Rechtsnatur des Verfahrens mit der vorgesetzten Stelle nach § 18 ...
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Baurecht (Zeitschrift) Seite 6 von 13<br />
Baurecht (Zeitschrift) > Jahr 2009 > Heft 11 > Aufsätze > Ziviles Baurecht > Lembcke: <strong>Rechtsnatur</strong> <strong>des</strong> <strong>Verfahrens</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>vorgesetzten</strong><br />
<strong>Stelle</strong> <strong>nach</strong> § <strong>18</strong> Nr. 2 VOB/B (Seite 1666 - 1674) ><br />
Alternative to Negotiated Agreement). Bedenkt man, dass Bauprozesse unkalkulierbar sind, sich über<br />
Jahre hinziehen können und entsprechende Kosten verursachen, hingegen für den Auftragnehmer ein<br />
schneller Liquiditätsfluss von großer Bedeutung ist, wird dieser auch Entscheidungen einspruchslos<br />
hinnehmen, die nicht gänzlich "richtig" sind o<strong>der</strong> einen vollständig ausgewogenen Interessenausgleich<br />
beinhalten. Der Auftragnehmer wird auch eine Entscheidung akzeptieren, die "nur" billiges Ermessen<br />
beobachtet 1 , weil er selbst im Falle <strong>des</strong> vollständigen Obsiegens <strong>mit</strong> hohen, nicht ersatzfähigen Kosten<br />
belastet wird 2 .<br />
Nach allem muss <strong>der</strong> Parteiwille dahingehend ausgelegt werden, als dass die vorgesetzte <strong>Stelle</strong> eine<br />
Entscheidung <strong>nach</strong> billigem Ermessen zu treffen hat, die auch für den Auftragnehmer bindend sein soll.<br />
Gegen die Annahme <strong>des</strong> Parteiwillens einer Bindungswirkung spricht nicht, dass die Rechtsordnung<br />
grundsätzlich den zweiseitigen Vertrag vorsieht und ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht Ausnahmecharakter<br />
hat. Dem Auftragnehmer steht es frei, sich um die Leistung <strong>mit</strong> dem Auftraggeber zu<br />
streiten, weil er das Verfahren einleiten "kann" (§ <strong>18</strong> Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B). Das Leistungsbestimmungsrecht<br />
ist daher (einseitig) fakultativ ausgestaltet und wird erst durch den Antrag <strong>des</strong> Auftragnehmers<br />
ausgelöst. Dem Auftraggeber bleibt also unbenommen die Leistungsbestimmung zu umgehen.<br />
Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zu §§ 1 Nr. 3 und<br />
Seite: 1670<br />
Nr. 4 Satz 1 VOB/B 1 . Zudem beinhaltet § 316 BGB eine Vermutung, dass ein Leistungsbestimmungsrecht<br />
vereinbart ist 2 .<br />
(2) Pflicht zur Bescheidung<br />
Der Auftragnehmer hat die berechtigte Erwartung, dass er einen entsprechenden Bescheid erhält, wenn<br />
er die vorgesetzte <strong>Stelle</strong> anruft und den Sachverhalt entsprechend vorher aufbereitet hat. Er ist hierfür<br />
regelmäßig <strong>mit</strong> juristischem und fachtechnischem Rat finanziell erheblich belastet worden 1 . Die auftraggebende<br />
<strong>Stelle</strong> hat nicht nur eine Auskunftspflicht, welche <strong>Stelle</strong> als vorgesetzte <strong>Stelle</strong> anzusehen<br />
ist und setzt sich im Falle <strong>der</strong> Verletzung einem Schadensersatzanspruch aus 2 . Auch durch eine pflichtwidrige<br />
o<strong>der</strong> gar ausbleibende Entscheidung wird <strong>der</strong> Zweck von § <strong>18</strong> Nr. 2 VOB/B gefährdet: Es geht<br />
um die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinan<strong>der</strong>setzung.<br />
Der Auftragnehmer hat bei rechtsdogmatisch zutreffen<strong>der</strong> Einordnung <strong>des</strong> § <strong>18</strong> Nr. 2 VOB/B zudem<br />
diese effiziente Möglichkeit <strong>der</strong> Streitbeilegung in seiner Kalkulation berücksichtigt. Er will daher auch<br />
für den Fall, dass nicht, verspätet o<strong>der</strong> fehlerhaft über seine Meinungsverschiedenheit beschieden wird,<br />
sich beim öffentlichen Auftraggeber schadlos halten. Er will den Verzugsschaden kompensiert wissen<br />
1 Ähnlich Joussen, in: Ingenstau/Korbion, B, § <strong>18</strong> Nr. 2 Rdnr. 6: "(…) unbedingt einer ernsthafte, allein von sachlichen Gesichtspunkten<br />
und in objektiver Betrachtungsweiseausgerichtete Verhandlungsbereitschaft".<br />
2 10 % <strong>des</strong> Streitwertes bis zum Klageantrag nur an Dokumentationskosten, vgl. Jung/Steding, BB-Beil. 2001, 2, 9, 13.<br />
1 Siehe unten.<br />
2 Mayer-Maly, in: Staudinger (1979), § 316 Rdnr. 6; Medicus, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 316 BGB Rdnr. 1.<br />
1 Dieses verkennen Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, § <strong>18</strong> Rdnr. <strong>18</strong>; Merkens, NZBau 2008, 150, 151; Joussen, in:<br />
Ingenstau/Korbion, B, § <strong>18</strong> Nr. 2 Rdnr. 2: "Rechts<strong>nach</strong>teile entstehen dadurch keiner Partei".<br />
2 Nicklisch/Weick, VOB/B, § <strong>18</strong> Rdnr. 15; Joussen, in: Ingenstau/Korbion, B, § <strong>18</strong> Nr. 2 Rdnr. 12; Merkens, in: Kapellmann/Messerschmidt,<br />
VOB/B, § <strong>18</strong> Rdnr. 19; Merkens, NZBau 2008, 150, 151; Zanner/Franke, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB/B,<br />
§ <strong>18</strong> Rdnr. 32; Bewersdorf, in: Ganten/Jagenburg, Motzke, VOB/B, § <strong>18</strong> Nr. 2 Rdnr. 12; Daub/Piel/Soergel/Steffani, VOB, ErlZ B<br />
<strong>18</strong>.23; Franz/Schirmer, in: Leinemann, VOB/B, § <strong>18</strong> Rdnr. 37.<br />
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