«Die Idee ist eine einzige Technologie» - Rowipress.ch
«Die Idee ist eine einzige Technologie» - Rowipress.ch
«Die Idee ist eine einzige Technologie» - Rowipress.ch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
© HandelsZeitung; 05.11.2008; Nummer 45; Seite 79<br />
«Die <strong>Idee</strong> <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> <strong>einzige</strong> Te<strong>ch</strong>nologie»<br />
Max Felser - Der Präsident der Organisation Profibus S<strong>ch</strong>weiz<br />
verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>t die hohe Bedeutung von Automatisierungsprozessen im<br />
Alltag und erklärt, weshalb die Wirts<strong>ch</strong>aft das Potenzial no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
vollständig nutzt und warum si<strong>ch</strong> Investitionen in die Automatisierung<br />
auszahlen.<br />
Interview: Robert Wildi<br />
Das Wort Automatisierung m<strong>eine</strong>n viele zu kennen, do<strong>ch</strong> wofür steht der<br />
Begriff?<br />
Max Felser: Da zitiere i<strong>ch</strong> frei na<strong>ch</strong> Wikipedia: «Automatisierung <strong>ist</strong> die Übertragung<br />
von Arbeit vom Mens<strong>ch</strong>en auf Automaten und Mas<strong>ch</strong>inen, übli<strong>ch</strong>erweise dur<strong>ch</strong><br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt.» Die Anfänge der Automatisierung gehen zurück auf die<br />
industrielle Revolution, wo Handarbeit dur<strong>ch</strong> Mas<strong>ch</strong>inenarbeit ersetzt wurde. Zuerst<br />
waren das rein me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>e Mas<strong>ch</strong>inen, seit rund 50 Jahren werden sie mit Hilfe<br />
von Elektrote<strong>ch</strong>nik und in jüngster Vergangenheit au<strong>ch</strong> Informatik ständig<br />
weiterentwickelt und verbessert. Der me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>e Anteil der Mas<strong>ch</strong>inen wird immer<br />
kl<strong>eine</strong>r.<br />
Und was le<strong>ist</strong>et Automatisierung?<br />
Felser: Dank der Automatisierung können heute immer komplexere Arbeitsabläufe<br />
von Mas<strong>ch</strong>inen übernommen werden. Und dank der Automatisierung sind wir in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz heute no<strong>ch</strong> in der Lage, Produkte zu fertigen und Dienstle<strong>ist</strong>ungen zu<br />
erbringen.<br />
Geht das ni<strong>ch</strong>t zulasten von unseren Arbeitsplätzen?<br />
Felser: Im Gegenteil. Die S<strong>ch</strong>weiz <strong>ist</strong> ein Land mit <strong>eine</strong>m sehr hohen Lohnniveau für<br />
Hilfskräfte. Deshalb wurden in der Vergangenheit viele Standorte ins Ausland verlegt.<br />
Weil wir hierzulande jedo<strong>ch</strong> über <strong>eine</strong>n hohen Automatisierungsstandard verfügen,<br />
können s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e Betriebe und Produktionsstätten wettbewerbsfähig bleiben<br />
und damit gerettet werden. Es gibt sogar Firmen, die ihre Produktionsstandorte von<br />
China zurück in die S<strong>ch</strong>weiz verlegt haben, weil sie nur hier und dank der<br />
weitentwickelten Automatisierung die gewüns<strong>ch</strong>te Qualität ihrer Produkte<br />
si<strong>ch</strong>erstellen können.<br />
Könnte man die modernen Mas<strong>ch</strong>inen ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> in Billiglohnländer<br />
auslagern?<br />
Felser: Das bringt wenig, weil es ni<strong>ch</strong>t nur für die Konstruktion, sondern au<strong>ch</strong> für den<br />
Betrieb dieser Automaten ho<strong>ch</strong> qualifizierte Berufsleute sowie Ingenieure brau<strong>ch</strong>t.<br />
Diese sind in der S<strong>ch</strong>weiz und anderen Industrieländern vorhanden, in den<br />
Billiglohnländern vorderhand no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Die Automatisierung <strong>ist</strong> im Moment also<br />
no<strong>ch</strong> <strong>eine</strong> Kernkompetenz der Staaten mit <strong>eine</strong>m hohen Lohnniveau. Dieser
Wissensvorsprung <strong>ist</strong> etwa für die S<strong>ch</strong>weizer Volkswirts<strong>ch</strong>aft ganz ents<strong>ch</strong>eidend, da<br />
wir hierzulande dank der Automatisierung mit weniger Arbeitskräften <strong>eine</strong> höhere<br />
Werts<strong>ch</strong>öpfung erzielen können.<br />
Wel<strong>ch</strong>en Nutzen bringt die Automatisierung wel<strong>ch</strong>en Bran<strong>ch</strong>en?<br />
Felser: Ohne Automatisierung würde die Wirts<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t funktionieren. Der konkrete<br />
Nutzen <strong>ist</strong> ganz unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>, je na<strong>ch</strong> Anwendungsgebiet der Automati-sierung.<br />
Ein paar Beispiele?<br />
Felser: Infrastrukturbauten, zum Beispiel Autobahntunnels, wären ohne ein<br />
automatis<strong>ch</strong>es Belüftungssystem gar ni<strong>ch</strong>t nutzbar. Weit fortges<strong>ch</strong>ritten <strong>ist</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
Gebäudeautomatisierung. In Zweckgebäuden wie S<strong>ch</strong>ulhäusern gibt es <strong>eine</strong>n<br />
automatis<strong>ch</strong>en Heizungsplan für jeden einzelnen Raum. Dann gibt es die<br />
Fertigungste<strong>ch</strong>nik, etwa die Uhrenindustrie, wo standardisierte Teile automatis<strong>ch</strong><br />
hergestellt werden. Au<strong>ch</strong> in der Prozess- und Verfahrenste<strong>ch</strong>nik <strong>ist</strong> Automatisierung<br />
von zentraler Bedeutung. Das beginnt in der Lebensmittelindustrie, zum Beispiel in<br />
<strong>eine</strong>r einfa<strong>ch</strong>en Bierbrauerei, und geht über den Betrieb <strong>eine</strong>r Kläranlage bis zur<br />
Herstellung von Medikamenten in der Pharmaindustrie. Viele Prozesseinheiten<br />
laufen automatis<strong>ch</strong> ab. Je na<strong>ch</strong> Anforderung und Ausprägung der Automatisierung <strong>ist</strong><br />
der quantifizierbare Nutzen derselben für die vers<strong>ch</strong>iedenen Bran<strong>ch</strong>en natürli<strong>ch</strong><br />
unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>.<br />
Wel<strong>ch</strong>e Trends in der Automatisierung sind heute aktuell?<br />
Felser: Wir befinden uns in <strong>eine</strong>r wi<strong>ch</strong>tigen Entwicklungsphase. Bislang war die<br />
Intelligenz, die <strong>eine</strong>n Prozess lenkt, ledigli<strong>ch</strong> in <strong>eine</strong>m zentralen Steuerungsgerät<br />
vorhanden. Mit der flä<strong>ch</strong>endeckenden Einführung von Mikroprozessoren wird diese<br />
Intelligenz quasi dezentral auf alle einzelnen Teilkomponenten <strong>eine</strong>r<br />
Automatisierungsinstallation übertragen. Die einzelnen Geräte wiederum werden<br />
vernetzt und taus<strong>ch</strong>en untereinander Informationen aus. Die Automatisierung erhält<br />
also <strong>eine</strong> neue, verteilte Struktur.<br />
Was sind die konkreten Anforderungen an diese Systeme?<br />
Felser: Aufgrund der vernetzten Struktur wird die Kommunikation innerhalb <strong>eine</strong>s<br />
Automatisierungsprozesses e<strong>ch</strong>tzeitfähig. Das heisst, die in allen Komponenten des<br />
Prozesses vorhandene Intelligenz kann dafür sorgen, dass Informationen viel<br />
s<strong>ch</strong>neller und flä<strong>ch</strong>endeckender übertragen werden können. Als Beispiel nenne i<strong>ch</strong><br />
<strong>eine</strong>n modernen Personenlift. Damit <strong>eine</strong> Automatisierungsanlage diesen im ri<strong>ch</strong>tigen<br />
Stockwerk zum Stoppen bringt, muss der aktuelle Standort des Lifts vom System<br />
jederzeit und innerhalb von Millisekunden erkannt werden. Die vernetzte Struktur von<br />
Automatisierungsabläufen erlaubt also <strong>eine</strong>n sehr s<strong>ch</strong>nellen und präzisen<br />
Informationsfluss. Als zweites wesentli<strong>ch</strong>es Element <strong>ist</strong> es wi<strong>ch</strong>tig, dass sol<strong>ch</strong>e<br />
vernetzten Automatisierungsprozesse im Feld, also in Produktionshallen mit<br />
speziellen Temperatur- und andern Einflüssen, voll funktionstaugli<strong>ch</strong> sind.<br />
Wel<strong>ch</strong>e weiteren Vorteile erwarten Sie von der vernetzten Automatisierung?
Felser: Die neue Te<strong>ch</strong>nologiestruktur der Vernetzung von dezentraler Intelligenz<br />
erlaubt <strong>eine</strong>n effizienteren Informationsaustaus<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur zwis<strong>ch</strong>en den einzelnen<br />
Geräten, sondern au<strong>ch</strong> für die Kommunikation na<strong>ch</strong> oben bis zur Betriebsleitung.<br />
Das grosse Potenzial der Te<strong>ch</strong>nologie liegt also darin, dass die Information ni<strong>ch</strong>t nur<br />
ras<strong>ch</strong> in horizontaler, sondern au<strong>ch</strong> in vertikaler Ri<strong>ch</strong>tung fliesst. Dies erlaubt<br />
weiterführende Optimierungen. Eine Mas<strong>ch</strong>ine muss zum Beispiel ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
periodis<strong>ch</strong> von <strong>eine</strong>m Mitarbeiter gewartet werden, sondern kommuniziert selbst,<br />
wenn <strong>eine</strong> Wartung fällig wird. Das bringt neue Einsparungspotenziale.<br />
Sie spre<strong>ch</strong>en viel von Kommunikation. Inwiefern dient beispielsweise die<br />
te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>e Entwicklung in der Telekommunikation der Vereinfa<strong>ch</strong>ung von<br />
Automatisierungsprozessen?<br />
Felser: Sie hat <strong>eine</strong>n wi<strong>ch</strong>tigen Einfluss. In der Telekommunikation gab es früher<br />
vers<strong>ch</strong>iedene, voneinander getrennte Netzwerke für ganz vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Anwendungen. Es gab ein Telefonnetz, ein Ferns<strong>ch</strong>reibernetz, ein Datennetz und so<br />
weiter. Dann ging man daran, all diese Anwendungen auf <strong>eine</strong>m Netz<br />
zusammenzufassen. Dies gelang mit dem Ethernet, das heute zum Beispiel<br />
Telefonie über das Internet ermögli<strong>ch</strong>t. In der Automatisierung gibt es die glei<strong>ch</strong>e<br />
Tendenz. Für die Vernetzung von vers<strong>ch</strong>iedenen Geräten wurden sogenannte<br />
Feldbusstandards definiert. Der Wuns<strong>ch</strong> kommt nun auf, dass man das bisher<br />
auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> in Büros genutzte Ethernet fortan au<strong>ch</strong> für Automatisierungsprozesse<br />
im Feld nutzen kann. Die <strong>Idee</strong> <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> <strong>einzige</strong> Te<strong>ch</strong>nologie in der gesamten<br />
Automatisierung.<br />
Kann Automatisierung au<strong>ch</strong> die Energieeffizienz steigern?<br />
Felser: Ja, denn es geht bei allen automatisierten Abläufen stets um den mögli<strong>ch</strong>st<br />
sparsamen Umgang mit Ressourcen wie Energie, Wasser, Luft und so weiter. Unter<br />
dem Stri<strong>ch</strong> dienen die Einsparungen den Unternehmen natürli<strong>ch</strong> dazu, <strong>eine</strong>n<br />
Prozess mögli<strong>ch</strong>st ökonomis<strong>ch</strong> zu gestalten, Kosten zu senken und damit -<br />
konkurrenzfähig zu bleiben.<br />
Werden diese Vorzüge in der Wirts<strong>ch</strong>aft heute flä<strong>ch</strong>endeckend genutzt?<br />
Felser: Nein, weil viele Betriebsleiter in vers<strong>ch</strong>iedenen Industrien bislang no<strong>ch</strong> die<br />
Investitionskosten für die Installation sol<strong>ch</strong>er Te<strong>ch</strong>nologien s<strong>ch</strong>euen. Was dabei oft<br />
vergessen wird: Die künftigen Einsparungen von Betriebskosten dank sol<strong>ch</strong>er<br />
Automatisierungste<strong>ch</strong>nologien sind auf mittlere und längere Fr<strong>ist</strong> me<strong>ist</strong>ens viel höher<br />
als die Kosten für derem Installation. Es lohnt si<strong>ch</strong> deshalb, etwas mehr zu<br />
investieren, um dana<strong>ch</strong> sol<strong>ch</strong>e Anlagen au<strong>ch</strong> effizient amortisieren zu können.<br />
Und diese Bots<strong>ch</strong>aft wollen Sie mit Ihrer Organisation Profibus verbreiten?<br />
Felser: Wir sind natürli<strong>ch</strong> bestrebt, die Vorteile der Automatisierung auf allen Ebenen<br />
bekannt zu ma<strong>ch</strong>en. Ziel <strong>ist</strong> es, Ents<strong>ch</strong>eidungsträger aus der Wirts<strong>ch</strong>aft für das<br />
Thema zu interessieren und so <strong>eine</strong> wa<strong>ch</strong>sende Na<strong>ch</strong>frage zu generieren. Auf der<br />
anderen Seite müssen wir au<strong>ch</strong> genügend Fa<strong>ch</strong>kräfte und Ingenieure zur Bedienung<br />
von Automatisierungste<strong>ch</strong>nologien ausbilden. Au<strong>ch</strong> das <strong>ist</strong> <strong>eine</strong> Aufgabe unserer<br />
Organisation. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> brau<strong>ch</strong>t es au<strong>ch</strong> Handwerker, wel<strong>ch</strong>e die Te<strong>ch</strong>nologien<br />
installieren und warten können.
Sind Sie da auf die Hilfe von Lehrinstituten angewiesen?<br />
Felser: Wir beziehen für diesen Prozess au<strong>ch</strong> die Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>- und Gewerbes<strong>ch</strong>ulen<br />
mit ein und wollen errei<strong>ch</strong>en, dass das Thema Automatisierung dort no<strong>ch</strong> stärker in<br />
die Lehrpläne integriert wird.<br />
Zur Person<br />
Steckbrief<br />
Name: Max Felser<br />
Funktion: Präsident der Organisation Profibus S<strong>ch</strong>weiz sowie stv. Leiter FB Elektround<br />
Kommunikationste<strong>ch</strong>nik an der Berner Fa<strong>ch</strong>ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule (BFH)<br />
Alter: 53<br />
Wohnort: Meyriez FR<br />
Familie: Verheiratet, drei Tö<strong>ch</strong>ter<br />
Ausbildung: Dipl. El.-Ing. ETH<br />
Karriere<br />
1984–1991 Entwicklung von Telekom-/Steuerungssystemen in der Industrie<br />
Seit 1991 Professor an der Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule für Te<strong>ch</strong>nik und Informatik der BFH<br />
Seit 1992 Präsident Profibus S<strong>ch</strong>weiz<br />
Profibus (www.profibus.<strong>ch</strong>)<br />
Weltweit Unter dem Da<strong>ch</strong>verband PI (Profibus & Profinet International) haben si<strong>ch</strong><br />
weltweit über 1400 Firmen in 25 regionalen Organisationen zusammengefunden. PI<br />
stellt die grösste Interessengemeins<strong>ch</strong>aft im Feldbussektor dar.<br />
National Der Verein Profibus S<strong>ch</strong>weiz mit s<strong>eine</strong>n 93 Mitgliedsfirmen vertritt die<br />
Da<strong>ch</strong>organisation PI hierzulande. Die Mitglieds<strong>ch</strong>aft steht allen Betrieben, Verbänden<br />
oder Instituten offen, wel<strong>ch</strong>e die Interessen von Profibus als Hersteller, Anwender,<br />
Systemhaus sowie Betreiber von Profibusnetzen unterstützen.<br />
Aufgaben Förderung der Verbreitung des Kommunikationssystems Profibus und der<br />
Ethernetlösung Profinet; Pflege und Weiterentwicklung der Profibus- und<br />
Profinette<strong>ch</strong>nologie; Profibus S<strong>ch</strong>weiz nimmt im Auftrag ihrer Mitglieder die<br />
Interessenvertretung gegenüber Normungsgremien und Verbänden wahr; weltweite<br />
Zusammenarbeit der regionalen Nutzerorganisationen; oder Investitionss<strong>ch</strong>utz für<br />
Anwender und Hersteller dur<strong>ch</strong> Einflussnahme auf die Standardisierung.