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Lieber verreisen, als ein Auto kaufen - rowi press

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© HandelsZeitung; 26.05.2010; Ausgaben-Nr. 21; Seite 3<br />

<strong>Lieber</strong> <strong>verreisen</strong>, <strong>als</strong> <strong>ein</strong> <strong>Auto</strong> <strong>kaufen</strong><br />

Handel - Während der Export kriselt, profitieren Schweizer Firmen, die in<br />

der Euro-Zone <strong>ein</strong><strong>kaufen</strong> und im Inland ver<strong>kaufen</strong>, vom rekordtiefen<br />

Euro. Da und dort purzeln jetzt die Konsumentenpreise – aber nicht<br />

überall. Teurere Rohstoffe und verknapptes Angebot lassen die Vorteile<br />

wegschmelzen.<br />

Robert Wildi<br />

Der Euro ist zurzeit knapp 1.40 Fr. wert, er notiert auf <strong>ein</strong>em Rekordtief. Da liegt die<br />

Forderung von Konsumentenvertretern auf der Hand, dass nicht nur die heimische<br />

Import-Wirtschaft von den Währungseffekten profitieren soll, sondern letzten Endes<br />

auch der Kunde im Laden. Ihre Kalkulation: Tiefer Euro gleich günstigere<br />

Importpreise aus den Euro-Ländern, gleich Preisreduktionen für Schweizer<br />

Konsumenten.<br />

Manche Branchen lassen diese Rechnung aufgehen. Etwa der Detailhandel.<br />

Deutsche Anbieter wie Aldi oder Lidl haben auf ihr Angebot in der Schweiz spürbare<br />

Preisnachlässe angekündigt und diese teilweise bereits umgesetzt. Fast <strong>ein</strong>s zu <strong>ein</strong>s<br />

wirken sich Währungsschwankungen im Frischebereich – <strong>als</strong>o Früchte und Gemüse<br />

– aus. Hier importieren auch die Grossverteiler Migros und Coop fast ausschliesslich<br />

aus dem Euro-Raum. Die Verkaufspreise werden wöchentlich kalkuliert. «Tiefere<br />

Einstandspreise werden laufend an die Kunden weitergeben», bestätigt Migros-<br />

Sprecher Urs-Peter Naef. Coop macht es ebenso.<br />

Auch Bücherfreunde können sich freuen: Ab Herbst wird der Lesespass günstiger.<br />

Dann werden die meisten Buchhandlungen mit den nächsten Neuersch<strong>ein</strong>ungen auf<br />

den Markt kommen. Bei Orell Füssli (OF), wo rund 15% des Sortiments direkt aus<br />

Euro-Ländern importiert wird, ist für diese Werke mit Preisnachlässen von 3 bis 4%<br />

zu rechnen, wie András Németh vom OF-Marketing ankündigt. «Wir geben <strong>ein</strong>fach<br />

den Preisvorteil weiter, den uns die Verleger kommuniziert haben.»<br />

Doppelt profitiert, wer s<strong>ein</strong> günstiges Herbst-Buch <strong>als</strong> Ferienlektüre mit auf <strong>ein</strong>e<br />

Reise in den Euro-Raum nimmt. Die Reiseveranstalter haben mit Fluggesellschaften,<br />

Hoteliers, Mietwagenanbietern und anderen Dienstleistern in den europäischen<br />

Destinationen aufgrund der Wechselkursentwicklung nachverhandelt und teilweise<br />

massiv günstigere Einkaufstarife herausgeholt. «Sobald wir von <strong>ein</strong>em griechischen<br />

Hotelier <strong>ein</strong>en tieferen Preis erhalten, geben wir diesen umgehend und in vollem<br />

Umfang an die Kunden weiter», sagt Hotelplan-Sprecher Valentin Handschin.<br />

Grundsätzliche Tarifanpassungen nach unten gibt es bei der Migros-Reisetochter,<br />

die sich an fixen Preislisten orientiert, zurzeit jedoch nicht.<br />

Flexibler ist diesbezüglich Kuoni mit ihrer Günstigmarke Helvetic Tours, die<br />

tagesaktuelle Preise unlängst <strong>als</strong> Geschäftskonzept <strong>ein</strong>geführt hat.<br />

Währungsbedingte Nachverhandlungen mit Leistungsträgern machen sich auch für<br />

Kuoni-Kunden bezahlt. «Für den Sommer bieten wir in Spanien oder Griechenland


Preise an, die zwischen 20 und 50% unter den ursprünglichen Katalogpreisen<br />

liegen», sagt Sprecherin Andrea Müller.<br />

Günstigere Heimelektronik<br />

Sofort profitieren können auch Konsumenten im Bereich Unterhaltungselektronik.<br />

Etwa bei Media Markt, wo die Produkte jedoch bei Schweizer Importeuren und<br />

Lieferanten in Schweizer Franken bezogen werden. Trotzdem werden<br />

Vergünstigungen im Einkauf in Form von Preisvorteilen an die Endkunden<br />

weitergereicht. Beim Media-Markt-Lieferanten Also Schweiz AG in Emmen werden<br />

die Preise der in Euro <strong>ein</strong>gekauften Produkte alle zwei Wochen geprüft.<br />

Währungsschwankungen wirken sich unmittelbar auf die Einkaufspreise für Händler<br />

wie Media Markt aus.<br />

Noch nicht absehbar sind währungsbedingte Vorteile für <strong>Auto</strong>käufer. Bei den<br />

Importeuren von europäischen <strong>Auto</strong>marken sind Preisreduktionen auf Neuwagen<br />

aufgrund von Währungsvorteilen erst in <strong>ein</strong>igen Monaten zu erwarten. Opel rechnet<br />

mit <strong>ein</strong>em Vierteljahr, während sich der Händler Amag, der VW, Audi, Skoda und<br />

Seat importiert und verkauft, k<strong>ein</strong>e Prognosen macht. «Im Moment sind k<strong>ein</strong>e<br />

Vergünstigungen wegen des Euro zu erwarten», sagt Amag-Vizedirektor Dino Graf.<br />

Profitieren würden die Käufer aufgrund des Euro-Kurses hingegen von Mehrwerten<br />

wie Sonderausstattungen und -paketen. Bei den «Team»- und «Value»-Modellen<br />

von VW sind sie neu im Verkaufspreis integriert.<br />

Weniger Obst im Regenmonat Mai<br />

Die Grossverteiler Coop und Migros warnen die Kunden aber vor zu grossen<br />

Erwartungen. Coop-Sprecher Nicolas Schmieder betont, der Konsument könne sich<br />

nun nicht ausschliesslich am Euro-Kurs orientieren und daraus den Preis für s<strong>ein</strong>en<br />

Frischwaren-Einkauf errechnen. Einen noch grösseren Einfluss auf die Preise hätten<br />

nämlich Ereignisse, die das Verhältnis Angebot/Nachfrage verändern, erklärt<br />

Schmieder. Aktuell beispielsweise die lange Regenzeit in der ersten Mai-Hälfte. Sie<br />

hat zu Ernteausfällen geführt und das Angebot verknappt, was zu<br />

Nachfrageüberhängen und Preisanstiegen im Einkauf geführt hat.<br />

Bei solchen Ereignissen fallen Währungsvorteile rasch dahin. Das bestätigt auch der<br />

Zentr<strong>als</strong>chweizer Detailhandelsberater und Branchenkenner Gotthard Wangler. «Um<br />

jede Währungsschwankung noch rascher an den Konsumenten weitergeben zu<br />

können, müssten die Detailhändler auf Frischwaren Tagespreise <strong>ein</strong>führen.» Von<br />

<strong>ein</strong>em solchen Schritt rät er ab. «Der logistische und personelle Aufwand dieser<br />

Massnahme würde deren Nutzen deutlich übertreffen.» Für Wangler gibt es aufgrund<br />

der klimatisch bedingten Angebotsverknappung deshalb kaum Bedarf, die Preise für<br />

Frischprodukte zu senken.<br />

Auch in den Non-Food-Sparten der Grossverteiler sind massive Preisstürze wegen<br />

des Euro illusorisch. Im Einkauf belastend wirken sich nämlich die steigenden<br />

Rohstoff-Preise für Aluminium, Kupfer, Baumwolle, Kaffee, Kakao sowie Papier und<br />

Zellstoff aus. «Der Preisanstieg auf fast allen Rohstoffmärkten wird durch die Euro-<br />

Schwäche kompensiert, wodurch die Preise beispielsweise im Hartwaren-Segment<br />

wie Küche, Möbel, Papeterie und Verbrauch insgesamt stabil gehalten werden<br />

können», erklärt Migros-Sprecher Urs-Peter Naef. Da der Einkauf von Rohstoffen in


der Regel <strong>ein</strong> Termingeschäft ist, spielen kurzfristige Kursschwankungen kaum <strong>ein</strong>e<br />

Rolle.<br />

Auch für die meisten Verkaufsgüter werden mit den Lieferanten Saison- oder<br />

Jahresverträge abgeschlossen, die fixe Wechselkurse vorsehen. Vor allem im Non-<br />

Food-Bereich dürften sich Euro-bedingte Preisnachlässe deshalb erst mit <strong>ein</strong>er<br />

Verzögerung von mindestens vier bis sechs Monaten ergeben. Das bestätigt Manor,<br />

wo immerhin 10% des gesamten Sortiments direkt aus dem Euro-Raum importiert<br />

werden. «Sind die Einkaufspreise für diese Produkte dauerhaft tiefer, werden auch<br />

die Verkaufspreise sinken», vertröstet Manor-Sprecher Markus Laub die Kundschaft.<br />

Sofortige Preissenkungen gibt es nicht.<br />

Coop signalisiert immerhin, dass sich jetzt etwas tun soll. Seit März werde der tiefe<br />

Euro-Kurs bei den Lieferanten verstärkt thematisiert und in die laufenden<br />

Preisverhandlungen integriert, sagt Sprecher Schmieder. Davon sollen demnächst<br />

auch die Konsumenten profitieren.

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