Bilanzen des Grauens - Rowipress.ch
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© HandelsZeitung; 19.05.2011; Ausgaben-Nr. 20; Seite 5<br />
<strong>Bilanzen</strong> <strong>des</strong> <strong>Grauens</strong><br />
Seilbahnen - S<strong>ch</strong>neearme Winter, stagnierende Umsätze und fehlende<br />
Investitionen treiben zahlrei<strong>ch</strong>e kleinere Betriebe in den Konkurs.<br />
Robert Wildi<br />
Abgehängte Seilbahngondeln und eine verwaiste S<strong>ch</strong>littelbahn – im Bündner<br />
Ferienort Churwalden herrs<strong>ch</strong>t Totenstille. «Wegen Revisionsarbeiten sind alle<br />
Anlagen bis zur Sommersaison ges<strong>ch</strong>lossen», steht auf der Webseite der Bergbahn<br />
Pradas<strong>ch</strong>ier. Ob es überhaupt no<strong>ch</strong> einen Sommer gibt, ist ungewiss. Der Betrieb ist<br />
in Geldnot und hat Na<strong>ch</strong>lassstundung beantragt. Der s<strong>ch</strong>neearme Winter und der<br />
Totalausfall <strong>des</strong> Osterges<strong>ch</strong>äfts drückten auf den Umsatz und die ohnehin s<strong>ch</strong>on<br />
dünne Liquidität.<br />
Pradas<strong>ch</strong>ier ist ni<strong>ch</strong>t allein. Diverse kleinere Seilbahnen kämpfen ums Überleben. In<br />
Feldis bei Rhäzüns beförderte die Anlage dieses Jahr wegen S<strong>ch</strong>neemangels keinen<br />
einzigen Skifahrer und steht finanziell am Abgrund. In Ts<strong>ch</strong>ierts<strong>ch</strong>en dürfte die<br />
Sanierung der anges<strong>ch</strong>lagenen Bergbahn nur dann klappen, wenn die grösseren<br />
Betriebe in Lenzerheide und Arosa einspringen. Ein entspre<strong>ch</strong>ender Vertrag sei in<br />
Vorbereitung, sagt Martin Weilenmann, Verwaltungsratspräsident der<br />
BergbahnenTs<strong>ch</strong>ierts<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> im Wallis gibt es Absturzkandidaten. Der Sessellift<br />
von Oberwald auf den Hungerberg im Obergoms steht s<strong>ch</strong>on seit zwei Jahren still.<br />
Genau wie die Lifte im Erner Galen gegenüber Fies<strong>ch</strong>. Ohne neue Investitionen in<br />
Millionenhöhe werden sie nie mehr in Betrieb genommen.<br />
Zu starke Abhängigkeit vom S<strong>ch</strong>nee<br />
«Eine dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>weizer Bergbahn erzielt gegen 90 Prozent ihres<br />
Jahresumsatzes im Winter», sagt der Seilbahnspezialist und Unternehmensberater<br />
Riet Theus. Jüngstes Opfer dieser Abhängigkeit sind die Bergbahnen Meiringen-<br />
Hasliberg. Ein dur<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>neemangel bedingtes Umsatzlo<strong>ch</strong> von einer Million Franken<br />
rei<strong>ch</strong>te, um die Anlage mitten in der Saison lahmzulegen. Das Gesu<strong>ch</strong> um<br />
Na<strong>ch</strong>lassstundung ist pendent.<br />
Der frühere oder spätere Konkurs ist vielen dieser Bahnen si<strong>ch</strong>er. Die Konsolidierung<br />
in der S<strong>ch</strong>weizer Bergbahnbran<strong>ch</strong>e ist längst im Gang. Die Zahl der<br />
Seilbahnunternehmen ging in den letzten 20 Jahren von 673 (1991) auf 505 (2010)<br />
zurück. Die kleinen Skigebiete verfügen häufig ni<strong>ch</strong>t über die Finanzkraft, um ihre<br />
Anlagen te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong> aufzurüsten oder die Hänge ausrei<strong>ch</strong>end künstli<strong>ch</strong> zu bes<strong>ch</strong>neien.<br />
Damit können sie im Konkurrenzkampf um den anspru<strong>ch</strong>svollen Wintergast mit den<br />
grossen Skigebieten kaum mithalten. Da zudem die gesamten Verkehrserträge der<br />
S<strong>ch</strong>weizer Seilbahnen wegen Wirts<strong>ch</strong>aftskrise und Währungsproblemen seit drei<br />
Jahren stagnieren, vers<strong>ch</strong>ärft si<strong>ch</strong> die Situation für kleinere Bahnen umso mehr. «Der<br />
Trend zu no<strong>ch</strong> mehr grossen und zusammenhängenden Skigebieten wird<br />
weitergehen», ist Theus überzeugt.<br />
Zu kämpfen haben die kleineren Bergbahnen neben dem S<strong>ch</strong>neerisiko au<strong>ch</strong> mit<br />
hohen Investitionskosten. Die dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong>e Lebensdauer einer Anlage beträgt 25
Jahre. Viele S<strong>ch</strong>weizer Seilbahnen wurden in den «goldenen» 80er-Jahren gebaut,<br />
sodass ihnen jetzt ein grösserer Erneuerungss<strong>ch</strong>ub bevorsteht. Eine neue<br />
Sesselbahn kostet im Dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt 8 bis 12 Millionen Franken. Für kleinere Betriebe<br />
entspri<strong>ch</strong>t dieser Betrag mehreren Jahresumsätzen und kann unmögli<strong>ch</strong> aus den<br />
betriebli<strong>ch</strong>en Mitteln finanziert werden. Au<strong>ch</strong> die künstli<strong>ch</strong>e Bes<strong>ch</strong>neiung ist teuer und<br />
kostet pro Pistenkilometer und Wintersaison rund 1 Million Franken.<br />
In vielen Destinationen müssen die Bergbahnen für diese Kosten allein aufkommen.<br />
Andere Gemeinden begehen den Fehler, dass sie als Mehrheitsaktionäre die lokale<br />
Bergbahn überfinanzieren. So ges<strong>ch</strong>ehen in Ts<strong>ch</strong>ierts<strong>ch</strong>en, wo die finanziellen<br />
Probleme aufgrund der Ersetzung eines Skiliftes dur<strong>ch</strong> zwei Bergbahnen vor zehn<br />
Jahren erst ihren Lauf nahmen. «Das Projekt war viel zu ambitioniert und von<br />
vorherein ni<strong>ch</strong>t finanzierbar», sagt Martin Weilenmann.<br />
Als Alternative setzen vers<strong>ch</strong>iedene Bahnen auf ausländis<strong>ch</strong>e Investoren. In<br />
Savognin haben im letzten Jahr österrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Geldgeber die Aktienmehrheit der<br />
lokalen Bergbahnen übernommen. Grund: Der Betrieb kann die notwendigen 40<br />
Millionen Franken für wi<strong>ch</strong>tige Erneuerungen und Ausbauten ni<strong>ch</strong>t selber finanzieren.<br />
Do<strong>ch</strong> der ausländis<strong>ch</strong>e Geldsegen entpuppt si<strong>ch</strong> häufig au<strong>ch</strong> als Wuns<strong>ch</strong>traum. Im<br />
Erner Galen kündigte die britis<strong>ch</strong>e Beteiligungsfirma Summerleaze vor drei Jahren<br />
ein Neubauprojekt für 150 Millionen Franken mit neuen Liften, Hotels und<br />
Kinderparadies an, das bis heute ein Papiertiger geblieben ist. In Luft aufgelöst<br />
haben si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die fixfertigen Projekte diverser internationaler Geldgeber für die<br />
finanzielle Rettung und den Ausbau <strong>des</strong> Urner Skigebiets Winterhorn.<br />
Träumen mit ausländis<strong>ch</strong>en Investoren<br />
Selbst renommierte S<strong>ch</strong>weizer Wintersport<strong>des</strong>tinationen haben mit Investoren aus<br />
dem Ausland dur<strong>ch</strong>zogene Erfahrungen gema<strong>ch</strong>t. Die französis<strong>ch</strong>e Compagnie <strong>des</strong><br />
Alpes beteiligte si<strong>ch</strong> mit 40 Prozent an den Bergbahnen Saas Fee und je 20 Prozent<br />
an den Bergbahnen Verbier und Riederalp, um bereits na<strong>ch</strong> kurzer Zeit wieder<br />
auszusteigen. Dem Vernehmen na<strong>ch</strong> basierte der Sinneswandel auf einem<br />
kurzfristigen Liquiditätsbedarf der Mutter Caisse de Dépôt in Paris.<br />
Ernstere Absi<strong>ch</strong>ten s<strong>ch</strong>eint die s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>e Winterresort-Betriebsgesells<strong>ch</strong>aft<br />
Skistar zu haben. Mit rund 140 Millionen Franken will sie im Auftrag <strong>des</strong> ägyptis<strong>ch</strong>en<br />
Feriendorfbauers Samih Sawiris die Skigebiete in Andermatt und Sedrun<br />
modernisieren, ausbauen und zu einer riesigen Arena verbinden. Skistar betreibt in<br />
Skandinavien bereits se<strong>ch</strong>s grosse Skiresorts und will expandieren. «Wir sehen in<br />
Zentraleuropa ein grosses Wa<strong>ch</strong>stumspotenzial», so die Spre<strong>ch</strong>erin Kerstin<br />
Liljebäck. Andermatt/Sedrun sei als Standort ideal ers<strong>ch</strong>lossen und für Wintersportler<br />
aus ganz Europa bestens errei<strong>ch</strong>bar.<br />
Grossfusionen zahlen si<strong>ch</strong> aus<br />
Der Trend zu grossen Arenen ist in der S<strong>ch</strong>weiz unübersehbar, und zwar anhand der<br />
gesamthaften Verkehrserträge. In den letzten 20 Jahren verdoppelten sie si<strong>ch</strong> von<br />
einer halben auf über eine Milliarde Franken. Treiber dieser Entwicklung sind<br />
Destinationen wie Davos/Klosters, Engadin/St. Moritz, Zermatt, Flims/Laax oder<br />
Gstaad-Saanenland, wo die lokalen Bergbahnen zu einer starken<br />
Transportgesells<strong>ch</strong>aft fusioniert haben. Mit modernen Bahnen und einem
oomenden Zweitwohnungsbau ziehen diese Orte immer mehr Gäste an. «In<br />
Graubünden sorgen die a<strong>ch</strong>t grössten von insgesamt knapp 50<br />
Bergbahnunternehmen mittlerweile für 80 Prozent <strong>des</strong> gesamten<br />
Transportumsatzes», erläutert Marcus Gs<strong>ch</strong>wend, Ges<strong>ch</strong>äftsführer <strong>des</strong><br />
Lokalverban<strong>des</strong> Bergbahnen Graubünden.<br />
Dass trotz <strong>des</strong> s<strong>ch</strong>lei<strong>ch</strong>enden Gigantismus im Wintersportmarkt au<strong>ch</strong> kleinere<br />
Gebiete künftig dur<strong>ch</strong>aus ihre Markt<strong>ch</strong>ancen haben, ist die Überzeugung der meisten<br />
Seilbahnexperten. «Wi<strong>ch</strong>tig ist, dass sie bestimmte Nis<strong>ch</strong>en besetzen und<br />
S<strong>ch</strong>neesi<strong>ch</strong>erheit garantieren können», sagt Riet Theus. Als Beispiel nennt er die<br />
Bergbahnen Vals, die mit einem Jahresumsatz von knapp 1,5 Millionen Franken und<br />
regelmässigen Investitionen seit Jahren gute Erträge erwirts<strong>ch</strong>aften.