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6 UNSER BILD VOM ORIENT · ZENITH 04/2012<br />
ZENITH 04/2012 · UNSER BILD VOM ORIENT<br />
7<br />
UNSER<br />
BILD<br />
VOM<br />
ORIENT<br />
1 KENIA<br />
AUFMARSCH<br />
IM SÜDEN<br />
In Somalia sind die Shabaab auf dem<br />
Rückzug – ein Anschlag auf den neu<br />
vereidigten Präsidenten Hassan<br />
Sheikh Mohamud schlug fehl. Nun<br />
schüren die Milizen den Konflikt zwischen<br />
Christen und Muslimen im<br />
Nach barland Kenia. Nachdem im August<br />
der islamistische Prediger<br />
Aboud Rogo in der Hafenstadt Mombasa<br />
erschossen wurde, riefen sie<br />
zum Kampf »gegen die Ungläubigen«<br />
auf. Nach Rogos Beerdigung<br />
plünderten dessen Anhänger mehrere<br />
Kirchen und zettelten Straßenschlachten<br />
an. Drei Polizisten und eine<br />
weitere Person starben.<br />
2 IRAN<br />
DIE ZAHL<br />
82<br />
DER SATZ<br />
ABSCHIED VON<br />
DER KLEINFAMILIE<br />
Sekunden<br />
Iran vollzieht eine Kehrtwende in der<br />
Familienpolitik. Propagierte das Regime<br />
seit dem Ende des Kriegs gegen<br />
den Irak Verhütung und eine Reduktion<br />
der Geburtenrate, so wurde<br />
jetzt das Budget für Programme zur<br />
Familienplanung als Haushaltsposten<br />
gestrichen. Revolutionsführer Ali<br />
Khamenei fordert einen Babyboom,<br />
um einen Bevölkerungsrückgang zu<br />
verhindern. Wegen der angespannten<br />
Wirtschaftslage können sich aber<br />
viele Familien mehr Kinder gar nicht<br />
leisten– sofern sie sich selbst versorgen<br />
müssen und nicht von den Revolutionsgarden<br />
alimentiert werden.<br />
4<br />
3<br />
dauerte der erste Auftritt einer Frau aus<br />
Saudi-Arabien bei den Olympischen Spielen<br />
– dann hatte Wojdan Shaherkani aus Mekka<br />
ihren Judokampf gegen Melissa Mojica<br />
aus Puerto Rico verloren. Saudi-Arabien zögerte<br />
lange, Sportlerinnen nach London zu<br />
schicken, gab letztlich aber ebenso wie Katar<br />
und Brunei dem Druck des Internationalen<br />
Olympischen Komitees nach. Damit<br />
standen sie besser da als Nauru, die Bermudas<br />
und St. Kitts and Nevis, die nur männliche<br />
Athleten zu den Spielen schickten.<br />
»Während das syrische Volk verzweifelt<br />
nach Taten verlangt, gehen die<br />
gegenseitigen Schuldzuweisungen im<br />
Sicherheitsrat weiter.«<br />
Kofi Annan begründet am 2. August, warum er das Amt des Sondergesandten<br />
der Vereinten Nation und der Arabischen Liga für Syrien aufgibt.<br />
1<br />
2<br />
Foto: dge<br />
PRIVAT<br />
Kommando: PSL<br />
Khomeinis Flugbegleiter, Fallschirmjäger in der<br />
Indochina-Einheit »Ponchardier« oder durch<br />
afghanische Schluchten reitend an der Seite des<br />
Warlords Hekmatyar – so kennt man den Publizisten<br />
Peter Scholl-Latour aus seinen eigenen<br />
Erzählungen. Zu Wasser bewegt sich der<br />
88-Jährige eher selten fort. Es sei denn, zum<br />
Vergnügen.<br />
3 ISRAEL/PALÄSTINA<br />
BITTERES ENDE<br />
»Es gibt keinen Friedensprozess und<br />
es zeichnet sich auch keiner ab« –<br />
Yossi Alpher und Ghassan Khatib<br />
sind frustriert. Elf Jahre lang gaben<br />
die beiden, die unter anderem durch<br />
einen ungewollten Auftritt im Film<br />
»Brüno« des Komikers Sasha Baron<br />
Cohen berühmt wurden, das Dialogmagazin<br />
Bitterlemons heraus – mit<br />
israelischen und palästinensischen<br />
Sichtweisen auf den Nahostkonflikt.<br />
Nun wird die Zeitschrift im Internet<br />
eingestellt. Die Bereitschaft, der anderen<br />
Seite zuzuhören, sei nicht<br />
mehr da, so die Bilanz der Macher.<br />
Während einer Irak-Reise erfrischt sich »PSL«<br />
bei einer nächtlichen Speedboat-Fahrt auf einem<br />
Euphrat-Arm bei Kufa. »Gelungene Freizeitgestaltung,<br />
wenn es nichts zu trinken gibt«,<br />
sagte er, wieder trockenen Fußes am Ufer. Nach<br />
seiner Rückkehr wählte die Deutsch-Arabische<br />
Gesellschaft Scholl-Latour, der ihr seit 2007<br />
vorsteht, im Juli abermals zum Präsidenten.<br />
4 SAUBER GEMACHT ...<br />
MOHAMMED MURSI!<br />
Der Mann räumt auf – das ist doch ein prima Image für den<br />
ersten Zivilisten im höchsten Staatsamt der Arabischen Republik<br />
Ägypten. Also nimmt Mohammed Mursi den Besen in die<br />
Hand und ruft die Kampagne »Saubere Heimat« ins Leben –<br />
alle mit anpacken! Korruption und sonstigen Schmutz in den<br />
Nil kehren – so erstrahlt das alte Land in neuem Glanz.<br />
Nur schade, dass Mursi die traditionellen Müllsammler<br />
Kairos, die Zabbalin, an seinen Großputz-Plänen nicht beteiligt<br />
hat. Egal, Hauptsache der Ruf ist sauber. Auch die Militärführung<br />
entsorgte er scheinbar elegant – dass die Armee tatsächlich<br />
Macht abgibt, glaubt derweil kaum ein Ägypter. Das<br />
ist Recycling à la Mursi: Die Probleme bleiben – aber sehen erträglicher<br />
aus.<br />
AM RANDE DES ORIENTS<br />
DAS GESCHENK GOTTES<br />
Mehr als vier Stunden Fahrt auf einer<br />
Buckelpiste und einen beschwerlichen<br />
Aufstieg muss jeder Besucher hinter<br />
sich bringen. Dann wird er auf dem<br />
Berg L'Assekrem – rund 70 Kilometer<br />
nördlich der algerischen Provinzhauptstadt<br />
Tamanrasset im Süden des Landes<br />
– von Bruder Ventula begrüßt. Mit<br />
zerrissener Trainingsjacke und den ausgetretenen<br />
Schuhen wirkt er nicht wie<br />
ein Priester, sondern wie ein Aussteiger.<br />
»Herzlich willkommen!« Der Spanier<br />
sowie ein Pole und ein Franzose<br />
gehören dem Orden der »Kleinen Brüder<br />
Jesu« an, sie leben in der Abgeschiedenheit<br />
der Sahara in Askese.<br />
Sie gehören zur Ordensfamilie<br />
um den Forscher und Priester Charles<br />
de Foucauld, der 1858 in Straßburg<br />
geboren wurde und ein Lebemann und<br />
Draufgänger war. Als er mit Frankreichs<br />
Kolonialheer in den Maghreb kam und<br />
dem Islam begegnete, hatte er ein Erweckungserlebnis.<br />
Die spartanische<br />
Lebensweise der Tuareg beeindruckte<br />
Foucauld, der sich den Trappisten anschloss<br />
und 1901 nach Algerien ging.<br />
Dort wurde er am 1. Dezember 1916 in<br />
den Wirren des Weltkriegs ermordet.<br />
In der 1910 von Fou cauld errichteten<br />
Einsiedelei auf dem Assekrem leben die<br />
»Kleinen Brüder« inmitten der Wüste.<br />
Eine Wetterstation und zwei Steinhütten<br />
stehen auf dem höchsten Berg der<br />
Gegend. In der einen Hütte wohnen und<br />
schlafen die Eremiten, die andere beherbergt<br />
Kapelle und Bibliothek mit<br />
Büchern von und über Foucauld.<br />
Mehr gibt es hier oben nicht?, frage<br />
ich. Ventula erwidert darauf: »Es ist<br />
ein Geschenk Gottes, jeden Tag den<br />
Auf- und Untergang der Sonne zu sehen.«<br />
Der Wechsel von Licht und Schatten<br />
um die schroffen Bergspitzen und<br />
das Farbenspiel der Wolken sind zweifelsfrei<br />
bemerkenswert. Die Brüder<br />
genießen es – wäre da nicht die Angst<br />
vor den islamistischen, angeblich mit<br />
Al-Qaida im Bunde stehenden Banden<br />
im Süden, die das Glück in der Einöde<br />
bald zunichte machen könnten.<br />
Seit in der Tuareg-Region um Tamanrasset<br />
wiederholt Touristen entführt<br />
wurden, wagen sich selten Abenteuerlustige<br />
hierher, und die meisten<br />
Algerier können mit den »kleinen Brüdern<br />
Jesu« eher wenig anfangen. Umso<br />
mehr freuen diese sich, einen Gast<br />
auf 2.700 Metern Höhe inmitten der<br />
Sahara zu empfangen. Özgür Uludag