt mögli<strong>ch</strong>. Wie wird er si<strong>ch</strong> zu <strong>die</strong>sen anderslautenden<br />

Daseinsentwürfen verhalten? Tolerant oder ni<strong>ch</strong>t? Der Gläubige ist immer in Gefahr, <strong>die</strong><br />

Antwort, von der er überzeugt ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> er <strong>für</strong> definitiv hält, ni<strong>ch</strong>t nur <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> zu beanspru<strong>ch</strong>en,<br />

sondern ihre Geltung au<strong>ch</strong> Andersgläubigen zuzumuten. Religion ist in Gefahr, ihre Antwort zu<br />

verabsolutieren. Wo sol<strong>ch</strong>e absoluten Ansprü<strong>ch</strong>e von Religion auftreten sind zwei oder drei<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten vorgezei<strong>ch</strong>net: Entweder der Religiöse übt si<strong>ch</strong> in Toleranz <strong>und</strong> lässt andere<br />

Antworten gelten. Oder <strong>die</strong> Religion versu<strong>ch</strong>t, <strong>für</strong> einen Berei<strong>ch</strong> <strong>und</strong> eine Gemeins<strong>ch</strong>aft ihren<br />

Geltungsanspru<strong>ch</strong> absolut <strong>dur<strong>ch</strong></strong>zusetzen – es kommt zu Ideen vom religiösen Staat oder<br />

Gottesstaat u.ä.­, oder, weil ein sol<strong>ch</strong>es Dur<strong>ch</strong>setzen in einer pluralistis<strong>ch</strong>en Gesells<strong>ch</strong>aft heute<br />

s<strong>ch</strong>wer mögli<strong>ch</strong> ist, zieht si<strong>ch</strong> der Gläubige in <strong>die</strong> Flu<strong>ch</strong>tburg seiner Religion zurück, wo si<strong>ch</strong><br />

Glei<strong>ch</strong>gesinnte zu einer Gemeins<strong>ch</strong>aft versammelt haben, um mögli<strong>ch</strong>erweise aus ihr heraus (...)<br />

<strong>die</strong> religiösen Ansprü<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> außen zu behaupten.“ (Prof. <strong>für</strong> F<strong>und</strong>amentaltheologie, Klaus<br />

Kienzler: ‚Der religiöse F<strong>und</strong>amentalismus‘ 1999, S.21)<br />

Es geht in der vorliegenden Arbeit also ni<strong>ch</strong>t darum, <strong>die</strong> religiösen Bedürfnisse des Mens<strong>ch</strong>en zu<br />

bewerten oder gar in Frage zu stellen, sondern darum, <strong>die</strong> mögli<strong>ch</strong>en negativen, dunklen Seiten<br />

von Religion zu bes<strong>ch</strong>reiben <strong>und</strong> aufzuzeigen. Religion wird <strong>für</strong> <strong>die</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Entwicklung des<br />

Mens<strong>ch</strong>en überall dort zur Gefahr, wo Gemeins<strong>ch</strong>aften einen absoluten Besitzanspru<strong>ch</strong> auf <strong>die</strong><br />

Kenntnis göttli<strong>ch</strong>er Wahrheit anmelden <strong>und</strong> keinen Raum <strong>für</strong> Toleranz anderen Sinnentwürfen<br />

gegenüber zulassen.<br />

Pluralismus ist unter anderem eine große Gefahr <strong>für</strong> eine sol<strong>ch</strong>e Religion, weil es vielgestaltige<br />

Lebensentwürfe <strong>und</strong> Sinnantworten gibt, <strong>die</strong> nebeneinander existieren können. Pluralismus ist<br />

allerdings eines der Kennzei<strong>ch</strong>en der westli<strong>ch</strong>en Welt. Religiöser F<strong>und</strong>amentalismus kann also<br />

oft au<strong>ch</strong> ein tiefgehender Protest gegen alle Errungens<strong>ch</strong>aften der modernen Welt sein.<br />

F<strong>und</strong>amentalisten sind überzeugt, <strong>die</strong> besseren Antworten auf <strong>die</strong> vielfältigen komplizierten<br />

Fragen des Lebens zu haben <strong>und</strong> sind zudem no<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er, <strong>die</strong> gültige moralis<strong>ch</strong> einwandfreie<br />

Lebenspraxis zu haben, <strong>die</strong> sie glauben ihrer säkularen Umwelt in missionaris<strong>ch</strong>em Eifer<br />

mitteilen zu müssen.<br />

Historis<strong>ch</strong> stammt der Begriff ‚F<strong>und</strong>amentalismus‘ aus einer religiösen Bewegung der USA des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts. „In Anlehnung an <strong>die</strong>sen Begriff amerikanis<strong>ch</strong>er Kir<strong>ch</strong>enges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bezei<strong>ch</strong>net<br />

man im Blick auf theologis<strong>ch</strong>e Erörterungen in Deuts<strong>ch</strong>land <strong>und</strong> Skandinavien mit<br />

F<strong>und</strong>amentalismus eine unreflektierte Verhärtung gegen <strong>die</strong> kritis<strong>ch</strong>­historis<strong>ch</strong>e Exegese <strong>und</strong><br />

3


<strong>die</strong> Tendenz <strong>die</strong> Dogmatik gemäß sol<strong>ch</strong>er Frontstellungen anzulegen.“ (Klaus Kienzler, S. 17) Es<br />

ist zudem s<strong>ch</strong>wer, klar zu definieren wo <strong>die</strong> Grenzen zwis<strong>ch</strong>en F<strong>und</strong>amentalismus, Sektierertum<br />

oder etwa einem Kultstatus einer Gemeins<strong>ch</strong>aft liegen<br />

Dem religiösen F<strong>und</strong>amentalismus sind mehr oder weniger <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e Merkmale zu eigen:<br />

� Der F<strong>und</strong>amentalismus stellt den Versu<strong>ch</strong> dar, <strong>die</strong> Öffnung der Gesells<strong>ch</strong>aft <strong>für</strong> Alternativen<br />

rückgängig zu ma<strong>ch</strong>en. Ledigli<strong>ch</strong> ein Gesells<strong>ch</strong>aftsentwurf soll <strong>für</strong> alle verbindli<strong>ch</strong><br />

festges<strong>ch</strong>rieben werden.<br />

� Dieter Senhaas betont das theatralis<strong>ch</strong>e Moment des F<strong>und</strong>amentalismus (gemeint sind wohl<br />

nur religiöse) <strong>und</strong> nennt ihn eine „Inszenierung von Traditionen“.<br />

� Folgende se<strong>ch</strong>s Merkmale liefern einen halbwegs handhabbaren F<strong>und</strong>amentalismusbegriff:<br />

1. absolut:<br />

Der F<strong>und</strong>amentalismus setzt seine Gr<strong>und</strong>lage als absolute Wahrheit fest. Sie ist über<br />

jeder Kritik erhaben <strong>und</strong> dem Diskurs entzogen.<br />

2. totalitär:<br />

Er weist eine Tendenz zur lückenlosen Erfassung der Betroffenen auf.<br />

3. wissens<strong>ch</strong>aftsfeindli<strong>ch</strong>:<br />

Zumindest <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage ist jedem Zugriff <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Wissens<strong>ch</strong>aft entzogen.<br />

4. antimodern:<br />

Der F<strong>und</strong>amentalismus ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> reaktiv gegen Aspekte der Moderne. Moderne<br />

Verhaltensweisen werden als dekadent <strong>und</strong> zerstöreris<strong>ch</strong> gebrandmarkt.<br />

5. heilsgewiss:<br />

Die meisten F<strong>und</strong>amentalismen stellen ihren Anhängern das ‚Heil‘ in Aussi<strong>ch</strong>t (sowohl<br />

hier als au<strong>ch</strong> im Jenseits).<br />

6. intolerant:<br />

Alternative (Gesells<strong>ch</strong>afts­)entwürfe werden ni<strong>ch</strong>t als glei<strong>ch</strong>bere<strong>ch</strong>tigt anerkannt,<br />

sondern bekämpft.<br />

Wie <strong>die</strong> Begriffe <strong>und</strong> viele entspre<strong>ch</strong>ende Artikel in eins<strong>ch</strong>lägigen Publikationen zu <strong>Sekten</strong> <strong>und</strong><br />

Sondergemeins<strong>ch</strong>aften zeigen, ist <strong>die</strong> Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e auf Gr<strong>und</strong> ihrer dogmatis<strong>ch</strong><br />

vertretenen Position deutli<strong>ch</strong> unter der Spezifizierung f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong> orientierter<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aften einzuordnen. Dies wird si<strong>ch</strong> im Verlauf der Arbeit no<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> zeigen.<br />

3. Die Entwicklung des Kindes unter dem Einfluß einer<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong> religiösen <strong>Erziehung</strong><br />

3.1 Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong> in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

„Kein Tier vermag ein Mens<strong>ch</strong>enkind zu mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>em Verhalten zu erziehen! Kein<br />

Mens<strong>ch</strong>engeist vermag ein Gotteskind zur gottgewollten Entwicklung zu verhelfen, <strong>die</strong> dem<br />

Wesen der Gotteskinds<strong>ch</strong>aft entspri<strong>ch</strong>t.“ ( <strong>und</strong>atiertes internes Arbeitspapier <strong>für</strong> <strong>die</strong> S<strong>ch</strong>ulung<br />

von Sonntagss<strong>ch</strong>ullehrern, BaWü;)<br />

In Deuts<strong>ch</strong>land werden <strong>die</strong> meisten Mitglieder in <strong>die</strong> Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e hineingeboren.<br />

Dies bedeutet, viele Kinder sind bereits in der dritten oder vierten Generation neuapostolis<strong>ch</strong>e<br />

Christen <strong>und</strong> werden von zumindest einem neuapostolis<strong>ch</strong>en Elternteil erzogen. Der Beitritt zu<br />

<strong>die</strong>ser f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft ist folgli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t von den Kindern frei gewählt,<br />

sondern von den Eltern vorgegeben <strong>und</strong> damit keine freie Willensents<strong>ch</strong>eidung! Die Kinder<br />

4


wa<strong>ch</strong>sen ohne jede Chance auf eine alternative spirituelle Denkweise auf. Sie sind von Anfang<br />

an eng an ihre Gemeins<strong>ch</strong>aft geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ihr verpfli<strong>ch</strong>tet.<br />

Au<strong>ch</strong> Kinder, <strong>die</strong> den großen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>en angehören, werden meist mit der Kindertaufe<br />

Mitglied in ihren jeweiligen Kir<strong>ch</strong>engemeinden. Denno<strong>ch</strong> können sie si<strong>ch</strong> später wesentli<strong>ch</strong><br />

freier bewegen <strong>und</strong> haben andere Voraussetzungen zur persönli<strong>ch</strong>en, spirituellen Entwicklung,<br />

als es etwa der enge Rahmen einer f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft zuläßt. Die in <strong>die</strong> NAK­<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft hineingeborenen Kinder sind ni<strong>ch</strong>t mit sol<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en zu verglei<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong><br />

im Jugendalter oder Erwa<strong>ch</strong>senenalter <strong>für</strong> eine Mitglieds<strong>ch</strong>aft in einer Sondergemeins<strong>ch</strong>aft oder<br />

Sekte ents<strong>ch</strong>eiden. Die Gründe <strong>und</strong> Motive hier<strong>für</strong> können im Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit ni<strong>ch</strong>t<br />

bespro<strong>ch</strong>en werden.<br />

„So sind viele von Eu<strong>ch</strong>, liebe Kinder bereits in eine neuapostolis<strong>ch</strong>e Familie hineingeboren<br />

worden. Eure Eltern haben s<strong>ch</strong>on <strong>für</strong> Eu<strong>ch</strong> gebetet, bevor Ihr auf <strong>die</strong> Welt gekommen seid.<br />

Sie haben Eu<strong>ch</strong> an den Altar des Herrn getragen, damit Ihr <strong>die</strong> Heilige Wassertaufe <strong>und</strong><br />

später den Heiligen Geist empfangen durftet. Solange Ihr es selbst no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t konntet, haben<br />

Eure Eltern <strong>für</strong> Eu<strong>ch</strong> das Heilige Abendmahl entgegengenommen. So wa<strong>ch</strong>st Ihr langsam in<br />

Eure Gotteskinds<strong>ch</strong>aft hinein, damit ihr am Tage Eurer Konfirmation <strong>die</strong> Verantwortung <strong>für</strong><br />

Eure Seele selbst übernehmen könnt. Ihr lieben Kinder, wißt Ihr wieviel Arbeit Eure Eltern<br />

leisten, damit Ihr am Tag des Herrn dabeisein könnt? Wir dürfen unseren Eltern da<strong>für</strong> von<br />

ganzem Herzen dankbar sein, dass sie uns so viel Liebe entgegenbringen. Das S<strong>ch</strong>önste <strong>für</strong><br />

uns Eltern ist es, wenn wir merken, dass der Same des Heiligen Geistes unter der Pflege<br />

Frü<strong>ch</strong>te trägt.“<br />

(Zitat aus „Der gute Hirte“ 14/1996, Seite 24/ Zeits<strong>ch</strong>rift <strong>für</strong> neuapostolis<strong>ch</strong>e Kinder)<br />

Bereits ab dem frühesten Kindesalter lernen <strong>die</strong> Kinder, <strong>die</strong> Wi<strong>ch</strong>tigkeit des<br />

Gottes<strong>die</strong>nstbesu<strong>ch</strong>es zu verinnerli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> ihn als etwas Selbstverständli<strong>ch</strong>es zu a<strong>ch</strong>ten, selbst<br />

wenn das mit persönli<strong>ch</strong>en Eins<strong>ch</strong>ränkungen verb<strong>und</strong>en sein sollte. Das Kind saugt, quasi mit<br />

der Muttermil<strong>ch</strong>, den zwingenden Besu<strong>ch</strong> der Gottes<strong>die</strong>nste auf.<br />

„Der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ besu<strong>ch</strong>t regelmäßig <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste, weil er ein herzli<strong>ch</strong>es<br />

Verlangen na<strong>ch</strong> dem lebendigen Gotteswort hat, das der Herr <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Apostel <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Amtsträger verkündigt. (...) Es treibt ihn <strong>die</strong> Erkenntnis in das Haus des Herrn, dass der Glaube<br />

aus der Predigt kommt <strong>und</strong> das Wort des Herrn <strong>die</strong> Speise seiner Seele ist, ohne <strong>die</strong> das neue<br />

Leben aus Christo in ihm ni<strong>ch</strong>t erhalten bleiben <strong>und</strong> vollendet werden kann. (...)<br />

Wer dem Gottes<strong>die</strong>nst ohne zwingenden Gr<strong>und</strong> fern bleibt, mißa<strong>ch</strong>tet <strong>die</strong> Arbeit des Heiligen<br />

Geistes. Er begeht somit ni<strong>ch</strong>t nur eine Sünde, sondern entzieht si<strong>ch</strong> des Segens, den Gott<br />

seinen Kindern zugeda<strong>ch</strong>t hat. (...)“ ( Kate<strong>ch</strong>ismus der NAK „Fragen <strong>und</strong> Antworten“, Ausgabe<br />

1992)<br />

Zwei Aspekte werden in <strong>die</strong>sem Text deutli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbar: Zum einen ist <strong>für</strong> den neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Christen der Gottes<strong>die</strong>nstbesu<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tig, um von Gott gesegnet zu werden <strong>und</strong> zum anderen<br />

findet ein besonderes Mittel Anwendung, mit wel<strong>ch</strong>em <strong>die</strong> Kinder s<strong>ch</strong>on von frühester Kindheit<br />

an indoktriniert werden. Es ist das Mittel der Gefühlsvorgabe (... weil er ein so herzli<strong>ch</strong>es<br />

Verlangen hat..)!<br />

Ein weiterer besonderer Aspekt der NAK wird im ersten Zitat deutli<strong>ch</strong>, <strong>die</strong> Abgrenzung zu ‚der<br />

bösen Welt da draußen‘, also allem, was si<strong>ch</strong> außerhalb der Gemeins<strong>ch</strong>aft befindet. Dies wird<br />

s<strong>ch</strong>on spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> mehr als deutli<strong>ch</strong> <strong>und</strong> geht na<strong>ch</strong> meiner Eins<strong>ch</strong>ätzung weit über das übli<strong>ch</strong>e<br />

‚Wir­Gefühl‘ <strong>und</strong> <strong>die</strong> übli<strong>ch</strong>en Abgrenzungsstrategien von normalen Großgruppen gegenüber<br />

Out­groups hinaus. In allen S<strong>ch</strong>riften <strong>und</strong> in jeder Predigt wird nur in der aus den meisten<br />

hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Systemen bekannten ‚Wir­ Form‘ gespro<strong>ch</strong>en oder ges<strong>ch</strong>rieben. (Das kann sol<strong>ch</strong>e<br />

Blüten treiben, dass ein 60­jähriger Apostel von „Wir Jugendli<strong>ch</strong>e“ spri<strong>ch</strong>t.)<br />

5


In der NAK wird von der ‚Gemeins<strong>ch</strong>aft der Gottesfamilie‘ gespro<strong>ch</strong>en. Dieser Spra<strong>ch</strong>terminus<br />

erzeugt ganz spezielle Assoziationen <strong>und</strong> den S<strong>ch</strong>ein einer intimen, familiären Geborgenheit.<br />

Innerhalb <strong>die</strong>ses ges<strong>ch</strong>ützten Raumes muss man si<strong>ch</strong> geradezu selbstverständli<strong>ch</strong> wohl fühlen.<br />

Bezei<strong>ch</strong>nenderweise lautet der Titel des offiziellen Organs der NAK ‚Unsere Familie‘.<br />

Mit zunehmendem Alter erhält das Kind bei vorbildli<strong>ch</strong>em Verhalten im Gottes<strong>die</strong>nst immer<br />

mehr Lob. Die Konditionierung ges<strong>ch</strong>ieht meist mit den Mitteln der positiven Verstärkung.<br />

Gelobt wird das Kind außer von den Eltern von den erwa<strong>ch</strong>senen Mens<strong>ch</strong>en innerhalb der<br />

NAK­Kir<strong>ch</strong>engemeinde <strong>und</strong> den, in <strong>die</strong>sem Glaubenssystem eine so wi<strong>ch</strong>tige Stellung<br />

einnehmenden, Amtsträgern. Das ganze erweckt den Eindruck einer s<strong>ch</strong>önen großen Familie in<br />

wel<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> jeder des anderen annimmt <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> jeder um jeden sorgt. Dass <strong>die</strong>se gegenseitige<br />

Anteilnahme neben der Beeinflussung des <strong>Erziehung</strong>sges<strong>ch</strong>ehens <strong>und</strong> der e<strong>ch</strong>ten<br />

Seelsorgebemühungen au<strong>ch</strong> zu einem Mittel gegenseitiger Kontrolle im Hinblick auf<br />

Gruppenkonformität werden kann, wird von den in der Gruppe lebenden Mens<strong>ch</strong>en entweder<br />

ignoriert oder verdrängt. In jedem Falle steigt jedo<strong>ch</strong> der Druck, <strong>die</strong> Gruppennormen<br />

einzuhalten. Das Lob der Amtsträger ist <strong>für</strong> das Kind wie au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> den Erziehenden meist von<br />

besonderer Bedeutung. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ist das gute Benehmen des Kindes au<strong>ch</strong> ein Zei<strong>ch</strong>en <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

‚s<strong>ch</strong>ön neuapostolis<strong>ch</strong>e‘ <strong>Erziehung</strong> der Eltern.<br />

„Der Stammapostel nannte einmal drei große Themen <strong>für</strong> uns (...) „neuapostolis<strong>ch</strong>er<br />

Lebenswandel“. Zitat: „ Das muss ein Thema <strong>für</strong> uns bleiben! In einer Zeit, in der Moral <strong>und</strong><br />

wirkli<strong>ch</strong> Werte des Mens<strong>ch</strong>en entwertet werden, leu<strong>ch</strong>tet ihre Erhaltung <strong>und</strong> Bewahrung um<br />

so heller. Eine Jugend mit intakter Moral <strong>und</strong> gutem Lebenswandel s<strong>ch</strong>afft eine<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> glückli<strong>ch</strong>e Ehen. Glückli<strong>ch</strong>e Familien bewirken glückli<strong>ch</strong>e Gemeinden<br />

<strong>und</strong> glückli<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft. Das wirkt anziehend auf Mens<strong>ch</strong>en, denen das fehlt.“ (Quelle<br />

„Unsere Familie“ 20.Oktober 2002, Seite 21)<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> handelt es si<strong>ch</strong> um Moralvorstellungen der Apostel der Neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Kir<strong>ch</strong>e, <strong>die</strong> sie na<strong>ch</strong> eigenem Anspru<strong>ch</strong> aus der Bibel ableiten. Ganz so nebenbei wird in <strong>die</strong>sem<br />

Zitat no<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>, dass ein sol<strong>ch</strong>er Lebenswandel au<strong>ch</strong> Interesse bei anderen Mens<strong>ch</strong>en<br />

erwecken könnte, eine potentielle Mögli<strong>ch</strong>keit, <strong>die</strong>se Mens<strong>ch</strong>en zum Besu<strong>ch</strong> der NAK­<br />

Gottes<strong>die</strong>nste einzuladen.<br />

3.1.1 Die Kinderzeit<br />

3.1.1.1 Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ule<br />

Früher besu<strong>ch</strong>ten <strong>die</strong> Kinder, sobald sie si<strong>ch</strong> von der Mutter trennen konnten, <strong>die</strong><br />

Sonntagss<strong>ch</strong>ule. Diese wurde damals als eine Mis<strong>ch</strong>form aus Kindergottes<strong>die</strong>nst <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ule<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong>geführt. Im letzten Jahrzehnt hat si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> NAK etwas modernisiert. Ab dem 3. Lebensjahr<br />

kann das Kind nun eine Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule besu<strong>ch</strong>en. Spieleris<strong>ch</strong> <strong>und</strong> altersgere<strong>ch</strong>t werden in<br />

<strong>die</strong>sen St<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> parallel zum Gottes<strong>die</strong>nst der Erwa<strong>ch</strong>senen abgehalten werden, <strong>die</strong><br />

Überzeugungen der NAK übermittelt. Neben biblis<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, <strong>die</strong> immer wieder in<br />

s<strong>ch</strong>einbare direkte Zusammenhänge mit dem ‚Werk Gottes heutiger Zeit‘ (NAK) gebra<strong>ch</strong>t<br />

werden, werden dem Kind vor allem <strong>die</strong> Besonderheit seiner Erwählung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Gott selbst <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> absolute Notwendigkeit des Apostelamtes <strong>und</strong> des Stammapostelamtes übermittelt. Ebenso<br />

wird der Zusammenhang von Glaubensgehorsam <strong>und</strong> göttli<strong>ch</strong>em Segen dargestellt <strong>und</strong> daraus<br />

folgend der Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en Dank <strong>und</strong> Opfertreue ( Zeit <strong>und</strong> Geld) erklärt. Dies<br />

ges<strong>ch</strong>ieht in kindgere<strong>ch</strong>ter Form anhand kleiner Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, Spiele, Bastelarbeiten <strong>und</strong><br />

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entspre<strong>ch</strong>enden Kinderliedern. Die Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule wird von Müttern oder jugendli<strong>ch</strong>en<br />

Frauen geleitet.<br />

Apostelamt/Stammapostelamt<br />

Das Wort „Apostel“ bedeutet „Bots<strong>ch</strong>after“ oder „Gesandter“. Der Apostel ist der von Gott<br />

erwählte Bevollmä<strong>ch</strong>tigte Jesu Christi in seiner Kir<strong>ch</strong>e, der bere<strong>ch</strong>tigt ist, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Kraft des<br />

Heiligen Geistes <strong>und</strong> im Namen Jesu Mens<strong>ch</strong>en mit Gott zu versöhnen (...).<br />

Wel<strong>ch</strong>e Aufgabe <strong>und</strong> Ma<strong>ch</strong>t hat demna<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Apostel <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das empfangene Amt?<br />

Die Aufgabe der Apostel Christi ist, dem Herrn eine Gemeinde auf Erde zu sammeln, sie zu<br />

leiten <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Gnadenmittel auf <strong>die</strong> Vereinigung mit Jesu Christo zuzubereiten. Dazu<br />

ist ihnen <strong>die</strong> Ma<strong>ch</strong>t des Amtes gegeben, wie <strong>die</strong>s aus den Worten Jesu hervorgeht:<br />

‚Was ihr auf Erden binden werdet, soll au<strong>ch</strong> im Himmel geb<strong>und</strong>en sein, <strong>und</strong> was ihr auf<br />

Erden lösen werdet, soll au<strong>ch</strong> im Himmel los sein‘(...)<br />

Das Zitat stammt aus dem Kate<strong>ch</strong>ismus der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e „Fragen <strong>und</strong> Antworten“.<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> werden <strong>die</strong> Inhalte <strong>die</strong>ser Texte den Kindern altersgere<strong>ch</strong>t übermittelt. Das<br />

klingt dann so:<br />

„Als der Apostel Petrus wegen seines Glaubens im Gefängnis saß, beteten <strong>die</strong> Brüder <strong>und</strong><br />

S<strong>ch</strong>western der Gemeinde Jerusalem unablässig <strong>für</strong> ihn. Sie erlebten, wie der liebe Gott den<br />

Apostel Petrus w<strong>und</strong>erbar bewahrte.<br />

Der Apostel Paulus wirkte in Philippi in großem Eifer. Der Kerkermeister jener Stadt <strong>und</strong> seine<br />

Familie wurden gläubig <strong>und</strong> ließen si<strong>ch</strong> taufen.<br />

Auf der ganzen Erde wirken heute Apostel im Auftrag Jesu. Sie bereiten <strong>die</strong> Gläubigen auf <strong>die</strong><br />

Wiederkunft Christi vor. Alle Gotteskinder freuen si<strong>ch</strong> darüber <strong>und</strong> sind dankbar da<strong>für</strong>."<br />

Begleitend zu <strong>die</strong>sem Text gibt es im Kinderbu<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ule folgendes Kinderlied:<br />

„Wir lieben <strong>die</strong> Boten, <strong>die</strong> Jesus gesandt,<br />

als seine Apostel sind sie uns bekannt.<br />

Sie taufen, versiegeln, wie Jesus gelehrt,<br />

sie spenden <strong>die</strong> Gnade dem, der sie begehrt.<br />

Sie führen uns alle, ob nah oder fern,<br />

mit göttli<strong>ch</strong>en Kräften zum Tag unsres Herrn.“<br />

(Quelle: Herr Jesus komm Bu<strong>ch</strong> 2, Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off GmbH, 1. Auflage 1994,<br />

Seite90/91)<br />

Weiter steht im Bu<strong>ch</strong> zu <strong>die</strong>sem Thema ges<strong>ch</strong>rieben:<br />

„Jesus Christus bereitete <strong>die</strong> ersten Apostel auf ihre Arbeit vor, damit sie sein Werk weiterführen<br />

konnten. Er lehrte sie gut Kne<strong>ch</strong>te zu sein <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verbindung zu ihm zu su<strong>ch</strong>en. Jesus lehrte <strong>die</strong><br />

Jünger: Ihr seid das Salz der Erde <strong>und</strong> das Li<strong>ch</strong>t der Welt.<br />

Der Sohn Gottes sendet au<strong>ch</strong> heute Apostel. Dur<strong>ch</strong> sie vollendet J esus sein Werk. Er ist ihr<br />

Vorbild.“<br />

Au<strong>ch</strong> hierzu lernen <strong>die</strong> Kinder ein passendes Lied:<br />

„Apostel sind das Salz der Erde,<br />

das helle Li<strong>ch</strong>t in <strong>die</strong>ser Welt,<br />

das unser Glaube kräftig werde,<br />

der Weg des Lebens wird erhellt.<br />

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Apostel <strong>die</strong>nen in der Treue<br />

Als Boten Jesu nah <strong>und</strong> fern.<br />

Voll Eifer wirken sie aufs neue,<br />

in hohen Auftrag ihres Herrn.<br />

Wir wollen <strong>die</strong> Apostel lieben<br />

Und folgen ihrem Worte gern,<br />

uns im Gehorsam fleißig üben,<br />

das bringt uns zu dem Tag des Herrn.“<br />

(Quelle: S<strong>ch</strong>ülerbu<strong>ch</strong> zur Sonntagss<strong>ch</strong>ule, „Herr Jesus, komm!“, Bu<strong>ch</strong> 2)<br />

Immer wieder werden <strong>die</strong> Kinder der Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> der Sonntagss<strong>ch</strong>ule au<strong>ch</strong> zu<br />

überregionalen Kindertagen oder Kindergottes<strong>die</strong>nsten eingeladen. Dies sind<br />

Großveranstaltungen mit oft mehreren h<strong>und</strong>ert Teilnehmern. Anläßli<strong>ch</strong> einer sol<strong>ch</strong>en<br />

Veranstaltung, <strong>die</strong> vom Stammapostel <strong>dur<strong>ch</strong></strong>geführt werden, sagte ein Apostel in seiner Co­<br />

Predigt folgendes zu den Kindern:<br />

„Jetzt habt Ihr einen Blick in das Herz unseres Stammapostels tun können. Bewegt es ni<strong>ch</strong>t<br />

w<strong>und</strong>erbare Gedanken <strong>für</strong> uns? I<strong>ch</strong> kann mir denken, was Ihr nun am liebsten tun würdet:<br />

Den lieben Stammapostel in den Arm nehmen. Leider geht das ja ni<strong>ch</strong>t. Aber wir können etwas<br />

viel S<strong>ch</strong>öneres tun. Wir nehmen ihn in unser Herz. Und es bleibt dann immer no<strong>ch</strong> viel Platz<br />

<strong>für</strong> unseren Bezirksapostel <strong>und</strong> <strong>für</strong> Euren Apostel, au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> Eure Segensträger im Bezirk <strong>und</strong><br />

in den Gemeinden <strong>und</strong> – ni<strong>ch</strong>t zu vergessen! – <strong>für</strong> Eure lieben Eltern.“ (zitiert na<strong>ch</strong> Sylvia<br />

Kranefeld, „Aufklärung statt Therapie“, S.66)<br />

Die Zitate spre<strong>ch</strong>en <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> <strong>und</strong> müssen im wesentli<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t weiter kommentiert werden.<br />

S<strong>ch</strong>on <strong>die</strong> Kleinsten lernen auf <strong>die</strong>se Weise, <strong>die</strong> zwingend notwendige Existenz des<br />

Apostelamtes als göttli<strong>ch</strong>e Wahrheit hinzunehmen. Sie lernen erfassen, dass in ihm <strong>die</strong> Erlösung<br />

<strong>und</strong> das Heil <strong>für</strong> <strong>die</strong> Seele liegen. Zudem wird ihnen no<strong>ch</strong> per Gefühlsvorgabe ‚beigebra<strong>ch</strong>t‘, wie<br />

sie empfinden sollen <strong>und</strong> wel<strong>ch</strong>e Stellung der Apostel im Verhältnis zu den Eltern einnimmt.<br />

Ohne Apostel kein ewiges Heil!<br />

„Liebe Kinder, im Stammapostel­Gottes<strong>die</strong>nst ist uns wieder bewußt geworden, wie rei<strong>ch</strong> wir<br />

Gotteskinder sind. Der Herr hat uns das Stammapostelamt gegeben. Das hat <strong>die</strong> Welt<br />

ni<strong>ch</strong>t.“(ebd.)<br />

Gottes Erwählung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wiederkunft Jesu<br />

Ein ganz besonderer Glaubensinhalt ist das Dogma der ‚Erwählung‘. Der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ<br />

glaubt, dass Gott selbst ihn aus der Masse der Mens<strong>ch</strong>en heraus erwählt hat <strong>und</strong> ihm ganz<br />

besondere Segenshandlungen zuteil werden läßt. Das Sakrament der ‚Heiligen Versiegelung‘<br />

oder au<strong>ch</strong> ‚Geistestaufe‘ genannt, kann nur <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Apostel der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

gespendet werden. Die Sakramente ‚Heilige Wassertaufe‘ <strong>und</strong> ‚Heiliges Abendmahl‘ können<br />

vom Apostel selbst oder einem von ihm beauftragten priesterli<strong>ch</strong>en Amtsträger <strong>dur<strong>ch</strong></strong>geführt<br />

werden. Die göttli<strong>ch</strong>e Erwählung ist laut Glaubenslehre zwingend notwendig, ja Voraussetzung,<br />

um an der ewigen Herrli<strong>ch</strong>keit Gottes teilhaben zu können.<br />

Diese Erwählung aus ‚Gnaden‘ ist dem neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen heilig <strong>und</strong> das größte<br />

Mysterium zuglei<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> gibt es keine si<strong>ch</strong>tbare Begründung, warum Gott den einen<br />

Mens<strong>ch</strong>en erwählt <strong>und</strong> den anderen ni<strong>ch</strong>t. Diese Erwählung ma<strong>ch</strong>t einen Mens<strong>ch</strong>en zu einem<br />

‚Gotteskind‘. Er unters<strong>ch</strong>eidet si<strong>ch</strong> damit von allen anderen ‚Weltmens<strong>ch</strong>en‘. Die Exklusivität<br />

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der Erwählung ist unter anderem Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> eine ganz besondere neuapostolis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>t auf<br />

<strong>die</strong> Welt <strong>und</strong> das Leben überhaupt.<br />

I<strong>ch</strong> zitiere aus der einmal im Monat ers<strong>ch</strong>einenden Kinderzeits<strong>ch</strong>rift „Wir Kinder“ (3/2000), <strong>die</strong><br />

au<strong>ch</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> Untersu<strong>ch</strong>ungen von Dr. Fincke, dem Weltans<strong>ch</strong>auungsbeauftragten der<br />

EKD, gewesen war. Er s<strong>ch</strong>reibt:<br />

„In jeder Nummer des Magazins gibt es bunt bebilderte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten „Aus der Bibel“, stets<br />

versehen mit einem einprägsamen Spru<strong>ch</strong>, den <strong>die</strong> Kinder mit auf den Weg nehmen sollen. Gut<br />

verpackt findet si<strong>ch</strong> so zur Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von Davids Erwählung unversehens der neuapostolis<strong>ch</strong>e<br />

Exklusivanspru<strong>ch</strong>: ‚Niemand hat erwartet, dass..... David von Gott ausgewählt war. Genauso<br />

wenig können wir uns erklären, warum er ausgere<strong>ch</strong>net uns ausgesu<strong>ch</strong>t hat.‘“ (<br />

www.ekd.de/ezw/publ/ftexte/info0600.rtf+david+fincke+nak)<br />

„Die Heilige Versiegelung ist <strong>die</strong> Spendung des Heiligen Geistes <strong>und</strong> damit der wesentli<strong>ch</strong>e<br />

Teil der Wiedergeburt (Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te 8, 14­17; Epheser 1,13,14; 4,30). Sie ist <strong>die</strong><br />

Gr<strong>und</strong>lage einer völligen Erneuerung des inneren Mens<strong>ch</strong>en (...)<br />

Dur<strong>ch</strong> sie wird ein Mens<strong>ch</strong> zu einem Kind Gottes mit dem Anre<strong>ch</strong>t auf das Erbe Christi. (...).<br />

Somit ist der Besitz des Heiligen Geistes das Unterpfand zur ewigen Herrli<strong>ch</strong>keit. (....)<br />

(Quelle, Kate<strong>ch</strong>ismus, „Fragen <strong>und</strong> Antworten“, 1992)<br />

Wiederkunft Jesu/ Naherwartung<br />

Bei dem in vielen Texten so s<strong>ch</strong>ön formulierten ‚Ziel des Glaubens‘ handelt es si<strong>ch</strong> um <strong>die</strong><br />

Wiederkunft Jesu, <strong>die</strong> Naherwartung des neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen. Na<strong>ch</strong> der Glaubenslehre der<br />

NAK ges<strong>ch</strong>ieht <strong>die</strong> Wiederkunft Jesu in einem Augenblick den man ni<strong>ch</strong>t kennt, den man aber<br />

stündli<strong>ch</strong> erwarten muss. Jesus nimmt in <strong>die</strong>sem Augenblick <strong>die</strong> ‚Würdigen‘, das heißt, <strong>die</strong> der<br />

NAK treu Gebliebenen <strong>und</strong> ihrer Lehre Gehorsamen mit in <strong>die</strong> ewige Herrli<strong>ch</strong>keit. Do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

jeder NAK Christ hat quasi per Konfessionszugehörigkeit <strong>die</strong> Garantie, angenommen zu werden,<br />

sondern nur derjenige, der am besten vorbereitet <strong>und</strong> damit würdig ist. Bis vor no<strong>ch</strong> ganz kurzer<br />

Zeit wurde – angelehnt an das biblis<strong>ch</strong>e Glei<strong>ch</strong>nis der ‚12 Jungfrauen‘ – nur von etwa der<br />

Hälfte der NAK–Christen ausgegangen. Seit ca. zwei Jahren wird das Glei<strong>ch</strong>nis ni<strong>ch</strong>t mehr in<br />

<strong>die</strong>sem Zusammenhang zitiert.<br />

„Die Predigten, so weit i<strong>ch</strong> ihnen als kleines Kind folgen konnte, ma<strong>ch</strong>ten mir Angst. Vor allem<br />

dann, wenn laut (oft sogar unter Tränen!) gefleht wurde: „Herr, s<strong>ch</strong>lag‘ an mit deiner Si<strong>ch</strong>el<br />

<strong>und</strong> ernte <strong>und</strong> hole uns in dein Vaterrei<strong>ch</strong>!“ I<strong>ch</strong> hatte damals s<strong>ch</strong>on große Angst vor dem Tod,<br />

obwohl meine Oma mir verspra<strong>ch</strong>, dass es mir <strong>und</strong> allen anderen ‚dort‘ besser ginge <strong>und</strong><br />

selbstverständli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mein Herzfehler weg sei! (Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, Autor der Verfasserin<br />

bekannt)<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> auf einen ganz wi<strong>ch</strong>tigen Aspekt der neuapostolis<strong>ch</strong>en Lehre<br />

hinweisen: <strong>die</strong> spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Verwis<strong>ch</strong>ung bis hin zur Glei<strong>ch</strong>setzung des Todesbegriffes mit dem<br />

des ‚ewigen Lebens‘. Der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ glaubt wie jeder andere Christ ebenfalls an ein<br />

‚Leben na<strong>ch</strong> dem Tode‘. Denno<strong>ch</strong> liegen seinem Glaubensverständnis andere Vorstellungen zu<br />

Gr<strong>und</strong>e. Der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ betra<strong>ch</strong>tet sein Leben als eine Art ‚Übergangsstadium‘ <strong>für</strong><br />

das ‚eigentli<strong>ch</strong>e Leben‘. Das heißt konkret: er bereitet si<strong>ch</strong> in seinem natürli<strong>ch</strong>en Leben auf ein<br />

‚ewiges Leben‘ vor. Hierbei ist sein Körper ledigli<strong>ch</strong> stoffli<strong>ch</strong>er Träger des Eigentli<strong>ch</strong>en, der<br />

Seele. Wobei au<strong>ch</strong> sie nur dann vollständig ist, wenn sie <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> sakramentalen Handlungen<br />

ein geistli<strong>ch</strong>es ‚Erbgut‘, <strong>die</strong> ‚Gotteskinds<strong>ch</strong>aft‘, erhalten hat. Der Todesbegriff wird in der Lehre<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> so verdrängt, dass er offen ni<strong>ch</strong>t mehr ausgespro<strong>ch</strong>en wird. Der Gläubige baut völlig<br />

auf eine mutmaßli<strong>ch</strong>e Vorstellung von einer ‚jenseitigen Welt‘ auf, <strong>die</strong> ihm in jedem Falle<br />

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wi<strong>ch</strong>tiger ist, als sein eigentli<strong>ch</strong>es endli<strong>ch</strong>es, stoffli<strong>ch</strong>es Leben. Der Tod gilt als Übergang in ein<br />

anderes Sein, oder als Einzug in <strong>die</strong> ‚Heimat der Seele‘. Mit ihm erlis<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit, <strong>für</strong> das<br />

ewige Leben, <strong>für</strong> einen ‚guten Platz im Himmel‘, etwas tun zu können. Na<strong>ch</strong> neuapostolis<strong>ch</strong>em<br />

Verständnis kommt der Mens<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> seinem Tode in ein besonderes Berei<strong>ch</strong>, in wel<strong>ch</strong>em si<strong>ch</strong><br />

nur Mens<strong>ch</strong>en seiner Art befinden, also sol<strong>ch</strong>e, <strong>die</strong> genau den glei<strong>ch</strong>en Lebenswandel führten.<br />

Im Klartext heißt <strong>die</strong>s: Ein Alkoholiker kommt nur unter Alkoholiker, ein Lügner unter lauter<br />

Seelen, wel<strong>ch</strong>e <strong>die</strong> Unwahrheit spre<strong>ch</strong>en. Diese Berei<strong>ch</strong>e werden au<strong>ch</strong> als Gefängnisse<br />

bezei<strong>ch</strong>net, in wel<strong>ch</strong>en <strong>die</strong>se Seelen geb<strong>und</strong>en liegen müssen, bis der Stammapostel <strong>die</strong> Berei<strong>ch</strong>e<br />

‚aufs<strong>ch</strong>ließt‘ <strong>und</strong> missionierende verstorbene NAK­Mitglieder <strong>die</strong> dort lebenden Seelen mit Gott<br />

<strong>und</strong> seinem Willen bekannt ma<strong>ch</strong>en können. Ist einer jedo<strong>ch</strong> ein gläubiger neuapostolis<strong>ch</strong>er<br />

Christ, kann er si<strong>ch</strong> unter seinesglei<strong>ch</strong>en gesellen <strong>und</strong> ist frei.<br />

„Wie sehen wohl <strong>die</strong>se Gefängnisse aus? Bestimmt hat der eine oder andere von Eu<strong>ch</strong> einmal<br />

eine Burg besi<strong>ch</strong>tigt. Dabei konntet Ihr viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einen Blick in das Gefängnis der Burg,<br />

das Verlies, werfen. Ihr werdet eine Gänsehaut bekommen haben, als Ihr Eu<strong>ch</strong> vorgestellt habt,<br />

Ihr selbst wäret in sol<strong>ch</strong> einem Lo<strong>ch</strong> eingesperrt worden.“<br />

Ganz gezielt wird hier bei den Kindern eine Assoziation hervorgerufen, um sie in eine bestimmte<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Verfassung zu versetzen, damit <strong>die</strong> weiteren Worte des Predigers au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> tief<br />

in das Innere des Kindes eindringen können. So heißt es weiter:<br />

„ Nun, so sehen <strong>die</strong> Gefängnisse in der Ewigkeit ni<strong>ch</strong>t aus <strong>und</strong> do<strong>ch</strong> ist <strong>die</strong> Gefangens<strong>ch</strong>aft der<br />

Seelen oft no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>er, als was ein Mens<strong>ch</strong> in seinem Burgverlies erlebt hat. Die<br />

Gefangens<strong>ch</strong>aft der Seele beginnt ni<strong>ch</strong>t erst, wenn sie in <strong>die</strong> Ewigkeit geht, sonder s<strong>ch</strong>on hier.<br />

Aber wie muss man si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Seelengefängnisse nun vorstellen? (...)<br />

Si<strong>ch</strong>er habt Ihr s<strong>ch</strong>on einmal den Ausspru<strong>ch</strong> gehört: ‚Der ist ganz gefangen von seinen Ideen!‘<br />

Damit ist gemeint, dass ein bestimmter Geist von einem sol<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en Besitz ergriffen hat<br />

<strong>und</strong> er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr frei ents<strong>ch</strong>eiden kann. Die meisten Mens<strong>ch</strong>en sind Gefangene eines<br />

Geistes, ohne es zu merken. Und so gehen sie s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> in <strong>die</strong> Ewigkeit.<br />

Au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> sie gibt es nur einen Weg in <strong>die</strong> Freiheit. Den hat der Herr Jesus im Gnaden <strong>und</strong><br />

Apostelamt gegeben.“ (zitiert na<strong>ch</strong> Sylvia Kranefeld, S. 79)<br />

No<strong>ch</strong> einmal wird <strong>die</strong> Assoziation des Kindes verstärkt, um dann mit absolutem<br />

Wahrheitsanspru<strong>ch</strong> <strong>die</strong> NAK­Dogmen in <strong>die</strong> Kinderseele einzugravieren. Aus dem Text<br />

spre<strong>ch</strong>en versteckt <strong>und</strong> offen Drohungen <strong>und</strong> Gewalt, <strong>die</strong> in einer Kinderseele Spuren<br />

hinterlassen werden. Au<strong>ch</strong> das ist eine Methode, einen no<strong>ch</strong> so kleinen Mens<strong>ch</strong>en gefügig zu<br />

ma<strong>ch</strong>en.<br />

Auf <strong>die</strong>se Weise wird s<strong>ch</strong>on den kleinsten Kindern deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, wie wi<strong>ch</strong>tig <strong>die</strong><br />

Vorbereitung auf das jenseitige Sein ist. Der S<strong>ch</strong>werpunkt wird so deutli<strong>ch</strong> auf das Leben na<strong>ch</strong><br />

dem Tode gelegt, dass ein kleines Kind mit seiner Endli<strong>ch</strong>keit <strong>und</strong> dem was es dort<br />

mögli<strong>ch</strong>erweise erwartet, mehr bekannt ist, als mit seinem es erwartenden realen Leben.<br />

„Denn wir Gotteskinder haben ja das hö<strong>ch</strong>ste Ziel, das man si<strong>ch</strong> vorstellen kann, nämli<strong>ch</strong> an der<br />

Ersten Auferstehung teilzuhaben. Und <strong>die</strong>ses Ziel errei<strong>ch</strong>t man ni<strong>ch</strong>t so nebenbei, sondern da<br />

heißt es, ganz besonders fleißig zu sein. Dann wird der Herr Jesus uns sagen können, wenn er<br />

wiederkommt: „ Du wirst jetzt versetzt in den Ho<strong>ch</strong>zeitssaal.“ Um das zu errei<strong>ch</strong>en, lohnt si<strong>ch</strong><br />

jeder Einsatz (...). Und wer vom Herrn in den Ho<strong>ch</strong>zeitssaal versetzt werden mö<strong>ch</strong>te, der darf<br />

ni<strong>ch</strong>t sagen: „ I<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>e nur immer in den Gottes<strong>die</strong>nst zu gehen, dann wird mi<strong>ch</strong> der Herr<br />

Jesus annehmen.“ Das ist wohl <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>voraussetzung, rei<strong>ch</strong>t aber ni<strong>ch</strong>t, um würdig zu<br />

werden. Dazu muss man si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on von ganzem Herzen bemühen zu tun, was dem<br />

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himmlis<strong>ch</strong>en Vater gefällt. Und was ihm gefällt, das sagt er uns <strong>dur<strong>ch</strong></strong> den Stammapostel, den<br />

Bezirksapostel, <strong>die</strong> Apostel <strong>und</strong> <strong>die</strong> treuen Brüder.“ (zitiert na<strong>ch</strong> Sylvia Kranefeld, S. 75)<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> hat ein ges<strong>und</strong>er Mens<strong>ch</strong> einen Lebenswillen <strong>und</strong> einen natürli<strong>ch</strong>en Drang zur<br />

Entwicklung. C. R. Rogers nennt ihn <strong>die</strong> Tendenz zur Selbstaktualisierung. Innerhalb der<br />

neuapostolis<strong>ch</strong>en Glaubenslehre wird jedo<strong>ch</strong> indirekt der ‚Todestrieb‘ geradezu herbeigeredet<br />

<strong>und</strong> als anzustrebendes Seinsgefühl kultiviert. Die meisten Amtsträger sind si<strong>ch</strong> dessen ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr wirkli<strong>ch</strong> bewusst. Denno<strong>ch</strong> lassen si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Folgen bei Kindern ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong><br />

wegdiskutieren <strong>und</strong> kann <strong>die</strong> ‚gute Absi<strong>ch</strong>t‘ ni<strong>ch</strong>t davor s<strong>ch</strong>ützen, dass gerade <strong>die</strong>ser<br />

lebensfeindli<strong>ch</strong>e Aspekt deutli<strong>ch</strong> zu kritisieren ist. Weder kir<strong>ch</strong>eninterne Spielna<strong>ch</strong>mittage no<strong>ch</strong><br />

irgendwel<strong>ch</strong>e groß angelegten überregionalen Kindertage täus<strong>ch</strong>en über <strong>die</strong>se Tatsa<strong>ch</strong>e hinweg.<br />

No<strong>ch</strong> immer geistert das Wort des ehemaligen Stammapostels I. G. Bis<strong>ch</strong>off <strong>dur<strong>ch</strong></strong> S<strong>ch</strong>riften <strong>und</strong><br />

Predigten der NAK: „Lerne in <strong>die</strong>sem Leben unterlassen, was du im jenseitigen Leben ni<strong>ch</strong>t<br />

fortsetzen kannst.“<br />

Irgendwann ist dem Kind <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> dem späteren Erwa<strong>ch</strong>senen klar, dass es entweder ein Leben<br />

hier auf <strong>die</strong>ser Erde gibt, oder ein ‚ewiges Leben‘. Will man das ‚ewige Leben‘ haben, muss man<br />

si<strong>ch</strong> im natürli<strong>ch</strong>en Leben bes<strong>ch</strong>ränken <strong>und</strong> <strong>die</strong> eigenen Bedürfnisse bekämpfen, sowie si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

den Vorgaben <strong>und</strong> Normen der NAK ausri<strong>ch</strong>ten. Diese Eins<strong>ch</strong>ränkungen sind als gottgewollt zu<br />

akzeptieren. Beides zu haben, ein rein mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> erfülltes ‚natürli<strong>ch</strong>es Leben‘ <strong>und</strong> ein ‚ewiges<br />

Leben‘, geht ni<strong>ch</strong>t.<br />

„Wir alle mö<strong>ch</strong>ten do<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> oben (...). Also ist do<strong>ch</strong> unser Ziel oben, wo der Herr ist (...).<br />

Zuerst muss man im Glauben immer höher hinaufsteigen. Was mag das wohl heißen? Ganz<br />

einfa<strong>ch</strong>: Wer hinaufsteigt, der entfernt si<strong>ch</strong> immer mehr von der Erde <strong>und</strong> kommt dem Himmel<br />

immer näher. Mit anderen Worten: Wer im Glauben hinaufsteigt, interessiert si<strong>ch</strong> immer<br />

weniger da<strong>für</strong>, was es auf der Erde <strong>für</strong> verlockende Dinge gibt. Er strebt na<strong>ch</strong> dem Himmel.<br />

Wer hinaufsteigt im Glauben, der sieht na<strong>ch</strong> oben <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> unten. Für uns heißt das: Wer<br />

hinaufsteigt, der s<strong>ch</strong>aut auf! Dann sieht er seine Segensträger. Das sind <strong>für</strong> uns keine<br />

Mens<strong>ch</strong>en, sondern <strong>die</strong> Männer, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> der Herr heute offenbart. Ihr Wort ist uns<br />

heilig, <strong>und</strong> voller Gottesfur<strong>ch</strong>t bemühen wir uns zu tun, was sie uns raten.“ (aus einem<br />

Gottes<strong>die</strong>nst, zitiert na<strong>ch</strong> S. Kranefeld, S. 73)<br />

Der Titel des Bu<strong>ch</strong>es ‚Herr Jesus komm‘ , das in der Sonntagss<strong>ch</strong>ule benützt wird, lässt au<strong>ch</strong><br />

heute no<strong>ch</strong> keine Fragen offen. Die Kinder sollen lernen, si<strong>ch</strong> auf den Tag der Wiederkunft Jesu<br />

zu freuen. Sie sollen na<strong>ch</strong> <strong>und</strong> na<strong>ch</strong> ihren natürli<strong>ch</strong>en Lebenswillen unterdrücken bzw.<br />

verdrängen, <strong>und</strong> nur no<strong>ch</strong> ein ewiges Leben herbeisehnen. Denn ist der Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einem<br />

erfüllten Leben auf <strong>die</strong>ser Erde zu vordergründig, läuft das Kind Gefahr, am Tag der ‚ersten<br />

Auferstehung‘ ni<strong>ch</strong>t mitgenommen zu werden.<br />

Diese Naherwartung der Wiederkunft Jesu mit all ihren beliebigen <strong>und</strong> unbere<strong>ch</strong>enbaren<br />

Voraussetzungen, <strong>die</strong>se ‚Ewigkeit‘ mit ihren mögli<strong>ch</strong>en Gefängnissen, können auf das Kind<br />

einen s<strong>ch</strong>ier unerträgli<strong>ch</strong>en Druck ausüben. Ein dergestalt beeinflusstes Kind lebt<br />

mögli<strong>ch</strong>erweise in ständiger Angst, jedes no<strong>ch</strong> so kleine Vergehen könnte von Gott mit dem<br />

Zurücklassen auf <strong>die</strong>ser Erde, auf der dann großes Leid <strong>und</strong> großes Elend herrs<strong>ch</strong>en wird,<br />

bestraft werden, oder es käme zumindest na<strong>ch</strong> dem Tode in eines der oben genannten<br />

Gefängnisse.<br />

„Kaum, dass wir (Ges<strong>ch</strong>wister) das Li<strong>ch</strong>t der Welt erblickt hatten, begriffen wir, dass wir <strong>die</strong>se<br />

Welt au<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> wieder verlassen würden: man re<strong>ch</strong>net tägli<strong>ch</strong>, stündli<strong>ch</strong> mit dem Kommen<br />

des Herrn, der uns Gotteskinder zu si<strong>ch</strong> holen würde in ein s<strong>ch</strong>önere Welt. Die anderen, <strong>die</strong><br />

Zurückgebliebenen würden dann „ihr Fett abbekommen“. (Aussteigerberi<strong>ch</strong>t,“ Bin ein<br />

königli<strong>ch</strong> Kind“)<br />

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Es ist deutli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en: Die Ängste der Kinder beziehen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> auf <strong>die</strong><br />

‚Erlösung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Jesu in seiner Wiederkunft‘ (spri<strong>ch</strong> auf das Aufhören ihrer Existenz auf <strong>die</strong>ser<br />

Erde), sondern vor allem au<strong>ch</strong> darauf, <strong>die</strong> nötigen Voraussetzungen da<strong>für</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong><br />

aufbringen zu können. So beri<strong>ch</strong>ten fast alle Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> aus der NAK gelöst haben<br />

davon, wie sie als Kinder Todesängste ausgestanden hätten, wenn <strong>die</strong> Eltern einmal ni<strong>ch</strong>t<br />

pünktli<strong>ch</strong> zu einem verabredeten Termin zu Hause gewesen wären. Ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>ätzen ist in<br />

<strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>die</strong> dahinterstehende Drohung, mögli<strong>ch</strong>erweise allein auf der Erde<br />

zurückgelassen zu werden, wenn <strong>die</strong> Eltern von Jesus in sein Himmelrei<strong>ch</strong> mitgenommen<br />

werden <strong>und</strong> sie selbst ni<strong>ch</strong>t.<br />

Es gibt <strong>für</strong> Kinder keine bedrohli<strong>ch</strong>eren Zustände als Ängste vor dem vollständigen<br />

Verlassensein. Jedes Kind weiß instinktiv, hiermit wäre seine Existenz gefährdet. Diese<br />

indirekten ‚<strong>Erziehung</strong>smittel‘ sind geeignet, Kinder gefügig <strong>und</strong> gehorsam zu ma<strong>ch</strong>en, damit sie<br />

au<strong>ch</strong> im späteren Alter ni<strong>ch</strong>ts anderes kennen, als <strong>die</strong> totale Abhängigkeit von der Institution<br />

NAK <strong>und</strong> ihren Führen. Dabei ist <strong>die</strong>s in der Regel weder den Eltern no<strong>ch</strong> den Amtsträgern<br />

bewusst. Nur wenige handeln aus despotis<strong>ch</strong>en Motiven heraus so. Weitaus größer ist <strong>die</strong> Zahl<br />

der Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> felsenfest an <strong>die</strong> Lehre glauben <strong>und</strong> der Meinung sind, das Beste <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Kinder zu tun. Es steht meist eine große Liebe zu den Kindern hinter jenen<br />

<strong>Erziehung</strong>sbemühungen. Es wird deutli<strong>ch</strong>, wie Kinder Opfer von Mens<strong>ch</strong>en werden, <strong>die</strong> selbst<br />

als Kinder Opfer der bewusstseinsmanipulierenden Lehre geworden sind. Wieder einmal wird<br />

Eltern­ <strong>und</strong> Mens<strong>ch</strong>enliebe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zwecke des Systems missbrau<strong>ch</strong>t. Wel<strong>ch</strong>e Auswirkungen das<br />

auf <strong>die</strong> Entwicklung des Kindes <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> I<strong>ch</strong>­Bildung hat <strong>und</strong> wie si<strong>ch</strong> <strong>die</strong>s im<br />

Erwa<strong>ch</strong>senenalter auswirkt, werde i<strong>ch</strong> im Verlauf <strong>die</strong>ser Arbeit aufzeigen.<br />

Unmerkli<strong>ch</strong> wird <strong>die</strong> ‚frohe Bots<strong>ch</strong>aft der Erlösung’ zum Hauptbindungsfaktor an <strong>die</strong><br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft. Die Urangst <strong>und</strong> Unsi<strong>ch</strong>erheit des Mens<strong>ch</strong>en vor seiner Vergängli<strong>ch</strong>keit wird <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> NAK zum Garant <strong>für</strong> ein si<strong>ch</strong>eres Verbleiben der Gläubigen in der si<strong>ch</strong> abs<strong>ch</strong>ottenden<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft, weil dort vermeintli<strong>ch</strong> alleine Heilsgewissheit gef<strong>und</strong>en werden kann. Denn:<br />

„Segensträger sind ein unermessli<strong>ch</strong>er Rei<strong>ch</strong>tum <strong>für</strong> uns alle. Stellt Eu<strong>ch</strong> nur einmal vor, der<br />

Herr hätte seinen Kindern keinen Stammapostel <strong>und</strong> keine Apostel gegeben! Dann gäbe es<br />

auf der ganzen Erde kein einziges Gotteskind. Niemand könnte den Willen Gottes erfahren.<br />

Niemandem könnten <strong>die</strong> Sünden vergeben werden. Niemand könnte Seelenspeise oder – trank<br />

empfangen. Niemand dürfte hoffen, einmal zum lieben Gott zu kommen. Was wären wir ohne<br />

Segensträger do<strong>ch</strong> arm! Merkt Ihr, wie groß <strong>die</strong> Gnade ist, Segensträger haben zu dürfen?“<br />

(zitiert na<strong>ch</strong> S. Kranefeld, S. 85)<br />

Als Abs<strong>ch</strong>luss <strong>die</strong>ses Kapitels mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> – stellvertretend <strong>für</strong> viele Aussteiger – aus Siegfried<br />

Dannwolfs Bu<strong>ch</strong> „Gottes verlorene Kinder“ zitieren, in dem er eindrückli<strong>ch</strong> seine Ängste als<br />

Kind aufzeigt. Des weiteren werde i<strong>ch</strong> aus einem Brief von Renate an ihre Selbsthilfegruppe<br />

zitieren. (Name geändert, der Verfasserin bekannt).<br />

Siegfried Dannwolf s<strong>ch</strong>reibt (S. 20):<br />

„Wenn i<strong>ch</strong> allein zuhause war, überfiel mi<strong>ch</strong> oft große Angst. Der seit frühester Kindheit auf<br />

mi<strong>ch</strong> übertragene Glaube an das tägli<strong>ch</strong> zu erwartende Wiederkommen Jesu wurde zum<br />

Trauma. Wenn meine Eltern ni<strong>ch</strong>t pünktli<strong>ch</strong> zurückkamen, bekam i<strong>ch</strong> panis<strong>ch</strong>e Angst, Jesus<br />

wäre gekommen <strong>und</strong> hätte mi<strong>ch</strong> allein zurückgelassen. Diese Angst, ni<strong>ch</strong>t dabeizusein, wenn<br />

Jesus kommt, wurde i<strong>ch</strong> nie los.“<br />

Der damals neunjährige Junge s<strong>ch</strong>rieb aus <strong>die</strong>ser Sorge heraus seinem Seelsorger <strong>und</strong> erhielt u.a.<br />

folgende Antwort:<br />

12


„I<strong>ch</strong> will Dir gerne beistehen, dass der liebe Vater Dir <strong>die</strong> Überwinderkräfte gibt. Ni<strong>ch</strong>ts auf der<br />

ganzen Welt hat <strong>für</strong> uns größere Bedeutung als dabei zu sein, wenn der Herr Jesus kommt, um<br />

<strong>die</strong> Seinen heimzuholen. Deshalb kämpfen wir alle gegen das ungöttli<strong>ch</strong>e Wesen, damit wir mehr<br />

<strong>und</strong> mehr ein Ebenbild Jesu werden. Si<strong>ch</strong> selbst bekriegen ist der s<strong>ch</strong>werste Krieg <strong>und</strong> si<strong>ch</strong><br />

selbst besiegen der s<strong>ch</strong>önste Sieg. (....)“.(ebd. S. 21)<br />

Aussteigerin Renate:<br />

„Au<strong>ch</strong> meine Kindheit bestand hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> aus Kir<strong>ch</strong>gängen. Kino gab es selbst mit der<br />

S<strong>ch</strong>ulklasse ni<strong>ch</strong>t. Der „Gute Hirte“(Kinderzeits<strong>ch</strong>rift der NAK, Anmerkung d. Verfasserin) war<br />

au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> Pfli<strong>ch</strong>tlektüre. Selbst Kartenspiele waren Teufelswerk.<br />

Bei dem Gedanken an das Kommen Jesus war i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> einmal sündig <strong>und</strong> da<strong>ch</strong>te: „ Der<br />

Stammapostel ist 85 Jahre alt <strong>und</strong> war fünfmal verheiratet; i<strong>ch</strong> bin erst 12, i<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

leben.“<br />

Meine eigene, damals fünfjährige To<strong>ch</strong>ter erzählte mir, dass sie do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> gerne no<strong>ch</strong> heiraten<br />

wolle <strong>und</strong> kleine Babys bekommen wolle <strong>und</strong> darum Jesu Wiederkunft ni<strong>ch</strong>t wüns<strong>ch</strong>e. Für mi<strong>ch</strong><br />

war das regelre<strong>ch</strong>t ein S<strong>ch</strong>ock, zumal in meiner Familie <strong>die</strong> ‚Wiederkunft Jesu‘ niemals<br />

thematisiert wurde. Sie hatte nur den Predigten zugehört. Heute, mit 15 Jahren, gestand sie mir,<br />

in <strong>die</strong>ser Zeit deshalb unter erhebli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lafstörungen gelitten zu haben. Erst heute getraute sie<br />

si<strong>ch</strong>, mir <strong>die</strong>sen wahren Gr<strong>und</strong> zu nennen. Als Kind hatte sie ständig allerlei andere Gründe<br />

angegeben, aus wel<strong>ch</strong>en i<strong>ch</strong> als Mutter niemals ri<strong>ch</strong>tig s<strong>ch</strong>lau geworden war.<br />

Glaubensgehorsam<br />

Ein ganz wi<strong>ch</strong>tiges kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es <strong>Erziehung</strong>sziel ist <strong>die</strong> Gehorsamspfli<strong>ch</strong>t den Eltern <strong>und</strong><br />

Amtsträgern gegenüber. Dies impliziert ein zum Teil völliges Auss<strong>ch</strong>alten der Bedürfnisse <strong>und</strong><br />

Wüns<strong>ch</strong>e des Kindes. Das beginnt beim ordentli<strong>ch</strong>en Stillsitzen mit 2­3 Jahren <strong>und</strong> endet beim<br />

„Tanzverbot“ im Jugendalter.<br />

„Als Gotteskinder streben wir dana<strong>ch</strong>, Gott zu gehor<strong>ch</strong>en, seinen Willen zu bea<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> uns<br />

dana<strong>ch</strong> auszuri<strong>ch</strong>ten. Damit ist Segen <strong>und</strong> Bewahrung verb<strong>und</strong>en. Gehorsam gegenüber Gott ist<br />

eine Tugend. S<strong>ch</strong>on ganz kleine Kinder üben si<strong>ch</strong> darin, den Eltern zu gehor<strong>ch</strong>en. Gehorsam<br />

sein fällt au<strong>ch</strong> den Erwa<strong>ch</strong>senen ni<strong>ch</strong>t immer lei<strong>ch</strong>t. Die Kinder erfahren, dass Gehorsam<br />

oftmals Bewahrung vor S<strong>ch</strong>aden bringt“. (Lehrerhandbu<strong>ch</strong> zur Sonntagss<strong>ch</strong>ule)<br />

In einer Predigt an <strong>die</strong> Kinder hört si<strong>ch</strong> das zum Beispiel so an:<br />

„Und wie können wir unsere Kraft dem Herrn weihen? Ganz einfa<strong>ch</strong>: indem wir tun, was der<br />

himmlis<strong>ch</strong>e Vater von uns erwartet. Oder anders ausgedrückt: indem wir ihm gehorsam sind<br />

(...) Es ist gut, wenn man s<strong>ch</strong>on ganz früh lernt, gehorsam zu sein. (...) Wer ungehorsam ist,<br />

hat meist den S<strong>ch</strong>aden. Deshalb no<strong>ch</strong> einmal: Gehorsam zu sein, sollte man so früh wie<br />

mögli<strong>ch</strong> lernen. Natürli<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>en wir ni<strong>ch</strong>t jedem zu gehor<strong>ch</strong>en. Dem Teufel zum Beispiel<br />

darf man ni<strong>ch</strong>t gehor<strong>ch</strong>en. Da sollte man gar ni<strong>ch</strong>t erst hinhören, wenn er uns etwas einflüstern<br />

will. Aber was der liebe Gott uns <strong>dur<strong>ch</strong></strong> den Stammapostel, <strong>die</strong> Apostel <strong>und</strong> <strong>die</strong> treuen Brüder<br />

sagt, das tun wir, weil wir glauben; das ist Glaubensgehorsam. Ja das tun wir sogar gern,<br />

denn wir mö<strong>ch</strong>ten do<strong>ch</strong> angenommen werden, wenn der Herr Jesus <strong>die</strong> Seinen zu si<strong>ch</strong> nimmt,<br />

oder? (...) Oder stellt Eu<strong>ch</strong> vor, der Teufel wollte Eu<strong>ch</strong> einflüstern: „Was ist s<strong>ch</strong>on dabei, wenn<br />

Du <strong>die</strong> Narrheiten der Welt mitma<strong>ch</strong>st. Sieh do<strong>ch</strong> nur, wie viel Freude das den anderen<br />

ma<strong>ch</strong>t!“ Dann hört Ihr bestimmt gar ni<strong>ch</strong>t erst hin, denn dazu habt Ihr den lieben Gott ja viel<br />

zu lieb. Und darum verzi<strong>ch</strong>tet Ihr au<strong>ch</strong> mit Freuden auf das, was <strong>die</strong> Welt <strong>für</strong> Freude hält,<br />

aber gar keine e<strong>ch</strong>te Freude ist. (...)<br />

I<strong>ch</strong> höre Eu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on sagen: „Wenn der liebe Gott über uns traurig ist, dann wird er uns ni<strong>ch</strong>t<br />

segnen, <strong>und</strong> auf seinen Segen können wir do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verzi<strong>ch</strong>ten. Wir mö<strong>ch</strong>ten ihm immer Freude<br />

bereiten.“ Re<strong>ch</strong>t habt Ihr. Und darum denkt immer daran, dass der liebe Gott si<strong>ch</strong> dann über<br />

13


Eu<strong>ch</strong> freut, wenn Ihr seinen Kne<strong>ch</strong>ten, aber au<strong>ch</strong> Euren Eltern gehorsam seid. Wenn Ihr’s so<br />

seht, wird der Gehorsam s<strong>ch</strong>on viel lei<strong>ch</strong>ter. Stimmt’s? (...)<br />

Und no<strong>ch</strong> ein Rat: „Tut do<strong>ch</strong> immer soglei<strong>ch</strong>, was man Eu<strong>ch</strong> sagt! Je mehr Zeit Ihr nämli<strong>ch</strong><br />

verstrei<strong>ch</strong>en laßt, bis Ihr’s tut, desto mehr Gelegenheit findet der Teufel, Eu<strong>ch</strong> zum<br />

Ungehorsam zu verführen.“ (zitiert na<strong>ch</strong> S. Kranefeld, S 82)<br />

Dur<strong>ch</strong> den Hinweis, der liebe Gott hätte keine Freude am Kind, sobald es ein ‚Fehlverhalten‘<br />

zeigt – es handelt si<strong>ch</strong> hierbei sehr oft nur um ganz natürli<strong>ch</strong>e Bedürfnisse ­ wird dem Kind nur<br />

sehr einges<strong>ch</strong>ränkt das Gefühl der unbedingten Annahme vermittelt. Ständig ist es gefordert, oft<br />

über sein entspre<strong>ch</strong>endes Alter hinaus, von der Institution geforderte Leistungen zu erbringen.<br />

Erst dann kann es mit der Annahme von Gott, der ja über allem steht, re<strong>ch</strong>nen. Gehor<strong>ch</strong>t ein<br />

Gotteskind ni<strong>ch</strong>t dem ‚Willen Gottes‘, übermittelt <strong>dur<strong>ch</strong></strong> seine Segensträger <strong>und</strong> Eltern, re<strong>ch</strong>net<br />

es damit zurückgestoßen <strong>und</strong> bestraft zu werden. Da Gott alles sieht <strong>und</strong> man si<strong>ch</strong> vor ihm ni<strong>ch</strong>t<br />

verbergen kann, ist <strong>die</strong>se Drohung allgegenwärtig. Meist wird <strong>die</strong>s jedo<strong>ch</strong> vom Kind vollständig<br />

verdrängt. Es ist ni<strong>ch</strong>t in der Lage si<strong>ch</strong> dagegen zu wehren, zumal Gedankensünden – <strong>und</strong> dazu<br />

gehört nun einmal au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t von seinem Gott (Drohung) zu denken – s<strong>ch</strong>on von ihm gesehen<br />

werden können.<br />

Dies führt bei vielen Kindern zu einem hohen ‚moralis<strong>ch</strong>en‘ Leistungsanspru<strong>ch</strong> an si<strong>ch</strong> selbst.<br />

Sie sind häufig, über das übli<strong>ch</strong>e Maß hinaus, selbstkritis<strong>ch</strong> <strong>und</strong> fordern <strong>die</strong>se Selbstkritik au<strong>ch</strong><br />

von anderen. Das kann <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus zu einer unangemessenen Überhebli<strong>ch</strong>keit gegenüber anderen<br />

s<strong>ch</strong>einbar ni<strong>ch</strong>t so folgsamen <strong>und</strong> braven Kindern führen. Kompromissloses S<strong>ch</strong>warz­Weiß­<br />

Denken ist vielfa<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Folge. Ni<strong>ch</strong>t selten neigen sol<strong>ch</strong>e Kinder au<strong>ch</strong> später als Erwa<strong>ch</strong>sene zu<br />

großem unerbittli<strong>ch</strong>en Perfektionismus. Es darf dabei ni<strong>ch</strong>t übersehen werden, aus wel<strong>ch</strong>en<br />

tiefgreifenden Irreführungen <strong>und</strong> wel<strong>ch</strong>em seelis<strong>ch</strong>en Leid ein sol<strong>ch</strong>er Mens<strong>ch</strong> kommt. Oft<br />

haben sowohl <strong>die</strong> Kinder, als au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen ein Leben lang mit <strong>die</strong>sem nie<br />

eingestandenen s<strong>ch</strong>weren Leid zu kämpfen.<br />

Sündenvergebung<br />

Das Kind lernt <strong>und</strong> weiß, jeden Sonntag werden ihm <strong>die</strong> Sünden, au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Gedankensünden<br />

vergeben. Die si<strong>ch</strong> ständig aufbürdende Last von S<strong>ch</strong>uldgefühlen ließen si<strong>ch</strong> sonst ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

tragen. Für das System NAK ist <strong>die</strong>s ein ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>ätzendes Mittel, bereits <strong>die</strong> Kleinen<br />

fest an si<strong>ch</strong> zu binden. In der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e werden <strong>die</strong> Kinder bereits als Babys zur<br />

Feier des Heiligen Abendmahles mitgenommen; jedem neuapostolis<strong>ch</strong>en Kind ist <strong>die</strong>s eine<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong>keit. Dies zeigt si<strong>ch</strong> besonders im Rahmen der sonntägli<strong>ch</strong>en<br />

Gottes<strong>die</strong>nstliturgie. Die Kinder beenden ihre Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule so re<strong>ch</strong>tzeitig, dass sie in der<br />

Lage sind, ges<strong>ch</strong>lossen an der Feier des Heiligen Abendmahles teilzunehmen. Kinder, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Sonntagss<strong>ch</strong>ule besu<strong>ch</strong>en feiern getrennt mit ihrem Kinder­Priester das Abendmahl.<br />

„Warum erhalten au<strong>ch</strong> Kinder das Heilige Abendmahl, obwohl sie dessen Bedeutung no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

verstehen können?<br />

Da na<strong>ch</strong> den Worten Jesu nur der das ewige Leben hat, der sein Fleis<strong>ch</strong> ißt <strong>und</strong> sein Blut<br />

trinkt (vergl. Johannes 6, 53. 54), ist das Heilige Abendmahl <strong>für</strong> <strong>die</strong> gottgewollte Entwicklung<br />

von Seele <strong>und</strong> Geist unentbehrli<strong>ch</strong>, unabhängig davon, ob der Mens<strong>ch</strong> ein Kind oder<br />

Erwa<strong>ch</strong>sener ist. Wenn s<strong>ch</strong>on <strong>die</strong> Kinder mit Wasser <strong>und</strong> dem Heiligen Geist getauft werden, ist<br />

au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> sie zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung des empfangenen Wiedergeburtslebens <strong>die</strong><br />

Teilnahme am Heiligen Abendmahl unerläßli<strong>ch</strong>. Dies liegt ganz im Sinne Jesu, der ni<strong>ch</strong>t will,<br />

dass man den Kindern wehre, ‚denn sol<strong>ch</strong>er ist das Himmelrei<strong>ch</strong>‘ (Matth. 19,<br />

14).“(Kate<strong>ch</strong>ismus; „Fragen <strong>und</strong> Antworten“, 1992)<br />

Den allermeisten neuapostolis<strong>ch</strong>en Kindern wird also zunehmend klar, so klein sie au<strong>ch</strong> sein<br />

mögen, i<strong>ch</strong> bin sündig <strong>und</strong> ma<strong>ch</strong>e mi<strong>ch</strong> tägli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>uldig. Dem Kind wird <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> sonntägli<strong>ch</strong>e<br />

Sündenvergebung der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Druck der selbst empf<strong>und</strong>enen ‚S<strong>ch</strong>uldhaftigkeit‘ s<strong>ch</strong>einbar<br />

14


genommen. Einige Kinder mögen das als wohltuend erfahren <strong>und</strong> sind froh, am Sonntag endli<strong>ch</strong><br />

<strong>die</strong> Sünden der vergangenen Wo<strong>ch</strong>e vergeben zu bekommen. Sie sehnen si<strong>ch</strong> geradezu na<strong>ch</strong> dem<br />

‚erlösenden‘ Gottes<strong>die</strong>nst. Bei anderen entstehen jedo<strong>ch</strong> eine Vielzahl an inneren psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Verstrickungen <strong>und</strong> verwirrenden, verunsi<strong>ch</strong>ernden Gedankenkreisläufen. Mit der ‚Vergebung<br />

der Sünden‘ sind <strong>für</strong> ein sol<strong>ch</strong>es Kind no<strong>ch</strong> lange ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> S<strong>ch</strong>uldgefühle weggenommen<br />

worden. Ganz das Gegenteil kann der Fall sein. Das Kind fühlt si<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong>se symbolis<strong>ch</strong>e<br />

Handlung ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>uldfrei. Es nimmt seine ‚S<strong>ch</strong>uldgefühle‘ na<strong>ch</strong> wie vor no<strong>ch</strong> wahr,<br />

weiß aber glei<strong>ch</strong>zeitig, dass <strong>die</strong>s ni<strong>ch</strong>t mehr sein dürfte, da <strong>die</strong> Apostel oder der Priester es ja von<br />

den Sünden freigespro<strong>ch</strong>en hat. Also wird es wieder <strong>die</strong> ‚S<strong>ch</strong>uld‘ bei si<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> der<br />

Kreislauf beginnt erneut. Die Gefühlsvorgabe <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Amtsträger besagt zudem, dass man si<strong>ch</strong><br />

jetzt ‚ganz frei fühlen könne‘. Das si<strong>ch</strong> im inneren Konflikt befindli<strong>ch</strong>e Kind traut seiner eigenen<br />

Wahrnehmung ni<strong>ch</strong>t mehr. Das kann soweit gehen, dass ein sol<strong>ch</strong>es Kind si<strong>ch</strong> allgemein ni<strong>ch</strong>ts<br />

mehr zutraut, ja si<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>erweise ni<strong>ch</strong>t einmal mehr getraut, darüber na<strong>ch</strong>zudenken. Es kann<br />

zur vollständigen Verdrängung <strong>die</strong>ser S<strong>ch</strong>uldgefühle kommen. Das Kind ist einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

in der Lage, den stark divergierenden Erlebnisinhalt in sein Sein einzubauen. Ein Kreislauf ohne<br />

wirkli<strong>ch</strong>es Ende.<br />

Des weiteren beri<strong>ch</strong>ten Aussteiger, wie sie als Kind oft vergebli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> begangenen Sünden<br />

fors<strong>ch</strong>ten, keine fanden <strong>und</strong> <strong>die</strong> s<strong>ch</strong>einbare ‚Überhebli<strong>ch</strong>keit‘, si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>uldlos zu fühlen, dann<br />

wieder als Sünde empfanden. Das Ni<strong>ch</strong>terkennen der Fehler wird zu einer Gedankensünde. Ein<br />

Netz aus Angst <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>uld umgibt ein sol<strong>ch</strong> denkendes <strong>und</strong> fühlendes Kind. Dies kann im<br />

s<strong>ch</strong>limmsten Falle im Kind, was es au<strong>ch</strong> tut, ein Gr<strong>und</strong>gefühl erwecken: ‚I<strong>ch</strong> bin s<strong>ch</strong>uldig...‘ In<br />

man<strong>ch</strong>en Fällen kann <strong>die</strong>s soweit rei<strong>ch</strong>en, dass ein Kind S<strong>ch</strong>uld empfindet, überhaupt geboren zu<br />

sein.<br />

Die im Denken eines sol<strong>ch</strong>en Kindes existierende s<strong>ch</strong>einbare Unmögli<strong>ch</strong>keit, ernsthaft etwas<br />

da<strong>für</strong> tun zu können, um von Gott <strong>und</strong> den Mens<strong>ch</strong>en angenommen zu werden, treibt das Kind<br />

zu immer größerem inneren Leistungsdruck <strong>und</strong> mögli<strong>ch</strong>erweise in eine bedrängende innere<br />

Einsamkeit. Die Kräfte des Kindes rei<strong>ch</strong>en, bei allem Bemühen, man<strong>ch</strong>mal einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus.<br />

Verzweifelt versu<strong>ch</strong>t es nun, <strong>die</strong>se ‚S<strong>ch</strong>uldhaftigkeit‘ <strong>dur<strong>ch</strong></strong> immer angepassteres <strong>und</strong> immer<br />

no<strong>ch</strong> braveres Verhalten los zu werden, <strong>für</strong> das es dann wenigstens gelobt wird. Verstärkt wird<br />

<strong>die</strong>s no<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> im na<strong>ch</strong>folgenden Abs<strong>ch</strong>nitt gezeigten, <strong>die</strong> Opfertreue betreffenden<br />

Lehrmethoden. Die Folgen daraus können Minderwertigkeitsgefühle <strong>und</strong> Selbstentwertung sein.<br />

S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ist das Selbst ni<strong>ch</strong>ts wert. Hier wird bereits eine Persönli<strong>ch</strong>keitsgr<strong>und</strong>lage<br />

ges<strong>ch</strong>affen, auf der si<strong>ch</strong> das ganze spätere Leben aufbaut. Der Mens<strong>ch</strong>en wird mögli<strong>ch</strong>erweise<br />

zeitlebens unter anderem abhängig von den Segenshandlungen der NAK. Das Selbst ist im Laufe<br />

der Jahre viel zu unsi<strong>ch</strong>er geworden, oder hatte nie <strong>die</strong> Chance si<strong>ch</strong> überhaupt zu entwickeln.<br />

Innere Einsamkeit <strong>und</strong> das Gefühl, von niemand wirkli<strong>ch</strong> verstanden <strong>und</strong> geliebt zu werden,<br />

kann si<strong>ch</strong> tief in der Seele manifestieren.<br />

„Im Kindergottes<strong>die</strong>nst hörten <strong>und</strong> lernten wir alles, was ein neuapostolis<strong>ch</strong>es Kind zum Leben<br />

brau<strong>ch</strong>t. Den Eltern <strong>und</strong> den „Brüdern“ (Amtsträger, Anmerkung d. Verfasserin) gehorsam sein.<br />

Ni<strong>ch</strong>t fragen, nur folgen. Und wenn <strong>die</strong> Eltern einen s<strong>ch</strong>lugen, dann war das nur zu unserem<br />

Besten, denn ‚ein Vater, der sein Kind liebt, der s<strong>ch</strong>lägt es, um es vor Bösem zum bewahren‘. Auf<br />

keinen Fall mit Andersgläubigen verkehren (<strong>die</strong>s ist seit einigen Jahren zum Glück ni<strong>ch</strong>t mehr so<br />

deutli<strong>ch</strong>; Anmerkung der Verfasserin), denn sie sind von der Welt, ja sogar vom Teufel oder des<br />

Teufels, je na<strong>ch</strong>dem! Der Herr Jesus <strong>und</strong> der liebe Gott sehen alles, alles, alles. Au<strong>ch</strong> <strong>die</strong><br />

Gedanken. Die sehen deine Gedanken s<strong>ch</strong>on, wenn du sie no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mal geda<strong>ch</strong>t hast!<br />

Ansonsten wurde <strong>die</strong> übli<strong>ch</strong>e Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terung betrieben. “Wenn ihr <strong>die</strong>s <strong>und</strong> das tut, wenn ihr<br />

ni<strong>ch</strong>t gehor<strong>ch</strong>t, wenn ihr lügt, dann werdet ihr bestraft.“ Die Strafen waren nie harmlos. Der<br />

Verlust sämtli<strong>ch</strong>er Bezugspersonen wurden ohnehin dauernd angedroht. ‚ Der Herr kommt, <strong>und</strong><br />

du bist als einzige ni<strong>ch</strong>t dabei!’. (Aussteigerberi<strong>ch</strong>t: „Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind.“)<br />

15


No<strong>ch</strong> einmal soll <strong>die</strong> Predigt eines Amtsträgers zu Wort kommen, <strong>die</strong> er anlässli<strong>ch</strong> eines<br />

Kindergottes<strong>die</strong>nstes gehalten hat:<br />

„Und es geht kein Weg daran vorbei: Jeder Fehler, wie gering er au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>einen mag, trübt wie<br />

alles, was ihm ni<strong>ch</strong>t gefällt, das s<strong>ch</strong>öne Verhältnis zu unserem himmlis<strong>ch</strong>en Vater. Und niemand<br />

kann es von si<strong>ch</strong> aus wieder herstellen, au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>dur<strong>ch</strong></strong> no<strong>ch</strong> so viele gute Taten (...) Und<br />

gewiss könnt Ihr Euren Fre<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> ni<strong>ch</strong>t neuapostolis<strong>ch</strong> sind, au<strong>ch</strong> sagen, wie Fehler <strong>und</strong><br />

Sünden vergeben werden. I<strong>ch</strong> meine gerade zu hören, wie Ihr das so s<strong>ch</strong>ön erklärt: Damit uns<br />

unsere Sünden vergeben werden können, ist der Herr Jesus am Kreuz gestorben. Und zu seinen<br />

Aposteln hat er gesagt: ´< Wel<strong>ch</strong>en ihr <strong>die</strong> Sünden erlasset, denen sind sie erlassen.>‘ Also<br />

können Apostel im Namen Jesu <strong>die</strong> Sünden vergeben. Wie in der Urkir<strong>ch</strong>e wirken heute<br />

wieder Apostel in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e. Die sagen uns den Willen Gottes, sie vergeben<br />

uns aber au<strong>ch</strong> unsere Sünden. Nun können <strong>die</strong> Apostel ja ni<strong>ch</strong>t in allen Gemeinden glei<strong>ch</strong>zeitig<br />

<strong>die</strong>nen. Deshalb haben sie den priesterli<strong>ch</strong>en Ämtern den Auftrag gegeben, sonntags <strong>die</strong><br />

Sündenvergebung zu verkündigen. I<strong>ch</strong> bin ri<strong>ch</strong>tig froh, dass i<strong>ch</strong> jeden Sonntag in den<br />

Gottes<strong>die</strong>nst gehen darf, wo mir <strong>die</strong> Sünden vergeben werden. (...) Und stellt Eu<strong>ch</strong> dann <strong>für</strong><br />

einen kurzen Moment einmal vor, der Herr hätte in unserer Zeit keine Apostel gesandt! Ni<strong>ch</strong>t<br />

der kleinste Fehler würde uns vergeben!“ (zitiert na<strong>ch</strong> Sylvia Kranefeld, S. 87)<br />

Opfer <strong>und</strong> Dank<br />

In der Anleitung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ule stehen folgende Gedanken <strong>und</strong> Handlungsanweisungen:<br />

„Eltern haben eine ganz besondere Beziehung zu ihren Kindern. Sie bes<strong>ch</strong>äftigen si<strong>ch</strong> intensiv<br />

mit den Sorgen <strong>und</strong> Anliegen ihrer Kinder. In ihrer Liebe zu den Kindern tut eine Mutter vieles,<br />

das verborgen bleibt. Mit Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten werden <strong>die</strong> Kinder angehalten, si<strong>ch</strong> der großen Liebe<br />

der Eltern bewußt zu werden. Am Muttertag bereiten sie der Mutter eine besondere Freude <strong>und</strong><br />

danken ihr von Herzen. Der Liebe Gott hat den Kindern Eltern gegeben. Er s<strong>ch</strong>enkt den<br />

Mens<strong>ch</strong>en jeden Tag viel Gutes. Der Herr Jesus lehrt <strong>dur<strong>ch</strong></strong> sein Vorbild, dass man dem<br />

Himmlis<strong>ch</strong>en Vater seine Dankbarkeit zeigen soll. Wir opfern Gott aus Freude <strong>und</strong><br />

Dankbarkeit Zeit <strong>und</strong> Geld <strong>und</strong> setzen unsere Gaben <strong>für</strong> ihn ein.“ (....)<br />

„Die Kinder überlegen, wel<strong>ch</strong>e Gaben <strong>und</strong> Fähigkeiten ihnen der liebe Gott gegeben hat: I<strong>ch</strong><br />

kann spre<strong>ch</strong>en, la<strong>ch</strong>en, singen, turnen, springen. I<strong>ch</strong> kann weinen, s<strong>ch</strong>reien, toben, Grimassen<br />

s<strong>ch</strong>neiden, auf Bäume klettern, einen Purzelbaum s<strong>ch</strong>lagen, auf einem Bein hüpfen, helfen,<br />

trösten, zuhören, andere zum La<strong>ch</strong>en bringen ...“(gültiges Lehrerhandbu<strong>ch</strong> zur<br />

Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule in der NAK; Seite 136)<br />

Im Klartext heißt <strong>die</strong>s: Kinder müssen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Existenz ihrer Eltern dankbar sein <strong>und</strong> sollen da<strong>für</strong><br />

der Kir<strong>ch</strong>e Geld, Zeit <strong>und</strong> Fähigkeiten opfern. Die natürli<strong>ch</strong>e Liebe der Kinder zu ihren Eltern<br />

wird dazu missbrau<strong>ch</strong>t, den Kleinsten s<strong>ch</strong>on <strong>die</strong> zwingende Opferbereits<strong>ch</strong>aft als Ausdruck von<br />

Dankbarkeit einzuflößen. Natürli<strong>ch</strong>e mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Abläufe <strong>und</strong> Gegebenheiten werden so<br />

ges<strong>ch</strong>ickt mit der Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft verflo<strong>ch</strong>ten, dass von einer Bewusstseinsmanipulation<br />

auszugehen ist. Die feinen, von Kindern wie Erwa<strong>ch</strong>senen ni<strong>ch</strong>t bewusst bemerkten,<br />

Me<strong>ch</strong>anismen sind so wirksam, dass sie Auswirkungen auf das ganze weitere Leben haben<br />

können. Es wird im oben genannten Text <strong>die</strong> eigene Geburt, der Beginn der eigenen Existenz, als<br />

etwas deklariert, <strong>für</strong> das man si<strong>ch</strong> per Leistung <strong>und</strong> Geld bei einer göttli<strong>ch</strong>en Größe bedanken<br />

soll, der man ohnehin nie genug geben kann.<br />

„Die Kinder erkennen, dass sie guten Gr<strong>und</strong> zur Dankbarkeit haben. Sie werden ermuntert,<br />

ihre Dankbarkeit zu zeigen <strong>und</strong> zu opfern.“<br />

„(...) Die Lehrkraft betra<strong>ch</strong>tet mit den Kindern einen Opferkasten. Au<strong>ch</strong> Kinder dürfen dem<br />

lieben Gott ihre Dankbarkeit zeigen, in dem sie Geld opfern. Er freut si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> an ganz<br />

kleinen Beträgen, weil er das Herz ansieht.<br />

Die Kinder können dem lieben Gott ihre Dankbarkeit <strong>und</strong> Freude au<strong>ch</strong> mit ihrem Verhalten<br />

in (<strong>und</strong> außerhalb) der Kir<strong>ch</strong>e zeigen.“ (Quelle: ebd.)<br />

16


Unerbittli<strong>ch</strong> greift das System zu manipulativen Mitteln, um <strong>dur<strong>ch</strong></strong> künstli<strong>ch</strong> erzeugte Gefühle<br />

(rührige Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten von göttli<strong>ch</strong>er Bewahrung vor S<strong>ch</strong>aden, usw.) <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> gr<strong>und</strong>legend<br />

vorhandene Gefühle (Liebe zu den Eltern, den Großeltern <strong>und</strong> den Ges<strong>ch</strong>wistern) mit kognitiven<br />

Prozessen des Kindes (i<strong>ch</strong> muss da<strong>für</strong> „bezahlen“) zu verknüpfen. Beide Ebenen beeinflussen<br />

si<strong>ch</strong> somit we<strong>ch</strong>selseitig <strong>und</strong> bauen si<strong>ch</strong> in <strong>die</strong> Gefühls­ <strong>und</strong> Denkstruktur des Kindes ein. Ein<br />

liebendes Kind legt dann aus uns<strong>ch</strong>uldig reinem Herzen ganz selbstverständli<strong>ch</strong> etwas Geld in<br />

den Opferkasten. Es mö<strong>ch</strong>te do<strong>ch</strong> gerne dem lieben Gott zeigen, wie dankbar es <strong>für</strong> seine Eltern<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> alles, was es selbst kann, ist. Das Urvertrauen des Kindes in eine tragende göttli<strong>ch</strong>e<br />

Liebe, in <strong>die</strong> bedingungslose Liebe der Eltern <strong>und</strong> in <strong>die</strong> eigenen Fähigkeiten wird <strong>dur<strong>ch</strong></strong> sol<strong>ch</strong>e<br />

Lehrmethoden aufs S<strong>ch</strong>ändli<strong>ch</strong>ste ausgenützt <strong>und</strong> missbrau<strong>ch</strong>t.<br />

In <strong>die</strong>sem Alter werden <strong>die</strong> kognitiven Gr<strong>und</strong>strukturen eines Mens<strong>ch</strong>en angelegt <strong>und</strong><br />

ausgebildet. In den letzten Jahren konnten erhebli<strong>ch</strong>e Forts<strong>ch</strong>ritte in der Erfors<strong>ch</strong>ung des<br />

präoperationalen Kindes erzielt werden. Demna<strong>ch</strong> sind s<strong>ch</strong>on Dreijährige in der Lage mentale<br />

<strong>und</strong> physis<strong>ch</strong>e Stimmulusmerkmale ni<strong>ch</strong>t nur aufzunehmen, sondern sie au<strong>ch</strong> zu unters<strong>ch</strong>eiden.<br />

„Kinder erwerben zur Interpretation ihrer Erfahrungen elementare Theorien (fo<strong>und</strong>ational<br />

theories) – Rahmen <strong>für</strong> das anfängli<strong>ch</strong>e Verständnis der Welt (Carey 1985; Wellmann u. Gelman<br />

1992; Wellmann 1990). Beispielsweise fügen sie ihren Erfahrungen mit geistigen Zuständen <strong>und</strong><br />

inneren Prozessen zu einer „naiven Psy<strong>ch</strong>ologie“ oder „Theorie des Geistes“ (theory of mind“)<br />

zusammen. (...) Da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> sind sie in der Lage, das eigene Denken <strong>und</strong> <strong>die</strong> kognitiven Prozesse<br />

bei anderen Mens<strong>ch</strong>en besser zu verstehen.“ (Zimbardo <strong>und</strong> Gering; Seite 470).<br />

Das Kind entwickelt so in jedem Wissensberei<strong>ch</strong> eine anfängli<strong>ch</strong>e generelle Theorie, auf deren<br />

Gr<strong>und</strong>lage es neue Erfahrungen interpretiert. Im Laufe seiner Entwicklung wird also jede<br />

fo<strong>und</strong>ational theory immer mehr verfeinert.<br />

Pädagogis<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ickt wird in der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>Erziehung</strong> der Kinder das Prinzip des<br />

Spiralcurriculums angewandt. Jedes Jahr oder in jedem Lernabs<strong>ch</strong>nitt werden zu einem Thema<br />

aufbauend neue Aspekte hinzugefügt bis zu einer fertigen Gesamtinformation. Wiederholung<br />

ermögli<strong>ch</strong>t eine Festigung bekannten Wissens, Neues wird hinzugefügt <strong>und</strong> erweitert somit das<br />

Spektrum eines bestimmten Wissensgebietes. Im Falle der NAK bis zur vollständigen<br />

Verinnerli<strong>ch</strong>ung der Systemlehre <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Strukturen.<br />

Ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>ätzen sind <strong>die</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das System bereits bei den Eltern <strong>und</strong> Voreltern<br />

vorgenommenen Verhaltensanpassungen <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>einstellungen. Viele Eltern haben von<br />

Kindheit an gelernt, NAK ­ typis<strong>ch</strong> zu denken. Da der Zwang zur Konformität in der Gruppe so<br />

groß ist, gibt es neben den Eltern no<strong>ch</strong> viele Bekannte, <strong>die</strong> auf glei<strong>ch</strong>e Weise gelernt haben zu<br />

denken <strong>und</strong> zu handeln.<br />

Folgt man hier Frederic Vesters Theorie der Bedeutung von Resonanz zwis<strong>ch</strong>en den<br />

Denkstrukturen des Lehrers/Amtsträgers/Eltern <strong>und</strong> denen des Kinds <strong>für</strong> einen Erfolg beim<br />

Lernen, so kann man si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> behaupten, dass innerhalb einer so eng gehaltenen Gruppe mit<br />

derart strengem Reglement eine hohe Resonanz zwis<strong>ch</strong>en Denkmustern der Eltern/Amtsträger<br />

<strong>und</strong> dem Kind erzeugt werden kann. Die Lehrinhalte fallen sozusagen auf einen gut<br />

vorbereiteten Boden.<br />

„Lernerfolg <strong>und</strong> gute S<strong>ch</strong>ulleistungen liegen also ni<strong>ch</strong>t nur in der absoluten Intelligenz des<br />

einzelnen (der Fähigkeit zu behalten, zu kombinieren, Zusammenhänge zu erkennen), sondern oft<br />

an der relativen Übereinstimmung zweier Muster, an der Mögli<strong>ch</strong>keit oder Unmögli<strong>ch</strong>keit einer<br />

Resonanz. Ein Kind lernt immer von einem „Partner“, sei es vom dem Lehrer, von dem<br />

S<strong>ch</strong>ulbu<strong>ch</strong>, von den Mits<strong>ch</strong>ülern. Und es lernt dann gut, wenn es in <strong>die</strong>sem Partner si<strong>ch</strong> selbst<br />

wiedererkennt, das heißt, wenn sein eigenes Assoziationsmuster mit dem des Partners in<br />

Einklang steht.“(Frederic Vester, „Denken, Lernen, Vergessen“, S.41)<br />

Dieser Aspekt bedarf si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> einer weiteren Erfors<strong>ch</strong>ung, vor allem im Zusammenhang<br />

mit den unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Wirkungen der Glaubenslehre <strong>und</strong> Glaubenspraxis auf <strong>die</strong> einzelnen<br />

17


Mens<strong>ch</strong>en innerhalb der Gruppe. Ein mögli<strong>ch</strong>er Untersu<strong>ch</strong>ungsgegenstand könnte der<br />

Zusammenhang von frühen kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lehrern <strong>und</strong> Vorbildern der Kinder <strong>und</strong> ihrer Eltern <strong>und</strong><br />

den daraus entstehenden Resonanzen sein. Viellei<strong>ch</strong>t könnte <strong>die</strong>s neben z.b. genetis<strong>ch</strong>en<br />

Anlageunters<strong>ch</strong>ieden eine weitere Ursa<strong>ch</strong>e <strong>für</strong> Unters<strong>ch</strong>iede in der Intensität der Verinnerli<strong>ch</strong>ung<br />

der Lehre bei Kindern sein.<br />

Neben dem Berei<strong>ch</strong> der kognitiven Entwicklung eines Kindes soll vor allem <strong>die</strong> Entwicklung<br />

seines Selbst beleu<strong>ch</strong>tet werden.<br />

Hierzu sagt C. Rogers:<br />

„Der Organismus reagiert auf das Wahrnehmungsfeld als ein organisiertes Ganzes.“ (Rogers<br />

1989, S. 421)<br />

„Ein Teil des gesamten Wahrnehmungsfeldes entwickelt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> <strong>und</strong> na<strong>ch</strong> zum Selbst.“<br />

(Rogers 1989, S. 429)<br />

Von seiner Geburt an ma<strong>ch</strong>t der Mens<strong>ch</strong> Erfahrungen mit seiner Umwelt. Das bedeutet, s<strong>ch</strong>on<br />

<strong>die</strong> ersten Interaktionen zwis<strong>ch</strong>en Mutter <strong>und</strong> Kind sind <strong>für</strong> das Neugeborene sowohl <strong>für</strong> seine<br />

geistige wie au<strong>ch</strong> seelis<strong>ch</strong>e Entwicklung von großer Bedeutung. Ausgerüstet mit Reflexen ist es<br />

darauf angewiesen, dass <strong>die</strong> wi<strong>ch</strong>tigste Bezugsperson angemessen auf seine Bedürfnisse reagiert.<br />

Carl Rogers ma<strong>ch</strong>t in <strong>die</strong>sem Zusammenhang in seiner Theorie deutli<strong>ch</strong>, wie wi<strong>ch</strong>tig eine<br />

empathis<strong>ch</strong>e, akzeptierende <strong>und</strong> kongruente Haltung der Eltern dem Kind <strong>und</strong> seinen<br />

Bedürfnissen gegenüber ist.<br />

Erikson nennt <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Stufe I seines psy<strong>ch</strong>osozialen Entwicklungsmodells ‚Vertrauen versus<br />

Mißtrauen’.<br />

Das Kind lernt in <strong>die</strong>sem Stadium der Entwicklung zu seinen Bezugspersonen <strong>und</strong> zu seiner<br />

Umwelt ein Urvertrauen aufzubauen. Ist <strong>die</strong> Beziehung zwis<strong>ch</strong>en der Bezugsperson <strong>und</strong> dem<br />

Kind getragen von der Versorgung mit Nahrung, von Wärme, Geborgenheit <strong>und</strong> körperli<strong>ch</strong>er<br />

Nähe, also stabil, stellt si<strong>ch</strong> <strong>die</strong>ses Urvertauen von selbst ein. Ein Kind, dessen<br />

Gr<strong>und</strong>bedürfnisse <strong>dur<strong>ch</strong></strong> nur gelegentli<strong>ch</strong>e Anwesenheit der Bezugsperson <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> wenig<br />

körperli<strong>ch</strong>en Kontakt ni<strong>ch</strong>t ausrei<strong>ch</strong>end befriedigt werden, wird mögli<strong>ch</strong>erweise ein<br />

gr<strong>und</strong>legendes Misstrauen entwickeln, das mit dem Gefühl von Unsi<strong>ch</strong>erheit <strong>und</strong> Angst einher<br />

geht. Je mehr also ein Kind <strong>die</strong> Erfahrung ma<strong>ch</strong>t, dass auf seine Bedürfnisse eingegangen wird<br />

<strong>und</strong> je mehr es si<strong>ch</strong> darauf verlassen kann Vertrauen in seine Kommunikationsfähigkeit zu<br />

haben, um so mehr kann es Erfahrungsinhalte in sein Selbst einbauen.<br />

Im Alter von 11/1 – 3 Jahren <strong>dur<strong>ch</strong></strong>läuft das Kind laut Eriksons Theorie <strong>die</strong> Stufe II ‚Autonomie<br />

versus Selbstzweifel’<br />

Sobald das Kind zu spre<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> zu laufen beginnt, ist es in der Lage seine Umwelt zu<br />

erfors<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> zu manipulieren. Diese Aktivitäten sollen von einem Gefühl der Autonomie<br />

<strong>und</strong> des Anerkanntseins als fähige <strong>und</strong> wertvolle Person begleitet sein.<br />

Wenn ein f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>es System also ein Kind ca. ab dem 3. Lebensjahr lehrt, nur dann<br />

von Gott anerkannt zu sein, wenn es den Vorgaben eines bestimmten Systems Folge leistet, kann<br />

si<strong>ch</strong> kaum ein Gefühl der Autonomie <strong>und</strong> des Selbstwertes entwickeln. Selbst wenn Eltern<br />

angemessen auf <strong>die</strong> Bedürfnisse des Kindes eingehen, wird do<strong>ch</strong> auf Gr<strong>und</strong> seiner ganz<br />

persönli<strong>ch</strong>en fo<strong>und</strong>ational theory auf dem Gebiet der ‚kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>­kindli<strong>ch</strong>en Wissens<strong>ch</strong>aft‘ ein<br />

Gefühl der Unsi<strong>ch</strong>erheit zurückbleiben.<br />

Übertriebene Kontrolle kann dazu führen, dass si<strong>ch</strong> statt Autonomie Selbstzweifel entwickeln.<br />

Wird das Kind überfordert, fehlt ihm der Mut seine Anstrengung beim Bewältigen neuer<br />

Aufgaben aufre<strong>ch</strong>tzuerhalten. Sol<strong>ch</strong>e Überforderung kann dazu führen, <strong>die</strong> enge, s<strong>ch</strong>ützende<br />

Eltern­Kind­Beziehung zu zerstören. Diese Beziehung ist jedo<strong>ch</strong> <strong>für</strong> das Kind wi<strong>ch</strong>tig, damit es<br />

in der Lage ist, Risiken einzugehen <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> in seiner Autonomie <strong>und</strong> Selbständigkeit in seinen<br />

Handlungen zu bestätigen.<br />

18


Wenn si<strong>ch</strong> nun im Alter von 3­5 Jahren <strong>die</strong> Wertigkeiten im Denken eines Kindes bereits soweit<br />

vers<strong>ch</strong>oben haben, dass das vom f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en System vermittelte Gottesbild <strong>und</strong> damit<br />

<strong>die</strong> es vertretenden Amtsträger vor den Eltern platziert sind oder zumindest unklare Konturen<br />

ges<strong>ch</strong>affen sind, greifen <strong>die</strong> Forderungen <strong>und</strong> Ziele des Systems mit ganzer Ma<strong>ch</strong>t. Das Kind ist<br />

den bereits verinnerli<strong>ch</strong>ten, es überfordernden Vorgaben ausgesetzt. Die Kind­Gott­Beziehung<br />

kann gefährdet werden <strong>und</strong> erste Ängste können in Ers<strong>ch</strong>einung treten. Die Eltern­Kind­<br />

Beziehung wird psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> zu einer Beziehung zweiter Ordnung, <strong>die</strong> an Gewi<strong>ch</strong>t verliert. Da Gott<br />

‚alles sieht‘ <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> strafen kann, wird das Kind versu<strong>ch</strong>en, so wenig wie mögli<strong>ch</strong> Risiken<br />

einzugehen. Es wird der Selbstbestätigung in seinen Handlungen beraubt; das Gefühl der<br />

Autonomie kann gedämpft, bis fast ganz gelös<strong>ch</strong>t werden.<br />

„Si<strong>ch</strong> klein ma<strong>ch</strong>en zu lassen, wie es in einem der Lieder aus dem NAK­Chorbu<strong>ch</strong> stand, <strong>und</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> eigenen Bedürfnissen zu fragen, das war das Motto unserer NAK­<strong>Erziehung</strong>.<br />

Besserwissern ihre Grenzen aufzuzeigen ist etwas, was man, wenn man <strong>die</strong> neuapostolis<strong>ch</strong>e<br />

Lehre ernst nimmt, sehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t kann. Empfindsame Mens<strong>ch</strong>en hatten es besonders s<strong>ch</strong>wer.<br />

Bei ihnen starben langsam <strong>und</strong> unmerkli<strong>ch</strong> jeder eigene Gedanke <strong>und</strong> eigene Gefühlsregung<br />

ab. Sonntag <strong>für</strong> Sonntag prasselten Tiraden von Ermahnungen <strong>und</strong> Drohungen auf <strong>die</strong><br />

Mitglieder nieder. Oft in einer Tonlage, <strong>die</strong> uns<strong>ch</strong>wer an Führerreden aus einer s<strong>ch</strong>icksalhaften<br />

Zeit erinnern.<br />

Diese Ermahnungen mußten au<strong>ch</strong> in meiner Kindheit sehr früh gefru<strong>ch</strong>tet haben. So weit i<strong>ch</strong><br />

mi<strong>ch</strong> erinnern kann, war mein einziges Betreben brav, treu <strong>und</strong> folgsam zu sein. Dies ging so<br />

weit, dass man mi<strong>ch</strong> in meinem Angepaßtsein s<strong>ch</strong>on gar ni<strong>ch</strong>t mehr wahrnahm. I<strong>ch</strong> habe<br />

heute no<strong>ch</strong> Erinnerungen daran, <strong>für</strong> viele Mens<strong>ch</strong>en so gut wie ni<strong>ch</strong>t existent gewesen zu sein.“<br />

(Quelle; Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, „Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind“)<br />

Alles Bes<strong>ch</strong>riebene hat zudem einen gravierenden Einfluss auf <strong>die</strong> Moralentwicklung des<br />

Mens<strong>ch</strong>en. Die Fähigkeit zu moralis<strong>ch</strong>em Urteilen ist laut Kohlberg in <strong>die</strong>sem Alter auf einem<br />

präkonventionellen Niveau. Die NAK mit ihrer ´Wenn­Dann / S<strong>ch</strong>warz­Weiß` –Lehre ist hier<br />

bestens dazu geeignet, das Kind mögli<strong>ch</strong>st sehr lange, ni<strong>ch</strong>t selten bis in das Erwa<strong>ch</strong>senenalter<br />

hinein, auf <strong>die</strong>ser Moralentwicklungsstufe zu halten. Vermeidung aus Angst, statt Na<strong>ch</strong>denken<br />

<strong>und</strong> Urteilen <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Einsi<strong>ch</strong>t. Vermehrt mag si<strong>ch</strong> unter den Amtsträgern so na<strong>ch</strong> <strong>und</strong> na<strong>ch</strong> <strong>die</strong><br />

konventionelle Moral entwickeln, wobei in vielen Fällen absolut kritiklos den vom System<br />

vorgegebenen Regeln gefolgt wird. Sie <strong>die</strong>nen s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> dem Erhalt der NAK­Gesells<strong>ch</strong>aft <strong>und</strong><br />

damit ihrer eigenen Stellung. Zudem gelten <strong>die</strong> Moralvorgaben der Institution ja als absolut von<br />

Gott gegeben <strong>und</strong> sind damit ni<strong>ch</strong>t in Frage zu stellen. Die Moralvorstellungen sind radikal <strong>und</strong><br />

sehr einfa<strong>ch</strong> verkürzt in ihrer Darstellung. Meist gibt es auf jede no<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>wierige<br />

Fragestellung eine klare, ‚gültige‘ <strong>und</strong> ‚ri<strong>ch</strong>tige‘ Antwort. Ein Kind hat es sehr s<strong>ch</strong>wer im Laufe<br />

seines Lebens auf das Niveau einer postkonventionellen Moral zu finden, wenn es in <strong>die</strong>ser<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft groß geworden ist.<br />

Rogers <strong>und</strong> Erikson weisen deutli<strong>ch</strong> darauf hin, wie wi<strong>ch</strong>tig ein verstehendes, empathis<strong>ch</strong>es<br />

Umfeld <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung des Selbst im Mens<strong>ch</strong>en ist. Es ist eine Voraussetzung <strong>für</strong> das Kind,<br />

seine Erfahrungen in sein Selbst einbauen zu können <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> selbst als Handelnder kennen<br />

zulernen, als jemand, der seinen Körper beherrs<strong>ch</strong>en kann <strong>und</strong> als Verursa<strong>ch</strong>er von<br />

Ges<strong>ch</strong>ehnissen sein kann. Es wä<strong>ch</strong>st in ihm das Bild, das es von si<strong>ch</strong> selbst hat, das Selbst formt<br />

si<strong>ch</strong> altersentspre<strong>ch</strong>end aus.<br />

Dieser Entwicklungss<strong>ch</strong>ritt gelingt jedo<strong>ch</strong> nur, wenn <strong>die</strong> vorausgegangene Entwicklungsstufe<br />

weitgehendst bewältigt ist. Baut das Kind auf Unsi<strong>ch</strong>erheit <strong>und</strong> Angst auf <strong>und</strong> wird es zudem<br />

no<strong>ch</strong> ständig kontrolliert oder überfordert, kann es zu unangemessenen Lösungen bei<br />

anstehenden Herausforderungen führen, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> an einem mangelnden Selbstwertgefühl<br />

festma<strong>ch</strong>en lassen.<br />

19


Im Alter von 3­6 Jahren ist na<strong>ch</strong> Erikson <strong>die</strong> Stufe III der Entwicklung errei<strong>ch</strong>t: ‚Initiative versus<br />

S<strong>ch</strong>uld’.<br />

„Gegen Ende der Vors<strong>ch</strong>ulzeit ist aus einem Kind, das zunä<strong>ch</strong>st zur unmittelbaren Umgebung<br />

<strong>und</strong> dann zu si<strong>ch</strong> selbst ein Urvertrauen entwickeln konnte, eine Person geworden, <strong>die</strong> nun<br />

sowohl bei intellektuellen als au<strong>ch</strong> bei körperli<strong>ch</strong>en Aktivitäten, <strong>die</strong> Initiative ergreifen kann.<br />

Die Reaktionen der Eltern auf <strong>die</strong> Aktivitäten, <strong>die</strong> das Kind von si<strong>ch</strong> aus unternimmt, stärken<br />

entweder sein Gefühl <strong>für</strong> Freiheit <strong>und</strong> sein Selbstvertrauen, wel<strong>ch</strong>es es auf der nä<strong>ch</strong>sten Stufe<br />

brau<strong>ch</strong>t, oder sie vermitteln ihm S<strong>ch</strong>uldgefühle <strong>und</strong> das Bewußtsein, ein dummer Eindringling in<br />

<strong>die</strong> Welt der Erwa<strong>ch</strong>senen zu sein.“<br />

(Zimbardo 1996; S. 461)<br />

Die Indoktrination der NAK hört si<strong>ch</strong> hingegen so an:<br />

„Ihr werdet ja au<strong>ch</strong> älter <strong>und</strong> größer. Und dabei werdet Ihr es selbst erleben: Im Laufe der Zeit<br />

kommt der Teufel immer öfter <strong>und</strong> immer stärker, um Eu<strong>ch</strong> etwas anderes einzuflüstern, als was<br />

der himmlis<strong>ch</strong>er Vater <strong>dur<strong>ch</strong></strong> seine Kne<strong>ch</strong>te sagt. Der Teufel will Eu<strong>ch</strong> vor allem dazu bringen,<br />

mehr den Verstand als den Glauben einzusetzen. Vorsi<strong>ch</strong>t! Damit würdet Ihr <strong>die</strong> Nähe Gottes<br />

verlassen. Dann würdet Ihr den Herrn ni<strong>ch</strong>t mehr ri<strong>ch</strong>tig verstehen <strong>und</strong> er Eu<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t.“<br />

(zitiert na<strong>ch</strong> Silvia Kranefeld , S. 65)<br />

I<strong>ch</strong> denke <strong>die</strong> Zitate spre<strong>ch</strong>en <strong>für</strong> si<strong>ch</strong>.<br />

Mit dem Eintritt in <strong>die</strong> S<strong>ch</strong>ule gehen <strong>die</strong> Kinder sonntags in <strong>die</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ule. In <strong>die</strong>sen<br />

St<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> nun von einem Priester <strong>dur<strong>ch</strong></strong>geführt werden, werden <strong>die</strong> oben genannten Themen<br />

vertieft <strong>und</strong> no<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>er in Ri<strong>ch</strong>tung Gehorsam gegenüber den Amtsträgern der NAK <strong>und</strong><br />

vor allem gegenüber den Aposteln <strong>und</strong> dem Stammapostel gebra<strong>ch</strong>t.<br />

Vor allem in Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ule werden ganz gezielt <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kinder<br />

direkt na<strong>ch</strong>vollziehbaren Gefühls­ <strong>und</strong> Erlebenswelten angespro<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> ges<strong>ch</strong>ickt auf <strong>die</strong><br />

NAK­Lehraussagen übertragen. Dies ges<strong>ch</strong>ieht in Form von kurzen Sätzen oder Texten <strong>und</strong><br />

entspre<strong>ch</strong>enden Liedern. Sehr ges<strong>ch</strong>ickt werden <strong>die</strong> Lehraussagen zudem über visuelle<br />

Verknüpfungen von gezei<strong>ch</strong>neten Bildern aus der Bibel mit heutigen Fotografien von z.b.<br />

Aposteln hergestellt. (Siehe Anlage) Dies führt mit der Zeit zur Entwicklung eines NAK­eigenen<br />

Bedeutungshintergr<strong>und</strong>s der Spra<strong>ch</strong>e. Später genügt eine kleine spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Andeutung <strong>und</strong><br />

sofort bildet si<strong>ch</strong> eine typis<strong>ch</strong>e, neuapostolis<strong>ch</strong>e, oft psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ädigende Assoziation, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong><br />

einem Außenstehenden nur sehr s<strong>ch</strong>wer bis gar ni<strong>ch</strong>t ers<strong>ch</strong>ließt.<br />

Sehr gerne wird z.b. in den Lehrges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten das romantis<strong>ch</strong> friedvolle Bild der S<strong>ch</strong>afherde <strong>und</strong><br />

das des guten Hirten bemüht. Dieses Bild begleitet einen neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen sein ganzes<br />

Leben lang.<br />

„Wir spre<strong>ch</strong>en in der Sonntagss<strong>ch</strong>ule vom verlorenen S<strong>ch</strong>af. Die Kinder können den Bezug zur<br />

Gemeinde (Vorsteher = Hirte/ Gemeinde = Herde) ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>vollziehen. Sie können aber <strong>die</strong><br />

große Liebe fühlen, <strong>die</strong> ein Hirte <strong>für</strong> seine S<strong>ch</strong>afe hat.“<br />

(Quelle: Lehrerhandbu<strong>ch</strong> zu Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e)<br />

Wieder soll über <strong>die</strong> emotionale Ebene des Kindes das system<strong>die</strong>nli<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong>sziel<br />

übermittelt werden. Was oben fre<strong>und</strong>li<strong>ch</strong> <strong>und</strong> idyllis<strong>ch</strong> klingt, wurde in deutli<strong>ch</strong>eren Worten<br />

no<strong>ch</strong> 1952 wie folgt ausgedrückt:<br />

„Wie gut m<strong>und</strong>et den S<strong>ch</strong>afen <strong>die</strong> Weide, auf <strong>die</strong> sie der Hirte führt! Er freut si<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong>,<br />

wenn sie das Gute ni<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>mähen <strong>und</strong> da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> stark werden. Sie fühlen si<strong>ch</strong><br />

geborgen in des Hirten Nähe. (...) Do<strong>ch</strong> was sehen wir dort? Da gehen ja zwei S<strong>ch</strong>äf<strong>ch</strong>en weit<br />

ab von der Herde ihren Weg. Wissen sie denn gar ni<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e Gefahr ihnen droht, wenn sie<br />

<strong>die</strong> Nähe des Hirten verlassen? No<strong>ch</strong> sind sie dem Blick des Hirten ni<strong>ch</strong>t ents<strong>ch</strong>w<strong>und</strong>en, aber<br />

20


si<strong>ch</strong>er ist er traurig über ihre Una<strong>ch</strong>tsamkeit. Neben dem Hirten sitzt der H<strong>und</strong>. Er sieht zu<br />

seinem Herrn auf, als warte er auf den Befehl, <strong>die</strong> lei<strong>ch</strong>tsinnigen S<strong>ch</strong>afe zurückzuholen. Der<br />

Hirt zögert no<strong>ch</strong>. Er mö<strong>ch</strong>te seine S<strong>ch</strong>afe nur mit Liebe weiden <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t mit Strenge. Er hofft,<br />

dass sie no<strong>ch</strong> früh genug umkehren, ohne dass der H<strong>und</strong> sie ers<strong>ch</strong>recken oder ihnen gar wehe<br />

tun muss. (...) So weidet au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Herde Christi in seinem Li<strong>ch</strong>te, das er als ewige Sonne<br />

ausstrahlt. Folgt, liebe Kinder, dem guten Hirten, der si<strong>ch</strong> im Apostel Euer angenommen hat,<br />

<strong>und</strong> bleibt bei seiner Herde.“<br />

(Zitat aus der Kinderzeits<strong>ch</strong>rift „Der gute Hirte“ 1. Jahrgang Nummer 1, 15. April 1952)<br />

Und in einer Predigtanleitung <strong>für</strong> erwa<strong>ch</strong>sene Mens<strong>ch</strong>en steht folgendes:<br />

„ Alles Bemühen der <strong>die</strong>nenden Brüder geht dahin, dem Herrn eine würdige Braut zuzuführen.<br />

Sie setzten ihre ganze Kraft ein, dass Gottes Volk (NAK­Christen Anmerkung der Verfasserin)<br />

selig werde. So belehren sie <strong>die</strong> S<strong>ch</strong>afe Christi, ihren Hirten na<strong>ch</strong>zufolgen, <strong>und</strong> werden ni<strong>ch</strong>t<br />

müde, in den Herzen der Kinder Gottes das Streben na<strong>ch</strong> Vollkommenheit lebendig zu<br />

erhalten. Sie können aber nur dann im Segen wirken, wenn sie zu den ihnen gesetzten<br />

Aposteln aufs<strong>ch</strong>auen <strong>und</strong> in ihren Fußstapfen wandeln.<br />

Der Einsatz der Kne<strong>ch</strong>te Gottes gilt den S<strong>ch</strong>afen, <strong>die</strong> „auf dem Berge Zion“ sind – dort ist <strong>die</strong><br />

re<strong>ch</strong>te Weide vorhanden!<br />

Es gibt aber au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>afe, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> verirrt haben <strong>und</strong> ihre Nahrung woanders su<strong>ch</strong>en. Weil<br />

si<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e aus der Gemeins<strong>ch</strong>aft gelöst haben, sind sie außerhalb der Herde vielerlei<br />

Gefahren ausgesetzt. Diesen Seelen wollen wir na<strong>ch</strong>gehen. (...) Als vor geraumer Zeit einmal<br />

eine ganze Anzahl Geistgetaufter eigene Wege eins<strong>ch</strong>lug, wurde der – damals zeitgemäße –<br />

Rat erteilt, si<strong>ch</strong> mit sol<strong>ch</strong>en Seelen in keine Gesprä<strong>ch</strong>e einzulassen. (...) Mit dem heutigen<br />

Tage gebe i<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong>, <strong>die</strong> uns damals den Rücken gekehrt haben, ein neues Wort, <strong>und</strong> das<br />

heißt: „ Grüßet sie mit großer Fre<strong>und</strong>li<strong>ch</strong>keit <strong>und</strong> sagt ihnen: Wir gehen heim zum<br />

Vaterhaus!“<br />

(Amtsblatt, Halbmonatss<strong>ch</strong>rift <strong>für</strong> <strong>die</strong> Amtsträger der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e 56. Jahrgang,<br />

Nr. 19, 1. Oktober 1982, Seiten 151­152 Gedanken <strong>für</strong> einen Ämterabend)<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle könnte eine Fülle an Zitaten aufgeführt werden. I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te <strong>die</strong> Zitatenreihe<br />

jedo<strong>ch</strong> mit dem Text eines Kinderliedes abs<strong>ch</strong>ließen. Es ist aus dem Kinderbu<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Sonntagss<strong>ch</strong>ule in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e, Band 2, 1. Auflage 1994, Verlag Friedri<strong>ch</strong><br />

Bis<strong>ch</strong>off:<br />

Unser Seelenhirt<br />

Der Stammapostel ist der Hirt,<br />

er führt uns alle weise.<br />

Er liebt uns sehr <strong>und</strong> bittet Gott<br />

Um gute Seelenspeise.<br />

Von ganzem Herzen danken wir<br />

Für all sein treues Sorgen.<br />

Wir lieben unsern Seelenhirt,<br />

sind glückli<strong>ch</strong> <strong>und</strong> geborgen.“<br />

Sowohl <strong>die</strong> sehr ges<strong>ch</strong>ickte Indoktrination s<strong>ch</strong>on in sehr jungen Jahren, in wel<strong>ch</strong>em dem Kind<br />

no<strong>ch</strong> jede Fähigkeit zur Reflexion fehlt, als au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Eltern­Kind­Institutions­Verfle<strong>ch</strong>tung, <strong>die</strong><br />

<strong>für</strong> das Kind immer un<strong>dur<strong>ch</strong></strong>s<strong>ch</strong>aubarer werden kann, stellen <strong>für</strong> das Kind eine Umweltsituation<br />

dar, in wel<strong>ch</strong>er es immer s<strong>ch</strong>wieriger wird si<strong>ch</strong> zure<strong>ch</strong>t zu finden. Alle mögli<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en<br />

wissen, was <strong>für</strong> das Kind gut <strong>und</strong> ri<strong>ch</strong>tig ist. Es selbst hat wenig, ja man<strong>ch</strong>mal sogar gar keinen<br />

Handlungsspielraum mehr, um si<strong>ch</strong> selbst zu erproben <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> seiner Stärken <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en<br />

21


ewusst zu werden. Eine s<strong>ch</strong>einbar behütete Kinderzeit, <strong>die</strong> dem Kind fast jede Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

nahm, si<strong>ch</strong> <strong>für</strong> irgend etwas selbst zu ents<strong>ch</strong>eiden. Eine <strong>Erziehung</strong>, <strong>die</strong> dem Kind keine andere<br />

Alternative ließ als <strong>die</strong>sen ‚goldenen‘ Käfig aus anerzogener Bedürftigkeit na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>einbarer<br />

Si<strong>ch</strong>erheit, Geborgenheit <strong>und</strong> Heilsgewissheit. Eine Entwicklungszeit, <strong>die</strong> im Kind psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e<br />

Welten ers<strong>ch</strong>affen hat, <strong>die</strong> es ein ganzes Leben lang begleiten werden <strong>und</strong> <strong>die</strong> es nie wieder<br />

verlieren wird. Welten, mit wel<strong>ch</strong>en der erwa<strong>ch</strong>sene Mens<strong>ch</strong> umgehen lernen muss.<br />

3.1.1.2 Der Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t<br />

Mit Eintritt in das 8. S<strong>ch</strong>uljahr erhalten <strong>die</strong> Kinder Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t. Dort werden den<br />

Heranwa<strong>ch</strong>senden, ihrem Alter entspre<strong>ch</strong>end, <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>werte der Glaubenslehre vermittelt. Sie<br />

lernen das Neuapostolis<strong>ch</strong>e Glaubensbekenntnis, <strong>die</strong> Zehn Gebote, <strong>die</strong> zehn neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Glaubensartikel <strong>und</strong> das Konfirmationsgelübde auswendig. Mit den Jugendli<strong>ch</strong>en wird im Sinne<br />

der NAK­Lehre darüber gespro<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bibelinhalte dahingehend interpretiert. Außerdem<br />

wird der junge Mens<strong>ch</strong> auf seine Eigenverantwortung hingewiesen, <strong>die</strong> er na<strong>ch</strong> der Konfirmation<br />

<strong>für</strong> seinen ‚Glaubensweg‘ hat. Besonders <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das Konfirmationsgelübde wird der junge<br />

Mens<strong>ch</strong> an <strong>die</strong> Institution geb<strong>und</strong>en. Außerdem finden weitere vertiefende Prägungen auf das<br />

Glaubenssystem statt.<br />

Das Gelübde lautet: „I<strong>ch</strong> entsage dem Teufel <strong>und</strong> all seinem Werk <strong>und</strong> Wesen <strong>und</strong> übergebe mi<strong>ch</strong><br />

Dir oh dreieiniger Gott, Vater, Sohn, <strong>und</strong> Heiliger Geist, im Glauben, Gehorsam <strong>und</strong><br />

ernstli<strong>ch</strong>em Vorsatz, Dir treu zu bleiben bis an mein Ende. Amen.“<br />

Si<strong>ch</strong> dem dreieinigen Gott zu übergeben bedeutet: alle Zeit, alle Kraft, monatli<strong>ch</strong> den Zehnten<br />

des Einkommens oder mehr, dem ‚Werk des Herrn‘ zu geben. Dur<strong>ch</strong> <strong>die</strong> jahrelange kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Erziehung</strong> wäre eine Absage an <strong>die</strong> Institution NAK eine Absage an Gott selbst. Der Gläubige<br />

muss mit seiner ewigen Verdammnis re<strong>ch</strong>nen, sollte er sein Gelübde bre<strong>ch</strong>en.<br />

Als no<strong>ch</strong> immer gültige Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> den Unterri<strong>ch</strong>t gilt der Kate<strong>ch</strong>ismus „Fragen <strong>und</strong><br />

Antworten“ der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e von 1992.<br />

Zur Stellung <strong>und</strong> Bedeutung des Apostelamtes steht dort Folgendes:<br />

„Wie in der Urkir<strong>ch</strong>e sind au<strong>ch</strong> in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e <strong>die</strong> Apostel Jesu tätig, den<br />

Heiligen Geist zu spenden. Wie zur Zeit der ersten Apostel haben <strong>die</strong> Träger des Apostelamtes<br />

in der Vollendungszeit <strong>die</strong> Aufgaben<br />

­ das Evangelium von Jesu Christo unverfäls<strong>ch</strong>t zu predigen<br />

­ als Li<strong>ch</strong>t der Welt den hellen S<strong>ch</strong>ein göttli<strong>ch</strong>er Wahrheit zu verbreiten<br />

­ den Gottes<strong>die</strong>nst in der gottgewollten Ordnung zu erhalten<br />

­ mit Wasser zu taufen<br />

­ Sünden zu vergeben<br />

­ das Heilige Abendmahl in Brot <strong>und</strong> Wein zu rei<strong>ch</strong>en<br />

­ mit dem Heiligen Geist zu versiegeln<br />

­ <strong>die</strong> Kir<strong>ch</strong>e zu regieren<br />

­ <strong>die</strong> erforderli<strong>ch</strong>en Ämter zu ordinieren<br />

­ <strong>die</strong> Wiederkunft Christi zu verkündigen<br />

­ <strong>die</strong> Auserwählten zu sammeln <strong>und</strong> sie dem Herrn als Braut zuzuführen.“<br />

Der 8. Glaubensartikel umfasst Angaben zur ‚Heiligen Versiegelung’ der 9. Glaubensartikel sagt<br />

etwas über <strong>die</strong> Wiederkunft Jesu aus.<br />

Spätestens jetzt werden <strong>die</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en konkret darauf hingewiesen, dass das Leben ledigli<strong>ch</strong><br />

eine Vorbereitungszeit <strong>für</strong> das ewige Leben na<strong>ch</strong> dem Tode darstellt, sozusagen nur ein<br />

Übergangsstadium voller Prüfungen <strong>und</strong> Herausforderungen ist, <strong>die</strong> dazu <strong>die</strong>nen, si<strong>ch</strong> vor Gott<br />

zu bewähren. Zudem wird <strong>die</strong> Wi<strong>ch</strong>tigkeit der persönli<strong>ch</strong>en Erwählung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Gott unterstri<strong>ch</strong>en.<br />

22


Wer si<strong>ch</strong> seiner Erwählung bewusst ist, folgt daher dankbar dem na<strong>ch</strong>, was Gott <strong>dur<strong>ch</strong></strong> seine<br />

‚Kne<strong>ch</strong>te‘, <strong>die</strong> Amtsträger, zu sagen hat.<br />

Zitat aus dem Lehrerhandbu<strong>ch</strong> zum Konfirmadenunterri<strong>ch</strong>t in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e:<br />

„Die Konfirmanden lernen, das zu s<strong>ch</strong>ätzen, was Gott ihnen <strong>für</strong> das irdis<strong>ch</strong>e Leben gibt. Sie<br />

streben aber zuerst na<strong>ch</strong> ewigen Gütern. (Kapitel 16)<br />

Die Konfirmanden versu<strong>ch</strong>en als Erdenbürger ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen.“<br />

(Kapitel 18)<br />

Wel<strong>ch</strong>e als absolut wahr geltenden ‚göttli<strong>ch</strong>en Gesetze‘ hinter allem stehen <strong>und</strong> wel<strong>ch</strong>e<br />

zwingend notwenig sind <strong>für</strong> eine Bere<strong>ch</strong>tigung zum ewigen Leben, wird den Konfirmanden so<br />

übermittelt:<br />

„Wer ist berufen <strong>und</strong> fähig, <strong>die</strong> Bibel auszulegen? (...) Die mit der Führung des<br />

Erlösungswerkes auf Erden von Christo beauftragten Boten, der Stammapostel <strong>und</strong> <strong>die</strong> Apostel,<br />

haben zu ihrer Aufgabe das aus dem Heiligen Geist kommende Amtsvermögen empfangen.<br />

Mit <strong>die</strong>sen Gaben sind sie befähigt, <strong>die</strong> Absi<strong>ch</strong>ten Gottes zu verstehen, sie den Gläubigen<br />

mitzuteilen <strong>und</strong> <strong>die</strong> ihnen na<strong>ch</strong>folgenden dem göttli<strong>ch</strong>en Willen entspre<strong>ch</strong>end an das Ziel des<br />

Glaubens zu führen.“<br />

„Jeder, der auf Erden lebt, muss zuerst geboren werden. Es ist aber au<strong>ch</strong> ein göttli<strong>ch</strong>es Gesetz,<br />

dass jemand aus Wasser (Heilige Taufe) <strong>und</strong> Geist (Heilige Versiegelung) geboren werden<br />

muss, um in das Rei<strong>ch</strong> Gottes zu kommen (vgl. Johannes 3,5) (...) Gott s<strong>ch</strong>uf <strong>dur<strong>ch</strong></strong> seine<br />

Gesetze <strong>und</strong> Gebote <strong>die</strong> Voraussetzungen, damit <strong>die</strong> Mens<strong>ch</strong>en auf Erden überhaupt<br />

zusammenleben können. Darüber hinaus gab er ihnen Gebote <strong>und</strong> Gesetze, <strong>die</strong> ihnen das ewige<br />

Leben ermögli<strong>ch</strong>en. Er gab sie ni<strong>ch</strong>t, um Mens<strong>ch</strong>en in ihrer Freiheit einzus<strong>ch</strong>ränken,<br />

sondern um ihnen zu helfen <strong>und</strong> ewige Freiheit zu bereiten. Wenn wir seine Gebote <strong>und</strong><br />

Gesetze einhalten, liegt darauf sein Segen.“<br />

„Der Mens<strong>ch</strong>, der bereit <strong>und</strong> willens ist, den Heiligen Geist zu empfangen, muss folgende<br />

Voraussetzungen erfüllen:<br />

Er muss <strong>die</strong> Taufe mit Wasser empfangen, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das Wort der Predigt zum Glauben an <strong>die</strong><br />

Lehre der Apostel gelangt sein <strong>und</strong> Vergebung der Sünden hingenommen haben. Er muss<br />

bekennen, ents<strong>ch</strong>lossen zu sein, sein Leben na<strong>ch</strong> der Gr<strong>und</strong>lage der Apostel, <strong>die</strong> Jesu Lehre<br />

ist, einzuri<strong>ch</strong>ten.“ („Fragen <strong>und</strong> Antworten“)<br />

Zur Bedeutung der Bibel selbst wird folgendes gesagt:<br />

Lesen in der Bibel kann <strong>die</strong> Wirksamkeit der Apostel Jesu in der Verkündigung der Lehre <strong>und</strong><br />

Spe„ Die Bibel ist <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e. (...) (Anmerkung: Aber!:) Das<br />

kann <strong>die</strong> Spendung der Sakramente allerdings ni<strong>ch</strong>t ersetzen.“<br />

( „ Fragen <strong>und</strong> Antworten“)<br />

Damit ist jedem Missbrau<strong>ch</strong> Tür <strong>und</strong> Tor geöffnet. Unter dem Deckmantel s<strong>ch</strong>einbar <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong><br />

biblis<strong>ch</strong>er Lehre werden <strong>die</strong> institutionserhaltenden Eckwerte vermittelt. Wie bereits gezeigt,<br />

können gerade sie den Mens<strong>ch</strong>en abhängig, unfrei <strong>und</strong> unfähig ma<strong>ch</strong>en, das eigene Leben<br />

selbstverantwortli<strong>ch</strong> in <strong>die</strong> Hand zu nehmen <strong>und</strong> entspre<strong>ch</strong>ende eigenverantwortli<strong>ch</strong>e<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungen zu treffen.<br />

Was mit Mens<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>ieht, <strong>die</strong> einen ‚glei<strong>ch</strong>gültigen Sinn <strong>und</strong> na<strong>ch</strong>lässigen Wandel‘ führen,<br />

wird im Kate<strong>ch</strong>ismus so ausgedrückt:<br />

23


„Sol<strong>ch</strong>e dämpfen, unterdrücken <strong>und</strong> betrüben den Heiligen Geist <strong>und</strong> stehen in Gefahr, das<br />

verheißene zukünftige Erbe zu verlieren. Das größte Übel ist der Abfall vom lebendigen<br />

Glauben. Die größte Sünde ist <strong>die</strong> Lästerung wider den Heiligen Geist, denn sie kann ni<strong>ch</strong>t<br />

vergeben werden, weder in <strong>die</strong>ser, no<strong>ch</strong> in der zukünftigen Welt.(...)“<br />

Es wird zum Mittel offener oder versteckter Drohung gegriffen, um unter dem Mantel<br />

s<strong>ch</strong>einbarer Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit <strong>die</strong> jungen Mens<strong>ch</strong>en an <strong>die</strong> Institution NAK zu binden. Darum<br />

wird im Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> immer deutli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, wie wi<strong>ch</strong>tig es ist, im ‚Haus den<br />

Herrn‘ (der NAK) zu bleiben <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> von den ‚Vorangängern‘ oder au<strong>ch</strong> ‚Segensträgern‘<br />

genannt, etwas sagen zu lassen. Im Lehrerhandbu<strong>ch</strong> <strong>für</strong> den Konfirmandenunterri<strong>ch</strong>t ist folgende<br />

Lehranweisung zu lesen:<br />

„(...) Der Konfirmandenlehrer fordert nun <strong>die</strong> Konfirmanden auf, ihren Vorangänger zu<br />

nennen. Jeder Konfirmand soll wissen, dass wir alle einen Vorangänger haben, an den wir<br />

uns wenden können.“<br />

Und auf <strong>die</strong> Frage, wann man si<strong>ch</strong> denn an seinen Vorangänger (Segensträger) wendet, gibt <strong>die</strong><br />

Lehranleitung folgende Antwort:<br />

„I<strong>ch</strong> kann<br />

­ meinen Vorangänger bitten, <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> zu beten<br />

­ ihn um Rat fragen<br />

­ meine Freuden mit ihm teilen<br />

­ ihm meine Sorgen <strong>und</strong> Probleme anvertrauen<br />

­ mir bei ihm neue Erkenntnisse holen<br />

­ ihm danken<br />

­ ihn fragen, wie i<strong>ch</strong> im Werk Gottes (NAK Anmerkung d. Verfasserin) mithelfen kann.<br />

Als Beispiele, wie man si<strong>ch</strong> das vorstellen kann steht ges<strong>ch</strong>rieben:<br />

„Ein S<strong>ch</strong>ulfre<strong>und</strong> stellt mir Fragen über meinen Glauben. I<strong>ch</strong> weiß darauf keine Antwort (...) I<strong>ch</strong><br />

frage meinen Vorangänger <strong>und</strong> habe eine neue Erkenntnis gewonnen.<br />

­ Wie <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ein W<strong>und</strong>er werde i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in einen Verkehrsunfall verwickelt. Sofort muss i<strong>ch</strong><br />

daran denken, wie i<strong>ch</strong> heute morgen ganz besonders um den S<strong>ch</strong>utzengel gebetet habe. I<strong>ch</strong><br />

danke meinem himmlis<strong>ch</strong>en Vater <strong>und</strong> (...) i<strong>ch</strong> erzähle das meinem Vorangänger. Er freut<br />

si<strong>ch</strong> mit mir.<br />

­ S<strong>ch</strong>on lange mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> etwas überwinden, aber trotz meines ehrli<strong>ch</strong>en Bemühens gelingt es<br />

mir ni<strong>ch</strong>t. (...) Au<strong>ch</strong> in <strong>die</strong>ser Situation bitte i<strong>ch</strong> meinen Vorangänger um Rat <strong>und</strong> darum, ihm<br />

Gebet <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> einzustehen.<br />

­ Im Garten unserer Kir<strong>ch</strong>e sehe i<strong>ch</strong> immer den glei<strong>ch</strong>en betagten Bruder arbeiten (...) I<strong>ch</strong><br />

frage meinen Vorangänger, ob i<strong>ch</strong> bei der Gartenarbeit mithelfen kann.<br />

Die Aufgabe des Konfirmandenlehrers ist hier sehr wi<strong>ch</strong>tig. Er soll jedes junge Gotteskind<br />

ermutigen, mit seinem Vorangänger eine innige Verbindung zu pflegen.<br />

Die Konfirmanden sollen wissen, dass ihre Vorangänger ihnen in allen Belangen <strong>und</strong> Sorgen<br />

zu Seite steht. In s<strong>ch</strong>weren Sorgen <strong>und</strong> Nöten wenden sie si<strong>ch</strong> an ihren Apostel.“<br />

Wie anhand der Zitate aufgezeigt werden kann, stehen in der Konfirmandens<strong>ch</strong>ulung <strong>die</strong><br />

Dogmen der NAK als S<strong>ch</strong>werpunkte im Mittelpunkt der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>Erziehung</strong>. Allgemeine<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Werte sind wenn überhaupt eher beiläufig erwähnt. Die jungen Mens<strong>ch</strong>en sollen si<strong>ch</strong><br />

mit ihrer Altersgruppe in das NAK­System einfügen <strong>und</strong> dazu gebra<strong>ch</strong>t werden, <strong>die</strong> Gruppe<br />

ni<strong>ch</strong>t zu verlassen, da sie s<strong>ch</strong>einbar Si<strong>ch</strong>erheit <strong>und</strong> Geborgenheit vermittelt. Sie werden ni<strong>ch</strong>t<br />

dazu erzogen, selbständig <strong>und</strong> eigenständig Ents<strong>ch</strong>eidungen treffen zu können, ganz im<br />

24


Gegenteil; fast kindli<strong>ch</strong> sollen sie mit ihren Sorgen zu den Amtsträgern kommen, <strong>die</strong> ni<strong>ch</strong>t selten<br />

<strong>für</strong> sie, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ein entspre<strong>ch</strong>endes Anraten, indirekt Ents<strong>ch</strong>eidungen treffen.<br />

Wie <strong>die</strong> Eigenverantwortung wirkli<strong>ch</strong> verstanden werden soll, sagte Stammapostel Fehr am<br />

8.1.1995 in Bielefeld anlässli<strong>ch</strong> eines Gottes<strong>die</strong>nstes <strong>für</strong> Amtsträger mit deren Frauen. An<br />

<strong>die</strong>sem Gottes<strong>die</strong>nst nahmen über 60 000 (!) Personen teil. I<strong>ch</strong> zitiere wörtli<strong>ch</strong>:<br />

„(...) Brüder, lasst uns stets im Sendungsbewusstsein <strong>und</strong> Verantwortungsbewusst handeln.<br />

Wenn wir das tun, ordnen wir den Begriff der Eigenverantwortung oder Selbstverantwortung<br />

re<strong>ch</strong>t zu. Das wurde nämli<strong>ch</strong> ab <strong>und</strong> zu s<strong>ch</strong>on missverstanden. Da <strong>und</strong> dort hätten Brüder aus<br />

ihrem Sendungsbewusstsein heraus, aus ihrem Verantwortungsbewusstsein heraus den<br />

Anvertrauten, der Jugend in bestimmten Situationen etwas sagen oder sie ermahnen müssen:<br />

‚Hört mal, das geht ni<strong>ch</strong>t, das ist Sünde! Wenn ihr <strong>die</strong>sen Weg eins<strong>ch</strong>lagt, entfernt ihr eu<strong>ch</strong><br />

immer mehr von Wort <strong>und</strong> Gnade.‘<br />

Do<strong>ch</strong> es wurde ni<strong>ch</strong>ts gesagt, sondern geda<strong>ch</strong>t: ‚Das liegt ja in deren Eigenverantwortung.‘ Erst<br />

dann, wenn es ihnen gesagt wurde, liegt es in ihrer Verantwortung, was sie damit ma<strong>ch</strong>en,<br />

aber gesagt werden muss es vorher! Und i<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>e uns viel Mut, im re<strong>ch</strong>ten Augenblick<br />

allem Zeitgeist entgegenzutreten <strong>und</strong> da <strong>und</strong> dort zu sagen: ‚ Ihr Lieben, (...) das ist Gott ni<strong>ch</strong>t<br />

wohlgefällig. Wollt ihr sein Wort <strong>und</strong> seine Gnade ignorieren?‘ (...)<br />

Wir sind gesetzt als Wä<strong>ch</strong>ter, Hüter <strong>und</strong> Mahner (...)“<br />

Hiermit wird der Begriff der Eigenverantwortung einfa<strong>ch</strong> ad absurdum geführt.<br />

Die Ni<strong>ch</strong>tbefolgung eines Rates der Amtsträger hinterlässt meist bei den jungen Mens<strong>ch</strong>en ein<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tes Gewissen, hat do<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> sie – ‚<strong>und</strong> wenn es nur mögli<strong>ch</strong>erweise so ist‘ – Gott zu<br />

ihnen gespro<strong>ch</strong>en. Zum Glück ist heute eine Tendenz zu verzei<strong>ch</strong>nen, wona<strong>ch</strong> junge Leute ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr zu sehr <strong>die</strong>sen Rat su<strong>ch</strong>en. Denno<strong>ch</strong>, der alte „Geist“ <strong>die</strong>ser Indoktrination s<strong>ch</strong>webt na<strong>ch</strong><br />

wie vor über den Gläubigen. (Siehe au<strong>ch</strong> Datum des vorigen Zitates.)<br />

„Liebe Jugend, Ihr seid in dem Abs<strong>ch</strong>nitt des Lebens, wo si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Frage der Berufswahl stellt.<br />

(...) Wir Gotteskinder setzen dabei au<strong>ch</strong> unseren Glauben ein. Wir haben <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>en<br />

Ratgeber <strong>und</strong> zudem au<strong>ch</strong> ein Empfinden, das uns sagt, wo Gefahren liegen könnten. Wir<br />

wissen beispielsweise, dass es Berufe gibt, <strong>die</strong> es s<strong>ch</strong>werma<strong>ch</strong>en, das Werk Gottes immer an<br />

erster Stelle zu setzen.<br />

Ist es Eu<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on einmal passiert, dass Ihr bei einer Ents<strong>ch</strong>eidung bewusst Eure Segensträger<br />

umgangen habt aus Fur<strong>ch</strong>t, sie könnten einen Rat erteilen, der si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mit Euren<br />

Überlegungen deckt?<br />

Dann werdet Ihr Eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t wohl gefühlt haben; es war, als hättet Ihr eine rote<br />

Verkehrsampel ni<strong>ch</strong>t bea<strong>ch</strong>tet. Man<strong>ch</strong>er hat si<strong>ch</strong> da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> s<strong>ch</strong>on um seine Zukunfts<strong>ch</strong>ance<br />

gebra<strong>ch</strong>t (...).<br />

Die Gefahr, den Angeboten des Bösen zu erliegen, ist <strong>für</strong> ein Gotteskind besonders groß, dass<br />

si<strong>ch</strong> absondert von der Gemeins<strong>ch</strong>aft. S<strong>ch</strong>ließen wir uns in der Gemeinde der Jugend an, dem<br />

Chor, denen, <strong>die</strong> mithelfen beim Kir<strong>ch</strong>enreinigen oder was es au<strong>ch</strong> sein mag.<br />

Dann hat der Versu<strong>ch</strong>er weniger Chancen bei uns.“(„Unsere Familie“; 05.01.1994)<br />

Deutli<strong>ch</strong> ist am Inhalt <strong>die</strong>ses Zitates zu erkennen, wie weit <strong>die</strong> Systemindoktrination in das<br />

Privatleben des einzelnen Mens<strong>ch</strong>en eingreift. Hier hat si<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>reiber <strong>die</strong>ses Artikels ni<strong>ch</strong>t<br />

einmal <strong>die</strong> Mühe gema<strong>ch</strong>t, <strong>die</strong> Drohungen groß zu verstecken. Unter dem Deckmantel der<br />

liebevollen Fürsorge kommt ein f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong> bestimmendes Denken zutage, das sensiblen<br />

jungen Mens<strong>ch</strong>en große Probleme bereitet. Viele sehen si<strong>ch</strong> außerstande, si<strong>ch</strong> dagegen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong><br />

25


zu wehren. Die Angst vor dem Verlust göttli<strong>ch</strong>en Segens s<strong>ch</strong>webt ständig wie ein<br />

Damokless<strong>ch</strong>wert über den heranwa<strong>ch</strong>senden Mens<strong>ch</strong>en.<br />

Im Laufe der von Erikson bes<strong>ch</strong>riebenen IV Stufe ‚ Kompetenz versus Minderwertigkeit‘ lernt<br />

der heranwa<strong>ch</strong>sende Mens<strong>ch</strong>, mit den si<strong>ch</strong> ihm zeigenden Herausforderungen <strong>und</strong> Krisen<br />

entweder angemessen umzugehen oder ni<strong>ch</strong>t. Als Ergebnis von geeigneten Lösungsstrategien<br />

wird si<strong>ch</strong> sein Vertrauen in seine angemessenen, gr<strong>und</strong>legenden, sozialen <strong>und</strong> intellektuellen<br />

Fähigkeiten festigen. Ist dem ni<strong>ch</strong>t so, wä<strong>ch</strong>st das Gefühl des Versagens <strong>und</strong> des mangelnden<br />

Selbstvertrauens.<br />

Wie oben aufgezeigt werden konnte, wird in der NAK der junge Mens<strong>ch</strong> gerade im<br />

gegenteiligen Sinne beeinflusst. Seine Selbständigkeit wird ni<strong>ch</strong>t gefördert, sondern mehr als<br />

gehemmt. Alle Ents<strong>ch</strong>eidungen seines Lebens soll er mit den Lehrinhalten der NAK abglei<strong>ch</strong>en<br />

<strong>und</strong> si<strong>ch</strong> daran orientieren. Es bleibt ihm kaum Spielraum <strong>für</strong> eigenes freies Denken <strong>und</strong><br />

Handeln. Gruppendruck <strong>und</strong> Kontrolle von außen, sowie psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Abhängigkeit von den<br />

‚Gnadenhandlungen‘ innerhalb der Gruppe, ma<strong>ch</strong>en ihn in vielen Fällen unfähig überhaupt<br />

wahrzunehmen, was er mö<strong>ch</strong>te <strong>und</strong> was er – ohne einen anderen Mens<strong>ch</strong>en um Erlaubnis fragen<br />

zu müssen (!) – tun kann <strong>und</strong> darf. Die feste Bindung an <strong>die</strong> Rats<strong>ch</strong>läge der Amtsträger führen<br />

beim jungen Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t selten zu einem Gefühl der Minderwertigkeit <strong>und</strong> der eigenen<br />

Unfähigkeit. Sein Selbstvertrauen wird ges<strong>ch</strong>mälert oder konnte nur wenig ausgebildet werden.<br />

Das führt bei entspre<strong>ch</strong>enden Handlungsanforderungen wieder zu Unsi<strong>ch</strong>erheiten, <strong>die</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong><br />

‚Fürsorge‘ der Segensträger <strong>und</strong> ihre Rats<strong>ch</strong>läge abgemildert <strong>und</strong> aufgefangen werden kann, da<br />

<strong>die</strong> Verantwortung <strong>für</strong> eigenes Handeln indirekt abgegeben wurde. Der junge Mens<strong>ch</strong> befindet<br />

si<strong>ch</strong> in einem Kreislauf aus Abhängigkeit zur Kir<strong>ch</strong>e wie ein kleines Kind zu seinen Eltern.<br />

Es gibt zum Glück au<strong>ch</strong> junge Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> den Vorzug haben ein Elternhaus zu besitzen, das<br />

freier denkend ist <strong>und</strong> das sie deshalb in ihrer Entwicklung zur Selbständigkeit unterstützt, oder<br />

junge Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> von Geburt an so dispositioniert sind, dass sie Widerstandskräfte entwickelt<br />

konnten. Das sind jedo<strong>ch</strong> bei weitem ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> Mehrzahl der jugendli<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en. Sol<strong>ch</strong>e<br />

jedo<strong>ch</strong> fragen ni<strong>ch</strong>t mehr viel na<strong>ch</strong> den Rats<strong>ch</strong>lägen der Amtsträger <strong>und</strong> gehen ihren eigenen<br />

Weg (mehr oder weniger), sie gehen ni<strong>ch</strong>t mehr in <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste oder treten sofort na<strong>ch</strong> der<br />

Konfirmation aus der Gemeins<strong>ch</strong>aft aus.<br />

Gerade in der Zeit der Pubertät <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Entwicklung zeigt si<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>,<br />

wel<strong>ch</strong>e Bedeutung eine wohlwollende, warme, von Verstehen geprägte Umwelt <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Entwicklung des Selbst hat. Die positive Bea<strong>ch</strong>tung <strong>die</strong> dem Kind <strong>und</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>enkt<br />

wird führt C. Rogers als eine der wi<strong>ch</strong>tigsten Aufgaben der Bezugspersonen an. Sie ist<br />

sozusagen <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage, auf der es gelingt ein stabiles Selbst zu erlangen. Auf <strong>die</strong>ser Gr<strong>und</strong>lage<br />

kann si<strong>ch</strong> das Selbst eines Mens<strong>ch</strong>en weiter <strong>und</strong> weiter ausbilden.<br />

Die wohlwollende <strong>und</strong> s<strong>ch</strong>einbar verstehende Bea<strong>ch</strong>tung, <strong>die</strong> dem Kind <strong>und</strong> späteren<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en von Seiten der NAK ges<strong>ch</strong>enkt wird <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> das Verstehen des Jugendli<strong>ch</strong>en in<br />

seinen Belangen wird hier ganz ges<strong>ch</strong>ickt dazu ausgenutzt, dem jungen Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t etwa<br />

sein Selbst zu fördern, sondern ihm klar zu ma<strong>ch</strong>en, dass sein Selbst nur dann vollwertig <strong>und</strong> gut<br />

ist, wenn es das Selbst ist, das <strong>die</strong> NAK­Lehre vors<strong>ch</strong>reibt. Also, ni<strong>ch</strong>t das Selbst des einzelnen<br />

Individuums ist förderungswürdig, sondern ledigli<strong>ch</strong> das Institutions­Selbst gilt es zu kreieren.<br />

Ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> Entfaltung <strong>und</strong> Entwicklung des Mens<strong>ch</strong>en in seinen Anlagen <strong>und</strong> Fähigkeiten, ni<strong>ch</strong>t<br />

<strong>die</strong> Unterstützung seines Lebensentwurfes <strong>und</strong> seiner Fähigkeit, mit Herausforderungen des<br />

Lebens fertig zu werden, stehen im Vordergr<strong>und</strong>, sondern nur <strong>die</strong> Frage: Wie kann ein junger<br />

Mens<strong>ch</strong> dazu gebra<strong>ch</strong>t werden, das zu wollen, was er im Sinne der Institution tun <strong>und</strong> sein soll.<br />

Immer mehr greift <strong>die</strong> Institution ein <strong>und</strong> nimmt dem Mens<strong>ch</strong>en seine Individualität. Oberstes<br />

Ziel: Institution vor Individuation!<br />

26


3.1.2 Die Jugendzeit<br />

Na<strong>ch</strong> der Konfirmation wird der Konfirmand in den Kreis der Jugend aufgenommen. So kommt<br />

der Jugendli<strong>ch</strong>e mit weiteren neuapostolis<strong>ch</strong>en Jugendli<strong>ch</strong>en zusammen, <strong>die</strong> gemeinsame<br />

besondere Gottes<strong>die</strong>nste besu<strong>ch</strong>en, spezielle Chor­ <strong>und</strong> Or<strong>ch</strong>esterproben abhalten <strong>und</strong> bestimmte<br />

Freizeitaktivitäten planen. Diese gemeinsamen Aktivitäten <strong>die</strong>nen au<strong>ch</strong> als Kontaktmögli<strong>ch</strong>keit,<br />

um potentiell Heiratswillige zusammenzuführen. In den Gottes<strong>die</strong>nsten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Jugend werden<br />

<strong>die</strong> jungen Mens<strong>ch</strong>en vor allem auf den korrekten neuapostolis<strong>ch</strong>en Lebenswandel ‚vorbereitet‘.<br />

Diesem Lebenswandel liegen klare, moralis<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> als absolut göttli<strong>ch</strong>e Wahrheiten deklarierte<br />

Vorstellungen zugr<strong>und</strong>e. I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te an <strong>die</strong>ser Stelle aus einem S<strong>ch</strong>reiben an <strong>die</strong> Seelsorger der<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en zitieren (Quelle NAK­Hamburg, 1993, „Gefahren <strong>für</strong> Leib <strong>und</strong> Seele“). Dort heißt<br />

es unter:<br />

1.1 Anmerkungen zum Ziel der seelsorgeris<strong>ch</strong>en Pflege der Jugend:<br />

„ S<strong>ch</strong>werpunkt der seelsorgeris<strong>ch</strong>en Pflege der uns anvertrauten unsterbli<strong>ch</strong>en Seelen ist <strong>die</strong><br />

Vorbereitung auf den Tag der Wiederkunft Christi. Diesem Ziel <strong>die</strong>nt au<strong>ch</strong> jegli<strong>ch</strong>e Arbeit mit<br />

der Jugend.“<br />

Neben <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus guten Hinweisen den Umgang mit Drogen, Alkohol <strong>und</strong> Fernsehen/Video<br />

betreffend, sind au<strong>ch</strong> weit in das Privatleben der Jugendli<strong>ch</strong>en hineinragende Empfehlungen <strong>und</strong><br />

Rats<strong>ch</strong>läge enthalten:<br />

Zum Thema ‚Besu<strong>ch</strong> von Diskotheken‘ werden <strong>die</strong> Gefahren, <strong>die</strong> im Zusammenhang mit einem<br />

Diskothekbesu<strong>ch</strong> gegeben sind, so bes<strong>ch</strong>rieben:<br />

Beispiele unmittelbarer Gefahren:<br />

„S<strong>ch</strong>ädigungen <strong>dur<strong>ch</strong></strong> verabrei<strong>ch</strong>te Getränke; einri<strong>ch</strong>tungsbedingte Unfälle (Verletzungen<br />

wegen mangelnder Beleu<strong>ch</strong>tung, unzulängli<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>erheitsvorkehrungen bei Bränden u.a.);<br />

Belästigung von jungen Mens<strong>ch</strong>en im sittli<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong> (eins<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> Vergewaltigungen);<br />

Handel mit Drogen <strong>und</strong> anderen Raus<strong>ch</strong>mitteln; erlei<strong>ch</strong>terter Diebstahl in s<strong>ch</strong>ummrigen<br />

Räumen.“<br />

Es ist zu bea<strong>ch</strong>ten, wie mit ganz ges<strong>ch</strong>ickten rhetoris<strong>ch</strong>en Mitteln immer wieder au<strong>ch</strong><br />

körperli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>aden bei Ni<strong>ch</strong>tbefolgen eines ‚Rates‘ unters<strong>ch</strong>wellig angedroht wird.<br />

b)Beispiele <strong>für</strong> mittelbare Folgen:<br />

„Verbre<strong>ch</strong>en auf dem Heimweg von den Diskothekenbesu<strong>ch</strong>en; mangelnder S<strong>ch</strong>laf;<br />

beginnende S<strong>ch</strong>werhörigkeit wegen zu lauter „Musik“, Sehstörungen <strong>dur<strong>ch</strong></strong> diffuse <strong>und</strong><br />

blinkende Beleu<strong>ch</strong>tung; seelis<strong>ch</strong>e Unruhe <strong>dur<strong>ch</strong></strong> aufpeits<strong>ch</strong>ende Musik; Belastung der<br />

Atmungsorgane <strong>dur<strong>ch</strong></strong> s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Lüftung.“<br />

Beispiele <strong>für</strong> Begleiters<strong>ch</strong>einungen<br />

„Unkontrollierbarer Umgang; ungute Beeinflussung während der Entwicklungsphase...“<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle darf ni<strong>ch</strong>t übersehen werden, dass es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um verständli<strong>ch</strong>e elterli<strong>ch</strong>e<br />

Sorge handelt, mit wem das Kind Umgang hat. Ein jeder neuapostolis<strong>ch</strong>er Christ wird hierunter<br />

den Umgang mit Andersgläubigen verstehen, au<strong>ch</strong> wenn der Text so formuliert wurde, dass bei<br />

kritis<strong>ch</strong>en Fragen großer Interpretationsspielraum gewährleistet ist. Na<strong>ch</strong>folgend kommt der<br />

S<strong>ch</strong>reiber nun deutli<strong>ch</strong> zur Sa<strong>ch</strong>e:<br />

Gefahren speziell <strong>für</strong> Gotteskinder<br />

„Bekannts<strong>ch</strong>aften mit Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> ausgespro<strong>ch</strong>en weltli<strong>ch</strong> geprägt <strong>und</strong> gesinnt sind;<br />

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unkontrollierte Verbindung zu sol<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> gezielt beeinflussen wollen, versäumte Heiligung<br />

<strong>für</strong> den Gottes<strong>die</strong>nst“.<br />

Aus <strong>die</strong>sen Zeilen ist <strong>die</strong> in vielen NAK­Predigten <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>riften übli<strong>ch</strong>e negative Si<strong>ch</strong>t auf <strong>die</strong><br />

‚anderen‘ Mens<strong>ch</strong>en deutli<strong>ch</strong> zu erkennen. Mit Unterstellungen <strong>und</strong> Mutmaßungen sollen junge<br />

Mens<strong>ch</strong>en einges<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>tert <strong>und</strong> geängstigt werden.<br />

Kein harmloser Discobesu<strong>ch</strong>er würde vermuten, dass ihm ein si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> an <strong>die</strong>sen Ort ‚verirrt‘<br />

habendes ‚Gotteskind‘ mögli<strong>ch</strong>erweise bereits gedankli<strong>ch</strong> unterstellt, ein Werkzeug des Teufels<br />

zu sein‘, der <strong>die</strong> ‚Gotteskinds<strong>ch</strong>aft‘ rauben mö<strong>ch</strong>te, nur weil eben jener Discobesu<strong>ch</strong>er ein nettes<br />

Wort we<strong>ch</strong>selt oder ein Getränk anbietet. Diese ständig unters<strong>ch</strong>wellig vorhandenen Ängste,<br />

andere könnten ihnen S<strong>ch</strong>aden zufügen wollen, ma<strong>ch</strong>en viele Jugendli<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t mehr offen <strong>für</strong><br />

ihre Umwelt. Kontakts<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> daraus resultierende Kontaktarmut sind <strong>die</strong> Folgen. Vor<br />

allem au<strong>ch</strong> ein mangelndes Vertrauen in <strong>die</strong> Mens<strong>ch</strong>en der außerkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en sozialen Umgebung.<br />

Vielfa<strong>ch</strong> ist ein ständiges Misstrauen vor allen Mens<strong>ch</strong>en vorhanden. In s<strong>ch</strong>weren Fällen wird<br />

der Feind im Fre<strong>und</strong> vermutet.<br />

„Uns wird geraten, <strong>die</strong> genannten Stätten ni<strong>ch</strong>t aufzusu<strong>ch</strong>en. Vielmehr su<strong>ch</strong>en wir na<strong>ch</strong><br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten mit Gotteskindern Gemeins<strong>ch</strong>aft zu pflegen (...) Dann entsteht erst gar ni<strong>ch</strong>t<br />

das Bedürfnis na<strong>ch</strong> derartiger Zerstreuung.“<br />

Werden <strong>die</strong>se ‚Verhaltenshinweise‘ befolgt, bleiben <strong>die</strong> jungen Mens<strong>ch</strong>en unter si<strong>ch</strong> <strong>und</strong> somit<br />

der Institution erhalten, ein erklärtes <strong>Erziehung</strong>sziel in der Jugendzeit. (Weitere Hinweise das<br />

Tanzen betreffend finden si<strong>ch</strong> in den Anlagen/S<strong>ch</strong>röderbrief 92)<br />

Hinweise <strong>die</strong>ses Stils behandeln weitere Themen wie:<br />

­Weltli<strong>ch</strong>e Begegnungsstätten (Jahrmärkte, S<strong>ch</strong>ützenfeste, Dom <strong>und</strong> ähnli<strong>ch</strong>e öffentli<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>austellungen)<br />

(....) Wer <strong>die</strong>se Stätten meidet, begibt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in Gefahr.<br />

­Film<br />

(...) Wenn es um <strong>die</strong> Erhaltung unseres Leibes geht, meiden wir Gift. Wir sollten glei<strong>ch</strong>e<br />

Maßstäbe au<strong>ch</strong> anlegen, wenn wir an das Wohl <strong>und</strong> Leben unserer Seelen denken. Wer ein<br />

feines Empfinden <strong>für</strong> das seelis<strong>ch</strong>e Leben entwickelt, merkt au<strong>ch</strong> sehr s<strong>ch</strong>nell, was ihm im<br />

Geistigen zuträgli<strong>ch</strong> ist oder s<strong>ch</strong>adet.<br />

­Voreheli<strong>ch</strong>e Beziehungen<br />

(...) Desglei<strong>ch</strong>en lautet der Rat der Apostel: In der Fre<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>afts­ <strong>und</strong> Verlobungszeit keus<strong>ch</strong><br />

<strong>und</strong> enthaltsam zu leben.<br />

Wie viele allzu frühen Ehen aufgr<strong>und</strong> der ni<strong>ch</strong>t mehr einzuhaltenden sexuellen Abstinenz<br />

ges<strong>ch</strong>lossen werden <strong>und</strong> wurden, wird wohl nie ergründet werden können. Au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong><br />

Anzahl der junger Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> mit ihrer Sexualität ni<strong>ch</strong>t zure<strong>ch</strong>t kommen oder ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

zure<strong>ch</strong>t kommen. Eine sol<strong>ch</strong>e Untersu<strong>ch</strong>ung kann im Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit ni<strong>ch</strong>t <strong>dur<strong>ch</strong></strong>geführt<br />

werden. Denno<strong>ch</strong> halte i<strong>ch</strong> <strong>die</strong>sen Aspekt der ni<strong>ch</strong>t selten mit den Mitteln von Angst <strong>und</strong><br />

Drohung errei<strong>ch</strong>ten psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Unterdrückung eines Gr<strong>und</strong>bedürfnisses der Mens<strong>ch</strong>en <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Quelle großen Leides <strong>und</strong> weitrei<strong>ch</strong>ender Folgen <strong>für</strong> Ehepaare <strong>und</strong> deren Kinder.<br />

­Musik<br />

(...) Wir hüten uns davor, uns mit Musik zu stimulieren oder selbst zu manipulieren. Der<br />

Umgang mit Musik will gelernt sein. Der musikliebende Jugendli<strong>ch</strong>e mag <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus au<strong>ch</strong> in<br />

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ein Konzert gehen, das eine Musik darbietet, <strong>die</strong> im Ursprung zum Lobe Gottes eingeri<strong>ch</strong>tet ist<br />

<strong>und</strong> deren S<strong>ch</strong>öpfer von Herzen s<strong>ch</strong>rieb, um wieder zu Herzen zu gehen.<br />

­Sport <strong>und</strong> Sportveranstaltungen<br />

(...) Sportli<strong>ch</strong>e Aktivitäten sollen eine sinnvolle Förderung des ges<strong>und</strong>heitli<strong>ch</strong>en Wohlbefindens<br />

darstellen. Vereinsbezogenes Engagement darf ni<strong>ch</strong>t zu Übers<strong>ch</strong>neidungen mit kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Aktivitäten führen.<br />

Zum S<strong>ch</strong>luss no<strong>ch</strong> einmal ein Zitat zur ‚Eigenverantwortung‘:<br />

(...) Zur segensrei<strong>ch</strong>en Nutzung der Eigenverantwortung benötigen wir Ents<strong>ch</strong>eidungshilfen.<br />

Dazu verlassen wir uns ni<strong>ch</strong>t allein auf unsere verstandesmäßige Erfahrung, sondern vor<br />

allem auf <strong>die</strong> Gottesfur<strong>ch</strong>t im Hinblick auf <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>en Gebote, auf Glaube <strong>und</strong> Vertrauen<br />

in <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>e Führung (Ämterriege der NAK, Anmerkung d. Verfasserin), aber au<strong>ch</strong> auf <strong>die</strong><br />

Ehrfur<strong>ch</strong>t vor dem Nä<strong>ch</strong>sten.<br />

Eigenverantwortli<strong>ch</strong>keit beinhaltet ni<strong>ch</strong>t, dass <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>en Maßstäbe unverbindli<strong>ch</strong><br />

seien oder <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>en Gebote zur persönli<strong>ch</strong>en Deutung offen stünden.<br />

Da Gottes Wille nur <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Amtsträger der NAK übermittelt werden kann, sind <strong>die</strong><br />

Empfehlungen oder ‚Rats<strong>ch</strong>läge‘ <strong>für</strong> <strong>die</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en verbindli<strong>ch</strong>. Es wird immer wieder betont,<br />

dass es keine ausdrückli<strong>ch</strong>en Verbote von Seiten der Kir<strong>ch</strong>enleitung gebe, denno<strong>ch</strong> wird in den<br />

Predigten der göttli<strong>ch</strong>er Segen eng an <strong>die</strong> Befolgung eben <strong>die</strong>ser indirekten<br />

Handlungsanweisungen geb<strong>und</strong>en. Wird der ‚Wille Gottes‘ ni<strong>ch</strong>t befolgt, steht der junge Christ<br />

also ni<strong>ch</strong>t im ‚Glaubensgehorsam‘, ‚muss er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t w<strong>und</strong>ern, wenn Gott seine Hand von ihm<br />

nimmt <strong>und</strong> der Segen ausbleibt.‘<br />

Hierzu ein Zitat von Stammapostel J.G. Bis<strong>ch</strong>off:<br />

„ Ob jemand in Ewigkeit mit einem Platz im Himmel oder in der Hölle vorlieb nehmen muss –<br />

in jedem Fall ist er dort freiwillig hingegangen!“ („Unsere Familie“ 20.01.1993)<br />

I<strong>ch</strong> lasse no<strong>ch</strong> einmal ein Predigtzitat zu <strong>die</strong>sem Thema folgen:<br />

„Die Mittel, <strong>die</strong> der Teufel verabrei<strong>ch</strong>t, haben oftmals verheerende „Nebenwirkungen“. Selbst<br />

unbedenkli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>einende Angebote <strong>die</strong>ser Welt weisen man<strong>ch</strong>e Risiken <strong>für</strong> unser<br />

Glaubensleben auf (...) Darum gilt es, vorsi<strong>ch</strong>tig zu sein <strong>und</strong> den Rat der Segensträger in<br />

Anspru<strong>ch</strong> zu nehmen <strong>und</strong> zu befolgen (...)<br />

Man<strong>ch</strong>er Jugendli<strong>ch</strong>e hat ein Hobby, gegen das an <strong>und</strong> <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts einzuwenden ist.<br />

Mögli<strong>ch</strong>erweise handelt es si<strong>ch</strong> um eine sportli<strong>ch</strong>e Betätigung oder um <strong>die</strong> Wahrnehmung von<br />

Bildungsangeboten. Bei sorgfältiger Betra<strong>ch</strong>tung zeigt si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> eine s<strong>ch</strong>werwiegende<br />

„Nebenwirkung“: Das Hobby nimmt so viel Zeit in Anspru<strong>ch</strong>, dass <strong>für</strong> den Herrn ni<strong>ch</strong>ts mehr<br />

übrigbleibt <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> der Gottes<strong>die</strong>nstbesu<strong>ch</strong> leidet. In sol<strong>ch</strong>en Fällen ist es ratsam, das<br />

Engagement <strong>für</strong> sol<strong>ch</strong>e Interessen aufzugeben oder zumindest stark einzus<strong>ch</strong>ränken (...)<br />

Es stellt si<strong>ch</strong> in <strong>die</strong>sem Zusammenhang immer <strong>die</strong> Frage: Sind irdis<strong>ch</strong>e Interessen <strong>und</strong><br />

Gemeins<strong>ch</strong>aften es wert, das Ziel unseres Glaubens aufs Spiel zu setzen? Ist das Risiko ni<strong>ch</strong>t<br />

zu groß? Wir wollen klug handeln <strong>und</strong> bei allen Ents<strong>ch</strong>eidungen <strong>die</strong> mögli<strong>ch</strong>en<br />

Nebenwirkungen bedenken.“ (Quelle: na<strong>ch</strong> S. Kranefeld, S. 95)<br />

Das Ausbleiben göttli<strong>ch</strong>en Segens kann si<strong>ch</strong> aus der Si<strong>ch</strong>t des NAK­Christen im Misslingen von<br />

S<strong>ch</strong>ule, Beruf, Partners<strong>ch</strong>aft usw. zeigen, si<strong>ch</strong>er aber im ‚Ni<strong>ch</strong>twürdigwerden‘ auf den ‚Tag des<br />

Herrn‘, der Wiederkunft Christi.<br />

Mehr als deutli<strong>ch</strong> zeigt si<strong>ch</strong> im obigen Zitat <strong>die</strong> bewusst anerzogene Abgrenzung zur ‚Welt‘ <strong>und</strong><br />

29


somit zu allem, was si<strong>ch</strong> außerhalb der NAK­Sozialisation befindet. Ebenso unmissverständli<strong>ch</strong><br />

deutli<strong>ch</strong> ist das Mittel der Angst, mit dem operiert wird <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> wel<strong>ch</strong>es Gehorsam<br />

eingefordert wird. So sollte si<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>er Theologe, der sehnsü<strong>ch</strong>tig auf <strong>die</strong> s<strong>ch</strong>einbar vielen<br />

jungen Mens<strong>ch</strong>en blickt, <strong>die</strong> so gerne in <strong>die</strong> Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e gehen fragen, woher das<br />

kommt. Die obigen Zitate geben einen kleinen Einblick. Ebenso s<strong>ch</strong>eint mir der tiefe Eingriff in<br />

<strong>die</strong> Privatsphäre eines jeden Mens<strong>ch</strong>en deutli<strong>ch</strong> geworden zu sein. Alles, jeder Lebensberei<strong>ch</strong><br />

des neuapostolis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en wird von den Vorgaben der Institution geprägt <strong>und</strong> beeinflusst.<br />

Von Kind auf ni<strong>ch</strong>ts anderes gewohnt lernt der junge Mens<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> <strong>und</strong> na<strong>ch</strong> nur no<strong>ch</strong> aus dem<br />

einseitigen Blickwinkel seiner elterli<strong>ch</strong>en wie kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Si<strong>ch</strong>t zu denken <strong>und</strong> zu beurteilen.<br />

Alle anderen Lebenskonzepte <strong>und</strong> Entwürfe werden abgewertet. Erfolgrei<strong>ch</strong> ist es dem System<br />

gelungen, <strong>die</strong> eigenen Maßstäbe als alleingültig zu definieren <strong>und</strong> alles davon abwei<strong>ch</strong>ende<br />

Verhalten zu verteufeln.<br />

In ihrer Soziologieabs<strong>ch</strong>lussarbeit zum Thema: „Sozialisation junger Mens<strong>ch</strong>en in<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gruppen“ s<strong>ch</strong>reibt Nicole Jessen:<br />

„ Wie s<strong>ch</strong>on erwähnt werden <strong>die</strong> Mitglieder der Sekte dazu erzogen ihre Aktivitäten <strong>und</strong><br />

Kontakte auf <strong>die</strong> Gemeins<strong>ch</strong>aft zu bes<strong>ch</strong>ränken. In den Gruppen, in denen <strong>Sekten</strong>kinder<br />

außerhalb verkehren, finden sie keine e<strong>ch</strong>te Zugehörigkeit, da sie gelernt haben, <strong>die</strong> Regeln<br />

<strong>die</strong>ser Gruppen ständig abzuwerten <strong>und</strong> den sektiris<strong>ch</strong>en unterzuordnen. Die Kinder geraten<br />

da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> beispielsweise in der S<strong>ch</strong>ule ständig in Interessenskonflikte, in denen sie si<strong>ch</strong> unter dem<br />

Druck der sektiris<strong>ch</strong>en Gruppenzwänge immer weiter ins Abseits gedrängt fühlen <strong>und</strong> zu<br />

Außenseitern werden. Der absolute <strong>und</strong> völlige Rückzug in <strong>die</strong> Sekte als soziale Gruppe s<strong>ch</strong>eint<br />

da unauswei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>.“<br />

Von Anfang an leben <strong>die</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en in zwei Welten <strong>und</strong> somit in einer<br />

dissoziativen Spannung. Innerli<strong>ch</strong> zerrissen fühlen sie si<strong>ch</strong> in keinem Berei<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig wohl. Viele<br />

von ihnen werden verspottet oder ausgela<strong>ch</strong>t. Das zwingt sie in eine Art Märtyrerrolle, <strong>die</strong> zur<br />

Verminderung der inneren Spannungen oft in innere Überhebli<strong>ch</strong>keit mündet. Unzählige<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten werden den Kindern <strong>und</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en erzählt, in denen gezeigt wird, dass <strong>die</strong><br />

‚armen anderen Mens<strong>ch</strong>en‘ eben das ‚Erlösungswerk Gottes‘ ni<strong>ch</strong>t erkennen können <strong>und</strong> man<br />

si<strong>ch</strong> ruhig ausla<strong>ch</strong>en lassen soll, denn ‚sie wissen ja ni<strong>ch</strong>t was sie tun. Gotteskinder haben eben<br />

<strong>die</strong> Erkenntnis. Da beeindruckt uns do<strong>ch</strong> so ein biss<strong>ch</strong>en Spott ni<strong>ch</strong>t etwa.‘ In ihrer Arbeit zitiert<br />

Frau Jessen: (Möller, 1996,S. 76) „Sie müssen si<strong>ch</strong> distanzieren, ausgrenzen <strong>und</strong> werden<br />

da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> zu Außenseitern. Das führt dazu, dass <strong>die</strong> Innenwelt – Kontakte immer wi<strong>ch</strong>tiger<br />

werden, was damit den Me<strong>ch</strong>anismus, bei der Gemeins<strong>ch</strong>aft zu bleiben <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> dort wohl zu<br />

fühlen, verstärkt, <strong>und</strong> das ist der erwüns<strong>ch</strong>te Effekt.‘<br />

Das ganze Leben der Kinder <strong>und</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en unterliegt der ständigen Kontrolle <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das<br />

System. Es bildet ein Netzwerk um sie, das lückenlos ist. Die Kontrolle <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Amtsträger,<br />

<strong>die</strong> in allen Kinder­ <strong>und</strong> Jugendgruppen vertreten sind <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> bei entspre<strong>ch</strong>enden<br />

Freizeitaktivitäten immer zugegen sind, ist offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Die jahrelange Indoktrination führt<br />

letztli<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> zu einem no<strong>ch</strong> weitaus s<strong>ch</strong>limmeren Ergebnis, der Bewusstseinskontrolle. Es<br />

wird errei<strong>ch</strong>t, dass selbst wenn si<strong>ch</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendli<strong>ch</strong>e ohne ihre Segensträger treffen, <strong>die</strong><br />

innerpsy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e introjektierte Kontrolle greift. Dergestalt beeinflusste Mens<strong>ch</strong>en sind ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

in der Lage, außerhalb der Gruppenvorgaben zu denken. Errei<strong>ch</strong>t wird <strong>die</strong>se<br />

Bewusstseinsmanipulation <strong>dur<strong>ch</strong></strong>:<br />

­ Verhaltenskontrolle<br />

­ Gedankenkontrolle<br />

­ Gefühlskontrolle<br />

­ Informationskontrolle<br />

30


Diese Methoden sind dazu geeignet, sogar identitätsgefestigte Personen beeinflussen zu können.<br />

Viele Jugendli<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>ränken si<strong>ch</strong> unter dem Druck der Gehorsamspfli<strong>ch</strong>t <strong>und</strong> aus Angst vor dem<br />

Verlust des ewigen Lebens sehr stark in dem ein, was eigentli<strong>ch</strong> ihrem Alter entspre<strong>ch</strong>en würde<br />

<strong>und</strong> was sie mit außenstehenden Jugendli<strong>ch</strong>en teilen könnten. Da zudem aber <strong>die</strong>se<br />

Kontaktpunkte in vielen Fällen ni<strong>ch</strong>t gegeben sind, ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> alles Interesse auf <strong>die</strong> Gruppe.<br />

Ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>ätzen ist der große Zwang zur Konformität. Mitglieder, <strong>die</strong> abwei<strong>ch</strong>en werden<br />

von den anderen Mitgliedern bewertet, ni<strong>ch</strong>t selten abgewertet, zumindest aber als ‚ni<strong>ch</strong>t ganz so<br />

ri<strong>ch</strong>tige Gotteskinder‘ kategorisiert. Das Verhalten der jungen Mens<strong>ch</strong>en wird von der<br />

Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft sehr stark reglementiert. Es bleibt meist nur ein sehr geringer innerer<br />

Handlungsspielraum <strong>für</strong> eigene Ideen, Ansi<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> Wüns<strong>ch</strong>e. Selbstverständli<strong>ch</strong> ist <strong>die</strong>s sehr<br />

unbefriedigend. Die Unerfülltheit des eigenen Lebens führt demna<strong>ch</strong> sehr oft zu einem heftigen<br />

Projektionsverhalten. Sol<strong>ch</strong>e Projektionen auf Außenstehende oder ni<strong>ch</strong>t ganz ‚korrekte‘ NAK­<br />

Christen sind an der Tagesordnung <strong>und</strong> stören sehr ein vertrauensbildendes Miteinander. Alles<br />

was man selbst ni<strong>ch</strong>t darf, wird bei anderen Mens<strong>ch</strong>en verurteilt <strong>und</strong> als ungöttli<strong>ch</strong>es Verhalten<br />

deklariert. Gruppendruck <strong>und</strong> Wir­Gefühl zählen mehr als das einzelne Individuum. Das NAK­<br />

Evangelium hat si<strong>ch</strong> erfolgrei<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> eigenen Gefühle, Gedanken <strong>und</strong> Wüns<strong>ch</strong>e<br />

ges<strong>ch</strong>oben <strong>und</strong> ist zur ‚ri<strong>ch</strong>tigen‘ Weltsi<strong>ch</strong>t mutiert.<br />

Es gibt au<strong>ch</strong> Jugendli<strong>ch</strong>e, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so genau an <strong>die</strong> NAK­ Vorgaben halten. Denno<strong>ch</strong><br />

ma<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> jene Jugendli<strong>ch</strong>en „Verbotenes“ selten ohne s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tes Gewissen, oder zumindest<br />

ni<strong>ch</strong>t ohne weits<strong>ch</strong>weifige Begründungsversu<strong>ch</strong>e, warum <strong>die</strong>se Verbote unzulässig oder unsinnig<br />

sind. Es ist sehr bedenkli<strong>ch</strong>, wenn altersentspre<strong>ch</strong>endes, in der Gesells<strong>ch</strong>aft <strong>und</strong> jeweiligen<br />

Kultur als normal geltendes Verhalten vor si<strong>ch</strong> <strong>und</strong> anderen erst begründet <strong>und</strong> erklärt werden<br />

muss. Es brau<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> Erlaubnis von außen, <strong>und</strong> sei es <strong>dur<strong>ch</strong></strong> theologis<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> philosophis<strong>ch</strong>e<br />

Literatur, über wel<strong>ch</strong>e <strong>die</strong> Bere<strong>ch</strong>tigung zu eigenem selbstbestimmtem Handeln abgeleitet<br />

werden muss. Denno<strong>ch</strong> war <strong>für</strong> viele Aussteiger <strong>die</strong>s überhaupt der einzige Weg, Mut <strong>und</strong> Kraft<br />

zum Ausstieg zu finden.<br />

O­Ton ‚Jürgen‘ im Verlaufe seines Ausstiegsprozesses: „Ja, jedem anderen wüsste i<strong>ch</strong>, was i<strong>ch</strong><br />

zu sagen hätte in seiner Situation ... aber i<strong>ch</strong> sitze davor, sehe das Gute <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> ... aber<br />

dazwis<strong>ch</strong>en ist eine dicke S<strong>ch</strong>eibe, ... <strong>und</strong> i<strong>ch</strong> kann ni<strong>ch</strong>t <strong>dur<strong>ch</strong></strong>lagen ...“<br />

In den letzten Jahren gibt es eine neue Entwicklungstendenz, <strong>die</strong> au<strong>ch</strong> sehr na<strong>ch</strong>denkli<strong>ch</strong><br />

stimmen kann. Da <strong>die</strong> NAK aus der <strong>Sekten</strong>ecke dringend herauskommen mö<strong>ch</strong>te, wird hier <strong>und</strong><br />

da, punktuell <strong>und</strong> nirgendwo festges<strong>ch</strong>rieben, von Amtsträgern Verhalten toleriert, das ni<strong>ch</strong>t<br />

unbedingt mehr allen NAK­Normen entspri<strong>ch</strong>t. Dies ist an si<strong>ch</strong> eine sehr positive Entwicklung.<br />

Denno<strong>ch</strong> resultieren daraus große innere Spannungen, sowohl innerhalb des einzelnen<br />

Mens<strong>ch</strong>en, als au<strong>ch</strong> innerhalb der Gruppe. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> muss <strong>die</strong> Erlaubnis na<strong>ch</strong> wie vor von der<br />

Kir<strong>ch</strong>enführung kommen <strong>und</strong> irgendwo verbindli<strong>ch</strong> festges<strong>ch</strong>rieben sein, damit sie<br />

Allgemeingültigkeit hat <strong>und</strong> somit erlaubt <strong>und</strong> von Gott gesegnet ist.<br />

Nun kommt es dazu, dass Jugendli<strong>ch</strong>e <strong>die</strong> NAK­ Lehre sehr genau nehmen <strong>und</strong> andere eben<br />

ni<strong>ch</strong>t. Unmerkli<strong>ch</strong> gibt es eine ‚heimli<strong>ch</strong>e‘ Spaltung in der Gruppe. Einige junge Mens<strong>ch</strong>en<br />

fühlen si<strong>ch</strong> innerhalb der Gruppe als ‚Erneuerer‘, andere werden ganz unabsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zu ‚F<strong>und</strong>is‘.<br />

Man<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>enoberen haben <strong>die</strong>se Entwicklung erkannt <strong>und</strong> geben den ‚Erneuerern‘<br />

Rückendeckung. Das gibt jenen Jugendli<strong>ch</strong>en der Gruppe gegenüber eine unters<strong>ch</strong>wellige<br />

Legitimation <strong>für</strong> ihr Verhalten. Sie fühlen si<strong>ch</strong> zudem innerhalb der Gruppe auf Gr<strong>und</strong> ihrer<br />

wirkli<strong>ch</strong>en oder vermeintli<strong>ch</strong>en größeren inneren Freiheit oder intellektuellen Leistungen besser<br />

gestellt als andere. Es besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass zu dem ohnehin vorhandenen <strong>und</strong> kultivierten<br />

Elitedenken, ein ‚Gotteskind zu sein‘, no<strong>ch</strong> ein Elitedenken <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> besondere Zuwendung<br />

von wi<strong>ch</strong>tigen Amtsträgern, oft Aposteln, hinzukommt. Ni<strong>ch</strong>t selten ma<strong>ch</strong>t das sol<strong>ch</strong>e junge<br />

Mens<strong>ch</strong>en sehr überhebli<strong>ch</strong> gegenüber jenen s<strong>ch</strong>einbaren ‚F<strong>und</strong>is‘, <strong>die</strong> no<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem ­ in<br />

offiziellen Predigten <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>riften immer no<strong>ch</strong> geforderten ­ neuapostolis<strong>ch</strong>em Lebensstil leben.<br />

31


Dergestalt unterstützte ‚Erneuerer‘ erhalten vom System unter der Hand eine gefährli<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>t,<br />

ja sie werden sogar – wieder unmerkli<strong>ch</strong> – instrumentalisiert, um na<strong>ch</strong> außen den Eindruck einer<br />

si<strong>ch</strong> gr<strong>und</strong>sätzli<strong>ch</strong> erneuernden Kir<strong>ch</strong>e zu erwecken. Das System spielt ein Doppelspiel zur<br />

eigenen Ma<strong>ch</strong>terhaltung auf Kosten der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Ges<strong>und</strong>heit vieler junger, völlig<br />

desorientierter Mens<strong>ch</strong>en.<br />

Dies ges<strong>ch</strong>ieht etwa, wenn ein Apostel si<strong>ch</strong> im privaten Gesprä<strong>ch</strong> mit einem Jugendli<strong>ch</strong>en ganz<br />

dessen Kir<strong>ch</strong>enkritik ans<strong>ch</strong>ließt <strong>und</strong> ihn dazu auffordert, seine Meinung mit seinem<br />

Jugendpriester zu diskutieren, ja <strong>die</strong>sen womögli<strong>ch</strong> damit zu konfrontieren. Der Jugendli<strong>ch</strong>e<br />

fühlt si<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tig <strong>und</strong> verstanden. Der Jugendpriester hingegen fühlt si<strong>ch</strong> dem seitherigen<br />

System verpfli<strong>ch</strong>tet <strong>und</strong> ist völlig alleingelassen <strong>und</strong> hilflos den ‚autorisierten‘ Angriffen<br />

gegenüber. Sehr oft bri<strong>ch</strong>t in ihm ein Weltbild zusammen, do<strong>ch</strong> reden dürfen sol<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en<br />

ni<strong>ch</strong>t. Mit wem au<strong>ch</strong>? Sie versu<strong>ch</strong>en aus ihrem Verantwortungsbewusstsein den Gläubigen<br />

gegenüber weiterhin ihr Ehrenamt auszufüllen <strong>und</strong> ihre Aufgaben wie bisher zu erledigen. Der<br />

Apostel selbst, der <strong>die</strong> Ma<strong>ch</strong>t hätte vers<strong>ch</strong>iedene Dinge zu ändern, tut <strong>die</strong>s aber offiziell ni<strong>ch</strong>t<br />

<strong>und</strong> lässt somit den Jugendpriester vollständig im Sti<strong>ch</strong> oder predigt gar, unter dem Vorwand den<br />

Gläubigen könnte das angebli<strong>ch</strong>e Umdenken der Kir<strong>ch</strong>enleitung no<strong>ch</strong> zugemutet werden, wieder<br />

<strong>die</strong> alten Lehrinhalte. Die ganze Situation bekommt hiermit eine Art Vers<strong>ch</strong>wörungs<strong>ch</strong>arakter<br />

von ‚Wissenden‘ <strong>und</strong> eine s<strong>ch</strong>izophrene Gespaltenheit <strong>für</strong> Ni<strong>ch</strong>tinformierte.<br />

Die <strong>für</strong> <strong>die</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen aus den divergierenden Situationen si<strong>ch</strong> bildenden<br />

Konflikte können sehr beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> sein. Eine große innere Unsi<strong>ch</strong>erheit entsteht <strong>und</strong> bindet<br />

immer no<strong>ch</strong> mehr – egal wo<strong>dur<strong>ch</strong></strong> –an <strong>die</strong> Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Apostel. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

hat der junge Mens<strong>ch</strong> im Laufe seiner NAK­<strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> Sozialisation in weiten Teilen ni<strong>ch</strong>t<br />

gelernt, eigenverantwortli<strong>ch</strong> zu denken <strong>und</strong> zu handeln. In seinem Denken ist eingebrannt: Die<br />

NAK ist eben immer no<strong>ch</strong>, egal wel<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wierigkeiten sie au<strong>ch</strong> in si<strong>ch</strong> birgt, das ‚Werk des<br />

Herrn‘. Konflikte werden, so sie ni<strong>ch</strong>t vom Gläubigen ohnehin auf si<strong>ch</strong> selbst <strong>und</strong> seine<br />

Unfähigkeit zu glauben bezogen werden, allenfalls auf Mens<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> deren s<strong>ch</strong>einbare oder<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Unfähigkeit projiziert, niemals auf das System NAK selbst. Die Apostel der NAK<br />

alleine sind der Weg zur Errei<strong>ch</strong>ung des ewigen Lebens. Das steht <strong>für</strong> <strong>die</strong> meisten außer Frage;<br />

andere Lebenssinn stiftende Alternativen sind ihm ohnehin ni<strong>ch</strong>t bekannt.<br />

Ganz selten hat ein Jugendli<strong>ch</strong>er <strong>die</strong> innerpsy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Freiheit einfa<strong>ch</strong> das zu tun, was<br />

mögli<strong>ch</strong>erweise <strong>für</strong> seine persönli<strong>ch</strong>e Entwicklung günstig beeinflussend wäre. Die Angst vor<br />

der mögli<strong>ch</strong>en Strafe Gottes ist zu groß.<br />

Das starke Wir­Gefühl innerhalb der Gruppe ma<strong>ch</strong>t es am Glauben zweifelnden Mens<strong>ch</strong>en<br />

unglaubli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wer, si<strong>ch</strong> mit ihren Ängsten überhaupt an einen Mens<strong>ch</strong>en außerhalb der Gruppe<br />

zu wenden. Meist finden sie dort Zuwendung <strong>und</strong> Hilfsbereits<strong>ch</strong>aft. Für tiefes Verstehen fehlt es<br />

jedo<strong>ch</strong> hier <strong>und</strong> da an Hintergr<strong>und</strong>wissen. Kaum ein anderer Mens<strong>ch</strong> kann <strong>die</strong> starken<br />

Bindungen, entstanden aus jahrelanger <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> Indoktrination, verstehen.<br />

„Irgendwann kamen mir jedo<strong>ch</strong> Zweifel; tief im Inneren <strong>und</strong> eher unbewusst; ­ <strong>die</strong> i<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong><br />

lange Zeit erfolgrei<strong>ch</strong> verdrängt habe. I<strong>ch</strong> wollte meinen Gott <strong>und</strong> meine<br />

Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t verraten oder gar öffentli<strong>ch</strong> anprangern <strong>und</strong> kritisieren <strong>und</strong><br />

habe dann einfa<strong>ch</strong> keine Gottes<strong>die</strong>nste mehr besu<strong>ch</strong>t. Damit waren meine Probleme aber<br />

weder gelöst no<strong>ch</strong> bearbeitet.<br />

Es fällt mir bis heute s<strong>ch</strong>wer, eigene Ents<strong>ch</strong>eidungen zu treffen <strong>und</strong> konsequent meine<br />

Wüns<strong>ch</strong>e zu äußern. I<strong>ch</strong> habe Angst, bestraft zu werden, weil i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> von meinem Glauben<br />

abgewandt habe, muss mühsam lernen, was Lebensfreude ist <strong>und</strong> was meinem Leben einen<br />

Sinn gibt.“ (http:// www. <strong>Sekten</strong>.<strong>ch</strong>/ex­site/events­folder/heidelberg.htm#beri<strong>ch</strong>t; Erika; 24.02.03)<br />

Im Jugendalter, der V. Entwicklungsstufe ‚Identität versus Rollendiffusion’ stehe der junge<br />

Mens<strong>ch</strong> vor der Aufgabe, seine wahre Identität inmitten eines – laut Erikson – verwirrenden<br />

32


Lebensabs<strong>ch</strong>nittes mit vers<strong>ch</strong>iedenen Rollenerwartungen zu finden. „ Es geht um den Übergang<br />

von einer Beziehung, in der <strong>die</strong> Eltern ni<strong>ch</strong>thinterfragte Autorität hatten, zu einer Beziehung, in<br />

der dem Jugendli<strong>ch</strong>en ein vernünftiges Maß an Unabhängigkeit oder Autonomie bei wi<strong>ch</strong>tigen<br />

Ents<strong>ch</strong>eidungen zugestanden wird (Holmbeck u. O’Donnell 1991; Youniss u. Smollar 1985).“<br />

„(...) Die Identitätsentwicklung verlangt vom Jugendli<strong>ch</strong>en im Endeffekt, dass er unabhängig<br />

Konzeptionen von seinen Re<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> Pfli<strong>ch</strong>ten aufbaut. Diese sollen einerseits offen <strong>und</strong><br />

empfängli<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorstellung der Eltern <strong>und</strong> der Peers, anderseits aber ni<strong>ch</strong>t nur deren Abbild<br />

sein. Es ist wi<strong>ch</strong>tig, dass <strong>die</strong> Jugendli<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> darauf verlassen können, in ihrer Lebenswelt<br />

eindeutige Anhaltspunkte <strong>für</strong> Unterstützung zu finden (...). Diese Unterstützung wird sie au<strong>ch</strong> in<br />

<strong>die</strong> Lage versetzen, ihre Zukunft zu planen.“ (Zimbardo 1996; S. 495)<br />

Verläuft <strong>die</strong> Entwicklung positiv, hat der junge Mens<strong>ch</strong> ein festes Vertrauen in seine eigene<br />

Person. Das Entwicklungsumfeld eines neuapostolis<strong>ch</strong>en Jugendli<strong>ch</strong>en ist ni<strong>ch</strong>t dazu geeignet<br />

<strong>die</strong> Umweltbedingungen zu s<strong>ch</strong>affen, <strong>die</strong> es ihm ermögli<strong>ch</strong>en, si<strong>ch</strong> im oben zitierten Sinne zu<br />

entwickeln. Die Me<strong>ch</strong>anismen des Systems fördern <strong>die</strong> nur bru<strong>ch</strong>stückhafte Wahrnehmung des<br />

Jugendli<strong>ch</strong>en auf sein eigenes Selbst. Für <strong>die</strong> meisten seiner Fragen <strong>und</strong> Probleme haben andere<br />

eine Antwort. Und dort, wo si<strong>ch</strong> keiner findet, der eine Antwort oder Hilfe geben könnte, fühlt<br />

si<strong>ch</strong> der Jugendli<strong>ch</strong>e allein gelassen. Immer aber ist ents<strong>ch</strong>eidend, dass <strong>die</strong><br />

Handlungsanweisungen von außen kommen müssen. Der Jugendli<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> später erwa<strong>ch</strong>sene<br />

Mens<strong>ch</strong> hat vielfa<strong>ch</strong> verlernt, auf si<strong>ch</strong> <strong>und</strong> seine Bedürfnisse zu hören <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> selbst <strong>und</strong> seiner<br />

Kompetenz zu vertrauen. Sie sind ihm in jahrelanger kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er <strong>und</strong> elterli<strong>ch</strong>er <strong>Erziehung</strong><br />

abtrainiert worden, respektive durften si<strong>ch</strong> bei man<strong>ch</strong>em ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> entwickeln. Die so starke<br />

Verfle<strong>ch</strong>tung von Bindung <strong>und</strong> Abhängigkeit mit der Institution hat einem sol<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en <strong>die</strong><br />

Chance geraubt, mit si<strong>ch</strong> selbst Erfahrungen ma<strong>ch</strong>en zu können <strong>und</strong> somit sein eigenes Sein<br />

kennen zu lernen bzw. entwickeln zu lernen. Dur<strong>ch</strong> <strong>die</strong> massive Kontrolle <strong>und</strong> Fremdsteuerung<br />

von außen ist meist das Selbstbewusstsein weiterhin klein, s<strong>ch</strong>wankend <strong>und</strong> unsi<strong>ch</strong>er. Zudem<br />

haben viele Jugendli<strong>ch</strong>e keinen oder nur einen punktuellen Zugang zu wirkli<strong>ch</strong>en Peer­Groups,<br />

wel<strong>ch</strong>e <strong>die</strong> Elternautorität <strong>und</strong> Systemautorität in Frage stellen könnten. Sie haben einen nur<br />

sehr einges<strong>ch</strong>ränkten Raum <strong>für</strong> soziales Lernen <strong>und</strong> das Erproben <strong>und</strong> Finden der eigenen Rolle<br />

als Mann oder Frau, bzw. als Mitglied der Gesells<strong>ch</strong>aft ist äußerst s<strong>ch</strong>wer. Die innerhalb des<br />

Systems angebotenen ‚S<strong>ch</strong>ein­Peer­Groups’ sind in Wirkli<strong>ch</strong>keit nur kontrollierte organisierte<br />

Freizeitbes<strong>ch</strong>äftigung im Sinne des NAK­Systems mit Partners<strong>ch</strong>aftsvermittlungs<strong>ch</strong>arakter.<br />

Etwas in Frage zu stellen ist hier ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> erwüns<strong>ch</strong>t, Kritik wird in vielen Fällen<br />

abgelehnt. In neuerer Zeit gibt es hier <strong>und</strong> dort ein wenig Raum zur Diskussion. Dies ist jedo<strong>ch</strong><br />

vollständig abhängig von den Ansi<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> Einsi<strong>ch</strong>ten des <strong>die</strong> Jugendgruppe leitenden<br />

Amtsträgers. Denno<strong>ch</strong> lassen si<strong>ch</strong> heute immer weniger junge Mens<strong>ch</strong>en davon abs<strong>ch</strong>recken.<br />

Das Internet hat vielen Mens<strong>ch</strong>en innerhalb der Gruppe erstmals Zugang zu vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Informationen gegeben, <strong>die</strong> zum Teil über 150 Jahre den Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t zugängli<strong>ch</strong> gewesen<br />

waren. Informationskontrolle ist unter anderem au<strong>ch</strong> ein Aspekt f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>er Systeme.<br />

I<strong>ch</strong> werte <strong>die</strong> neue Situation als Chance, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> den heutigen jungen Mens<strong>ch</strong>en bietet.<br />

Trotzdem ist es <strong>für</strong> den in der NAK aufgewa<strong>ch</strong>sene jungen Mens<strong>ch</strong>en unbestritten s<strong>ch</strong>wer, seine<br />

wahre Identität zu entwickeln, ist do<strong>ch</strong> sein Selbstbild über viele Jahre jenes, das <strong>die</strong> Institution<br />

<strong>für</strong> ihn kreiert hat, das ‚Wuns<strong>ch</strong>­Institutions­Ideal‘ ist an Stelle des Selbst getreten.<br />

3.1.3 Das Erwa<strong>ch</strong>senenalter<br />

Innerhalb der folgenden Stufen VI bis VIII aus Eriksons Theorie, entwickelt der Mens<strong>ch</strong> auf der<br />

Basis der vorangegangenen Stufen; Bindungsfähigkeit <strong>und</strong> Fähigkeit zur Nähe, Interesse an<br />

Familie, Gesells<strong>ch</strong>aft, <strong>und</strong> künftigen Generationen, <strong>die</strong> über unmittelbar persönli<strong>ch</strong>en Belange<br />

33


hinausgeht. Im höheren Erwa<strong>ch</strong>senenalter wä<strong>ch</strong>st das Gefühl der Ganzheit <strong>und</strong> der<br />

gr<strong>und</strong>legenden Zufriedenheit mit dem Leben.<br />

Wie in den vorangegangenen Kapiteln ges<strong>ch</strong>ildert ist es <strong>für</strong> ein neuapostolis<strong>ch</strong>es Kind s<strong>ch</strong>wer bis<br />

unmögli<strong>ch</strong>, si<strong>ch</strong> unter den es umgebenden Bedingungen zu einem selbstbestimmten<br />

Erwa<strong>ch</strong>senen heranzubilden. Viele S<strong>ch</strong>wierigkeiten <strong>und</strong> Stolpersteine liegen auf seinem<br />

Entwicklungsweg innerhalb <strong>die</strong>ser Gemeins<strong>ch</strong>aft. Die von Erikson bes<strong>ch</strong>riebenen<br />

Entwicklungsstufen können in vielen Fällen nur sehr bedingt <strong>dur<strong>ch</strong></strong>s<strong>ch</strong>ritten werden. Es war Ziel<br />

der <strong>Erziehung</strong>, das eigene institutionsfremde Denken mögli<strong>ch</strong>st vollständig auszus<strong>ch</strong>alten. I<strong>ch</strong><br />

erinnere an den Satz aus dem Brief, der dem damals 7­jährigen Jungen ges<strong>ch</strong>rieben wurde. „<br />

Si<strong>ch</strong> selbst bekriegen ist der s<strong>ch</strong>werste Krieg <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> selbst besiegen ist der s<strong>ch</strong>önste Sieg....“<br />

Das Selbstwertgefühl kann vor <strong>die</strong>sem Hintergr<strong>und</strong> auf keiner Entwicklungsstufe wirkli<strong>ch</strong><br />

gefördert werden, stattdessen werden Gefühle von Minderwertigkeit <strong>und</strong> Versagen erzeugt. Auf<br />

<strong>die</strong>ser Basis soll nun der junge Erwa<strong>ch</strong>sene Bindungsfähigkeit <strong>und</strong> Nähe entwickeln lernen.<br />

Gerade das bedingungslose Vertrauen ist ihm <strong>dur<strong>ch</strong></strong> anerzogene Angstgefühle (den Verlust<br />

seiner ‚Gotteskinds<strong>ch</strong>aft’ betreffend) sowie der Strafe Gottes bei Ni<strong>ch</strong>tgehorsam vielfa<strong>ch</strong><br />

abhanden gekommen, bzw. ist bei vielen Mens<strong>ch</strong>en ein sol<strong>ch</strong>es Vertrauen überhaupt ni<strong>ch</strong>t<br />

bekannt. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> können viele Eltern ni<strong>ch</strong>t einmal bedingungslos lieben. Au<strong>ch</strong> sie haben<br />

verinnerli<strong>ch</strong>t, dass Gott vor <strong>die</strong> Liebe <strong>die</strong> Erfüllung von systemgeforderten Bedingungen gesetzt<br />

hat.<br />

Sind <strong>die</strong> vorherigen Stufen ni<strong>ch</strong>t angemessen bewältigt worden, kann das laut Erikson zu einem<br />

Gefühl der Einsamkeit <strong>und</strong> des Abgetrenntseins, sowie der Leugnung des Bedürfnisses na<strong>ch</strong><br />

Nähe führen. Dies trifft si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>er Ausprägung auf vers<strong>ch</strong>iedene Mens<strong>ch</strong>en<br />

innerhalb der Gruppe zu. Eine Folge daraus können fehlende Orientierung an der Zukunft <strong>und</strong><br />

drm Leben sein. Dies kann mit Eins<strong>ch</strong>ränkung si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> im Falle des NAK­Gläubigen ni<strong>ch</strong>t<br />

gesagt werden. Da sein ganzes Leben ohnehin ein Übergangsstadium ist <strong>und</strong> das ‚eigentli<strong>ch</strong>e,<br />

wi<strong>ch</strong>tige’ Leben erst na<strong>ch</strong> dem Tode stattfindet, ist sein ganzer Blick fast auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> auf <strong>die</strong><br />

allerdings jenseitige Zukunft geri<strong>ch</strong>tet. Eine enge f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>e Gruppe ist gerade ganz<br />

besonders dazu geeignet, dem Mens<strong>ch</strong>en – wenn au<strong>ch</strong> nur s<strong>ch</strong>einbar – eine si<strong>ch</strong>ere Orientierung<br />

zu bieten. Der F<strong>und</strong>amentalist weiß, wie alles ist <strong>und</strong> wie alles sein wird. Er hat einfa<strong>ch</strong>e<br />

Antworten auf komplizierte Fragen des Lebens <strong>und</strong> bietet all jenen Si<strong>ch</strong>erheit an, <strong>die</strong> einer<br />

sol<strong>ch</strong>en bedürfen, oder <strong>die</strong> dazu erzogen wurden, eine sol<strong>ch</strong>e haben zu wollen. Das ist wohl au<strong>ch</strong><br />

der Hauptgr<strong>und</strong>, warum si<strong>ch</strong> immer wieder Lebenssinn su<strong>ch</strong>ende Erwa<strong>ch</strong>sene<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aften ans<strong>ch</strong>ließen. Im höheren Alter kann, laut Erikson, bei<br />

Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> frei entwickeln konnten, das Gefühl von Vergebli<strong>ch</strong>keit des<br />

Lebens <strong>und</strong> großer Enttäus<strong>ch</strong>ung wa<strong>ch</strong>sen. Au<strong>ch</strong> hier<strong>für</strong> hat <strong>die</strong> NAK ihre es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong><br />

ausgeri<strong>ch</strong>tete Glaubenslehre zum Trost. Denno<strong>ch</strong> sind mir ni<strong>ch</strong>t wenige NAK Christen bekannt,<br />

<strong>die</strong> am Ende ihres Lebens erkannt haben, dass sie niemals wirkli<strong>ch</strong> gelebt haben, sondern von<br />

einer Institution gelebt wurden. Sie sind da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> verbittert <strong>und</strong> traurig geworden. Viele fühlen<br />

si<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en den Welten stehend, finden keinen Platz <strong>und</strong> keine emotionale Heimat mehr <strong>und</strong><br />

vereinsamen innerli<strong>ch</strong> vollständig.<br />

I<strong>ch</strong> werde im folgenden Abs<strong>ch</strong>nitt <strong>die</strong> Rolle des Vaters <strong>und</strong> der Mutter innerhalb der NAK­<br />

Sozialisation beleu<strong>ch</strong>ten. In <strong>die</strong>se Rollen sollen <strong>die</strong> jungen Mens<strong>ch</strong>en im Laufe ihrer<br />

Entwicklung ‚hineinerzogen’ werden. Die Rollen sind – wenn es au<strong>ch</strong> hier <strong>und</strong> da<br />

Abwei<strong>ch</strong>ungen gibt – im wesentli<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> wie vor fest vorgegeben. I<strong>ch</strong> habe mi<strong>ch</strong><br />

ents<strong>ch</strong>lossen, <strong>die</strong> folgenden Kapitel mit in <strong>die</strong> Arbeit zu nehmen, da sie deutli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en sollen,<br />

unter wel<strong>ch</strong>en Voraussetzungen elterli<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong> stattfindet <strong>und</strong> wie si<strong>ch</strong> hier der Kreis von<br />

Generation zu Generation ständig neu s<strong>ch</strong>ließt.<br />

34


3.1.3.1 Die Vaterrolle<br />

Na<strong>ch</strong> der Lehrauffassung der NAK ist jeder Ehemann <strong>und</strong> Vater, unabhängig ob er Träger eines<br />

Amtes ist oder ni<strong>ch</strong>t ein ‚Hauspriester’. Er stellt das Haupt der Familie dar. Frau <strong>und</strong> Kinder<br />

sollen si<strong>ch</strong> ihm na<strong>ch</strong> ‚göttli<strong>ch</strong>er Ordnung’ unterordnen. Der ‚Hauspriester’ ist zuständig <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Seelenpflege innerhalb seines Hausstandes. Er sollte ein Vorbild in der Na<strong>ch</strong>folge den<br />

Amtsträgern gegenüber, im Glauben, in der Opfertreue <strong>und</strong> in der Gebetsarbeit sein. Die<br />

genannte Struktur zeigt deutli<strong>ch</strong> <strong>die</strong> patriar<strong>ch</strong>alis<strong>ch</strong>e Gr<strong>und</strong>ausri<strong>ch</strong>tung. In vielen Fällen lernt das<br />

Kind von klein auf <strong>die</strong>se Struktur als einzig wahre Mögli<strong>ch</strong>keit der Weltsi<strong>ch</strong>t zu akzeptieren.<br />

Die Familie eines ‚Ni<strong>ch</strong>t­Amtsträgers’ hat in der Kir<strong>ch</strong>engemeinde gelegentli<strong>ch</strong> einen<br />

besonderen, ganz s<strong>ch</strong>wer zu bes<strong>ch</strong>reibenden <strong>und</strong> oft über viele Generationen anhaltenden Status.<br />

Der Vater geht unter <strong>die</strong>sem Blickwinkel offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> mit irgend einer Gruppenvorgabe oder<br />

Norm ni<strong>ch</strong>t konform, sonst könnte ihm Gott ja ein Ehrenamt übertragen.( Zahlen zur Info: auf 16<br />

Mitglieder kommt ein Amtsträger; Stand 2003) Vollständige Integration in <strong>die</strong> Gruppe ist ein<br />

wi<strong>ch</strong>tiges Ziel der Mitglieder, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> im übrigen untereinander ‚Ges<strong>ch</strong>wister’ nennen. Ist <strong>die</strong>se<br />

ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> erfolgt <strong>und</strong> der Vater kein Amtsträger, kann das dazu führen, dass si<strong>ch</strong> ein Kind<br />

<strong>für</strong> seinen Vater s<strong>ch</strong>ämt. Der Vater hat in sol<strong>ch</strong>en Fällen meist ohnehin eine geringere<br />

Akzeptanz, da den Vorgaben <strong>und</strong> Aussagen der Amtsträger in jedem Fall mehr Gewi<strong>ch</strong>t<br />

beigemessen werden, als den Aussagen von Vater oder Mutter. Gerne wird hierzu das Bibelwort<br />

zitiert: ‚Wer Vater <strong>und</strong> Mutter mehr liebt als mi<strong>ch</strong>.....’ Si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> darf das Bes<strong>ch</strong>riebene ni<strong>ch</strong>t<br />

generalisiert werden. Denno<strong>ch</strong> sind sol<strong>ch</strong>e Phänomene <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus ni<strong>ch</strong>t so selten, meist aber von<br />

örtli<strong>ch</strong>en Gegebenheiten abhängig. In einer kleinen Kir<strong>ch</strong>engemeinde, in der si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> einzelnen<br />

Mitglieder gut kennen, ist der Konformitätszwang <strong>und</strong> <strong>die</strong> damit verb<strong>und</strong>ene Kontrolle<br />

si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> stärker ausgeprägt als in einer Gemeinde mit 500 Mitgliedern.<br />

Kinder, <strong>die</strong> einen Amtsträger zum Vater haben, sind wieder völlig anderen Gegebenheiten<br />

ausgesetzt. In ihrer Familie setzt der Vater seine ganze Kraft <strong>für</strong> das ‚Werk des Herrn‘ ein, also<br />

<strong>für</strong> Seelsorge, Predigt<strong>die</strong>nst, Organisatoris<strong>ch</strong>es, Chor, Or<strong>ch</strong>ester, Krankenbesu<strong>ch</strong>e <strong>und</strong><br />

Missionsarbeit. Ni<strong>ch</strong>t selten ist der Vater an jedem Abend der Wo<strong>ch</strong>e unterwegs. Der Kontakt zu<br />

den eigenen Kindern wird <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> ehrenamtli<strong>ch</strong>en Aufgaben fast unmögli<strong>ch</strong>. Das Ehrenamt<br />

neben dem eigentli<strong>ch</strong>en Beruf auszuüben erfordert eine Menge Zeit <strong>und</strong> Kraft, <strong>die</strong> der Familie<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr zur Verfügung stehen. An <strong>die</strong>ser Stelle wird deutli<strong>ch</strong>, wie Männer, selbst Opfer des<br />

Systems, zum Täter werden können. Den meisten Amtsträgern sind sol<strong>ch</strong>e inneren Prägungen<br />

ni<strong>ch</strong>t bewusst. Sie empfinden ihr Verhalten als natürli<strong>ch</strong> <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t hinterfragungswürdig. Für sie<br />

ist selbstverständli<strong>ch</strong>, dass <strong>die</strong> Rolle des Amtsträgers über der Rolle des Familienvaters steht.<br />

Vielen ist es ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> in einer anderen Kategorie zu denken. Eine Folge daraus ist: s<strong>ch</strong>on<br />

<strong>die</strong> kleinsten Kindern lernen Vaters Einsatz <strong>für</strong> das ‚Werk des Herrn‘ als von Gott gewollt zu<br />

akzeptieren. So wa<strong>ch</strong>sen Kinder in Amtsträgerfamilien quasi vaterlos auf <strong>und</strong> <strong>die</strong> Mütter könnte<br />

man ohne weiteres als allein erziehend bezei<strong>ch</strong>nen. Oft genug sind sie damit überfordert, zumal<br />

<strong>die</strong> Kinder von Amtsträgern besondere Vorbilder <strong>für</strong> <strong>die</strong> Gemeinde sein sollen.<br />

Die Abwesenheit des Vaters führt gelegentli<strong>ch</strong> zur Überhöhung desselben. Der Vater lebt als<br />

Idealvater in der Phantasie des sehnsü<strong>ch</strong>tigen Kindes. Hinzu kommt bei Amtsträgern ein <strong>für</strong> ein<br />

Kind ni<strong>ch</strong>t eindeutig auszuma<strong>ch</strong>endes Rollenverständnis. Zur Erklärung hier ein Zitat; in einem<br />

R<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>reiben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kinder im Apostelbezirk NRW steht zu lesen:<br />

„(...) Wer hinaufsteigt der s<strong>ch</strong>aut auf! Dann sieht er seine Segensträger. Das sind <strong>für</strong> uns keine<br />

Mens<strong>ch</strong>en, sondern Männer, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> der Herr heute offenbart. Ihr Wort ist uns heilig,<br />

<strong>und</strong> voller Gottesfur<strong>ch</strong>t bemühen wir uns zu tun, was sie uns raten.“ (Hrg. Bis<strong>ch</strong>of Klaus<br />

Zeidlewicz im Auftrag des Bezirksapostels Hermann Engelauf, Mai 1989)<br />

35


Ni<strong>ch</strong>t jedem Kind fällt es lei<strong>ch</strong>t, <strong>die</strong> Vaterrolle <strong>und</strong> <strong>die</strong> ‚Segensträgerrolle’ auseinander zu<br />

halten. Viele Zwiespältigkeiten können si<strong>ch</strong> im Kind regen. Für den Vater ist <strong>die</strong> Situation ni<strong>ch</strong>t<br />

weniger s<strong>ch</strong>wierig, kann er si<strong>ch</strong> quasi als ‚Ni<strong>ch</strong>t –Mens<strong>ch</strong>‘ im Gr<strong>und</strong>e keine mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Fehler <strong>und</strong> Reaktionsweisen erlauben. Vielfa<strong>ch</strong> übernimmt das Kind <strong>die</strong> Haltungen <strong>und</strong><br />

Sehensweisen des Vaters <strong>und</strong> sieht sie als unumstößli<strong>ch</strong>e Wahrheit ( wegen ihres s<strong>ch</strong>einbar<br />

göttli<strong>ch</strong>en Ursprungs). Da <strong>die</strong>se ‚Wahrheit’ niemals hinterfragt werden kann, fällt es au<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>wer, si<strong>ch</strong> in der Zeit der Pubertät dagegen aufzulehnen. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> würde si<strong>ch</strong> das Kind ja<br />

indirekt gegen Gott auflehnen. Diese Sockelstellung des Vaters kann <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus zu einem massiv<br />

gestörten Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en den Kindern <strong>und</strong> dem Vater führen. Der Vater ist<br />

uneinges<strong>ch</strong>ränkt geltende Autorität in allen Lebensberei<strong>ch</strong>en! Das Kind <strong>die</strong>nt als S<strong>ch</strong>muck des<br />

Vaters/ der Eltern <strong>und</strong> als si<strong>ch</strong>tbares Zei<strong>ch</strong>en Gott wohlgefälliger perfekter <strong>Erziehung</strong>. So wird<br />

man als Kind ni<strong>ch</strong>t selten nur ‚To<strong>ch</strong>ter/Sohn des Priesters’ <strong>und</strong> damit eher untergeordnet als<br />

individuelle Person betra<strong>ch</strong>tet.<br />

Hier ein Zitat aus dem Aussteigerberi<strong>ch</strong>t ‚Auf den Spuren meiner Identität’. Die Frau beri<strong>ch</strong>tet<br />

darin, dass sie als 7­jähriges Kind si<strong>ch</strong> einmal mit ihrer Fre<strong>und</strong>in ges<strong>ch</strong>minkt hatte <strong>und</strong> au<strong>ch</strong><br />

Nagellack benutzt hatte, der ni<strong>ch</strong>t wieder so s<strong>ch</strong>nell wegzubekommen war. Damals war<br />

S<strong>ch</strong>minken eine verwerfli<strong>ch</strong>e Tat. Es wurde von den Amtsträgern verboten. I<strong>ch</strong> zitiere zu oben<br />

Ges<strong>ch</strong>riebenem:<br />

„Meine Mutter weinte, bezei<strong>ch</strong>nete mi<strong>ch</strong> als verdorben, hielt mir vor, wie lange es no<strong>ch</strong> bis zum<br />

nä<strong>ch</strong>sten Abendmahl war <strong>und</strong> ma<strong>ch</strong>te mir klar, wenn jetzt Jesus käme, dann müsste i<strong>ch</strong> unter<br />

Garantie zurückbleiben, „Ges<strong>ch</strong>minkte haben im Himmel keinen Platz“.<br />

Als mein Vater heim kam, warf er mir vor, dass er mit so einer To<strong>ch</strong>ter ni<strong>ch</strong>t am Tag vor <strong>die</strong><br />

Gemeinde treten <strong>und</strong> predigen könne, er ma<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> ja unglaubhaft.“ (Quelle: „Bin ein<br />

königli<strong>ch</strong> Kind“.)<br />

Heute ist wohl das S<strong>ch</strong>minken erlaubt, do<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Vorgaben sind austaus<strong>ch</strong>bar, je na<strong>ch</strong>dem,<br />

wel<strong>ch</strong>e Verhaltensweise gerade von den Aposteln als ‚ungöttli<strong>ch</strong>’ bezei<strong>ch</strong>net wird.<br />

In anderen Fällen sind Autoritätsverluste dem Vater gegenüber zu bemerken. Einmal, weil der<br />

Vater sowieso nie da ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> Belange der Kinder überhaupt ni<strong>ch</strong>t kennt, zum anderen, weil<br />

das in seiner Liebe enttäus<strong>ch</strong>te Kind si<strong>ch</strong> vom Vater abwendet. Der Wuns<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Akzeptanz<br />

<strong>und</strong> Vaterliebe jedo<strong>ch</strong> bleibt in beiden Fällen. Die Enttäus<strong>ch</strong>ung des Kindes kann im Jugendalter<br />

dann zu übergroßer Kritik am Vater führen, weil <strong>die</strong>ser predigt, was er selbst im eigenen Haus<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> selbst oft ni<strong>ch</strong>t zu tun imstande ist. Ni<strong>ch</strong>t selten wird der Vater vor dem<br />

heranwa<strong>ch</strong>senden Jugendli<strong>ch</strong>en zu einer vera<strong>ch</strong>teten lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>en Figur. Der Jugendli<strong>ch</strong>e nimmt<br />

dem Vater gegenüber eine vollständig unangemessene überhebli<strong>ch</strong>e Haltung ein. Eine unsägli<strong>ch</strong>e<br />

Verstrickung, <strong>die</strong> im Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit ni<strong>ch</strong>t weiter untersu<strong>ch</strong>t werden kann.<br />

36


3.1.3.2 Die Mutterrolle<br />

Für <strong>die</strong> Frau <strong>und</strong> Mutter ist <strong>die</strong> perfekte <strong>Erziehung</strong> des Kindes zu einem neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Christen eine der wenigen Chancen, si<strong>ch</strong> als Frau zu profilieren, do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur das. Für eine<br />

gläubige Mutter ist es eine heilige Aufgabe <strong>und</strong> Pfli<strong>ch</strong>t ihr Kind so zu erziehen, dass ‚der liebe<br />

Gott eine Freude an ihm haben kann‘. Wie der ideale Christ <strong>und</strong> damit au<strong>ch</strong> das Kind<br />

auszusehen hat, sagen <strong>die</strong> Amtsträger jeden Sonntag in ihren Predigten.<br />

Wie erwähnt wird ein Kind bereits als wenige Wo<strong>ch</strong>en altes Baby von seinen Eltern in<br />

Gottes<strong>die</strong>nst mitgenommen. In den meisten Kir<strong>ch</strong>engebäuden gibt es hier<strong>für</strong> geeignete<br />

Nebenräume, damit <strong>die</strong> natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ausbleibenden Kindergeräus<strong>ch</strong>e <strong>die</strong> erwa<strong>ch</strong>senen<br />

Gottes<strong>die</strong>nstteilnehmer ni<strong>ch</strong>t stören.<br />

In <strong>die</strong>sen Räumen werden <strong>die</strong> Kinder von klein auf dazu erzogen, ruhig zu sitzen <strong>und</strong> den<br />

Ausführungen des Predigers zu laus<strong>ch</strong>en. Selbstverständli<strong>ch</strong> ist das <strong>für</strong> ein kleines Kind eine<br />

hohe Anpassungsleistung, da gerade in den ersten Lebensjahren der Drang na<strong>ch</strong> Bewegung <strong>und</strong><br />

freier Lautäußerung besonders ho<strong>ch</strong> ist. Mit dem gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wandel von<br />

<strong>Erziehung</strong>sauffassungen nahmen <strong>die</strong> mit Gewalt verb<strong>und</strong>enen <strong>Erziehung</strong>smaßnahmen wie<br />

z.B. S<strong>ch</strong>läge immer mehr ab. Denno<strong>ch</strong> muss erwähnt werden, dass <strong>die</strong>s jahrzehntelang eine<br />

teilweise <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus gängige Praxis gewesen war.<br />

Bis vor wenigen Jahren war es <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mutter eine besondere Auszei<strong>ch</strong>nung <strong>und</strong> spra<strong>ch</strong> <strong>für</strong> ihre<br />

Fähigkeit zur Umsetzung einer von Gott gewollten <strong>Erziehung</strong>, wenn das Kleinstkind s<strong>ch</strong>on mit<br />

ein oder zwei Jahren so still auf seinem Platz sitzen konnte, dass es <strong>die</strong> anderen<br />

Gottes<strong>die</strong>nstteilnehmer ni<strong>ch</strong>t stören würde. Mit wel<strong>ch</strong>en Mitteln das errei<strong>ch</strong>t werden kann, mag<br />

si<strong>ch</strong> jeder selbst vorstellen, der den Bewegungsdrang eines so kleinen Kindes kennt.<br />

Jede Mutter ist stolz, au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> den gesonderten ‚Mütterraum’ mögli<strong>ch</strong>st früh verlassen<br />

zu können. Ihr ‚Sein’ wird ni<strong>ch</strong>t selten unter anderem an <strong>die</strong>sem <strong>Erziehung</strong>serfolg gemessen.<br />

Es gibt weitere <strong>Erziehung</strong>svorgaben, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Erziehung</strong> des heranwa<strong>ch</strong>senden jungen<br />

Mens<strong>ch</strong>en zielgeri<strong>ch</strong>tet angestrebt werden. Die meisten neuapostolis<strong>ch</strong>en Mütter sind stolz,<br />

wenn es <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ihre <strong>Erziehung</strong>sarbeit gelungen ist, einen Sohn heranzuziehen, dem später ein<br />

Amt in der Kir<strong>ch</strong>e übertragen werden kann.<br />

„(...) <strong>die</strong> Fre<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>aften waren zwecks Unents<strong>ch</strong>lossenheit meiner Gönner von kurzer Dauer.<br />

Viellei<strong>ch</strong>t hatten <strong>die</strong>se einen besonderen Instinkt da<strong>für</strong>, dass i<strong>ch</strong> mal keine gute Mutter <strong>für</strong> einen<br />

zukünftigen heranwa<strong>ch</strong>senden Amtsträger abgäbe?“ (Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, „Auf den Spuren meiner<br />

Identität“ aus „Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind“.)<br />

Das verhält si<strong>ch</strong> bei der <strong>Erziehung</strong> von jungen Mäd<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t anders. Die Mutter ist stolz, wenn<br />

<strong>die</strong> wohlerzogene To<strong>ch</strong>ter einen Amtsträger, Dirigenten oder sonst wie kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> engagierten<br />

Ehemann heiratet. Das ist insofern von Bedeutung, da si<strong>ch</strong> z.b. bis vor wenigen Jahren no<strong>ch</strong> in<br />

den Eignungsfragebogen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Amtseinsetzung eines Mannes au<strong>ch</strong> eine Rubrik „Wie steht <strong>die</strong><br />

Ehefrau zu einem mögli<strong>ch</strong>en Amtsauftrag des Mannes“ befand. Wohlerzogen ist eine junge Frau<br />

dann, wenn sie an ihren Mann mögli<strong>ch</strong>st keine eigenen Forderungen stellt, sondern ihn<br />

ungehindert <strong>für</strong> <strong>die</strong> Institution arbeiten lässt. Freili<strong>ch</strong> wurde <strong>die</strong> Frau i. o. ges<strong>ch</strong>ilderten Fällen<br />

ni<strong>ch</strong>t um eine persönli<strong>ch</strong>e Stellungnahme gebeten, sondern ledigli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> ihrem von außen<br />

si<strong>ch</strong>tbaren neuapostolis<strong>ch</strong>en Lebenswandel beurteilt.<br />

Für den neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen sind all jene <strong>Erziehung</strong>svorgaben eine vollständige<br />

Normalität. Sie werden ni<strong>ch</strong>t hinterfragt, da <strong>die</strong> heutigen Eltern selbst ni<strong>ch</strong>ts anderes gewohnt<br />

sind. Au<strong>ch</strong> sie wurden von gläubigen Eltern so erzogen <strong>und</strong> <strong>die</strong>se wieder von ihren Eltern. Der<br />

Blick na<strong>ch</strong> ‚draußen‘ ist oft über mehr als drei Generationen versperrt.<br />

An <strong>die</strong>ser Stelle mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> einige allgemeine Sätze zur Stellung der Frau <strong>und</strong> des Mannes<br />

innerhalb der NAK sagen. Mir s<strong>ch</strong>eint <strong>die</strong>s wi<strong>ch</strong>tig, damit der Blick in das weitere soziale<br />

Umfeld des Kindes vertieft werden kann.<br />

37


3.1.3.3 Die Rolle des Mannes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rolle des Amtsträgers<br />

In der NAK gibt es vers<strong>ch</strong>iedene Amtsstufen. Die Ämter sind hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> geordnet. Das oberste<br />

Haupt der Amtsträger ist der Stammapostel, das niedrigste Amt der Diakon.<br />

Na<strong>ch</strong> dem Glauben der NAK­Christen, wird ein Amtsträger von Gott selbst in sein Amt gerufen,<br />

weil Gott den entspre<strong>ch</strong>enden Mens<strong>ch</strong>en <strong>für</strong> fähig hält <strong>und</strong> ihm dazu au<strong>ch</strong> das nötige<br />

‚Amtsvermögen’ <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Handauflegung des Apostels bei der Amtseinsetzung gibt.<br />

Dur<strong>ch</strong> <strong>die</strong>ses Amtsvermögen glaubt daher der theologis<strong>ch</strong> völlig ungebildete Laie, <strong>die</strong> Fähigkeit<br />

bekommen zu haben, den Gläubigen predigen zu können. Ein entspre<strong>ch</strong>endes Amt abzulehnen<br />

ist von daher <strong>für</strong> den Gläubigen eine sehr s<strong>ch</strong>were Ents<strong>ch</strong>eidung, da er si<strong>ch</strong> quasi direkt gegen<br />

den Willen Gottes stellt. Ist der Mens<strong>ch</strong> in einer sol<strong>ch</strong>en Situation ni<strong>ch</strong>t innerli<strong>ch</strong> gefestigt, kann<br />

es ihm ni<strong>ch</strong>t gelingen bei seiner Überzeugung zu bleiben. Dies bedeutet: Männer, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

eigener Eins<strong>ch</strong>ätzung <strong>für</strong> ein Amt ungeeignet halten, übernehmen es denno<strong>ch</strong> aus Angst, Gott<br />

könnte sie <strong>für</strong> ihre eigenmä<strong>ch</strong>tige Ents<strong>ch</strong>eidung bestrafen. Hinweise in <strong>die</strong>ser Ri<strong>ch</strong>tung gibt es<br />

hierzu vielfa<strong>ch</strong> in den Predigten. Oft wird in sol<strong>ch</strong>en Situationen <strong>die</strong> biblis<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te um<br />

Noah bemüht. Wird <strong>die</strong>s ni<strong>ch</strong>t öffentli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, so entstehen sol<strong>ch</strong>e Gedanken jedo<strong>ch</strong> meist<br />

aus dem eigenen Inneren kommend. Der Einfluss jahrelanger kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Indoktrination<br />

funktioniert gut <strong>und</strong> zuverlässig. Selbstverständli<strong>ch</strong> kommt es au<strong>ch</strong> zu heimli<strong>ch</strong>em <strong>und</strong> offenem<br />

Konkurrenzverhalten zwis<strong>ch</strong>en den si<strong>ch</strong> bereits in einem Amt befindli<strong>ch</strong>en Männern, ist do<strong>ch</strong> ihr<br />

Status, je höher das Amt, umso besser. Zudem ist ein hohes Amt in der Hierar<strong>ch</strong>ie ein Zei<strong>ch</strong>en,<br />

wie besonders wertvoll <strong>die</strong>ser ‚Gotteskne<strong>ch</strong>t‘ ist <strong>und</strong> ein ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>ätzendes Druckmittel<br />

zur Konformität <strong>für</strong> <strong>die</strong> männli<strong>ch</strong>en Gläubigen.<br />

Ni<strong>ch</strong>t unerwähnt sollen jene Männer bleiben, <strong>die</strong> Gott offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in ein Amt berufen<br />

kann. Meist umgibt sie <strong>und</strong> ihre Familien eine gewisse Aura der zu großen Kritikfreudigkeit oder<br />

einer zu s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Glaubenserkenntnis, oder sonst irgendein Mangel. ‚Sie sind eben ni<strong>ch</strong>t so<br />

ri<strong>ch</strong>tig neuapostolis<strong>ch</strong>.‘ Wie bereits erwähnt sind hier jedo<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong>e Unters<strong>ch</strong>iede, <strong>die</strong> unter<br />

anderem auf <strong>die</strong> Größe der Kir<strong>ch</strong>engemeinden zurückzuführen sind.<br />

„(...) mein Mann hatte das Pe<strong>ch</strong> (oder viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> das Glück?) ni<strong>ch</strong>t zum Prediger zu<br />

gerei<strong>ch</strong>en. Man ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on Gedanken, was „Gott“ wohl davon abgehalten hatte! War’s<br />

der Ungehorsam wegen des Ni<strong>ch</strong>tentfernens seiner männli<strong>ch</strong>en Haartra<strong>ch</strong>t, <strong>die</strong> er im Gesi<strong>ch</strong>t<br />

trug? Bärte waren in der NAK unbeliebt. (Seit ca. 15 Jahren ist <strong>die</strong>s zum Glück kein Thema<br />

mehr, Anmerkung der Verfasserin) Oder ahnte man s<strong>ch</strong>on damals <strong>die</strong> ketzeris<strong>ch</strong>e Entwicklung<br />

seiner Ehefrau?“ (Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, „Auf den Spuren meiner Identität“ aus „Bin ein königli<strong>ch</strong><br />

Kind“.)<br />

Bis vor wenigen Jahren war es von der Kir<strong>ch</strong>enführung ni<strong>ch</strong>t gerne gesehen, wollte si<strong>ch</strong> der<br />

Mann in irgend einer Weise in der Gesells<strong>ch</strong>aft engagieren, da <strong>die</strong> verbra<strong>ch</strong>te Zeit außerhalb der<br />

NAK dem Dienst am ‘Werk des Herrn‘ abging.<br />

„Damit wir uns ri<strong>ch</strong>tig verstehen: Der regelmäßige Gottes<strong>die</strong>nstbesu<strong>ch</strong> ist <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong><br />

lebensnotwendiges Handeln, darum re<strong>ch</strong>ne i<strong>ch</strong> ihn ni<strong>ch</strong>t zur Freizeitbes<strong>ch</strong>äftigung. Für mi<strong>ch</strong><br />

ist Freizeit <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> mir tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> zu freien Gestaltung zur Verfügung steht. (...) Etwas zur<br />

eigenen Freude <strong>und</strong> zur Freude anderer zu lernen, ist sehr gut. Wir sollten aber immer<br />

bedenken, dass Vereine <strong>und</strong> Ähnli<strong>ch</strong>es si<strong>ch</strong> selbst au<strong>ch</strong> darstellen wollen. Außerdem bedeutet<br />

unser Glaube <strong>und</strong> Lebensinhalt anderen Mens<strong>ch</strong>en fast gar ni<strong>ch</strong>ts. Darum müssen wir<br />

a<strong>ch</strong>tgeben, niemand soll – <strong>und</strong> sei es ganz heimli<strong>ch</strong> – unsere Liebe zu Gott <strong>und</strong> seinem Werk<br />

(NAK Anmerkung d. Verfasserin) stehlen.“ (Christi Jugend, R<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>reiben <strong>für</strong> <strong>die</strong> Jugend im<br />

Apostelbezirk Berlin­Brandenburg, Mai 1996, Hrg. Bezirksapostel Fritz S<strong>ch</strong>röder)<br />

38


Somit war lange Zeit <strong>die</strong> einzige Mögli<strong>ch</strong>keit si<strong>ch</strong> im Leben irgendwo einbringen oder<br />

verwirkli<strong>ch</strong>en zu können, ein Amt in der NAK. Entweder als Amtsträger oder als Musiker<br />

(Organist, Dirigent, Sänger, Or<strong>ch</strong>esterspieler), wobei einige Jahre lang, wohl regional<br />

vers<strong>ch</strong>ieden, selbst hierzu zumindest das Amt eines Diakonen notwendig war. Ist ein Amtsträger<br />

jedo<strong>ch</strong> einmal in <strong>die</strong>se Institution eingeb<strong>und</strong>en, hat er kaum no<strong>ch</strong> Mögli<strong>ch</strong>keiten <strong>dur<strong>ch</strong></strong> eigene<br />

Ideen mitzugestalten, weil fast alle Handlungsberei<strong>ch</strong>e reglementiert sind. Man darf si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

über <strong>die</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e hinweg täus<strong>ch</strong>en: Es handelt si<strong>ch</strong> dabei ni<strong>ch</strong>t um eine wahre Selbst­<br />

Verwirkli<strong>ch</strong>ungsmögli<strong>ch</strong>keit <strong>für</strong> den Einzelnen, sondern weitgehendst um eine mögli<strong>ch</strong>st<br />

absolute, genaue Anpassung an das hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e System. Das Gehorsamsprinzip <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t etwa<br />

<strong>die</strong> mögli<strong>ch</strong>en persönli<strong>ch</strong>en Fähigkeiten oder Neigungen ermögli<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> langsame Erklimmung<br />

der Hierar<strong>ch</strong>ieleiter des Systems. Mit der Zunahme der Amtsstufe steigt <strong>die</strong> Ma<strong>ch</strong>t über andere.<br />

Im Zuge der Bemühungen aus der <strong>Sekten</strong>ecke herauszukommen, haben si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Ansi<strong>ch</strong>ten über<br />

<strong>die</strong> mögli<strong>ch</strong>e gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Position eines Mannes vollständig umgekehrt. Heute wird sogar<br />

erwüns<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> einzubringen, um den S<strong>ch</strong>ein des ‚ganz normalen Christen’ zu<br />

erwecken.<br />

Au<strong>ch</strong> der sonntägli<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> wo<strong>ch</strong>entägli<strong>ch</strong>e Predigt<strong>die</strong>nst basiert auf Gr<strong>und</strong>lagen, <strong>die</strong><br />

vorgegeben sind. Sie bestehen aus einer weltweit einheitli<strong>ch</strong>en, meist vom Stammapostel<br />

verfassten, s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Predigtanleitung, <strong>die</strong> je na<strong>ch</strong> geistiger Fähigkeit des Predigers mehr oder<br />

weniger ges<strong>ch</strong>ickt ausges<strong>ch</strong>mückt wird. Predigtinhalte sind weitestgehend Eins<strong>ch</strong>wörungen, <strong>die</strong><br />

an <strong>die</strong> Institution binden sollen. Als S<strong>ch</strong>lagworte seien hier <strong>die</strong> ‚göttli<strong>ch</strong>e Erwählung’,<br />

‚Glaubensgehorsam’, ‚Na<strong>ch</strong>folge’, ‚Opfertreue’ <strong>und</strong> ‚Glaubenskampf’ gegen den<br />

mögli<strong>ch</strong>erweise aufkommenden eigenen Willen genannt. Mit den Mitteln beigefügter biblis<strong>ch</strong>er<br />

Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten oder Zitate sollen <strong>die</strong> allein seligma<strong>ch</strong>enden NAK­Dogmen bewiesen <strong>und</strong><br />

zementiert werden. In abgehobene Kir<strong>ch</strong>enspra<strong>ch</strong>e werden vielfa<strong>ch</strong> ewig glei<strong>ch</strong>klingende,<br />

aneinander gereihte Phrasen gepredigt, <strong>die</strong> der einzelne Gläubige s<strong>ch</strong>on auswendig kann.<br />

In vielen Fällen fehlt der Predigt jeder Bezug zu den alltägli<strong>ch</strong>en Problemen <strong>und</strong> Fragen des<br />

Mens<strong>ch</strong>en. Vielfa<strong>ch</strong> werden freie Assoziationen <strong>und</strong> aneinander gereihte Bibelzitate oder<br />

passende Kir<strong>ch</strong>enlieder als ‚Wirken des Heiligen Geistes’ deklariert.<br />

Was dem Gläubigen bleibt ist das Gefühl, von Gott aus ‚der Masse der Weltmens<strong>ch</strong>en heraus‘<br />

erwählt <strong>und</strong> somit etwas Besonderes zu sein. Man fühlt si<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Predigt im Wir­Gefühl der<br />

Gruppe bestärkt <strong>und</strong> befindet si<strong>ch</strong> auf si<strong>ch</strong>erem Terrain.<br />

Verantwortungsvolle Amtsträger, <strong>die</strong> um eine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e, lebensbezogene Bibelexegese bemüht<br />

sind <strong>und</strong> ihre Aufgabe theologis<strong>ch</strong> ernst nehmen mö<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> in Eigenstudium<br />

theologis<strong>ch</strong>es Wissen aneignen, werden argwöhnis<strong>ch</strong> beäugt <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t selten bei der<br />

Kir<strong>ch</strong>enführung denunziert, in man<strong>ch</strong>en Fällen sogar ihres Amtes enthoben, weil sie zuviel von<br />

Jesus <strong>und</strong> zu wenig von den ‚Aposteln’ predigen.<br />

Au<strong>ch</strong> hier gilt: Konformität steht vor Individualität. Die Erhaltung der Systemnormen <strong>und</strong><br />

Dogmen steht vor den Inhalten <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Glaubensgutes. Kritis<strong>ch</strong>es theologis<strong>ch</strong>es <strong>und</strong><br />

biblis<strong>ch</strong>es Hinterfragen von Lehraussagen sind ni<strong>ch</strong>t erwüns<strong>ch</strong>t.<br />

39


3.1.3.4 Die Stellung der Frau in der NAK<br />

Um einen kurzen Einblick zu geben zitiere i<strong>ch</strong> aus den „Ri<strong>ch</strong>tlinien <strong>für</strong> Amtsträger“ der<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e Ausgabe 1963; Verlag <strong>und</strong> Druck: Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off, Frankfurt am<br />

Main, (Hg.) Apostelkollegium der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e:<br />

"Sorgfältig sollen <strong>die</strong> Amtsbrüder auf ihre Familienangehörigen a<strong>ch</strong>ten. Au<strong>ch</strong> sie dürfen<br />

niemand <strong>und</strong> nirgends zum Anstoß gerei<strong>ch</strong>en. Die Frauen sollen insbesondere ihrem Haushalt<br />

wohl vorstehen, ni<strong>ch</strong>t über andere ungut spre<strong>ch</strong>en, jedermann fre<strong>und</strong>li<strong>ch</strong> begegnen <strong>und</strong> do<strong>ch</strong> mit<br />

dem nötigen Ernst. Die Frauen der Amtsträger <strong>die</strong>nen dem Herrn am besten, wenn sie ihren<br />

Männern treu zur Seite stehen, so dass <strong>die</strong>se ungehindert, sauber <strong>und</strong> anständig gekleidet,<br />

Gottes Werk treiben können.“<br />

Au<strong>ch</strong> wenn heute <strong>die</strong> Formulierungen ni<strong>ch</strong>t mehr ganz so deutli<strong>ch</strong> sind. Das Gr<strong>und</strong>prinzip <strong>die</strong>ser<br />

Aussagen ist weiterhin erhalten geblieben.<br />

„Für <strong>die</strong> Brüder gilt no<strong>ch</strong> der Gr<strong>und</strong>satz: Die Frauen der Brüder haben mit den Gemeinde­<br />

Angelegenheiten ni<strong>ch</strong>t das Geringste zu tun! Die Frauen haben ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> Kraft empfangen,<br />

<strong>die</strong> mit dem Amt verb<strong>und</strong>enen Lasten tragen zu können. Wenn <strong>die</strong> Männer Familienbesu<strong>ch</strong>e<br />

ma<strong>ch</strong>en, können <strong>die</strong> Frauen zu Hause ihre Knie beugen <strong>und</strong> beten, dass <strong>die</strong> Seelenarbeit des<br />

Mannes mit Segen gekrönt sei.“ (Ein Bezirksapostel am 9.7.1985, zitiert na<strong>ch</strong> S. Kranefeld, S.<br />

97)<br />

Die Antwort des Stammapostels, <strong>die</strong> er anlässli<strong>ch</strong> eines Jugendtages auf <strong>die</strong> Frage: „Warum<br />

können Frauen kein Amt erhalten?“ gegeben hat lautet: „Jesus hat damals nur Männer als<br />

Apostel berufen. Hätte Gott <strong>die</strong> Absi<strong>ch</strong>t gehabt, au<strong>ch</strong> Frauen zu <strong>die</strong>sem Dienst (Seelsorger) zu<br />

berufen, wäre gewiss in der Bibel etwas davon überliefert. Do<strong>ch</strong> unsere Frauen sind wi<strong>ch</strong>tige<br />

<strong>und</strong> verantwortungsvolle Aufgaben übertragen: Sie unterri<strong>ch</strong>ten z.B. <strong>die</strong> Kinder in der<br />

Vorsonntagss<strong>ch</strong>ule, Sonntagss<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> im Religionsunterri<strong>ch</strong>t. Als wertvolle Mitarbeiterinnen<br />

fanden wir sie in Instrumental<strong>ch</strong>ören <strong>und</strong> als Dirigentinnen von Gesangs<strong>ch</strong>ören.“ (Quelle :<br />

http:// wae<strong>ch</strong>terstimme.tripod.com/f<strong>und</strong>astu.html 09.02.03)<br />

In <strong>die</strong>sen Zitaten ist ni<strong>ch</strong>t erwähnt, dass <strong>die</strong> Frau no<strong>ch</strong> zu Kir<strong>ch</strong>enreinigungszwecken <strong>und</strong> zum<br />

S<strong>ch</strong>mücken des Altars mit Blumen sowie zu Besu<strong>ch</strong>en bei alten <strong>und</strong> kranken<br />

Gemeindemitgliedern befähigt ist.<br />

Das oben Genannte zeigt, wie s<strong>ch</strong>wierig es <strong>für</strong> <strong>die</strong> Frau innerhalb der NAK ist, <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> einen<br />

angemessenen Platz zu finden. Einen hohen Stellenwert hat <strong>die</strong> Frau als Mutter. Hier kann sie<br />

si<strong>ch</strong> in der <strong>Erziehung</strong>sarbeit beweisen. An den unauffälligen, dem System angepassten Kindern<br />

wird wiederum ihr Grad der Treue <strong>und</strong> Na<strong>ch</strong>folge gemessen. I<strong>ch</strong> werde das im Kapitel<br />

‚Elterli<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong>‘ no<strong>ch</strong> näher bes<strong>ch</strong>reiben.<br />

Eine besondere Stellung innerhalb der NAK­Sozialisation erhält <strong>die</strong> Frau dann, wenn ihr Mann<br />

ein Amtsträger ist. Hier kann sie ihre ‚Mariagesinnung‘ unter Beweis stellen. Unter <strong>die</strong>ser<br />

Gesinnung, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in der besonderen Semantik der ‚Gehilfin‘ ausdrückt, ist, wie bereits<br />

bes<strong>ch</strong>rieben, eine Frau zu verstehen, <strong>die</strong> dem Ehemann ni<strong>ch</strong>ts in den Weg legt, damit <strong>die</strong>ser <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> NAK tätig sein kann. Dabei wird lei<strong>ch</strong>t übersehen, wie sehr <strong>die</strong> Frau damit zur<br />

Unterordnung, Demut <strong>und</strong> Na<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>t erzogen wird. Die ohnehin einges<strong>ch</strong>ränkten Chancen zu<br />

Entwicklung eines Selbstwertes innerhalb <strong>die</strong>ser f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft wird bei<br />

Frauen also no<strong>ch</strong> weiter reduziert. Die jungen Mäd<strong>ch</strong>en lernen von Anfang an, dass der Verzi<strong>ch</strong>t<br />

auf eigene Interessen eine Tugend ist <strong>und</strong> dass si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> eigenen <strong>und</strong> familiären Bedürfnisse dem<br />

40


f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en System, dessen Teil der ein Amt tragende Ehemann ist, unterordnen<br />

müssen. Frauen von Amtsträgern bilden innerhalb der Organisation no<strong>ch</strong> einmal eine Subkultur.<br />

Sie heben si<strong>ch</strong> in der Gemeinde ab von normalen Frauen. So werden sie z.b. hin <strong>und</strong> wieder mit<br />

ihren Männern zu besonderen Gottes<strong>die</strong>nsten eingeladen. Das betont ihre Stellung innerhalb der<br />

NAK­ Gesells<strong>ch</strong>aft. Es kann hier au<strong>ch</strong> zum Teil zu fragwürdigen Auswü<strong>ch</strong>sen kommen. Diese<br />

zeigen si<strong>ch</strong> immer dann, wenn bei besonderen Gottes<strong>die</strong>nsten <strong>die</strong> Frauen der höheren<br />

Amtsstufen besondere Plätze in den ersten Kir<strong>ch</strong>enbankreihen bekommen, oder sogar kurz vor<br />

dem Gottes<strong>die</strong>nst von einem Diakon oder Vorsteher einer Kir<strong>ch</strong>engemeinde in der Reihenfolge<br />

der Ämterhierar<strong>ch</strong>ie ihrer Männer (!) zu ihren Plätzen geführt werden.<br />

Eine andere groteske Entwicklung zeigt si<strong>ch</strong> bei man<strong>ch</strong>en jugendli<strong>ch</strong>en Frauen. Einige von<br />

ihnen wählen ihren Lebenspartner unter der Bedingung, dass <strong>die</strong>ser bereits ein Amt besitzt, da<br />

hiermit in gewisser Hinsi<strong>ch</strong>t gewährleistet ist , dass er ein ‚Gott wohlgefälliges Leben’ führt <strong>und</strong><br />

zudem ist so nebenbei der eigene Status au<strong>ch</strong> gesi<strong>ch</strong>ert.<br />

Ohne Frage gibt es innerhalb der NAK mehrere Generationen von Frauen, <strong>die</strong> ihren Selbstwert<br />

auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> über den ‚Amtswert‘ ihres Mannes beziehen, da jede eigene Entwicklung <strong>dur<strong>ch</strong></strong><br />

<strong>die</strong> starke Eingeb<strong>und</strong>enheit des Mannes in das System verhindert wurde. Weil <strong>die</strong> Frau <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Kinder zuständig war, gab es <strong>für</strong> sie wenig bis keine Gelegenheit, eigenen Interessen<br />

na<strong>ch</strong>zugehen <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> so außerhalb des Berei<strong>ch</strong>es der Kindererziehung zu entwickeln. Der<br />

St<strong>und</strong>enplan des Ehemannes verbot <strong>die</strong>s einfa<strong>ch</strong>. Mit dem gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Wandel kam au<strong>ch</strong><br />

<strong>die</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit <strong>für</strong> Frauen berufstätig zu sein. Dies bedeutete <strong>und</strong> bedeutet bis heute eine<br />

immense Belastung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Frau, da mit einer Hilfe des Mannes im häusli<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong> nur sehr<br />

bedingt zu re<strong>ch</strong>nen ist.<br />

„Do<strong>ch</strong> dann lernte i<strong>ch</strong> meinen heutigen Ehemann kennen, der no<strong>ch</strong> nie irgendwel<strong>ch</strong>e Ambitionen<br />

zum sogenannten Seelsorger hatte. I<strong>ch</strong> muss zugeben, man<strong>ch</strong>es mal sehr zu meinem<br />

Leidwesen, wenn i<strong>ch</strong> zusehen musste, wie <strong>die</strong> Ehemänner meiner Mits<strong>ch</strong>western auf der<br />

Amtsträgerleiter eine Stufe um <strong>die</strong> andere erklommen. Da konnte i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> in meinen<br />

Träumen s<strong>ch</strong>on mal erwis<strong>ch</strong>en, wie i<strong>ch</strong> meinen Mann im s<strong>ch</strong>warzen Anzug, eingereiht in <strong>die</strong><br />

Reihe der Amtsträger, würdevoll zum Altar s<strong>ch</strong>reitend, vor mir sah.<br />

Dieser Traum vom Amtsbruder als Ehepartner wurde übrigens ni<strong>ch</strong>t nur von mir geträumt.<br />

Hatten s<strong>ch</strong>on <strong>die</strong> Frauen ni<strong>ch</strong>ts zu sagen, so do<strong>ch</strong> wenigstens der eigene Mann. Die Frau<br />

konnte somit ihr Selbstwertgefühl am Mann festma<strong>ch</strong>en. Als Beterinnen <strong>und</strong> Gehilfinnen –<br />

wie es im NAK­Jargon heißt­ an der Seite ihrer Oberhäupter, wurde ihnen von Männerseite<br />

man<strong>ch</strong>es Lob zu teil. Mussten sie ihren Mann do<strong>ch</strong> zum größten Teil mit der Kir<strong>ch</strong>e teilen. “<br />

(Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, „Auf den Spuren meiner Identität“ aus „Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind.“)<br />

Der ‚Gehilfinnen –Status‘ ist au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> von offizieller Kir<strong>ch</strong>enseite aus na<strong>ch</strong> wie vor<br />

unverändert.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden: Das System NAK ist darauf ausgeri<strong>ch</strong>tet Frauen <strong>und</strong><br />

Männer ni<strong>ch</strong>t als glei<strong>ch</strong>wertig zu betra<strong>ch</strong>ten. Es gibt eine strenge Rollenteilung innerhalb des<br />

Systems. Ni<strong>ch</strong>t jede Frau empfindet das <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> befriedigend. Man<strong>ch</strong>e jungen Frauen bre<strong>ch</strong>en<br />

heute offen mit den geforderten Unterordnungsprinzipien. Dies führt jedo<strong>ch</strong> <strong>für</strong> sie immer zu<br />

Spannungen mit systemkonformen Mens<strong>ch</strong>en. Wie <strong>und</strong> wo <strong>die</strong> Frau ihre Stellung innerhalb der<br />

NAK <strong>und</strong> vor allem <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> selbst finden kann, ist sehr stark abhängig vom jeweiligen Leiter<br />

einer Kir<strong>ch</strong>engemeinde, <strong>die</strong> Lehre an si<strong>ch</strong> ist jedo<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> patriar<strong>ch</strong>alis<strong>ch</strong> orientiert.<br />

41


3.2 Elterli<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong> unter dem Einfluss des NAK­Systems<br />

In der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e kommt der Familie eine ganz besondere Stellung zu. Sie ist <strong>die</strong><br />

kleinste <strong>und</strong> wi<strong>ch</strong>tigste Zelle in der NAK­Sozialisation. In ihr soll das Kind S<strong>ch</strong>utz <strong>und</strong><br />

Geborgenheit erfahren. Im Idealfall ist sie im Kleinen das, was sonst <strong>die</strong> ‚Familie der<br />

Gotteskinder’ im Großen darstellt. In ihr sind <strong>die</strong> Strukturen einfa<strong>ch</strong> <strong>und</strong> klar.<br />

In den ‚Hausregeln <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitglieder der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e’ kann man unter dem Kapitel<br />

‚Kindererziehung’ folgendes lesen:<br />

„Kinder sind eine Gabe Gottes, <strong>und</strong> Gott liebt sie. Die <strong>Erziehung</strong> beginnt bereits im Mutterleib.<br />

Das bedeutet, dass <strong>die</strong> Mutter das empfangene Leben bewusst in ihr Glaubens­ <strong>und</strong> Gebetsleben<br />

einbezieht, wobei der Vater sie unterstützen soll.<br />

Von Anfang an werden si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Eltern (oder <strong>die</strong> <strong>Erziehung</strong>sbere<strong>ch</strong>tigten) bemühen, <strong>die</strong><br />

Entfaltung der Persönli<strong>ch</strong>keit jedes ihrer Kinder zu fördern. In der <strong>Erziehung</strong> ist das Vorbild der<br />

Eltern sehr ents<strong>ch</strong>eidend. Die Eltern führen <strong>die</strong> Kinder in <strong>die</strong> Gottesfur<strong>ch</strong>t hinein, d.h. sie lehren<br />

sie, das Göttli<strong>ch</strong>e zu a<strong>ch</strong>ten, zu lieben <strong>und</strong> dem Willen Gottes entspre<strong>ch</strong>end zu handeln.<br />

Von klein auf haben <strong>die</strong> Kinder ihren Platz in der Gemeinde. Deshalb sollten <strong>die</strong> Eltern <strong>die</strong><br />

Kinder in <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste mitbringen <strong>und</strong> ihnen <strong>die</strong> Teilnahme am kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>t<br />

ermögli<strong>ch</strong>en. Die Eltern sollen mit den Lehrkräften <strong>und</strong> Amtsträgern zusammenwirken <strong>und</strong> das<br />

Lernen der Kinder interessiert begleiten. So unterstützen sie ihre Kinder, in dem sie<br />

­ mit ihnen Glaubensgesprä<strong>ch</strong>e führen, <strong>die</strong> den Wert der Gotteskinds<strong>ch</strong>aft <strong>und</strong> das Ziel des<br />

Glaubens bewusst ma<strong>ch</strong>en,<br />

­ sie im Beten unterweisen <strong>und</strong> über Gebetserhörungen spre<strong>ch</strong>en,<br />

­ sie das Opfern lehren <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bedeutung des Segens aufzeigen.<br />

Eltern müssen bestrebt sein, <strong>die</strong> Kinder ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> eigener Auffassung, sondern der Lehre Jesu<br />

entspre<strong>ch</strong>end zu erziehen; dazu gehört au<strong>ch</strong>, <strong>die</strong> A<strong>ch</strong>tung vor dem Nä<strong>ch</strong>sten <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Werts<strong>ch</strong>ätzung der Amtsträger zu fördern. (....) Sie sollten den Kindern das Re<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t<br />

verweigern, mit ihnen über alles spre<strong>ch</strong>en zu dürfen, <strong>und</strong> ihnen ihrem Alter gemäß<br />

Orientierungshilfen zu geben. Glei<strong>ch</strong>gültiges Verhalten der Eltern wäre ebenso fals<strong>ch</strong> wie<br />

überzogenes Reagieren. Dem Umgang der Kinder <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Einflüssen sollte<br />

Aufmerksamkeit ges<strong>ch</strong>enkt werden. Ein inniges Vertrauensverhältnis zwis<strong>ch</strong>en Eltern <strong>und</strong><br />

Kindern beugt vielen Gefahren vor. Die Kinder sollen zu eigenverantwortli<strong>ch</strong>en neuapostolis<strong>ch</strong>e<br />

Christen erzogen werden. (Quelle: Hausregeln, Hg. Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e International,<br />

Züri<strong>ch</strong>, Ausgabe 1997, Seite 30)<br />

Der Text zeigt deutli<strong>ch</strong>, wie zwis<strong>ch</strong>en <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus positiven <strong>Erziehung</strong>sempfehlungen Forderungen<br />

na<strong>ch</strong> institutionsbezogenen <strong>Erziehung</strong>szielen formuliert werden. Hinter dem hier so neutral<br />

ers<strong>ch</strong>einenden Text verbirgt si<strong>ch</strong> ein strenger, unter dem Deckmantel des direkten Gotteswillens<br />

verborgener Zwang zu einem genau vorgegebenen Lebensweg. Die Kinder sollen zur<br />

Gehorsamspfli<strong>ch</strong>t gegenüber den Eltern <strong>und</strong> Amtsträgern erzogen werden. Bereits im<br />

vorliegenden Zitat fällt auf, dass Jesus oder <strong>die</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Lehre <strong>und</strong> deren Werte ni<strong>ch</strong>t explizit<br />

erwähnt werden. Eine Tatsa<strong>ch</strong>e, der man Bea<strong>ch</strong>tung s<strong>ch</strong>enken sollte! Für den Leser ist der<br />

systemspezifis<strong>ch</strong>e Bedeutungshintergr<strong>und</strong> der Spra<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Gerade <strong>die</strong> besondere,<br />

nur in der betreffenden Gruppe gespro<strong>ch</strong>ene Spra<strong>ch</strong>e erhöht das Wir­Gefühl der Gruppe<br />

beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>. Man erkennt si<strong>ch</strong> überall auf der Welt s<strong>ch</strong>on alleine an der Spra<strong>ch</strong>e. Sie s<strong>ch</strong>afft eine<br />

Atmosphäre des Verstehens, des Bekannten, der Si<strong>ch</strong>erheit <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> der Besonderheit. Die<br />

Gruppe grenzt si<strong>ch</strong> da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> deutli<strong>ch</strong> von anderen Gruppen <strong>und</strong> Mens<strong>ch</strong>en ab. Nur jener gehört<br />

42


‚zu uns’, wel<strong>ch</strong>er <strong>die</strong> Gruppenspra<strong>ch</strong>e spri<strong>ch</strong>t, nur er kann au<strong>ch</strong> das Denks<strong>ch</strong>ema innerhalb der<br />

Gruppe verstehen.<br />

Angespro<strong>ch</strong>en wird <strong>die</strong> A<strong>ch</strong>tung vor dem Nä<strong>ch</strong>sten. Es wird hier allerdings ni<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, dass<br />

der Nä<strong>ch</strong>ste in erster Linie im eigenen Glaubenssystem, der ‚Gottesfamilie’ zu sehen ist. Fast<br />

sämtli<strong>ch</strong>e kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> sozialen Engagements beziehen si<strong>ch</strong> auf <strong>die</strong> Mitglieder der Gruppe,<br />

eher weniger auf andere Mens<strong>ch</strong>en. In der Spra<strong>ch</strong>e des neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen ist man selbst<br />

ein ‚Gotteskind’ <strong>und</strong> alle anderen Christen sind sogenannte ‚Weltmens<strong>ch</strong>en’. So ist ni<strong>ch</strong>t weiter<br />

verw<strong>und</strong>erli<strong>ch</strong>, dass <strong>die</strong> Mitglieder als <strong>die</strong> große Familie der Gotteskinder auftreten, innerhalb<br />

wel<strong>ch</strong>er <strong>die</strong> Mens<strong>ch</strong>en, ganz na<strong>ch</strong> dem Eltern – Kind­ Verhältnis, einfa<strong>ch</strong> kindli<strong>ch</strong> glauben<br />

müssen, was der Vater im Himmel <strong>dur<strong>ch</strong></strong> seine Gotteskne<strong>ch</strong>te zu sagen hat. Die Gottesfamilie ist<br />

Hort der Bewahrung <strong>und</strong> Si<strong>ch</strong>erheit in der immer komplexer werdenden Welt, als deutli<strong>ch</strong>e<br />

Abgrenzung na<strong>ch</strong> außen.<br />

„Ein Gotteskind fühlt <strong>die</strong> Wurzeln seines Glaubens in Vergangenem, orientiert si<strong>ch</strong> in seiner<br />

Gegenwart an den hohen Gedanken göttli<strong>ch</strong>er Lehre (Lebensweg, Glaubensweg,<br />

Vollendungsweg) <strong>und</strong> plant, hofft <strong>und</strong> vertraut in der Gnade Gottes auf Zukünftiges. Segensweg!<br />

Dabei lernt es in der Na<strong>ch</strong>folge <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Erfahrung, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Einsi<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Na<strong>ch</strong>ahmung.<br />

Besonders zu bea<strong>ch</strong>ten ist, dass das Lernen sehr verstärkt wird, wenn aufbauende gefühlsmäßige<br />

Beziehungen zu einem Vorbild bzw. zur Lehrperson mögli<strong>ch</strong> sind (Identifikation).<br />

In der Familien­Gemeins<strong>ch</strong>aft, in treuer Na<strong>ch</strong>folge in der Gemeins<strong>ch</strong>aft der Gotteskinder <strong>und</strong> in<br />

der Auseinandersetzung mit der Umwelt wa<strong>ch</strong>sen auf sol<strong>ch</strong>er Gr<strong>und</strong>lage Glaubens­<br />

Persönli<strong>ch</strong>keiten heran.“<br />

(Quelle: „Vors<strong>ch</strong>lag <strong>für</strong> das Seminar <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ullehrer“)<br />

Das heißt: Eltern werden angehalten, ihre Kinder zu Glaubenspersönli<strong>ch</strong>keiten <strong>und</strong> zur A<strong>ch</strong>tung<br />

vor ‚Glaubensautoritäten’ zu erziehen. Dies soll mögli<strong>ch</strong>st über gutes elterli<strong>ch</strong>es<br />

Vorbildverhalten gelingen.<br />

„Betende Kinder verklären ihre betenden Eltern; fleißige S<strong>ch</strong>üler ihre Lehrer.“(W. S<strong>ch</strong>midt,<br />

ehemaliger Stammapostel, Anmerkung d. Verfasserin) (Zitat aus „Eu<strong>ch</strong> zur Freude“ Ein Bu<strong>ch</strong><br />

<strong>für</strong> unsere Kinder, Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off, Frankfurt am Main, Seite 85)<br />

Die s<strong>ch</strong>einbare Kausalität zwis<strong>ch</strong>en <strong>Erziehung</strong>serfolg <strong>und</strong> Qualitätsmerkmal, ein gutes oder<br />

weniger gutes Gotteskind zu sein, treibt Eltern wie Kinder in ein Leistungs­ <strong>und</strong><br />

Gehorsamsdenken in Verglei<strong>ch</strong> oder gar Konkurrenz zu anderen Mitgliedern der Gemeinde. So<br />

werden Kinder zum Gradmesser <strong>für</strong> den Ernst elterli<strong>ch</strong>er Glaubensüberzeugung. Von <strong>die</strong>ser<br />

Gr<strong>und</strong>haltung, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> voll <strong>und</strong> ganz auf das Sein der Eltern, ni<strong>ch</strong>t aber auf das Sein des Kindes<br />

beziehen, geht ein enormer Druck aus, der von außen ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>tbar ist. Denno<strong>ch</strong> zeugen viele<br />

Beri<strong>ch</strong>te von ehemaligen Mitgliedern davon, wie sehr sie als Kinder gerade darunter gelitten<br />

haben.<br />

„(...) Unser sozialer Status in <strong>die</strong>ser Gemeinde war ganz­ganz unten. Au<strong>ch</strong> mein inzwis<strong>ch</strong>en<br />

verstorbener Vater litt sehr unter <strong>die</strong>ser Diskriminierung. Aber denno<strong>ch</strong> war er sehr linientreu.<br />

Heute weiß i<strong>ch</strong>, dass er <strong>dur<strong>ch</strong></strong> eine besonders straffe Kindererziehung Anerkennung in der<br />

Gemeinde errei<strong>ch</strong>en wollte.“(Quelle „Kurzges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te aus meinem königli<strong>ch</strong>en Leben in der<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e“. Autor der Verfasserin bekannt.)<br />

„Einmal zu Weihna<strong>ch</strong>tszeit, waren einige Kinder dazu ausersehen, Gedi<strong>ch</strong>te oder Verse<br />

vorzutragen. An „meinen“ Text erinnere i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr, mit heute no<strong>ch</strong> großem Entsetzen<br />

allerdings an den Vortrag des selben. Zu Hause regelre<strong>ch</strong>t „gedrillt“ auf <strong>die</strong> ri<strong>ch</strong>tige<br />

„Wiedergabe“, versagte i<strong>ch</strong> völlig. I<strong>ch</strong> sah <strong>die</strong> vielen erwartungsfroh s<strong>ch</strong>räg gestellten<br />

43


Gesi<strong>ch</strong>ter, fing an zu weinen <strong>und</strong> bra<strong>ch</strong>te keinen Ton mehr heraus. Alle la<strong>ch</strong>ten. Meine Mutter<br />

bestrafte mi<strong>ch</strong> mit eisigem S<strong>ch</strong>weigen, später folgten zwar keine S<strong>ch</strong>läge, aber <strong>die</strong> „moralis<strong>ch</strong>e“<br />

Tour tat ebenso ihre Wirkung. Für meine Eltern war das ganze s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> eine herbe<br />

Niederlage, i<strong>ch</strong> hatte total „versagt“. S<strong>ch</strong>on damals mit 6 oder 7 Jahren, keimte in mir der<br />

Gedanke, dass irgend etwas ni<strong>ch</strong>t stimmen kann mit <strong>die</strong>sem System. In Worte fassen konnte i<strong>ch</strong><br />

es selbstverständli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, aber das Gefühl war da.“ (Quelle: Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, Autor der<br />

Verfasserin bekannt)<br />

Bereits zu <strong>die</strong>sem, ganz frühen Zeitpunkt setzt der <strong>Erziehung</strong>seingriff <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Me<strong>ch</strong>anismen<br />

des NAK­Systems ein. Es zeigt si<strong>ch</strong>, wie eng <strong>die</strong> Eltern mit den Vorgaben der Institution<br />

verflo<strong>ch</strong>ten sind <strong>und</strong> wie sie in der Annahme, das Beste <strong>für</strong> ihr Kind zu tun, <strong>die</strong>se Vorgaben in<br />

treuem Gehorsam weitervermitteln.<br />

3.3 <strong>Erziehung</strong>sstile<br />

Zur ges<strong>und</strong>en, natürli<strong>ch</strong>en Entwicklung des Kindes gehört ein kindzentrierter <strong>Erziehung</strong>sstil.<br />

1991 wurde in einer Längss<strong>ch</strong>nittstu<strong>die</strong> zur Wirkung von <strong>Erziehung</strong>sstilen festgestellt: Kinder,<br />

<strong>die</strong> von warmherzigen, gefühlsbetonten Müttern <strong>und</strong> Vätern erzogen worden waren, waren gut in<br />

der Lage mit den Herausforderungen des Lebens in Ehe, Kindererziehung <strong>und</strong> bei sozialen<br />

Kontakten umzugehen. Der kindzentrierte Entwicklungsstil zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> autoritativ­<br />

we<strong>ch</strong>selseitige Forderungen <strong>und</strong> Anleitungen aus, <strong>die</strong> Kommunikation funktioniert gut in beiden<br />

Ri<strong>ch</strong>tungen. Das Kind wird akzeptiert. Die Eltern reagieren sensibel <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> mal mit<br />

Na<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>t. Sie s<strong>ch</strong>enken den Kindern positive Bea<strong>ch</strong>tung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Liebe, Zuwendung <strong>und</strong> Lob. Das<br />

ist, will man C. Rogers Theorie folgen, eine ganz wi<strong>ch</strong>tige Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung<br />

eines Selbsta<strong>ch</strong>tungsgefühls oder Selbstwertgefühls beim Kind. Ist jedo<strong>ch</strong> <strong>die</strong> positive<br />

Bea<strong>ch</strong>tung des Kindes an Normen, Moralvorstellungen <strong>und</strong> Konventionen, also an äußere<br />

Bedingungen gekoppelt, so geht C. Rogers davon aus, dass si<strong>ch</strong> nur eine bedingte Selbsta<strong>ch</strong>tung<br />

entwickeln kann <strong>und</strong> ein vorgegebenes Ideal­Selbst erstrebenswert s<strong>ch</strong>eint.<br />

I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te im nun folgenden <strong>die</strong> vers<strong>ch</strong>iedenen <strong>Erziehung</strong>sformen bes<strong>ch</strong>reiben, <strong>die</strong> na<strong>ch</strong> meiner<br />

Beoba<strong>ch</strong>tung bei neuapostolis<strong>ch</strong>en Eltern vorliegen können. Wie in allem bisher Bes<strong>ch</strong>riebenen<br />

stehen hinter den theoretis<strong>ch</strong>en Ausführungen Mens<strong>ch</strong>en, es können also <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus<br />

Abwei<strong>ch</strong>ungen von Verhaltensweisen auftreten. Denno<strong>ch</strong> ist mir sehr wi<strong>ch</strong>tig, einige<br />

Gr<strong>und</strong>muster elterli<strong>ch</strong>er <strong>Erziehung</strong> zu skizzieren. I<strong>ch</strong> führe meine Bes<strong>ch</strong>reibungen auf viele<br />

Gesprä<strong>ch</strong>e mit ehemaligen <strong>und</strong> heutigen NAK­Mitgliedern zurück, sowie auf meine eigene, ganz<br />

persönli<strong>ch</strong>e Erfahrung.<br />

Die meisten neuapostolis<strong>ch</strong>en Eltern bemerken ni<strong>ch</strong>t, dass ihre <strong>Erziehung</strong>sziele – zumindest im<br />

religiösen Berei<strong>ch</strong> – ni<strong>ch</strong>t ihre eigenen sind, sondern von der Gruppe vorgegeben wurden bzw.<br />

s<strong>ch</strong>on seit vielen Elterngenerationen indoktriniert wurden. I<strong>ch</strong> gehe soweit zu behaupten, dass in<br />

Fragen der religiösen <strong>Erziehung</strong> <strong>die</strong> Eltern einen institutionszentrierten, autoritären<br />

<strong>Erziehung</strong>sstil zeigen <strong>und</strong> Teilaspekte daraus si<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus gelegentli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> auf andere<br />

<strong>Erziehung</strong>ssituationen im Alltag auswirken können.<br />

I<strong>ch</strong> konnte zwei Ri<strong>ch</strong>tungen von <strong>Erziehung</strong>sformen feststellen. Ohne es wahrzunehmen haben<br />

<strong>die</strong> meisten Eltern einen<br />

1. ‚institutionszentrierten <strong>Erziehung</strong>sstil’, oder:<br />

2. einen partiell institutionszentrierten, partiell kindzentrierten ‚gespaltenen <strong>Erziehung</strong>sstil’.<br />

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3.3.1 Der institutionszentrierte <strong>Erziehung</strong>sstil<br />

Der prinzipiell elternzentrierte <strong>und</strong> ihm aufgepfropfte institutionszentrierte <strong>Erziehung</strong>sstil ist sehr<br />

fordernd <strong>und</strong> lenkend, sowie ma<strong>ch</strong>tbetont <strong>und</strong> autoritär. S<strong>ch</strong>on ein ‚normaler‘ elternzentrierter<br />

<strong>Erziehung</strong>sstil ganz ohne religiöse <strong>Erziehung</strong>selemente ma<strong>ch</strong>t den Beziehungsaufbau zwis<strong>ch</strong>en<br />

Eltern <strong>und</strong> Kindern s<strong>ch</strong>wer. Wie viel mehr ein <strong>Erziehung</strong>sstil mit religiösen Elementen unter der<br />

Ma<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>einbar göttli<strong>ch</strong>er Autorität.<br />

I<strong>ch</strong> verstehe unter einem institutionszentrierten <strong>Erziehung</strong>sstil folgendes:<br />

Die den <strong>Erziehung</strong>sstil prägenden Dimensionen ‚Zuwendung‘ <strong>und</strong> ‚Lenkung‘ werden im<br />

religiös­f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong> ganz <strong>und</strong> gar von den Institutionsvorgaben beherrs<strong>ch</strong>t.<br />

Das von der f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft vermittelte Gottesbild wird zwis<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> Eltern<br />

<strong>und</strong> das Kind ges<strong>ch</strong>oben, folgli<strong>ch</strong> wird das Kind in sol<strong>ch</strong>en Fällen von den Eltern nur anerkannt<br />

<strong>und</strong> akzeptiert, wenn es den Vorgaben der Institution entspri<strong>ch</strong>t. Liebe kann nur unter speziellen<br />

vom Kind zu erfüllenden Bedingungen fließen. Es wird ni<strong>ch</strong>t um seiner selbst willen geliebt.<br />

Somit bekommt das Kind sowohl von den Eltern als au<strong>ch</strong> vom ‚Institutionsgott‘ nur unter<br />

bestimmten Voraussetzungen Zuwendung. Hierbei gibt es – was den Gott der Institution betrifft<br />

­ keinerlei Na<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>t. Die Folgen von Fehlverhalten können das ewige Leben bei Gott gefährden.<br />

Es entsteht also genau <strong>die</strong> Umweltsituation der von außen kommenden Vorgaben <strong>und</strong> Normen,<br />

<strong>die</strong> zur Entwicklung einer nur sehr bedingten Selbsta<strong>ch</strong>tung beim Mens<strong>ch</strong>en führen.<br />

Die Gnade Gottes, seine ‚Na<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>t‘, wird als eine sehr willkürli<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>wer greif­ <strong>und</strong> si<strong>ch</strong>tbare<br />

Größe erlebt, <strong>die</strong> man <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Glaubensgehorsam, Opfer <strong>und</strong> Einsatz <strong>für</strong> das ‚Werk des Herrn‘,<br />

sowie eigene Vergebungsbereits<strong>ch</strong>aft beeinflussen kann, ja geradezu muss, um ni<strong>ch</strong>t ins<br />

Verderben gestürzt zu werden. Denno<strong>ch</strong> ist <strong>für</strong> den Gläubigen ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbar <strong>und</strong><br />

na<strong>ch</strong>prüfbar, ob <strong>die</strong>se Beeinflussung denn au<strong>ch</strong> gelungen ist. Große innere Unsi<strong>ch</strong>erheit <strong>und</strong><br />

Angst vor Fehlverhalten können unter anderem <strong>die</strong> Folgen daraus sein. Hinzu kommt no<strong>ch</strong> <strong>die</strong><br />

Verantwortung, <strong>die</strong> man s<strong>ch</strong>einbar als ‚Gotteskind‘ gegenüber anderen Mens<strong>ch</strong>en hat. Ein<br />

‚Gotteskind‘ ist in allen Dingen des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Seins ein Vorbild. Eltern, <strong>die</strong> selbst <strong>die</strong><br />

Lehrinhalte <strong>und</strong> Systemvorgaben verinnerli<strong>ch</strong>t haben, werden ihre Kinder ni<strong>ch</strong>t nur na<strong>ch</strong> den<br />

Lehrinhalten, sondern au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> den ihnen bekannten Methoden des Gehorsams <strong>und</strong> der<br />

Unterordnung erziehen. Sie wissen genau, wie ein perfektes Gotteskind auszusehen hat <strong>und</strong><br />

wollen das Kind zu <strong>die</strong>sem Ideal­Bild hinführen. Dabei bleiben persönli<strong>ch</strong>e Wüns<strong>ch</strong>e oder<br />

Anlagen des Individuums nur insoweit berücksi<strong>ch</strong>tigt, als sie dem System <strong>und</strong> somit nur<br />

s<strong>ch</strong>einbar dem Individuum selbst <strong>die</strong>nli<strong>ch</strong> sind. Ni<strong>ch</strong>t selten färben <strong>die</strong> institutionszentrierten<br />

<strong>Erziehung</strong>smittel auf <strong>die</strong> Allgemeinerziehung der Eltern ab. Man<strong>ch</strong>e Eltern lassen si<strong>ch</strong> dazu<br />

verführen, ähnli<strong>ch</strong>e Mittel au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dur<strong>ch</strong>setzung ihrer eigenen Vorstellungen einzusetzen. „<br />

Wenn du das ma<strong>ch</strong>st, ist der liebe Gott/ Jesus aber traurig...“ Gott wird als <strong>Erziehung</strong>shelfer<br />

missbrau<strong>ch</strong>t.<br />

I<strong>ch</strong> halte es <strong>für</strong> eine ganz besonders fragwürdige Methode, einer deutli<strong>ch</strong> elternzentrierten<br />

<strong>Erziehung</strong> eine institutionszentrierte Zielvorgabe geradezu aufzupfropfen <strong>und</strong> das unter dem<br />

Deckmantel s<strong>ch</strong>einbar kindzentrierter Zuwendung zur Erlangung göttli<strong>ch</strong>en Willens <strong>und</strong> Segens.<br />

Die folgende S<strong>ch</strong>ulungs­Anleitung <strong>für</strong> Sonntagss<strong>ch</strong>ullehrer soll das dahinterliegende Denken<br />

aufdecken. Au<strong>ch</strong> wenn es si<strong>ch</strong> hier um eine Anleitung zur Sonntagss<strong>ch</strong>ule handelt verkörpert<br />

<strong>die</strong>ses Denks<strong>ch</strong>ema viele elterli<strong>ch</strong>en Hintergründe.<br />

„Die mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Fähigkeiten, Einstellungen, Haltungen <strong>und</strong> Kapazitäten entwickeln si<strong>ch</strong> in<br />

einem Bildungsprozess (innere Voraussetzungen <strong>und</strong> äußere Einflüsse).<br />

Die sakramentalen Handlungen in Taufe, Versiegelung, Sündenvergebung <strong>und</strong> Abendmahl sind<br />

Gnadenerweise Gottes <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>voraussetzung zum Lebens­ <strong>und</strong> Vollendungsweg eines<br />

Gotteskindes.<br />

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Es liegt im Willen Gottes, dass si<strong>ch</strong> ein Gotteskind in dem ihm gegebenen<br />

Entwicklungsmögli<strong>ch</strong>keiten entfaltet, na<strong>ch</strong> seinem Willen fragt <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> unter <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>e<br />

Ordnung stellt. (<strong>die</strong> NAK, Anmerkung d. Verfasserin)<br />

Wird <strong>die</strong>ses Ziel angestrebt <strong>und</strong> der Entwicklungsprozess günstig beeinflusst, entfalten si<strong>ch</strong><br />

Begabungen <strong>die</strong> zum Na<strong>ch</strong>folgen <strong>und</strong> Überwinden befähigen.“ (Gr<strong>und</strong>lagenpapier <strong>für</strong><br />

Sonntagss<strong>ch</strong>ullehrer, BaWü, 1994)<br />

Ganz deutli<strong>ch</strong> ist anhand <strong>die</strong>ses Zitates zu sehen, wie zunä<strong>ch</strong>st allgemeingültige, <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus<br />

stimmige Aussagen über <strong>die</strong> Entwicklung eines Mens<strong>ch</strong>en den Text einleiten. Ganz ents<strong>ch</strong>eidend<br />

jedo<strong>ch</strong> ist der zweite Teil. Eindeutig wird hier einem Mens<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> Notwendigkeit der göttli<strong>ch</strong>en<br />

Gnadenerweise <strong>dur<strong>ch</strong></strong> bestimmte sakramentale Handlungen, <strong>die</strong> nur in der NAK angeboten<br />

werden vermittelt. Erst <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong>se Gnadenhandlungen erhält ein Mens<strong>ch</strong> <strong>die</strong> notwendigen<br />

Fähigkeiten ein ‚Gotteskind’ zu werden <strong>und</strong> vor allem zu bleiben <strong>und</strong> das ist das erklärte<br />

<strong>Erziehung</strong>sziel der NAK. Die Aussagen <strong>und</strong> Vorgaben gelten als ni<strong>ch</strong>t zu hinterfragende<br />

Wahrheit, da sie einer s<strong>ch</strong>einbar ‚göttli<strong>ch</strong>en Ordnung‘ entspre<strong>ch</strong>en. An <strong>die</strong>ser Stelle sei no<strong>ch</strong><br />

einmal darauf hingewiesen, dass gerade <strong>die</strong> angenommene Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>keit von Aussagen<br />

ein besonderes Zei<strong>ch</strong>en von f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aften darstellt. Im weiteren leiten<br />

si<strong>ch</strong> selbstverständli<strong>ch</strong> zwingend notwenige Verhaltens ­ <strong>und</strong> Lebensweisen ab, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se<br />

hineingelegten Fähigkeiten zur Gotteskinds<strong>ch</strong>aft kultivieren <strong>und</strong> entwickeln helfen sollen. Mit<br />

den leidigen Wenn­Dann­Kausalitäten wird dem Kind klar gema<strong>ch</strong>t, was ges<strong>ch</strong>ieht, sollte es<br />

ni<strong>ch</strong>t folgsam sein. Mit den Mitteln der Ma<strong>ch</strong>t <strong>und</strong> der Angst soll das Kind <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> elterli<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Erziehung</strong> dazu gebra<strong>ch</strong>t werden, mögli<strong>ch</strong>st alle – im Sinne der Institution – gewüns<strong>ch</strong>ten<br />

Verhaltensweise zu zeigen. Ist das Verhalten des Kindes einmal dergestalt geformt, s<strong>ch</strong>ließt si<strong>ch</strong><br />

sein Denken all jenen Vorgaben an. Das Kind gehor<strong>ch</strong>t, um einer Strafe zu entgehen. Es wird<br />

zum Konfliktvermeider erzogen. Damit <strong>die</strong> elterli<strong>ch</strong>e Konditionierung au<strong>ch</strong> wirksam ist <strong>und</strong><br />

bleibt, wird sie in jedem Gottes<strong>die</strong>nst <strong>und</strong> in jeder Sonntagss<strong>ch</strong>ule per ‚göttli<strong>ch</strong>er’ Autorität<br />

bekräftigt <strong>und</strong> wiederholt. Viele Aussteiger müssen jahrelang ri<strong>ch</strong>tiggehend deko<strong>die</strong>rt werden,<br />

damit sie langsam psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Freiheit entwickeln können, von der Gruppe abwei<strong>ch</strong>endes<br />

Denken oder Verhalten, im Sinne eigener Ansi<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> Meinungen, angstfrei zeigen zu<br />

können.<br />

Wie <strong>die</strong> gewüns<strong>ch</strong>ten ‚positiven‘ Entwicklungen <strong>für</strong> ein ‚Gotteskind’ zum Ausdruck kommen,<br />

wird so formuliert:<br />

­ „In der Fähigkeit, in Gott wohlgefälliger Art zu fühlen, zu denken <strong>und</strong> zu handeln<br />

­ In der Fähigkeit, Triebansprü<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> Willen na<strong>ch</strong> den Anforderungen der Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

zu ri<strong>ch</strong>ten<br />

­ Mit wa<strong>ch</strong>sender Selbstverantwortung das natürli<strong>ch</strong>e Leben aus den Glaubensgr<strong>und</strong>sätzen<br />

<strong>und</strong> aus einer ethis<strong>ch</strong>en Gr<strong>und</strong>haltung heraus zu gestalten: „Man muss Gott mehr<br />

gehor<strong>ch</strong>en als den Mens<strong>ch</strong>en!“<br />

­ Im Willen in Liebe, Demut <strong>und</strong> Opferbereits<strong>ch</strong>aft in der Na<strong>ch</strong>folge in der Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

der Gotteskinder zu stehen<br />

­ Im Vertrauen auf Gottes Hilfe <strong>und</strong> Fürsorge vergeben <strong>und</strong> tragen zu können<br />

­ In der freudigen Erwartung auf <strong>die</strong> Wiederkunft zu stehen“(ebd.)<br />

Es wird an <strong>die</strong>ser Stelle besonders deutli<strong>ch</strong>, wie stark der Einfluss der Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft auf<br />

das Leben des einzelnen Mens<strong>ch</strong>en ist. Da si<strong>ch</strong>, wie s<strong>ch</strong>on aufgezeigt, <strong>die</strong> Kir<strong>ch</strong>e erfolgrei<strong>ch</strong><br />

zwis<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> Eltern <strong>und</strong> das Kind ges<strong>ch</strong>oben hat, werden viele Eltern nur no<strong>ch</strong> zu Handlangern<br />

der zu vertretenden Ideologie. Die institutionszentrierte <strong>Erziehung</strong> funktioniert perfekt. Da <strong>die</strong><br />

NAK si<strong>ch</strong> im Besitz der ‚göttli<strong>ch</strong>en Wahrheit’ befindet, ist der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ <strong>die</strong>ser<br />

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ihm übermittelten Wahrheit mehr verpfli<strong>ch</strong>tet als allen anderen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Denkmodellen. Es<br />

wird in <strong>die</strong>sem Zusammenhang ja sogar vers<strong>ch</strong>ärfend von gehor<strong>ch</strong>en gespro<strong>ch</strong>en.<br />

Dr. Hansjörg Hemminger s<strong>ch</strong>reibt in seinem Manuskript zur internationalen Fa<strong>ch</strong>tagung<br />

„<strong>Sekten</strong>“ – von der Prävention zur Intervention, Wien, 13.­14.09.1999 folgendes:<br />

„Die Simplifizierung von Ideen <strong>und</strong> Verhältnissen, <strong>die</strong> Überwertigkeit der eigenen Ideen,<br />

Ideologisierung <strong>und</strong> Totalisierung des Denkens, <strong>die</strong> Abwertung anderer Ansi<strong>ch</strong>ten bis hin zu<br />

Desinformation na<strong>ch</strong> innen <strong>und</strong> außen (...) führen zu den mögli<strong>ch</strong>en Gefahren einer verzerrten<br />

oder reduzierten Wahrnehmung bei den Eltern, <strong>die</strong> untaugli<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Erziehung</strong>smaßnahmen bewirken kann. Für <strong>die</strong> Kinder droht Wirkli<strong>ch</strong>keitsverlust <strong>dur<strong>ch</strong></strong> s<strong>ch</strong>wer<br />

verarbeitbare Ideen oder <strong>dur<strong>ch</strong></strong> eine zu weitgehende Komplexitätsreduktion. Die Eltern verlieren<br />

ihr Offenheit <strong>für</strong> neue Ideen. (...)<br />

3.3.2 Der gespaltene <strong>Erziehung</strong>sstil<br />

Es kann na<strong>ch</strong> meiner Beoba<strong>ch</strong>tung neben dem institutionszentrierten <strong>Erziehung</strong>sstil no<strong>ch</strong> zu zwei<br />

nebeneinander existierenden <strong>Erziehung</strong>sstilen kommen. Das stellt kein lei<strong>ch</strong>tes Unterfangen <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Eltern dar. Im Alltag versu<strong>ch</strong>en sie weitestgehend einen autoritativen kindzentrierten<br />

<strong>Erziehung</strong>sstil zu praktizieren. Das Kind wird im Alltagsleben als eine eigenständige<br />

Persönli<strong>ch</strong>keit akzeptiert gea<strong>ch</strong>tet <strong>und</strong> geliebt. Auf religiösem Gebiet muss laut Systemvorgabe<br />

das Kind <strong>und</strong> später der Jugendli<strong>ch</strong>e jedo<strong>ch</strong> zu absolutem, ni<strong>ch</strong>t zu hinterfragendem Gehorsam<br />

<strong>und</strong> zur Aufgabe der eigenen Persönli<strong>ch</strong>keit gezwungen werden. Eltern <strong>und</strong> Kind bewältigen<br />

einen riesigen Spagat. Konflikte mit <strong>und</strong> zwis<strong>ch</strong>en den beiden Lebensberei<strong>ch</strong>en lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

verhindern. Das kann eine Dauerstresssituation <strong>für</strong> das Kind <strong>und</strong> den Heranwa<strong>ch</strong>senden<br />

bedeuten. Man sieht si<strong>ch</strong> ständig gezwungen zu fragen: Was darf i<strong>ch</strong> wo <strong>und</strong> was ni<strong>ch</strong>t. Was ist<br />

hier gültig, ­ z.b. Kritikfähigkeit <strong>und</strong> Hinterfragen von präsentierten Aussagen ­, <strong>und</strong> was ist dort<br />

auf keinen Fall gültig, ­ z.b. Kritik <strong>und</strong> Hinterfragen von Amtsträgeraussagen ­. Bei <strong>die</strong>ser<br />

gezeigten <strong>Erziehung</strong> findet also keine Überstülpung der Institutionsvorgabe in allen<br />

<strong>Erziehung</strong>sberei<strong>ch</strong>en statt, sondern eine Zweigleisigkeit der angewandten Methoden. Das kann<br />

bis zur totalen Abspaltung der religiösen <strong>Erziehung</strong> von der sonst im Alltag praktizierten<br />

<strong>Erziehung</strong> führen. Da der Mens<strong>ch</strong> aber na<strong>ch</strong> Kongruenz strebt, wird in einem so erzogenen<br />

Mens<strong>ch</strong>en mögli<strong>ch</strong>erweise zeitlebens eine Zerrissenheit, im s<strong>ch</strong>limmsten Falle eine<br />

Gespaltenheit herrs<strong>ch</strong>en. So kann ein dergestalt erzogener Mens<strong>ch</strong> in vielen Lebensberei<strong>ch</strong>en<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus ein starkes Selbstbewusstsein <strong>und</strong> ein stabiles I<strong>ch</strong> zeigen, im religiösen Berei<strong>ch</strong> ist er<br />

jedo<strong>ch</strong> kindli<strong>ch</strong> <strong>und</strong> abhängig <strong>und</strong> ängstli<strong>ch</strong> geblieben. Der stetige Kampf zwis<strong>ch</strong>en den daraus<br />

entstehenden vers<strong>ch</strong>iedenen Persönli<strong>ch</strong>keitsanteilen kann einen so geprägten Mens<strong>ch</strong>en im Laufe<br />

der Jahre an Leib <strong>und</strong> Seele krank ma<strong>ch</strong>en. Zumindest jedo<strong>ch</strong> sind seine Energien sehr geb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> fehlen oft an ents<strong>ch</strong>eidender anderer Stelle. Ni<strong>ch</strong>t selten bleibt eine absolute Leere, ein<br />

Gefühl des ‚niemals irgendwo zu Hause ­Seins‘ zurück. Instrumentalisierte Eltern sind so oft<br />

Ursa<strong>ch</strong>e tiefen kindli<strong>ch</strong>en Leides ohne es zu bemerken. Erwa<strong>ch</strong>sen gewordenen Mens<strong>ch</strong>en,<br />

wel<strong>ch</strong>en es gelang, na<strong>ch</strong> ihrem Austritt <strong>die</strong> oben bes<strong>ch</strong>riebenen Einflüsse zu analysieren, haben<br />

es darum au<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>wer, einen Anspre<strong>ch</strong>partner <strong>für</strong> ihre Anklagen <strong>und</strong> ihr Leid zu finden.<br />

Versteckt si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> das System ges<strong>ch</strong>ickt hinter den Eltern <strong>und</strong> <strong>die</strong>se si<strong>ch</strong> wiederum hinter dem<br />

System. Niemand fühlt si<strong>ch</strong> verantwortli<strong>ch</strong>. Der Mens<strong>ch</strong> ist vollständig auf si<strong>ch</strong> selbst<br />

zurückgeworfen. Für Mens<strong>ch</strong>en in sol<strong>ch</strong>en Situationen fehlt es oft an verstehenden<br />

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Anspre<strong>ch</strong>partnern, weil es so unbegreifli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eint, dass ein stabiles Selbst so stark von einem<br />

ängstli<strong>ch</strong> kleinen Persönli<strong>ch</strong>keitsanteil beeinflusst werden kann. Aussagen wie: „Du stehst do<strong>ch</strong><br />

sonst au<strong>ch</strong> deinen Mann/Frau“ sind hier an der Tagesordnung.<br />

„I<strong>ch</strong> lebte (<strong>und</strong> lebe wohl no<strong>ch</strong>) auf einer Grenze. Eine ri<strong>ch</strong>tige ‚emotionale Heimat‘ hatte i<strong>ch</strong><br />

nie. In der NAK fühlte i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on als Kind ni<strong>ch</strong>t wohl. In der ‚Welt‘ hatte i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts zu<br />

su<strong>ch</strong>en. Die Drohungen <strong>und</strong> Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terungen wirkten viel zu gut, <strong>und</strong> als Kind hatte i<strong>ch</strong><br />

keine Mögli<strong>ch</strong>keit, wegzulaufen. Später dann, als Erwa<strong>ch</strong>sene, war ‚in der Welt‘ kein Ans<strong>ch</strong>luß<br />

da. Es fehlte so viel bereits ‚verlebte‘ Zeit. Beziehungen, Fre<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>aften, Selbstbehauptung,<br />

Selbstbewusstsein, überhaupt <strong>die</strong> Fähigkeit zum unbefangenen Umgang mit alltägli<strong>ch</strong>en<br />

Dingen, das muss ja eingeübt, ‚eingelebt‘ werden, jahrelang. Man<strong>ch</strong>es von klein auf. Diese<br />

Zeit fehlte mir, <strong>und</strong> i<strong>ch</strong> werde das alles nie aufholen können. Insofern hat <strong>die</strong> NAK bei mir<br />

ihren ‚Auftrag‘ erfüllt! Aber mein I<strong>ch</strong>, meine Persönli<strong>ch</strong>keit, ist im bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong>en Sinn des<br />

Wortes ‚irre‘ geworden an <strong>die</strong>ser ‚Kir<strong>ch</strong>e‘.“ (Quelle: Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, „Bin ein königli<strong>ch</strong><br />

Kind.“)<br />

Die Autoren Mi<strong>ch</strong>ael D. Langone. Ph. D., American Fo<strong>und</strong>ation <strong>und</strong> Margaret Thaler Singer, Ph.<br />

D., Universitiy of California, Berkeley haben <strong>die</strong>s anlässli<strong>ch</strong> eines internationalen Kongresses<br />

über Totalitäre Gruppen <strong>und</strong> Kulte 1993 in Barcelona so formuliert:<br />

„H<strong>und</strong>erttausende ehemalige Kultmitglieder kämpfen jedes <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> allein. Viele su<strong>ch</strong>en<br />

zweifellos Psy<strong>ch</strong>otherapie oder pastorale Beratung auf, um <strong>für</strong> ihren emotionellen Aufruhr <strong>und</strong><br />

ihre Verwirrung Hilfe zu finden. I<strong>ch</strong> <strong>für</strong><strong>ch</strong>te, dass in vielen Fällen <strong>die</strong>se Hilfe <strong>die</strong> kultis<strong>ch</strong>e<br />

Indoktrination nur verstärkt. Indem sie na<strong>ch</strong> ‚unbewußten Motiven‘, ‚dysfunktionalen<br />

Familiendynamiken‘ oder was au<strong>ch</strong> immer su<strong>ch</strong>t – auf der Jagd na<strong>ch</strong> einer Erklärung, warum<br />

ehemalige Kultmitglieder sol<strong>ch</strong> einer <strong>für</strong><strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>en Gruppe beitreten ‚wollten‘. Diese Leute sind<br />

ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> fehlgeleitet oder geplagte Su<strong>ch</strong>er. Sie sind Opfer. Wenn man <strong>die</strong> s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>e Rolle<br />

der kultis<strong>ch</strong>en Umgebung übersieht oder herunterspielt, ganz glei<strong>ch</strong> wie ho<strong>ch</strong> das Ausmaß <strong>und</strong><br />

von wel<strong>ch</strong>er Art <strong>die</strong> vorkultis<strong>ch</strong>e Psy<strong>ch</strong>opathologie war, so wird man das Opfer bloß stellen,<br />

statt ihm zu helfen.“ (http://griess.st1.at/gsk/recov0.htm; 13.02.03)<br />

Für mi<strong>ch</strong> ergeben si<strong>ch</strong> aus dem oben Aufgezeigten zusammenfassend folgende Hypothesen:<br />

1. Die Eltern haben <strong>die</strong> Fähigkeit, das Selbstwertgefühl des Kindes außerhalb der NAK so stark<br />

zu fördern <strong>und</strong> zu stärken, dass es in der Lage ist, mit den stark divergierenden Situationen<br />

zure<strong>ch</strong>t zu kommen. Hierzu müssen jedo<strong>ch</strong> eine große Anzahl von außersystemis<strong>ch</strong>en<br />

Selbstbestätigungen erfolgen. Dann kann es dem Mens<strong>ch</strong>en viellei<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> werden, si<strong>ch</strong><br />

dem System ni<strong>ch</strong>t ganz unterzuordnen <strong>und</strong> es kann mögli<strong>ch</strong>erweise gelingen, einen<br />

eigenständigen Selbstanteil zu entwickeln. Der vollständige Austaus<strong>ch</strong> im Sinne einer<br />

Introjektion kann nur wenig oder gar ni<strong>ch</strong>t gelingen, der angstbesetzte abhängige<br />

Persönli<strong>ch</strong>keitsanteil existiert an verdrängter Stelle, mehr oder wenig beeinflussend. Das<br />

wirft viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einen Blick auf <strong>die</strong> Frage, warum sol<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> oft denno<strong>ch</strong> so<br />

eng an <strong>die</strong> Institution geb<strong>und</strong>en fühlen. Sie bilden innerhalb des Systems ein Gruppe von<br />

Quertreibern <strong>und</strong> Revolutionären, <strong>die</strong> jedo<strong>ch</strong> meist trotzdem bemüht sind, „ihre NAK“ wie<br />

au<strong>ch</strong> immer zwar zu verändern. Sie sind offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t fähig oder willens, si<strong>ch</strong> von ihr<br />

zu lösen <strong>und</strong> bleiben Kritiker <strong>und</strong> Nörgler innerhalb der Gruppe.<br />

2. Das Kind hält <strong>die</strong>se widersprü<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>Erziehung</strong>ssituationen ni<strong>ch</strong>t aus. Es wird im<br />

s<strong>ch</strong>limmsten Falle neurotis<strong>ch</strong>, da <strong>die</strong> diametralen Unters<strong>ch</strong>iede ni<strong>ch</strong>t verarbeitet werden<br />

können. Das Bedürfnis na<strong>ch</strong> Kongruenz kann ni<strong>ch</strong>t gelebt werden.<br />

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3. Dur<strong>ch</strong> den berühmten Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt, (in Form einer<br />

persönli<strong>ch</strong>en Kränkung oder <strong>dur<strong>ch</strong></strong> deutli<strong>ch</strong>e Aufklärung <strong>und</strong> Kritik von außen), ist es dem<br />

Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t mehr mögli<strong>ch</strong>, seine Verdrängungs­ <strong>und</strong> Verzerrungsme<strong>ch</strong>anismen zu<br />

aktivieren. Au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Verleugnung gelingt ni<strong>ch</strong>t mehr, da Fakten vorliegen. Ihm wird <strong>die</strong><br />

inkongruente Situation, der er si<strong>ch</strong> ständig ausgesetzt sieht, bewusst. Von nun an versu<strong>ch</strong>t er,<br />

wie au<strong>ch</strong> immer, den Ausstieg aus <strong>die</strong>ser Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft zu vollziehen. Das kann oft<br />

viele, Jahre dauern <strong>und</strong> ist häufig mit einer immensen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Belastung verb<strong>und</strong>en. Ein<br />

mögli<strong>ch</strong>er Weg kann <strong>die</strong> intellektuelle Auseinandersetzung mit der Theologie sein, oder<br />

Erkenntnisse über Wirkme<strong>ch</strong>anismen, <strong>die</strong> einen unzulässigen Einfluss auf den Mens<strong>ch</strong>en<br />

ausüben. Allerdings bedarf ein sol<strong>ch</strong>er Betroffener meist zusätzli<strong>ch</strong> therapeutis<strong>ch</strong>e Hilfe in<br />

Form von Psy<strong>ch</strong>otherapie oder <strong>dur<strong>ch</strong></strong> eine Selbsthilfegruppe.<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> gibt es Unters<strong>ch</strong>iede im S<strong>ch</strong>weregrad der elterli<strong>ch</strong>­kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

<strong>Erziehung</strong>sauswirkungen. Das hat unter anderem au<strong>ch</strong> mit vers<strong>ch</strong>iedenen weiteren<br />

Sozialisationseinflüssen zu tun. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang soll der Einfluss des sozialen<br />

gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Status der Eltern, deren Status innerhalb des Systems <strong>und</strong> der elterli<strong>ch</strong>e<br />

Bildungsstand ni<strong>ch</strong>t unerwähnt bleiben. Es ist im Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit s<strong>ch</strong>wer hier genau<br />

abzugrenzen bzw. zu beleu<strong>ch</strong>ten, wel<strong>ch</strong>en mögli<strong>ch</strong>en Einfluss <strong>die</strong>se Parameter auf <strong>die</strong><br />

Selbstentwicklung nehmen <strong>und</strong> wie ho<strong>ch</strong> der prozentuale Wirkanteil daran ist. Kurz gesagt ist es<br />

si<strong>ch</strong>er <strong>für</strong> Kinder gebildeter Eltern lei<strong>ch</strong>ter, au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> Gedankengut außerhalb des NAK­<br />

Systems aufzunehmen. Das ist jedo<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> keine Garantie <strong>für</strong> größere Kritikfähigkeit. Sie kann<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus dem Bedürfnis na<strong>ch</strong> Kongruenz entgegenstehen. Es werden in <strong>die</strong>sem Fall<br />

Erkenntnisse <strong>und</strong> Gedanken, oft mit großen Bemühungen, auf das System zure<strong>ch</strong>tgebogen. Au<strong>ch</strong><br />

<strong>die</strong> sozial gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Stellung der Eltern kann <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus ni<strong>ch</strong>t nur positive Aspekte im<br />

Sinne einer Horizonterweiterung beinhalten. Der Vorbild<strong>ch</strong>arakter einer gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Höherstellung kann <strong>die</strong> Ri<strong>ch</strong>tigkeit der Lehre zementieren. Ganz im Sinne der Institution ist<br />

dann <strong>die</strong>ser Erfolg als si<strong>ch</strong>tbarer Segen Gottes <strong>für</strong> <strong>die</strong> elterli<strong>ch</strong>e treue Na<strong>ch</strong>folgebereits<strong>ch</strong>aft <strong>und</strong><br />

Opfertreue zu werten. In früheren Jahren waren Bildung <strong>und</strong> gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>es Ansehen ohnehin<br />

verpönt, da <strong>die</strong>s Bestrebungen des <strong>die</strong>sseitigen Lebens waren. Heute hat hier ein Wandel<br />

stattgef<strong>und</strong>en. Die NAK ist sehr bemüht um gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Anerkennung ihrer Mitglieder,<br />

weil sie von ihrem <strong>Sekten</strong>image abrücken mö<strong>ch</strong>te.<br />

Neben der persönli<strong>ch</strong>en Disposition, <strong>die</strong> ein Mens<strong>ch</strong> von Geburt an mit si<strong>ch</strong> trägt, sehe i<strong>ch</strong> in den<br />

elterli<strong>ch</strong>en <strong>Erziehung</strong>sformen den Hauptgr<strong>und</strong> der Unters<strong>ch</strong>iede, warum ni<strong>ch</strong>t alle Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong><br />

eine religiös f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong> erfahren haben, auf glei<strong>ch</strong>e Weise psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>wierigkeiten oder gar S<strong>ch</strong>äden entwickeln.<br />

Leider werden Kinder no<strong>ch</strong> viel zu oft von den Eltern mit Missfallen beda<strong>ch</strong>t, sollten sie eigene<br />

Wege gehen wollen. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> wirft sol<strong>ch</strong>es Verhalten einen Blick auf das s<strong>ch</strong>einbare elterli<strong>ch</strong>e<br />

‚<strong>Erziehung</strong>sversagen’. Man<strong>ch</strong>e Eltern ma<strong>ch</strong>en gar <strong>die</strong> eigene Existenz davon abhängig, ob das<br />

Kind si<strong>ch</strong> den Glaubensvorgaben unterordnet oder ni<strong>ch</strong>t. Die <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ütterndste Aussage<br />

war jene einer Mutter, <strong>die</strong> froh gewesen wäre, ihre To<strong>ch</strong>ter ni<strong>ch</strong>t geboren zu haben, da <strong>die</strong>se si<strong>ch</strong><br />

von der Glaubenslehre der NAK abgewandt hatte. Dies ist si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> ein Extrembeispiel.<br />

Denno<strong>ch</strong> zeigt es, auf drastis<strong>ch</strong>e Weise, wel<strong>ch</strong>en Stellenwert der Glaube eines Mens<strong>ch</strong>en<br />

innerhalb <strong>die</strong>ser Gruppierung hat. Um das Wohlergehen des einzelnen Mens<strong>ch</strong>en in <strong>die</strong>sem<br />

Leben geht es nur vordergründig. Das erwartete ‚ewige Leben seiner Seele’ <strong>und</strong> der Erhalt der<br />

Institution haben alleine wesentli<strong>ch</strong>e Bedeutung.<br />

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3.3.3 Fazit <strong>und</strong> Zusammenfassung<br />

Zusammengefasst kann si<strong>ch</strong>er gesagt werden: Überall dort, wo ein System <strong>die</strong> Ma<strong>ch</strong>t hat, in der<br />

gezeigten Weise auf das <strong>Erziehung</strong>sges<strong>ch</strong>ehen der Eltern Einfluss zu nehmen <strong>und</strong> in bestimmter<br />

Weise den Kindern <strong>die</strong> Väter zu entziehen, kann ni<strong>ch</strong>t von einer ges<strong>und</strong>en Umwelt <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Entwicklung des Kindes ausgegangen werden. Ist <strong>die</strong>ser Entzug sogar s<strong>ch</strong>einbar no<strong>ch</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> eine<br />

göttli<strong>ch</strong>e Autorität legitimiert, hat das Kind mit seiner Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> väterli<strong>ch</strong>er Zuwendung<br />

keine Chance. Da tröstet au<strong>ch</strong> ein gemeinsam verbra<strong>ch</strong>ter Samstagna<strong>ch</strong>mittag ni<strong>ch</strong>t darüber<br />

hinweg. Überall dort, wo junge Mäd<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> Frauen heute no<strong>ch</strong> gelehrt werden,<br />

selbstverständli<strong>ch</strong> ihre eigenen Bedürfnisse eins<strong>ch</strong>ränken zu müssen, um einer äußeren Vorgabe<br />

entspre<strong>ch</strong>en zu können, ob <strong>die</strong>se nun von System gefordert oder im Denken des Mannes <strong>und</strong> der<br />

Frau s<strong>ch</strong>on über Jahrzehnte kultiviert ist, überall dort hat ein Kind ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> notwendige<br />

Atmosphäre, um si<strong>ch</strong> frei entfalten <strong>und</strong> entwickeln zu können, damit es einen angemessenen<br />

Platz in der Welt <strong>und</strong> seine Rolle in der Gesells<strong>ch</strong>aft finden kann.<br />

Das Denks<strong>ch</strong>ema des übergeordneten Vaters <strong>und</strong> der demütigen, erst an zweiter Stelle stehenden<br />

Mutter, s<strong>ch</strong>afft <strong>für</strong> das Kind si<strong>ch</strong>tbar ein Unglei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t zwis<strong>ch</strong>en den Eltern. Kinder erleben<br />

<strong>die</strong> Eltern ni<strong>ch</strong>t als glei<strong>ch</strong>wertige Partner. Da Kinder aber ein feines Gespür da<strong>für</strong> haben, was<br />

dem jeweiligen Elternteil fehlt, kann es dazu kommen, dass sie <strong>die</strong>sen Ausglei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>affen<br />

wollen. Der Vater wirkt im religiösen Berei<strong>ch</strong>, besonders als Amtsträger, stark <strong>und</strong> dominant,<br />

Fehler <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en darf er si<strong>ch</strong> kaum erlauben. Anders hingegen <strong>die</strong> stark s<strong>ch</strong>einende Mutter<br />

im häusli<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> selten s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> zeigen darf. Gerade <strong>die</strong> Mutter kann meist ihre<br />

weibli<strong>ch</strong>e Seite eher wenig leben. Sie ist sehr viel alleine <strong>und</strong> mit vielen Aufgaben vollständig<br />

auf si<strong>ch</strong> selbst gestellt. So können Kinder unmerkli<strong>ch</strong> zum verstehenden Partner eines<br />

erwa<strong>ch</strong>senen Elternteils werden <strong>und</strong> bemühen si<strong>ch</strong>, <strong>die</strong> jeweiligen Defizite auszuglei<strong>ch</strong>en. Söhne<br />

können zu ‚Ersatzehemännern’ werden <strong>und</strong> Tö<strong>ch</strong>ter wie Söhne zu unangemessenen ‚Vertrauten’<br />

der Väter <strong>und</strong> Mütter. Die Folgen daraus sind in der Psy<strong>ch</strong>ologie allgemein bekannt. Kinder,<br />

<strong>die</strong> si<strong>ch</strong> viel zu früh <strong>für</strong> das Wohl eines Elternteils verantwortli<strong>ch</strong> fühlen, leiden im Stillen. Das<br />

hat wiederum Auswirkungen auf ihre spätere Partners<strong>ch</strong>aft. Die Sa<strong>ch</strong>lage ist in genauem Umfang<br />

vermutli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> nie untersu<strong>ch</strong>t worden.<br />

Die oben bes<strong>ch</strong>riebene Rollenverteilung kann bei Eltern zu einer sehr patriar<strong>ch</strong>alis<strong>ch</strong>en <strong>und</strong><br />

somit hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Denkweise führen, <strong>die</strong> au<strong>ch</strong> Auswirkung auf den tägli<strong>ch</strong>en Umgang mit<br />

ihren Kindern haben kann. Aus hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>em Denken entstehen <strong>Erziehung</strong>smethoden, <strong>die</strong><br />

untrennbar mit Ma<strong>ch</strong>t verb<strong>und</strong>en sind. Eltern übernehmen gelegentli<strong>ch</strong> <strong>die</strong> autoritären Methoden<br />

der Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft sowie das vermittelte Gottesbild, um eigene, ganz persönli<strong>ch</strong>e<br />

<strong>Erziehung</strong>sziele <strong>dur<strong>ch</strong></strong>zusetzen. ‚Wenn du s<strong>ch</strong>ön brav bist freut si<strong>ch</strong> der liebe Gott <strong>und</strong> wenn du<br />

unartig bist, ist er traurig oder s<strong>ch</strong>ickt dir au<strong>ch</strong> mal eine Situation über <strong>die</strong> du na<strong>ch</strong>denken<br />

lernst.‘<br />

Hier liegt au<strong>ch</strong> einer der Aspekte verborgen, <strong>die</strong> Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> innerhalb einer<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft aufwa<strong>ch</strong>sen, so isoliert sein lassen. Vor 50 oder 60 Jahren<br />

wäre in der Gesells<strong>ch</strong>aft <strong>für</strong> <strong>die</strong>se elterli<strong>ch</strong>e Haltung no<strong>ch</strong> breite Zustimmung zu verzei<strong>ch</strong>nen<br />

gewesen. Bestimmte Haltungen der Mens<strong>ch</strong>en innerhalb <strong>und</strong> außerhalb der Gruppe hätten si<strong>ch</strong><br />

vermutli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wesentli<strong>ch</strong> unters<strong>ch</strong>ieden. Heute jedo<strong>ch</strong> hat si<strong>ch</strong> ein gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Wandel<br />

vollzogen, der weit zu den oben bes<strong>ch</strong>riebenen Haltungen divergiert. Kinder, <strong>die</strong> sozusagen<br />

ständig mit zweierlei Weltbildern glei<strong>ch</strong>zeitig konfrontiert werden haben es hier ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t, zu<br />

einer wie au<strong>ch</strong> immer gearteten Kongruenz im Denken <strong>und</strong> Verhalten zu finden.<br />

Im Bu<strong>ch</strong> ‚Religion als Chance oder Risiko‘ s<strong>ch</strong>reibt Ulri<strong>ch</strong> Knölker (S. 185): „Au<strong>ch</strong> ließ si<strong>ch</strong><br />

na<strong>ch</strong>weisen, dass eine streng religiöse Einstellung des Vaters offenbar bedeutsamer war <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Ausbildung von religiös unterlegten Ängsten <strong>und</strong> Zwängen als <strong>die</strong> der Mutter.“ Da innerhalb<br />

<strong>die</strong>ser Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft <strong>die</strong> Amtsträger <strong>und</strong> damit viele Väter si<strong>ch</strong> einer besonders starken<br />

50


eligiösen Haltung verpfli<strong>ch</strong>tet fühlen, hat <strong>die</strong>se Haltung au<strong>ch</strong> entspre<strong>ch</strong>ende Auswirkungen auf<br />

<strong>die</strong> Kinder.<br />

Anders sieht es bei Eltern aus, <strong>die</strong> selbst mit ihrer Rollenzuteilung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> NAK­Vorgaben<br />

überhaupt ni<strong>ch</strong>t zufrieden sind. Es gibt Frauen, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ohne Widerstand in <strong>die</strong> von der<br />

Kir<strong>ch</strong>e vorgegebene Rolle fügen wollen. Alleine <strong>die</strong> Tatsa<strong>ch</strong>e, dass si<strong>ch</strong> vor allem Frauen von<br />

Amtsträgern Freiräume erkämpfen müssen, <strong>die</strong> überall sonst in der Gesells<strong>ch</strong>aft als<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong>keit gelten, s<strong>ch</strong>eint mir bedenkli<strong>ch</strong>. Innerli<strong>ch</strong> sind viele sol<strong>ch</strong>er Frauen<br />

unerfüllt. Sie können aber nur sehr selten wirkli<strong>ch</strong> offen darüber reden. Das kann <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus dazu<br />

führen, dass <strong>die</strong> Kinder ihren Unmut zu spüren bekommen. In erzieheris<strong>ch</strong>en Fragen lassen<br />

man<strong>ch</strong>e Frauen ihre Männer vollständig außen vor, da sie ihnen keinerlei Kompetenz in Fragen<br />

der Kindererziehung zugestehen. Wie au<strong>ch</strong>, wenn der Mann <strong>und</strong> Vater oft bis zu se<strong>ch</strong>s Tage <strong>die</strong><br />

Wo<strong>ch</strong>e <strong>für</strong> das ‚Werk des Herrn‘ tätig ist. Viele Männer fühlen si<strong>ch</strong> meist im häusli<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong><br />

eher unwert, häufig sogar unterdrückt. Entweder sie versu<strong>ch</strong>en <strong>die</strong>s <strong>dur<strong>ch</strong></strong> patriar<strong>ch</strong>alis<strong>ch</strong>es<br />

Auftreten zu kompensieren, oder sie su<strong>ch</strong>en ihre psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Zerrissenheit innerhalb der<br />

Institution <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ihre Aufgaben zu entspannen. Ni<strong>ch</strong>t selten sind sol<strong>ch</strong>e Männer besonders treu<br />

in der Befolgung der NAK­Lehre, d. h. geforderte Unterordnung unter <strong>die</strong> höhere<br />

Hierar<strong>ch</strong>iestufe <strong>und</strong> Einforderung von Gehorsam von der nä<strong>ch</strong>st tieferen Hierar<strong>ch</strong>ieebene. Ihr<br />

höherer Status innerhalb der Gruppe kann <strong>für</strong> sie man<strong>ch</strong>es häusli<strong>ch</strong>e Defizit abmildern. Ein<br />

Kreislauf ohne Ende. Au<strong>ch</strong> das trägt ni<strong>ch</strong>t zu einer ges<strong>und</strong>en Atmosphäre <strong>und</strong> <strong>Erziehung</strong>sbasis<br />

bei.<br />

So entsteht um das Kind in vielen Fällen eine Atmosphäre aus fals<strong>ch</strong>en Bindungen <strong>und</strong><br />

Verstrickungen zwis<strong>ch</strong>en Eltern untereinander <strong>und</strong> Kind, zwis<strong>ch</strong>en Eltern <strong>und</strong> Institution <strong>und</strong><br />

zwis<strong>ch</strong>en Institution <strong>und</strong> Kind. Niemals jedo<strong>ch</strong> sind familiäre Bindungen frei von Einflüssen aus<br />

dem System NAK. Vielfa<strong>ch</strong> kann Liebe von Eltern zu ihren Kindern <strong>und</strong> umgekehrt nur über <strong>die</strong><br />

Institution fließen, weil <strong>die</strong> A<strong>ch</strong>tung voreinander an <strong>die</strong> Befolgung der NAK­Normen geb<strong>und</strong>en<br />

sind. Die NAK gehört zwingend zum Leben dazu. Kein Lebensberei<strong>ch</strong> ist von ihr ausgenommen.<br />

Einen eher kleinen Prozentsatz bilden konfessionsgemis<strong>ch</strong>te Ehepaare. Sie haben es besonders<br />

s<strong>ch</strong>wer. Es fordert vom ni<strong>ch</strong>t neuapostolis<strong>ch</strong>en Partner eine erhebli<strong>ch</strong>e Toleranz, den anderen<br />

Partner seinen Glauben leben zu lassen. Meist ist ein tiefes Verstehen dessen, was den Partner in<br />

<strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste treibt, ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>. Nur wer in der Gruppe integriert ist, erlebt <strong>die</strong><br />

dort eigene Atmosphäre. Die feinen Me<strong>ch</strong>anismen der manipulativen Einflüsse werden vom<br />

Gläubigen selbst ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> wahrgenommen. Kinder aus sol<strong>ch</strong>en gemis<strong>ch</strong>ten Ehen sehen si<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t selten sehr zwiespältigen <strong>Erziehung</strong>svorstellungen ausgesetzt. Was der eine Partner locker<br />

angeht, ist <strong>für</strong> den anderen Partner überlebenswi<strong>ch</strong>tig <strong>für</strong> das Leben na<strong>ch</strong> dem Tode. Oft gibt es<br />

hier ernsthafte Auseinandersetzungen, in deren Mittelpunkt das hilflose Kind steht. Ulri<strong>ch</strong><br />

Knölker hat zudem festgestellt, dass si<strong>ch</strong> der weniger religiöse Elternteil bei strenger oder ni<strong>ch</strong>t<br />

so strenger Gr<strong>und</strong>haltung ni<strong>ch</strong>t <strong>dur<strong>ch</strong></strong>setzen konnte. Das Kind ist somit hin <strong>und</strong> hergerissen<br />

zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen Auffassungen, muss si<strong>ch</strong> aber den Vorstellungen des streng<br />

religiösen Elternteils beugen. Ni<strong>ch</strong>t alle Ehepaare halten <strong>die</strong>se inneren psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Spannungen<br />

aus. Ehes<strong>ch</strong>eidungen sind oft <strong>die</strong> Folge. Ni<strong>ch</strong>t ohne Gr<strong>und</strong> warnt – früher direkt – heute eher<br />

versteckt <strong>die</strong> Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e vor gemis<strong>ch</strong>ten Ehen.<br />

Unter: ‚Persönli<strong>ch</strong>e Lebensführung’ (Quelle: „Die Jugend fragt, der Stammapostel antwortet“<br />

http://www.geocities.com/stiegelmeyr/Stap_Jugendinterview.htm)<br />

„Wie denken Sie über eine Heirat mit einem ni<strong>ch</strong>t neuapostolis<strong>ch</strong>en Partner?<br />

Dagegen habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gr<strong>und</strong>sätzli<strong>ch</strong> etwas einzuwenden. Wi<strong>ch</strong>tig <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> ist allerdings, dass<br />

der neuapostolis<strong>ch</strong>e Partner bereits vor der Ehes<strong>ch</strong>ließung glaubensmäßig eine klare Haltung<br />

einnimmt. Sind aufri<strong>ch</strong>tige Liebe <strong>und</strong> gegenseitige Werts<strong>ch</strong>ätzung vorhanden, wird keiner der<br />

51


Partner den anderen unter Druck setzen <strong>und</strong> dessen Bedürfnis respektieren, au<strong>ch</strong> in der Ehe<br />

seines Glaubens leben zu wollen. Unter <strong>die</strong>sen Voraussetzungen können harmonis<strong>ch</strong>e Ehen<br />

entstehen. Oft kommt es dann im Lauf der Zeit soweit, dass der ni<strong>ch</strong>t neuapostolis<strong>ch</strong>e Partner <strong>für</strong><br />

unseren Glauben Interesse zeigt <strong>und</strong> später Mitglied der Kir<strong>ch</strong>e wird. Ebenso ist es au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on<br />

vorgekommen, dass der neuapostolis<strong>ch</strong>e Ehegatte si<strong>ch</strong> von unserer Kir<strong>ch</strong>e abgewandt hat.<br />

Im übrigen will i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>weigen, dass si<strong>ch</strong> aus unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en<br />

Glaubensauffassungen Probleme ergeben können (z. B. in Fragen der Kindererziehung), <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Ehe belasten. Eine weitere S<strong>ch</strong>wierigkeit kann darin liegen, dass in gemis<strong>ch</strong>t<br />

konfessionellen Ehen ein gemeinsames Erleben des Glaubens oftmals ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong> ist.<br />

Wie soll <strong>die</strong> Kindererziehung aus der Si<strong>ch</strong>t des Stammapostels in einer Ehe erfolgen, in wel<strong>ch</strong>er<br />

nur ein Partner neuapostolis<strong>ch</strong> ist?<br />

Junge Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> lieben <strong>und</strong> den Lebensweg gemeinsam gehen wollen, sollten si<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>on vor der Ehes<strong>ch</strong>ließung darüber verständigen, ob sie einmal Kinder haben wollen <strong>und</strong> in<br />

wel<strong>ch</strong>em Glauben <strong>die</strong>se dann erzogen werden sollen. Es wird im Interesse eines gläubigen<br />

neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen liegen, zu einer einvernehmli<strong>ch</strong>en Regelung mit dem Ziel zu<br />

kommen, dass <strong>die</strong> Kinder neuapostolis<strong>ch</strong> erzogen werden.“<br />

Die aus religiösen Gründen entstehenden <strong>Erziehung</strong>skonflikte zwis<strong>ch</strong>en den Eltern bleiben dem<br />

Kind ni<strong>ch</strong>t verborgen. Hinzu kommt no<strong>ch</strong>, dass dem Kind von Anfang an klar ist: Wenn Jesus<br />

wiederkommt, wird er <strong>die</strong> ni<strong>ch</strong>t neuapostolis<strong>ch</strong>e Mutter oder den ni<strong>ch</strong>t neuapostolis<strong>ch</strong>en Vater<br />

ni<strong>ch</strong>t mitnehmen in seine Herrli<strong>ch</strong>keit. Wel<strong>ch</strong>e tiefe Traurigkeit si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on hier in eine<br />

Kinderseele legt, <strong>die</strong> ja liebt, kann wohl kaum na<strong>ch</strong>vollzogen werden. Die Tatsa<strong>ch</strong>e, einen<br />

Elternteil ni<strong>ch</strong>t nur <strong>dur<strong>ch</strong></strong> den Tod, sondern <strong>für</strong> ewig zu verlieren, ist <strong>für</strong> ein liebendes Kind wohl<br />

kaum auszuhalten.<br />

Als Beispiel seien Teile aus einer Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zitiert, <strong>die</strong> den neuapostolis<strong>ch</strong>en Kindern in einem<br />

speziellen Kinderbu<strong>ch</strong> ‚Eu<strong>ch</strong> zur Freude’ zu Verfügung stehen. Das Bu<strong>ch</strong> ist eine<br />

Zusammenstellung von Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, <strong>die</strong> über Jahre in der kir<strong>ch</strong>eneigenen Zeits<strong>ch</strong>rift „Unsere<br />

Familie“ ers<strong>ch</strong>ienen sind. Dort heißt es im Vorwort:<br />

„Ihr werdet in <strong>die</strong>sem Bu<strong>ch</strong> fröhli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten finden, aber au<strong>ch</strong> ernste. ‚Freude‘ ist ja ni<strong>ch</strong>t<br />

dasselbe wie ‚La<strong>ch</strong>en‘, was ni<strong>ch</strong>t heißt, dass wir Gotteskinder das ni<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einmal tun.<br />

La<strong>ch</strong>en ist aber nur ein oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Si<strong>ch</strong>freuen, e<strong>ch</strong>te Freude kommt vom Herzen her. (...) Es<br />

gibt eigentli<strong>ch</strong> nur eine Freude, <strong>die</strong> Bestand hat: <strong>die</strong> Freude am Herrn. (<strong>und</strong> damit am Werke<br />

Gottes, der NAK. Anmerkung der Verfasserin)<br />

Diese im Bu<strong>ch</strong> enthaltenen Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten sollten damals (ca. 1980) den Kindern zur Belehrung<br />

<strong>und</strong> Unterhaltung <strong>die</strong>nen. Au<strong>ch</strong> wenn seitdem 20 Jahre vergangen sind <strong>und</strong> man damals no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t so sehr bewusst <strong>für</strong> <strong>die</strong> mögli<strong>ch</strong>erweise mitlesende Öffentli<strong>ch</strong>keit ges<strong>ch</strong>rieben hat <strong>und</strong><br />

darum direkter war, <strong>die</strong> tiefliegenden Aussagen der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten spiegeln das Denken der<br />

neuapostolis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en wider. Diejenigen, <strong>die</strong> damals <strong>die</strong>se Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten gelesen haben,<br />

sind heute Eltern.<br />

Die folgende Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te erzählt von einem kleinen Jungen namens Dieter, dessen Mutter bereits<br />

gestorben ist <strong>und</strong> der jetzt bei seiner Tante lebt. Er ist neuapostolis<strong>ch</strong> <strong>und</strong> befolgt treu <strong>und</strong> brav<br />

das, was ihm <strong>die</strong> Amtsträger <strong>und</strong> seine Tante gelehrt haben. I<strong>ch</strong> zitiere <strong>die</strong> Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ab dem<br />

Zeitpunkt als Dieter traurig wird, weil ihm etwas einfällt:<br />

„Do<strong>ch</strong> plötzli<strong>ch</strong> wurde Dieter traurig. ‚Wenn do<strong>ch</strong> der Vati au<strong>ch</strong> zum Gottes<strong>die</strong>nst mitkommen<br />

würde’, da<strong>ch</strong>te er betrübt. Aber Dieters Vater war ni<strong>ch</strong>t dazu zu bewegen. S<strong>ch</strong>on <strong>die</strong> Mutti<br />

hatte, als sie no<strong>ch</strong> lebte, den Vater immer vergebli<strong>ch</strong> gebeten, do<strong>ch</strong> mit in den Gottes<strong>die</strong>nst zu<br />

gehen. So lieb <strong>und</strong> gut er sonst au<strong>ch</strong> war, hier gab er ni<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>.<br />

52


Dieter freili<strong>ch</strong> glaubte fest, dass sein Vater au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> einmal mit ihm kommen würde, <strong>und</strong> so<br />

hatte er es seiner Mutter gesagt, als sie auf dem Sterbelager lag: „Mutti, i<strong>ch</strong> will immer zum<br />

himmlis<strong>ch</strong>en Vater beten, dass er unseren Vati au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> zu uns führt.“ Und seitdem nun<br />

Dieters Mutter heimgegangen (gestorben, Anmerkung d. Verfasserin) war, hat es si<strong>ch</strong> der kleine<br />

Dieter zur Pfli<strong>ch</strong>t gema<strong>ch</strong>t, den lieben Gott in jedem Gebet zu bitten, er mö<strong>ch</strong>te do<strong>ch</strong> den Vater<br />

au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> in <strong>die</strong> Gottes<strong>die</strong>nste führen, damit <strong>die</strong>ser mitdürfe, wenn der Heiland kommt.<br />

(...)Dann kniete si<strong>ch</strong> der kleine Peter an sein Bett nieder <strong>und</strong> begann bedä<strong>ch</strong>tig <strong>und</strong> ernsthaft zu<br />

beten. (...) Als er (der Vater) seinen Buben beten hörte, blieb er ganz still stehen <strong>und</strong> hörte, wie<br />

unser Dieter gerade sagte: „ Lieber himmlis<strong>ch</strong>er Vater, ganz besonders bitte i<strong>ch</strong> di<strong>ch</strong> <strong>für</strong> meinen<br />

lieben Vati. Lenke du sein Herz, dass er au<strong>ch</strong> mit in den Gottes<strong>die</strong>nst kommt, damit er, wenn der<br />

Herr Jesus kommt, do<strong>ch</strong> mit mir zur Mutti gehen darf. Gelt, du vergisst es ni<strong>ch</strong>t, denn sonst sind<br />

wir ja einmal im Himmel ni<strong>ch</strong>t beisammen. Amen.“<br />

(Quelle: „Eu<strong>ch</strong> zur Freude“ Band 1 Seite 76; Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off, Frankfurt am Main)<br />

Wenn Kindern zur Unterhaltung sol<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten erzählt werden, <strong>die</strong> mit ihren spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Mitteln ni<strong>ch</strong>ts auslassen, um ganz gezielte Emotionen hervorzurufen, wie sollten sie ni<strong>ch</strong>t Angst<br />

bekommen, einen Elternteil <strong>für</strong> immer zu verlieren. Ni<strong>ch</strong>t ohne Gr<strong>und</strong> wird in <strong>die</strong>ser Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

der Tod als Mittel des emotionalen Drucks mit hereingenommen. In der NAK wissen <strong>die</strong> Kinder<br />

ganz einfa<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on sehr früh, dass der Tod ni<strong>ch</strong>t nur das Ende des Lebens bedeutet, sondern<br />

au<strong>ch</strong> das Ende aller Mögli<strong>ch</strong>keiten, Bedingungen <strong>und</strong> Voraussetzungen zur Erlangung eines –<br />

wie au<strong>ch</strong> immer gearteten ­ ewigen Lebens erfüllen zu können. Wer im Leben <strong>die</strong> Chance<br />

verpasst hat, ist selbst S<strong>ch</strong>uld.<br />

Auf der anderen Seite <strong>dur<strong>ch</strong></strong>leben Eltern ebenfalls einen s<strong>ch</strong>limmen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Zustand, sollte<br />

si<strong>ch</strong> eines ihrer Kinder vom ‚Werk des Herrn’ abwenden. Sie müssen unter Umständen mit<br />

ansehen, wie <strong>die</strong> Kinder vom Glaubenssystem ni<strong>ch</strong>ts mehr wissen mö<strong>ch</strong>ten. Es sind hier <strong>die</strong><br />

Kinder, <strong>die</strong> <strong>für</strong> alle Ewigkeit verdammt sind. Wel<strong>ch</strong>e Eltern wüns<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> das wirkli<strong>ch</strong>? Daher<br />

setzen sie au<strong>ch</strong> alles daran, über ihre <strong>Erziehung</strong>sarbeit <strong>die</strong> Kinder im ‚Haus des Herrn’ fest<br />

einzubinden. Viele Eltern von Aussteigern oder sogenannten ‚lauen’ Gotteskindern, leiden<br />

hierunter sehr! Man<strong>ch</strong>e reagieren aus eigenem S<strong>ch</strong>merz so heftig, dass sie ihre Kinder<br />

vollständig verstoßen, andere verdrängen ihren S<strong>ch</strong>merz <strong>und</strong> leiden still. Au<strong>ch</strong> <strong>die</strong>se Mens<strong>ch</strong>en<br />

erfahren, sollten sie mutig genug sein ihre Zwiespälte zu bekennen, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ihre Seelsorger meist<br />

ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong>e Hilfe. Sie werden häufig nur vertröstet <strong>und</strong> dazu aufgefordert, mögli<strong>ch</strong>st selbst<br />

viel zu beten <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ein gutes Vorbild dazu beizutragen, dass der Partner si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> der<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft ans<strong>ch</strong>ließt, bzw. <strong>die</strong> Kinder zurückfinden.<br />

„Zweimal am Tag habe i<strong>ch</strong> mit Ihnen telefoniert. (...) I<strong>ch</strong> habe mit meiner Mutter telefoniert<br />

<strong>und</strong> ihr mitgeteilt, dass i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> einer Selbsthilfegruppe wegen meiner no<strong>ch</strong> immer ni<strong>ch</strong>t ganz<br />

verarbeiteten religiösen Problematik ans<strong>ch</strong>ließen würde. Daraufhin sagte mir meine Mutter,<br />

dass sie den Kontakt mit mir abbre<strong>ch</strong>en würde. Ihre Abs<strong>ch</strong>lußworte: ‚Ab jetzt ist Eiszeit‘.<br />

Seither hatten wir keinerlei Kontakt mehr, obwohl wir in der glei<strong>ch</strong>en Stadt wohnen.“ (Quelle:<br />

Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, Autor der Verfasserin bekannt).<br />

Meist werden jene tiefen Ängste <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>merzen speziell vom Kind aber au<strong>ch</strong> vom erwa<strong>ch</strong>senen<br />

Mens<strong>ch</strong>en tief ins Unbewusste verdrängt. Es ist ni<strong>ch</strong>t verw<strong>und</strong>erli<strong>ch</strong>, warum im späteren Leben<br />

oft kaum mehr aufzuklären ist, woher auftretende Depressionen kommen. Viele Aussteiger<br />

bedürfen Jahre der Aufarbeitung, um si<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>er verdrängten oder abgespaltenen Gefühle<br />

bewusst zu werden <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> von den tiefsitzenden Ängsten zu befreien.<br />

53


4. Was verbirgt si<strong>ch</strong> hinter den Konstrukten Selbstaktualisierung<br />

<strong>und</strong> Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung?<br />

Das humanistis<strong>ch</strong>e Weltbild C. Rogers beinhaltet eine holistis<strong>ch</strong>e Sehensweise. Das heißt, jede<br />

einzelne Handlung des Mens<strong>ch</strong>en wird stets in Bezug zu seiner Gesamtpersönli<strong>ch</strong>keit gesehen.<br />

Des weiteren konzentrieren si<strong>ch</strong> humanistis<strong>ch</strong>e Theorien auf <strong>die</strong> angeborenen Qualitäten einer<br />

Person. Sie gehen davon aus, dass <strong>die</strong>se einen ents<strong>ch</strong>eidenden Einfluss darauf haben, wel<strong>ch</strong>e<br />

Ri<strong>ch</strong>tung das Verhalten einer Person nehmen wird.<br />

Nun sind <strong>die</strong>se Annahmen, denen si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Rogers verpfli<strong>ch</strong>tet fühlte, ni<strong>ch</strong>t ganz unumstritten,<br />

da sie <strong>die</strong> äußeren Umwelteinflüsse, unter denen ein Mens<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> entwickelt, s<strong>ch</strong>einbar<br />

unbea<strong>ch</strong>tet lassen. I<strong>ch</strong> sehe das ni<strong>ch</strong>t so. Für mi<strong>ch</strong> sind Rogers Gr<strong>und</strong>annahmen, den<br />

angeborenen Eigens<strong>ch</strong>aften eines Mens<strong>ch</strong>en große Bedeutung zuzumessen, na<strong>ch</strong>vollziehbar.<br />

Genauso wie bestimmte körperli<strong>ch</strong>e Merkmale genetis<strong>ch</strong> vorgegeben sind, sind bestimmte<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Gaben im Mens<strong>ch</strong>en angelegt. Die Entwicklung des Mens<strong>ch</strong>en in seinem<br />

natürli<strong>ch</strong>en Lebensraum kann si<strong>ch</strong> meiner Meinung na<strong>ch</strong> nur auf der Basis angeborener<br />

Eigens<strong>ch</strong>aften vollziehen. Dem entgegen stehen mehr oder weniger (un­) angemessenen<br />

Umweltbedingungen, <strong>die</strong> unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong> förderli<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung des Mens<strong>ch</strong>en sind <strong>und</strong><br />

seine angeborenen Qualitäten oft nur sehr bedingt hervortreten lassen. Ein wi<strong>ch</strong>tiger Aspekt ist<br />

<strong>die</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Freiheit des Mens<strong>ch</strong>en, der von seinem Organismus vorgegebenen, Ri<strong>ch</strong>tung<br />

au<strong>ch</strong> folgen zu können. In der Umwelt <strong>und</strong> der <strong>Erziehung</strong> liegen selbstverständli<strong>ch</strong> <strong>die</strong> einzigen<br />

Mögli<strong>ch</strong>keiten, überhaupt Einfluss auf <strong>die</strong> Entfaltung eines Mens<strong>ch</strong>en nehmen zu können.<br />

Ungünstige Umweltbedingungen gilt es zu erkennen <strong>und</strong> mögli<strong>ch</strong>st zu beseitigen. Dies kann<br />

si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> niemals ganz errei<strong>ch</strong>t werden. Zudem bedarf es <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung des<br />

Mens<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> immer wieder neuer Krisensituationen, wel<strong>ch</strong>en er si<strong>ch</strong> zu stellen hat <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

ihm <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Tendenz zur Aktualisierung eine Fortentwicklung ermögli<strong>ch</strong>en. So ist eine Krise<br />

wohl belastend, aber ni<strong>ch</strong>t immer automatis<strong>ch</strong> eine das Leben behindernde Situation. Sie kann<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus au<strong>ch</strong> eine Quelle der Veränderung, des Umdenkens <strong>und</strong> somit eine Chance sein, sofern<br />

der Mens<strong>ch</strong> <strong>die</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Freiheit besitzt einen Ri<strong>ch</strong>tungswe<strong>ch</strong>sel vornehmen zu können.<br />

Rogers selbst geht davon aus: Das Bedürfnis des Mens<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> Kongruenz des Selbst ist<br />

größer als das na<strong>ch</strong> Konsistenz. Rogers s<strong>ch</strong>reibt hierzu in seinem Bu<strong>ch</strong> „Entwicklung der<br />

Persönli<strong>ch</strong>keit“( 1996; S. 186):<br />

„Mein Versu<strong>ch</strong>, das wahre Wesen <strong>die</strong>ser Mens<strong>ch</strong>en (seiner Klienten, Anmerkung der<br />

Verfasserin) mit wenigen Worten darzustellen, läuft ungefähr auf folgendes hinaus:<br />

Das gute Leben ist ein Prozeß, kein Daseins­Zustand.<br />

Es ist eine Ri<strong>ch</strong>tung, kein Ziel.<br />

Die Ri<strong>ch</strong>tung, <strong>die</strong> <strong>für</strong> das gute Leben konstruktiv ist, wird vom gesamten Organismus gewählt,<br />

sofern <strong>die</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Freiheit vorhanden ist, si<strong>ch</strong> in jede Ri<strong>ch</strong>tung zu entwickeln.<br />

Diese organis<strong>ch</strong> fun<strong>die</strong>rte Ri<strong>ch</strong>tung weist offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> gewisse feststellbare, allgemeine<br />

Qualitäten auf, <strong>die</strong> bei einer breiten Vielfalt einzigartiger Individuen glei<strong>ch</strong>ermaßen vorhanden<br />

zu sein s<strong>ch</strong>einen.<br />

Dementspre<strong>ch</strong>end kann i<strong>ch</strong> <strong>die</strong>se Aussagen in eine Definition zusammenfassen, <strong>die</strong> zumindest als<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> Diskussion <strong>und</strong> Überlegung <strong>die</strong>nen kann. Das gute Leben ist, vom Standpunkt<br />

meiner Erfahrung aus, der Entwicklungsprozeß in eine vom mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Organismus gewählte<br />

Ri<strong>ch</strong>tung, sofern das Individuum innerli<strong>ch</strong> frei ist, si<strong>ch</strong> in jede Ri<strong>ch</strong>tung zu bewegen; <strong>die</strong><br />

allgemeinen Qualitäten <strong>die</strong>ser Ri<strong>ch</strong>tung s<strong>ch</strong>einen eine gewisse Universalität zu besitzen.“<br />

Zimbardo s<strong>ch</strong>reibt hierzu im Bu<strong>ch</strong> „Psy<strong>ch</strong>ologie“:<br />

„Situative Bedingungen werden oftmals als Hindernisse <strong>und</strong> Barrieren gesehen. Einmal von<br />

negativen situativen Bedingungen befreit, sollte <strong>die</strong> Neigung zur Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung <strong>die</strong><br />

54


Mens<strong>ch</strong>en aktiv dazu anleiten, Situationen aufzusu<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> ihr Leben erweitern. (...)<br />

Dispositionen im Sinne der Humanistis<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>ologie erfüllen <strong>die</strong> Persönli<strong>ch</strong>keit mit einer<br />

einheitli<strong>ch</strong>en Neigung, si<strong>ch</strong> zu verwirkli<strong>ch</strong>en, so dass sie ihren natürli<strong>ch</strong>en Ausdruck in der<br />

ges<strong>und</strong>en Person finden kann.“<br />

Carl R. Rogers nimmt also eine angeborene Tendenz zur Selbstaktualisierung an. Darunter ist<br />

ein beständiges Streben na<strong>ch</strong> der Realisierung des eigenen inneren Potentials, na<strong>ch</strong> der<br />

Entwicklung der eigenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Talente zu verstehen. (Zimardo Seite 538).<br />

Die Begriffe ‚Selbstaktualisierung’ <strong>und</strong> ‚Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung’ sind demna<strong>ch</strong> sehr eng<br />

miteinander verb<strong>und</strong>en. Selbstaktualisierung kann als eine angeborene Tendenz oder angeborene<br />

Dynamik zur Entwicklung bezei<strong>ch</strong>net werden. „Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung“ sind <strong>die</strong> si<strong>ch</strong> daraus<br />

ableitenden Handlungen.<br />

Deutli<strong>ch</strong> muss hier eine Abgrenzung zur alltagspsy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Begriffli<strong>ch</strong>keit der<br />

„Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung“ getroffen werden. Hier ist <strong>die</strong> Bedeutung meist sehr negativ besetzt <strong>und</strong><br />

impliziert eine gewisse egoistis<strong>ch</strong>e Haltung eines Mens<strong>ch</strong>en, der zur Not „über Lei<strong>ch</strong>en“ geht,<br />

um seine eigenen Ziele <strong>dur<strong>ch</strong></strong>zusetzen. Das wird bei Rogers so ni<strong>ch</strong>t angenommen. Rogers<br />

Haltung könnte man eher im Sinne der Selbstliebe definieren.<br />

Wie können Selbstaktualisierung <strong>und</strong> Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung in f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en<br />

Gruppierungen gelebt werden?<br />

Mein Interesse gilt weiterhin den Bedingungen, unter wel<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong>, laut Rogers, ein Mens<strong>ch</strong> frei<br />

entwickeln <strong>und</strong> entfalten kann <strong>und</strong> unter wel<strong>ch</strong>en Bedingungen <strong>die</strong>s in der Neuapostolis<strong>ch</strong>en<br />

Kir<strong>ch</strong>e ers<strong>ch</strong>wert oder unmögli<strong>ch</strong> wird.<br />

„Das Streben na<strong>ch</strong> Selbstverwirkli<strong>ch</strong>ung im Glaubensleben gewährt also nur dem alten Adam<br />

Entfaltungsmögli<strong>ch</strong>keit <strong>und</strong> behindert <strong>die</strong> Vollendungsarbeit des Ewigen.“ (Kalender der<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e, Hagen Wend, S.109)<br />

Wie aus dem Zitat zu entnehmen ist, s<strong>ch</strong>ließt f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>es Denken im Gr<strong>und</strong>e von<br />

vornherein weitestgehend Selbstaktualisierungstendenz <strong>für</strong> den stoffli<strong>ch</strong> realen Mens<strong>ch</strong>en aus.<br />

Der Mens<strong>ch</strong> wird im vorliegenden Falle aufgespalten in Seele <strong>und</strong> Leib/Geist. Der Autor des<br />

zitierten Textes, ein Apostel der NAK, geht soweit, den von den Aposteln gespendeten ‚Heiligen<br />

Geist’ <strong>und</strong> <strong>die</strong> ‚Heilige Wassertaufe’ als Erbanlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Seele zu bezei<strong>ch</strong>nen. Eine Erbanlage,<br />

<strong>die</strong> von außen kommt! Er s<strong>ch</strong>reibt hierzu weiter:<br />

„Der Mens<strong>ch</strong> ist im Erwa<strong>ch</strong>senenalter das Ergebnis der Erbanlage, der <strong>Erziehung</strong> <strong>und</strong> der<br />

Umwelt. Diese Einflussfaktoren gelten im übertragenen Sinne au<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> in uns wa<strong>ch</strong>sende<br />

neue Kreatur (Mens<strong>ch</strong> der einmal bei Gott sein wird. Anmerkung d. Verfasserin). Die<br />

entspre<strong>ch</strong>ende Erbanlage haben wir erhalten, als uns der ewige Gott <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> Wassertaufe<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Spendung des Heiligen Geistes zu Gotteskindern gema<strong>ch</strong>t hat. Da<strong>dur<strong>ch</strong></strong> tragen wir ein<br />

unübertreffli<strong>ch</strong>es Erbgut in uns. Damit si<strong>ch</strong> <strong>die</strong>ses Erbgut weiterentwickeln kann, müssen wir<br />

immer wieder unter <strong>die</strong> Wirksamkeit des „göttli<strong>ch</strong>en Ausbildungsplanes“ kommen. Dieser<br />

besteht unter anderem darin, dass wir <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das aus dem Heiligen Geist gewirkte Wort vom<br />

lebendigen Altar (Predigt) weitergeführt werden, <strong>die</strong> im Heiligen Abendmahl liegende<br />

Seelenspeise empfangen, uns in der Na<strong>ch</strong>folge üben <strong>und</strong> uns <strong>dur<strong>ch</strong></strong> man<strong>ch</strong>e vom Herrn<br />

zugelassene Lebensverhältnisse formen <strong>und</strong> bilden lassen. Unbedingt notwendig <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Wirksamkeit <strong>die</strong>ses <strong>Erziehung</strong>sprozesses ist es, dass wir uns im Geistigen in der<br />

gottwohlgefälligen Umgebung bewegen (...) ‚Habt ni<strong>ch</strong>t lieb <strong>die</strong> Welt no<strong>ch</strong> was in der Welt ist‘<br />

oder ‚Stellt eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong>ser Welt glei<strong>ch</strong>‘.<br />

Bei der Heranbildung der neuen Kreatur dürfen unsere mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Fähigkeiten,<br />

Wüns<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> Wertmaßstäbe ni<strong>ch</strong>t den bestimmenden Platz einnehmen.“ (ebd.)<br />

55


Das bedeutet im Klartext: der Mens<strong>ch</strong> soll so erzogen werden, dass er in eine genau<br />

vorgegebene, s<strong>ch</strong>einbar biblis<strong>ch</strong> begründete Seelen­Form hineinpasst. Wie <strong>die</strong>se perfekte Form<br />

aussieht ist den geistigen Führern der NAK bekannt. Das Individuum soll zum System­Ideal­<br />

Mens<strong>ch</strong>en bzw. der Ideal­Seele erzogen werden. Seine Seele wird als vom Organismus<br />

abgespaltenes Etwas angenommen <strong>und</strong> erhält ein dominantes Eigenleben, das über dem des<br />

‚sündigen’ Organismus steht. Dabei spielen natürli<strong>ch</strong> individuelle Talente <strong>und</strong> Fähigkeiten des<br />

Mens<strong>ch</strong>en eine untergeordnete Rolle. Vorhandene Fähigkeiten werden ledigli<strong>ch</strong> <strong>für</strong><br />

system<strong>die</strong>nli<strong>ch</strong>e Aufgaben gefördert oder ausgebildet. Ein Spielraum <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene<br />

Persönli<strong>ch</strong>keitsentwicklung <strong>und</strong> das seelis<strong>ch</strong>es Wa<strong>ch</strong>stum ist so gut wie ni<strong>ch</strong>t gegeben. Der<br />

Mens<strong>ch</strong> in seiner Individualität zählt wenig. Der Ideal­Mens<strong>ch</strong>, besser no<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Ideal­Seele steht<br />

im Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> soll ‚modelliert’ werden. Die Religion wird so zu einem eigenständigen<br />

‚Leben’, das mit der realen Lebenssituation ni<strong>ch</strong>t viel zu tun hat. So haben <strong>die</strong> meisten Vorgaben<br />

zur ‚Formanpassung’ wenig Praxisbezug zum Alltag. Es sind kir<strong>ch</strong>enspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Eigenkonstrukte <strong>und</strong> Rats<strong>ch</strong>läge, <strong>die</strong> weder falsifizierbar no<strong>ch</strong> verifizierbar sind, wel<strong>ch</strong>en aber<br />

denno<strong>ch</strong> mögli<strong>ch</strong>st kritiklos erfüllt werden soll. Hierbei handelt es si<strong>ch</strong> um Konstrukte wie:<br />

� S<strong>ch</strong>affung der Würdigkeit der Seele<br />

� den „s<strong>ch</strong>malen“ Weg gehen (= unbequem, mit vielen Eins<strong>ch</strong>ränkungen verb<strong>und</strong>en)<br />

� als „reine <strong>und</strong> würdige Braut“ dem Herrn bereitet sein<br />

� „mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> das eigene I<strong>ch</strong> überwinden“<br />

� treu sein in „Na<strong>ch</strong>folge <strong>und</strong> Gebet“ (den Anweisungen der Amtsträger Folge leisten <strong>und</strong><br />

im Gebet ständig um <strong>die</strong> Wiederkunft Jesu bitten)... , usw.<br />

I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te in aller Deutli<strong>ch</strong>keit darauf hinweisen, dass all <strong>die</strong>se spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Konstrukte im<br />

Laufe vieler, Jahre zu Selbstläufern geworden sind. Die Prediger spre<strong>ch</strong>en meist gedankenlos<br />

na<strong>ch</strong>, was s<strong>ch</strong>on <strong>die</strong> Großväter so gesagt haben; eine theologis<strong>ch</strong>e Ausbildung gibt es ni<strong>ch</strong>t.<br />

„Da der neuapostolis<strong>ch</strong>e Glaube auf <strong>die</strong> Praxis (Erfüllung aller formalen, systembezogenen<br />

Handlungsanweisungen) ausgeri<strong>ch</strong>tet ist, spielt seine intellektuelle Dur<strong>ch</strong>dringung bislang<br />

eher eine untergeordnete Rolle. Dass es keine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> ausgebildete Theologens<strong>ch</strong>aft<br />

gibt, ist in <strong>die</strong>sem Kontext nur selbstverständli<strong>ch</strong>. (...) In vielen Fällen verzi<strong>ch</strong>tet man auf<br />

eindeutige lehrmäßige Klärung, weil man ihren unmittelbaren Bezug zur Glaubenspraxis <strong>und</strong><br />

zum Glaubensziel, nämli<strong>ch</strong> der Wiederkunft Christi, ni<strong>ch</strong>t erkennt.“ (Dr. Kiefer; Vortrag vom<br />

18.03.03; http://www.nak.de/news/vortrag/tagung_hofgeismar.pdf;)<br />

Die Gläubigen hören, was s<strong>ch</strong>on Generationen vor ihnen gehört haben <strong>und</strong> kennen <strong>die</strong><br />

‚Predigten’ zum großen Teil auswendig. Dass gerade das Mittel der ständigen Wiederholungen<br />

ganz besonders dazu geeignet ist, bewusstseinsmanipulierend zu wirken, darüber sind si<strong>ch</strong> viele<br />

Wissens<strong>ch</strong>aftler einig.<br />

Es wäre an <strong>die</strong>ser Stelle <strong>die</strong> Frage zu klären, ob <strong>und</strong> wie weit <strong>die</strong> NAK mit ihren<br />

verhaltensverändernden Methoden ni<strong>ch</strong>t bereits zu den Kulten zu zählen ist. Dies alles ist jedo<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t Gegenstand <strong>die</strong>ser Arbeit <strong>und</strong> würde den Rahmen sprengen.<br />

Carl Ransom Rogers nimmt an, dass der Mens<strong>ch</strong>, sollte er <strong>die</strong> innere Freiheit besitzen, si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

seinen Anlagen <strong>und</strong> Fähigkeiten in eine von ihm frei gewählte Ri<strong>ch</strong>tung entwickelt. Bekommt er<br />

bedingte Zuwendung, <strong>die</strong> an bestimmte Vorgaben <strong>und</strong> Normen geb<strong>und</strong>en ist, entsteht in ihm ein<br />

I<strong>ch</strong>­Ideal dem er zustrebt.<br />

Wie in den vorherigen Kapiteln ausgeführt, ist eine f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>e Gruppierung, wie sie <strong>die</strong><br />

NAK darstellt, <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus dazu geeignet, dem Einzelnen das Selbst­Bild <strong>dur<strong>ch</strong></strong> ein Instiutions­<br />

Ideal zu ersetzen. Die, wie Rogers es nennt (Rogers 1985, S. 49) „Haupttriebfeder des Lebens“<br />

oder <strong>die</strong> Tendenz zur Selbstaktualisierung, wird fast vollständig auf <strong>die</strong> religiösen Forderungen<br />

der Institution fokussiert. Die Haupttriebfeder des Lebens wird zur Haupttriebfeder <strong>für</strong> ein<br />

56


Leben na<strong>ch</strong> dem Tod! Das bedeutet: das Individuum ri<strong>ch</strong>tet seine Tendenz zur Entfaltung statt<br />

auf das eigene aktuelle Leben fast auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> auf ein mögli<strong>ch</strong>es zukünftiges Leben. Daraus<br />

ergibt si<strong>ch</strong> ein entspre<strong>ch</strong>ender ‚Lebenswandel‘, der zum Ziel hat, eine Ideal­Seele zu werden.<br />

No<strong>ch</strong> einmal Dr. Kiefer:<br />

„Von daher fühlt si<strong>ch</strong> der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ in einer endzeitli<strong>ch</strong>en Situation, <strong>die</strong> ihn<br />

dazu aufruft – <strong>und</strong> hier entspri<strong>ch</strong>t er in seiner Glaubenshaltung zweifelsohne einer<br />

ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Position ­, eine wahrhaft es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e Existenz zu führen.“ (Kiefer a.a.O.)<br />

Im weitesten Sinne werden <strong>die</strong> Mitglieder <strong>die</strong>ser Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft dazu angehalten, das<br />

Leben wenig bis gering zu a<strong>ch</strong>ten. Es gilt ledigli<strong>ch</strong> als Übergangsstadium <strong>und</strong> Prüfungszeit. Nur<br />

wenn man <strong>die</strong> Glaubensprüfungen in <strong>die</strong>sem Leben bestanden hat, (bedingungslos den Vorgaben<br />

der Apostel gehor<strong>ch</strong>t) hat man ein Anre<strong>ch</strong>t auf ein ewiges Leben bei Gott. Da, laut<br />

Glaubenslehre, au<strong>ch</strong> nur der Beste unter den Besten überhaupt eine Chance hat von Jesus<br />

angenommen zu werden, entsteht ein enormer Leistungsdruck <strong>und</strong> eine stete Angst vor<br />

Versagen. Diese es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e Theologie ist der Dreh­ <strong>und</strong> Angelpunkt, um den si<strong>ch</strong> das<br />

‚irdis<strong>ch</strong>e’ Leben einordnet. Sie übt eine ni<strong>ch</strong>t zu unters<strong>ch</strong>ätzende Ma<strong>ch</strong>t auf <strong>die</strong> Gläubigen aus.<br />

Das kann dazu führen, dass Mens<strong>ch</strong>en ihr ges<strong>ch</strong>enktes Leben vollständig <strong>für</strong> ein imaginäres<br />

Leben na<strong>ch</strong> dem Tode opfern. Nur der Verzi<strong>ch</strong>t auf ein freies <strong>die</strong>sseitiges Leben ermögli<strong>ch</strong>t den<br />

Erhalt des ewigen, jenseitigen Lebens. Die Gläubigen werden zu zwei Personen in einer erzogen.<br />

I<strong>ch</strong> gehe soweit zu behaupten, der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ wird zur Spaltung seiner Person<br />

gezwungen. Er führt häufig ein Doppelleben mit verwis<strong>ch</strong>ten Konturen. Meist ist <strong>die</strong>s jedo<strong>ch</strong><br />

den Gläubigen ni<strong>ch</strong>t bewusst. In ihrem Denken ist das eben so. Eins<strong>ch</strong>ränkungen das reale Leben<br />

betreffend nehmen sie unter mehr oder weniger großen inneren (Glaubens­)Kämpfen hin,<br />

s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> muss si<strong>ch</strong> jeder Mens<strong>ch</strong> in irgend einer Weise in seinem Leben eins<strong>ch</strong>ränken. Sehr<br />

oft fehlt sol<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en vollständig der Blick da<strong>für</strong>, wel<strong>ch</strong>e Art der Eins<strong>ch</strong>ränkung sie auf<br />

si<strong>ch</strong> nehmen. Es sind eben vielfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur spezielle Handlungseins<strong>ch</strong>ränkungen, sondern<br />

vielmehr innerpsy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e, von der Institution abhängig ma<strong>ch</strong>ende Forderungen <strong>und</strong> sol<strong>ch</strong>e, <strong>die</strong><br />

das Denken in beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>em Maß beeinflussen. Der reale Mens<strong>ch</strong> als stoffli<strong>ch</strong>er, leider<br />

notwendiger <strong>und</strong> geduldeter Träger einer Seele, deren Erbanlagen von Kir<strong>ch</strong>enfunktionären<br />

stammen <strong>und</strong> deren ‚Weiterbildung‘ ni<strong>ch</strong>ts mit dem mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Leben zu tun hat.<br />

Eine Aussteigerin s<strong>ch</strong>reibt hierzu folgendes:<br />

„In der Krankenpfleges<strong>ch</strong>ule hörte i<strong>ch</strong> zum ersten Mal, dass man unter Seele au<strong>ch</strong> was ganz<br />

anderes verstehen kann, als <strong>die</strong>ses einges<strong>ch</strong>nürte, leblose, himmelwärts orientierte Etwas,<br />

über das man ni<strong>ch</strong>t verfügen durfte. Und so ging es weiter. Mens<strong>ch</strong>en, Christen <strong>und</strong><br />

Ni<strong>ch</strong>t<strong>ch</strong>risten, um mi<strong>ch</strong> herum haben mir vorgelebt, was Nä<strong>ch</strong>stenliebe, Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit <strong>und</strong><br />

Freude am Leben ist. (...) i<strong>ch</strong> habe Gesprä<strong>ch</strong>stherapien gema<strong>ch</strong>t, (...) Heute habe i<strong>ch</strong> das Gefühl,<br />

i<strong>ch</strong> lebe <strong>und</strong> trage Verantwortung <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> <strong>und</strong> andere.“(Autorin der Verfasserin bekannt)<br />

Sehr si<strong>ch</strong>tbar wird in <strong>die</strong>sem Zusammenhang <strong>die</strong> <strong>Sekten</strong>struktur <strong>die</strong>ser Gemeins<strong>ch</strong>aft, da sie in<br />

vielerlei Hinsi<strong>ch</strong>t allgemein<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>es Gedankengut verlässt.<br />

„Für den neuapostolis<strong>ch</strong>en Glauben ist eigentli<strong>ch</strong> nur dort im Vollsinn Kir<strong>ch</strong>e vorhanden, wo<br />

<strong>die</strong> Apostel sind. Wo sie fehlen, sind folgli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> notwendigen Heilsmittel ni<strong>ch</strong>t in<br />

sa<strong>ch</strong>gemäßer Weise gegeben. (...) Die Apostel können <strong>und</strong> sollen das Heil zuspre<strong>ch</strong>en, indem<br />

sie <strong>die</strong> Sünden vergeben.“(Kiefer a.a.O.)<br />

Die NAK ersetzt in wesentli<strong>ch</strong>en Teilen Jesu <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Apostel, weil sie unbedingt als Verwalter des<br />

‚Opfers’ angesehen werden wollen. Dies ma<strong>ch</strong>t <strong>die</strong> Gläubigen sehr abhängig von <strong>die</strong>sen<br />

Männern <strong>und</strong> deren Gutmeinung. Je na<strong>ch</strong> Autorität des Amtsinhabers kann <strong>die</strong>s eindeutig bis zur<br />

Mens<strong>ch</strong>envergötterung führen.<br />

Nimmt man <strong>die</strong>sen Begriff in seine beiden Bestandteile auseinander, so will er besagen: Ein<br />

Mens<strong>ch</strong> wird zu Gott, oder er wird gottähnli<strong>ch</strong>. Diese unzulässige Überhöhung Einzelner <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

57


ihnen damit zugestandene Ma<strong>ch</strong>t ist mehr als fragwürdig. Eine Atmosphäre des ‚Oben –<br />

Untendenkens’ entsteht. Es existiert ein Führer (Stammapostel) <strong>und</strong> es gibt Helfer des Führers<br />

(Apostel). Au<strong>ch</strong> sie haben wiederum Helfer usw., usw. Ganz am Ende der Skala befinden si<strong>ch</strong><br />

<strong>die</strong> einfa<strong>ch</strong>en, von allen abhängigen Gläubigen.<br />

Wie in den meisten hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Systemen existieren zudem eine starke gegenseitige Kontrolle<br />

<strong>und</strong> ein Zwang zur Konformität. Wer ma<strong>ch</strong>t was, wann <strong>und</strong> wo. Eltern erziehen ‚Musterkinder’,<br />

Kinder s<strong>ch</strong>ämen si<strong>ch</strong> <strong>für</strong> ‚ni<strong>ch</strong>t treu im Glauben stehende’ Eltern. Gemeindemitglieder<br />

kontrollieren den Lebenswandel ihrer Amtsträger, <strong>die</strong>se wiederum jenen der Gläubigen.<br />

Es darf jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t unerwähnt bleiben, dass viele Priester <strong>und</strong> viele Gläubige <strong>die</strong> besten<br />

Absi<strong>ch</strong>ten haben. So kann <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus <strong>die</strong> ‚Kontrolle’ au<strong>ch</strong> als <strong>für</strong>sorgli<strong>ch</strong>e Liebe <strong>und</strong> große<br />

A<strong>ch</strong>tsamkeit <strong>für</strong> das Seelenheil des Nä<strong>ch</strong>sten gewertet werden. Selbstverständli<strong>ch</strong> gibt es au<strong>ch</strong><br />

eine große Menge an zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Seelsorgebemühung <strong>und</strong> Zuwendung. Deutli<strong>ch</strong><br />

mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> <strong>die</strong> gewaltige Anstrengung hervorheben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Männer <strong>und</strong> Träger eines<br />

Amtes auf si<strong>ch</strong> nehmen. Als völlige Laien sind sie jedo<strong>ch</strong> in vielen theologis<strong>ch</strong>en,<br />

seelsorgeris<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Fragen hoffnungslos überfordert. Meist bleibt ihnen<br />

kaum Zeit si<strong>ch</strong> in Privatstudium oder über Vorträge zu s<strong>ch</strong>ulen. Die Kir<strong>ch</strong>enleitung gibt hierzu<br />

keine nennenswerte Unterstützung. Die Glaubenslehre steht zudem sol<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ulungen sehr<br />

entgegen. Das Unterordnungsprinzip steht über mögli<strong>ch</strong>en theologis<strong>ch</strong>en Glaubensinhalten.<br />

Wohl sind in jüngster Zeit sogenannte Priesterseminare in Planung. Wie deren Inhalt aussehen<br />

wird, bleibt abzuwarten. Die aktuellen Predigten des obersten geistli<strong>ch</strong>en Führers lassen zur Zeit<br />

in <strong>die</strong>ser Frage no<strong>ch</strong> kein Umdenken erkennen.<br />

Wie soll si<strong>ch</strong> in <strong>die</strong>sem engen Rahmen ein Kind selbstverwirkli<strong>ch</strong>en? Wie soll ein erwa<strong>ch</strong>sener<br />

Mens<strong>ch</strong> seiner in ihm liegenden Tendenz zur Selbstaktualisierung folgen?<br />

Wie in den vorhergehenden Kapiteln gezeigt, ist <strong>die</strong>s nur mit großer Anstrengung mögli<strong>ch</strong> <strong>und</strong><br />

in den meisten Fällen vollständig auf <strong>die</strong> Institution NAK bezogen. Man darf zudem den<br />

‚freiwilligen’ Verzi<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t unerwähnt lassen. Da ein Gotteskind <strong>die</strong>s <strong>und</strong> jenes eben ni<strong>ch</strong>t<br />

ma<strong>ch</strong>t, hat der betreffende Mens<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> keinen Wuns<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> in <strong>die</strong>se Ri<strong>ch</strong>tung zu entwickeln,<br />

oder hat ihn zumindest erfolgrei<strong>ch</strong> verdrängt. Bis vor einigen Jahren waren ganze Berufsgruppen<br />

davon betroffen. Weil der sonntägli<strong>ch</strong>e Gottes<strong>die</strong>nst absolut heilsnotwendig ist, waren Berufe<br />

z.b. Arzt oder Krankens<strong>ch</strong>wester oder au<strong>ch</strong> Musiker ni<strong>ch</strong>t gerne gesehen. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> verhinderte<br />

<strong>die</strong> Ausübung sol<strong>ch</strong>er Berufe <strong>dur<strong>ch</strong></strong> entspre<strong>ch</strong>ende Dienstzeiten den Besu<strong>ch</strong> des Gottes<strong>die</strong>nstes.<br />

Dies ist zum Glück heute ni<strong>ch</strong>t mehr so, denno<strong>ch</strong> wären der Beruf eines Tänzers, Sportlers oder<br />

Musikers unvorstellbar.<br />

Der Mens<strong>ch</strong> wird von kleinstem Kind an auf einen s<strong>ch</strong>malen Pfad gestellt. Der sehr<br />

einges<strong>ch</strong>ränkter Handlungsspielraum, der eng abgesteckte Rahmen kann ihn in eine geistige <strong>und</strong><br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Enge unvorstellbaren Ausmaßes treiben. Ni<strong>ch</strong>t selten führt <strong>die</strong>s zu einer großen<br />

inneren Isoliertheit <strong>und</strong> Einsamkeit. Der Zugang zu den eigenen abgespalteten Gefühlen ist ni<strong>ch</strong>t<br />

gegeben. Das Selbst ist zum ‚Chitinpanzer’ aus äußeren Dogmen <strong>und</strong> Glaubensforderungen<br />

geworden. Die Sehnsu<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Liebe <strong>und</strong> uneinges<strong>ch</strong>ränkter Annahme wä<strong>ch</strong>st, kann ni<strong>ch</strong>t<br />

befriedigt werden, wird verdrängt <strong>und</strong> der Kreislauf s<strong>ch</strong>ließt si<strong>ch</strong>. Die Angst si<strong>ch</strong> selbst zu<br />

entfalten – das eigene Leben zu leben – <strong>und</strong> damit das Ewige Leben zu verspielen ist übergroß<br />

<strong>und</strong> lähmt vollständig.<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> muss si<strong>ch</strong> der NAK­Christ au<strong>ch</strong> in seiner sonstigen Welt zure<strong>ch</strong>t finden. So<br />

wird er in seinem engen, erlaubten Rahmen versu<strong>ch</strong>en sol<strong>ch</strong>e Situationen aufzusu<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> seine<br />

Entwicklung positiv beeinflussen. Denno<strong>ch</strong> bleibt im Hintergr<strong>und</strong>: Diese Erlebnisse <strong>und</strong><br />

Erfahrungen dürfen seinem Glauben <strong>und</strong> damit den Vorgaben der Kir<strong>ch</strong>e nie im Wege stehen.<br />

Der Kontakt zu anderen Mens<strong>ch</strong>en gestaltet si<strong>ch</strong> dementspre<strong>ch</strong>end s<strong>ch</strong>wierig. Vollständige<br />

Öffnung <strong>und</strong> Vertrauen in einen anderen Mens<strong>ch</strong>en lassen si<strong>ch</strong> nur sehr s<strong>ch</strong>wer bis gar ni<strong>ch</strong>t<br />

entwickeln.<br />

58


Um ein Beispiel zu nennen: 1993 steht unter der Rubrik ‚Theater’ in einer Anleitung <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Jugend mit dem Titel „Gefahren <strong>für</strong> Leib <strong>und</strong> Seele“ folgendes:<br />

„ Für das Theater gilt in besonderem Maße, was von den Me<strong>die</strong>n gesagt wurde: Es ist ein<br />

Vehikel <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wertvorstellungen, <strong>die</strong> Mens<strong>ch</strong>en anderen Mens<strong>ch</strong>en entgegenbringen wollen.<br />

Von man<strong>ch</strong>en wird deutli<strong>ch</strong> gesagt: Das Theater ist eine „moralis<strong>ch</strong>e <strong>Erziehung</strong>sanstalt“. Ziele<br />

der Beeinflussung können sein: Na<strong>ch</strong>denken über das, was einen umgibt. Identifizierung mit<br />

einem speziellen Mens<strong>ch</strong>enbild, ja au<strong>ch</strong> der Kampf gegen andere Mens<strong>ch</strong>en. (...) Will man si<strong>ch</strong><br />

seine Eigenständigkeit bewahren, muss man in der Lage sein, <strong>die</strong> Geister zu prüfen. Bevor wir<br />

<strong>die</strong>sem Angebot, das si<strong>ch</strong> in der Regel au<strong>ch</strong> als anspru<strong>ch</strong>svolles Bildungsangebot präsentiert<br />

folgen, wollen wir uns fragen: Bringt mir <strong>die</strong>ses einen Nutzen? Gibt es meinem Geist eine<br />

Befru<strong>ch</strong>tung oder ist damit zu re<strong>ch</strong>nen, dass es im Widerspru<strong>ch</strong> zur Wirksamkeit des Heiligen<br />

Geistes steht?<br />

Theaterbesu<strong>ch</strong> bedeutet <strong>für</strong> einige Mens<strong>ch</strong>en eine gesells<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Übung mit der Erwartung<br />

einer wertvollen Lebensgestaltung. Diese Eins<strong>ch</strong>ätzung teilen wir ni<strong>ch</strong>t.<br />

Ist der Theaterbesu<strong>ch</strong> eine Pfli<strong>ch</strong>tveranstaltung im Zusammenhang mit der Ausbildung <strong>und</strong> ist<br />

daran ein eindeutiger Bildungsforts<strong>ch</strong>ritt geb<strong>und</strong>en, so kommen wir <strong>die</strong>sen Pfli<strong>ch</strong>ten na<strong>ch</strong>.<br />

Es versteht si<strong>ch</strong> von selbst, dass wir deswegen keinen Gottes<strong>die</strong>nst versäumen. ‚So besteht nun<br />

in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat, <strong>und</strong> lasset eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wiederum in das<br />

kne<strong>ch</strong>tis<strong>ch</strong>e Jo<strong>ch</strong> fangen‘(Galater 5.1).“<br />

Diesem S<strong>ch</strong>reiben an <strong>die</strong> Jugend wurde folgendes vorangestellt:<br />

„Der Glaube setzt letztli<strong>ch</strong> in allen Lebensberei<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> Maßstäbe. Damit bleibt Christus im<br />

Mittelpunkt. Hinweise zu Gefahren <strong>für</strong> Leib <strong>und</strong> Seele sind mehr als Lebenshilfe; sie sind ein<br />

Angebot der Hilfe zur Errei<strong>ch</strong>ung des Glaubenszieles.<br />

Als sol<strong>ch</strong>es haben sie eine auf dem Glaubensgehorsam beruhende Verbindli<strong>ch</strong>keit.“<br />

Mir ist eine Frau bekannt, <strong>die</strong> gerne aus ges<strong>und</strong>heitli<strong>ch</strong>en Gründen ihr Körpergewi<strong>ch</strong>t reduziert<br />

hätte. Die Selbsthilfegruppe fand jedo<strong>ch</strong> abends statt. Sie hat si<strong>ch</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Abende einen<br />

Babysitter engagiert. Als <strong>die</strong>s in der Gemeinde bekannt wurde, wurde sie von ihrem Hauspriester<br />

mit den Worten ermahnt: ‚Wenn du <strong>für</strong> so etwas Äußeres Zeit hast, dann könntest du au<strong>ch</strong> in den<br />

Abendgottes<strong>die</strong>nst gehen...‘ Die Frau hat den Abnehmkurs abgebro<strong>ch</strong>en.<br />

Zusammenfassend kann man feststellen: Es kann ni<strong>ch</strong>t davon ausgegangen werden, dass das<br />

Individuum in einer f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en religiösen Gemeins<strong>ch</strong>aft jene Förderung erhält, <strong>die</strong> es<br />

mögli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en würde, psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> frei zu sein <strong>und</strong> aus allen mögli<strong>ch</strong>en Entwicklungswegen si<strong>ch</strong><br />

jenen aussu<strong>ch</strong>en zu können, der ihm gere<strong>ch</strong>t werden kann. Ganz das Gegenteil ist der Fall. Das<br />

enge hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> angeordnete System einer religiös f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft ist dazu<br />

geeignet, den Mens<strong>ch</strong>en so sehr in seiner Entwicklung zu bes<strong>ch</strong>neiden, dass er in man<strong>ch</strong>en<br />

Fällen seine Fähigkeiten vollständig vergessen <strong>und</strong> verdrängt hat <strong>und</strong> zudem ni<strong>ch</strong>t mehr in der<br />

Lage ist, überhaupt Wüns<strong>ch</strong>e <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> selbst zu formulieren. Er hat keine mehr.<br />

59


5. Abwehrme<strong>ch</strong>anismen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Selbstbildung</strong> des<br />

Mens<strong>ch</strong>en<br />

Carl Ransom Rogers geht davon aus, dass in jedem Mens<strong>ch</strong>en eine gr<strong>und</strong>sätzli<strong>ch</strong>e<br />

Selbstaktualisierungstendenz vorhanden ist. Der Mens<strong>ch</strong> wird im Laufe seines Lebens all jene<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Ereignisse, <strong>die</strong> mit seiner Selbststruktur übereinstimmen <strong>und</strong> <strong>die</strong> er auf si<strong>ch</strong><br />

selbst im positiven Sinne beziehen kann, in sein Selbst integrieren. Daraus erwä<strong>ch</strong>st das Selbst<br />

des Mens<strong>ch</strong>en. Es ist das Bild, das er von si<strong>ch</strong> selbst hat.<br />

Eine bedingungslose Anerkennung im Kindesalter <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> engsten Bezugspersonen, sowie<br />

später im sozialen Kontext, stärkt das Selbstwertgefühl des Mens<strong>ch</strong>en. Eine jedo<strong>ch</strong> nur bedingte<br />

positive Bea<strong>ch</strong>tung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> familiäre <strong>und</strong> soziale Umwelt, <strong>die</strong> getragen wird von vorgegebenen<br />

Normen, führt bei der <strong>Selbstbildung</strong> des Kindes zur Entwicklung eines Ideal­Selbst.<br />

Rogers nimmt an, dass Erlebnisinhalte <strong>und</strong> Erfahrungen, <strong>die</strong> ohne Beziehung zum Selbst stehen,<br />

vom Mens<strong>ch</strong>en einfa<strong>ch</strong> ignoriert werden <strong>und</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entwicklung des Selbstkonzeptes daher<br />

ohne Bedeutung sind. Na<strong>ch</strong> seiner Auffassung ist das Selbst ein organis<strong>ch</strong>es Ganzes. Es strebt<br />

na<strong>ch</strong> Konsistenz <strong>und</strong> Kongruenz, wobei das Bedürfnis na<strong>ch</strong> Kongruenz größer ist als das na<strong>ch</strong><br />

Konsistenz. Erfahrungen, <strong>die</strong> im Widerspru<strong>ch</strong> oder sonst wie ni<strong>ch</strong>t vereinbar zum eigenen Selbst<br />

stehen, werden vom Mens<strong>ch</strong>en verzerrt oder verleugnet, um somit in ‚veränderter Form‘ in das<br />

Selbst integriert werden zu können. Besitzt der Mens<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> bereits ein sehr stabiles Selbst,<br />

können neue Erfahrungen au<strong>ch</strong> der Modifikation des Selbst <strong>die</strong>nen. Häufig können allerdings<br />

Erfahrungsinhalte der Kinderzeit wie mangelnde Anerkennung, wenig positive Rückmeldung<br />

sowie mangelndes Angenommensein auss<strong>ch</strong>laggebend <strong>für</strong> ein vermindertes Selbstwertgefühl<br />

bzw. Ursa<strong>ch</strong>e von Inkongruenz zwis<strong>ch</strong>en Selbst <strong>und</strong> Ideal­ Selbst sein.<br />

Das Kind nimmt si<strong>ch</strong> zu Teilen innerhalb der geistigen NAK­Welt <strong>und</strong> in <strong>die</strong>sem realen sozialen<br />

Umfeld als ‚unwürdig‘ bzw. s<strong>ch</strong>uldhaft wahr. Es hört von der vermeintli<strong>ch</strong>en göttli<strong>ch</strong>en<br />

Autorität Sonntag <strong>für</strong> Sonntag von seinen Fehlern <strong>und</strong> seine Mängeln, <strong>die</strong> es vor Gott klein <strong>und</strong><br />

sündig ma<strong>ch</strong>t. Es lernt ebenso, dass nur <strong>die</strong> Amtsträger im sonntägli<strong>ch</strong>en Gottes<strong>die</strong>nst in der<br />

Lage sind, ihm seine Sünden zu vergeben <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> das nur dann, wenn das Kind ernstli<strong>ch</strong> seine<br />

Fehler, au<strong>ch</strong> seine Gedankensünden bereut <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> einsi<strong>ch</strong>tig zeigt.<br />

Was lernt das Kind daraus? Da das ‚Glaubensleben‘ si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t von ‚Lebensweg‘ abspalten soll,<br />

sondern ihn <strong>dur<strong>ch</strong></strong>dringen soll, ist so gut wie das ganze Wahrnehmungsfeld des Kindes von<br />

religiösen Werten <strong>und</strong> Normen <strong>dur<strong>ch</strong></strong>setzt. Alles steht in direktem Bezug dazu.<br />

So wird das Kind <strong>und</strong> der spätere Jugendli<strong>ch</strong>e viele <strong>die</strong>ser Normen in si<strong>ch</strong> als ‚Wahrheiten‘<br />

einbauen. Diese ‚Wahrheiten‘ werden sukzessive zum Teil seines eigenen Selbst. I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te das<br />

am Beispiel der ‚göttli<strong>ch</strong>e Erwählung‘ erklären:<br />

Von klein auf lernt der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ, dass er von Gott selbst aus der Masse der<br />

‚Weltmens<strong>ch</strong>en‘ heraus erwählt wurde. Im Laufe seiner Entwicklung wird er selbstverständli<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> Kontakte zu anderen Mens<strong>ch</strong>en haben <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> mit dem einen oder anderen gut<br />

verstehen, ja ihn au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ätzen <strong>und</strong> lieben. Daraus kann si<strong>ch</strong> eine s<strong>ch</strong>wierige Situation<br />

entwickeln. Sie kann zu einem inneren Konflikt werden, da <strong>die</strong>ser ‚Weltmens<strong>ch</strong>‘ wohl<br />

sympathis<strong>ch</strong>, aber eben kein ‚Gotteskind‘ ist. Ganz im Inneren fühlt das neuapostolis<strong>ch</strong>e Kind,<br />

der neuapostolis<strong>ch</strong>e Jugendli<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>sene etwas Ungere<strong>ch</strong>tes in <strong>die</strong>ser ‚Erwählung‘.<br />

Viellei<strong>ch</strong>t steigt in ihm sogar der Wuns<strong>ch</strong> auf, <strong>die</strong>sen Mens<strong>ch</strong>en nie wieder zu verlieren, aber er<br />

weiß ganz genau: das geht na<strong>ch</strong> seiner Glaubensauffassung nur dann, wenn si<strong>ch</strong> Gott au<strong>ch</strong> dazu<br />

bringen lässt, <strong>die</strong>sen Mens<strong>ch</strong>en glei<strong>ch</strong>ermaßen zu erwählen <strong>und</strong> der betreffende Mens<strong>ch</strong><br />

wiederum bereit ist, <strong>die</strong>se Erwählung au<strong>ch</strong> anzunehmen.<br />

Der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ hat seine Erwählung verinnerli<strong>ch</strong>t <strong>und</strong> damit als etwas absolut<br />

Notwendiges begriffen. Seine ‚Gotteskinds<strong>ch</strong>aft‘ ist ein Teil von ihm, ein Teil seines Selbst<br />

geworden. Er kann ni<strong>ch</strong>t ohne sie existieren. Alle Bedürfnisse <strong>und</strong> Wüns<strong>ch</strong>e ranken si<strong>ch</strong> um<br />

60


<strong>die</strong>sen Selbstanteil. Dieser Selbstanteil ist so wi<strong>ch</strong>tig <strong>und</strong> bestimmend geworden, dass der<br />

neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ glaubt, das Anre<strong>ch</strong>t auf ein ewiges Leben zu verlieren, sollte er<br />

lei<strong>ch</strong>tfertig <strong>die</strong>sen ‚Persönli<strong>ch</strong>keitsanteil‘ (‚Erbgut des neuen Mens<strong>ch</strong>en‘) aufs Spiel setzten. Er<br />

begreift si<strong>ch</strong> selbst nur als ganz <strong>und</strong> gar vollständig <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong>se ‚Gotteskinds<strong>ch</strong>aft‘. Ohne sie ist<br />

er ni<strong>ch</strong>ts. Selbstverständli<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te er aus <strong>die</strong>sem Gr<strong>und</strong>, dass au<strong>ch</strong> der geliebte ‚Weltmens<strong>ch</strong>‘<br />

zu <strong>die</strong>sem Persönli<strong>ch</strong>keitsanteil kommt. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ist <strong>die</strong>ser sonst vor Gott ni<strong>ch</strong>t vollgültig <strong>und</strong><br />

hat in Gottes neuem Rei<strong>ch</strong> keinen Platz. Aus <strong>die</strong>ser zwiespältigen Situation von mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />

Zuwendung <strong>und</strong> institutionsgesteuerter Seinsvorgabe kann beim neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen ein<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus sehr ernst gemeinter Missionseifer entstehen. Seine Fürsorge mö<strong>ch</strong>te allen Mens<strong>ch</strong>en<br />

helfen. Sperrt si<strong>ch</strong> nun ein so mit Liebe beda<strong>ch</strong>ter Mens<strong>ch</strong> <strong>und</strong> nimmt seine s<strong>ch</strong>einbare<br />

‚Erwählung‘ ni<strong>ch</strong>t an, kommt es ni<strong>ch</strong>t selten dazu, dass si<strong>ch</strong> der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ von ihm<br />

zurückzieht. Dies ges<strong>ch</strong>ieht zum einen aus Trauer, zum anderen aus Angst vor einem mögli<strong>ch</strong>en<br />

s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>en Einfluss des ‚Weltmens<strong>ch</strong>en‘. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ist einer, der <strong>die</strong> Erwählung Gottes ni<strong>ch</strong>t<br />

anerkennt, mögli<strong>ch</strong>erweise bereits eine Gefahr <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene Seele. Andere Mä<strong>ch</strong>te haben wohl<br />

offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> auf einem sol<strong>ch</strong>en ‚Weltmens<strong>ch</strong>en‘ mehr Einfluss als <strong>die</strong> ‚göttli<strong>ch</strong>e‘ Liebe in<br />

Gestalt des ‚Missionars‘. Glei<strong>ch</strong>zeitig wird der neuapostolis<strong>ch</strong>e Christ sonntägli<strong>ch</strong> auf Gefahren<br />

aufmerksam gema<strong>ch</strong>t. Er wird gewarnt <strong>und</strong> gelehrt, auf wel<strong>ch</strong>e Weise teuflis<strong>ch</strong>e Mä<strong>ch</strong>te ständig<br />

bemüht sind seine ‚Gotteskinds<strong>ch</strong>aft‘ ­ spri<strong>ch</strong> seinen wi<strong>ch</strong>tigsten Persönli<strong>ch</strong>keitsanteil ­ zu<br />

rauben. Überall wittert daher der neuapostolis<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong> Gefahr <strong>und</strong> Angriff auf seine Seele.<br />

Dies kann in man<strong>ch</strong>en Fällen sogar Fre<strong>und</strong>e oder andersdenkende Familienmitglieder betreffen.<br />

„Mit ungefähr 10 Jahren hatte i<strong>ch</strong> eine nette Brieffre<strong>und</strong>in. In einem langen Brief erzählte i<strong>ch</strong><br />

von meinem Glauben <strong>und</strong> „lud sie ein“, wie man das nannte. I<strong>ch</strong> war überzeugt, dass Gott das<br />

von mir erwartete. Dann betete i<strong>ch</strong> sehr innig, dass Gott do<strong>ch</strong> helfen möge, <strong>die</strong> Brieffre<strong>und</strong>in<br />

vom „Ri<strong>ch</strong>tigen“ zu überzeugen. Die Antwort kam postwendend <strong>und</strong> kühl. Wenn i<strong>ch</strong> <strong>für</strong> meine<br />

„Glaubenss<strong>ch</strong>äf<strong>ch</strong>en“ werben wolle, wäre <strong>die</strong> Fre<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>aft beendet. Die Enttäus<strong>ch</strong>ung saß sehr<br />

tief, hatte der Brief do<strong>ch</strong> soviel Überwindung gekostet, <strong>und</strong> i<strong>ch</strong> hatte Gott zeigen wollen, wie<br />

ernst mir mein Glaube uns sein Gebot, anderen davon zu erzählen, war.“ (Quelle:<br />

Aussteigerberi<strong>ch</strong>t,“ Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind.“)<br />

Die Institution NAK hat es ges<strong>ch</strong>afft, <strong>die</strong> s<strong>ch</strong>einbare wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>, biblis<strong>ch</strong> begründbare<br />

Wahrheit der Erwählung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Gott so sehr als Ideal zu präsentieren, dass einem jeden NAK­<br />

Christen ni<strong>ch</strong>ts anderes übrig bleibt, als <strong>die</strong>se Wahrheit anzunehmen <strong>und</strong> <strong>die</strong> daraus<br />

resultierenden Reglementierungen <strong>und</strong> Vorgaben der Institution zu befolgen. Unmerkli<strong>ch</strong><br />

werden sol<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>einbaren Wahrheiten, eine um <strong>die</strong> andere, in <strong>die</strong> Seele des Mens<strong>ch</strong>en<br />

eingepflanzt. Das Ziel der Institution ist es <strong>die</strong> eigenen Vorgaben zunä<strong>ch</strong>st als Ideal­Bild, später<br />

als Ideal­Selbst oder Ideal­Seele zu präsentieren.<br />

Ein Mens<strong>ch</strong>, der in einer sol<strong>ch</strong> engen religiösen f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gruppierung aufwä<strong>ch</strong>st,<br />

hat kaum <strong>die</strong> Mögli<strong>ch</strong>keit si<strong>ch</strong> der Indoktrination zu entziehen. Eine fatale Folge aus der<br />

erzwungenen Bindung an <strong>die</strong> Institution ist zudem <strong>die</strong> oftmalige Vers<strong>ch</strong>iebung der Autoritäten<br />

zwis<strong>ch</strong>en Eltern <strong>und</strong> ‚Gott‘, sowie <strong>die</strong> ihn vertretenden Amtsträger, vornehmli<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Apostel <strong>und</strong><br />

der Stammapostel. Es ist <strong>für</strong> ein derart erzogenes Kind logis<strong>ch</strong>, dass Gott, respektive <strong>die</strong> Apostel<br />

<strong>und</strong> der Stammapostel eine höhere Instanz sind, als <strong>die</strong> Eltern. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> beugen si<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Eltern<br />

ja ebenfalls unter den ‚göttli<strong>ch</strong>en‘ Willen, den <strong>die</strong>se Männer vertreten. Da das vermittelte<br />

Gottesbild eher dem eines mehr strafenden <strong>und</strong> Bedingungen stellenden Gottes als dem eines<br />

uneinges<strong>ch</strong>ränkt bedingungslos liebenden <strong>und</strong> bewahrenden Gottes glei<strong>ch</strong>t, sind <strong>die</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Folgen immens groß. Sogar das 4. Gebot zur ‚Elternliebe‘ wurde, wie das folgende Zitat zeigt,<br />

zu systemerhaltenden Zwecken missbrau<strong>ch</strong>t.<br />

„Eine große Sünde ist, <strong>und</strong> das wiederhole i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> einmal, der Ungehorsam wider das<br />

Walten <strong>und</strong> Tun der Apostel. Da<strong>für</strong> haben wir Beweise. Sind wir gehorsam, dann tritt das vierte<br />

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Gebot in seiner Verheißung in Ers<strong>ch</strong>einung wie bei den natürli<strong>ch</strong>en Kindern: Es soll eu<strong>ch</strong><br />

wohlgehen, solange ihr lebt, <strong>und</strong> wir wollen do<strong>ch</strong> ewig leben.“(Apostel S<strong>ch</strong>üring in einem<br />

Gottes<strong>die</strong>nst am 25.12. 1932)<br />

I<strong>ch</strong> halte <strong>die</strong>se fatalen Umkehrungen <strong>und</strong> Verwirrungen <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus <strong>für</strong> geeignet, langsam aber<br />

si<strong>ch</strong>er dem Kind das Bild, das es von si<strong>ch</strong> selbst hat <strong>und</strong> damit sein Selbst <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong><br />

Wuns<strong>ch</strong>bildkreation der Institution ersetzen zu können.<br />

Dies ges<strong>ch</strong>ieht in einem permanenten, jahrelangen Prozess <strong>und</strong> wird von der Kir<strong>ch</strong>e mit<br />

altersgemäßer ‚Begleitung‘ <strong>und</strong> altersgemäßen ‚Rats<strong>ch</strong>lägen‘ ganz gezielt forciert.<br />

Für ein ganz besonders s<strong>ch</strong>limmes Vergehen seitens der NAK halte i<strong>ch</strong> den Missbrau<strong>ch</strong> der<br />

Elternliebe zu Institutionszecken. Es ist ein Anliegen aller Eltern; nur das Beste <strong>für</strong> ihre Kinder<br />

zu wollen. Wel<strong>ch</strong>er Mutter, wel<strong>ch</strong>er Vater wollte <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>Erziehung</strong>sversäumnisse S<strong>ch</strong>uld daran<br />

tagen, dass ihre Kinder bis in alle Ewigkeit vor Gott verdammt sind? Wohl keiner. Unbemerkt<br />

geben somit <strong>die</strong> Eltern, im Befolgen der von außen geforderten Glaubenshaltungen <strong>und</strong><br />

Handlungsvorgaben; ihre eigene <strong>Erziehung</strong>sverantwortung aus den Händen <strong>und</strong> überlassen sie<br />

der Institution NAK. Damit erhält <strong>die</strong> Institution gefügige Handlanger zur Erhaltung ihrer selbst.<br />

Mit dem Eintritt in S<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> Kindergarten, also mit den ersten Außenkontakten zu anderen<br />

kleinen <strong>und</strong> großen Mens<strong>ch</strong>en, ist das Kind aber einem völlig neuen <strong>und</strong> vor allem völlig<br />

anderen Umfeld ausgesetzt. Ni<strong>ch</strong>t viel von dem, was es aus seiner bisherigen Kinderzeit kennt,<br />

findet es dort wieder.<br />

Sol<strong>ch</strong>e Kinder fühlen si<strong>ch</strong> meist über das übli<strong>ch</strong>e Maß hinaus s<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>tern, fremd <strong>und</strong> einsam.<br />

Neue Wahrnehmungsfelder tun si<strong>ch</strong> dem Kind auf. Oftmals kann es damit ni<strong>ch</strong>t viel anfangen.<br />

Im Berei<strong>ch</strong> des vors<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Lernens, das ja von den Eltern meist au<strong>ch</strong> liebevoll begleitet<br />

wird, finden si<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> keine Unters<strong>ch</strong>iede zu anderen Kindern. Aber auf der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Entwicklungsebene können <strong>die</strong> Unters<strong>ch</strong>iede gravierend sein.<br />

In <strong>die</strong>sem neuen Umfeld trifft das Kind auf viele divergierende Strukturen <strong>und</strong> Einflüsse, denen<br />

es wehrlos gegenübersteht. Dies kann zu neurotisierenden Momenten führen. Das Kind befindet<br />

si<strong>ch</strong> – laut seiner Glaubensauffassung im ‚Glaubenskampf‘.<br />

Um ein Beispiel zu benennen. Sonntägli<strong>ch</strong> hört das Kind, es darf ni<strong>ch</strong>t streiten. Au<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Eltern<br />

sind hierin ein Vorbild. Die Amtsträger <strong>und</strong> das Wort vom Altar (spri<strong>ch</strong> Gott) dürfen ni<strong>ch</strong>t<br />

kritisiert werden <strong>und</strong> au<strong>ch</strong> Konflikte zwis<strong>ch</strong>en den Familienmitgliedern darf es in einer<br />

Gotteskinderfamilie eigentli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t geben. Die Eltern selbst unterdrücken ihre inneren Konflikte<br />

häufig genug, um den S<strong>ch</strong>ein zu wahren. Als Folge daraus ist das Kind oft ni<strong>ch</strong>t in der Lage,<br />

angemessen mit Konflikten umzugehen, es hat hö<strong>ch</strong>sten gelernt sie zu verdrängen. Meist leidet<br />

es unter einem unangemessenen Harmoniebedürfnis. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> hat es oft genug gehört, dass<br />

‚wer im Leben s<strong>ch</strong>on ni<strong>ch</strong>t miteinander auskommt au<strong>ch</strong> im Himmel ni<strong>ch</strong>t nebeneinander Platz<br />

haben kann‘.<br />

In seinem neuen Umfeld in Kindergarten <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ule wird aber Konfliktfähigkeit dringend<br />

benötigt. Weil <strong>die</strong> eigene Unfähigkeit erkannt wird, greift hier das Kind auf seinen<br />

Persönli<strong>ch</strong>keitsanteil ‚Erwählung‘ zurück, <strong>die</strong> Erwählung. Ein klassis<strong>ch</strong>es Zei<strong>ch</strong>en von<br />

Verzerrung oder Leugnung. Ni<strong>ch</strong>t bekannte Erlebnisinhalte lassen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mit seinem<br />

vorhandenen Selbst vereinbaren. Die entstandene divergierende Situation erzeugt Angst <strong>und</strong><br />

Spannung. Zur Reduktion <strong>die</strong>ser innerpsy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Situation aktiviert si<strong>ch</strong> im Kind sein<br />

‚Sendungsbewusstsein‘. Es weiß, es ist ein ‚Gotteskind‘ <strong>und</strong> muss si<strong>ch</strong> in jeder Lage des Lebens<br />

au<strong>ch</strong> als ein sol<strong>ch</strong>es benehmen, selbst wenn es wegen seines <strong>für</strong> Außenstehende oft<br />

merkwürdigen Verhaltens verspottet wird. Es glaubt <strong>die</strong>se Situationen als Prüfungen erdulden zu<br />

müssen, um aus ihnen als Sieger hervor zu gehen. Eine lei<strong>ch</strong>te Überhebli<strong>ch</strong>keit den anderen<br />

Kindern gegenüber entsteht. Diese sind s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> keine Gotteskinder <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t erwählt. Aus<br />

eigener Erfahrung weiß i<strong>ch</strong>, wie oft sol<strong>ch</strong> ein Me<strong>ch</strong>anismus greifen muss, damit man mit den<br />

Zwiespältigkeiten der alltägli<strong>ch</strong>en Situationen fertig werden kann. Kein außenstehender Mens<strong>ch</strong><br />

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erahnt, was si<strong>ch</strong> in sol<strong>ch</strong>en Momenten in der Psy<strong>ch</strong>e eines neuapostolis<strong>ch</strong>en Kindes abspielt.<br />

Ganz viele aufkommende Bedürfnisse <strong>und</strong> Wüns<strong>ch</strong>e wird es vor si<strong>ch</strong> selbst verleugnen, weil<br />

alleine <strong>die</strong> Gedanken daran s<strong>ch</strong>on ‚sündig‘ sein könnten. Wird es na<strong>ch</strong> seinen Wüns<strong>ch</strong>en gefragt,<br />

sagt es ni<strong>ch</strong>t selten etwas anderes als in ihm steht. Selbstverständli<strong>ch</strong> bemerkt ein Kind <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus<br />

<strong>die</strong>se Inkogruenz <strong>und</strong> fühlt si<strong>ch</strong> dann erneut s<strong>ch</strong>uldig, weil es nun den anderen belogen hat. Der<br />

einzige Ausweg bleibt der Glaube an <strong>die</strong> göttli<strong>ch</strong>en Prüfungen, <strong>die</strong> es jetzt vor si<strong>ch</strong> selbst zu<br />

bestehen gilt <strong>und</strong> an <strong>die</strong> erlösende Sündenvergebung am Sonntag. Diese inneren<br />

Selbstbes<strong>ch</strong>neidungen bes<strong>ch</strong>reiben viele Aussteiger aus <strong>die</strong>ser Kir<strong>ch</strong>e sehr eindrückli<strong>ch</strong>. Im<br />

folgenden mö<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> einige zitieren, ni<strong>ch</strong>t ohne vorher erwähnt zu haben, dass <strong>die</strong>se Beri<strong>ch</strong>te<br />

oft viele Jahre na<strong>ch</strong> der Kinderzeit ges<strong>ch</strong>rieben wurden. Erst so viel später war es den<br />

Betroffenen mögli<strong>ch</strong> mit irgend jemand überhaupt darüber zu spre<strong>ch</strong>en. Als Kind hätte si<strong>ch</strong> das<br />

niemand getraut ..., wären do<strong>ch</strong> <strong>die</strong> sündigen, unwürdigen Gedanken ans Tagesli<strong>ch</strong>t gekommen.<br />

Man hätte si<strong>ch</strong> viel zu sehr ges<strong>ch</strong>ämt da<strong>für</strong>! Was <strong>die</strong>se tiefste innere Vereinsamung, <strong>die</strong>ser allein<br />

geführte Kampf mit dem aufkeimen wollenden eigenen Leben, mit der – wie Rogers es nennt –<br />

dem Mens<strong>ch</strong>en innewohnenden Dynamik <strong>und</strong> Kraft der Selbstaktualisierung <strong>für</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />

Spätauswirkungen hat, ist oft nur sehr s<strong>ch</strong>wer zu bes<strong>ch</strong>reiben.<br />

„I<strong>ch</strong> nahm am ev. Religionsunterri<strong>ch</strong>t teil <strong>und</strong> lernte fleißig, wie <strong>die</strong> anderen Kinder meine<br />

Sprü<strong>ch</strong>e auswendig. Brisant wurde es <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> in der 5. Klasse, als eine erneute Trennung<br />

zwis<strong>ch</strong>en Protestanten <strong>und</strong> Katholiken vollzogen wurde. S<strong>ch</strong>nurstracks s<strong>ch</strong>lug i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> auf <strong>die</strong><br />

Seite der Protestanten denn das Außenseiterdasein war ni<strong>ch</strong>ts <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong>. Do<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> hatte ni<strong>ch</strong>t mit<br />

einem eifrigen Mitbruder gere<strong>ch</strong>net, der mi<strong>ch</strong> hinterher zur Rede stellte. Weshalb i<strong>ch</strong> zu den<br />

Evangelis<strong>ch</strong>en konvertiert sei, wollte er wissen. Reumütig mußte i<strong>ch</strong> meine S<strong>ch</strong>uld, Jesus<br />

verleugnet zu haben, bekennen. Do<strong>ch</strong> das sollte mir ni<strong>ch</strong>t mehr passieren. Fortan war i<strong>ch</strong><br />

unter <strong>die</strong> Bekenner gegangen. I<strong>ch</strong> hatte zwar Spott zu erleiden <strong>und</strong> Na<strong>ch</strong>teile, aber war i<strong>ch</strong><br />

damit ni<strong>ch</strong>t in guter Gesells<strong>ch</strong>aft? Wie ist es Jesus ergangen? Angespuckt wurde er! Das ist mir<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t passiert! Do<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> litt <strong>für</strong><strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>. Oder viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t? Jedenfalls sehe i<strong>ch</strong><br />

heute no<strong>ch</strong> den Lehrer vor mir, wie er den Kopf s<strong>ch</strong>üttelte, als i<strong>ch</strong> ihm ohne Begründung meine<br />

Teilnahme an einem Theaterbesu<strong>ch</strong> verweigerte. Damals s<strong>ch</strong>lugen zwei Herzen in meiner<br />

Brust. Auf der einen Seite spürte i<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> seine Abneigung gegen mi<strong>ch</strong>, auf der anderen<br />

Seite war i<strong>ch</strong> <strong>die</strong> Bekennerin. Er wußte natürli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts von einem Verbot (man pflegte sie als<br />

Rats<strong>ch</strong>lag zu betiteln), das es in der NAK gibt, wenn es um den Besu<strong>ch</strong> sogenannter<br />

Luststätten geht. Und i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wieg dazu lieber! Theater, Film, Kunst, Kultur – alles war ein<br />

Fremdwort <strong>für</strong> mi<strong>ch</strong> <strong>und</strong> das Wissen darum trug ni<strong>ch</strong>t unerhebli<strong>ch</strong> zu einem mir no<strong>ch</strong> heute<br />

innewohnenden Minderwertigkeitskomplex bei.“ (Quelle Aussteigerberi<strong>ch</strong>t, „Bin ein königli<strong>ch</strong><br />

Kind“.)<br />

Zwangsläufig ergeben si<strong>ch</strong> aus dem inneren psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Druck, den Gefühlsvorgaben<br />

mögli<strong>ch</strong>erweise ni<strong>ch</strong>t folgen zu können, bedrohli<strong>ch</strong>e, Angst erzeugende Spannungen. Der<br />

Mens<strong>ch</strong> erlebt einerseits, wie er fühlen sollte <strong>und</strong> nimmt andererseits <strong>die</strong> Informationen, <strong>die</strong> der<br />

Organismus ihm zugängli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t, wahr. Es entsteht eine massiv psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> belastende<br />

Divergenz. Daraus ergibt si<strong>ch</strong> eine inkongruente Wahrnehmungssituation. Da der Mens<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

Kongruenz strebt, wird er versu<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> Wahrnehmungsinhalte zu Angstreduktion so zu<br />

verzerren oder zu verleugnen, dass sie in sein Selbst eingebaut werden können. Er wird in vielen<br />

Fällen in si<strong>ch</strong> gespalten <strong>und</strong> neurotis<strong>ch</strong>.<br />

Natürli<strong>ch</strong> wird der Mens<strong>ch</strong> <strong>für</strong> all seine Leistungen im ‚Überwinden des eigenen I<strong>ch</strong>s‘ <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />

den ‚Einsatz im Haus des Herrn‘ viel Lob <strong>und</strong> positive Rückmeldung, sowie ‚Gottes Segen‘<br />

bekommen. Dies führt daher zwangsläufig zu einem Selbst­Ideal, das vollständig mit den<br />

Vorgaben der Institution besetzt ist. Etwas anderes existiert gar ni<strong>ch</strong>t mehr. Eigene<br />

Entwicklungsbestrebungen in Ri<strong>ch</strong>tung Freiheit <strong>und</strong> Selbstbestimmtheit werden von der<br />

Institution ges<strong>ch</strong>ickt verteufelt <strong>und</strong> mit drohenden Predigten unterwandert. Der ‚Glaubensweg‘,<br />

63


also das, was <strong>die</strong> Institution als einzig mögli<strong>ch</strong>en Weg zu Gott bes<strong>ch</strong>reibt, hat Vorrang vor allem<br />

anderen im Leben. Familie, Beruf, Freizeit, Spaß, Spiel <strong>und</strong> Freude sind stets na<strong>ch</strong>geordnet, weil<br />

sie ‚nur <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses Leben Bestand haben‘.<br />

Der s<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>ende Prozess der Entwicklung des Selbst des Individuums mit mögli<strong>ch</strong>st wenig<br />

‚Eigeninhalten‘ <strong>und</strong> mögli<strong>ch</strong>st vielen ‚Systeminhalten‘, also weg vom Individuum hin zur<br />

Institution, wird von <strong>die</strong>sem weitgehendst ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> wahrgenommen. Denno<strong>ch</strong> ‚lagern‘<br />

unzählige Gefühle <strong>und</strong> Erlebnisinhalte im Unbewussten des Mens<strong>ch</strong>en. Von dort aus<br />

beeinflussen sie den Mens<strong>ch</strong>en sehr. Es ist fast unmögli<strong>ch</strong>, ohne therapeutis<strong>ch</strong>e Hilfe Zugang zu<br />

<strong>die</strong>sen Gefühlen zu finden <strong>und</strong> sie als ‚existierenden‘ Teil bewusst in das eigene Selbst zu<br />

integrieren.<br />

Hier zeigt si<strong>ch</strong> jetzt das Besondere an <strong>die</strong>ser Problematik. Der Mens<strong>ch</strong> versu<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong><br />

äußeren Wahrnehmungen in sein Selbst zu integrieren, sondern er versu<strong>ch</strong>t seine inneren<br />

Wahrnehmungen an das Äußere, Vorgegebene anzupassen. Wie hier in aller Deutli<strong>ch</strong>keit<br />

aufgezeigt werden konnte, ist der Mens<strong>ch</strong> gezwungen, sein eigenes Selbst <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das System­<br />

Selbst der NAK zu ersetzen, mö<strong>ch</strong>te er si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ständig psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> bedrohli<strong>ch</strong>en, ängstigenden<br />

Situationen aussetzten. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> gehen <strong>die</strong>se Kraftakte an <strong>die</strong> Substanz des Mens<strong>ch</strong>en. Der<br />

Selbsterhaltungstrieb ist größer als der Wille zum Kampf gegen jene destruktiven Methoden, <strong>die</strong><br />

zudem ja nur wage, ni<strong>ch</strong>t greifbar <strong>und</strong> somit meist ni<strong>ch</strong>t erkannt sind. Ni<strong>ch</strong>t selten bleibt große<br />

Angst zurück. Gerade <strong>die</strong>se Angst wird <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e Glaubensausri<strong>ch</strong>tung der<br />

NAK natürli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> verstärkt.<br />

All jene verinnerli<strong>ch</strong>ten Vorgaben <strong>und</strong> daraus entstehenden Verhaltensme<strong>ch</strong>anismen sind ni<strong>ch</strong>t<br />

dazu geeignet, si<strong>ch</strong> in einer Gruppe außerhalb der NAK zu integrieren. Dur<strong>ch</strong> das Fehlen von<br />

Peer­Groups <strong>und</strong> somit von infragestellenden Komponenten <strong>und</strong> sozialen Übungsfeldern bleiben<br />

<strong>die</strong> Kinder <strong>und</strong> späteren Jugendli<strong>ch</strong>en unter si<strong>ch</strong>. Dort alleine werden sie ja im Gr<strong>und</strong>e au<strong>ch</strong> nur<br />

verstanden. Wel<strong>ch</strong>er normaler Jugendli<strong>ch</strong>e unserer Gesells<strong>ch</strong>aft trägt in si<strong>ch</strong> zum Beispiel den<br />

Wuns<strong>ch</strong>, bald von Jesus von <strong>die</strong>ser Erde weggenommen zu werden, wohin au<strong>ch</strong> immer. Im<br />

Klartext: Wel<strong>ch</strong>er das Leben vor si<strong>ch</strong> habende ges<strong>und</strong>e Mens<strong>ch</strong> wüns<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> sein Ende herbei?<br />

Selbstverständli<strong>ch</strong> ordnet der Jugendli<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> der erwa<strong>ch</strong>sene Mens<strong>ch</strong> eigene Wüns<strong>ch</strong>e <strong>und</strong><br />

Bedürfnisse den Vorgaben der Institution unter, immer im Glauben es <strong>für</strong> sein ewiges Leben bei<br />

Gott zu tun.<br />

Interessant ist hierbei, wie <strong>die</strong> Psy<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> der Verstand inzwis<strong>ch</strong>en gelernt haben <strong>die</strong><br />

Bedürfnisse zu kategorisieren <strong>und</strong> in gute – also von Gott kommende – <strong>und</strong> in böse, vom Teufel<br />

kommende zu unters<strong>ch</strong>eiden. Ganz grob ausgedrückt bedeutet <strong>die</strong>s: Bedürfnisse, <strong>die</strong> mit der<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft übereinstimmen <strong>und</strong> in deren Moralkodex passen, wie etwa im Berei<strong>ch</strong> der<br />

sakralen Musik, sind von Gott kommend, eigene Wüns<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> Vorstellungen zur zufriedenen<br />

Lebensführung so sie dem System ni<strong>ch</strong>t <strong>die</strong>nli<strong>ch</strong> sind, oder s<strong>ch</strong>einbar moralis<strong>ch</strong> verwerfli<strong>ch</strong> sind,<br />

werden als Einflüsterungen des Teufels gewertet. Sie müssen folgli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>leunigst aus dem<br />

Wuns<strong>ch</strong>katalog <strong>für</strong> das eigene Leben eliminiert werden.<br />

Die bedingte, zudem no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wer kalkulierbare positive Bea<strong>ch</strong>tung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das gesamte soziale<br />

Umfeld, <strong>die</strong> nur ein bedingtes Selbstwertgefühl wa<strong>ch</strong>sen lässt, ma<strong>ch</strong>t den Mens<strong>ch</strong>en in vielen<br />

geforderten Ents<strong>ch</strong>eidungen des Lebens unsi<strong>ch</strong>er <strong>und</strong> unselbständig. Oft genug sind<br />

Selbstabwertungstendenzen <strong>und</strong> mangelndes Urteilsvermögen sowie übertriebenes<br />

Harmoniebedürfnis <strong>und</strong> daraus resultierendes übermäßiges Angepasstsein <strong>die</strong> Folgen. Die<br />

Ursa<strong>ch</strong>e <strong>für</strong> <strong>die</strong> bei vielen betroffenen Mens<strong>ch</strong>en vorhandene übermä<strong>ch</strong>tige Selbstkritik liegt<br />

ebenfalls häufig im oben Bes<strong>ch</strong>riebenen begründet. Alle Problematik führen jedo<strong>ch</strong> derart<br />

ges<strong>ch</strong>ädigte Mens<strong>ch</strong>en auf eigenes Fehlverhalten <strong>und</strong> eigene Fehleinstellungen zurück.<br />

Bei neuerli<strong>ch</strong>en auftretenden ‚Angriffssituationen‘, <strong>die</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> natürli<strong>ch</strong>e eigene Bedürftigkeit<br />

entsteht, kann der Mens<strong>ch</strong> nur no<strong>ch</strong> mit Verzerrungen <strong>und</strong> Leugnungen reagieren, um eine<br />

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Entspannung der ängstigenden Situation zu ermögli<strong>ch</strong>en.<br />

Die jahrelang <strong>dur<strong>ch</strong></strong> Eltern <strong>und</strong> Amtsträger geforderte ständige Selbstbes<strong>ch</strong>neidung des<br />

Mens<strong>ch</strong>en kann bis hin zu einem völligen Verlust eigener Bedürfnisse <strong>und</strong> Wüns<strong>ch</strong>e führen. Die<br />

geforderte Unterdrückung des eigenen I<strong>ch</strong>s <strong>und</strong> <strong>die</strong> zwanghafte Umlenkung der<br />

Selbstaktualisierung in Ri<strong>ch</strong>tung Institutionsvorgabe <strong>und</strong> letztli<strong>ch</strong> hin zu einem perfekten<br />

Institutions­Selbst­Ideal stellt einen immensen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Druck dar, dem si<strong>ch</strong> viele<br />

irgendwann ni<strong>ch</strong>t mehr gewa<strong>ch</strong>sen fühlen. Das kann bei sol<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en zur völligen<br />

Selbstaufgabe, in man<strong>ch</strong>en Fällen bis hin vollständigen Identitätsaufgabe führen. Ein derart<br />

ges<strong>ch</strong>ädigter Mens<strong>ch</strong> funktioniert gänzli<strong>ch</strong> im Sinne der Institution. Zurück bleibt ein tiefes<br />

Gefühl eigener Wertlosigkeit. Ni<strong>ch</strong>t ohne Gr<strong>und</strong> müssen Aussteiger aus der NAK sehr oft erst<br />

wieder erlernen, eigene Bedürfnisse zu entwickeln, bzw. mühsam erarbeiten, dass ihnen sol<strong>ch</strong>e<br />

‚erlaubt‘ sind <strong>und</strong> von niemandem verboten werden können.<br />

Diese Abwehrme<strong>ch</strong>anismen sind jedo<strong>ch</strong> dem Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> bewusst. I<strong>ch</strong> zitiere C.<br />

Rogers (1996; S. 187):<br />

„I<strong>ch</strong> habe früher den Begriff Abwehrhaltung als <strong>die</strong> Reaktion des Organismus auf Erfahrungen<br />

bes<strong>ch</strong>rieben, <strong>die</strong> als bedrohli<strong>ch</strong> empf<strong>und</strong>en oder antizipiert werden, als im Widerspru<strong>ch</strong> stehend<br />

zum existierenden Selbstbild des Individuums oder zum Bild seiner Beziehung zur Welt. Diese<br />

bedrohli<strong>ch</strong>en Erfahrungen werden vorübergehend uns<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, in dem sie im<br />

Bewusstsein verzerrt oder ihm verweigert werden. I<strong>ch</strong> bin bu<strong>ch</strong>stäbli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in der Lage, <strong>die</strong><br />

Erfahrungen, Gefühle, Reaktionen in mir präzise wahrzunehmen, <strong>die</strong> von meinem s<strong>ch</strong>on<br />

vorhandenen Selbstbild wesentli<strong>ch</strong> abwei<strong>ch</strong>en. Ein großer Teil des Therapieprozesses ist <strong>die</strong><br />

fortwährende Entdeckung seitens des Klienten, dass er Gefühle <strong>und</strong> Einstellungen erfährt, <strong>die</strong> er<br />

bislang ni<strong>ch</strong>t bewusst hat wahrnehmen können, <strong>die</strong> er ni<strong>ch</strong>t als existierenden Teil seines Selbst<br />

hatte, ‚besitzen‘ können.“<br />

Eine NAK­Aussteigerin bes<strong>ch</strong>reibt <strong>die</strong>s so:<br />

„Immer <strong>und</strong> jederzeit gut zu sein, selbst in Gedanken, das war <strong>die</strong> ständige Forderung seitens<br />

der NAK. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> seien wir <strong>die</strong> ‚Auserwählten Gottes‘, <strong>die</strong> <strong>die</strong> letzten Seelen zu Gott (<strong>dur<strong>ch</strong></strong><br />

Missionsarbeit, Anmerkung d. Verfasserin) zuführen sollten. Somit unterdrückte i<strong>ch</strong> alle meine<br />

Fehler <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>en. (...) Jedenfalls hatte i<strong>ch</strong> mir auf Anraten der NAK so vieles verboten<br />

<strong>und</strong> benötigte nun <strong>für</strong> meine aufgestauten Aggressionen Sündenböcke. – Die meisten<br />

Mens<strong>ch</strong>en waren einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so ‚gut‘ wie i<strong>ch</strong>! Da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong>! Erst als i<strong>ch</strong> <strong>die</strong>se Zusammenhänge<br />

erkannte, musste i<strong>ch</strong> meine Mitmens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t mehr verdammen.“(Autor der Verfasserin<br />

bekannt.)<br />

Mens<strong>ch</strong>en, bei wel<strong>ch</strong>en <strong>die</strong> vollständige Selbstaufgabe ni<strong>ch</strong>t gelingt, werden zum Teil s<strong>ch</strong>wer<br />

krank. Ein Betroffener hat <strong>die</strong>s einmal so formuliert:<br />

„Wie es au<strong>ch</strong> sei: I<strong>ch</strong> blieb in <strong>die</strong>sem s<strong>ch</strong>izophrenen Denken gefangen, innerli<strong>ch</strong> völlig<br />

dagegen, aber äußerli<strong>ch</strong> angepasst. Die Folge: i<strong>ch</strong> wurde sehr krank. Su<strong>ch</strong>tkrank. Abhängig<br />

von legalen <strong>und</strong> zum Teil illegalen Drogen. I<strong>ch</strong> habe mehrere Selbstmordversu<strong>ch</strong>e unternommen<br />

aus Selbsts<strong>ch</strong>utz. Einmal be<strong>für</strong><strong>ch</strong>tete i<strong>ch</strong>, in ein Amt gerufen zu werden (was mi<strong>ch</strong> in den<br />

Selbstmord getrieben hätte – siehe oben bes<strong>ch</strong>riebene S<strong>ch</strong>izophrenie), andererseits, weil i<strong>ch</strong> mir<br />

einen kleinen Rest an ‚ges<strong>und</strong>en‘ Anteilen in Form meiner individuellen Auflehnung – wenn<br />

au<strong>ch</strong> in Form einer psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Erkrankung­ erhalten hatte. Neurotis<strong>ch</strong> wird, (...)nur der, der<br />

ni<strong>ch</strong>t zu allem Ja <strong>und</strong> Amen sagt, sondern mit den Restanteilen seiner ges<strong>und</strong>en Persönli<strong>ch</strong>keit<br />

gegen unges<strong>und</strong>e Über­I<strong>ch</strong>­Anteile seiner Person angeht. Heute weiß i<strong>ch</strong>: Ni<strong>ch</strong>ts ist s<strong>ch</strong>werer,<br />

als ein Individuum zu werden!“ (Quelle: Aussteigerberi<strong>ch</strong>t,“ Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind“.)<br />

I<strong>ch</strong> meine behaupten zu können, dass der jahrelange bewusstseinsmanipulierende Vorgang weit<br />

über den Abwehrme<strong>ch</strong>anismus der Introjektion hinaus geht, da bei vielen Mens<strong>ch</strong>en ni<strong>ch</strong>t nur<br />

Teile des I<strong>ch</strong>s oder Selbst davon betroffen sind, sondern das ganze Selbst eines Mens<strong>ch</strong>en davon<br />

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etroffen ist. Ständig ist der Mens<strong>ch</strong> von ‚lauten‘ oder ‚leisen‘ angsterzeugenden <strong>und</strong> drohenden<br />

Impulsen <strong>und</strong> Situationen umgeben. Der ‚Glaubenskampf‘ ist in Wirkli<strong>ch</strong>keit ein lebenslanger<br />

Versu<strong>ch</strong> des Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong> divergierenden Erlebnisinhalte mittels aller nur erdenkbarer<br />

Verdrängungsme<strong>ch</strong>anismen in sein Selbst zu integrieren <strong>und</strong> <strong>die</strong> ‚Bots<strong>ch</strong>aften‘ des Organismus<br />

vollständig zu ignorieren, oder aber der verzweifelte Versu<strong>ch</strong>, wenigstens ni<strong>ch</strong>t daran krank zu<br />

werden.<br />

Mit der Zeit kann daraus ein völliger Verlust des Vertrauens in den eigenen Organismus<br />

entstehen. Ein Mens<strong>ch</strong> ist dann ni<strong>ch</strong>t mehr in der Lage, eigene Wertungen von Erlebnisinhalten<br />

vorzunehmen. Sofort greift au<strong>ch</strong> in sol<strong>ch</strong>en Fällen ganz ges<strong>ch</strong>ickt das System. Dies ges<strong>ch</strong>ieht<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> gezielte Anbindung der Kinder, Jugendli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen an ihre Segensträger,<br />

<strong>die</strong> immer wissen, was <strong>für</strong> <strong>die</strong> Seele gut <strong>und</strong> ri<strong>ch</strong>tig ist.<br />

Wird ein sol<strong>ch</strong>er Mens<strong>ch</strong>, <strong>dur<strong>ch</strong></strong> wel<strong>ch</strong>es Ereignis au<strong>ch</strong> immer, einmal aus seiner<br />

‚neuapostolis<strong>ch</strong>en Bahn‘ geworfen, fällt sein Selbst vollständig in si<strong>ch</strong> zusammen. Er steht vor<br />

den Trümmern seines S<strong>ch</strong>ein­ Selbst, das in Wirkli<strong>ch</strong>keit ein kreiertes, von der Institution<br />

vorgegebenes ‚Selbst‘ mit Chitinpanzer<strong>ch</strong>arakter war. Der Mens<strong>ch</strong> hat na<strong>ch</strong> dem Verlassen des<br />

NAK­Systems keine eigene Identität mehr, weil alle ‚Persönli<strong>ch</strong>keitsanteile‘ von<br />

Systemvorgaben besetzt waren. Er ist quasi vollständig leer. Meist ist fast das gesamte soziale<br />

Umfeld des neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen selbst neuapostolis<strong>ch</strong>. Das ers<strong>ch</strong>wert <strong>die</strong> Situation zudem<br />

no<strong>ch</strong> immens. Somit steht ein sol<strong>ch</strong>er Mens<strong>ch</strong> vor dem Ni<strong>ch</strong>ts. Des sozialen Umfeldes <strong>und</strong><br />

seines ‚Selbst‘ beraubt, bri<strong>ch</strong>t er in vielen Fällen vollständig zusammen. Häufig s<strong>ch</strong>lägt ihm<br />

vollständige Ablehnung aller alten vertrauten Mens<strong>ch</strong>en entgegen, andere soziale Kontakte<br />

fehlen. Ni<strong>ch</strong>t selten ist <strong>die</strong>s der Gr<strong>und</strong>, warum vielen Mens<strong>ch</strong>en der Ausstieg aus <strong>die</strong>ser<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t gelingt. Die immense Angst vor der Konfrontation mit dem ‚Ni<strong>ch</strong>ts‘ <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Unfähigkeit, Ents<strong>ch</strong>eidungen <strong>für</strong> si<strong>ch</strong> selbst treffen zu können lässt sie­ trotz des Erkennens<br />

vieler Missstände, sogar des Erkennens der manipulativ beeinflussenden Mittel ­ im System<br />

verbleiben.<br />

Mir liegen Unterlagen vor, in wel<strong>ch</strong>en ein Psy<strong>ch</strong>ologe bestätigt, dass sein 45 ­jähriger Patient<br />

ein vormals erfolgrei<strong>ch</strong>er Unternehmer, als Folge der Beeinflussung <strong>dur<strong>ch</strong></strong> das NAK­System<br />

keinerlei I<strong>ch</strong> besitzt. Na<strong>ch</strong> seinem Ausstieg musste bei jenem Mann sein Selbst von Gr<strong>und</strong> auf<br />

neu aufgebaut werden. Er war zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt vollständig arbeitsunfähig.<br />

Da <strong>dur<strong>ch</strong></strong> <strong>die</strong> neuapostolis<strong>ch</strong>e Indoktrination das Selbstbild sowie das Welt ­ <strong>und</strong> Gottesbild eng<br />

miteinander verflo<strong>ch</strong>ten sind, ist es dem so beeinflussten Mens<strong>ch</strong>en unmögli<strong>ch</strong>, Erlebnisinhalte<br />

aus anderen Blickwinkeln wahrzunehmen. Ein alternativer Handlungsspielraum außerhalb der<br />

NAK­Vorgaben ist ihm im wahrsten Sinne des Wortes <strong>und</strong>enkbar. Als Folge daraus zeigt si<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t selten eine sehr rigide Einstellung zu si<strong>ch</strong> selbst <strong>und</strong> dem gesamten Umfeld gegenüber.<br />

Häufig ist bei derart beeinflussten Mens<strong>ch</strong>en, trotz vorhandener Intelligenz <strong>und</strong> <strong>dur<strong>ch</strong></strong>aus au<strong>ch</strong><br />

großem berufli<strong>ch</strong>em Erfolg, eine gewisse, dem neutralen Beoba<strong>ch</strong>ter unverständli<strong>ch</strong>e,<br />

Engstirnigkeit zu beoba<strong>ch</strong>ten. Sogar wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong> gebildete Mens<strong>ch</strong>en wählen daher<br />

Verdrängungsme<strong>ch</strong>anismen, wie Verzerrung oder Leugnung, um Angst erzeugende<br />

divergierende Erlebnisinhalte in ihr Selbst­, Welt­ <strong>und</strong> Gottesbild zu integrieren. Die im System<br />

über Jahre wirkenden das Bewusstsein manipulierenden Methoden zeigen ihre Wirkung auf <strong>die</strong><br />

Psy<strong>ch</strong>e. Sie sind dazu geeignet, den Mens<strong>ch</strong>en nahezu unmündig <strong>und</strong> damit, in weiten Teilen<br />

von Autoritäten, abhängig zu ma<strong>ch</strong>en. Die Art <strong>und</strong> Weise der langsamen, fast unmerkli<strong>ch</strong>en<br />

Entwicklung zur Abhängigkeit ma<strong>ch</strong>t es au<strong>ch</strong> so s<strong>ch</strong>wierig, sie zu erkennen. Si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> ist es<br />

s<strong>ch</strong>wer von ‚außen‘ zu verstehen, warum si<strong>ch</strong> heute in unserer westli<strong>ch</strong>en Welt Mens<strong>ch</strong>en den<br />

Normen <strong>und</strong> Vorgaben eines sol<strong>ch</strong>en Systems unterwerfen. Es darf eben ni<strong>ch</strong>t unbea<strong>ch</strong>tet<br />

bleiben, dass <strong>die</strong> meisten aller neuapostolis<strong>ch</strong>en Christen als Kinder in <strong>die</strong>se Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

gekommen sind <strong>und</strong> dort ein Leben lang unter den bes<strong>ch</strong>riebenen Bedingungen aufgewa<strong>ch</strong>sen<br />

sind. Sie hatten keine Chance auf eine alternative Weltsi<strong>ch</strong>t oder einen anderen spirituellen Weg.<br />

66


6. Zusammenfassung <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>luss<br />

Wie i<strong>ch</strong> im Verlaufe <strong>die</strong>ser Arbeit zeigen konnte, sind <strong>die</strong> Umweltbedingungen unter wel<strong>ch</strong>en<br />

ein Kind in einer f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong> religiösen Gemeins<strong>ch</strong>aft aufwä<strong>ch</strong>st, ni<strong>ch</strong>t dazu geeignet, es<br />

in seiner <strong>Selbstbildung</strong> <strong>und</strong> in seiner Individuation zu fördern. Die jahrelangen s<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>enden<br />

Prozesse der <strong>Erziehung</strong> zu Abhängigkeit <strong>und</strong> Autoritätsgläubigkeit hemmen <strong>die</strong> Ausbildung<br />

eines ges<strong>und</strong>en Gefühls <strong>für</strong> Autonomie <strong>und</strong> Selbstverantwortung. Die manipulative<br />

Beeinflussung des einzelnen Mens<strong>ch</strong>en bis hin zum absolut gehorsamen Institutionsmitglied<br />

ohne eigenen Willen s<strong>ch</strong>ädigt <strong>die</strong> Entfaltung des Individuum in großem Maße. Komplexe<br />

auswendig gelernte, s<strong>ch</strong>einbiblis<strong>ch</strong>e Argumentationsgebilde sollen helfen, den<br />

Wahrheitsanspru<strong>ch</strong> der neuapostolis<strong>ch</strong>en Lehre zu stützen. Gehorsamsdenken gegenüber den<br />

geistli<strong>ch</strong>en Führen <strong>die</strong>ser Glaubensgemeins<strong>ch</strong>aft stellt <strong>die</strong> einzige Antwort auf <strong>die</strong><br />

viels<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tigen <strong>und</strong> komplizierten Fragen des Lebens dar. Ein ges<strong>und</strong>er Lebensentwurf soll<br />

<strong>dur<strong>ch</strong></strong> eine krankma<strong>ch</strong>ende Jenseitssehnsu<strong>ch</strong>t ersetzt werden. Die destruktive Si<strong>ch</strong>t auf <strong>die</strong><br />

Realität des Jetzt, das s<strong>ch</strong>einbar vom ‚Zeitgeist‘ regiert wird, ‚heiligt‘ Resignationsdenken <strong>und</strong><br />

verhindert selbstbestimmtes Handeln zum eigenen Wohl. Opferrollendenken ist unter anderem<br />

<strong>die</strong> Folge aus sol<strong>ch</strong>er Lehre. Ausgrenzung Anderer <strong>und</strong> Überhöhung der eigenen Gruppierung<br />

zeigen <strong>die</strong> f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Züge <strong>die</strong>ser religiösen Gemeins<strong>ch</strong>aft. Abwertung anderer<br />

Lebensentwürfe führt vielfa<strong>ch</strong> zu oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Verurteilung <strong>und</strong> damit zu mangelnder<br />

Toleranz anderen gegenüber. Unbewusste Projektionen helfen mit all den vielen<br />

ausgespro<strong>ch</strong>enen <strong>und</strong> unausgespro<strong>ch</strong>enen Verboten zure<strong>ch</strong>t zu kommen, verhindern aber ni<strong>ch</strong>t<br />

selten ein vertrauensvolles Miteinander unter den Mens<strong>ch</strong>en. Die Methoden der jahrelangen<br />

religiösen <strong>Erziehung</strong> sind in der Lage, sämtli<strong>ch</strong>e Persönli<strong>ch</strong>keitsanteile mit Institutionsanteilen<br />

zu be­, <strong>und</strong> in man<strong>ch</strong>en Fällen sogar sie ganz zu ersetzen. Der Mens<strong>ch</strong> wird zur Marionette der<br />

Institution. Ges<strong>ch</strong>ickte spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>önfärberei soll Außenstehende über <strong>die</strong> beeinflussende<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit innerhalb der Gruppe hinwegtäus<strong>ch</strong>en, um ‚religiöse Harmlosigkeit‘ zu<br />

signalisieren. Das alles ändert jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts daran, dass Kinder aufgr<strong>und</strong> der dem System<br />

immanenten Wirkme<strong>ch</strong>anismen, si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu freien <strong>und</strong> autonomen Mens<strong>ch</strong>en entwickeln<br />

können. Es ist <strong>für</strong> sie darum immens s<strong>ch</strong>wer bis unmögli<strong>ch</strong>, ein stabiles <strong>und</strong> si<strong>ch</strong>eres Selbst<br />

entwickeln zu können.<br />

Denno<strong>ch</strong> gibt es au<strong>ch</strong> bei neuapostolis<strong>ch</strong>en Mens<strong>ch</strong>en deutli<strong>ch</strong>e Unters<strong>ch</strong>iede in der jeweiligen<br />

Persönli<strong>ch</strong>keitsentwicklung. Man<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en sind stärker, andere weniger stark von der<br />

Institution <strong>und</strong> ihren Vorgaben beeinflusst. Einige mögli<strong>ch</strong>e Aspekte konnte i<strong>ch</strong> im Verlauf<br />

<strong>die</strong>ser Arbeit aufzeigen.<br />

Wie immer, wenn man über <strong>die</strong> Entwicklung des Mens<strong>ch</strong>en spri<strong>ch</strong>t, kommt man zudem ni<strong>ch</strong>t<br />

umhin, auf <strong>die</strong> uralte Diskussion einzugehen, wel<strong>ch</strong>en Anteil an der Entwicklung des Mens<strong>ch</strong>en<br />

nun seine Anlagen <strong>und</strong> persönli<strong>ch</strong>en Dispositionen einnehmen <strong>und</strong> wel<strong>ch</strong>er Teil der Umwelt<br />

zukommt. Diese Erbe­Umwelt­Debatte wird s<strong>ch</strong>on seit langer Zeit von Philosophen,<br />

Psy<strong>ch</strong>ologen <strong>und</strong> Pädagogen geführt. So s<strong>ch</strong>reiben Bronfenberener u. Ceci 1994: „Die<br />

Vererbung stellt das Potential bereit, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erfahrung bestimmt <strong>die</strong> Art <strong>und</strong> Weise,, wie das<br />

Potential eingelöst wird “ (Quelle Zimbardo­Gerrig; Psy<strong>ch</strong>ologie; 1996; S.454) Dies kann<br />

si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> in bezug auf <strong>die</strong> Mens<strong>ch</strong>en gesagt werden, <strong>die</strong> innerhalb <strong>die</strong>ser religiös<br />

f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft aufgewa<strong>ch</strong>sen sind.<br />

Zur Frage der individuellen Genotypen <strong>und</strong> der Umwelt s<strong>ch</strong>reiben Zimbardo <strong>und</strong> Gerring (1996;<br />

S. 456/457) „ Das Zusammentreffen von Eizelle <strong>und</strong> Samenzelle legt viele der gr<strong>und</strong>legenden<br />

konstitutionellen Faktoren fest, <strong>die</strong> unser Leben lang ziemli<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> bleiben werden.<br />

Konstitutionelle Faktoren kommen s<strong>ch</strong>on bei typis<strong>ch</strong> physiologis<strong>ch</strong>en Funktionen <strong>und</strong> bei den<br />

67


gr<strong>und</strong>legenden Reaktionstendenzen zum Ausdruck. Man<strong>ch</strong>e Babys beispielsweise reagieren<br />

lei<strong>ch</strong>ter auf Stimulierung als andere <strong>und</strong> haben viel Energie, andere sind friedli<strong>ch</strong> <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

lei<strong>ch</strong>t aus der Ruhe zu bringen. Sol<strong>ch</strong>e gr<strong>und</strong>legenden Reaktionstendenzen mögen einen Einfluß<br />

darauf haben, wie Kinder mit ihrer Umwelt in Interaktion treten, was sie dann erleben <strong>und</strong> wie<br />

sie si<strong>ch</strong> entwickeln werden (Miyake et al. 1985).“<br />

So können au<strong>ch</strong> angeborene Eigens<strong>ch</strong>aften des Mens<strong>ch</strong>en zu Unters<strong>ch</strong>ieden in Intensität <strong>und</strong><br />

S<strong>ch</strong>weregrad der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Veränderung mit beitragen.<br />

Das Ziel meiner Arbeit jedo<strong>ch</strong> war herauszuarbeiten <strong>und</strong> deutli<strong>ch</strong> zu ma<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e<br />

krankma<strong>ch</strong>enden Me<strong>ch</strong>anismen im System NAK vorliegen. I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te damit Mens<strong>ch</strong>en, <strong>die</strong><br />

Willens sind auszusteigen, Mut zuspre<strong>ch</strong>en, den meist im Unterbewusstsein vorhandenen<br />

Gefühlen des Unre<strong>ch</strong>tmäßigen zu vertrauen <strong>und</strong> über <strong>die</strong> sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Auseinandersetzung mit<br />

<strong>die</strong>sem Thema auf einen guten Weg zu kommen. Weiterhin war es mir ein Anliegen<br />

psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Beratern <strong>und</strong> Therapeuten einen Innenblick in das System ‚Neuapostolis<strong>ch</strong>e<br />

Kir<strong>ch</strong>e‘ zu vers<strong>ch</strong>affen, damit ratsu<strong>ch</strong>enden Mens<strong>ch</strong>en in ihrem großen Leid geholfen werden<br />

kann.<br />

I<strong>ch</strong> erhoffe mir weiterhin vielfältige Aufklärung der theologis<strong>ch</strong>en Irrtümer <strong>die</strong>ser Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

<strong>und</strong> ein bekannt werden der daraus resultierenden <strong>und</strong> zudem manipulativ s<strong>ch</strong>ädigenden<br />

Einflüssen auf <strong>die</strong> <strong>Selbstbildung</strong> <strong>und</strong> damit auf das ganze Leben eines Mens<strong>ch</strong>en. Mein größter<br />

Wuns<strong>ch</strong> ist es, den in <strong>die</strong>ser Gemeins<strong>ch</strong>aft lebenden Mens<strong>ch</strong>en Mut zu ma<strong>ch</strong>en, ihren eigenen<br />

Fähigkeiten zu vertrauen <strong>und</strong> als religiöse Mens<strong>ch</strong>en Zugang zu einem fre<strong>und</strong>li<strong>ch</strong>en Gottesbild<br />

zu finden. Dieses Gottesbild wäre <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> einen positiven Lebensentwurf <strong>und</strong> eine<br />

friedli<strong>ch</strong>e religiöse Sinngebung <strong>für</strong> den Mens<strong>ch</strong>en. Eine religiöse Vereinigung <strong>die</strong>ser Art kann<br />

empathis<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> verstehende Eltern <strong>und</strong> seelsorgerli<strong>ch</strong>e Begleiter fördern <strong>und</strong><br />

Umweltbedingungen s<strong>ch</strong>affen, <strong>die</strong> es Kindern ermögli<strong>ch</strong>t in Freiheit, Liebe <strong>und</strong> A<strong>ch</strong>tung vor<br />

anderen, ihren Weg ins Leben zu finden.<br />

Kinder sind ein Ges<strong>ch</strong>enk<br />

Eltern <strong>und</strong> Lehrer begleiten im Werden<br />

In den Kindern liegt <strong>die</strong> Zukunft der Welt<br />

Kinder sind Eltern von morgen<br />

Wir haben Verantwortung<br />

Vergessen wir das nie<br />

(U. Bär )<br />

*****<br />

68


Anhang: Quellenna<strong>ch</strong>weis <strong>und</strong> Anlagen<br />

Anmerkung<br />

I<strong>ch</strong> mö<strong>ch</strong>te darauf hinweisen, dass <strong>die</strong> Literatur der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t im freien<br />

Handel erhältli<strong>ch</strong> ist <strong>und</strong> häufig keine Angaben über das Jahr der Drucklegung aufweist. Dies<br />

gilt au<strong>ch</strong> teilweise <strong>für</strong> <strong>die</strong> no<strong>ch</strong> beigefügten Texte. Dies ist in sofern bemerkenswert, weil somit<br />

<strong>die</strong> meisten gema<strong>ch</strong>ten Aussagen immer no<strong>ch</strong> Gültigkeit haben, da sie von offizieller Seite der<br />

Kir<strong>ch</strong>enleitung ni<strong>ch</strong>t widerrufen sind. Das verstärkt den Eindruck unklarer Konturen in der Lehre<br />

<strong>und</strong> s<strong>ch</strong>afft Raum <strong>für</strong> s<strong>ch</strong>wammige Argumentation. Als Standartaussage wird oft behauptet:<br />

‚A<strong>ch</strong>, das war früher so ... aber heute gilt das do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr....‘<br />

Meist ist <strong>die</strong>s jedo<strong>ch</strong> faktis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t korrekt.<br />

Literaturliste<br />

Aussteigerin; Brief an <strong>die</strong> Selbsthilfeinitiative, Frankfurt 1997<br />

Dannwolf Siegfried; Gottes verlorene Kinder; Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1996<br />

Jessen, Nicole; Sozialisation junger Mens<strong>ch</strong>en in f<strong>und</strong>amentalistis<strong>ch</strong>en Gruppen,<br />

Soziologieabs<strong>ch</strong>lussarbeit, Sommersemester 1997<br />

Kienzler Klaus; Der religiöse F<strong>und</strong>amentalismus, Christentum, Judentum, Islam; Die deuts<strong>ch</strong>e<br />

Bibiliothek, Beck, Mün<strong>ch</strong>en 1999<br />

Kranefeld Sylvia; <strong>Sekten</strong>, Aufklärung statt Therapie; The World of Books Ltd, London 1994<br />

Klosinski Gunther, Hg.; Religion als Chance oder Risiko; Verlag Hans Huber, Bern 1994<br />

Moser Tilmann; Gottesvergiftung, Suhrkamp Verlag, 1980<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e International, Hg.; Fragen <strong>und</strong> Antworten; Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off<br />

GmbH, Frankfurt am Main 1992<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e International, Hg.; Unsere Familie, Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off GmbH,<br />

Frankfurt am Main, 62. Jahrgang, Nr. 20, 20. Oktober 2002<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e Hg.; Eu<strong>ch</strong> zur Freude, Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off GmbH, Frankfurt am<br />

Main, ca. 1980<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e International Hg.; Herr Jesus komm, Verlag Friedri<strong>ch</strong> Bis<strong>ch</strong>off GmbH,<br />

Frankfurt am Main 1993<br />

Ringel Erwin/Kir<strong>ch</strong>mayr Alfred; Religionsverlust <strong>dur<strong>ch</strong></strong> religiöse <strong>Erziehung</strong>?<br />

Rogers Carl Ransom; Entwicklung der Persönli<strong>ch</strong>keit; Klett­Cotta, Stuttgart 1996<br />

Rogers Carl Ransom; Der neue Mens<strong>ch</strong>; Klett­Cotta, Stuttgart, 1997<br />

Roth, Christine Katrin; Kindererziehung in Erwartung des Weltuntergangs, Wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Prüfungsarbeit, Universität Koblenz­Landau, 2001<br />

Selbsthilfe­Initiative <strong>für</strong> Aussteiger aus der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e; Bin ein königli<strong>ch</strong> Kind...,<br />

Stuttgart 1996/ Vorlage <strong>für</strong> <strong>die</strong> Enquetekommision des Deuts<strong>ch</strong>en B<strong>und</strong>estages<br />

Vester Frederic; Denken, Lernen, Vergessen; Deuts<strong>ch</strong>e­Verlags­Anstalt GmbH Stuttgart, 1978<br />

Weber, Günther; I<strong>ch</strong> glaube i<strong>ch</strong> zweifle; Benzinger Verlag Züri<strong>ch</strong>/Düsseldorf 1996<br />

Zimbardo, Gerrig; Psy<strong>ch</strong>ologie, 7. Auflage, Springer –Verlag 1999<br />

69


Verwendete Quellen im Internet (Auswahl):<br />

1. Psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Seiten:<br />

• Nils Johan Lavik; „Erlöst oder verführt ?“ Über "Gehirnwäs<strong>ch</strong>e" <strong>und</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />

Beeinflussung in neu­religiösen <strong>Sekten</strong><br />

http://griess.st1.at/gsk/lavik.htm<br />

• Geri­Ann Galanti, Ph.D.; „Überlegungen zu "Gehirnwäs<strong>ch</strong>e"“<br />

http://griess.st1.at/gsk/recov3.htm<br />

• Philipp Flammer; „Die Auseinandersetzung um das Phänomen der "<strong>Sekten</strong>"“<br />

http://www.infosekta.<strong>ch</strong>/is5/themen/sekten_flam1994.html<br />

• Hansjörg Hemminger; „Aufwa<strong>ch</strong>sen in einer Sekte­ zur Situation von Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendli<strong>ch</strong>en http://www.ilsehruby.at/HHWien.html<br />

• Mi<strong>ch</strong>ael D. Langone, Ph.D., Margaret Thaler Singer; „Psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>e<br />

Störungen <strong>dur<strong>ch</strong></strong> "Destruktive Kulte"“<br />

http://griess.st1.at/gsk/recov0.htm<br />

3. NAK­bezogene Seiten:<br />

• Sylvia Kranefeld; „<strong>Sekten</strong> ­ Ein Blick hinter <strong>die</strong> Fassade der Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e“<br />

http://www.sekten.<strong>ch</strong>/ex­site/tuere­folder/stories­folder/bu<strong>ch</strong>kranefeld.rtf<br />

• Horst Hartmann; In der Welt, aber ni<strong>ch</strong>t von der Welt /Die Gotteskinder der<br />

Neuapostolis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

http://people.freenet.de/s<strong>ch</strong>labatti/Nak­Kritik.htm :<br />

• Die Jugend fragt ­ Der Stammapostel antwortet (2001)<br />

http://wae<strong>ch</strong>terstimme.tripod.com/fr<strong>und</strong>ant.html<br />

• Re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e; vers<strong>ch</strong>iedene Texte <strong>und</strong> Dokumente aus NAK­Quellen (Links)<br />

http://www.naktuell.de/re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e/<br />

• NAK Hamburg; Gefahren <strong>für</strong> Leib <strong>und</strong> Seele<br />

http://wae<strong>ch</strong>terstimme.tripod.com/gefahr.html<br />

3. ´Aussteiger` ­ Beri<strong>ch</strong>te:<br />

• Erfahrungsberi<strong>ch</strong>t einer Teilnehmerin der Selbsthilfegruppe<br />

http://www.sekten.<strong>ch</strong>/ex­site/events­folder/heidelberg.htm#beri<strong>ch</strong>t<br />

• Eine Sekte? ­DER SPIEGEL­30­10­95­ )<br />

http://www.li<strong>ch</strong>t­im­s<strong>ch</strong>atten.de/index_a27.html<br />

• Zum Beispiel Frau K<br />

http://www.relinfo.<strong>ch</strong>/nak/ex.html<br />

• Die Droge Gott ;Frankfurter R<strong>und</strong>s<strong>ch</strong>au Magazin vom25.Nov 00<br />

http://www.sekten.<strong>ch</strong>/ex­site/tuere­folder/stories­folder/stoffel2.rtf<br />

• Ein Leben unter Druck <strong>und</strong> Angst ­ Neuapostolis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e im Kreuzfeuer der Kritik<br />

http://www.teck.de/region/service/lokalna<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten/2001/artikel/tb0802.001.html<br />

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