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24 POLITIK · LIBANON · BÜRGERKRIEG<br />

BÜRGERKRIEG · LIBANON · POLITIK<br />

25<br />

Messias, Teenie-Schwarm, Warlord und ganz sicherlich »more popular<br />

than Jesus«. Am 14. September 1982 starb Baschir Gemayel<br />

bei einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier seiner Partei<br />

im Herzen Beiruts. Damit verlor die christlich-konservative Kata'ib<br />

nicht nur ihren ersten gewählten Staatspräsidenten drei<br />

Wochen nach dessen Amtsantritt, sie büßten auch eine charismatische<br />

Führerfigur ein, wie sie die libanesischen Christen kein<br />

zweites Mal finden sollten. »Seine Präsidentschaft stellte den<br />

größten Triumph für die Christen des Nahen Ostens dar, nach<br />

seiner Ermordung war nichts mehr wie vorher«, beschreibt es Sejaan<br />

Azzi, früherer libanesischer Vize-Präsident und heute stellvertretender<br />

Kata'ib-Parteichef. Mit dem Gewehr in der Hand<br />

hatte Gemayel in den Jahren zuvor die untereinander zerstrittenen<br />

maronitischen Milizen des Landes vereint und war als Lichtgestalt<br />

der christlichen Bevölkerung an die Spitze des Staates<br />

getreten. Unmittelbare Folge des Anschlags<br />

war das bekannte Massaker von<br />

Sabra und Schatila, bei dem bis zu 3.000<br />

Flüchtlinge von christlichen Milizen ermordet<br />

wurden. Darüber hinaus verloren<br />

in Folge seines Todes jedoch vor allem die<br />

Christen selbst an Einfluss.<br />

30 Jahre später scheint in der Kleinstadt<br />

Bekfaya auf den ersten Blick noch<br />

alles in Ordnung zu sein. Die Glocken der<br />

Paroisse Mar Abda schallen an diesem<br />

Sonntagmorgen hell über die Dächer und<br />

die Menschen kommen. Die Ortschaft im<br />

Libanongebirge ist eine der Hochburgen<br />

christlichen Lebens im Zedernstaat und<br />

auch aus dem 40 Autominuten entfernten<br />

Beirut strömen sonntags Gläubige zum<br />

Gottesdienst in die im französischen Kolonialstil<br />

erbaute Kirche. Viele der einflussreichen maronitischen<br />

Familienclans des Landes haben in dieser Gegend ihre<br />

Wurzeln und so verwundert es kaum, dass Bekfaya über die<br />

Jahrzehnte zu einem in Kalkstein gehaltenen Villenort herangewachsen<br />

ist. Die Menschen hier sind stolz auf ihre Kultur und<br />

ihren Glauben, tragen selbstbewusst das Kreuz um den Hals und<br />

schmücken ihre Geschäfte mit den Konterfeis der christlichen<br />

Politiker des Landes. Omnipräsent ist der mal die aufmarschierenden<br />

Truppen grüßende, mal Schwiegersohn gleich lächelnde<br />

Baschir Gemayel. Die Idylle einer friedlichen Kleinstadt.<br />

Versteckt in einer Seitenstraße liegt das frisch bezogene und<br />

von Wachleuten umstellte Anwesen Samy Gemayels, Neffe des<br />

ermordeten Präsidenten, christlicher Shootingstar und Hoffnungsträger<br />

für die Parlamentswahlen im kommenden Jahr.<br />

»Schlimmer als jetzt kann es nicht mehr werden«, stößt er auf<br />

Enthusiasmus hoffende Besucher vor den Kopf. Die große politische<br />

Hoffnung der Kata'ib sitzt eingesunken in seinen weiß gestreiften<br />

Hemdkragen im schwarzen Ledersessel und spielt verloren<br />

mit dem Rosenkranzarmband in den für Politiker ungewöh<br />

n l ic h k no c h igen H ä nden . I n den Augen v ieler<br />

Parteifunktionäre steht er für eine neue Generation libanesi-<br />

Eigentlich sollte sein<br />

Bruder Pierre die<br />

wichtigsten Parteiämter<br />

übernehmen.<br />

Nach dessen Ermordung<br />

baute die Partei<br />

der Kata‘ib (auch Phalanges<br />

genannt) Samy<br />

Gemayel zum neuen<br />

Spitzenpolitiker auf.<br />

Das Fehlen eines<br />

charismatischen<br />

Führers lastet auf<br />

dem Selbstwertgefühl<br />

libanesischer<br />

Christen<br />

scher Politiker und für die Hoffnung, der<br />

altehrwürdigen Partei wieder Leben einzuhauchen<br />

– nachvollziehbar wirkt das<br />

nicht, wirkt er doch wie eine exakte Kopie<br />

seines blassen Vaters Amin Gemayel, der<br />

im September 1982 den Präsidentschaftsposten<br />

übernahm und heute Parteichef der Kata'ib ist.<br />

»Wir waren die Verlierer des Krieges. Alle einstigen Verbündeten<br />

haben uns zurückgelassen, niemand ergreift mehr Partei<br />

für die Christen des Libanon und wir finden uns in einer Reihe<br />

mit den irakischen und nigerianischen Christen«, beklagt der<br />

32-Jährige. Obwohl die beiden rechtsgerichteten christlichen<br />

Parteien des Landes, Kata'ib und Lebanese Forces, gemeinsam<br />

mit dem Bündnis »14. März« die Parlamentswahlen formell für<br />

sich entschieden, konnten sie über Monate kein überlebensfähiges<br />

Kabinett zusammenstellen, eine Regierung der nationalen<br />

Einheit unter Hizbullah-Beteiligung scheiterte Anfang 2011. Und<br />

so sehr die beiden Parteiführungen auch tobten – mit zusammen<br />

nur 13 von 128 Abgeordneten war ihr politisches Gewicht zu gering,<br />

wohingegen die ebenso christliche, aber mit Hizbullah verbündete<br />

Freie Patriotische Bewegung allein mit nur geringen Verlusten<br />

auf 19 Sitze kam. »Jeden Tag fühlen wir uns als Christen in<br />

unserer Existenz bedroht«, beschreibt er das vorherrschende Gefühl<br />

seiner Wählerschaft. Warum es ihm angesichts von Hizbullah-Übermacht<br />

und schwindendem christlichem Bevölkerungsanteil<br />

nicht gelänge, mehr Anhänger zu mobilisieren? Schulterzucken<br />

und Ratlosigkeit: »Das soll alles die Partei ausmachen.«<br />

Lebendiger Glaube und verstaubende Parteibüros: Obwohl wie an jedem Sonntagmorgen knapp 100 Menschen der Predigt<br />

von Pelie Mazloum in Bekfaya lauschen, ziehen die Bürgerzentren der rechten christlichen Parteien nur noch wenige Menschen an.

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