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technischen Fortschritt geprägten Zeit der<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende großen Anklang findet,<br />

verspricht sie doch den Schutz <strong>und</strong> die Geborgenheit<br />

einer heimatlichen Idylle. Diesen<br />

Rückzug ins Ursprüngliche beschreibt<br />

Fischer als eine Antwort auf die Modernisierungskrise:<br />

„Gebildete <strong>und</strong> städtische<br />

Schichten, von den sozialen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Zerwürfnissen ihrer Zeit angekränkelt,<br />

warfen einen nostalgischen Blick auf die<br />

gute alte Zeit, auf die Idylle auf dem Lande,<br />

auf junge Landmädchen <strong>und</strong> Senner in<br />

Spinnstuben <strong>und</strong> auf Almen.“<br />

Diese Sicht auf das Volkslied war jedoch<br />

immer ein Wunschdenken. Es handelt sich<br />

dabei um eine artifizielle Kultur, denn der<br />

von Herder geprägte Volksliedbegriff war<br />

keineswegs authentisch – im Sinne von<br />

mündlich tradiert <strong>und</strong> unabhängig von<br />

kommerziellen Interessen. Nils Grosch hebt<br />

hervor, dass es sich auch bei den Liedern,<br />

die man im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert als Volkslieder<br />

wiederentdeckte, überwiegend um Industrieprodukte<br />

handelte, die bereits im 16.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert durch Buchdruck <strong>und</strong> Flugblätter<br />

in hoher Auflagenzahl verbreitet<br />

worden waren. Auch danach verdankten<br />

sie ihren Erfolg den Medien, wurden die<br />

Volkslieder doch vor allem durch Liedersammlungen<br />

<strong>und</strong> Schulbücher weitergegeben.<br />

So hatte etwa der „Zupfgeigenhansel“,<br />

eine 1909 erschienene Volksliedsammlung,<br />

großen kommerziellen Erfolg.<br />

Die heutige Vorstellung von Volksmusik<br />

ist vor allem durch Fernsehsendungen<br />

wie „Musikantenstadl“ geprägt. Sie zeigen<br />

schunkelnde Rentner in Dirndl <strong>und</strong> Lederhosen,<br />

die in einer alpenländischen Kulisse<br />

den Liedern von Helene Fischer, Florian<br />

Silbereisen oder den Kastelruther Spatzen<br />

lauschen. Gr<strong>und</strong>lage dieser Lieder bilden<br />

Kompositionen oder Bearbeitungen traditioneller<br />

Musikstücke, die sich mit denselben<br />

Inhalten wie die Volkslieder zu Herders<br />

Zeiten beschäftigen. Besungen werden die<br />

Heimat, die Natur, die Liebe – es erfolgt also<br />

wieder ein Rückzug in die heile Welt. Durch<br />

Vermischung mit Elementen aus Schlager<br />

<strong>und</strong> Pop haben sich zahlreiche hybride Formen<br />

gebildet, die jedoch allesamt unter dem<br />

Schlagwort „Volksmusik“ zusammengefasst<br />

werden. Neben der Musik spielt in diesen<br />

Sendungen der Showfaktor eine große Rolle.<br />

Kritiker tun sich meist schwer, diese medial<br />

vermittelte Musik als Volksmusik anzuerkennen.<br />

Michael Fischer sieht zwar auch<br />

Unterschiede zwischen dieser volkstümlichen<br />

Musik <strong>und</strong> den als traditionell wahrgenommenen<br />

Volksliedern, betont jedoch,<br />

dass eine prinzipielle Unterscheidung in die<br />

mündlich weitergegebene, „authentische“<br />

Variante <strong>und</strong> die medial inszenierte Form<br />

nicht möglich sei. Es gebe kein „wirkliches<br />

Volkslied“, das authentischer sei als das, was<br />

im Fernsehen geboten werde. Eine objektive<br />

Kategorisierung des Volksliedbegriffs ist<br />

demnach nicht möglich.<br />

„Echte Volksmusik“ – sie ist am Ende unauffindbar.<br />

Oder überall da, wo Menschen<br />

behaupten, sie gef<strong>und</strong>en zu haben.<br />

Vera Fleischer<br />

BENGT KIENE<br />

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