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54 WIRTSCHAFT · BILANZ<br />
BILANZ · WIRTSCHAFT<br />
55<br />
IN RUHIGEM<br />
FAHRWASSER<br />
DER<br />
SULTAN<br />
HAT<br />
DURST<br />
Eines der größten Rock-Festivals der Türkei<br />
ohne Bier – das muss man erst einmal schaffen.<br />
In letzter Minute bekamen die Veranstalter<br />
des Istanbuler »Efes Pilsen One Love Festivals«<br />
im Juli 2012 mitgeteilt, dass die Besucher<br />
mit Wasser und Limonade Vorlieb<br />
nehmen müssten. Auch die als Hauptsponsor<br />
auf tretende Biermarke verschwand plötzlich<br />
aus dem Namen. Eine Kampagne des konservativen<br />
Anti-Drogen-Vereins »Yesilay – Grüner<br />
Halbmond« hatte Wirkung gezeigt und<br />
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan<br />
persönlich zum Eingreifen veranlasst. Die<br />
vorhersehbare Aufregung über eine angeblich<br />
drohende Islamisierung, ja sogar Talibanisierung<br />
der Türkei ließ nicht lange auf sich<br />
warten.<br />
Dabei ist doch alles bloß ein großes Missverständnis:<br />
In Wahrheit ging es Erdogan, so<br />
wird behauptet, keineswegs um das bisschen<br />
lässlichen Alkoholkonsum, sondern um die<br />
grassierende Unsitte des Namenssponsorings.<br />
Immerhin musste sich auch schon einer<br />
der erfolgreichsten türkischen Basketballvereine,<br />
»Efes Pilsen«, in »Anadolu Efes«<br />
umbenennen. Und mal ehrlich, wen hätte es<br />
nicht schon lange genervt, dass die ehrwürdige<br />
Arena Auf Schalke jetzt »Veltins-Arena«<br />
heißt? Höchste Zeit, dass endlich ein weiser<br />
Landesvater durchgreift.<br />
Die Istanbuler Fans haben ihr Bier dann<br />
übrigens einfach vor dem Festivalgelände getrunken.<br />
Wir haben verstanden, Herr Ministerpräsident.<br />
cel<br />
Ägypten rechnet dieses Jahr mit stabilen<br />
Einkünften aus dem Betrieb des Suezkanals.<br />
Man werde wohl nicht hinter die 5,2<br />
Milliarden US-Dollar von 2011 zurückfallen,<br />
sagte Mitte September der Chef der Kanalbehörde,<br />
Mohab Memish. Die Wasserstraße<br />
ist eine der Haupteinnahmequellen<br />
ABU DHABI<br />
DOCKT AN<br />
ACHTUNG!<br />
VIREN<br />
GEGEN ÖL<br />
REVANCHE<br />
FÜR<br />
BONNARD<br />
SCHIFFSPASSAGEN<br />
NETTO-TONNAGE (MIO. T.)<br />
SUEZKANAL-BEHÖRDE<br />
Mit landesuntypischem Understatement<br />
hat Abu Dhabi am 1. September den neuen<br />
Frachthafen Khalifa Port in Betrieb genommen<br />
und damit seine Umschlagkapazität<br />
auf einen Schlag verdreifacht. Der Hafen<br />
der Abu Dhabi Ports Company beherbergt<br />
das erste halbautoma tisierte Containerterminal<br />
des Nahen Ostens und soll<br />
bis Anfang 2013 den gesamten Containerverkehr<br />
vom 40 Jahre alten Mina Zayed<br />
übernehmen.<br />
Mit 16 Metern Tiefe im Hafenbecken<br />
und einer vier Kilometer langen Kaimauer<br />
ist die Anlage für die größten Containerschiffe<br />
ausgelegt, die derzeit auf den Weltmeeren<br />
unterwegs sind.<br />
2007 2008 2009 2010 2011<br />
20.384<br />
848,2<br />
21.415<br />
910,1<br />
17.228<br />
734,5<br />
17.993<br />
846,4<br />
17.799<br />
928,9<br />
Nicht viele französische Geschäftsleute haben<br />
sich über die Nachricht vom Sturz des<br />
Ben-Ali-Regimes gefreut. Pierre Bonnard<br />
dagegen sah die Stunde der Revanche gekommen.<br />
Seitdem bereitet er eine Schadenersatzklage<br />
gegen das staatliche Erdölimport-<br />
und Handelsunternehmen Société<br />
Tunisienne des Industries et Raffinages<br />
(STIR) vor, die ab diesem Herbst in Tunis<br />
vor Gericht verhandelt wird. Bonnard hatte<br />
2008 nach eigenen Angaben gemeinsam<br />
Foto: dge<br />
Vor zwei Jahren wurde Iran Opfer digitaler<br />
Angriffe. Virus »Stuxnet« traf gezielt<br />
Steuerungsanlagen von Teherans Atomprogramm.<br />
Nun hat es die Rohstoffindustrie<br />
der arabischen Golfstaaten getroffen.<br />
Mitte August erklärte der Ölkonzern Saudi<br />
Aramco, Schadsoftware habe die Daten<br />
auf 30.000 seiner Computer gelöscht.<br />
Kaum zwei Wochen später meldete der katarische<br />
Gaskonzern RasGas einen ähnlifür<br />
das Land. Seit der Revolution ringen<br />
die neuen Machthaber darum, die Wirtschaft<br />
zu stabilisieren.<br />
Jüngst bot die EU dem Land insgesamt<br />
700 Millionen Euro an Hilfen an –<br />
zusätzlich zu bereits versprochenen 449<br />
Millionen Euro für die Berufsausbildung<br />
Foto: Abu Dhabi Ports Company<br />
chen Angriff. Unklar ist, ob beide Fälle zusammenhängen<br />
und wer für sie verantwortlich<br />
ist. Offenkundig scheint aber eine<br />
politische Motivation der Sabotage bei Saudi<br />
Aramco: Der Virus ersetzte den Bildschirmhintergrund<br />
mit einer brennenden<br />
US-Flagge; ein laut Experten authentisches<br />
Bekennerschreiben beklagte die »durch<br />
saudisches Öl ermöglichten amerikanischen<br />
Verbrechen in Syrien, Bahrain und<br />
mit einer französischen Firma für Rohstofflogistik<br />
einen Öl-Transportauftrag erhalten<br />
– was einen mächtigen Konkurrenten<br />
auf den Plan rief: Moncef Trabelsi, Inhaber<br />
der Transportgesellschaft Transmed und<br />
ein Bruder der Präsidentengattin Leila Ben<br />
Ali-Trabelsi.<br />
Bonnards Deal ist geplatzt. »Ich habe<br />
schrift liche Beweise dafür, dass Präsident<br />
Ben Ali persönlich die STIR angewiesen<br />
hat, uns aus dem Geschäft herauszuwerfen<br />
junger Ägypter. Mit dem Internationalen<br />
Währungsfonds hofft die Regierung in<br />
Kairo, bis Jahresende eine Einigung über<br />
einen 4,8-Milliarden-Dollar-Kredit zu<br />
erzielen. In EU-Kreisen wird der Finanzbedarf<br />
Ägyptens aber auf mehr als 10 Milliarden<br />
US-Dollar geschätzt. dry<br />
Die anfängliche Kapazität von jährlich 2,5<br />
Millionen Standardcontainern (TEU) und<br />
zwölf Millionen Tonnen Stückgut nimmt<br />
sich zwar noch bescheiden aus im Vergleich<br />
mit Dubais Mega-Hafen Jebel Ali, der vergangenes<br />
Jahr 27,5 Millionen TEUs umschlug.<br />
Doch die Ambitionen Abu Dhabis mit<br />
dem neuen Umschlagplatz sind gewaltig.<br />
Bis zum Jahr 2030 kann die Kapazität auf<br />
15 Millionen Standardcontainer und 35<br />
Millionen Tonnen Stückgut gesteigert werden.<br />
Vor allem aber ist der neue Hafen aufs<br />
Engste mit dem Industriegebiet Khalifa Industrial<br />
Zone Abu Dhabi verknüpft. Auf zunächst<br />
51 und später bis zu 417 Quadratkilometern<br />
– 60 Prozent der Größe Singapurs<br />
– sollen dort produzierende Unternehmen<br />
angesiedelt werden, um die Diversifizierung<br />
der Wirtschaft voranzutreiben. Bis 2030<br />
sollen so 150.000 Arbeitsplätze und 15 Prozent<br />
der Wirtschaftsleistung Abu Dhabis<br />
außerhalb des Ölsektors entstehen. dry<br />
Libanon«. Untersuchungen des IT-Sicherheitsunternehmens<br />
Symantec deuten auf<br />
die Beteiligung eines Insiders im Konzern<br />
hin. In diese Richtung ermitteln laut Reuters<br />
auch die saudischen Behörden selbst.<br />
Die Komplexität der eingesetzten Malware<br />
lässt sich schwer einschätzen. Für die Golfstaaten<br />
sind die Vorfälle jedoch ein peinlicher<br />
Beleg ihrer unterentwickelten Fähigkeiten<br />
in der digitalen Kriegführung. metz<br />
STEIGFLUG ÜBER<br />
DEM ÄQUATOR<br />
Harte Landung für Air Nigeria: Anfang<br />
September hat die nationale Fluggesellschaft<br />
des bevölkerungsreichsten afrikanischen<br />
Landes den Betrieb eingestellt. Zuvor<br />
entließ das Management mehr als 500<br />
Mitarbeiter »wegen Illoyalität«. Sie hatten<br />
am Flughafen Lagos für die Auszahlung<br />
ausstehender Gehälter demonstriert.<br />
Anderswo weht Gründergeist in der<br />
Luftfahrtbranche Afrikas: Der Franzose<br />
Jean-Marc Pajot will mit seiner neuen Fly-<br />
Congo beweisen, dass die Demokratische<br />
Republik Kongo Chancen für findige Flugunternehmer<br />
bietet. Dazu übernahm er die<br />
Reste von Hewa Bora Airways, die 2011<br />
nach einem Absturz die Lizenz verlor. Im<br />
April nahm der neue Anbieter Korongo den<br />
Betrieb auf, ein Joint Venture der Lufthansa-Tochter<br />
Brussels Airlines und der Bergbaufirma<br />
Forrest Group. In der benachbarten<br />
Republik Kongo begann letzten Herbst<br />
die Equatorial Congo Airlines zunächst mit<br />
Inlandsflügen; jetzt hat sie eine Verbindung<br />
nach Paris im Programm. Und der junge<br />
Südsudan sucht Investoren für die Gründung<br />
einer nationalen Fluggesellschaft.<br />
Kein Wunder also, dass Tony Tyler,<br />
Chef des Luftfahrt-Weltverbands IATA, auf<br />
dem »Aviation Day Africa« Anfang September<br />
auf die Wachstumschancen der Branche<br />
hinwies. Afrikanische Airlines bildeten<br />
die Grundlage für 6,7 Millionen Arbeitsplätze<br />
und eine Wirtschaftsleistung von<br />
67,8 Milliarden US- Dollar. Ihr größtes Problem<br />
blieben allerdings die Sicherheitsstandards,<br />
mahnte Tyler. Zwar habe es 2011<br />
nur noch einen Unfall pro 305.000 Flüge<br />
gegeben, nicht mehr einen pro 100.000 Flüge<br />
wie noch 2009. Damit beträgt die Unfallquote<br />
Afrikas aber immer noch das Neunfache<br />
des globalen Durchschnitts. dry<br />
und Trabelsi den Zuschlag zu geben«, sagte<br />
Bonnard im Gespräch mit zenith. Trabelsi<br />
befindet sich derzeit in tunesischer Haft.<br />
Die genaue Summe der Schadenersatzforderung<br />
steht laut Bonnard noch nicht fest.<br />
Sie dürfte sich aber auf mehr als 20 Millionen<br />
Euro belaufen. »Mein Schaden damals<br />
belief sich auf rund sieben Millionen<br />
Euro, aber gegenüber meinen Partnern<br />
war mein Ruf dadurch ruiniert«, sagt<br />
Bonnard.<br />
dge