OLG Saarbrücken: Kriterien zur Ãbertragung des ... - JusMeum
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<strong>OLG</strong> Saarbrücken: <strong>Kriterien</strong> <strong>zur</strong> Übertragung <strong>des</strong><br />
alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts bei<br />
Getrenntleben<br />
<strong>OLG</strong> Saarbrücken Beschluß vom 20.1.2011 6 UF 106/09<br />
1. Zu den Sorgerechtskriterien im Rahmen der Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.<br />
2. Es ist nicht Aufgabe <strong>des</strong> Verfahrensbeistan<strong>des</strong>, den Willen der Eltern, sondern den <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu<br />
ermitteln und in das Verfahren einzuführen (Anschluss an BVerfG FamRZ 2010, 109).<br />
Tenor<br />
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss <strong>des</strong> Gerichts in pp. vom pp. wird auf ihre<br />
Kosten <strong>zur</strong>ückgewiesen.<br />
2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.<br />
3. Der Antragsgegnerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte<br />
Verfahrenskostenhilfe verweigert.<br />
Gründe<br />
I.<br />
Aus der am pp. geschlossenen und seit dem pp. rechtskräftig geschiedenen Ehe der Mutter und <strong>des</strong><br />
Vaters sind die beiden betroffenen Kinder L., geboren am pp. und M. geboren am pp. hervorgegangen.<br />
Sie lebten nach der räumlichen Trennung der Eltern im pp. zunächst bei der Mutter, in deren Haus im<br />
Jahr pp. auch pp. einzog, zu dem die Mutter jedenfalls ab pp. auch eine intime Beziehung eingegangen<br />
ist. Am pp. wechselten die Kinder aufgrund einer im Raume stehenden Inobhutnahme vorübergehend<br />
in den Haushalt <strong>des</strong> Vaters, bis sie etwa eine Woche später wieder zum Mutter <strong>zur</strong>ückkehrten. Im<br />
Verfahren pp. vereinbarten die Eltern am pp. .dass bis zum Abschluss <strong>des</strong> hiesigen Verfahrens die<br />
Mutter einen unmittelbaren Kontakt beider Kinder mit pp. unterbinden werde. Im pp. – nach Erlass <strong>des</strong><br />
angefochtenen Beschlusses <strong>des</strong> Familiengerichts – haben die Kinder in den Haushalt <strong>des</strong> Vaters<br />
gewechselt, wo sie seither leben.<br />
Im vorliegenden Verfahren hat der Vater mit am pp. beim Gericht in pp. eingegangenem Antrag das<br />
Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht <strong>zur</strong> Personensorge sowie das Recht der medizinischen<br />
Versorgung für beide Kinder begehrt.<br />
Die Mutter hat um Zurückweisung dieses Antrags gebeten.<br />
Nach Verweisung <strong>des</strong> Verfahrens an das Gericht in pp. hat dieses beiden Kindern einen<br />
Verfahrensbeistand bestellt, der – ebenso wie das Jugendamt – den Wechsel der Kinder in den<br />
Haushalt <strong>des</strong> Vaters befürwortet hat.
Durch den angefochtenen Beschluss vom pp., auf den Bezug genommen wird, hat das Gericht – nach<br />
persönlicher Anhörung der Kinder, der Eltern, der Vertreterin <strong>des</strong> Jugendamts und <strong>des</strong><br />
Verfahrensbeistan<strong>des</strong> sowie Einholung und mündlicher Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens <strong>des</strong><br />
Sachverständigen pp. – dem Vater unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags das<br />
Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.<br />
Gegen diesen der Mutter am pp. zugestellten Beschluss richtet sich deren am pp. – einem Montag –<br />
beim Gericht eingegangene Beschwerde, mit der sie beantragt, den Beschluss <strong>des</strong> Gerichts<br />
„aufzuheben“ und ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder unter Aufrechterhaltung <strong>des</strong><br />
Beschlusses im Übrigen alleine zu übertragen. Sie sucht ferner um Bewilligung von<br />
Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.<br />
Der Vater und der Verfahrensbeistand verteidigen den angefochtenen Beschluss.<br />
Das angehörte Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.<br />
Dem Senat haben die Akten pp. und pp. <strong>des</strong> Gerichts vorgelegen.<br />
II.<br />
Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter bleibt ohne Erfolg.<br />
Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Gericht dem Vater<br />
nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.<br />
Unangegriffen und rechtsbedenkenfrei (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 5. Januar 2011 – 6 UF 96/10<br />
– und vom 26. August 2009 – 6 UF 68/09 –, FamRZ 2010, 385, jeweils m.z.w.N.–) hat das Gericht die<br />
gemeinsame elterliche Sorge im Teilbereich Aufenthaltsbestimmung aufgehoben und es im Übrigen bei<br />
der gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern für beide Kinder belassen, nachdem sich die Eltern<br />
lediglich über deren künftigen gewöhnlichen Aufenthalt nicht einig sind, eine Regelung dieser Frage<br />
allerdings aus Gründen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>wohls erforderlich ist.<br />
Es findet ebenfalls vollumfänglich die Billigung <strong>des</strong> Senats, dass das Gericht – auf der zweiten<br />
Prüfungsebene <strong>des</strong> § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) – gerade dem Vater<br />
das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen hat, weil dies dem Wohl der beiden betroffenen Kinder<br />
am besten entspricht.<br />
Bei der allein am Kin<strong>des</strong>wohl aus<strong>zur</strong>ichtenden Frage, welchem der Elternteile die elterliche Sorge oder<br />
– wie hier – ein Teilbereich dieser zu übertragen ist, sind die Erziehungseignung der Eltern –<br />
einschließlich ihrer Bindungstoleranz –, die Bindungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> – insbesondere an seine Eltern und<br />
Geschwister –, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kin<strong>des</strong>wille als gewichtige<br />
Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169). Außer diesen<br />
Aspekten sind je nach den Begleitumständen <strong>des</strong> Falles weitere Gesichtspunkte wie<br />
Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse, soziales Umfeld und Grundsätze wie der<br />
einzubeziehen, dass Geschwister nicht ohne besonderen Grund voneinander getrennt werden sollen<br />
(BGH FamRZ 1985, 169). Aus diesen – allgemein beschriebenen – Sorgerechtsbelangen lassen sich<br />
im Besonderen folgende Grundsätze herleiten, die für die Sorgerechtsentscheidung Relevanz besitzen:<br />
Hat das Kind zu einem Elternteil eine stärkere Bindung und innere Beziehung entwickelt, so muss das<br />
bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerfG FamRZ 1981, 124).
Nach dem Förderungsprinzip ist die elterliche Sorge dem Elternteil zu übertragen, der am Besten <strong>zur</strong><br />
Erziehung und Betreuung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> geeignet erscheint und von dem es voraussichtlich die meiste<br />
Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten kann. Dabei kann berücksichtigt werden,<br />
dass ein Elternteil weitergehende Möglichkeiten <strong>zur</strong> Betreuung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> hat; denn je jünger ein Kind<br />
ist, umso wichtiger ist es für seine Entwicklung, dass es sich in der Obhut eines Menschen weiß, der<br />
Zeit hat, auf seine Fragen, Wünsche und Nöte einzugehen. Ein Primat <strong>des</strong> beruflich weniger<br />
eingespannten Elternteils ist damit allerdings nicht verbunden (vgl. BVerfG FamRZ 1981, 124; BGH<br />
FamRZ 1985, 169).<br />
Nach dem Kontinuitätsgrundsatz gilt es, für die Zukunft die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit <strong>des</strong><br />
Erziehungs- und Betreuungsverhältnisses sicherzustellen. Daher kommt einer bisher einvernehmlich<br />
praktizierten Rollenverteilung der Eltern bei der Kindererziehung ebenso Bedeutung zu wie ein von<br />
einem Elternteil beabsichtigter Wechsel <strong>des</strong> räumlichen und sozialen Umfel<strong>des</strong> der Kinder. Auch die<br />
Aufrechterhaltung der bestehenden gefühlsmäßigen Bindungen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> an seine Eltern und<br />
Geschwister wird vom Kontinuitätsgrundsatz in Bezug genommen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 189;<br />
1982, 1179), so dass auch der Aspekt der Bindungstoleranz zu beachten ist (vgl. BVerfG FamRZ 2009,<br />
189), der auf den weiteren, möglichst unbeschwerten Kontakt <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu jedem Elternteil abzielt,<br />
den der andere Elternteil grundsätzlich zu fördern hat (vgl. BVerfG FamRZ 1995, 86; 1993, 662; vgl.<br />
auch BGH FamRZ 2010, 1060; 2008, 592; eingehend Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht in<br />
der Praxis, 4. Aufl. 2011, § 1, Rz. 229 ff. m.w.N.).<br />
Der Wille <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Mit der<br />
Kundgabe seines Willens macht das Kind zum einen von seinem Recht <strong>zur</strong> Selbstbestimmung<br />
Gebrauch. Denn jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, die sich auf die Zukunft<br />
<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> auswirkt, muss nicht nur auf das Wohl <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> ausgerichtet sein, sondern das Kind<br />
auch in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen, weil die sorgerechtliche Regelung<br />
entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> nimmt und es daher unmittelbar betrifft. Hat<br />
der unter diesem Aspekt gesehene Kin<strong>des</strong>wille bei einem Kleinkind noch eher geringes Gewicht, so<br />
kommt ihm im zunehmenden Alter <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> vermehrt Bedeutung zu. Nur dadurch, dass Eltern die<br />
wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis ihres Kin<strong>des</strong> zu selbständigem<br />
verantwortungsvollem Handeln berücksichtigen (vgl. § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB), können sie das Ziel, ihr<br />
Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen (vgl. § 1 Abs.<br />
1 SGB VIII), erreichen. Ein vom Kind kundgetaner Wille kann ferner Ausdruck von Bindungen zu einem<br />
Elternteil sein, die es geboten erscheinen lassen können, ihn in dieser Hinsicht zu berücksichtigen (vgl.<br />
BVerfG FamRZ 2009, 1389; 2008, 1737, jeweils m.w.N.). Die Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG entspringende<br />
Pflicht der Eltern, ihrem Kind Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen, damit es sich zu einer solchen<br />
eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie<br />
dem Menschenbild <strong>des</strong> Grundgesetzes entspricht, bezieht sich nicht nur auf das Kind, sondern obliegt<br />
den Eltern von Verfassungs wegen unmittelbar ihrem Kind gegenüber (vgl. – grundlegend – BVerfG<br />
FamRZ 2008, 845; ebenso BVerfG FamRZ 2009, 1389).<br />
All diese <strong>Kriterien</strong> stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander; je<strong>des</strong><br />
von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl <strong>des</strong><br />
Kin<strong>des</strong> am besten entspricht (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392). Denn sie stehen über den<br />
allüberstrahlenden und letztentscheidenden (vgl. BVerfGE 56, 363; BVerfG FuR 2008, 338) Begriff <strong>des</strong>
Kin<strong>des</strong>wohls in innerer Beziehung zueinander und können sich gegenseitig verstärken oder aufheben<br />
(vgl. BGH FamRZ 1985, 169).<br />
An diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben gemessen, teilt der Senat die Auffassung<br />
<strong>des</strong> Familiengerichts, dass es dem Kin<strong>des</strong>wohl bei den gegebenen Umständen am besten entspricht,<br />
wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen wird.Die hiergegen gerichteten<br />
Beschwerdeangriffe der Mutter dringen nicht durch.<br />
Im Ansatz zutreffend beruft diese sich zwar auf den Kontinuitätsgrundsatz, da sie die Kinder jahrelang<br />
betreut hat.<br />
Zu Recht hat das Familiengericht diesbezüglich aber schon in Frage gestellt, ob auf den Fortbestand<br />
der örtlichen Wohnumstände der Mutter Verlass ist, nachdem sie – was die Akten belegen und von ihr<br />
auch insoweit nicht in Abrede gestellt wird – während der laufenden Begutachtung gegenüber dem<br />
Sachverständigen von Umzugsplänen berichtet hat. Soweit sie in der Beschwerde vorbringt, sie habe<br />
sich entschlossen, das vormals eheliche Hausanwesen nicht zu veräußern, verbleiben hinsichtlich der<br />
Nachhaltigkeit dieser Entscheidung angesichts der vom Sachverständigen überzeugend beschriebenen<br />
Persönlichkeit der Mutter und der Qualität ihrer Beziehung zu Herrn pp. Bedenken. Dies gilt ebenso<br />
hinsichtlich der derzeit von ihr behaupteten Trennung von diesem.<br />
Die trotzdem – auch vor dem Hintergrund <strong>des</strong> Umstan<strong>des</strong>, dass die Kinder nun seit pp. beim Vater<br />
wohnen und auch dort bereits in ein soziales Umfeld eingebunden sind – eher für die Mutter streitende<br />
Kontinuität vermag sich allerdings nicht durchzusetzen.<br />
Denn großes – vom Gericht zu Recht betontes – Gewicht hat die leicht nachvollziehbare Beurteilung<br />
<strong>des</strong> Sachverständigen, dass die Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt ist.<br />
Der Sachverständige hat vielfältige Hinweise darauf gefunden, dass die psychische und emotionale<br />
Entwicklung von L. und M. bereits nachhaltig durch die Lebensumstände im Haushalt der Mutter<br />
geprägt sind, die als hochgradig verunsichernd eingestuft werden müssten. Deshalb sei bei beiden<br />
Mädchen bei Fortbestand der familiären Bedingungen mit gravierenden psychischen, emotionalen und<br />
sozialen Fehlentwicklungen zu rechnen. Trotz der Vertrautheit der Kinder mit den Lebensumständen<br />
bei der Mutter entsprächen die Rahmenbedingungen, wie sie der Vater aufgrund seiner erzieherischen<br />
Grundhaltung in seinen Lebensumständen schaffen könne, den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder<br />
deutlich stärker als dies im Haushalt der Mutter der Fall sei. Während beim Vater keine Hinweise auf<br />
Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit festgestellt worden seien, sei bei der Mutter von einer<br />
eindeutigen Einschränkung der Erziehungsfähigkeit auszugehen, die bei der Bindungstoleranz weniger<br />
stark, im Bereich der Förderkompetenz als gravierend bewertet werden müsse, zumal die Mutter nicht<br />
fähig sei, sich gegen die Einflussnahme <strong>des</strong> Herrn pp. auch in erzieherischen Fragen abzugrenzen und<br />
eigenes erzieherisches Handeln, wie sie es zuvor über Jahre gezeigt habe, aufrechtzuerhalten (vgl. zu<br />
diesem Aspekt auch – mutatis mutandis – Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2009 – 6 UF 90/09 –,<br />
FamRZ 2010, 1092). Für den Senat sind hierfür insbesondere das vom Sachverständigen berichtete<br />
Zerschneiden <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> von M. – eines Muttertagsgeschenks – durch die Mutter neben dem Vorfall mit<br />
der Axt aussagekräftige Belege.<br />
Der Vater ist hiernach <strong>zur</strong> Förderung der Kinder deutlich besser geeignet als die Mutter.<br />
Den überzeugenden Ausführungen <strong>des</strong> Sachverständigen zufolge, die sich der Senat zu Eigen macht,<br />
vermittelt der Vater den Kindern besser als die Mutter kontinuierlich Werthaltungen und die an sie
gestellten erzieherischen Anforderungen. Er fordere im Gegensatz zu jener von seinen Kindern – im<br />
Sinne eines angemessenen erzieherischen Handelns – auch Anpassungsleistungen und das Einhalten<br />
von Regeln und Normen.<br />
Soweit die Mutter dem Vater daher in der Beschwerde – auch unter Berufung auf seine berufliche<br />
Beanspruchung – die Fähigkeit <strong>zur</strong> Förderung der Kinder abspricht, steht dies nicht nur in Widerspruch<br />
zu den von ihr schon nicht substantiiert in Frage gestellten Feststellungen <strong>des</strong> Sachverständigen;<br />
vielmehr zeigt gerade die schulische Entwicklung L. seit ihrem Wechsel zum Vater, dass dieser viel<br />
besser als die Mutter in der Lage ist, jene schulisch zu erfreulichen Leistungen anzuleiten. L. hat ihrem<br />
Verfahrensbeistand Ende pp. freudig berichtet, sie habe ihre schulischen Leistungen sehr verbessert,<br />
im Schnitt um zwei Noten, in Mathematik habe sie sogar die beste Klassenarbeit geschrieben.<br />
Selbst wenn – wie die Mutter es in ihrer Beschwerde und auch mit Schriftsatz vom pp. darstellt – infolge<br />
Nachhilfeunterrichts entsprechende Fortschritte schon in der letzten Zeit vor dem Wechsel der Kinder<br />
zum Vater begonnen haben, ist diese Entwicklung jedenfalls offensichtlich Spiegel auch eines nunmehr<br />
regelmäßigen Schulbesuchs L., der bei der Mutter nicht gewährleistet war.<br />
Soweit diese daher in Bezug hierauf in der Beschwerde die sehr hohe Anzahl von L. versäumter<br />
Schultage zum großen Teil auf Erkrankungen L. <strong>zur</strong>ückführen will, ist diese Darstellung nicht<br />
ansatzweise belastbar, zumal L. selbst gegenüber dem Sachverständigen angegeben hat, nur selten<br />
wegen tatsächlicher körperlicher Erkrankung vom Unterricht ferngeblieben zu sein; sie sei nicht <strong>zur</strong><br />
Schule gegangen, weil sie keine Lust auf Schule gehabt habe. Sehr aufschlussreich ist die in diesem<br />
Zusammenhang von L. auf entsprechende Nachfrage <strong>des</strong> Sachverständigen gegebene Erläuterung, im<br />
Haushalt <strong>des</strong> Vaters hätte sie sich das gar nicht erst erlaubt, weil sie dann sehr viel Ärger bekommen<br />
hätte.<br />
Der von der Mutter ins Feld geführte einmalige Schlag <strong>des</strong> Vaters auf den Po der damals zehnjährigen<br />
L. war vor dem Hintergrund von § 1631 Abs. 2 BGB erzieherisch nicht erlaubt, wurde andererseits vom<br />
Sachverständigen aber auch – leicht nachvollziehbar – als situativ bedingt und nicht als Ausdruck einer<br />
erhöhten Bereitschaft <strong>des</strong> Vaters bewertet, mit seinen Kindern gewalttätig umzugehen. Auch das<br />
gelegentlich laute Heben der Stimme <strong>des</strong> Vaters fällt insoweit bei gegebenem erzieherischem Anlass<br />
nicht ins Gewicht.<br />
Ins Auge fällt demgegenüber mit Blick auf die – un<strong>zur</strong>eichende – Kompetenz der Mutter, die Kinder <strong>zur</strong><br />
Selbständigkeit zu erziehen, dass diese ihrem Verfahrensbeistand im Beschwerdeverfahren berichtet<br />
haben, dass sie bei der Mutter meist zu dritt in einem Bett geschlafen haben. Wenn der Vater es – wie<br />
die Kinder erzählt haben – geschafft hat, in seinem Haushalt durchzusetzen, dass die Kinder zwar<br />
gemeinsam in einem Zimmer, aber nicht mit ihm übernachten, so ist hierin in Ansehung <strong>des</strong> Alters<br />
beider Kinder ein begrüßenswerter und notwendiger Erziehungsschritt zu sehen.<br />
Soweit die Mutter dem Vater weiter sinngemäß vorhält, er würde nicht an sich und der Situation<br />
arbeiten, verkennt sie, dass er der Beschwerdeerwiderung und dem Bericht <strong>des</strong> Verfahrensbeistan<strong>des</strong><br />
im Beschwerdeverfahren zufolge – und insoweit von der Mutter auch nicht in Abrede gestellt – nicht nur<br />
für beide Kinder ein therapeutisches Gesprächsangebot bei der Lebensberatung in pp. beschafft hat,<br />
das beide bereits mehrfach genutzt haben, sondern auch Verbindung zum Familienzentrum pp.<br />
hergestellt hat, um eine Anlaufstelle bei erzieherischen Fragen und Problemen zu haben, außerdem in<br />
Kontakt zum zuständigen Jugendamt steht. Dass der Vater beruflich eingespannt ist, hindert ihn also
nicht daran, geeignete und zu Gebote stehende erzieherische Hilfestellung zu suchen und<br />
anzunehmen; vielmehr verdient dies umgekehrt gerade angesichts seiner beruflichen Belastung<br />
Anerkennung. Insoweit, als die Mutter mit Schriftsatz vom pp. beanstandet, dass nach Auskunft <strong>des</strong><br />
Jugendamts bislang keine Familienhilfe eingerichtet worden sei, geht der Senat davon aus, dass das<br />
Jugendamt zeitnah nach Erörterung mit beiden Eltern über die Gewährung dieser – nach Darstellung<br />
<strong>des</strong> Vaters von Seiten <strong>des</strong> Familienzentrums pp. angebotenen – Jugendhilfemaßnahme entscheiden<br />
wird.<br />
Der Sachverständige hat schließlich den Vater als deutlich bindungstoleranter erlebt als die Mutter und<br />
dies leicht nachvollziehbar beschrieben; die Mutter habe in Frage gestellt, dass der Vater den Kindern<br />
liebevoll zugetan sei und habe wiederholt den Handlungsimpuls gezeigt, Schwächen im eigenen<br />
Handeln reflexartig und inhaltlich nicht kohärent dem Vater anzulasten. Ausweislich <strong>des</strong> Berichts <strong>des</strong><br />
Verfahrensbeistan<strong>des</strong> im Beschwerdeverfahren lässt der Vater auch tägliche Telefonate und SMS<br />
beider Kinder mit ihrer Mutter zu.<br />
Der Senat hat schließlich den Willen beider Kinder gewogen, die sich schon erstinstanzlich für einen<br />
Verbleib bei der Mutter ausgesprochen hatten und ausweislich <strong>des</strong> Berichts <strong>des</strong> Verfahrensbeistan<strong>des</strong><br />
im Beschwerdeverfahren weiterhin zu dieser <strong>zur</strong>ückkehren wollen. Diese Äußerungen haben zum<br />
einen als Ausdruck von Selbstbestimmung Bedeutung, zum anderen legen sie sichtlich und auch vom<br />
Sachverständigen festgestellt Zeugnis einer emotional intensiveren Bindung <strong>zur</strong> Mutter ab.<br />
Der Kin<strong>des</strong>wille steht der erkannten Übertragung <strong>des</strong> Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater bei<br />
den hier gegebenen Umständen aber nicht entgegen. Denn der Wille ist nur zu berücksichtigen, soweit<br />
dies mit dem Wohl der Kinder vereinbar ist. Dies hat das Familiengericht in Übereinstimmung mit dem<br />
Sachverständigen zu Recht verneint, weil der Wille der Kinder hier selbstgefährdend ist. Auf die<br />
entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss wird <strong>zur</strong> Vermeidung von Wiederholungen<br />
Bezug genommen.<br />
Soweit die Mutter die im Beschwerdeverfahren abgegebene Stellungnahme <strong>des</strong> Verfahrensbeistan<strong>des</strong><br />
angreift und beanstandet, dieser habe nicht mit der Mutter gesprochen, verkennt sie die Rolle, die das<br />
Gesetz dem Verfahrensbeistand in § 158 Abs. 4 FamFG zuweist. Zwar hat das Familiengericht dem<br />
Verfahrensbeistand vorliegend auch aufgegeben, Gespräche mit den Eltern zu führen; in<strong>des</strong> ist es nicht<br />
Aufgabe <strong>des</strong> Verfahrensbeistan<strong>des</strong>, den Willen der Eltern, sondern den <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zu ermitteln und in<br />
das Verfahren einzuführen (BVerfG FamRZ 2010, 109). Hierfür bedurfte es vorliegend keiner<br />
Unterredung mit der Mutter, zumal der Verfahrensbeistand einen der Mutter günstigen Willen der Kinder<br />
festgestellt hat.<br />
Der Senat sieht unter den gegebenen Umständen nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von einer persönlichen<br />
Anhörung der Eltern und <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> in der Beschwerdeinstanz ab, weil der zu beurteilende<br />
Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei und umfassend aufgeklärt worden ist und von einer<br />
erneuten Anhörung hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind, zumal die anwaltlich<br />
vertretene Mutter keine neuen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, die für die<br />
Sachdienlichkeit erneuter – von der Mutter auch nicht angeregter – Anhörung der Eltern und Kinder<br />
sprechen (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 139; VerfGH Berlin FamRZ 2001, 848; Senatsbeschluss vom 30.<br />
Juli 2010 – 6 UF 52/10 -, juris m.w.N.).
Nachdem auch Anhaltspunkte dafür, dass die elterliche Sorge ganz oder teilweise aufgrund anderer<br />
Vorschriften abweichend geregelt werden muss (§ 1671 Abs. 3 BGB; siehe dazu BGH FamRZ 2010,<br />
1060 m.w.N.), weder vorgetragen sind noch aus den Akten hervorgehen, bewendet es bei dem<br />
angefochtenen Beschluss.<br />
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; ein Grund dafür, die Mutter von den ihr regelmäßig<br />
aufzuerlegenden Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu entlasten, ist nicht ersichtlich.<br />
Die Festsetzung <strong>des</strong> Beschwerdewertes folgt aus § 40 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.<br />
Der Mutter ist die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels<br />
hinreichender Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels zu verweigern (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1<br />
ZPO).<br />
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70<br />
FamFG).<br />
<strong>OLG</strong> Saarbrücken Beschluß vom 20.1.2011