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CLAUSEWITZ "Völkerschlacht" 1813: Triumph über Napoleon (Vorschau)

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4/2013 Juli | August €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Clausewitz<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Das modernste<br />

Kampfflugzeug<br />

seiner Zeit<br />

Messerschmitt<br />

Me 262<br />

Charkow 1943<br />

Letzter Ostfronterfolg<br />

der Wehrmacht<br />

Radetzky<br />

Österreichs<br />

legendärer<br />

Heerführer<br />

„Völkerschlacht“ <strong>1813</strong><br />

<strong>Triumph</strong> <strong>über</strong><br />

<strong>Napoleon</strong><br />

Generalfeldmarschall Blücher:<br />

Energischster Gegner <strong>Napoleon</strong>s<br />

„Obersalzberg“<br />

Wohin Hitler vor der<br />

Realität floh<br />

Starke „Alleskönner“:<br />

Pionier- und Bergepanzer<br />

MILITÄR & TECHNIK:<br />

Bergepanzer 2 der<br />

Bundeswehr<br />

T-55T der NVA


Legenden<br />

der Lüfte<br />

Jeden Monat<br />

neu am Kiosk!


Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

das Jahr 2013 ist reich an militärgeschichtlich<br />

relevanten Jahrestagen.<br />

Besonders der 200. Jahrestag der<br />

„Völkerschlacht“ bei Leipzig sticht<br />

hier hervor.<br />

Das Aufeinandertreffen der Grande<br />

Armée <strong>Napoleon</strong>s und der militärischen<br />

Allianz aus Preußen, Österreich,<br />

Russland und Schweden gilt mit<br />

mehr als 500.000 beteiligten Soldaten<br />

als die bis dahin größte Feldschlacht<br />

der Weltgeschichte. Völlig zu<br />

Recht wird der mehrtägige Kampf der<br />

Massenheere<br />

bei Leipzig daher<br />

auch als<br />

„Jahrhundertschlacht“<br />

bezeichnet.<br />

Die Auswirkungen<br />

des<br />

<strong>Triumph</strong>es<br />

<strong>über</strong> <strong>Napoleon</strong><br />

für die deutsche<br />

und die europäische Geschichte<br />

waren enorm: Der Sieg der Verbündeten<br />

<strong>über</strong> Frankreich im Oktober <strong>1813</strong><br />

stellt einen Meilenstein auf dem Weg<br />

zur Befreiung des Kontinents von der<br />

napoleonischen Herrschaft dar.<br />

Der großen Bedeutung der „Völkerschlacht“<br />

entsprechend, entschloss<br />

man sich Ende des 19. Jahrhunderts<br />

zum Bau eines monumentalen Denkmals.<br />

Im Jahr 1895 <strong>über</strong>ließ die Stadt<br />

Leipzig dem „Patriotenbund“, der energisch<br />

für den Bau eines Denkmals eintrat,<br />

ein Baugelände von 40.000 Quadratmetern,<br />

doch es sollten drei Jahre<br />

vergehen, bis man sich auf einen Entwurf<br />

einigte. Dieser stammte von Bruno<br />

Schmitz, der bereits die Pläne für<br />

das 1896 eingeweihte „Kyffhäuserdenkmal“<br />

geliefert hatte.<br />

Im Jahr 1913 wurde das 300.000<br />

Tonnen schwere „Völkerschlachtdenkmal“<br />

– anlässlich des 100. Jahrestages<br />

des erfolgreichen Kampfes gegen<br />

<strong>Napoleon</strong> – mit einer feierlichen Zeremonie<br />

eingeweiht.<br />

Heute, weitere 100 Jahre später,<br />

erinnern wir mit unserer Titelgeschichte<br />

„Die Jahrhundertschlacht“ ab Seite<br />

10 an den 200. Jahrestag der „Völkerschlacht“<br />

und die dramatischen<br />

Ereignisse des Jahres <strong>1813</strong>.<br />

Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Verantwortlicher Redakteur<br />

NEUE SERIE<br />

3. Folge<br />

Krieger, Söldner & Soldaten<br />

Die Elite <strong>Napoleon</strong>s<br />

Die Grenadiere der Alten Garde bilden das Rückgrat der kaiserlichen<br />

Truppen und genießen lange Zeit die Aura der Unbesiegbarkeit.<br />

Sie gelten als die Elite der französischen Armee,<br />

als des Kaisers „Kinder.“ Die Wurzeln<br />

der Alten Garde reichen auf jene Leibkompanien<br />

zurück, die <strong>Napoleon</strong> in Italien und Ägypten<br />

um sich gesammelt hatte. Sie umfassen<br />

schließlich zwei Grenadierbataillone und vier<br />

Kompanien Reiter. 1799 wird hieraus die Konsular-<br />

und 1804 die Kaiserliche Garde. Ihre Grenadiere<br />

sollen wenigstens 1,78 Meter groß sein<br />

und sich in drei Feldzügen bewährt haben. Sie<br />

bekommen einen besseren Sold, und ihre<br />

Dienstgrade sind denen der Linieninfanterie um<br />

eine Stufe höher gestellt. Ihre Uniform besteht<br />

aus auffälligen hohen Bärenfellmützen und<br />

dunkelblauen Röcken. Noch ganz in der Tradition<br />

vergangener Zeiten tragen die Grenadiere<br />

gepuderte Zöpfe und als Zeichen ihres elitären<br />

Status einen Schnurrbart. <strong>Napoleon</strong> schont<br />

die Alte Garde, in vielen Schlachten steht sie<br />

in Reserve und wird nicht eingesetzt. Sie erhält<br />

gute Quartiere, und wenn es dem Kaiser<br />

möglich ist, lässt er sie nicht marschieren,<br />

sondern in Fuhrwerken<br />

fahren, wie etwa 1805 vom Ärmelkanal<br />

bis Ulm. Diese schonende Behandlung<br />

führt zu Spötteleien<br />

im Heer. Im winterlichen Polenfeldzug<br />

1807 beschweren<br />

sich die Grenadiere <strong>über</strong> das<br />

,,Ein Ruf wie Donnerhall“: Die Grenadiere<br />

der Alten Garde sind gefürchtete<br />

Gegner. Die Farblithographie zeigt einen<br />

Angehörigen dieser Eliteeinheit, der alleine<br />

schon durch seine imposante Bärenfellmütze<br />

und den mächtigen Schnurrbart<br />

beeindruckt. Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

kalte Wetter, was ihnen den Spitznamen „Grognards“<br />

(Brummbären) einbringt. Trotz alledem<br />

sind sie <strong>Napoleon</strong> treu verbunden. 600 Grenadiere<br />

folgen ihm 1814 ins Exil nach Elba.<br />

Im Laufe der Zeit wächst die Kaiserliche Garde<br />

auf 52.000 Mann an – sie ist eine Armee<br />

in der Armee. Doch die vier Grenadierregimenter<br />

der Alten Garde genießen nach wie vor den<br />

größten Status. Dieser wird jedoch im Laufe<br />

der Zeit angezweifelt, da die Regimenter nach<br />

der Schlacht bei Austerlitz kaum noch in<br />

Kämpfe verwickelt werden. Bei Borodino 1812<br />

bilden sie die letzte Reserve <strong>Napoleon</strong>s, und<br />

er scheut ihren Einsatz. Erst bei Waterloo<br />

1815 wirft er die Grenadiere in einen<br />

vermeintlich entscheidenden<br />

Angriff gegen die englischen<br />

Stellungen – und sie werden zurückgeschlagen!<br />

An der Stelle, wo<br />

das letzte Gardekarree vernichtet wird<br />

steht heute das Denkmal des Aigle<br />

blessé (verwundeter Adler). Die Kaiserliche<br />

Garde wird zuerst 1814<br />

und nach <strong>Napoleon</strong>s zweiter<br />

Abdankung endgültig im<br />

August 1815 durch<br />

Ludwig XVIII. abgeschafft.<br />

FAKTEN<br />

Zeit: 1799 Konsulargarde, ab<br />

1804 Kaiserliche Garde (bis 1815)<br />

Uniform: Bärenfelltschako mit Messingblech,<br />

blauer Rock, weiße Hosen, Kalbfelltornister<br />

Waffen: Muskete M 1777 (mit Messinglaufringen,<br />

nur für die Garde), Grenadiersäbel<br />

(als Ehrenzeichen)<br />

Taktik: Linienformationen und<br />

Angriffskolonnen<br />

Schlachten: Marengo (1800),<br />

Austerlitz (1805), Borodino (1812),<br />

Leipzig (<strong>1813</strong>), Waterloo (1815)<br />

Die Alte Garde im Film: Austerlitz (1960),<br />

Waterloo (1970)<br />

Clausewitz 4/2013


Inhalt<br />

Abb.: picture-alliance/maxppp<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Titelthema<br />

Die Jahrhundertschlacht. ....................................................................................................10<br />

„Völkerschlacht“ bei Leipzig <strong>1813</strong><br />

Im Angesicht des Todes. .......................................................................................................24<br />

Das Leid der Menschen in Leipzig <strong>1813</strong><br />

Mittel des Krieges. ..............................................................................................................................28<br />

Waffen und Technik der <strong>Napoleon</strong>ischen Kriege<br />

Titelgeschichte<br />

Die<br />

200 Jahre „Völkerschlacht“ – Leipzig <strong>1813</strong><br />

Jahrhundertschlacht<br />

16. bis 19. Oktober <strong>1813</strong>: Mehr als 500.000 Soldaten stehen sich bei Leipzig gegen<strong>über</strong>.<br />

Der Ausgang der bis dato größten Schlacht der Weltgeschichte hat erhebliche<br />

Auswirkungen auf die Herrschaft <strong>Napoleon</strong>s <strong>über</strong> weite Teile Europas. Von Eberhard Birk<br />

MASSENHEERE IM KAMPF:<br />

Bei Leipzig treffen Mitte Oktober <strong>1813</strong> insgesamt<br />

mehr als eine halbe Million Soldaten beider<br />

Lager im Kampf aufeinander. Die Zahl der<br />

Toten und Verwundeten ist erschreckend hoch.<br />

10<br />

11<br />

Es ist vollbracht: Die Allianz von Preußen,<br />

Österreich und Russland sowie Schweden<br />

erringt bei Leipzig im Oktober <strong>1813</strong> einen<br />

historischen Erfolg. Abb.: ullstein bild – Imagno<br />

Magazin<br />

Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher .......................6<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Dritte Schlacht um Charkow im März 1943. ...........32<br />

Mansteins „unvollendeter Sieg“<br />

Museen & Militärakademien<br />

West Point. ................................................................................................................................................40<br />

Weltberühmte „Ausbildungsschmiede“ der US-Armee<br />

Titelbild: Kampfszene (Ausschnitt) aus der Schlacht bei Möckern<br />

am 16. Oktober <strong>1813</strong>, Farbdruck, um 1900, nach Richard Knötel.<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Wien 1683. ............................................................................................................................................42<br />

Die Schlacht um den „Goldenen Apfel“<br />

Militärtechnik im Detail<br />

Das Maschinengewehr MG42. ...................................................................48<br />

Die gefürchtete Schnellfeuerwaffe der Wehrmacht<br />

Militär und Technik:<br />

Starke „Alleskönner“. .....................................................................................................50<br />

Berge- und Pionierpanzer aus West und Ost<br />

Messerschmitt 262. ...........................................................................................................58<br />

Der erste in Serie gebaute Strahljäger der Welt<br />

4


32<br />

Foto: BW Heer/Carsten Heide<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Foto: ullstein bild – Walter Frentz<br />

Foto: picture-alliance/Artcolor<br />

Foto: Sammlung John Provan<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

Foto: Sammlung John Provan<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Abb.: picture-alliance/akg<br />

Foto: DEHLA<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Dritte Schlacht um Charkow 1943<br />

Mansteins<br />

„unvollendeter<br />

Sieg“<br />

SPUREN DES KAMPFES: Schützenpanzerwagen<br />

vom Typ Sd.Kfz. 250 einer<br />

Einheit der Waffen-SS beim Durchqueren<br />

eines von deutschen Truppen<br />

eroberten Dorfes südwestlich von<br />

Charkow.<br />

Wien 1683<br />

Die Schlacht um den<br />

„Goldenen Apfel“<br />

Die Osmanische Armee<br />

Etwa 100.000 Mann<br />

Knapp 200 Geschütze<br />

15. bis 17. Jahrhundert: Neben allen internen<br />

Konflikten hält spätestens seit dem Fall von Konstantinopel<br />

1453 eine große Gefahr Europa in Atem: die<br />

türkische Expansion. 1529 sind die Osmanen bereits<br />

ein erstes Mal die Donau hinauf nach Wien gezogen.<br />

Gut 150 Jahre später stehen sie wieder vor den<br />

Toren der Stadt…<br />

Von Alexander Querengässer<br />

D<br />

ie strategisch wichtige Stadt, die wie ein<br />

Korken zwischen den steilen Bergwänden<br />

der Alpen und den Karpaten sitzt,<br />

gilt den Türken als „Goldener Apfel“. Ein früh<br />

einbrechender Winter und die hartnäckige<br />

Verteidigung der Landsknechtsbesatzung verhinderten<br />

1529 zwar den Fall der Stadt, doch<br />

nicht die Inbesitznahme des gesamten Balkanraums<br />

durch die Heere des Sultans. Im<br />

17. Jahrhundert erreicht die Macht der Osmanen<br />

ihren Höhepunkt.<br />

Die Entwicklung des Reiches beginnt<br />

langsam, aber spürbar zu stagnieren, und es<br />

setzt die innere Fäulnis ein, die das Weltreich<br />

in den nächsten 300 Jahren zernagen wird.<br />

Davon merken die Habsburger jedoch zunächst<br />

nur sehr wenig. In den Siebzigerjahren<br />

befinden sie sich in einem kräftezerrenden<br />

Krieg mit den Armeen des Sonnenkönigs<br />

am Rhein und in Italien, sowie dem<br />

aufsässigen protestantischen Adel in Nordungarn.<br />

Die Osmanen machen sich diese Situation<br />

zunutze und schicken ein neues starkes<br />

Heer, welches den „Goldenen Apfel“ zu Fall<br />

bringen soll, nach Westen. Es untersteht dem<br />

Großwesir Kara Mustafa, einem erfahrenen<br />

und erfolgreichen Soldaten. Den Vortrab seiner<br />

Armee bilden 40.000 Tataren, leichte<br />

schnelle Kavallerie, die die wenigen österreichischen<br />

Verbände westlich Wiens schnell<br />

vertreibt. Die Elite des Heeres besteht aus<br />

den Janitscharen, zum Islam konvertierte<br />

Christenkinder, die nun als Infanterie dienen,<br />

und den Spahis. Diese rekrutieren sich<br />

aus dem niederen Adel und fungieren als<br />

Mehrzweckkavallerie: sie können schnell in<br />

weit entlegene Gebiete vorstoßen und aufklären,<br />

bilden aber auch das berittene Rückgrat<br />

des Heeres in der Schlacht.<br />

Frühjahr 1943: Der gesamte Südflügel der deutschen Ostfront befindet sich auf dem<br />

Rückzug. Um die Front zu stabilisieren, entscheidet sich Hitler für eine Gegenoffensive<br />

unter Mansteins Führung in Richtung Charkow.<br />

Von Lukas Grawe<br />

D<br />

er teilweise ungeordnete Rückzug<br />

nach der Vernichtung der 6. Armee bei<br />

Stalingrad führt zu Beginn des Jahres<br />

1943 zu einer Frontlücke zwischen den Heeresgruppen<br />

(HGr.) Mitte und Süd, durch die<br />

sowjetische Truppen nach Westen durchstoßen<br />

und den Südflügel des deutschen Hee-<br />

HGr. Süd, Generalfeldmarschall Erich von<br />

Hitler weist daher den Befehlshaber der<br />

res bedrohen können. Innerhalb dieser Lücke Manstein, an, die Offensivbemühungen auf<br />

stellt die Großstadt Charkow ein wichtiges die erst wenige Wochen zuvor geräumte<br />

strategisches und prestigeträchtiges Ziel dar. Stadt zu konzentrieren.<br />

Zahlenmäßig ist die HGr. Süd den sowjetischen<br />

Truppen weit unterlegen. Unter hohem<br />

Risiko und mit Hilfe einer Truppenrochade<br />

vom Südflügel der HGr. nach Nordwesten<br />

gelingt es Manstein Mitte Februar<br />

jedoch, einen schlagkräftigen Angriffsverband<br />

zusammenzustellen. Nach den vorangegangenen<br />

Niederlagen im Osten ist die<br />

deutsche Militärführung dringend auf Erfolge<br />

angewiesen, um das sehr angeschlagene<br />

Ostheer zum Weiterkämpfen zu motivieren.<br />

HEERESGRUPPENCHEF:<br />

Generalfeldmarschall Erich<br />

von Manstein kann mit den<br />

Verbänden seiner HGr. Süd<br />

den Gegner aus Charkow verdrängen,<br />

doch dieser Erfolg<br />

ist nicht von langer Dauer.<br />

S.32<br />

33<br />

Das Entsatzheer<br />

39.400 Infanteristen<br />

34.400 Kavalleristen<br />

152 Geschütze<br />

Die verteidiger Wiens<br />

16.000 Soldaten und eingezogene Landwehr<br />

etwa 130 bis 140 Festungsgeschütze<br />

42<br />

IN LETZTER MINUTE: Das christliche<br />

Entsatzheer bringt am 12. September die<br />

Rettung für das belagerte Wien. Das Ölgemälde<br />

zeigt die entscheidende Schlacht<br />

am Kahlenberg.<br />

Anti-Osmanisches Bündnis<br />

Durch das schnelle Vordringen des Feindes<br />

sieht sich Kaiser Leopold am 7. Juli dazu veranlasst,<br />

von Wien nach Linz zu fliehen. In der<br />

bedrohten Stadt verbleiben 16.000 Mann unter<br />

dem Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg.<br />

Einen guten Teil dieser Truppen stellen Landwehrformationen<br />

aus der Studentenschaft<br />

und den einzelnen Zünften dar.<br />

Doch auch Österreich<br />

S.42<br />

ist nicht ganz unvorbereitet.<br />

Am 26. Januar war unter Vermittlung<br />

des Papstes ein Bündnis mit Polen geschlossen<br />

worden. Das Land ist eine alte Großmacht,<br />

deren Niedergang schon viel weiter<br />

voran geschritten ist, als der des Osmanischen<br />

Reiches. Doch unter Jan III. Sobieski kann das<br />

43<br />

Militär und Technik<br />

Militär und Technik | Me 262<br />

Berge- und Pionierpanzer aus West und Ost<br />

Starke „Alleskönner“<br />

Kalter Krieg: Das Herausziehen festgefahrener oder beschädigter Kampfpanzer ist ihr<br />

„Alltagsgeschäft“. Berge-, Pionier- und Kranpanzer sind in beiden deutschen Armeen die<br />

Kraftprotze unter den Fahrzeugen für die Kampfunterstützung. Von Jörg-M. Hormann<br />

BERGEPANZER T-72TK: Das letzte<br />

Modell eines Bergepanzers der NVA<br />

ist vor der Wende noch mit ganzen<br />

drei Exemplaren zum Einsatz gekommen.<br />

Der erste in Serie gebaute Strahljäger der Welt<br />

Messerschmitts<br />

„Turbo“<br />

Ende 1944: Die Me 262 bringt ihren zahlenmäßig <strong>über</strong>legenen Gegnern das Fürchten<br />

bei. Doch es gibt auch Schattenseiten: Unausgereifte Technik und mangelnde Ausbildung<br />

fordern einen hohen Blutzoll in den eigenen Reihen. Von Wolfgang Mühlbauer<br />

D<br />

ie staatlich unterstützte Arbeit an Turbinen-Luftstrahl-Triebwerken<br />

(TL)<br />

nimmt in Deutschland ab Frühling<br />

1938 konkrete Formen an. Das Technische<br />

Amt des Reichsluftfahrtministeriums<br />

(RLM), zuständig für alle Entwicklungsprogramme,<br />

informiert zu Herbstanfang<br />

schließlich führende Vertreter der Zellenund<br />

Flugmotorenindustrie offiziell <strong>über</strong> die<br />

neuen Antriebe. Dabei wird die Bildung eines<br />

„süddeutschen Entwicklungsschwerpunktes"<br />

durch Messerschmitt und BMW<br />

angeregt, die beide noch im selben Jahr erste<br />

Studienaufträge erhalten.<br />

Ambitioniertes Vorhaben<br />

Messerschmitt setzt ab Oktober sein Projektbüro<br />

auf ein entsprechendes Jagdflugzeug<br />

an. Man legt es vorsichtshalber zweistrahlig<br />

aus, da klare Angaben zum An-<br />

triebsaggregat fehlen. Nur ein geplanter Spornradfahrwerk. Die Bordwaffen sind in<br />

Standschub von 600 kp und ein Höchstdurchmesser<br />

von 600 mm stehen im Raum. chen integriert.<br />

die Bugspitze, die Triebwerke in die Flä-<br />

Zwischenzeitlich, am 4. Januar 1939, gibt<br />

das RLM die „vorläufigen Richtlinien für Erstflug mit Kolbenmotor<br />

schnelle Jagdflugzeuge mit Strahltriebwerk“<br />

heraus. Darin sind ein Jäger sowie schmitts Vorstellung einer aerodynamisch<br />

Der Entwurf ist typisch für Willy Messer-<br />

ein Heimatschützer verlangt; beide maximal<br />

900 km/h schnell. Als theoretische Ba-<br />

sieht seine Entwicklungsmannschaft an-<br />

optimalen Gestaltung. Doch vieles davon<br />

sis für das P 1065 genannte Messerschmitt- ders. Zum Beispiel setzt sie in der Folge einen<br />

dreieckigen Rumpfquerschnitt durch:<br />

Projekt dienen zwangsweise oft reine<br />

Schätzwerte. Der Startschuss zur Entwicklung<br />

fällt am 1. April 1939. Etwa zeitgleich ermöglicht problemlos ein Bugrad und ver-<br />

er ist aerodynamisch wie statisch günstiger,<br />

beginnt Bramo (Brandenburgische Motorenwerke),<br />

mittlerweile ein Zweigbetrieb werks, dessen breite Räder nun im auslaeinfacht<br />

die Unterbringung des Hauptfahr-<br />

von BMW, mit der Entwicklung des Strahltriebwerks<br />

P 3302.<br />

genzug kann der Flügel dünn, leicht und<br />

denden Dreiecksrumpf Platz finden. Im Ge-<br />

Das erste Projektangebot zur P 1065 vom damit „schnell“ gehalten werden. Der Bau<br />

7. Juni 1939 zeigt einen kleinen Tiefdecker erster Versuchsmuster (V) wird am 1. März<br />

mit Trapezflügeln, ovalem Rumpf und 1940 freigegeben. Zwischenzeitlich steigen<br />

„BERGELEO“: Die gängige Bezeichnung<br />

der Bundeswehr für den Bergepanzer 2.<br />

S<br />

ommer 1972: Es ist schießfreies Wochenende<br />

auf dem NATO-Truppenübungsplatz<br />

Bergen-Hohne in der Lüneburger<br />

Heide. Doch aus dem erhofften entspannten<br />

Wochenende wird nichts: „Wenn wir nicht<br />

schießen können, weil sich die Touristen die<br />

Hünengräber der ‚Sieben Steinhäuser’ inmitten<br />

des Platzes ansehen wollen, dann fahren<br />

wir eben. Also meine Herren, Fahrübungen<br />

im Kompanieverband“, so der Befehl des<br />

Kompaniechefs. Die rund 80 Mann seiner Panzerbesatzungen<br />

denken alle das Gleiche: Mit<br />

unseren betagten M48-Kampfpanzern sollen<br />

wir stundenlang durch das Gelände preschen?<br />

Na dann viel Spaß!<br />

Panzerschützen ist die imponierende Außenwirkung<br />

ihrer rund 47,5 Tonnen Stahl in<br />

Bewegung oft eher gleichgültig. Für sie ist<br />

die „Innenwirkung“ ihrer Waffe von Bedeutung:<br />

Blaue Flecken beim Durchschlagen der<br />

Fahrwerke in zügiger Fahrt durch welliges<br />

50<br />

Gelände, Rohrreinigen nach Staubwolkenfahrt,<br />

Endverbinder anziehen bei jedem und ich stehe mit meinem M48 in der „Wa-<br />

Besatzung bei mir aufsitzen!“ Weg waren sie<br />

technischen Halt – und so weiter und so weiter.<br />

Alles Dinge, die in der brütenden Somplatz<br />

im Sommer ist der auf dem Tarnnetz in<br />

lachei“. Übrigens: Der bequemste Schlafmerhitze<br />

wahre Freude bei den Männern der Heckablage des Panzerturmes.<br />

aufkommen lassen.<br />

Geweckt werde ich von dem morgendlichen<br />

Vogelgezwitscher und dem näherkommenden<br />

typischen „Leo-Brummen“. Ziem-<br />

Mit Motorschaden im Gelände<br />

Dieses Mal erwischt es meinen Kampfpanzer.<br />

In einem Kusselgelände auf irgendeiner gelbgrauen Staubfahne größer. Wo wir uns<br />

lich schnell wird der dunkle Punkt unter der<br />

Schießbahn bleibt er mit Motorschaden liegen.<br />

Alle Bemühungen des Fahrers, die „al-<br />

Schießbahn gekämpft haben, rauscht der<br />

mit dem M48 durch jede Bodenwelle der<br />

te Dame“ wieder in Gang zu bringen, schlagen<br />

fehl. Nun heißt es: gelbe Signalflagge Bezeichnung, mit Tempo 50 <strong>über</strong> die Wellen<br />

„Bergepanzer 2 Leopard 1“, so die offizielle<br />

raus und warten. In der beginnenden Dämmerung<br />

quält sich der „Munga“ des Chefs gen ist Minutensache. Mit dem Aufbrüllen<br />

hinweg. Das Anschlagen der Schleppstan-<br />

zu seinem fehlenden Panzer. „Fahnenjunker des 830 PS starken Mehrstoffmotors beginnt<br />

Hormann, Sie bleiben beim Fahrzeug, hier das „Alltagsgeschäft“ des Bergepanzers.<br />

haben sie noch ein EPa [Einmannpackung; In diesem Fall ist es das Abschleppen eines<br />

liegengebliebenen Panzers, aber mit im-<br />

kleines Verpflegungspakt der Bundeswehr].<br />

Ich schicke ihnen einen ,Bergeleo’, restliche merhin zehn Tonnen mehr Gewicht auf den<br />

Ketten, als das Schleppfahrzeug. Fast spielerisch<br />

zieht der „Bergeleo“ seine Last durch<br />

das Gelände.<br />

Gepanzertes Arbeitsgerät<br />

Nach offizieller „Lesart“ der Bundeswehr<br />

handelt es sich bei den Bergepanzern um<br />

schwere Kampfunterstützungsfahrzeuge:<br />

„Diese gepanzerten Arbeitsgeräte kommen<br />

im Gefechtsfeld zum Einsatz, um zerstörte<br />

oder beschädigte Panzer, Lkw und schweres<br />

Gerät zu bergen und sie den Instandsetzungseinheiten<br />

zuzuführen. Das Einsatzspektrum<br />

eines modernen Bergepanzers<br />

umfasst auch das Sichern von Kettenfahrzeugen<br />

bei Gewässerdurchfahrten, die Einsatzunterstützung<br />

bei Instandsetzungsarbeiten<br />

und das Bergen von Kampfpanzern<br />

mit Schnellbergeeinrichtung unter Panzerschutz.<br />

Außerdem die Kranassistenz beim<br />

Ein- und Ausbau von Motoren, das Räumen<br />

von Hindernissen und bei Bedarf auch Erdarbeiten.“<br />

Zur Durchführung dieser Aufgaben sind<br />

Berge- und Pionierpanzer im Westen und im<br />

Osten des geteilten Deutschlands mit entsprechenden<br />

Gerätschaften und<br />

Vorrichtungen versehen. Hierzu<br />

gehören Seilwinden, Hebegeräte<br />

und auch Kräne. Außerdem<br />

werden Materialien und gängige<br />

Ersatzteile mitgeführt. Umfangreiche<br />

Werkstattausrüstungen<br />

bis hin zu Schneid- und<br />

HINTERGRUND Bergepanzer im Zweiten Weltkrieg<br />

Solange eingesetzte Panzer kritische Gewichtsgrenzen<br />

nicht <strong>über</strong>schreiten, ist die der Drehturm mit Kanone weggelassen wird.<br />

1943 entsteht der „Bergepanther“, bei dem<br />

Bergung mit üblicher Kranhilfe und Winden Auf dem Fahrgestell des „Panther“ befindet<br />

möglich. Doch im Zweiten Weltkrieg werden sich nun ein quadratischer Holz- und Metallaufbau<br />

und in der Panzerwanne eine Winde<br />

die Kampfpanzer immer schwerer und die<br />

Bergung liegengebliebener oder abgeschossener<br />

Panzer auf dem Gefechtsfeld immer großer Erdsporn dient zu Abstützung und ein<br />

mit einer Längszugkraft von 40 Tonnen. Ein<br />

schwieriger. Es setzt sich die Erkenntnis einfacher Kranausleger mit 1,5 Tonnen Hebekraft<br />

ergänzt die Ausrüstung.<br />

durch, dass nur ein gleichschwerer Panzer<br />

einen „Gewichtskameraden“ bergen kann. Da sind bereits erste Fahrzeugähnlichkeiten<br />

Doch genau solche Bergeaktionen sind auf zu den Bergepanzern zu erkennen, die nach<br />

dem Schlachtfeld verboten, um der Gefahr dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt<br />

werden.<br />

des doppelten Abschusses zu begegnen.<br />

URVATER „BERGEPANTHER“: Die technische<br />

Grundkonstruktion zukünftiger Bergepanzer ist<br />

beim „Bergepanther“ bereits zu erkennen.<br />

S.50<br />

51<br />

Abb.: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

58<br />

S.58<br />

WUNDERVOGEL: Die Me 262 hat das Potential, jedem Gegner<br />

die Stirn zu bieten. Hier die V6 anlässlich einer Vorführung am<br />

2. November 1943 mit Hermann Göring (in Lechfeld), sie ist<br />

die erste Me 262 mit einziehbarem Bugrad.<br />

59<br />

Spurensuche<br />

„Führersperrgebiet Obersalzberg“<br />

Hitlers Residenz<br />

in den Bergen<br />

68<br />

HERRSCHAFTLICH: Hitlers<br />

Anwesen auf dem<br />

„Obersalzberg“ wird in den<br />

1930er-Jahren mehrfach<br />

aus- und umgebaut.<br />

Hier empfängt der „Führer“<br />

zahlreiche Spitzenpolitiker<br />

und Militärs aus dem<br />

In- und Ausland.<br />

D<br />

Mai 1945: US-Truppen besetzen das<br />

weitläufige Areal um Hitlers „Berghof“ und<br />

bleiben dort bis 1995. Heute sind viele<br />

Spuren der NS-Vergangenheit weitgehend<br />

„verwischt“.<br />

Von John Provan<br />

as Areal „Obersalzberg“ war von<br />

1933/34 bis in den Zweiten Weltkrieg<br />

hinein eines der größten Bauvorhaben<br />

im NS-Staat. Nach der alliierten Bombardierung<br />

wenige Tage vor Kriegsende bleiben<br />

zahlreiche Fundamente und Ruinen zerstörter<br />

oder beschädigter Gebäude des ehemaligen<br />

„Führersperrgebietes Obersalzberg“<br />

noch lange Zeit erhalten.<br />

Mit der Besetzung durch US-Truppen entsteht<br />

das AFRC („American Forces Recreation<br />

Center“), in dem GIs in den alten NS-Gebäuden<br />

entspannen. Die Amerikaner nutzen<br />

und pflegen die Häuser und deren Innenausstattung,<br />

die sie 1945 vorfanden, bis zu<br />

ihrem Abzug im Jahr 1995.<br />

Nach der Übergabe an den Freistaat Bayern<br />

werden die Gebäude und Ruinen des<br />

„Obersalzbergs“, dem Verfall preisgegeben<br />

und schließlich größtenteils abgetragen.<br />

Rückblick: Am 9. November 1923 versuchte<br />

Adolf Hitler durch einen Putsch in<br />

München, an die Macht in Deutschland zu<br />

gelangen. Dieser Putsch misslang und Hitler<br />

wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.<br />

Während dieser Zeit begann er, sein<br />

Buch „Mein Kampf“ zu schreiben. Nach seiner<br />

vorzeitig beendeten Haft versteckte sich<br />

Hitler – ähnlich wie der „Schriftleiter“ des<br />

NS-Organs „Völkischer Beobachter“ Dietrich<br />

Eckart – in einer kleinen Hütte oberhalb des<br />

„Platterhofs“ am „Obersalzberg“.<br />

Ende der 1920er-Jahre fühlte sich Hitler<br />

nicht mehr verfolgt und mietete zunächst<br />

das „Haus Wachenfeld“. Später – nach der<br />

NS-Macht<strong>über</strong>nahme im Deutschen Reich –<br />

kaufte der neue Reichskanzler das Landhaus,<br />

auf das Hitler bereits 1932 ein Vorkaufsrecht<br />

erworben hatte, und ließ es groß-<br />

PROST AUF DEN SIEG:<br />

Im Mai 1945 kommen die<br />

Amerikaner und<br />

bleiben 50 Jahre.<br />

UNTERSCHLUPF: Erstes Versteck des<br />

gescheiterten Putschisten nach seiner Festungshaft.<br />

Eine primitive Holzhütte oberhalb<br />

des „Platterhofs“.<br />

zügig umbauen und erweitern. Heinrich<br />

Hoffmann, sein Leibfotograf, stellte den<br />

„Berghof“ auf seinen Fotopostkarten anfangs<br />

als bescheidenen Wohnsitz dar.<br />

Nach 1933 erwarb die NS-Führung neue<br />

Gebäude am „Obersalzberg“. Eigentümern,<br />

die nicht bereit waren, ihr Anwesen zu verkaufen,<br />

wurde mit Inhaftierung gedroht. So<br />

konnten Hitler und die NS-Partei innerhalb<br />

kurzer Zeit zahlreiche Gebäude am „Obersalzberg“<br />

erwerben. Das einst abgelegene<br />

Dorf inmitten einer idyllischen Berglandschaft<br />

wurde nun zur größten Baustelle<br />

Deutschlands.<br />

Die rege Bautätigkeit geht in der zweiten<br />

Hälfte der 1930er-Jahre ununterbrochen weiter.<br />

Aber auch im nahe gelegenen Berchtesgaden<br />

wurde viel gebaut. Vor allem Politiker<br />

aus dem Ausland sollten durch den Ausbau<br />

der Infrastruktur einen positiven Eindruck<br />

vom „neuen Deutschland“ bekommen. So<br />

wurden ein am 21. Januar 1934 offiziell<br />

S.68<br />

69<br />

Feldherren<br />

Feldmarschall Radetzky<br />

Österreichs<br />

erfolgreicher<br />

Heerführer<br />

W<br />

enn es eine personalisierte Symbiose<br />

zwischen Militär und Staat im revolutionäre Frankreich kämpft er auf<br />

ersten Jahren der Koalitionskriege gegen das<br />

Kaiserstaat Österreich im 19. Jahrhundert<br />

gab, dann war es der am 2. Novem-<br />

den Jahren bis 1805 zum Generalmajor auf.<br />

Schlachtfeldern Mitteleuropas und steigt in<br />

ber 1766 in Trebnic (Böhmen) geborene, fünf Der Krieg Österreichs gegen <strong>Napoleon</strong><br />

Monarchen dienende Johann Joseph Wenzel von 1809 zeigt ihn dann bereits als souveränen<br />

Truppenführer und gleichzeitig als<br />

Graf Radetzky von Radetz. Der später legendenverklärte<br />

„Soldatenvater“ Feldmarschall furchtlosen Kämpfer. Seine Laufbahn erreicht<br />

ihren ersten großen Höhepunkt in der<br />

Graf Radetzky fand nicht nur in der militärischen<br />

Traditionsbildung allgemein und in Beförderung zum Feldmarschallleutnant<br />

dem bis zum Ende der k.u.k.-Monarchie 1918 und der Ernennung zum Chef des Generalquartiermeisterstabes.<br />

Zu diesem Zeitpunkt<br />

existierenden Husarenregiment Nr. 5 „Radetzky“<br />

seine menschenmögliche „Unsterblichkeit“.<br />

Er war auch der erste Ehrenbürger wie etwa Ritter des Militär-Maria-Theresiaist<br />

er schon längst ein mit mehreren Orden –<br />

Wiens. Für ihn schrieb der Dichter Grillparzer<br />

seine bekannte Grußadresse: „Glück auf, „Kriegsheld“. <strong>1813</strong> wird er folgerichtig zum<br />

Ordens – ausgezeichneter und populärer<br />

mein Feldherr, führe den Streich! Nicht bloß Generalstabschef der großen Allianz gegen<br />

um des Ruhmes Schimmer – In deinem Lager <strong>Napoleon</strong>, die diesen nach dessen gescheitertem<br />

Russlandfeldzug von 1812 aus Zen-<br />

ist Österreich.“<br />

traleuropa <strong>über</strong> den Rhein vertreiben soll.<br />

Ein Leben für Österreich<br />

Radetzkys individuelle militärische Biographie<br />

beeindruckt noch immer: Nach seinem Österreich, Russland und Preußen hatten in<br />

Generalstabschef gegen <strong>Napoleon</strong><br />

Eintritt in das Kürassierregiment Caramelli den Jahren 1805–1809 schmerzhaft die Überlegenheit<br />

<strong>Napoleon</strong>s erfahren, den Radetzky<br />

(Nr. 2) am 1. August 1784 beginnt eine rasante<br />

und abwechslungsreiche Karriere, die als „Schreckensmann unserer Zeit“ bezeichnet.<br />

Der „Frühjahrsfeldzug“ Preußens und<br />

durch einen Wechsel von Truppen- und<br />

Stabsverwendungen, die Teilnahme an vielen<br />

Feldzügen und Schlachten, zahlreichen fenstillstand vom Juni <strong>1813</strong> unentschieden.<br />

Russlands gegen <strong>Napoleon</strong> endete im Waf-<br />

Verwundungen und Auszeichnungen aufgrund<br />

außergewöhnlicher persönlicher Tapreich<br />

im Geheimvertrag von Reichenbach<br />

Diplomatische Verhandlungen führen Österferkeit<br />

und couragierter Führungsleistungen vom 27. Juni <strong>1813</strong> an die Seite von Preußen<br />

geprägt ist. Als junger Ordonnanzoffizier bei Russland und Schweden. Am 11. August <strong>1813</strong><br />

den Feldherren Lacy und Laudon ist er im erklärt Österreich <strong>Napoleon</strong> den Krieg.<br />

„Türkenkrieg“ von 1788/89 dabei. In den Radetzky ist zu dieser Zeit der Chef des<br />

74<br />

22. September 1849: Bei einer Truppenschau<br />

in Wien ertönt zu Ehren des greisen<br />

Feldmarschalls der „Radetzky-Marsch“ –<br />

eine habsburgische „Marseillaise“. Der österreichische<br />

Kaiserstaat feiert sich und seinen<br />

größten Feldherrn.<br />

Von Eberhard Birk<br />

ERFOLGREICHER FELDHERR: Radetzky wirft die<br />

Revolution in Oberitalien nieder und erzwingt einen<br />

Waffenstillstand mit Piemont-Sardinien. Das<br />

Gemälde von Albrecht Adam zeigt den Generalissimus<br />

mit seinem Stab vor Mailand 1848.<br />

FAKTEN Schlachten<br />

16.–19.10.<strong>1813</strong> Völkerschlacht bei Leipzig<br />

06.05.1848 Santa Lucia<br />

11.06.1848 Vicenza<br />

22.08.1848 Custozza<br />

21.03.1849 Mortara<br />

23.03.1849 Novara<br />

S.74<br />

75<br />

Meinung<br />

Die Logik des „Overkill“. ........................................................................................65<br />

US-Atompolitik während des Kalten Krieges<br />

Das außergewöhnliche Exponat<br />

Deutschlands einziger „Tiger“......................................................................66<br />

Das Deutsche Panzermuseum<br />

Munster präsentiert einen restaurierten<br />

Panzerkampfwagen VI („Tiger I“)<br />

Spurensuche<br />

„Führersperrgebiet Obersalzberg“. ...................................................68<br />

Hitlers Residenz in den Bergen<br />

Feldherren<br />

Feldmarschall Radetzky. .........................................................................................74<br />

Österreichs erfolgreicher Heerführer<br />

Ein Bild erzählt Geschichte<br />

Vom Foto zum Gemälde. ........................................................................................80<br />

Marinemaler Olaf Rahardt <strong>über</strong> sein Bild zum<br />

Schlachtschiff BISMARCK<br />

<strong>Vorschau</strong>/Impressum ...........................................................................................................................82<br />

Titelfotos: picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/akg-images;<br />

picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter; ullstein bild; picture-alliance/akg-images/<br />

Erich Lessing; Sammlung Jörg-M. Hormann; Sammlung Dirk Krüger<br />

Clausewitz 4/2013<br />

5


Magazin<br />

Vielseitige Exponate:<br />

Blick in die Ausstellungsräume.<br />

Foto: © Oberschlesisches<br />

Landesmuseum<br />

VÖLKERSCHLACHT-JUBILÄUM<br />

„Das Vaterland ist frey“<br />

Das Oberschlesische Landesmuseum zeigt bis 27. Oktober eine Sonderausstellung zu den „Befreiungskriegen”<br />

Wesentliche Etappen der „Befreiungskriege“<br />

werden im Oberschlesischen<br />

Landesmuseum in Ratingen mit herausragenden<br />

Leitobjekten dokumentiert.<br />

Rund 500 Exponate beleuchten seit dem<br />

28. April in der neuen Sonderschau „Das Vaterland<br />

ist frey – 200 Jahre antinapoleonische<br />

Befreiungskriege“ die Entwicklungen der napoleonischen<br />

Ära sowie die unterschiedlichen<br />

Sichtweisen darauf.<br />

Die Ausstellung widmet sich besonders<br />

dem Geschehen der napoleonischen Zeit aus<br />

preußischer Sicht. Wie wirkten sich die preußischen<br />

Reformen aus? Was waren die wichtigsten<br />

Ereignisse in Schlesien? Wie gestaltete<br />

sich das Leben unter <strong>Napoleon</strong>s Herrschaft?<br />

Wo gab es Widerstand und wie entwickelte<br />

er sich letztlich zum Aufstand? Wie erlebten<br />

unterschiedliche Bevölkerungsgruppen die<br />

Kriegsjahre <strong>1813</strong> bis 1815? Wie groß war die<br />

Beteiligung wirklich? Und wie wurden die<br />

Befreiungskriege in späterer Zeit bewertet?<br />

Antworten auf diese Fragen geben auf 500<br />

Quadratmeter mehrere hundert Exponate<br />

aus in- und ausländischen Sammlungen.<br />

Besondere Objekte der Ausstellung sind<br />

handschriftliche Entwürfe des berühmten<br />

„Aufrufes an mein Volk“, die Rheinbundakte<br />

von 1806, der Friedensvertrag von Tilsit<br />

(1807) sowie das Schlussdokument des Wiener<br />

Kongresses von 1815. Die Ausstellung<br />

eignet sich nicht nur für den individuellen<br />

Besuch, sondern spricht auch gleichermaßen<br />

Gruppen, Familien und Schulklassen an.<br />

Multimediale Elemente sowie spezielle Texte<br />

für Jugendliche lassen den Ausstellungsbesuch<br />

für Jung und Alt zu einem spannenden<br />

Erlebnis werden.<br />

Kontakt:<br />

Oberschlesisches Landesmuseum<br />

Bahnhofstraße 62 | 40883 Ratingen (Hösel)<br />

Info-Telefon: 0 21 02 / 96 50<br />

E-Mail: info@oslm.de<br />

www.oslm.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di.–So. 11:00–17:00 Uhr, Mo. geschlossen<br />

DVD-TIPP<br />

Geheimakte Zweiter Weltkrieg<br />

Stalins Beziehungen zu Hitler, Churchill und Roosevelt<br />

Die „offizielle“ Version historischer<br />

Ereignisse ist oft verzerrt<br />

oder geschönt – dies versucht<br />

die Dokumentation „Geheimakte<br />

Zweiter Weltkrieg“ zu demonstrieren.<br />

Die Spielszenen basieren auf<br />

Archivmaterial, das erst zugänglich<br />

wurde, als die von Stalin geschaffene<br />

Welt ab 1989 zerfiel.<br />

Manche Aussage hochrangiger<br />

Politiker wird somit als reine Propaganda<br />

entlarvt.<br />

Der Zweiteiler hat ein ausgewogenes<br />

Verhältnis von Reenactments,<br />

Originalaufnahmen und<br />

Interviews mit Zeitzeugen (darunter<br />

ehemalige Opfer der sowjetischen<br />

Geheimpolizei und Veteranen<br />

aller Kriegsparteien).<br />

Was wussten Churchill und Roosevelt<br />

<strong>über</strong> das wirkliche Vorgehen<br />

ihres Verbündeten im Osten?<br />

Oder: Wie viel wollten sie wissen<br />

und welche Kompromisse war<br />

ihnen der Bund mit Stalin wert?<br />

In der westlichen Öffentlichkeit<br />

wurde der sowjetische Diktator<br />

lange Zeit bewusst falsch dargestellt,<br />

um diese Allianz nicht zu<br />

gefährden (die Vertuschung des<br />

Massakers von Katyn ist nur ein<br />

Beispiel). Erst gegen Ende des<br />

Zweiten Weltkriegs – als bereits<br />

<strong>über</strong> die Neuordnung Europas<br />

verhandelt wurde – traten die<br />

Differenzen offener zu Tage. Wer<br />

wissen will, was hinter verschlossenen<br />

Türen gesprochen wurde<br />

sollte einen Blick in diese Geheimakte<br />

wagen (Originaltitel:<br />

„Behind Closed Doors“).<br />

Geheimakte Zweiter Weltkrieg.<br />

Hitler, Stalin und der Westen.<br />

BBC/Großbritannien 2009, circa<br />

180 Minuten Laufzeit.<br />

Stalin, Hitler, Churchill<br />

und Roosevelt: Die Entscheidungen<br />

einzelner<br />

„Staatslenker“ beeinflussen<br />

das Schicksal<br />

von Millionen Menschen.<br />

Fotos: polyband Medien GmbH<br />

6


Foto: Steffen Verlag<br />

BUCHVORSTELLUNG<br />

Im Dienst der Volksmarine<br />

Innenansichten der DDR-Seestreitkräfte<br />

Interessante und auf diese Weise<br />

bislang unerzählte Innenansichten<br />

der DDR-Seestreitkräfte vermittelt<br />

Herausgeber Fregattenkapitän<br />

a.D. Dieter Flohr in seinem<br />

Buch „Im Dienst der Volksmarine“.<br />

Abseits der gängigen technischen,<br />

historischen und politischen<br />

Publikationen lässt der Journalist<br />

und ehemalige Marineoffizier eben<br />

diejenigen erzählen, die hautnah<br />

dran waren am Geschehen: Vom<br />

Stabsmatrosen bis zum Kapitän<br />

zur See berichten die Protagonisten<br />

in <strong>über</strong>sichtlichen Essays von<br />

ihrem Dienst in der Seepolizei und<br />

in der Volksmarine.<br />

Dabei spannt der Titel einen<br />

großen Bogen <strong>über</strong> die verschiedenen<br />

schwimmenden Einheiten,<br />

die unterschiedlichen Verwendungsreihen<br />

an Bord sowie<br />

34 Jahre Historie der DDR-Mari-<br />

Aus Sicht der<br />

Soldaten: Im Dienst<br />

der Volksmarine,<br />

2010. 328 S. / zahlreiche<br />

Abbildungen.<br />

ne. So manche Anekdote bringt<br />

den Leser zum Schmunzeln, doch<br />

handelt es sich keinesfalls um ein<br />

humoristisches Werk. Nicht selten<br />

werden kritische Worte gefunden<br />

– gegen<strong>über</strong> dem damaligen<br />

„Klassenfeind“, aber auch gegen<strong>über</strong><br />

dem Regime sowie der militärischen<br />

Führung an Bord und in<br />

den Stäben.<br />

Gerade die von Dieter Flohr<br />

gewählte individuelle Erzählform<br />

durch unmittelbar Beteiligte<br />

macht das Buch zu einem spannenden,<br />

subjektiv-wissenschaftlichen<br />

Zeitdokument.<br />

BUCHEMPFEHLUNG<br />

Wie Friedrich „der Große“ wurde<br />

Idealer Einstieg in die Geschichte des<br />

Siebenjährigen Krieges<br />

Facettenreich:<br />

Neue Publikation<br />

<strong>über</strong> den „Siebenjährigen<br />

Krieg”.<br />

Das Militär und die Kriege<br />

Friedrichs des Großen sind<br />

seit jeher ein zentraler Gegenstand<br />

der (Militär-)Geschichtsschreibung.<br />

Gleichwohl fehlt bisher<br />

ein griffiger, in kompakten<br />

Abschnitten flüssig formulierter<br />

Einstieg in die Thematik.<br />

Die in diesem Band vorliegenden<br />

facettenreichen Beiträge<br />

führen in die politischen<br />

und militärischen Grundlagen<br />

des Zeitalters ein. Dabei werden<br />

die gesellschaftlichen Konfliktlinien<br />

genauso behandelt<br />

wie Organisation, Ausbildung,<br />

Schlachten und die Rezeptionsgeschichte<br />

der preußischen<br />

Armee unter dem berühmten<br />

Monarchen. Das mit zahlreichen<br />

Abbildungen und farbigen<br />

Karten versehene, mehr<br />

als 300 Seiten umfassende<br />

Buch wurde in Zusammenarbeit<br />

mit dem Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt in Potsdam<br />

und dem Militärhistorischen<br />

Museum in Dresden<br />

herausgegeben.<br />

Eberhard Birk, Thorsten Loch<br />

und Peter Andreas Popp (Hg.):<br />

Wie Friedrich „der Große“<br />

wurde – Eine kleine Geschichte<br />

des Siebenjährigen Krieges<br />

1756–1763, Rombach Verlag,<br />

Freiburg/Br. 2012.<br />

Foto: Rombach Verlag<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

175<br />

Vor 175 Jahren – am 8. Juli des<br />

Jahres 1838 – wurde Ferdinand Graf<br />

von Zeppelin in Konstanz geboren.<br />

Nach dem berühmten General und<br />

Luftschiffkonstrukteur werden die<br />

von ihm entworfenen sogenannten<br />

Starrluftschiffe noch heute als<br />

„Zeppeline“ bezeichnet. Er starb am<br />

8. März 1917 in Berlin.<br />

AUSSTELLUNGSTIPP<br />

„Nur Fliegen ist schöner...“<br />

Sonderausstellung zur Marinefliegerei<br />

Den in diesem Jahr zu feiernden<br />

100. Geburtstag der Magionalen<br />

Ebene. Neben allgematik<br />

vor allem auf einer rerineflieger<br />

begeht das Deutsche meinen technischen und historischen<br />

Informationen haben<br />

Marinemuseum in Wilhelmshaven<br />

bis zum 3. November 2013 sie den inhaltlichen Schwerpunkt<br />

auf die „fliegenden<br />

mit einer Sonderausstellung. Unter<br />

dem Titel „Nur Fliegen ist blauen Jungs“ in Wilhelmshaven<br />

während der frühen Jahre der<br />

schöner!? Die Marine entdeckt die<br />

dritte Dimension“ nähern sich die militärischen Seefliegerei gesetzt.<br />

Ausstellungsmacher ihrer The-<br />

Zwei Fotoalben aus dem Nachlass<br />

Originalexponate werden in der Ausstellung gezeigt, hier ein Flugfunkgerät der ersten<br />

Generation.<br />

Fotos: Ulf Kaack<br />

Klassiker: Das<br />

Modell der<br />

„Friedrichshafen<br />

F33“ ist eine<br />

Leihgabe des Deutschen<br />

Museums in München und das bekannteste<br />

deutsche Wasserflugzeug seiner Zeit.<br />

des Werkmeisters Tonius Pollmann<br />

mit hochwertigem Bildmaterial<br />

aus der Zeit von 1913 bis<br />

1920 bilden die Basis dazu.<br />

Auf diese Weise ist ein detailliertes<br />

Portrait der Marinefliegerabteilung<br />

II in Wilhelmshaven<br />

und der seinerzeit angeschlossenen<br />

Flugwerft entstanden. Von<br />

dem Fliegerstützpunkt an der Jademündung<br />

wurden während<br />

des Ersten Weltkriegs Aufklärungs-<br />

und Kampfeinsätze <strong>über</strong><br />

der gesamten Nordsee geflogen.<br />

Originalexponate wie eine Bordkanone,<br />

ein Funkgerät oder ein<br />

Propeller veranschaulichen die<br />

Thematik ebenso wie Modelle<br />

der damaligen Flugzeuge und<br />

Luftschiffe.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

7


Clausewitz<br />

Magazin<br />

ZEITSCHICHTEN<br />

Die Fotocollage des russischen<br />

Fotografen Sergey Larenkov stellt<br />

eindrucksvoll visualisiert einen<br />

Brückenschlag zwischen Vergangenheit<br />

und Gegenwart her.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Damals: Im Juni 1940 posiert Adolf<br />

Hitler zusammen mit den Architekten<br />

Albert Speer (links) und Arno Breker vor<br />

dem zur Weltausstellung 1889 erbauten<br />

Eiffelturm. Das nationale Symbol Frankreichs<br />

wird somit kurz nach dem Sieg<br />

<strong>über</strong> die „Grande Nation“ propagandistisch<br />

von Hitler ausgenutzt.<br />

Heute: Der 324 Meter hohe Turm<br />

prägt auch heute noch das Stadtbild<br />

der Seine-Metropole und gehört mit<br />

etwa sieben Millionen Besuchern pro<br />

Jahr zu den populärsten Touristenattraktionen<br />

<strong>über</strong>haupt. Menschen aus<br />

aller Welt bestaunen täglich diese<br />

moderne Architektur-Ikone.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

ERINNERUNGSTRUNK<br />

„Warrior“-Serie aus Schottland<br />

Whisky-Destillerie ehrt Wikinger<br />

Die schottische Destillerie Highland<br />

Park (HP) liegt als nördlichste<br />

Brennerei des Landes auf<br />

den Orkneys. Tradition und Pflege<br />

des geschichtlichen Erbes sind auf<br />

der alten Wikinger-Insel allgegenwärtig.<br />

HP brachte schon zahlreiche<br />

Abfüllungen mit Skandinavien-Bezug<br />

auf den<br />

Markt. Ganz aktuell ist nun<br />

eine kleine Serie zu Ehren<br />

der Krieger Svein, Einar<br />

Kriegerisches Erbe: Insgesamt<br />

sechs limitierte Flaschen erscheinen<br />

– hier abgebildet „Einar“,<br />

dessen „Wahrzeichen“ eine mächtige<br />

Streitaxt war. Foto: Highland Park<br />

und Harald. Alle drei spielten eine<br />

wichtige Rolle in der Geschichte<br />

der Orkneys. Wie bei Highland<br />

Park üblich, sind alle drei Flaschen<br />

schön aufgemacht und bieten neben<br />

dem hochprozentigen Inhalt<br />

(40%) Informationen <strong>über</strong> die drei<br />

Wikinger. Alle drei Single<br />

Malts sind geschmacklich<br />

komplex und kosten zwischen<br />

50 und 80 Euro.<br />

In nächster Zeit erscheinen<br />

noch Sigurd (43%), Ragnavald<br />

(44,6%) und Thorfinn<br />

(45,1%), um die Reihe komplett<br />

zu machen. Erhältlich<br />

im Fachhandel und an<br />

Flughäfen („Travel Value“).<br />

NEUERSCHEINUNG<br />

„Friedrich der Siegreiche“<br />

Neuer Band der Imhof-Kulturgeschichte<br />

Die Neuerscheinung stellt Kurfürst<br />

Friedrich I. von der<br />

Pfalz – eine der dominierenden<br />

Persönlichkeiten in der Mitte des<br />

15. Jahrhunderts im Heiligen Römischen<br />

Reich Deutscher Nation<br />

– in Wort und Bild ausführlich vor.<br />

Hochgebildet und persönlich<br />

tapfer zeigte er sich seinen Gegnern<br />

gegen<strong>über</strong> kompromisslos,<br />

verfolgte hartnäckig und erfolgreich<br />

seine Ziele. Er regierte<br />

nach dem Tod seines Bruders<br />

und Vorgängers Ludwig IV. von<br />

1449 bis 1451 als Vormund seines<br />

kleinen Neffen Philipp,<br />

adoptierte ihn 1451, verzichtete<br />

selbst (zunächst) auf eine Ehe<br />

Reich illustriert: Das<br />

2013 erschienene<br />

Buch verfügt <strong>über</strong><br />

mehr als 80 farbige<br />

Abbildungen.<br />

Foto: Michael Imhof Verlag<br />

und leitete aus<br />

dieser „Arrogation“ sein Recht<br />

zum wirklichen Kurfürsten ab.<br />

Dadurch zog er sich die<br />

Feindschaft des Kaisers zu,<br />

aber trotz Reichsacht und Kirchenbann<br />

blieb Friedrich I.<br />

siegreich. Unbotmäßige Vasallen<br />

und mächtige Reichsfürsten<br />

bezwang er dank seiner<br />

Feldherrenkunst.<br />

8


Klasse<br />

Westland<br />

„Sea King“<br />

Mi-8T<br />

Foto: Süddeutsche Zeitung Photo<br />

MULTIMEDIA<br />

Kriegsjahr 1914<br />

Erste iPad-App von SZ Photo:<br />

100 Jahre Erster Weltkrieg<br />

Zum im kommenden Jahr bevorstehenden<br />

100. Jahrestag des Kriegsausbruchs<br />

1914 hat Süddeutsche Zeitung Photo ausgewählte<br />

Bilder aus dem Archiv zu einer<br />

App zusammengestellt, die die vielfältigen<br />

Perspektiven<br />

des Ersten<br />

Weltkriegs zeigen.<br />

Zahlreiche<br />

Bilder illustrieren<br />

die Hauptthemen<br />

Kriegsbeginn,<br />

West- und Ostfront, See- und Luftkrieg,<br />

Kriegsalltag und Kriegsende.<br />

Jedem Thema geht eine kurze Einführung<br />

voraus. Die Fotos der App stehen<br />

stellvertretend für <strong>über</strong> 6.000 Bilder zu<br />

diesem einschneidenden Ereignis, die<br />

in <strong>über</strong> 70 Dossiers auch auf der<br />

Homepage von SZ Photo unter<br />

www.sz-photo.de/erster-weltkrieg zu<br />

finden sind.<br />

Somit steht sowohl foto- und geschichtsinteressierten<br />

Privatkunden als<br />

auch professionellen Bildkunden ein<br />

kompakter Überblick zum Thema<br />

„Erster Weltkrieg“ für das iPad zur<br />

Verfügung. Design und Layout: Fabian<br />

Gampp. Die App ist zum Preis von<br />

1,79 Euro ab sofort im App Store erhältlich.<br />

Weitere Apps von Süddeutsche<br />

Zeitung Photo sind in Planung.<br />

Mehr Infos unter www.sz-photo.de<br />

Briefe an die Redaktion<br />

Zu „Geballte Feuerkraft“<br />

in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 2/2013:<br />

Unter den aufgezählten sowjetischen<br />

Panzern fehlt der Pz.Kpfw.III,<br />

von dem mehr als 200 erbeutete<br />

Stücke als Selbstfahrlafette SU-76i<br />

mit festem Kasematt-Aufbau auf<br />

Basis des T 34 umgebaut wurden,<br />

die gegen die Wehrmacht eingesetzt<br />

wurden.<br />

Stefan Semerdjiev, Bulgarien,<br />

per E-Mail<br />

Zu „Hitlers umstrittener Stratege“<br />

in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 2/2013:<br />

In Ihrem Bericht <strong>über</strong> Erich von<br />

Manstein haben Sie auf Seite 78<br />

geschrieben: „Zwei eigens aus<br />

Frankreich herangeführte 80-cm-<br />

Eisenbahngeschütze des Typs ,Dora’<br />

schießen die mächtigen Festungsanlagen<br />

sturmreif, bis die Verteidiger<br />

schließlich Anfang Juli kapitulieren.“<br />

Es wurden zwei Geschütze vom Typ<br />

,,Dora" hergestellt, jedoch wurde<br />

nur eins auf der Krim eingesetzt. Die<br />

zwei Geschütze, die hier erwähnt<br />

werden, sind die Mörser ,,Odin" und<br />

,,Thor" vom Kaliber 60 cm.<br />

Dieter Hübner, per E-Mail<br />

Zu „Der gefiederte Tod“ in CLAU-<br />

SEWITZ 3/2013:<br />

Mit Begeisterung habe ich die Ausgabe<br />

3/2013 gelesen. Die Beiträge<br />

sind ordentlich recherchiert und<br />

sehr schön zu lesen.<br />

Allerdings hat sich in Ihrem Editorial<br />

ein kleiner Fehler eingeschlichen.<br />

Zum Thema „Der gefiederte Tod“<br />

wird der englische Langbogen falsch<br />

beschrieben. Sie schreiben:<br />

„Die schweren Kriegsbögen sind<br />

etwa 1,8 Meter lang und bestehen<br />

aus einem Stück Eibenholz, das so<br />

gewählt ist, dass sich das dichte<br />

Kernholz in der Mitte des Bogens<br />

befindet, während das elastischere<br />

Holz die Bogenarme bildet.“<br />

Als traditioneller Bogenschütze<br />

und Militärhistoriker möchte ich diese<br />

Beschreibung verbessern. Das<br />

dunklere Kernholz der Eibe zieht<br />

sich <strong>über</strong> den ganzen Bogen. Er wird<br />

so gebaut, dass Kernholz und Splintholz<br />

wie ein natürlicher Kompositbogen<br />

wirken. Das festere Kernholz<br />

hat bessere Druckeigenschaften,<br />

während das weichere Splintholz die<br />

besseren Zugeigenschaften besitzt.<br />

Bastian Eisenbart, per E-Mail<br />

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MILITÄR & TECHNIK:<br />

Zu „Der Krieger auf dem Königsthron“<br />

in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 3/2013:<br />

Die Denkweise des Richard Plantagenet,<br />

Coeur de Lion, nachmals „the<br />

Lionheart“, entsprach der praktisch<br />

aller mittelalterlichen Herrscher in<br />

Europa und im Orient: Das imperiale-royale<br />

Streben galt der eigenen<br />

Dynastie, der Familie, der Sippe,<br />

nicht einem Volk oder einer Nation.<br />

Auch die Religion, speziell im Kreuzzug,<br />

war nur Mittel zum Zweck.<br />

Eben diese <strong>über</strong>nationale Denkweise<br />

wird heute gern <strong>über</strong>sehen.<br />

(...)<br />

Interessant ist auch die landsmannschaftliche<br />

Zusammensetzung<br />

des Heeres, mit dem er gegen seinen<br />

Vater zu Felde zog: zu je einem<br />

Viertel Engländer, Flamen, Schotten<br />

und Franzosen.<br />

Nach damaliger Rechtsauffassung<br />

war Herzog Leopold V. von<br />

Österreich nicht berechtigt, sein<br />

Banner neben denen zweier Könige<br />

aufzustellen, zumindest – da er<br />

nicht von ebenbürtigem Adel war –<br />

in gleicher Höhe. In niedrigerer Position<br />

wäre es statthaft gewesen.<br />

Es gibt auch Berichte, dass<br />

Richard Leopolds Banner nicht nur<br />

entfernen, sondern auch in eine<br />

Latrinengrube hat werfen lassen.<br />

Es wäre dann nicht weiter verwunderlich,<br />

dass Leopold auf Vergeltung,<br />

Genugtuung, Rache sann.<br />

Man kann vergangene Zeiten mit<br />

ihren Herrschern nicht so einfach<br />

aus heutiger Sicht beurteilen, Richard<br />

I. von England ist hierfür ein<br />

Paradebeispiel.<br />

Jürgen Kaltschmitt, per E-Mail<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion<br />

behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden<br />

Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.<br />

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Das steckt hinter dem<br />

Ruf der „Acht-Acht“<br />

Krimkrieg 1853<br />

Richard<br />

Löwenherz<br />

König, Krieger<br />

und Kreuzritter<br />

Flugzeugträger der<br />

Independence-<br />

Vorstufe zu einem<br />

Weltkrieg?<br />

Hamburgs Brandnächte im Jahr 1943<br />

Operation<br />

„Gomorrha“<br />

Deutsche<br />

Marineflieger im Kalten Krieg<br />

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Titelgeschichte<br />

200 Jahre „Völkerschlacht“ – Leipzig <strong>1813</strong><br />

Die<br />

Jahrhundert-<br />

schlacht<br />

MASSENHEERE IM KAMPF:<br />

Bei Leipzig treffen Mitte Oktober <strong>1813</strong> insgesamt<br />

mehr als eine halbe Million Soldaten beider<br />

Lager im Kampf aufeinander. Die Zahl der<br />

Toten und Verwundeten ist erschreckend hoch.<br />

Abb.: picture-alliance/maxppp<br />

10


16. bis 19. Oktober <strong>1813</strong>: Mehr als 500.000 Soldaten stehen sich bei Leipzig gegen<strong>über</strong>.<br />

Der Ausgang der bis dato größten Schlacht der Weltgeschichte hat erhebliche<br />

Auswirkungen auf die Herrschaft <strong>Napoleon</strong>s <strong>über</strong> weite Teile Europas. Von Eberhard Birk<br />

Clausewitz 4/2013<br />

11


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

FAKTEN<br />

Befehlshaber:<br />

Truppenstärke:<br />

Frankreich<br />

Geschütze: 690<br />

<strong>Napoleon</strong> I, Kaiser der<br />

Franzosen (1769–1821)<br />

circa 191.000 Mann<br />

(Franzosen, Polen, Italiener, Schweizer,<br />

Holländer, Kroaten;<br />

zudem circa 20.000 Soldaten<br />

aus „Rheinbund“-Staaten)<br />

Verluste:<br />

circa 30.000 Tote<br />

circa 38.000 Verwundete<br />

circa 37.000 Gefangene<br />

12


Krieg gegen die Allianz<br />

UNTER DRUCK: Dem französischen Kaiser<br />

<strong>Napoleon</strong> I und seiner Armee steht im Herbst <strong>1813</strong><br />

auf den Schlachtfeldern bei Leipzig ein mächtiges<br />

Aufgebot der Verbündeten gegen<strong>über</strong>. Sie sind fest<br />

entschlossen, die Grande Armée zu besiegen.<br />

Abb.: ullstein bild – Photo 12/Fondation Napoléon<br />

Clausewitz 4/2013<br />

13


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

FAKTEN Verbündete<br />

Böhmische Armee<br />

Befehlshaber: Karl Philipp Fürst von Schwarzenberg (1771–1820)<br />

Stabschef: Feldmarschallleutnant Joseph Wenzel von Radetzky<br />

(1766–1858)<br />

Truppenstärke: circa 130.000 Mann<br />

Geschütze: 550<br />

Schlesische Armee<br />

Befehlshaber: Gebhard Leberecht von Blücher (1742–1819)<br />

Stabschef: Generalmajor August Neidhart von<br />

Gneisenau (1760–1831)<br />

Truppenstärke: circa 55.000 Mann<br />

Geschütze: 310 Geschütze<br />

Nordarmee<br />

Befehlshaber:<br />

Truppenstärke:<br />

Geschütze:<br />

Kronprinz Karl Johann von Schweden<br />

(1763–1844) (vormals frz. Marschall<br />

Bernadotte)<br />

circa 95.000 Mann<br />

k.A.<br />

Kräfteverhältnis am 18. Oktober <strong>1813</strong><br />

nach Eintreffen der russisch-polnischen<br />

Reservearmee:<br />

Franzosen: circa 160.000 Mann<br />

Geschütze: 630<br />

Verbündete: circa 300.000 Mann<br />

Geschütze: 1.466<br />

Verluste:<br />

Tote und<br />

Verwundete:<br />

22.600 Russen<br />

16.000 Preußen<br />

15.000 Österreicher<br />

200 Schweden<br />

14


Hoffnung auf Befreiung<br />

BIS ZUR TOTALEN ERSCHÖPFUNG:<br />

Die mehrtägige „Völkerschlacht“ verlangt den Soldaten<br />

beider Kriegsparteien alles ab. Für die Verbündeten bietet<br />

die Entscheidungsschlacht bei Leipzig die Möglichkeit,<br />

sich vom Joch der französischen Fremdherrschaft<br />

zu befreien.<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 4/2013<br />

15


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

ne Schritte können sich die Generale der Alliierten<br />

trotz aller „Lernerfolge“ der vergangenen<br />

Jahre niemals sicher sein. Obwohl der<br />

Russlandfeldzug katastrophal endete, ist es<br />

ihm gelungen, in kürzester Zeit eine neue,<br />

circa 300.000 bis 400.000 Mann starke und<br />

vorwiegend national-französische Truppe<br />

aus dem Boden zu stampfen. Wenn es ihm<br />

gelingt, die einzelnen Kontingente seiner<br />

Gegner zu isolieren und in getrennten<br />

Schlachten zu besiegen, kann er daraus politisches<br />

Kapital schlagen.<br />

Kongeniales Generalstabsduo<br />

Mit den im Mai <strong>1813</strong> gewonnenen Schlachten<br />

von Großgörschen und Bautzen scheinen<br />

seine Soldaten wieder auf der alten napoleonischen<br />

Siegesstraße zu marschieren. Nach<br />

dem österreichischen Allianzbeitritt aber stehen<br />

sie zahlenmäßig weit <strong>über</strong>legenen Armeen<br />

gegen<strong>über</strong>.<br />

Und deren Generalstabschefs heißen Radetzky<br />

und August Neidhardt von Gneise-<br />

TÖDLICH GETROFFEN: Józef Antoni Poniatowski, Befehlshaber des VIII. Korps der Grande<br />

Armée und von <strong>Napoleon</strong> am 16. Oktober <strong>1813</strong> zum Marschall von Frankreich ernannt, fällt<br />

am 19. Oktober <strong>1813</strong> bei einem Rückzugsgefecht der geschlagenen napoleonischen<br />

Armee.<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Nach dem Scheitern seines Russlandabenteuers<br />

von 1812 befindet sich <strong>Napoleon</strong><br />

in der strategischen Defensive:<br />

Die Unzufriedenheit und Kriegsmüdigkeit<br />

in Frankreich, der Verlust nahezu<br />

sämtlicher kriegsgeübter Soldaten seiner<br />

Grande Armée, die Entwicklung nationaler<br />

Befreiungsbewegungen und die beginnende<br />

Siegeszuversicht bei den Ostmonarchien<br />

Russland, Österreich und Preußen lassen seine<br />

Machtposition erodieren.<br />

<strong>Napoleon</strong> hat genug damit zu tun, den<br />

„Rheinbund“ zusammenzuhalten. Seine gezwungenen<br />

Bündnispartner sind nicht mehr<br />

alle davon <strong>über</strong>zeugt, auf der richtigen Seite<br />

zu stehen. Im Frühjahrsfeldzug <strong>1813</strong> kann er<br />

sich noch gegen die preußisch-russische Allianz<br />

behaupten. Nach einem Waffenstillstand<br />

im Juni läuft die Diplomatie von <strong>Napoleon</strong>s<br />

Gegnern auf Hochtouren – Österreich<br />

wird als Bündnispartner gewonnen.<br />

Freigesetzte Kräfte<br />

Die Chance auf die Befreiung von der französischen<br />

Hegemonie setzt Kräfte frei, während<br />

<strong>Napoleon</strong>s Ressourcen schwinden. Der<br />

Faktor Zeit soll für die Alliierten arbeiten. Ihr<br />

strategisches Ziel ist sehr ehrgeizig: <strong>Napoleon</strong><br />

muss <strong>über</strong> den Rhein zurückgeworfen<br />

werden. Damit wäre ihm der Zugriff auf die<br />

militärischen Ressourcen des Rheinbundes<br />

verwehrt und sein verbleibender strategischer<br />

Radius empfindlich eingeengt.<br />

Den Oberbefehl <strong>über</strong> die alliierten Streitkräfte<br />

besitzt der österreichische Feldmarschall<br />

Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg.<br />

Seine Rolle ist mehr die eines Militärdiplomaten.<br />

Er muss die politischen Ziele der<br />

Bündnispartner, die auch schon auf die<br />

„Nachkriegszeit“ schielen, unter einen Hut<br />

bringen. Nicht alle Monarchen sind bereit,<br />

ihre politischen Bestrebungen von militärischen<br />

Notwendigkeiten diktieren zu lassen.<br />

Schwarzenbergs Generalstabschef Radetzky<br />

(s. a. S. 74) muss daher strategische und operative<br />

Bewegungen mit den <strong>über</strong>geordneten<br />

außenpolitischen Zielen synchronisieren.<br />

<strong>Napoleon</strong> bleibt indes gefährlich: Über sei-<br />

SYMBOLTRÄCHTIG:<br />

Am 10. März<br />

des Jahres <strong>1813</strong><br />

stiftet der preußische<br />

König<br />

Friedrich Wilhelm<br />

III. in der niederschlesischen<br />

Stadt Breslau für<br />

den Verlauf der<br />

„Befreiungskriege“<br />

das von Karl Friedrich<br />

Schinkel entworfene Eiserne<br />

Kreuz.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

NAH AM ZIEL: Schwarzenberg und die<br />

verbündeten Fürsten auf dem Monarchenhügel<br />

am Abend des 18. Oktober<br />

<strong>1813</strong> – dem Vorabend des alliierten<br />

<strong>Triumph</strong>es <strong>über</strong> <strong>Napoleon</strong>.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

16


Verbündete zahlenmäßig <strong>über</strong>legen<br />

nau, der hinter Blücher die Schlesische Armee<br />

lenkt. Beide sind als kongeniales Generalstabsduo<br />

die Verkörperung eines langen<br />

und erfolgreichen Lernprozesses. Sie haben<br />

<strong>über</strong> Jahre hinweg <strong>Napoleon</strong>s Feldzüge studiert.<br />

Ihre Lehre aus den vorangegangenen<br />

„Wir haben den französischen Kaiser ganz umstellt.<br />

Diese Schlacht wird <strong>über</strong><br />

das Schicksal von Europa entscheiden.“<br />

Blüchers Stabschef General Gneisenau in einem Brief an seine<br />

Frau vom 18.Oktober <strong>1813</strong>.<br />

seiner Marschälle erreicht werden. Dafür stehen<br />

aufseiten der Alliierten zu Beginn des<br />

Feldzuges drei Armeen zur Verfügung: die<br />

Böhmische Armee unter dem Oberbefehl<br />

von Schwarzenberg mit 127.000 Österreichern,<br />

82.000 Russen und 45.000 Preußen;<br />

die Schlesische Armee unter dem Oberbefehl<br />

von dem später so genannten „Marschall<br />

Vorwärts“ Blücher mit 66.000 Russen und<br />

38.000 Preußen sowie die Nordarmee unter<br />

dem Oberbefehl von Bernadotte, dem<br />

schwedischen Kronprinzen und vormaligen<br />

Marschall <strong>Napoleon</strong>s, mit 73.000 Preußen,<br />

29.000 Russen und 23.000 Schweden.<br />

Koalitionskriegen ist es, sich nicht von ihm<br />

auseinanderdividieren zu lassen.<br />

Die militärische Zielsetzung des anstehenden<br />

Feldzuges formuliert Radetzky bereits<br />

am 7. Juli <strong>1813</strong>: Zunächst gilt es zu verhindern,<br />

sich in einzelne Schlachten gegen<br />

<strong>Napoleon</strong> einzulassen, ihn durch kluge Dispositionen<br />

zu zermürben, „um den Hauptzweck<br />

in den gemeinschaftlichen Operationen<br />

nicht zu verfehlen, nämlich: den Hauptschlag<br />

mit Sicherheit zu führen (...) den Kaiser<br />

<strong>Napoleon</strong> von seinen Stützpunkten an<br />

der Elbe abzudrängen, sodann möglichst nahe<br />

zu umstellen, jede teilweise Niederlage<br />

zu vermeiden und am Ende in einer Entscheidungsschlacht<br />

vollends zu vernichten.“<br />

Dieses Ziel soll durch ein elastisches Ausweichen<br />

von weit getrennt stehenden Armeen<br />

vor der Hauptmacht <strong>Napoleon</strong>s bei<br />

gleichzeitigem Schlagen der Nebenarmeen<br />

Beginn des „Herbstfeldzuges“<br />

Sowohl die Alliierten als auch <strong>Napoleon</strong> haben<br />

die Zeit des zwischenzeitlichen Waffenstillstandes<br />

vom 4. Juni <strong>1813</strong> genutzt, um ihre<br />

Truppen aufzustocken. Nach mehr als zwei<br />

Monaten Waffenstillstand, Diplomatie und<br />

Aufrüstung beginnt Mitte August <strong>1813</strong> der<br />

„Herbstfeldzug“: Operatives Zurücknehmen<br />

Clausewitz 4/2013<br />

17


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

BEEINDRUCKEND: Im Jahr 2012 wurden in Leipzig-Markkleeberg<br />

Kampfhandlungen mit mehr als 1.700 Darstellern aus vielen Ländern<br />

Europas nachgestellt. Anlässlich des 200. Jahrestages der<br />

Schlacht bei Leipzig finden <strong>über</strong> einen Zeitraum mehrerer Monate<br />

hinweg zahlreiche Veranstaltungen, darunter auch aufwendig inszenierte<br />

Reenactments, statt.<br />

Foto: Anne Schulz/Westend-PR<br />

der alliierten Truppen vor den zur Schlacht<br />

treibenden napoleonischen Marschällen, gepaart<br />

mit Initiative auf lokaler Ebene, führt<br />

zu einer Reihe von Erfolgen gegen die französischen<br />

Truppen: Den alliierten Erfolgen<br />

bei Großbeeren am 23. August, an der Katzbach<br />

am 26. August, Hagelberg am 27. August,<br />

Kulm am 29. August, Nollendorf am<br />

30. August und Dennewitz am 6. September<br />

steht nur ein Sieg der französischen<br />

Waffen entgegen. <strong>Napoleon</strong> persönlich<br />

führt am 26./27. August <strong>1813</strong> seine Truppen<br />

in der Schlacht bei Dresden zum Erfolg<br />

– sein letzter nennenswerter Schlachtensieg<br />

auf deutschem Boden.<br />

Aber auch die alliierten Erfolge kosten<br />

Blut. Dies können die Österreicher und die<br />

Russen eher „verkraften“ als die Preußen.<br />

Blücher und Gneisenau drängen daher<br />

auf eine schnellere Entscheidung und<br />

JUBILÄUM: Erinnerung an den 100. Jahrestag<br />

der „Völkerschlacht“ mit den siegreichen<br />

„Helden der Befreiungskriege“ und<br />

dem unterlegenen <strong>Napoleon</strong> I. Das im Jahr<br />

1913 eingeweihte, imposante Völkerschlachtdenkmal<br />

wird seit mehreren Jahren<br />

aufwendig restauriert.<br />

Foto: ullstein bild - Photo 12/Fondation Napoléon<br />

DOPPELJUBILÄUM: Erinnerung an den 200. Jahrestag der „Völkerschlacht“ und den 100.<br />

Jahrestag der Einweihung des „Völkerschlachtdenkmals“. Vom 16. bis 20. Oktober 2013<br />

wird in Leipzig aus diesem Anlass eine Gedenkwoche mit zahlreichen Veranstaltungen stattfinden.<br />

Mehr Infos dazu unter: www.voelkerschlacht-jubilaeum.de Foto: Westend-PR/Methode 21<br />

18


Schwarzenbergs Probleme<br />

ergreifen die Initiative. Bei Wartenburg südlich<br />

von Wittenberg <strong>über</strong>schreiten sie am<br />

3. Oktober die Elbe. Damit werden <strong>Napoleon</strong>s<br />

rückwärtige Verbindungen bedroht. Er<br />

belässt 30.000 Mann in Dresden und führt<br />

seine Hauptmacht in Richtung Leipzig.<br />

Am 14. Oktober bereits treffen vor Liebertwolkwitz<br />

und Güldengossa 15.000 Kavalleristen<br />

zum größten Reitergefecht des<br />

Feldzuges aufeinander. Sie werden auch von<br />

starken Infanterieverbänden unterstützt.<br />

Von der Geländeerhebung Galgenberg aus,<br />

auf dem die Franzosen ihren Beobachtungspunkt<br />

und ihre Artillerie haben, starten sie<br />

zur Überraschung der Alliierten einen Kavallerieangriff,<br />

der erst vor Güldengossa<br />

zum Stehen gebracht werden kann. Der im<br />

Gegenzug eroberte Galgenberg wird bei Einbrechen<br />

der Dämmerung von den Verbündeten<br />

ebenso geräumt wie das parallel dazu eroberte<br />

Liebertwolkwitz. Der siebenstündige,<br />

letztlich unentschiedene Kampf verdeutlicht,<br />

dass <strong>Napoleon</strong> bereit ist, sich zur Entscheidungsschlacht<br />

zu stellen.<br />

KARTE<br />

Völkerschlacht bei Leipzig 16.–19. Oktober <strong>1813</strong><br />

VON ALLEN SEITEN: Die Karte zeigt die Ausgangssituation der französischen Truppen<br />

und das Vordringen der verbündeten Armeen zwischen dem 16. und 19. Oktober <strong>1813</strong>.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Drohende Umklammerung<br />

<strong>Napoleon</strong>s zentrale Position auf der „inneren<br />

Linie“ zwischen Connewitz, Markkleeberg,<br />

Wachau, Liebertwolkwitz und Holzhausen<br />

bildet einen weiträumigen Halbkreis<br />

mit Leipzig im Mittelpunkt.<br />

Seine Armee mit einer Gesamtstärke von<br />

circa 191.000 Mann mit 690 Geschützen<br />

setzt sich aus Franzosen, Polen, Italienern,<br />

Schweizern, Holländern und Kroaten zusammen,<br />

einschließlich circa 20.000 Mann an<br />

„Rheinbund“-Kräften aus Sachsen, Württemberg,<br />

Westfalen und Hessen-Darmstadt.<br />

Seine numerische Unterlegenheit zwingt ihn<br />

zur Schwerpunktbildung: Das Korps Bertrand<br />

mit nur wenigen Tausend Mann und<br />

16 Geschützen soll westlich der Stadt Leipzig<br />

die kleine Ortschaft Lindenau sichern.<br />

Im Norden stehen <strong>über</strong> 40.000 Mann mit<br />

186 Geschützen, um unter dem Oberbefehl<br />

von Marschall Ney den erwarteten Anmarsch<br />

und Angriff der Schlesischen Armee<br />

abzuweisen.<br />

Priorität hat aber der Süden Leipzigs.<br />

Hier ist es <strong>Napoleon</strong>s Absicht, eine drohende<br />

Umklammerung durch die alliierten<br />

Kräfte mit einem wuchtigen Stoß, vorgetragen<br />

von 138.000 Mann und 488 Geschützen<br />

gegen die Böhmische Armee, zu unterbinden.<br />

Diese steht mit 130.000 Mann und<br />

550 Geschützen unter dem Oberbefehl<br />

Schwarzenbergs südlich von Leipzig. Durch<br />

eine Umgehung des rechten Flügels der Böhmischen<br />

Armee mit starken Kavallerieverbänden<br />

will er deren Zentrum erschüttern<br />

und einen frühzeitigen Reserveneinsatz erzwingen,<br />

um dann mit seiner hinter Liebertwolkwitz<br />

stehenden Reserve den finalen<br />

Stoß auf die Reste der Böhmischen Armee<br />

zu führen.<br />

Zeitliche Risiken<br />

Im Gegensatz zu <strong>Napoleon</strong>s Schwerpunktbildung<br />

aber werden deren Kräfte „verzettelt“.<br />

An seinem linken Flügel plant Schwarzenberg<br />

die rund 20.000 Mann starke Abteilung Gyulai<br />

für einen Demonstrationsangriff auf Lindenau<br />

ein. Daneben setzt er etwa 30.000 Mann<br />

im Überschwemmungsgebiet zwischen den<br />

Flüssen Elster und Pleiße auf Connewitz an.<br />

Knapp 72.000 Mann seines Hauptkontingentes<br />

stellt er ostwärts davon <strong>Napoleon</strong> entgegen.<br />

Durch diese Verteilung seiner Kräfte, getrennt<br />

durch Geländehindernisse, muss<br />

Schwarzenberg drei Teilkämpfe führen. Damit<br />

hat er sich Führungs- und Koordinationsprobleme<br />

und <strong>Napoleon</strong> zudem die örtliche<br />

Überlegenheit genau dort geschaffen, wo dieser<br />

seinen Schwerpunkt plant.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

19


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

HINTERGRUND<br />

Der Rheinbund<br />

Die Ausdehnung französischer Macht in den napoleonischen<br />

Kriegen führt ostwärts des Rheins zu vielfältigen<br />

politisch-territorialen Flurbereinigungen. Nach dem Frieden<br />

von Lunéville kommt es 1803 zum Reichsdeputationshauptschluss.<br />

Dabei verschwinden freie Reichstädte,<br />

Reichsritterschaften und kleinere Herrschaften im<br />

Zuge der sogenannten Mediatisierung sowie geistliche<br />

Territorien durch die Säkularisation. Dies ändert den<br />

Charakter des Heiligen Römischen Reiches deutscher<br />

Nation grundlegend.<br />

Im Juli 1806 gründet <strong>Napoleon</strong> als „Protektor“ den<br />

Rheinbund – einen Staatenbund mit zunächst 16 Mitgliedern,<br />

denen später noch 23 weitere beitreten. Sie<br />

bilden ohne Preußen und Österreich ein „Drittes<br />

Deutschland“, das sich im Kern gegen „Kaiser und<br />

Reich“ richtet. Am 1. August erfolgt deren formaler Austritt<br />

aus dem Reichsverband, worauf Joseph II. am<br />

6. August 1806 die Kaiserkrone niederlegt.<br />

Viele Mitgliedstaaten – auch die größeren wie Bayern,<br />

Württemberg und Sachsen – beginnen nach dem<br />

Vorbild Frankreichs mit Modernisierungsprozessen in<br />

Staat, Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft. Für <strong>Napoleon</strong><br />

ist indes das militärische Potenzial des Rheinbundes<br />

wichtiger. Er bündelt und nutzt dessen personelle<br />

und materielle Ressourcen. Im Jahre 1811 stellt der<br />

Rheinbund circa 120.000 Soldaten. Ein Großteil von ihnen<br />

stirbt beim Russlandfeldzug <strong>Napoleon</strong>s 1812 und<br />

in den <strong>1813</strong> beginnenden „Befreiungskriegen“. Nach<br />

<strong>Napoleon</strong>s Niederlage in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig<br />

im Oktober <strong>1813</strong> bricht der Rheinbund auseinander.<br />

Für <strong>Napoleon</strong> hängt alles vom Gelingen seines<br />

ersten Angriffes ab. Insgesamt ist sein<br />

Plan zwar mit erheblichen zeitlichen Risiken<br />

behaftet, weil er vom stetigen Zuführen alliierter<br />

Verbände auszugehen hat. Zwangsläufig<br />

indes muss er die Schlacht mit diesem<br />

Plan nicht verlieren. Vielleicht setzt er etwas<br />

<strong>über</strong>heblich darauf, dass der Stern seiner<br />

Feldherrentätigkeit auch <strong>über</strong> Leipzig leuchtet,<br />

wenn er sein Schicksal in die eigenen<br />

Hände nimmt.<br />

Entscheidender Stoß<br />

Aber nicht <strong>Napoleon</strong>, sondern die Verbündeten<br />

eröffnen am Morgen des 16. Oktober<br />

kurz nach 8:00 Uhr die Schlacht am südlichen<br />

Frontabschnitt. Auf der Linie Markkleeberg–Wachau–Liebertwolkwitz<br />

stoßen<br />

sie auf die französischen Kolonnen vorwärts,<br />

nehmen die Dörfer ein und verteidigen sie<br />

kurzfristig unter großen Verlusten. Aber die<br />

Dynamik des Angriffs ist gebrochen. Die Geländegewinne<br />

müssen aufgrund eines massiven<br />

französischen Gegenstoßes wieder<br />

aufgegeben werden. Auch der zeitgleich im<br />

sumpfigen Gelände zwischen den Flüssen<br />

Elster und Pleiße von Gautzsch auf Connewitz<br />

vorgetragene Flankenangriff der Alliierten<br />

wird durch französisches Feuer abgewehrt.<br />

Ihr Vorgehen ist dadurch erschwert,<br />

dass am Vortag nahezu alle<br />

Brücken im Vorfeld der französischen<br />

Stellungen gesprengt wurden. Und<br />

die Abteilung Gyulai scheitert trotz deutlicher<br />

Überlegenheit am französischen Widerstand<br />

bei Lindenau.<br />

Nun will <strong>Napoleon</strong> die Initiative auf dem<br />

Gefechtsfeld an sich reißen. Für den entscheidenden<br />

Stoß gegen die Böhmische Armee<br />

wartet er noch auf das Eintreffen seines<br />

VI. Korps. Es gilt mit seinen vier Regimentern<br />

Marineinfanterie unter der Führung von<br />

Marschall Marmont als der kampfkräftigste<br />

Großverband <strong>Napoleon</strong>s. Die bestens ausgebildeten<br />

Soldaten haben im laufenden Feldzug<br />

noch keine Niederlage erlitten. Bereits<br />

um 7:00 Uhr hat er das Korps per Befehl von<br />

TRAGISCH: Gerhard von Scharnhorst erlebte<br />

den Sieg der Verbündeten <strong>über</strong> <strong>Napoleon</strong>s<br />

Truppen bei Leipzig nicht mehr. Er wurde in<br />

der Schlacht von Großgörschen am<br />

2. Mai <strong>1813</strong> verletzt und starb wenige<br />

Wochen später am 28. Juni an den Folgen<br />

dieser medizinisch unzureichend versorgten<br />

Verwundung. Scharnhorst gilt<br />

bis heute als einer der bedeutendsten<br />

preußischen Militärreformer.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

der Nordfront in Richtung<br />

Süden beordert. Mit ihm<br />

will er Schwarzenbergs Armee<br />

zertrümmern.<br />

Aber das Eintreffen von zwei Korps der<br />

Schlesischen Armee vor Möckern erlaubt<br />

kein Abziehen französischer Kräfte im Norden.<br />

Marmonts Korps steht hier in vorberei-<br />

20


Hin und her wogender Kampf<br />

DRAMATISCHER AUGENBLICK: Erstürmung des Grimmaischen<br />

Tores am 19. Oktober <strong>1813</strong>. Die Niederlage der Franzosen nimmt<br />

durch das Vorrücken der Verbündeten in die Leipziger Innenstadt<br />

immer konkretere Züge an.<br />

Abb.: picture-alliance/ZB<br />

teten Stellungen. Er<br />

verfügt <strong>über</strong> eine vortreffliche<br />

Artillerie, die er auf<br />

den Höhen ostwärts von Möckern positioniert.<br />

Da sein Abschnitt im Westen von der<br />

Elster begrenzt wird, können die preußischen<br />

Truppen unter dem Kommando von<br />

Yorck nur frontal vorgehen. Entsprechend<br />

hoch sind die Verluste. Er lässt sie mehrmals<br />

auf Möckern hin zum Angriff antreten. Doch<br />

jedes Mal werden sie nach Austritt aus der<br />

Ortschaft von der französischen Artillerie<br />

mit präzisem Feuer belegt und von der Infanterie<br />

im Gegenstoß abgewiesen.<br />

<strong>Napoleon</strong> will den Sieg erzwingen<br />

Als der Einsatz der französischen Reserve beginnt,<br />

befiehlt Yorck drei Eskadronen Brandenburger<br />

Husaren nach vorne. Sie werfen<br />

die anrückenden französischen Kolonnen zurück,<br />

da diese aufgrund von Gefechtslärm<br />

und Pulverdampf den Angriff zu spät erkennen<br />

und keine Karrees mehr bilden können.<br />

Möckern ist in preußischer Hand. Am Ende<br />

des Tages belaufen sich die Verluste auf beiden<br />

Seiten auf circa 15.000 Mann. Die Bindung<br />

der französischen Kräfte an der Nordfront<br />

durch die Schlesische Armee erzielt<br />

aber eine große Wirkung. Das hier kämpfende<br />

VI. Korps fehlt <strong>Napoleon</strong> im Süden.<br />

Dadurch sind seine Kräfte für die angestrebte<br />

Entscheidung zu schwach. Dennoch<br />

entschließt er sich – alternativlos – gegen<br />

14:00 Uhr zum allgemeinen Angriff auf die<br />

Stellungen der Böhmischen Armee. In den<br />

bis zur Dämmerung verbleibenden Stunden<br />

entbrennt ein zähes Ringen um Vorteile.<br />

Französische Infanterie rückt, unterstützt<br />

von Kavallerie, in tiefgestaffelten Kolonnen<br />

nach vorne, wie sie es in den unzähligen<br />

Schlachten <strong>Napoleon</strong>s gewohnt war. <strong>Napoleon</strong><br />

will den Sieg erzwingen. Sein XI. Korps<br />

unter Macdonald soll Schwarzenbergs Stellung<br />

an deren rechten Flügel umgehen. Diese<br />

Bewegung wird jedoch von<br />

russischer Kavallerie der Böhmischen<br />

Armee und von den ersten<br />

Tipp<br />

www.voelkerschlacht-jubilaeum.de<br />

Internetseite zum Jubiläum<br />

<strong>1813</strong> – 1913 – 2013<br />

Spitzen der anrückenden russisch-polnischen<br />

Armee unter General Bennigsen zurückgeschlagen.<br />

Schwerer Rückschlag<br />

<strong>Napoleon</strong>s massiver Kavallerieangriff mit<br />

circa 8.000 Reitern im Zentrum in Richtung<br />

Güldengossa scheitert ebenfalls. Die russische<br />

Infanterie der Böhmischen Armee steht<br />

unerschüttert. Auch die wankenden Linien<br />

der Alliierten im Raum Markkleeberg halten<br />

gegen einen Angriff der „Jungen Garde“ <strong>Napoleon</strong>s<br />

stand.<br />

Das Durchbrechen der „böhmischen“<br />

Front gelingt <strong>Napoleon</strong> nirgends. Am Abend<br />

des Tages haben die Alliierten die Krise der<br />

Schlacht <strong>über</strong>standen. <strong>Napoleon</strong>s Misserfolg<br />

am Südabschnitt und die Zerschlagung<br />

seines besten Korps im Nordabschnitt<br />

bei Möckern sind der<br />

Grundstein für den alliierten Erfolg<br />

in der Gesamtschlacht. Von nun an<br />

arbeitet die Zeit gegen <strong>Napoleon</strong>.<br />

Der zweite Tag der Schlacht bei<br />

Leipzig ist von einer ausgedehnten<br />

Ruhephase geprägt. Beide Seiten<br />

sind von den schweren Kämpfen am<br />

Clausewitz 4/2013<br />

21


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

Vortag erschöpft. Nur Blücher erobert im<br />

Norden die Flecken Gohlis und Eutritzsch.<br />

<strong>Napoleon</strong> nutzt den Tag zum Umdisponieren<br />

seiner Kräfte. Die Verluste des Vortages<br />

veranlassen ihn, Wachau und Liebertwolkwitz<br />

zu räumen und seine verbliebenen<br />

160.000 Mann näher auf Leipzig zurückzunehmen.<br />

Damit verkürzt er seine Frontlinie<br />

um einige Kilometer.<br />

Auch wenn <strong>Napoleon</strong> ahnt, dass seine<br />

Stellung einen weiteren Schlachttag nicht<br />

<strong>über</strong>stehen wird, denkt er nicht daran aufzugeben<br />

oder seine Truppen aus dem immer<br />

prekärer werdenden Ring der alliierten Kräfte<br />

herauszunehmen.<br />

Bitte um Waffenstillstand<br />

Er setzt nun aber auf familiäre Beziehungen.<br />

Im Lager der Böhmischen Armee befindet<br />

sich sein Schwiegervater – der österreichische<br />

Kaiser Franz. Den bei Connewitz gefangengenommenen<br />

General Merveldt<br />

schickt er mit der Bitte um einen Waffenstillstand<br />

zur Böhmischen Armee. Im Gefühl ihres<br />

nahenden Sieges erhält er von den Alliierten<br />

jedoch nicht einmal eine Antwort auf<br />

seinen letzten diplomatischen Versuch.<br />

Nach der gescheiterten Entscheidung des<br />

Vortages muss sich <strong>Napoleon</strong> nun endgültig<br />

auch Gedanken für den „worst case“, eine<br />

mögliche Niederlage, machen. Der sich abzeichnenden<br />

alliierten Option zur Einkesselung<br />

der französischen Kräfte begegnet <strong>Napoleon</strong><br />

mit einem Truppendetachement im<br />

Westen Leipzigs, um die einzige „Fluchtstraße“,<br />

die <strong>über</strong> Lindenau und Weißenfels<br />

führt, zu sichern.<br />

IN STEIN GEMEIßELT: Gedenkstein mit Inschrift<br />

zur Erinnerung an den Standort von<br />

<strong>Napoleon</strong>s Befehlsstand während der<br />

Schlacht am 18. Oktober <strong>1813</strong>. Ursprünglich<br />

stand hier die Quandtsche Tabaksmühle,<br />

die im Rahmen der „Völkerschlacht“ zerstört<br />

wurde.<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Auch die Alliierten bleiben nicht untätig. Die<br />

polnisch-russische Reservearmee unter dem<br />

Kommando von General Bennigsen verstärkt<br />

die Böhmische Armee an deren rechten<br />

Flügel südostwärts von Leipzig. Hinzu<br />

kommen die Verstärkungen, die der österreichische<br />

General von Colloredo-Mansfeld<br />

zuführt. Und im Nordosten Leipzigs schließt<br />

die langsam eintreffende Nordarmee unter<br />

Bernadotte den Ring um die napoleonische<br />

Aufstellung. Damit stehen den Franzosen<br />

circa 306.000 Alliierte mit 1.200 Geschützen<br />

gegen<strong>über</strong> – nahezu das Doppelte der napoleonischen<br />

Kräfte.<br />

Für die erhoffte Entscheidung des kommenden<br />

Tages formieren die Alliierten sechs<br />

Angriffskolonnen – die ersten drei bei der<br />

Böhmischen Armee. Die 50.000 österreichische<br />

Truppen umfassende I. Kolonne unter<br />

Hessen-Homburg soll von Markkleeberg<br />

aus in Richtung Leipzig vorstoßen. General<br />

Barclay de Tolly soll mit seinen 50.000 Russen<br />

und Preußen als II. Kolonne von Güldengossa<br />

aus zwischen Wachau und Liebertwolkwitz<br />

die französische Schlüsselposition<br />

Probstheida angreifen, während die III. Kolonne<br />

mit 65.000 Mann unter der Führung<br />

von Bennigsen gegen die französischen Stellungen<br />

bei Zuckelshausen, Holzhausen,<br />

Zweinaundorf und Mölkau marschiert.<br />

Angriff der Verbündeten<br />

Im Nordosten wird die Nordarmee als<br />

IV. Kolonne mit 95.000 Mann unter Bernadotte<br />

von Taucha aus gegen die französischen<br />

Kräfte zwischen Schönefeld und<br />

Paunsdorf angesetzt. Die Blücher nach den<br />

verlustreichen Kämpfen verbliebenen 25.000<br />

Mann seiner Schlesischen Armee sollen als<br />

V. Kolonne versuchen, den Norden Leipzigs<br />

zu erreichen. Die VI. und mit 20.000 Mann<br />

kleinste Kolonne wird erneut in Richtung<br />

Lindenau in Marsch gesetzt.<br />

Die weiträumige Aufstellung der alliierten<br />

Truppen macht deren zentrale Führung<br />

unmöglich. Sie greifen im Verlauf des 18. Oktobers<br />

zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

und mit unterschiedlichem Erfolg an: Die<br />

ERFOLGREICHE ALLIANZ: Die verbündeten Heere Preußens,<br />

Russlands, Österreichs und Schwedens setzen der napoleonischen<br />

Armee heftig zu. Die „Völkerschlacht“ sollte die Vorentscheidung<br />

im Kampf gegen <strong>Napoleon</strong>s Fremdherrschaft in<br />

Europa bringen, Gemälde von Peter von Hess (1853/54).<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

22


<strong>Napoleon</strong> zieht sich zurück<br />

I. Kolonne erobert zwar Dösen, Dölitz und<br />

Lößnig, wird aber durch französische Truppen<br />

der jungen und alten „Garde“ zurückgeworfen.<br />

Teile der VI. Kolonne greifen zur<br />

Unterstützung ein. Dieses Manöver führt jedoch<br />

dazu, dass die Rückzugsstraße <strong>Napoleon</strong>s<br />

nach Westen offen bleibt.<br />

Das „Finale” beginnt<br />

Die II. Kolonne scheitert mit ihrem Frontalangriff<br />

auf Probstheida, dessen Verteidigung<br />

von <strong>Napoleon</strong> geleitet wird. Nur die III. Kolonne<br />

der Böhmischen Armee kann das Angriffsziel<br />

erreichen. Nach Einnahme der vor<br />

ihm liegenden Dörfer entscheidet sich Bennigsen<br />

zum Sturmangriff auf Stötteritz, der<br />

allerdings erfolglos bleibt.<br />

Der IV. Kolonne gelingt es aufgrund ihrer<br />

drückenden personellen Überlegenheit, den<br />

französischen linken Flügel der Aufstellung<br />

zurückzudrängen. Von der Aussichtslosigkeit<br />

ihrer Situation <strong>über</strong>zeugt, gehen in diesem<br />

Frontabschnitt sächsische und württembergische<br />

Rheinbundsoldaten während der<br />

Schlacht auf die Seite der Alliierten <strong>über</strong>. Im<br />

Norden indes bleiben die Angriffe der V. Kolonne<br />

weitgehend erfolglos ohne größere<br />

Geländegewinne im französischen Gegenfeuer<br />

liegen.<br />

Gleichwohl zwingen die enormen Verluste<br />

<strong>Napoleon</strong> am Abend dazu, seine Niederlage<br />

einzugestehen. Seine Truppen stehen<br />

zwar noch auf der Linie Connewitz–<br />

Probstheida–Stötteritz–Crottendorf–Reudnitz–Gohlis.<br />

Die Gesamtlage ist jedoch hoffnungslos.<br />

Er entschließt sich zum Rückzug.<br />

Um den Vormarsch der Alliierten zu verzögern,<br />

lässt <strong>Napoleon</strong> circa 30.000 Mann<br />

meist nicht-französischer Herkunft – in dem<br />

Wissen, dass die Alliierten diese erst noch<br />

niederzuringen haben – in Leipzig zurück.<br />

Dies verschafft ihm einen Zeitvorsprung.<br />

Am 19. Oktober beginnt das „Finale“ um<br />

10:00 Uhr mit einem Sturmangriff von drei<br />

„Es gibt kein beseligenderes Gefühl als Befriedigung<br />

einer solchen Nationalrache. Unaufhaltsam schreiten<br />

wir jetzt an den Rhein vor, um diesen vaterländischen<br />

Strom von seinen Fesseln zu befreien.“<br />

Literaturtipp<br />

Gneisenau in einem Brief an seine Frau am 24. Oktober <strong>1813</strong>.<br />

<strong>1813</strong> – 1913 – 2013: Leipzig und die<br />

Völkerschlacht (Broschur, dt.-engl., 52 Seiten),<br />

Leipzig 2013.<br />

ERLÖSUNG: Kaiser Franz I. von Österreich (Mitte) und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen<br />

(knieend links im Bild) und Russlands Zar Alexander I.<br />

Foto: ullstein bild - Imagno<br />

alliierten Korps auf die in der Stadt eingekesselten<br />

französischen Kräfte. Im Nordosten<br />

kämpfen sich russische Truppen unter der<br />

Führung von Langeron und von Sacken unter<br />

Verlusten in Richtung Hallesches Tor vor.<br />

Im Südosten dringen preußische Kräfte unter<br />

General von Bülow in die Grimmaische<br />

Vorstadt ein. Im Süden wird neben der Pleißenburg<br />

das Peterstor durch russische Infanteristen<br />

unter Bennigsen genommen. Nach<br />

der Sprengung der Elsterbrücke beim Ranstädter<br />

Tor im Norden Leipzigs – der einzige<br />

Fluchtweg der französischen Truppen –<br />

bricht die Verteidigung der Stadt im Chaos<br />

zusammen. Um 13:00 Uhr ist Leipzig in der<br />

Hand der Verbündeten.<br />

Der französische Herrscher weicht mit seinen<br />

noch immer weit mehr als 100.000 Mann<br />

umfassenden Kräften geordnet zurück.<br />

Durch seinen Rückzug <strong>über</strong>lässt er fast 80.000<br />

Mann seiner Besatzungstruppen in eingeschlossenen<br />

Festungen ihrem Schicksal. Über<br />

Weißenfels, Erfurt, Eisenach, Fulda und<br />

Frankfurt erreicht er am 2. November <strong>1813</strong><br />

Mainz, wo er <strong>über</strong> den Rhein geht. Auch<br />

wenn er nicht energisch genug von den Alliierten<br />

verfolgt wird – nur Blücher und Gneisenau<br />

wollen stärkeren Druck aufbauen –,<br />

schrumpft seine verbliebene Armee auf eine<br />

Stärke von nur noch 60.000 Mann zusammen.<br />

Nach dem Rhein-Übergang der Alliierten<br />

Ende Dezember <strong>1813</strong>/Anfang 1814 führt ihr<br />

Frühjahrsfeldzug 1814 in Frankreich letztlich<br />

zur Abdankung <strong>Napoleon</strong>s und seinem zwischenzeitlichen<br />

Exil auf Elba. Seine „Herrschaft<br />

der 100 Tage“ im folgenden Jahr wird<br />

durch die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni<br />

1815 endgültig beendet.<br />

Die „Völkerschlacht“ bei Leipzig hat als die<br />

bis dato größte Feldschlacht der Weltgeschichte<br />

tiefe Spuren im Gedächtnis der europäischen<br />

Völker hinterlassen. Schließlich kämpften<br />

Soldaten aus allen Regionen des Kontinents<br />

vor und in Leipzig. Der Eindruck der an<br />

der Schlacht beteiligten Soldaten und Zeitzeugen<br />

war – in positivem wie negativem Sinn –<br />

<strong>über</strong>wältigend. Gneisenau schrieb <strong>über</strong> das<br />

Ringen in einem Brief an seine Frau am<br />

24. Oktober <strong>1813</strong>: „Es sind dieses Tage gewesen,<br />

wie sie die Geschichte nie gesehen hat.“<br />

Dr. Eberhard Birk, Oberregierungsrat und Oberstleutnant<br />

d.R., Dozent für Militärgeschichte an der Offizierschule<br />

der Luftwaffe (OSLw) in Fürstenfeldbruck.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

23


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

200 Jahre „Völkerschlacht“ – Leid der Menschen<br />

Im Angesicht des Todes<br />

Herbst <strong>1813</strong>: Krieg – gemessen an<br />

den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung<br />

– erfahren die Leipziger in<br />

der selben Dimension wie einst die<br />

Bewohner Magdeburgs, als deren<br />

Stadt von den Truppen des kaiserlichen-katholischen<br />

Feldherrn Tilly im<br />

Jahr 1631 niedergebrannt wurde.<br />

Von Peter Andreas Popp<br />

BELASTEND: Die Totengräber in<br />

Leipzig haben im Oktober <strong>1813</strong> viel<br />

zu tun. Die Gefahr der Ausbreitung<br />

von Seuchen durch die <strong>über</strong>all in<br />

der Stadt herumliegenden Leichen<br />

ist zu dieser Zeit sehr groß.<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

24


Die Entwicklung Leipzigs und Magdeburgs<br />

wurde durch den Krieg um Jahrzehnte<br />

zurückgeworfen. In beiden Fällen<br />

brannte sich das „Ereignis Krieg“ tief in<br />

das Kollektivgedächtnis ein. Und so grenzt es<br />

im Falle Leipzigs fast an ein Wunder, dass diese<br />

Kommune 100 Jahre später, also vor Ausbruch<br />

des Ersten Weltkriegs, zu den bedeutendsten<br />

Großstädten Deutschlands zählen<br />

sollte.<br />

Dabei hatten die Leipziger im Herbst <strong>1813</strong><br />

noch Glück: Die Stadt war in ihrer Bausubstanz<br />

noch intakt, weil <strong>Napoleon</strong> das Terrain<br />

Hals <strong>über</strong> Kopf geräumt, die vorbereite Zerstörung<br />

der Leipziger Vorstädte durch Brand<br />

nicht umgesetzt und seine fürchterlichste<br />

Waffe, die Artillerie, nicht entsprechend zum<br />

Einsatz gebracht hatte. Wie schrecklich diese<br />

Waffe wirkte, belegt die Schlacht von Wagram<br />

(5./6. Juli 1809) – doch dies geschah<br />

nicht auf dicht besiedeltem Boden.<br />

Was macht „Leipzig im Oktober <strong>1813</strong>“ so<br />

besonders? Eine derart große „militärische<br />

Menschenmenge“ auf engstem Raum war<br />

etwas Neues in der Geschichte. Mit etwas ernüchterndem<br />

Blick sei festgestellt: Dies wäre<br />

kein Thema, wenn nicht zahlreiche eindringliche<br />

Erlebnisberichte aus unterschiedlicher<br />

Perspektive existieren würden, die das<br />

Elend der Stadt, ihrer Menschen und der Soldaten<br />

eindringlich beschreiben.<br />

Völkerschlacht und Öffentlichkeit<br />

Die „Völkerschlacht“ wurde zum publizistischen<br />

Ereignis auch aus sozialgeschichtlicher<br />

Perspektive, kaum dass sie geschlagen<br />

war. Sie blieb es bis zu ihrem 100-jährigen<br />

Jahrestag im Jahr 1913. Sie wurde es wieder<br />

anhand des Neudrucks zeitgenössischer<br />

Augenzeugenberichte in der letzten Phase<br />

der DDR. Und spätestens heute zur 200-jährigen<br />

Wiederkehr entgeht dem Interessierten<br />

nicht, was Krieg eben vor allem für die<br />

Zivilbevölkerung bedeutet: Tod, Leid und<br />

Elend.<br />

DOKUMENT<br />

VERLUSTREICH: In Leipzig toben im Oktober <strong>1813</strong> in weiten Teilen der Stadt schwere Straßenkämpfe,<br />

die eine Vielzahl von Opfern fordern. Abb.: picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter<br />

Unter den Augenzeugenberichten stechen<br />

zwei Autoren besonders hervor: der Arzt Johann<br />

Christian Reil (1759–<strong>1813</strong>) und der Musikwissenschaftler<br />

Johann Friedrich Rochlitz.<br />

Reil gilt als der Begründer der modernen<br />

Psychiatrie. Dieser Umstand ist besonders<br />

deshalb erwähnenswert, weil die Forschung<br />

<strong>über</strong> Kriegstraumata ein zentrales medizinpolitisches<br />

Aufgabenfeld darstellt. Die sensible<br />

Darstellung des Geschehens aus der Feder<br />

von Rochlitz wertete Goethe als „eine<br />

der wundersamsten Produktionen, die sich<br />

je ereignet haben“. Mit Rochlitz findet die<br />

publizistische Darstellungsform der Kriegsreportage<br />

jenseits der bloßen Kriegsberichterstattung<br />

ihren Ausgangspunkt im deutschsprachigen<br />

Raum.<br />

Augenzeugenbericht eines Totengräbers<br />

„Möchte der allerhöchste Weltregierer nie<br />

wollen, dass die Menschheit dergleichen<br />

Angst- und Schreckensszenen wieder erlebe,<br />

als die guten Bewohner Leipzigs im Jahre<br />

<strong>1813</strong> sahen. (...) Durch die Schrecknisse<br />

der vorhergehenden Tage und die verpestete<br />

Luft starben viele Einwohner Leipzigs an<br />

ansteckenden Krankheiten. Die Sterblichkeit<br />

in den Monaten November und Dezember<br />

<strong>1813</strong> war so groß, dass ich oft nicht<br />

wusste, wie ich die Toten beerdigen sollte,<br />

und oft geschah es, dass die für den folgenden<br />

Tag mit aller Anstrengung gemachten<br />

Gräber schon von den Soldaten mit ihren<br />

Leichen belegt und zugemacht waren, obgleich<br />

zur Aufrechterhaltung der Ordnung<br />

Bürgerwache auf dem Gottesacker war, die<br />

jedoch von den Russen wie von den Franzosen<br />

nicht beachtet wurde.“<br />

Johann Daniel Ahlemann: Erlebnisse des Totengräbers<br />

vom Johannisfriedhof, in: Vor Leipzig<br />

<strong>1813</strong>. Die Völkerschlacht in Augenzeugenberichten,<br />

Hg. Karl-Heinz Börner, Berlin (O)<br />

1988, S. 271 u. 277.<br />

Reils Report<br />

Lassen wir Reil direkt zu Wort kommen –<br />

aus seinen Sätzen spricht tiefste Humanität<br />

und nicht allein dies. In seinem Bericht <strong>über</strong><br />

die Situation in den Lazaretten der mit Preußen<br />

verbündeten Staaten vom 26. Oktober<br />

<strong>1813</strong> schreibt er von „Untaten“, die „nicht<br />

für die Tagesgeschichte verloren gehen<br />

dürf(t)en“ und fährt fort: „In Leipzig fand<br />

ich ungefähr 20.000 Verwundete und kranke<br />

Krieger aller Nationen. Die zügelloseste<br />

Phantasie ist nicht im Stande, sich ein Bild<br />

des Jammers in so grellen Farben auszumalen,<br />

als ich es hier in Wirklichkeit vor mir<br />

fand (...) Die Verwundeten liegen entweder<br />

in dumpfen Spelunken, in welchen selbst<br />

das Amphibienleben nicht Sauerstoffgas genug<br />

finden würde, in scheibenleeren Schulen<br />

und hochgewölbten Kirchen, in welchen die<br />

Kälte der Atmosphäre in dem Maße wächst,<br />

als ihr Verderbnis abnimmt.“<br />

Für Reil ist das Verhalten der Leipziger Behörden<br />

unfassbar: „Bei dem Mangel öffentlicher<br />

Gebäude hat man doch nicht ein einziges<br />

Bürgerhaus den gemeinen Soldaten zum Spitale<br />

eingeräumt. An jenen Orten liegen sie<br />

geschichtet, wie die Heringe in ihren Tonnen,<br />

alle noch in den blutigen Gewändern, in welchen<br />

sie aus der heißen Schlacht hereingetragen<br />

sind. Unter 20.000 Verwundeten hat nicht<br />

ein einziger ein Hemde, Betttuch, Decke,<br />

Strohsack oder Bettstelle erhalten.“<br />

Fassungslos beendet er seinen Report:<br />

„Ich schließe meinen Bericht mit dem grässlichsten<br />

Schauspiel, das mir kalt durch die<br />

Glieder fuhr und meine ganze Fassung<br />

lähmte. Nämlich auf dem offenen Hofe der<br />

Bürgerschule fand ich einen Berg, der aus<br />

Kehricht und Leichen meiner Landsleute bestand,<br />

die nackend lagen und von Hunden<br />

und Ratten angefressen wurden, als wenn<br />

sie Missetäter und Mordbrenner gewesen<br />

wären. So entheiligt man die Überreste der<br />

Helden, die dem Vaterlande gefallen sind!“<br />

Clausewitz 4/2013<br />

25


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

AUGENZEUGE: Der<br />

Arzt, Anatom und<br />

Psychologe Johann<br />

Christian Reil schildert<br />

eindringlich das<br />

Leid und Elend der<br />

an der „Völkerschlacht“<br />

beteiligten<br />

Soldaten und<br />

der Bevölkerung von<br />

Leipzig. Er selbst<br />

stirbt im November<br />

<strong>1813</strong> an den Folgen<br />

einer Fleckfieber-<br />

Erkrankung.<br />

Foto: picture-alliance/<br />

akg-images<br />

Reil starb kurz darauf an einer der Folgen dieser<br />

katastrophalen hygienischen Zustände, an<br />

Fleckfieber. Seine Sätze regen zum Nachdenken<br />

dar<strong>über</strong> an, ob nicht gerade durch die<br />

Kampfhandlungen und die rücksichtslosen<br />

militäradministrativen Maßnahmen aller beteiligten<br />

Kriegsparteien im Vorfeld der<br />

Schlacht die Einwohnerschaft Leipzigs nicht<br />

geradezu zwangsläufig in einen Zustand<br />

tiefster Paralyse versetzt worden war.<br />

Die menschliche Psyche<br />

Krieg stumpft in mehrfacher Hinsicht ab.<br />

Nicht nur die Militärverwaltung, auch die<br />

Zivilbehörden waren total <strong>über</strong>fordert. Zahlreiche<br />

Berichte legen Zeugnis ab <strong>über</strong> die<br />

problematische Ernährungslage vor Wintereinbruch,<br />

<strong>über</strong> Plünderungen und <strong>über</strong> aktiv<br />

betriebene Leichenfledderei auf dem<br />

Schlachtfeld.<br />

Besonders begehrt sind neben dem Uniformtuch<br />

und den Waffen der toten Soldaten<br />

deren Gebisse. Hier entstand ein neuer<br />

„Markt“, und wir dürfen davon ausgehen,<br />

dass besonders skrupellose Zeitgenossen<br />

dem Soldatentod auch etwas nachgeholfen<br />

haben, solange das infolge der Kampfhandlungen<br />

selbst zunächst desorganisierte Militär<br />

nichts dagegen unternahm.<br />

Lebensmittel waren rationiert, und dies<br />

ist wie in anderen Notlagen immer die Ge-<br />

burtsstunde des Schwarzmarktes. An strikt<br />

sachrationaler Herangehensweise zur Lösung<br />

der Not mangelte es deutlich. Stattdessen<br />

gab es – wie fast immer in Zeiten tiefster<br />

Desorientierung – zweifelhafte „Lösungsansätze“!<br />

So wird den Leichenbergen zunächst<br />

mit den „Prendel’schen Räucherkerzen“<br />

– angezündeten Pferdemisthaufen – der Garaus<br />

gemacht. Sie verhindern nicht, dass von<br />

Ende November <strong>1813</strong> bis Anfang April 1814<br />

knapp 2.000 Leipziger an Fleckfieber erkranken<br />

und davon rund 500 sterben – darunter<br />

auch der Vater von Richard Wagner.<br />

Wir kennen von kriegerischen Ereignissen<br />

der Gegenwart, dass sich der Mensch<br />

auch neu organisieren kann. In Leipzig war<br />

Bürgersinn seit den Tagen des Mittelalters<br />

immer vorhanden. So starten drei Vertreter<br />

GEDENKEN: Findling zur Erinnerung an die<br />

in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig gefallenen<br />

Soldaten beider Seiten auf dem Leipziger<br />

Nordfriedhof. Dieses schlichte Denkmal<br />

wurde bereits 1899 eingeweiht, 14 Jahre<br />

vor dem mächtigen „Völkerschlachtdenkmal“.<br />

Abb.: picture-alliance/ZB<br />

der Leipziger Kaufmannschaft am 1. November<br />

<strong>1813</strong> eine Spendenaktion mit der<br />

englischen Öffentlichkeit als Hauptzielgruppe.<br />

Es ist auch die Stunde engagierter Intellektueller.<br />

Der sächsische Buchhändler Rudolph<br />

Ackermann trägt <strong>über</strong> die „Westminster<br />

Association“ circa 250.000 £ zusammen.<br />

Das Geld wird <strong>über</strong> kommunale Beamte und<br />

evangelische Pastoren an die notleidenden<br />

Bürger von Leipzig und Umgebung verteilt.<br />

Quer durch alle Schichten erblüht nach dem<br />

„Noch lagen die Toten und Halbtoten auf dem Gottes-<br />

Acker, von dem vorhergehenden Tag umher, und man<br />

konnte kaum einige Schritte gehen, ohne nicht auf<br />

einen Toten oder verwundeten Menschen zu stoßen (...)“.<br />

Aus: Johann Daniel Ahlemann, Totengräber zu Leipzig, <strong>über</strong> die Verhältnisse im<br />

Umfeld des Leipziger Johannesfriedhofs, in: Zeugen des Schreckens.<br />

Erlebnisberichte aus der Völkerschlachtzeit in und um Leipzig, zusammengestellt<br />

von Thomas Nabert, Leipzig 2012, S. 69.<br />

ersten Schock der Bürgersinn. So steht die<br />

„Völkerschlacht“ mittelbar auch für das, was<br />

der Krieg gemeinhin zerstört: die Überwindung<br />

der Krise durch Bürgerlichkeit und<br />

Bürgersinn.<br />

Dr. phil. Peter Andreas Popp, Oberstleutnant,<br />

Jg. 1958, seit 2005 tätig an der Offizierschule der<br />

Luftwaffe (OSLw), Fürstenfeldbruck, als Lehrstabsoffizier<br />

für Militärgeschichte und Politische Bildung.<br />

Zuvor langjähriger Mitarbeiter im Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt (MGFA), Potsdam.<br />

26


Schlachten, Technik,<br />

Feldherren<br />

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Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

„Völkerschlacht“ – Waffen und Technik<br />

Mittel des<br />

Krieges<br />

Leipzig <strong>1813</strong>: Die Ausrüstung der verfeindeten Armeen<br />

weist in vielen Bereichen Defizite auf. Eine zweckentsprechende<br />

Bewaffnung kann die Voraussetzungen des<br />

kriegerischen Erfolges deutlich erhöhen. Von Holger Hase<br />

Veränderungen in Strategie und Taktik<br />

während der „<strong>Napoleon</strong>ischen Kriege“<br />

sind eher auf organisatorische und effizienzsteigernde<br />

Maßnahmen zurückzuführen<br />

als auf die Einführung technischer Neuerungen.<br />

Die Weiterentwicklung der Linearzur<br />

Kolonnentaktik im Bereich der Infanterie<br />

basiert vor allem auf dem veränderten System<br />

der Heeresaufbringung, mit dem sich zudem<br />

die bestehenden waffentechnischen Defizite<br />

besser ausgleichen lassen.<br />

Die Hauptbewaffnung des wichtigsten<br />

Teils des Heeres, der Infanterie, sind Vorderladergewehre<br />

mit Steinschloss. Diese werden<br />

von den Soldaten aufrecht stehend geladen<br />

und verfügen <strong>über</strong> glatte Läufe. Die Ladung<br />

wird von vorn eingebracht. Die dafür<br />

verwendeten Kugeln sind kleiner als der<br />

Laufinnendurchmesser. Sie rollen in den<br />

Lauf hinein und werden deshalb als „Rollkugeln“<br />

bezeichnet. Dies ist notwendig, weil<br />

sich bei der Verbrennung des Pulvers Rückstände<br />

in den Läufen absetzen. Dies führt<br />

dazu, dass sich das Kaliber der Waffen<br />

„schussweise“ verringert. Das Normkaliber<br />

der Rohre liegt zwischen 17 und 20 Millimetern<br />

je nach Land und Hersteller, weicht aber<br />

aufgrund produktionsbedingter Umstände<br />

oft bis zu 0,5 Millimeter vom Soll ab.<br />

Durch diese Ungenauigkeiten haben die<br />

Kugeln einen großen Spielraum im Lauf. Eine<br />

genaue Führung – und damit einhergehend<br />

ein präziser Schuss – sind somit nicht<br />

möglich. Man verzichtet deshalb fast völlig<br />

auf eine Visiereinrichtung und versucht die<br />

mangelhafte Präzision des Einzelschusses<br />

durch massiertes Salvenfeuer auszugleichen.<br />

Der Einzelschütze besitzt kaum Kampfkraft,<br />

einzig die geschlossene Formation ist durchsetzungsfähig.<br />

Schnelles Laden und gemeinsames Schießen<br />

stehen daher im Vordergrund der infanteristischen<br />

Ausbildung. Sie entscheiden oft<br />

<strong>über</strong> Sieg oder Niederlage auf dem Schlachtfeld.<br />

Die wirksame Schussweite der Gewehre<br />

beträgt in der Regel 300 Meter.<br />

Gefährlich unzuverlässig<br />

Die Lauflänge bestimmt wesentlich die Entfernung,<br />

die die Kugeln bis ins Ziel zurücklegen<br />

können. Zeitgenössische Gewehre besitzen<br />

Lauflängen zwischen 100 und 115<br />

Zentimetern. Das glattläufige Gewehr des<br />

Infanteristen heißt nach dem zur Zündung<br />

benutzten Steinschloss meist Flinte (franz.<br />

fusil), traditionell in manchen Armeen noch<br />

Muskete. Der Name leitet sich vom verwendeten<br />

Feuer- oder Flintstein ab. Mit dessen<br />

Hilfe wird durch ein mechanisches Schlagen<br />

auf eine stählerne Fläche am Schloss des Gewehres<br />

ein Zündfunken erzeugt, der von außen<br />

durch ein in der Laufwandung liegendes<br />

Zündloch das Schwarzpulver im Inneren<br />

zündet. Die Störanfälligkeit ist hoch. Statistisch<br />

gesehen versagt jeder siebente Schuss.<br />

AUSSCHNITT: Steinschloss des 1801 in der<br />

preußischen Armee eingeführten „Nothardt“-<br />

Infanteriegewehrs, benannt nach seinem<br />

Konstrukteur Friedrich Magnus von Nothardt.<br />

Bei dem Modell M/1801 wurde erstmals eine<br />

bahnbrechende Neuerung eingesetzt, die Visiereinrichtung<br />

mit Kimme und Korn, die gezieltes<br />

Feuern ermöglichte. Foto: picture-alliance/Artcolor<br />

MIT VOLLER WUCHT: Szene aus<br />

der Schlacht bei Dennewitz am<br />

6. September <strong>1813</strong> im Vorfeld der<br />

„Völkerschlacht“ von Leipzig. Reiter<br />

des 1. Kurmärkischen<br />

Landwehr-Kavallerie-Regiments<br />

attackieren<br />

ein Karree gegnerischer<br />

Infanterie, Farbdruck,<br />

1890, nach Richard<br />

Knötel. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Bei starkem Wind oder Regen schließt sich eine<br />

Zündung praktisch aus. Nicht selten werden<br />

daher Gefechte mit dem Bajonett ausgetragen.<br />

Dazu wird eine eiserne Hülse, die<br />

„Dille“, <strong>über</strong> die Laufmündung geschoben.<br />

Ein horizontal abgeknickter Arm verbindet<br />

Dille und Klinge und ermöglicht das Laden<br />

und Schießen mit aufgepflanztem Bajonett.<br />

28


Bajonettfechten gehört neben der Schießausbildung<br />

zum „Handwerkszeug“ eines jeden<br />

Infanteristen.<br />

Die nach der Französischen Revolution eingeführte<br />

Kolonnentaktik mit der im Nahkampf<br />

die Entscheidung suchenden Fechtweise trägt<br />

wesentlich zum verstärkten Gebrauch dieser<br />

Blankwaffen bei.<br />

Das in Europa am weitesten verbreitete Gewehr<br />

der Epoche ist das französische Infanteriegewehr<br />

Modell 1777. Bis 1839 werden<br />

davon sieben Millionen Stück gebaut. Mit<br />

113 Zentimetern Lauflänge ist es eine verhältnismäßig<br />

lange Waffe, die es bei aufgepflanztem<br />

Bajonett sogar auf 190 Zentimeter<br />

bringt. Das Laufkaliber beträgt 17,5 Millimeter.<br />

Das zum Teil aus Messing hergestellte,<br />

sehr stabile Schloss der Waffe bietet indes<br />

keine Garantie für einen zuverlässigen<br />

Zündvorgang. Bei den französischen Gewehren<br />

kommt es häufig zu Zündversagern.<br />

Preußen führt 1801 das Nothardt-Gewehr<br />

ein, das ein Laufkaliber von 15,7 Millimetern<br />

besitzt, sehr leicht ist und als das modernste<br />

Infanteriegewehr der Zeit gilt.<br />

DETAIL: Das Steinschloss eines preußischen<br />

Infanteriegewehrs M/1809, auch Neupreußisches<br />

Gewehr genannt, mit einem zwischen<br />

den Lippen des Hahns festgeklemmten Flintstein.<br />

Diese Waffe wurde 1811 eingeführt und<br />

während der „Befreiungskriege“ eingesetzt. Sie<br />

wurde später abgelöst durch Gewehre mit Perkussionsschloss.<br />

Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Uneinheitliche Bewaffnung<br />

Im Zuge der Reorganisation ihres Heeres<br />

führen die Preußen 1809 das „Neupreußische<br />

Gewehr“ ein. Dieses lehnt sich stark an<br />

das französische Modell 1777 an. Österreich<br />

führt 1798 ebenfalls ein Gewehr nach französischem<br />

Vorbild ein, bei dem nur geringe<br />

Adaptionen vorgenommen werden. Die<br />

Engländer setzen hingegen voll und ganz<br />

Clausewitz 4/2013<br />

29


Titelgeschichte | „Völkerschlacht“<br />

NACHGESTELLT: Artilleristen beim Ladevorgang in der „Schlacht von Borodino“ auf einem<br />

Militärhistorischen Festival im Jahr 2000. Der Einsatz leichterer, mobiler Artilleriewaffen ermöglichte<br />

der jeweiligen Kriegspartei eine flexiblere Gefechtsführung. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

auf die bereits 1717 eingeführte „Long Land<br />

Musket“, auch „Brow Bess“ genannt. Sie besitzt<br />

ein Kaliber von 19,05 Millimetern und<br />

ein sehr solides Steinschloss. Die Waffe ist in<br />

vielen Heeren der Gegner <strong>Napoleon</strong>s verbreitet.<br />

Alle Armeen der Zeit sind weit davon entfernt,<br />

<strong>über</strong> eine einheitliche Bewaffnung zu<br />

verfügen. So ist die preußische Armee im<br />

Herbstfeldzug <strong>1813</strong> mit 126.000 Gewehren<br />

unterschiedlicher Bauart aus eigener Produktion,<br />

30.000 in Österreich gekauften und<br />

112.000 von England gelieferten französischen<br />

Beutewaffen ausgerüstet. Angesichts<br />

dieser Tatsache versucht man wenigstens auf<br />

der Bataillons-Ebene, taktische Verbände mit<br />

einheitlicher Bewaffnung zu schaffen. Sonderbewaffnung<br />

gibt es für Infanteristen, die<br />

mit gezieltem Feuer vorgehen, wie etwa Jäger<br />

oder „Tirailleure“ (Plänkler). Diese kämpfen<br />

mit gezogen, oft selbstbeschafften Büchsen.<br />

Schwere und leichte Kavallerie<br />

Der zweite, wesentlich kleinere Teil eines jeden<br />

Heeres besteht aus der Kavallerie. Pferde<br />

und Reiter bewegen sich unter Kommando<br />

in geschlossenen Formationen und entscheiden<br />

oftmals den Kampf durch schnelle<br />

und raumgreifende Bewegungen. Speziell<br />

für die Schlacht trainierte Pferde sind daher<br />

unverzichtbar für den Erfolg auf dem Gefechtsfeld.<br />

Dabei können diese selbst als<br />

„Waffe“ eingesetzt werden: Ein Pferd kann<br />

im Schritt einen Menschen umlaufen, stößt<br />

ihn im Trab zur Erde und ist im Galopp sogar<br />

dazu in der Lage, eine Formation zu<br />

durchbrechen.<br />

Diese Wirkung lässt sich steigern, wenn<br />

ein geschlossener Anritt mit großen und<br />

schweren Tieren durchgeführt wird. Einer<br />

im vollen Galopp anreitenden Kavallerieformation<br />

kann freistehende Infanterie in Linie<br />

oder Kolonne nicht viel entgegensetzen. Ein-<br />

WEIT VERBREITET: Das Infanteriegewehr M 1777<br />

(Abb. ganz rechts) wird während der napoleonischen<br />

Epoche in großen Stückzahlen gebaut und<br />

ist in dieser Zeit das Standardgewehr der französischen<br />

Armee. Die Steinschlossgewehre anderer<br />

Armeen, etwas Preußens und Russlands, orientierten<br />

sich an diesem „Vorbild“. Abb.: Militärverlag der DDR<br />

BEWÄHRT: Die Engländer setzen auch noch während der <strong>Napoleon</strong>ischen<br />

Kriege auf die bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts eingeführte und nahezu<br />

unveränderte „Long Land Musket“, auch „Brown Bess“ genannt (siehe<br />

Abb. A).<br />

Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library<br />

30


Artillerie von großer Bedeutung<br />

zig das Karree bietet in einem solchen Fall<br />

Schutz.<br />

Die Kavallerie wird nach schwerer und<br />

leichter Kavallerie unterschieden. Zur<br />

schweren Kavallerie zählen Kürassiere, Karabiners,<br />

Grenadiere zu Pferde und Dragoner.<br />

Diese tragen teilweise Brustpanzer – in<br />

Preußen „Kürasse“ genannt. Ausgehend von<br />

Frankreich wird dieser zunächst abgeschaffte<br />

Körperschutz ab 1802 wieder eingeführt,<br />

in Preußen jedoch erst <strong>1813</strong>/14. Bewaffnet<br />

sind die Reiter mit Hieb- und Faustfeuerwaffen<br />

verschiedener Bauart und Herkunft.<br />

Normwaffe der Kürassiere ist der schwere,<br />

mit einer geraden Klinge versehene Reiterdegen,<br />

„Pallasch“ genannt. Dieser hat eine<br />

Länge von 90 bis 100 Zentimetern.<br />

Die Handhabung dieser Waffe erfordert<br />

viel Geschick und Übung, vor allem dann,<br />

wenn Hieb und Stoß miteinander verbunden<br />

werden sollen. Bei einem Hieb muss man zur<br />

optimalen Kraftentfaltung den Gegner mit<br />

dem letzten Viertel der Klinge treffen. Eine<br />

richtige Abstandseinschätzung ist daher<br />

wichtig. Als noch gefährlicher entpuppt sich<br />

der Stoß, welcher für den Stechenden nicht<br />

selten mit einer Verstauchung des Handgelenks<br />

und damit der Wehrlosigkeit endet.<br />

Wirksame Hiebwaffen<br />

Dragoner und Grenadiere zu Pferde sind eigentlich<br />

berittene Infanteristen, die sich im<br />

Laufe der Zeit zu vollgültigen Kavalleristen<br />

gewandelt haben. Bewaffnet sind sie mit Reiterkarabinern,<br />

leichten, kurzläufigen Gewehren,<br />

die ein wesentlich kleineres Kaliber<br />

als Infanteriewaffen besitzen. Zur leichten<br />

Kavallerie zählen Husaren, Chevaulegers,<br />

Jäger zu Pferde, Ulanen bzw. Lanciers sowie<br />

irreguläre Formationen der Kosaken, Baschkiren,<br />

Kalmücken und Tataren. Husaren führen<br />

Hiebwaffen mit gekrümmten Klingen,<br />

die als Säbel bezeichnet werden. Die Klingenlänge<br />

beträgt in der Regel 80 Zentimeter.<br />

Der Säbel ist eine reine Angriffswaffe und<br />

hervorragend im Handgemenge zu gebrauchen.<br />

Er trifft beim Schlag fast <strong>über</strong>all mit<br />

der gleichen Kraft. Das wohl bekannteste<br />

Modell seiner Zeit ist der sogenannte „Blücher-Säbel“,<br />

ein Nachbau des englischen<br />

„Light Cavalry topers sword M 1796“, der<br />

als „Kavalleriesäbel M 1811“ in großen Stückzahlen<br />

eingeführt und bis 1857 als Standardwaffe<br />

in der preußischen Kavallerie Verwendung<br />

findet. Lanzenreiter wie Ulanen oder<br />

Kosaken führen Reiterlanzen mit zweischneidiger<br />

oder vierkantiger Spitze, deren<br />

Längen zwischen 2,65 und 3,15 Meter liegen.<br />

Bewegliche Artillerie<br />

Der dritte wichtige Bestandteil des Heeres<br />

ist die Artillerie. Hier verdient vor allem die<br />

Entwicklung hin zu leichteren und damit<br />

auch mobileren Geschützen Erwähnung.<br />

Dies ist ein wesentlicher Baustein für <strong>Napoleon</strong>s<br />

Erfolge auf dem Schlachtfeld. Der Kaiser<br />

der Franzosen baut anders als die Strategen<br />

des 18. Jahrhunderts nicht auf fest gefasste<br />

Operationspläne, sondern setzt auf<br />

eine flexible Gefechtsführung.<br />

Dazu sind schnelle Schwerpunktverlagerungen<br />

sowohl mit der Infanterie als auch<br />

„Die Franzosen sahen uns kommen und fingen<br />

an zu schießen, dass ich glaubte, wir<br />

müssten alle stürzen. Die Salven krachten und<br />

unsere Leute fielen wie gemäht...“<br />

Johann Karl Hechel, preußischer Soldat, <strong>über</strong> seine Erlebnisse im Gefecht bei<br />

Möckern am 16. Oktober <strong>1813</strong>.<br />

mit der Artillerie notwendig. Die leichte,<br />

sechspfündige Kanone wird zum Standardgeschütz<br />

der Feldartillerie jener Zeit. Sie besitzt<br />

die notwendige Beweglichkeit. Die Geschütze<br />

werden klassifiziert in Kanonen für<br />

den direkten Schuss auf ein Ziel und Mörser<br />

für den indirekten „Wurf“.<br />

Die sogenannten Haubitzen können sowohl<br />

werfen als auch schießen, werden aber<br />

zu den Wurfgeschützen gezählt. Kanonen<br />

werden nach dem Gewicht der eisernen Vollkugeln<br />

bezeichnet, die sie verschießen, Mörser<br />

und Haubitzen analog dazu nach dem<br />

Gewicht der Steinkugeln, welche sie werfen.<br />

Aufgrund der unterschiedlichen Dichte von<br />

Stein und Gusseisen ist das Kaliber der Rohre<br />

bei gleicher Benennung unterschiedlich.<br />

Eine Besonderheit bei der Munition sind die<br />

sogenannten Kartätschen, die gegen massiert<br />

auftretende Kavallerie oder Infanterie<br />

auf kurze Distanz eingesetzt werden. Dabei<br />

handelt es sich um Hohlkugeln, die mit kleinen<br />

Kugeln aus Gusseisen oder Blei gefüllt<br />

Literaturtipp<br />

Georg Ortenburg (Hg.): Heerwesen der Neuzeit,<br />

Abt. III, Bd. 1, Waffe und Waffengebrauch im<br />

Zeitalter der Revolutionskriege, Koblenz 1988.<br />

ÄHNLICHE BAUART: Diese Skizze zeigt ein<br />

Steinschloss eines altpreußischen Infanteriegewehrs.<br />

Die Bauart des Schlosses ist<br />

weitgehend identisch mit der des neupreußischen<br />

Infanteriegewehrs M/1809.<br />

Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

sind und als eine Art Schrottschuss aus einer<br />

Kanone heraus abgegeben werden. Die<br />

Schussweite im artilleristischen Feuerkampf<br />

beträgt im Schnitt 1.200 Meter. Die Rohre<br />

sind auf hölzernen Lafetten montiert und<br />

durch Schildzapfen starr miteinander verbunden,<br />

was beim Feuerkampf aufgrund<br />

des Rückstoßes zu einem Herausrollen aus<br />

der Stellung nach hinten führt.<br />

Zum Schießen genügt – unabhängig vom<br />

Kaliber – eine vierköpfige Mannschaft. Der<br />

bei allen Geschütztypen gleiche Ladevorgang<br />

besteht aus folgenden Schritten: Wischen<br />

des Rohres, Ansetzen der Schwarzpulverladung,<br />

Einsetzen des Geschosses, Anrichten<br />

des Zieles, Einsetzen des Zünders,<br />

Abfeuern. Eine geübte Besatzung kann zwei<br />

bis vier Schuss pro Minute abfeuern. Für das<br />

Fahren gehört zu jeder Lafette eine zweirädrige<br />

Protze, die bei der Feldartillerie meist einen<br />

Aufsatzkasten besitzt, in dem Munition<br />

mitgeführt wird.<br />

Als neue Gattung entsteht in den 1780er-<br />

Jahren die reitende Artillerie, deren hoher<br />

Mobilisierungsgrad dem Truppenführer die<br />

Schwerpunktbildung im Gefecht erleichtert<br />

und welche die bis dahin den Regimentern<br />

oder Bataillonen zugeteilten Kanonen entbehrlich<br />

macht.<br />

Holger Hase, Jg. 1976, Major und Lehrstabsoffizier für<br />

Militärgeschichte an der Offizierschule des Heeres in<br />

Dresden.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

31


Schlachten der Weltgeschichte<br />

Dritte Schlacht um Charkow 1943<br />

Mansteins<br />

„unvollendeter<br />

Sieg“<br />

Frühjahr 1943: Der gesamte Südflügel der deutschen Ostfront befindet sich auf dem<br />

Rückzug. Um die Front zu stabilisieren, entscheidet sich Hitler für eine Gegenoffensive<br />

unter Mansteins Führung in Richtung Charkow.<br />

Von Lukas Grawe<br />

Der teilweise ungeordnete Rückzug<br />

nach der Vernichtung der 6. Armee bei<br />

Stalingrad führt zu Beginn des Jahres<br />

1943 zu einer Frontlücke zwischen den Heeresgruppen<br />

(HGr.) Mitte und Süd, durch die<br />

sowjetische Truppen nach Westen durchstoßen<br />

und den Südflügel des deutschen Heeres<br />

bedrohen können. Innerhalb dieser Lücke<br />

stellt die Großstadt Charkow ein wichtiges<br />

strategisches und prestigeträchtiges Ziel dar.<br />

Hitler weist daher den Befehlshaber der<br />

HGr. Süd, Generalfeldmarschall Erich von<br />

Manstein, an, die Offensivbemühungen auf<br />

die erst wenige Wochen zuvor geräumte<br />

Stadt zu konzentrieren.<br />

32


SPUREN DES KAMPFES: Schützenpanzerwagen<br />

vom Typ Sd.Kfz. 250 einer<br />

Einheit der Waffen-SS beim Durchqueren<br />

eines von deutschen Truppen<br />

eroberten Dorfes südwestlich von<br />

Charkow.<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

Zahlenmäßig ist die HGr. Süd den sowjetischen<br />

Truppen weit unterlegen. Unter hohem<br />

Risiko und mit Hilfe einer Truppenrochade<br />

vom Südflügel der HGr. nach Nordwesten<br />

gelingt es Manstein Mitte Februar<br />

jedoch, einen schlagkräftigen Angriffsverband<br />

zusammenzustellen. Nach den vorangegangenen<br />

Niederlagen im Osten ist die<br />

deutsche Militärführung dringend auf Erfolge<br />

angewiesen, um das sehr angeschlagene<br />

Ostheer zum Weiterkämpfen zu motivieren.<br />

HEERESGRUPPENCHEF:<br />

Generalfeldmarschall Erich<br />

von Manstein kann mit den<br />

Verbänden seiner HGr. Süd<br />

den Gegner aus Charkow verdrängen,<br />

doch dieser Erfolg<br />

ist nicht von langer Dauer.<br />

Foto: picture-alliance/Artcolor<br />

Clausewitz 4/2013<br />

33


Schlachten der Weltgeschichte | Charkow 1943<br />

IN KOLONNE: SS-Panzergrenadiere<br />

dringen mit ihren Schützenpanzerwagen<br />

ins Stadtinnere des wiedereroberten<br />

Charkow vor. Foto: ullstein bild<br />

Am 19. und 20. Februar beenden die deutschen<br />

Verbände ihren Rückzug und treten<br />

zum Gegenangriff an. Der Schwerpunkt des<br />

Angriffs liegt dabei auf der 4. Panzerarmee<br />

unter Generaloberst Hermann Hoth, die im<br />

Zusammenwirken mit der Armeeabteilung<br />

Kempf und der 1. Panzerarmee unter General<br />

der Kavallerie Eberhard von Mackensen<br />

ein weiteres Vordringen der Roten Armee<br />

nach Westen verhindern soll.<br />

Die sowjetische Führung verkennt die<br />

deutschen Offensivabsichten völlig, da man<br />

mit einem weiteren weiträumigen Rückzug<br />

gerechnet hat. Auf diese Weise stößt Hoths<br />

Panzerarmee erfolgreich vor und Mackensens<br />

Panzer erreichen schon nach kurzer Zeit<br />

HINTERGRUND<br />

den Donez. Während im südlichen Angriffsabschnitt<br />

Erfolge verzeichnet werden, verschlechtert<br />

sich die Lage weiter nördlich bei<br />

„Heißumkämpftes“ Charkow<br />

der geschwächten Armeeabteilung Kempf.<br />

Die Armeeabteilung Kempf zu entlasten und<br />

durch einen weiteren Vorstoß <strong>über</strong> Charkow<br />

nach Norden die HGr. Mitte zu unterstützen,<br />

sind die wesentlichen Ziele Mansteins.<br />

Dabei muss dieser vor allem die Wetterverhältnisse<br />

beachten. Durch das einsetzende<br />

„Trotzdem muss der Feind geschlagen werden. Wenn<br />

wir dennoch stecken bleiben, schadet es nichts.“<br />

Generalfeldmarschall Manstein<br />

am 7. März 1943 zu General der Panzertruppe Werner Kempf.<br />

Die alte Hauptstadt der Ukraine ist zu Beginn<br />

des deutschen Angriffs die viertgrößte<br />

Stadt der Sowjetunion und bildet einen wichtigen<br />

Verkehrs- und Handelsknotenpunkt.<br />

Auch die Rüstungsindustrie spielt eine große<br />

Rolle, unter anderem wird in Charkows<br />

Fabriken der legendäre Kampfpanzer T-34<br />

entworfen. Die Stadt selbst wechselt während<br />

des Krieges mehrmals den „Besitzer“<br />

und ist Schauplatz schwerer Kämpfe.<br />

Im Oktober 1941 erobert die Wehrmacht die<br />

Stadt und kann sie gegen einen sowjetischen<br />

Befreiungsversuch im Mai 1942 verteidigen.<br />

Nach der deutschen Niederlage<br />

bei Stalingrad muss sich der gesamte deutsche<br />

Südflügel zurückziehen, sodass die Rote<br />

Armee am 16. Februar 1943 Charkow zurückerobern<br />

kann.<br />

Hitler hatte zuvor den deutschen Verteidigern,<br />

die sich vor allem aus Soldaten des II.<br />

SS-Panzerkorps von Hausser zusammensetzen,<br />

die Aufgabe der Stadt untersagt.<br />

Auch in diesem Fall handelt Hausser höchst<br />

eigenwillig und gegen anderslautenden Befehl,<br />

um eine drohende Einkesselung seiner<br />

Einheit zu verhindern. Nach der deutschen<br />

Rückeroberung im März 1943 fällt Charkow<br />

im Anschluss an das gescheiterte Unternehmen<br />

„Zitadelle“ im August 1943 endgültig<br />

wieder in russische Hand.<br />

Tauwetter werden viele Straßen und Wege<br />

unpassierbar, der Schlamm erschwert den<br />

Vorstoß erheblich.<br />

Die deutschen Truppen sind nach mehreren<br />

Tagen ohne Gefechtspause am Ende ihrer<br />

Kräfte, doch treibt sie die Aussicht auf einen<br />

prestigeträchtigen Erfolg in Charkow weiter<br />

voran. Besonders das SS-Panzerkorps unter<br />

der Führung von SS-Obergruppenführer und<br />

General der Waffen-SS Paul Hausser mit den<br />

SS-Panzergrenadier-Divisionen „Das Reich“,<br />

„Totenkopf“ und „Leibstandarte Adolf Hitler“<br />

brennt förmlich auf die Rückeroberung<br />

der Stadt. Eben jene Divisionen haben kurz<br />

zuvor noch der Übermacht der Roten Armee<br />

weichen und aus Charkow abziehen müssen,<br />

wobei Hausser gegen den ausdrücklichen<br />

Haltebefehl Hitlers handelte.<br />

Am 5. März 1943 steht die Angriffsfront<br />

der 4. Panzerarmee noch 50 Kilometer südlich<br />

von Charkow, flankiert zur Linken von<br />

der Armeeabteilung Kempf und zur Rechten<br />

34


SS „brennt” auf Rückeroberung<br />

von der 1. Panzerarmee. Hitler befiehlt die<br />

Einnahme der Stadt, während das Vorhaben<br />

Mansteins eher die Vernichtung gegnerischer<br />

Truppen vorsieht. Um die sowjetischen<br />

Armeen im Raum Charkow – Donezbogen<br />

einkesseln zu können, sieht der Feldmarschall<br />

ein Vorgehen der 4. Panzerarmee ostwärts<br />

des Donez und ein anschließendes<br />

Übersetzen <strong>über</strong> den Fluss in Richtung Charkow<br />

vor. Auf diese Weise würden die gegnerischen<br />

Armeen zwischen Hoths Panzerarmee<br />

und der Armeeabteilung Kempf aufgerieben.<br />

KARTE<br />

Kampfhandlungen um Charkow im März 1943<br />

NICHT VON LANGER DAUER: Wenige Monate nach dem deutschen Erfolg gelang der<br />

Roten Armee die erneute und dauerhafte Rückeroberung der Stadt Charkow.<br />

Beginn des deutschen Angriffs<br />

Die Eroberung der Stadt selbst ist für Manstein<br />

zweitrangig, da er auf jeden Fall ein<br />

„zähes Festbeißen“ in den Verteidigungsanlagen<br />

verhindern und ein zweites „Stalingrad“<br />

vermeiden will. Diese „große Lösung“<br />

mit der weiträumigen Umgehung der Stadt<br />

wird jedoch in dem Moment unmöglich, in<br />

dem einsetzendes Tauwetter den Vormarsch<br />

aufhält.<br />

Alternativ arbeiten Manstein und sein<br />

Armeeoberbefehlshaber Hoth daher eine<br />

„kleine Lösung“ aus, die den Vorstoß der<br />

4. Panzerarmee in nördlicher Richtung in<br />

Anlehnung an die Armeeabteilung Kempf<br />

vorsieht. Anschließend soll Charkow nördlich<br />

umgangen und von Nordosten und Osten<br />

her angegriffen werden.<br />

Die Verteidiger sollen auf diese Weise am<br />

Entweichen aus dem entstehenden Kessel<br />

gehindert werden. Der Infanteriedivision<br />

„Großdeutschland“, die dem Verband<br />

Kempfs untersteht, kommt dabei die Rolle<br />

des Flankenschutzes für das II. SS-Panzerkorps<br />

zu, das den linken Flügel von Hoths<br />

4. Panzerarmee bildet. Hoth und Manstein<br />

vertagen jedoch die Entscheidung <strong>über</strong> die<br />

Vorgehensweise, um die weitere Entwicklung<br />

abwarten zu können.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Am Morgen des 6. März greift Hoths Armee<br />

auf einer 60 Kilometer breiten Front die sowjetischen<br />

Stellungen südlich von Charkow<br />

an. Vor allem das SS-Panzerkorps macht große<br />

Geländegewinne, während der rechte<br />

Flügel der 4. Panzerarmee gegen zähen Widerstand<br />

der sowjetischen Verteidiger kaum<br />

vorankommt.<br />

PROPAGANDAAUFNAHME: Dieses Foto eines Kriegsberichterstatters<br />

der Wehrmacht zeigt sowjetische Kriegsgefangene<br />

nach der 3. Schlacht um Charkow, in der Bildmitte<br />

ein „Kindersoldat“. Foto: ullstein bild – Heinrich Hoffmann<br />

Clausewitz 4/2013<br />

35


Schlachten der Weltgeschichte | Charkow 1943<br />

Marschall der Panzertruppen:<br />

Pawel S. Rybalko<br />

Der spätere Führer der 3. sowjetischen<br />

Panzerarmee wird 1894 in der nördlichen<br />

Ukraine geboren und tritt bereits<br />

in jungen Jahren der kaiserlichen Armee<br />

bei. Nach der Oktoberrevolution<br />

stellt sich Rybalko in den Dienst der<br />

Roten Armee und nimmt am Russischen<br />

Bürgerkrieg und am Russisch-<br />

Polnischen Krieg des Jahres 1920 teil.<br />

Seine Fähigkeiten werden bald erkannt,<br />

sodass Rybalko schnell in der<br />

sowjetischen Militärhierarchie aufsteigt.<br />

Er erwirbt sich den Ruf eines<br />

Fachmanns für Panzerkriegführung.<br />

Bei der Abwehr des deutschen Angriffs<br />

auf den Kursker Frontbogen im<br />

Sommer 1943 zeichnet sich Rybalko<br />

als hervorragender Truppenführer aus<br />

und wird mit dem Titel „Held der Sowjetunion“<br />

geehrt. 1948 erliegt er einem<br />

Krebsleiden.<br />

GESCHLAGEN: Pawel S. Rybalko muss<br />

sich mit seiner 3. sowjetischen Panzerarmee<br />

aus Charkow zurückziehen.<br />

Foto: ullstein bild – rps<br />

SS-Panzerkorps gut voran. Das Heeresgruppenoberkommando<br />

ist zu diesem Zeitpunkt<br />

völlig unentschlossen, wie der Kampf weiter<br />

geführt werden soll. Sogar eine Einstellung<br />

des Angriffs wird erwogen, zu der vor<br />

allem Generaloberst Hoth drängt, da die<br />

eroberte Stellung am Msha leicht zu verteidigen<br />

ist.<br />

Günstige Witterungsverhältnisse<br />

Die Vorhersage der Meteorologen hilft Manstein<br />

bei seinem Entschluss. Diese melden<br />

für die folgenden Tage starken Frost, der die<br />

Schlammmassen wieder passierbar werden<br />

lässt und somit weitere Operationen beweglicher<br />

Verbände sinnvoll macht. Für eine<br />

weiträumige östliche Umfassung der Stadt<br />

fehlt mittlerweile jedoch die Zeit. Auch ein<br />

Weiterführen des frontalen Angriffs auf den<br />

Südteil der Stadt schließt Manstein aus, da<br />

die sowjetischen Verteidigungsstellungen<br />

hier besonders stark ausgebaut sind.<br />

Der Generalfeldmarschall entschließt sich<br />

daher für eine Angriffsstoßrichtung westlich<br />

an Charkow vorbei, um bei erfolgreichem<br />

Verlauf entweder nach Nordwesten einzudrehen<br />

und die sowjetischen Truppen einzukesseln<br />

oder Charkow von Nordosten anzugreifen.<br />

Bedenken seiner Armeeführer weist<br />

Manstein ab.<br />

Die Meteorologen behalten recht. Die<br />

Temperaturen sinken in den folgenden Tagen<br />

deutlich unter null Grad und machen<br />

die Wege und Straßen für Angriffsoperationen<br />

nutzbar. Die Lage der 4. Panzerarmee<br />

bleibt auch in den kommenden Tagen unverändert:<br />

Während der rechte Flügel mit dem<br />

XXXXVIII. und LVII. Panzerkorps gegen<br />

hartnäckigen Widerstand kaum an Boden<br />

gewinnt, macht das II. SS-Panzerkorps auf<br />

dem linken Flügel große Fortschritte und<br />

treibt die schwachen und völlig <strong>über</strong>raschten<br />

sowjetischen Kräfte Richtung Norden.<br />

Die 3. sowjetische Panzerarmee unter dem<br />

Befehl von Generalleutnant Rybalko sammelt<br />

sich daraufhin in und um Charkow und<br />

errichtet Verteidigungsstellungen.<br />

Die deutsche Führung nimmt daher an,<br />

dass der Gegner die Stadt unter allen Umständen<br />

verteidigen will. Auf diese Weise<br />

hält man es für möglich, die neu gebildete<br />

sowjetische Abwehrfront von Norden her zu<br />

umfassen und von Nordosten einen Vorstoß<br />

in den Rücken des Gegners zu wagen.<br />

Generaloberst Hoth weist daher das<br />

SS-Panzerkorps am 9. März an, mit hoher<br />

Geschwindigkeit westlich an Charkow vorbei<br />

vorzustoßen, um die günstige Gelegenheit<br />

wahrzunehmen. Die Einnahme der alten<br />

Haussers Panzerkorps beginnt noch am<br />

selben Tag mit dem Übersetzen <strong>über</strong> den<br />

Fluss Msha, dessen Verlauf südlich von<br />

Charkow ein natürliches Hindernis bildet.<br />

Einen Tag später greift auch die Infanteriedivision<br />

„Großdeutschland“ in die Kämpfe<br />

ein. Sie dringt nach Nordosten vor und soll<br />

so ein Zurückweichen des Gegners aus der<br />

südlichen Msha-Stellung abschneiden.<br />

In den folgenden Tagen entwickelt sich<br />

die Lage südlich von Charkow anders als<br />

von Manstein ursprünglich beabsichtigt:<br />

Anstelle von großen Fortschritten auf dem<br />

rechten Flügel, die eine östliche Umgehung<br />

der Stadt erlauben, kommt besonders das<br />

DRAMATISCHE SZENE: Deutsche Soldaten – darunter auch Verwundete – suchen hinter<br />

ihren Schützenpanerwagen Deckung vor feindlichem Beschuss. Foto: ullstein bild – ullstein bild<br />

36


Haussers umstrittene Entscheidung<br />

AUSGESCHALTET: Ein sowjetischer<br />

Panzer T-34 am Stadtrand von Charkow<br />

nach der Rückeroberung durch deutsche<br />

Truppen.<br />

Foto: picture-alliance/ZB<br />

ukrainischen Hauptstadt ist zu diesem Zeitpunkt<br />

nicht vorgesehen, es geht vorrangig<br />

um die Einkesselung des Gegners. Nur für<br />

den Fall, dass Charkow „handstreichartig“<br />

zu nehmen sei, gestatten Hoth und auch<br />

Manstein den direkten Angriff auf die Stadt.<br />

Währenddessen haben das XXXXVIII.<br />

und LVII. Panzerkorps große Mühe, ihre<br />

Front gegen die mit <strong>über</strong>legenen Kräften<br />

vorgetragenen Angriffe der Roten Armee zu<br />

halten. Beide Verbände kommen noch immer<br />

nur langsam voran und müssen Ortschaft<br />

für Ortschaft in erbitterten Kämpfen<br />

erobern. Ihre Beteiligung an den direkten<br />

Gefechten um Charkow ist somit ausgeschlossen.<br />

Unklare Befehle<br />

Entsprechend des letzten Armeebefehls von<br />

Generaloberst Hoth stößt das SS-Panzerkorps<br />

am 9. März gegen Abend weiter nach Norden<br />

vor. Rasch gelingt die Überschreitung des<br />

Flusses Udy, der Charkow von Nordwesten<br />

nach Südosten durchfließt. Immer wieder betont<br />

das Armeeoberkommando (AOK), dass<br />

„das Ziel der Operationen nicht die Wegnahme<br />

der Stadt, sondern die Umfassung und<br />

Vernichtung des Gegners“ sei. Dennoch bleibt<br />

der Befehl des „handstreichartigen Nehmens“<br />

der Stadt, der verschieden interpretiert<br />

werden kann, bestehen.<br />

Nachdem Hausser vom Armeeoberkommando<br />

keine Antwort erhält, ob der bisherige<br />

Auftrag der Umfassung Charkows von<br />

Norden bestehen bleibt, entscheidet er<br />

selbst: Er entschließt sich zu einem konzentrisch<br />

vorgetragenen Angriff auf die Stadt.<br />

Die Division „Das Reich“ soll von Westen<br />

und Nordwesten, die Division „Leibstandarte<br />

SS Adolf Hitler“ von Norden, Nordosten<br />

Eigenwilliger Kommandeur:<br />

Paul Hausser<br />

Hausser wird 1880 als Sohn eines preußischen Offiziers<br />

in Brandenburg/Havel geboren. Unter anderem<br />

im Generalstab ausgebildet, erwirbt er sich im „Dritten<br />

Reich“ schnell den Ruf eines militärsachkundigen Organisators.<br />

Bereits 1934 bietet ihm Reichsführer-SS Heinrich<br />

Himmler an, die neu entstehende SS-Verfügungstruppe<br />

auszubilden. Als im Oktober 1939 die erste Division<br />

der Waffen-SS aufgestellt wird, erhält<br />

Hausser das Kommando <strong>über</strong> den neuen Verband.<br />

Seine erfolgreiche Führung macht die Aufstellung<br />

weiterer Verbände der Waffen-SS möglich.<br />

Während des Zeiten Weltkriegs wird<br />

Hausser auf zahlreichen Kriegsschauplätzen<br />

eingesetzt und erweist sich dabei als durchaus<br />

fähiger, aber eigenwilliger Kommandeur.<br />

Sogar Haltebefehle Hitlers werden<br />

von ihm missachtet, wenn Hausser sie für<br />

falsch hält. Nach 1945 gelangt der hochdekorierte<br />

General in US-Kriegsgefangenschaft,<br />

aus der er 1948 entlassen wird.<br />

Hausser stirbt 1972.<br />

UNFOLGSAM: Paul Hausser, Kommandeur<br />

des (II.) SS-Panzerkorps,<br />

widersetzt sich bei den Kämpfen um<br />

Charkow 1943 einem Befehl Hitlers<br />

und Weisungen des Armeeoberkommandos.<br />

Foto: ullstein bild<br />

Clausewitz 4/2013<br />

37


Schlachten der Weltgeschichte | Charkow 1943<br />

INFO<br />

Zielsetzung<br />

Oberbefehl<br />

Einsatzverbände<br />

Nicht unmittelbar<br />

beteiligte<br />

Verbände<br />

Die Kriegsparteien im Vergleich<br />

Wehrmacht<br />

Stoppen der sowjetischen<br />

Offensive; Wiedererlangen der<br />

Initiative an der Ostfront<br />

Erich von Manstein<br />

(Heeresgruppe Süd)<br />

4. Panzerarmee (Hoth) mit dem<br />

XXXXVIII. und LVII. Panzerkorps<br />

und dem II.* SS-Panzerkorps<br />

(*offizielle Bezeichnung<br />

seit Juni 1943),<br />

Armeeabteilung Kempf mit<br />

der Infanteriedivision<br />

„Großdeutschland“<br />

1. Panzerarmee (Mackensen),<br />

2. Armee (Weiss)<br />

Rote Armee<br />

Zerschlagung des Südflügels<br />

des deutschen Ostheeres;<br />

Weiterer Vormarsch nach<br />

Westen<br />

Nikolai F. Watutin („Südwestfront“),<br />

Filipp I. Golikow<br />

(„Woroneschfront“)<br />

3. Panzerarmee (Rybalko) und<br />

6. Armee (Charitonow)<br />

40. Armee (Moskalenko) und<br />

69. Armee (Kasakow),<br />

Gruppe Popow<br />

Truppenstärke circa 270.000 Mann circa 750.000 Mann (geschätzt)<br />

Verluste k.A.; das II. SS-Panzerkorps<br />

verliert fast 12.000 Mann an<br />

Gefangenen, Verwundeten und<br />

Gefallenen<br />

50.000 Gefallene, 20.000<br />

Soldaten gehen in deutsche<br />

Kriegsgefangenschaft; 3.300<br />

Geschütze und 1.400 Panzer<br />

und Osten gegen die Stadt vordringen. Die<br />

Nordflanke soll währenddessen von der<br />

„Totenkopfdivision“ geschützt werden. Obwohl<br />

noch rechtzeitig vor Angriffsbeginn ein<br />

Befehl des AOK bei Hausser eintrifft, der einen<br />

direkten Stoß auf die Stadt verbietet, ändert<br />

der Panzerkorpsführer seinen Entschluss<br />

nicht mehr.<br />

Angriff auf die Stadt<br />

Am 10. März beginnt Hausser mit dem<br />

Sturm auf die Stadt. Trotz massiver Luftunterstützung<br />

gelingt es jedoch keiner seiner<br />

Divisionen, <strong>über</strong> die Vororte Charkows<br />

hinauszukommen. Die Divisionen „Das<br />

Reich“ und „Leibstandarte“ müssen etwa<br />

zehn Kilometer jenseits des Stadtrandes stehenbleiben.<br />

Im Oberkommando der Heeresgruppe<br />

Süd ist man mittlerweile der Meinung, dass<br />

die Rote Armee Charkow nur noch halten<br />

will, um möglichst viele Truppen aus der<br />

drohenden Einkesselung nach Osten zu retten.<br />

Nach Ansicht von Manstein und Hoth<br />

ist daher Eile geboten. Will man das Entweichen<br />

der 3. sowjetischen Panzerarmee aus<br />

ERSCHÖPFT: Ein Panzer einer SS-Division mit aufgesessenen Grenadieren<br />

im Zentrum von Charkow. Nach heftigem Kampf ist der Widerstand des<br />

Gegners gebrochen. Foto: BArch, Bild 101III-Zschaekel-190-29/Fotograf: Zschäkel, Friedrich<br />

38


Erbitterte Straßenkämpfe<br />

der Stadt verhindern, muss ein zeitraubender<br />

Angriff auf die Verteidigungsanlagen<br />

unterbleiben und die Umfassung von Norden<br />

und Nordosten ist weiter voranzutreiben.<br />

Im Westen soll die Stadt hingegen nur<br />

„abgeriegelt“ werden.<br />

Der Befehl, der Haussers kompletten<br />

Operationsentwurf obsolet macht, wird vom<br />

SS-Obergruppenführer jedoch nicht beachtet.<br />

Seiner Truppe teilt er mit: „Die bereits<br />

am 10. März an die Divisionen gegebenen<br />

Aufträge mit Einzelheiten für die Wegnahme<br />

der Stadt brauchen dadurch nicht geändert<br />

werden.“<br />

Am 11. März beginnen die SS-Divisionen<br />

„Das Reich“ und „Leibstandarte“ den erneuten<br />

Angriff auf die Stadt. Haussers Missachtung<br />

des Armeebefehls vom Vortag sorgt<br />

im Armeeoberkommando und bei der Heeresgruppe<br />

für Verärgerung. Schon längst haben<br />

die sowjetischen Verteidiger mit der Befestigung<br />

der Stadt begonnen, die eine<br />

handstreichartige Eroberung unmöglich<br />

machen.<br />

Generaloberst Hoth und Generalfeldmarschall<br />

Manstein drängen auf einen Abbruch<br />

der Kämpfe, um den Gegner, der vor dem<br />

XXXXVIII. Panzerkorps verbissen verteidigt,<br />

in den Rücken fallen zu können. Doch der<br />

Plan der HGr. wird durch das eigenmächtige<br />

Handeln Haussers gefährdet. Hoth setzt<br />

dem widerspenstigen General der Waffen-<br />

SS daraufhin am 12. März ein Ultimatum:<br />

„Ich mache Komm. General SS-Pz.-Korps für<br />

umgehende Durchführung meines Befehls<br />

verantwortlich, SS-Div. D[as] R[eich] aus<br />

Kampf Charkow herauszulösen und nördlich<br />

Charkow herum auf den Ostflügel heranzuführen.<br />

Vollzugsmeldung ist nunmehr<br />

umgehend vorzulegen.“<br />

Literaturtipp<br />

Eberhard Schwarz: Die Stabilisierung der Ostfront<br />

nach Stalingrad. Mansteins Gegenschlag<br />

zwischen Donez und Dnjepr im Frühjahr 1943<br />

(= Studien und Dokumente zur Geschichte des<br />

Zweiten Weltkriegs 17), Göttingen 1986.<br />

Der Kessel schließt sich<br />

Erst jetzt lenkt Hausser ein und fügt sich dem<br />

Befehl. In aller Eile wird die Division „Das<br />

Reich“ nun nördlich an der Stadt vorbeigeführt<br />

und im Kampf an ihrer östlichen Seite<br />

eingesetzt. Für die deutschen Truppen völlig<br />

<strong>über</strong>raschend räumt die Rote Armee am selben<br />

Tag das bis hierhin verbissen verteidigte<br />

Gelände südlich von Charkow und erlaubt<br />

dem XXXXVIII. und dem LVII. Panzerkorps<br />

somit ein weiteres Vorrücken. Manstein sieht<br />

nun die Gelegenheit gegeben, auch die südliche<br />

Zange zu schließen und die 3. sowjetische<br />

Panzerarmee zu vernichten.<br />

Am 14. März gelingt es den SS-Verbänden<br />

Haussers, in den nördlichen Teil der Stadt<br />

einzudringen und die letzten Widerstände<br />

des Gegners zu brechen. Nach dem Abzug<br />

der Division „Das Reich“ liegt die Hauptverantwortung<br />

vor allem bei der Division<br />

„Leibstandarte SS Adolf Hitler“ unter dem<br />

Kommando von Josef Dietrich. Diese muss<br />

sich von Straßenzug zu Straßenzug vorankämpfen.<br />

GEFALLEN: Im Kampf um Charkow getötete<br />

sowjetische Soldaten. Im Bildhintergrund<br />

sind britische Panzer vom Typ Matilda<br />

II erkennbar, von denen im Zweiten<br />

Weltkrieg mehr als 1.000 an die Sowjetunion<br />

geliefert wurden.<br />

Foto: picture-alliance/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Vorstoß zum Donez<br />

Doch bereits am Abend desselben Tages können<br />

die Gefechte innerhalb der Stadt erfolgreich<br />

abgeschlossen werden. Jedoch misslingt<br />

die Einkesselung und totale Vernichtung<br />

der sowjetischen 3. Panzerarmee. Zwar<br />

erleidet der Verband große Verluste, doch gelingt<br />

es Generalleutnant Rybalko, den Zeitverlust<br />

Haussers auszunutzen und der deutschen<br />

Zangenbewegung auszuweichen. Er<br />

nimmt seine Armee <strong>über</strong> den Donez zurück.<br />

Die Einnahme Charkows bleibt somit ein<br />

„unvollendeter Sieg“.<br />

Nach der Eroberung Charkows gibt Manstein<br />

seinen Verbänden den Befehl, den letzten<br />

sowjetischen Widerstand westlich des<br />

Donez zu brechen. Im Süden der Stadt gelingt<br />

es dem LVII. Panzerkorps, den Gegner<br />

<strong>über</strong> den Donez zu drängen, nördlich von<br />

Charkow rückt die Infanteriedivision „Großdeutschland“<br />

auf Belgorod vor. Um sowjetische<br />

Gegenmaßnahmen in diesem Abschnitt<br />

zu verhindern, befiehlt der Generalfeldmarschall<br />

auch der 4. Panzerarmee den Stoß<br />

nach Norden, um das Westufer des Donez zu<br />

sichern.<br />

Bereits am 18. März tritt das II. SS-Panzerkorps<br />

zum Angriff auf Belgorod an. Noch am<br />

selben Tag gelingt den deutschen Divisionen<br />

die Einnahme der Stadt und damit die Schaffung<br />

einer zusammenhängenden Front am<br />

Donez. Manstein drängt in der Folge darauf,<br />

den auf diese Weise im Raum Kursk entstandenen<br />

Frontbogen in einem großangelegten<br />

Angriff zu begradigen. Doch Hitler und das<br />

Oberkommando des Heeres lehnen den Vorschlag<br />

ab, da man erst genügend Truppen für<br />

eine Großoffensive sammeln will.<br />

Mit dem erfolgreichen Abschluss der<br />

deutschen Gegenoffensive unterscheidet<br />

sich die Front nur gering von jenem Frontverlauf,<br />

der zu Beginn der deutschen Sommeroffensive<br />

des Jahres 1942 existierte. Vor<br />

allem das strategische Geschick Mansteins,<br />

die gute Kampfmoral der deutschen Truppen<br />

und die Fehleinschätzungen der russischen<br />

Militärführung sorgen auf deutscher<br />

Seite für eine im Osten nicht mehr für möglich<br />

gehaltene – vor<strong>über</strong>gehende – Stabilisierung<br />

der militärischen Lage.<br />

Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus<br />

Münster.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

39


Museen und Militärakademien<br />

„Ausbildungsschmiede“ der US-Armee<br />

West Point<br />

Etwa 80 Kilometer nördlich von New York befindet sich am Hudson River die Militärakademie<br />

West Point, einfach „The Point“ genannt. Der Campus ist ein populäres Touristenziel,<br />

auch das älteste Museum der US-Armee findet sich hier.<br />

Von Michael Solka<br />

Die Militärakademie West Point wird am<br />

16. März 1802 gegründet. Kadetten im<br />

Alter von 12 bis 37 Jahren besuchen die<br />

Einrichtung sechs Monate bis sechs Jahre lang.<br />

Aufgrund des Krieges von 1812 gegen Großbritannien<br />

bestimmt der Kongress ein formaleres<br />

System der Ausbildung und erhöht die<br />

Anzahl der Kadetten auf 250. Im Jahr 1814<br />

wird durch den Direktor Alden Partridge eine<br />

graue Uniform für die Kadetten eingeführt.<br />

1817 amtiert Oberst Sylvanus Thayer als Leiter<br />

und führt ein Curriculum ein, das bis 2011 Bestand<br />

hat. Als „Vater der Militärakademie“<br />

wird er auf dem Campus durch ein Denkmal<br />

geehrt.<br />

Von 523 Absolventen werden 452 im Verlauf<br />

des Krieges gegen Mexiko 1846-48 befördert<br />

oder ausgezeichnet. Während der<br />

KONTAKT<br />

Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite<br />

der Akademie unter: http://www.usma.edu<br />

Detaillierte Angaben <strong>über</strong> Besuchsmöglichkeiten<br />

und Anfahrt finden sich (in englischer Sprache) auf<br />

folgender Seite: http://www.usma.edu/<br />

Visiting/SitePages/Home.aspx<br />

Das äußerst empfehlenswerte West Point Museum<br />

ist täglich von 10:30 Uhr bis 16:15 Uhr geöffnet.<br />

Angeschlossen sind auch zwei „Historic Sites“<br />

(Constitution Island und Fort Putnam), der West<br />

Point Cemetery sowie ein Visitor Center. Für genauere<br />

Informationen sowie Bilder siehe obige<br />

Website und zudem www.westpointtours.com<br />

1850er-Jahre wird West Point modernisiert.<br />

Neue Baracken werden besser geheizt und<br />

Gasbeleuchtung eingeführt. Einige Generale<br />

des Amerikanischen Bürgerkrieges idealisieren<br />

später die Institution. Im Krieg zwischen<br />

den Nord- und Südstaaten dienen 294 Absolventen<br />

der Akademie für die Union, 151 für<br />

die Konföderation. 105 fallen im Kampf, 151<br />

werden verwundet. Die meisten nehmen an<br />

den 60 wichtigsten Schlachten teil.<br />

Nach dem Bürgerkrieg<br />

Als schwierig erweist sich nach 1865 die<br />

Aufnahme von Kadetten aus der ehemaligen<br />

Konföderation. 1868 werden die Ersten<br />

zugelassen, 1870 wird der Afroamerikaner<br />

James Webster Smith aus South Carolina<br />

Kadett in West Point. 1874 wird er jedoch<br />

unter ungeklärten Umständen entlassen.<br />

1877 graduiert dann schließlich der farbige<br />

Henry O. Flipper in der Akademie. In dieser<br />

Zeit machen auch George W. Goethals und<br />

John J. Pershing ihren Abschluss. Goethals<br />

wird als Chefkonstrukteur des Panamakanals<br />

bekannt werden, Pershing als Kommandeur<br />

der US-Truppen im Ersten<br />

Weltkrieg.<br />

1900 wird die Anzahl der Kadetten<br />

auf 481 erhöht. Im Jahr 1919 erhält Douglas<br />

MacArthur den Posten des Direktors<br />

und legt größeren Nachdruck auf die Unterrichtung<br />

in Geschichte. Außerdem fördert er<br />

die sportliche Ausbildung, wozu er sagt:<br />

„Hinsichtlich des freundschaftlichen Wettbewerbs<br />

werden sich eines Tages die Früchte<br />

des Sieges zeigen.“<br />

1925 wird West Point offiziell als Lehranstalt<br />

anerkannt. Seit 1933 bekommen alle Kadetten<br />

einen wissenschaftlichen Abschluss.<br />

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges<br />

lässt der Kongress die Zahl der Kadetten<br />

1942 auf 2.496 erhöhen. Vier der Fünf-Sterne-<br />

Generale sind Absolventen der Akademie,<br />

an die 500 Abgänger fallen im Krieg. Nach<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs ändert der<br />

neue Leiter Maxwell Taylor die Ausbildung<br />

und schafft Kurse im Fechten und Reiten ab.<br />

HOHES RENOMMEE: Die United<br />

States Military Academy in West<br />

Point ist eine der angesehensten<br />

Hochschulen<br />

des Landes. Der<br />

Photochromdruck<br />

von 1901 zeigt<br />

einen Teil des Akademie-Gebäudes.<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

40


HINTERGRUND<br />

John „Black Jack“ Pershing<br />

Ohne Zweifel ist er einer der bekanntesten<br />

Absolventen von West Point.<br />

John Joseph Pershing (1860–1948)<br />

hat zunächst keine Absicht, eine<br />

militärische Laufbahn einzuschlagen.<br />

Dennoch besucht er von 1882<br />

bis 1886 West Point. Obgleich er<br />

eher ein durchschnittlicher Schüler<br />

ist, zeigt er bereits früh beachtliche<br />

Führungsqualitäten. Nach Abschluss<br />

der Ausbildung in West Point wird<br />

Pershing dem 6. Kavallerieregiment<br />

zugeteilt, danach dem 10. Reiterregiment,<br />

das sich aus afroamerikanischen<br />

Soldaten zusammensetzt. Aus<br />

dieser Zeit stammt sein Spitzname<br />

„Black Jack“. Nach mehreren Posten<br />

– u. a. Militärtaktikausbilder in West<br />

Point – wird er 1917 Oberbefehlshaber<br />

der US-Truppen in Europa. Die<br />

von ihm geführten Offensiven helfen<br />

mit, die Deutschen zurückzuwerfen.<br />

Nach dem Krieg wird Pershing 1919<br />

vom Kongress der Rang „General of<br />

the Armies of the United States“ verliehen.<br />

Er dient bis 1924, erhält<br />

1946 die Goldene Ehrenmedaille<br />

des Kongresses. Pershing stirbt am<br />

15. Juli 1948 im Walter-Reed-Militärkrankenhaus<br />

in Washington.<br />

NAMENSGEBER:<br />

Nach dem bekannten<br />

West-<br />

Point-Absolventen<br />

John Pershing<br />

sind die<br />

Pershing-Rakete<br />

sowie ein US-<br />

Kampfpanzer<br />

(M26 Pershing)<br />

benannt.<br />

FAKTEN<br />

Weitere bekannte Absolventen<br />

Ulysses S. Grant<br />

Robert E. Lee<br />

George A. Custer<br />

George W. Goethals<br />

John „Gatling Gun“ Parker<br />

Omar N. Bradley<br />

Douglas MacArthur<br />

George S. Patton<br />

William Westmoreland<br />

Norman Schwarzkopf<br />

In den 1960er-Jahren werden 4.400 Kadetten<br />

zugelassen, darunter Afroamerikaner und<br />

1968 die erste Frau.<br />

Moderne Zeiten<br />

Nach dem Ende des Vietnamkrieges, in dem<br />

333 Absolventen der Akademie ums Leben<br />

kamen, werden 1976 als Kadetten 119 Frauen<br />

aufgenommen. Kristin Baker wird 1989<br />

erster weiblicher Hauptmann. 2004 und 2006<br />

folgen ihr Grace H. Chung und Stephanie<br />

Hightower. Den Rang eines Brigadegenerals<br />

erhält schließlich Rebecca „Becky“ Halstead<br />

aus der Klasse von 1981. Erster weiblicher<br />

Hauptmann afroamerikanischer Abstammung<br />

ist Vincent Brooks.<br />

Curriculum<br />

45 Lehrer unterrichten Fremdsprachen, Management,<br />

Geschichte, Wirtschaftswissenschaften<br />

und Maschinenbau. 75 Prozent der<br />

Fakultätsmitglieder sind Offiziere, die übrigen<br />

zivile Lehrer. Das akademische Programm<br />

beinhaltet 31 Kurse und dauert vier<br />

Jahre. Alle Kadetten haben den Rang eines<br />

Leutnants. In den Sommermonaten können<br />

sie in aktiven Armee-Einheiten oder anderen<br />

Militärschulen tätig sein. Großer Wert<br />

wird natürlich auch auf die körperliche Fitness<br />

gelegt. Männer müssen boxen, Frauen<br />

Selbstverteidigung lernen. Mannschaftsspiele<br />

sind Football, Lacrosse (ein indianisches<br />

Ballspiel), Rugby und Basketball. Zweimal<br />

im Jahr ist ein Fitnesstest zu absolvieren. Zudem<br />

gibt es eine moralisch-ethische Ausbildung.<br />

Der Ehrenkodex besagt, dass „ein Kadett<br />

nicht lügt, betrügt, stiehlt und andere,<br />

die dies tun, nicht deckt.“<br />

Zusammensetzung der Kadetten<br />

Die meisten Kadetten kommen aus den 50<br />

US-Bundesstaaten. Bis zu 60 internationale<br />

Austauschkadetten werden zugelassen. Die<br />

Studiengebühren zahlt die US-Armee. Etwa<br />

15 Prozent der Kadetten sind heute Frauen.<br />

Die meisten Kadetten sind weiße Amerikaner,<br />

gefolgt von Amerikanern spanischer Abstammung,<br />

Afroamerikanern, asiatischen<br />

Amerikanern und einigen Indianern.<br />

Literaturtipps<br />

Maureen Oehler DuRant: West Point.<br />

Charleston 2007.<br />

Agostino Hassell: West Point. Charlottesville<br />

2002.<br />

GRUND ZUM FEIERN: Kadetten einer Abschlussklasse erhalten ihre Diplome und Offizierspatente.<br />

Auf diesem Foto von 1942 sind die typischen Kadetten-Uniformen der West Point<br />

Akademie gut zu erkennen, die heute noch genauso aussehen.<br />

Foto: picture-alliance/akg<br />

Michael Solka, M.A., Jg. 1953, studierte Geschichte<br />

und Amerikanistik in München und Eugene/USA; freier<br />

Autor und Redakteur; Verfasser zahlreicher Bücher.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

41


Schlachten der Weltgeschichte<br />

Wien 1683<br />

Die Schlacht um den<br />

„Goldenen Apfel“<br />

Die Osmanische Armee<br />

Etwa 100.000 Mann<br />

Knapp 200 Geschütze<br />

Das Entsatzheer<br />

39.400 Infanteristen<br />

34.400 Kavalleristen<br />

152 Geschütze<br />

Die Verteidiger Wiens<br />

16.000 Soldaten und eingezogene Landwehr<br />

etwa 130 bis 140 Festungsgeschütze<br />

42


15. bis 17. Jahrhundert: Neben allen internen<br />

Konflikten hält spätestens seit dem Fall von Konstantinopel<br />

1453 eine große Gefahr Europa in Atem: die<br />

türkische Expansion. 1529 sind die Osmanen bereits<br />

ein erstes Mal die Donau hinauf nach Wien gezogen.<br />

Gut 150 Jahre später stehen sie wieder vor den<br />

Toren der Stadt…<br />

Von Alexander Querengässer<br />

IN LETZTER MINUTE: Das christliche<br />

Entsatzheer bringt am 12. September die<br />

Rettung für das belagerte Wien. Das Ölgemälde<br />

zeigt die entscheidende Schlacht<br />

am Kahlenberg. Abb.: picture-alliance/akg<br />

Die strategisch wichtige Stadt, die wie ein<br />

Korken zwischen den steilen Bergwänden<br />

der Alpen und den Karpaten sitzt,<br />

gilt den Türken als „Goldener Apfel“. Ein früh<br />

einbrechender Winter und die hartnäckige<br />

Verteidigung der Landsknechtsbesatzung verhinderten<br />

1529 zwar den Fall der Stadt, doch<br />

nicht die Inbesitznahme des gesamten Balkanraums<br />

durch die Heere des Sultans. Im<br />

17. Jahrhundert erreicht die Macht der Osmanen<br />

ihren Höhepunkt.<br />

Die Entwicklung des Reiches beginnt<br />

langsam, aber spürbar zu stagnieren, und es<br />

setzt die innere Fäulnis ein, die das Weltreich<br />

in den nächsten 300 Jahren zernagen wird.<br />

Davon merken die Habsburger jedoch zunächst<br />

nur sehr wenig. In den Siebzigerjahren<br />

befinden sie sich in einem kräftezerrenden<br />

Krieg mit den Armeen des Sonnenkönigs<br />

am Rhein und in Italien, sowie dem<br />

aufsässigen protestantischen Adel in Nordungarn.<br />

Die Osmanen machen sich diese Situation<br />

zunutze und schicken ein neues starkes<br />

Heer, welches den „Goldenen Apfel“ zu Fall<br />

bringen soll, nach Westen. Es untersteht dem<br />

Großwesir Kara Mustafa, einem erfahrenen<br />

und erfolgreichen Soldaten. Den Vortrab seiner<br />

Armee bilden 40.000 Tataren, leichte<br />

schnelle Kavallerie, die die wenigen österreichischen<br />

Verbände westlich Wiens schnell<br />

vertreibt. Die Elite des Heeres besteht aus<br />

den Janitscharen, zum Islam konvertierte<br />

Christenkinder, die nun als Infanterie dienen,<br />

und den Spahis. Diese rekrutieren sich<br />

aus dem niederen Adel und fungieren als<br />

Mehrzweckkavallerie: sie können schnell in<br />

weit entlegene Gebiete vorstoßen und aufklären,<br />

bilden aber auch das berittene Rückgrat<br />

des Heeres in der Schlacht.<br />

Anti-Osmanisches Bündnis<br />

Durch das schnelle Vordringen des Feindes<br />

sieht sich Kaiser Leopold am 7. Juli dazu veranlasst,<br />

von Wien nach Linz zu fliehen. In der<br />

bedrohten Stadt verbleiben 16.000 Mann unter<br />

dem Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg.<br />

Einen guten Teil dieser Truppen stellen Landwehrformationen<br />

aus der Studentenschaft<br />

und den einzelnen Zünften dar.<br />

Doch auch Österreich ist nicht ganz unvorbereitet.<br />

Am 26. Januar war unter Vermittlung<br />

des Papstes ein Bündnis mit Polen geschlossen<br />

worden. Das Land ist eine alte Großmacht,<br />

deren Niedergang schon viel weiter<br />

voran geschritten ist, als der des Osmanischen<br />

Reiches. Doch unter Jan III. Sobieski kann das<br />

Clausewitz 4/2013<br />

43


Schlachten der Weltgeschichte | Wien 1683<br />

STARK BEFESTIGT: Wien verfügt<br />

<strong>über</strong> ein gut ausgebautes Verteidigungssystem,<br />

sodass die Garnison<br />

trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit<br />

lange genug standhalten<br />

kann.<br />

Abb.: IAM/akg<br />

um Wien selbst haben sich die Habsburger<br />

seit 1529 umfangreich gekümmert. Die Stadt<br />

ist nach französischem Vorbild zu einer der<br />

modernsten Festungen Europas ausgebaut<br />

worden. Zwölf mächtige Bastionen und ein<br />

kompliziertes System von Vorwerken schützen<br />

den „Goldenen Apfel“. Die Vorstädte<br />

lässt Starhemberg beim Eintreffen des Feindes<br />

abbrennen, damit die rund 140 Geschütze<br />

freies Schussfeld haben. Auf dem westlichen<br />

Donauufer befindet sich zudem die Kavallerie<br />

des Herzogs Karl von<br />

Lothringen, der auf das Eintreffen<br />

eines Ersatzheeres wartet. Am<br />

13. Juli trifft Kara Mustafas Heer<br />

vor den Toren Wiens ein und errichtet<br />

eine gewaltige Zeltstadt,<br />

die sich zwischen den Vororten St.<br />

Marx und Oberpöltling erstreckt.<br />

Nachdem seine Truppen ihre Stellungen<br />

bezogen haben, bietet er<br />

Starhemberg zwei Tage später die<br />

ehrenvolle Kapitulation an, welche<br />

dieser selbstverständlich umgehend<br />

ablehnt.<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

Land wieder einige militärische Erfolge erringen.<br />

Nun verspricht er 40.000 Mann zu stellen,<br />

wenn ihm der Oberbefehl <strong>über</strong>tragen<br />

wird. Zudem sagen die Kurfürsten von Bayern<br />

und Sachsen jeweils 10.000 Mann für den<br />

bevorstehenden Krieg zu, ebenso die südwestdeutschen<br />

Reichsfürsten.<br />

Keine Kapitulation!<br />

Habsburg selbst ist verpflichtet, 60.000 Soldaten<br />

ins Feld zu führen, kann aber aufgrund<br />

der angespannten Lage am Rhein dieser Verpflichtung<br />

nur schwer nachkommen. Auch<br />

DER VERTEIDIGER<br />

Graf von Starhemberg muss Wien gegen<br />

einen zahlenmäßig weit <strong>über</strong>legenen Angreifer<br />

verteidigen.<br />

Ernst Rüdiger von Starhemberg wird 1638 in<br />

Graz geboren. In den 1660er-Jahren gilt er<br />

als ein bewährter Oberst des Feldmarschall<br />

Montecuccoli, kämpft am Rhein gegen die<br />

Franzosen und in Ungarn gegen die Türken.<br />

Für seine erfolgreiche Verteidigung Wiens ernennt<br />

ihn der Kaiser zum Feldmarschall. Starhemberg<br />

kämpft wieder im Feldheer und wird<br />

1686 bei der Belagerung Ofens so schwer verwundet,<br />

dass er sein aktives Kommando niederlegen<br />

muss. 1691 wird er Präsident des<br />

Hofkriegsrates und macht sich als Reorganisator<br />

des Heeres verdient, ehe er 1701 stirbt.<br />

Krieg unter der Erde<br />

Wie Wien eine moderne Verteidigungsanlage<br />

nach den Prinzipien<br />

des französischen Baumeisters<br />

Vauban darstellt, so gelten die<br />

Türken damals als Meister des<br />

Festungskrieges. Kara Mustafas<br />

Truppen führen 50 schwere Belagerungskanonen<br />

und etwa 150 leichtere Feldgeschütze<br />

mit sich. Außerdem befinden sich in ihren<br />

Reihen Mineningenieure aus Frankreich, die<br />

damit beginnen, Tunnel unter die als<br />

Schwachpunkt in der Stadtbefestigung ausgemachte<br />

Löwenbastion vorzutreiben. Sowie<br />

die Tunnel bis unter die Fundamente der<br />

Mauer vorgetrieben sind, sollen sie mit großen<br />

Mengen Schießpulver gesprengt werden,<br />

damit die Sturmtruppen durch das so<br />

entstandene Loch in die Stadt gelangen können.<br />

Die Wiener Besatzung erkennt das Vorhaben<br />

der Türken und treibt Gegentunnel<br />

vor, um die Sprengladungen zu sabotieren.<br />

Trotzdem gelingt den Angreifern am<br />

23. Juli eine Sprengung an der Burgbastion.<br />

Der darauf folgende Sturmversuch der Janitscharen<br />

kann jedoch abgewehrt werden.<br />

Zwei Tage später verpufft die Wirkung einer<br />

Mine an der Löwenbastei. Auch Starhemberg<br />

lässt Tunnel unter die Schanzen der<br />

Osmanen treiben, wo am 26. Juli eine Mine<br />

explodiert ohne größeren Schaden anzurichten.<br />

Vier Tage später sprengen die französischen<br />

Ingenieure Kara Mustafas eine weitere<br />

Mine vor der Löwenbastei, während die<br />

Wiener eine Gegensprengung unter den<br />

Laufgräben der Türken durchführen. Diese<br />

bringen 30 Geschütze vor den bröckelnden<br />

Mauern in Stellung, um ihren nächsten Angriff<br />

zu unterstützen. Die Kanonen richten<br />

weitere schwere Beschädigungen an den<br />

44


Die Rettung naht<br />

Festungswerken an. Teilweise haben sich<br />

die türkischen Laufgräben den zusammengeschossenen<br />

Vorwerken der Österreicher<br />

schon so sehr genähert, dass es<br />

zu harten Nahkämpfen kommt. Einen<br />

alles entscheidenden Sturm zögern die<br />

Türken aber hinaus.<br />

Das christliche Entsatzheer<br />

Am 14. Juli erfährt der polnische Hof<br />

in Warschau, dass das türkische Heer<br />

vor Wien eingetroffen ist. Der König<br />

erlässt sofort den Befehl zum Sammeln<br />

seines Heeres, was jedoch Zeit<br />

benötigt. Erst am 15. August verlässt<br />

Jan Sobieski mit seinen Truppen Krakau.<br />

Auch die Sachsen, Bayern, Badener und<br />

Schwaben marschieren bereits nach Oberösterreich.<br />

Die verbündete Armee ist nicht nur in ihrer<br />

Zusammensetzung sehr heterogen, auch<br />

die Qualität ist durchwachsen. Sachsen und<br />

Bayern stellen jeweils 10.000 sehr gute Soldaten.<br />

Die beiden Kurfürstentümer haben<br />

erst vor kurzen begonnen, stehende Heere<br />

nach französisch-holländischem Vorbild<br />

aufzubauen. Johann Georg III., der als<br />

„Sächsischer Mars“ bekannt werden sollte,<br />

ist zudem ein erfahrener und ehrgeiziger<br />

Heerführer. Anders steht es um die polnischen<br />

Truppen. Jan Sobieski hatte mit seinen<br />

24.000 Mann nur etwa zwei Drittel der versprochenen<br />

Menge ins Feld gebracht. Die<br />

angeworbene Infanterie gilt als unzuverlässig.<br />

Ein Großteil des Heeres wird von Kosakenaufgeboten<br />

aus der Ukraine gebildet, die<br />

damals Teil des Königreiches ist. Diese haben<br />

einige Erfahrung im Kampf gegen die<br />

Türken. Die polnische<br />

Adelskavallerie,<br />

die Husaren,<br />

zählen zur Elite<br />

der Armee. Sie<br />

DER RETTER<br />

sind mit prächtigen Rüstungen gekleidet<br />

und tragen hohe Flügel mit Federn, die beim<br />

Angriff ein furchteinflößendes Geräusch erzeugen<br />

sollen. Ihre Lanzen (Copias) sind<br />

hohl, sodass sie im Gefecht zerbrechen, damit<br />

der Reiter beim Aufprall nicht aus dem<br />

Sattel gehoben wird. Es gilt als unehrenhaft,<br />

seine Waffe nicht zu zerbrechen. Der Ritter,<br />

dem dies passiert, wird aus dem Korps ausgestoßen.<br />

Die kommende Schlacht sollten<br />

nur sechs Lanzen heil <strong>über</strong>stehen. Trotz ihres<br />

elitären Status gelten die Flügelhusaren<br />

aber ebenfalls als undiszipliniert.<br />

DER ANGREIFER<br />

Kara Mustafa kann Wien nicht erobern und<br />

bezahlt dieses „Versäumnis“ mit dem Leben.<br />

Der Sohn eines kleinen türkischen Ritters (Spahi)<br />

aus Kleinasien wächst als Kind im Kreis des türkischen<br />

Großwesirs auf. Durch eine Mischung aus eigenem<br />

Geschick und Günstlingswirtschaft erringt er<br />

hohe militärische Ämter, wird 1661 Großadmiral<br />

und Stellvertreter des Großwesirs. Dieses Amt <strong>über</strong>nimmt<br />

er 1676 selbst. Er führt lange Kriege gegen<br />

die Kosaken der Ukraine und in Ungarn, ehe er den<br />

alten türkischen Traum der Eroberung Wiens wahr<br />

machen will. Nach seiner Niederlage am Kahlenberg<br />

wird er auf Befehl des Sultans erdrosselt.<br />

Erbitterter Kampf um die Stadt<br />

Im August intensiviert sich der Beschuss<br />

Wiens durch die Türken. Ihre Kanoniere nehmen<br />

die Kirchen der Stadt, vor allem den<br />

prächtigen Stephansdom, ins Visier. Starhemberg<br />

lässt die Lebensmittelpreise regulieren<br />

und die männliche Bevölkerung, die<br />

noch nicht auf den Wällen steht, bewaffnen.<br />

Es nützt wenig. Medikamente, Fleisch und<br />

„Das Heer des Islam wurde von den Kugeln<br />

aus den Geschützen und Flinten der Feinde wie mit<br />

Regen <strong>über</strong>schüttet.“<br />

Seit der Schlacht am Kahlenberg gilt Johann (polnisch:<br />

Jan) III. Sobieski als „Retter Wiens”.<br />

Jan III. aus dem Geschlecht der Sobieskis gehört zu den<br />

führenden Adelsfamilien Polens. In den 1640er- und<br />

1650er-Jahren bekämpft er Kosakenaufstände und die<br />

türkischen Invasoren in der Ukraine. Er ist ein langgedienter<br />

und erfahrener Soldat, als ihn der Sejm 1674 zum polnischen<br />

König wählt. Sein Versuch, die polnische Großmachtstellung<br />

gegen Brandenburg und Schweden wiederherzustellen,<br />

scheitert an mangelnder französischer<br />

Unterstützung. In der Folge konzentriert er sich auf den<br />

Krieg mit den Türken, führt 1683 das christliche Entsatzheer<br />

nach Wien. Nach dem Sieg am Kahlenberg führt er<br />

den Krieg gegen die Osmanen mit wechselnden Erfolgen<br />

in der Ukraine fort, bis er 1696 stirbt.<br />

Abb.: picture-alliance / Mary Evans Picture Library<br />

Der Zeremonienmeister des Sultans<br />

Brot werden von denen, die volle Speicher<br />

haben, zu steigenden Wucherpreisen weiterverkauft.<br />

Dem Einberufungsbefehl muss mit<br />

der Todesstrafe für Wehrverweigerer Gewicht<br />

verschafft werden.<br />

Die Kuriere, die zu Karl von Lothringen<br />

durchbrechen sollen, verlangen immer mehr<br />

Geld. Die Wiener haben eine panische Angst<br />

vor Spionen. Am 26. August wird ein verdächtiger<br />

fünfzehn Jahre alter Junge geköpft.<br />

Währenddessen geht der Kampf vor den<br />

Wällen weiter. Kara Mustafa konzentriert<br />

sich verstärkt auf die Löwenbastei. Ein Minengang<br />

wird unter die Bastei gegraben,<br />

und bei einem Artillerieduell fliegt ein Pulvermagazin<br />

in die Luft.<br />

Am 1. September erreicht ein erschöpfter<br />

Kurier die Stadt. Er meldet, dass die Entsatzheere<br />

sich bald vereinigen würden. Das wird<br />

auch Zeit, denn die Lebensmittelvorräte gehen<br />

zur Neige. Was Starhemberg nicht weiß:<br />

auch Kara Mustafa muss die Rationen seiner<br />

Truppen sparsam verwenden. Daher forciert<br />

der Großwesir den Angriff auf die Löwenbastei<br />

weiter und lässt auch neue Minen unter<br />

die Burgbastei legen. Anfang September<br />

können die Janitscharen in mehreren Sturmangriffen<br />

bis auf die Mauern der Stadt vordringen,<br />

werden aber mit letzter Kraft von<br />

den Verteidigern zurückgeworfen.<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 4/2013<br />

45


Schlachten der Weltgeschichte | Wien 1683<br />

HAARSCHARF: Anfang September gelingt es den Türken fast die Stadt einzunehmen – osmanische Soldaten sind bereits auf den Mauern.<br />

Das Diorama fängt den kritischen Moment ein, der fast zu einem anderen Ausgang der Schlacht geführt hätte. Foto: akg/De Agostini Pict.Lib.<br />

Da erscheinen in der Nacht vom 11. auf den<br />

12. September große Leuchtfeuer auf dem<br />

Kahlenberg, nordwestlich der Stadt. Belagerer<br />

und Belagerte wissen, dass da das Entsatzheer<br />

naht. Kara Mustafa erfuhr es bereits<br />

vor einigen Tagen durch Gefangene. Trotzdem<br />

haben die Türken die Höhen, welche<br />

die Stadt umgeben, nicht besetzt und zu festen<br />

Stellungen ausgebaut.<br />

Flucht der Osmanen<br />

Am Morgen des 12. September greifen die<br />

Verbündeten an. Karl von Lothringen befehligt<br />

die Reichskontingente auf dem linken<br />

Flügel, Jan Sobieski seine Polen auf dem<br />

Rechten. Kara Mustafa zieht eiligst Truppen<br />

aus dem Belagerungsring ab und wirft sie<br />

dem Entsatzheer entgegen. Gleichzeitig versucht<br />

er den Druck auf Wien aufrecht zu erhalten.<br />

Karl von Lothringens Truppen werden<br />

in schwere Kämpfe mit dem türkischen<br />

„Die ganze Artillerie, das ganze Lager der Osmanen,<br />

unermessliche Reichtümer sind uns in die Hände<br />

gefallen. Gott sei hochgelobt in alle Ewigkeit!“<br />

Jan III. Sobieski an seine Frau<br />

rechten Flügel verwickelt und arbeiten sich<br />

mühsam zu den Zelten der Belagerer vor.<br />

Der sächsische Kurfürst Johann Georg III.<br />

kämpft an der Spitze seiner Regimenter. Jan<br />

Sobieski führt einen wenig koordinierten<br />

Angriff gegen die türkische Linke, der zunächst<br />

von der feindlichen Artillerie abgewehrt<br />

wird. Doch es gelingt dem König, seine<br />

Truppen zu sammeln.<br />

Am Nachmittag preschen seine Reiter ein<br />

zweites Mal die Hänge des Berges hinab.<br />

Die wuchtige Attacke <strong>über</strong>windet den Widerstand<br />

der Janitscharen und der Spahis.<br />

Die Polen dringen in das türkische Lager<br />

ein. Die Fahne des Propheten, eines der<br />

größten Heiligtümer der Osmanen, geht<br />

verloren. Ihre Armee bricht vollständig auseinander<br />

und wälzt sich in wilder Flucht die<br />

Donau hinab.<br />

Die Verluste der Schlacht sind schwer zu<br />

beziffern, besonders bei den Türken, die dar<strong>über</strong><br />

keine verlässlichen Statistiken führten.<br />

Es ist aber davon auszugehen, dass Kara<br />

Mustafa allein in der Schlacht am Kahlenberg<br />

10.000 bis 15.000 Mann verloren hat. Die<br />

Verbündeten lassen 4.000 bis 5.000 Mann auf<br />

dem Feld.<br />

Kara Mustafa versucht die Schuld für die<br />

Niederlage zu vertuschen und lässt einen<br />

seiner Unterführer in Ungarn köpfen. Es rettet<br />

ihn nicht. Auf Befehl des Sultans wird der<br />

Großwesir am 25. Dezember in Belgrad mit<br />

der seidenen Schnur erdrosselt.<br />

Nachdem die kleineren Reichskontingente<br />

in ihre Heimatländer abgerückt waren,<br />

versucht ein österreichisch-polnisches Heer<br />

die Türken zu verfolgen. Sobieskis Truppen<br />

werden am 7. Oktober bei Parkany so schwer<br />

geschlagen, dass er den Kriegsschauplatz<br />

ebenfalls verlässt.<br />

Österreichische Expansion<br />

Das Haus Habsburg hat die letzte große Bedrohung<br />

durch die Türken erfolgreich abgewehrt.<br />

In den folgenden Jahren macht es<br />

sich an die schrittweise Rückeroberung Ungarns.<br />

Alexander Querengässer, Jg. 1987, Militärhistoriker<br />

und Autor aus Dresden.<br />

46


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Militärtechnik im Detail<br />

NEUE SERIE<br />

„Hitlersäge“<br />

Das deutsche Maschinengewehr (MG)42<br />

Unglaublich schnell und Furcht erregend;<br />

das MG42 war das wohl am meisten gefürchtete<br />

Infanteriemaschinengewehr, das jemals<br />

entworfen wurde. Keiner anderen Waffe<br />

während des Zweiten Weltkrieges fielen<br />

mehr alliierte Soldaten zum Opfer. Die Kadenz<br />

von 1.200 bis 1.500 Schuss pro Minute<br />

war enorm. Die Deutschen nannten das<br />

MG42 daher auch „Hitlersäge“.<br />

Ein Anzio-Veteran behauptete, dass „von<br />

einem MG42 beschossen zu werden, einen<br />

Soldaten lehren würde, mit bloßen Händen<br />

ein Deckungsloch in Beton zu graben.“<br />

Im Jahr 1942 in Dienst gestellt ergänzte<br />

beziehungsweise ersetzte das MG42 in den<br />

meisten Fällen das MG34, obwohl beide bis<br />

zum Ende des Krieges hergestellt und verwendet<br />

wurden.<br />

Wenn es mit der Dreibein-Feldlafette<br />

verwendet wurde, dann diente die ungeladen<br />

10,6 Kilogramm schwere Waffe als<br />

schweres Maschinengewehr und kam üblicherweise<br />

in dieser Rolle hauptsächlich bei<br />

defensiven Aufgaben zum Einsatz. Das<br />

MG42 konnte aber auch mit seinem klappbaren<br />

Zweibein als leichte offensive Waffe<br />

verwendet werden.<br />

Das MG42 war bis 1953 im Dienst, dann<br />

wurde es modifiziert und von MG53, MG1<br />

und dem MG3 ersetzt. Das Letztgenannte ist<br />

immer noch bei der NATO und der deutschen<br />

Bundeswehr im Einsatz.<br />

Der kurz zurücklaufende<br />

Lauf mit Rückstoßverstärkung<br />

durch Mündungsgasdruck<br />

trug<br />

schließlich auch zur<br />

hohen Kadenz des<br />

MG42 bei.<br />

Das MG42 war mit einem<br />

einklappbaren Zweibein<br />

ausgestattet.<br />

Die konventionelle offene<br />

Schiebevisiereinrichtung kam<br />

zur Anwendung in der MG42-<br />

Rolle als leichtes Maschinengewehr.<br />

Der luftgekühlte, auswechselbare<br />

Lauf wurde seitlich<br />

herausgedrückt und<br />

regelmäßig, um Beschädigung<br />

durch Überhitzung zu<br />

vermeiden, ausgetauscht. Den<br />

Rohrwechsel konnten eingespielte<br />

Teams in unter zehn<br />

Sekunden bewerkstelligen.<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II<br />

magazine“ sowie der Weider History<br />

Group für die Zurverfügungstellung der<br />

Grafiken. Mehr Informationen unter<br />

www.HistoryNet.com.<br />

Gegurtete 7,92-Millimeter-<br />

Mauser-Munition.<br />

Illustration: Jim Laurier<br />

In dieser Serie bereits erschienen:<br />

Kampfpanzer Sherman M4 (2/2013)<br />

Flugzeugträger Independence-Klasse (3/2013)<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100 (3/2013)<br />

Demnächst:<br />

M2A1 105-mm-Haubitze (5/2013)<br />

„Swordfish“ Torpedobomber (6/2013)<br />

48


Das Bild zeigt das Vorgängermodell<br />

des MG42,<br />

ein MG34 (hier auf Fliegerabwehrlafette).<br />

Es<br />

konnte sogar von einem<br />

einzelnen Soldaten eingesetzt<br />

werden, wenn eine<br />

Munitionstrommel<br />

verwendet wurde (siehe<br />

Kreis). Diese Option gab<br />

es auch für das MG42.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Das Gehäuse bestand beim MG42<br />

<strong>über</strong>wiegend aus Stanz- und Druckgussmetallteilen<br />

im Gegensatz zum<br />

MG34 mit seinen teuren gedrehten<br />

Metallkomponenten. Somit war es<br />

möglich, ein MG42 in der halben Zeit<br />

zu fertigen, die noch für das MG34<br />

benötigt wurde.<br />

Eine MG42-Besatzung (hier in einer Stellung im feldmäßigen<br />

Ausbau) bestand aus drei Mann: dem Schützen,<br />

dem Munitionsschützen und dem Beobachter. Der<br />

Schütze war darauf trainiert mit dem MG42 kurze Feuerstöße<br />

abzugeben, um den Lauf vor Beschädigung<br />

durch Überhitzung zu bewahren. Dennoch war der Munitionsbedarf<br />

enorm. Daher war es üblich, dass zahlreiche<br />

andere Soldaten zusätzliche Munitionskisten mitführten,<br />

um dem Munitionsbedarf Rechnung zu tragen.<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Der Kolben wurde meist aus<br />

Kunststoff gefertigt. Wie beim<br />

gesamten Design der Waffe wurde<br />

auch hier Wert auf einfache<br />

Fertigung gelegt.<br />

Der große „Pistolengriff“ war<br />

ergonomisch optimiert worden.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Das leichte japanische<br />

Maschinengewehr Typ 99<br />

Feuerrate: 700 Schuss pro Minute<br />

Entwickelt, um die gleiche Munition wie das<br />

Gewehr Arisaka Typ 99 zu verschießen. Die<br />

Munition wurde durch ein oben platziertes<br />

30-Schuss-Magazin zugeführt.<br />

Das russische Degtyaryov<br />

Infanteriemaschinengewehr (DP)<br />

Feuerrate: 500 bis 600 Schuss in der<br />

Minute<br />

Das DP war billig zu produzieren und einfach<br />

in der Handhabung. Doch das Zweibein<br />

brach leicht, und das pfannenförmige<br />

47-Schuss-Magazin war recht unzuverlässig.<br />

Das amerikanische M1918A2<br />

Browning Automatic Rifle<br />

(BAR)<br />

Feuerrate: 500 bis zu 650 Schuss in der Minute<br />

Das BAR war leicht aber schwer zu bedienen und<br />

erforderte häufige Reinigung. Das zu kleine 20-<br />

Schuss-Magazin war nicht dazu geeignet,<br />

durchgehend lange Feuerunterstützung zu liefern.<br />

Das leichte britische<br />

Bren-Maschinengewehr<br />

Feuerrate: 500 bis 520 Schuss in der Minute<br />

Das Bren ging aus einem modifizierten tschechischen<br />

Entwurf hervor. Mit seinem oben liegenden gebogenen<br />

Stangenmagazin und dem wechselbaren Lauf war es<br />

eine zuverlässige und effektive Unterstützungswaffe.<br />

Das leichte<br />

italienische Maschinengewehr<br />

Breda 30<br />

Feuerrate: 500 Schuss in der<br />

Minute<br />

Mit einem einzigartigen auf der<br />

rechten Seite des MG befestigten<br />

schwenkbaren Magazin,<br />

das 20 Schuss fasste, erforderte<br />

das Breda 30 einen geübten<br />

Ladeschützen. Das MG war<br />

anfällig für Störungen und<br />

verfügte nur <strong>über</strong> eine geringe<br />

Feuergeschwindigkeit.<br />

Clausewitz 4/2013 49


Militär und Technik<br />

Berge- und Pionierpanzer aus West und Ost<br />

Starke „Alleskönner“<br />

Kalter Krieg: Das Herausziehen festgefahrener oder beschädigter Kampfpanzer ist ihr<br />

„Alltagsgeschäft“. Berge-, Pionier- und Kranpanzer sind in beiden deutschen Armeen die<br />

Kraftprotze unter den Fahrzeugen für die Kampfunterstützung. Von Jörg-M. Hormann<br />

„BERGELEO“: Die gängige Bezeichnung<br />

der Bundeswehr für den Bergepanzer 2.<br />

Foto: BW Heer/Carsten Heide<br />

Sommer 1972: Es ist schießfreies Wochenende<br />

auf dem NATO-Truppenübungsplatz<br />

Bergen-Hohne in der Lüneburger<br />

Heide. Doch aus dem erhofften entspannten<br />

Wochenende wird nichts: „Wenn wir nicht<br />

schießen können, weil sich die Touristen die<br />

Hünengräber der ‚Sieben Steinhäuser’ inmitten<br />

des Platzes ansehen wollen, dann fahren<br />

wir eben. Also meine Herren, Fahrübungen<br />

im Kompanieverband“, so der Befehl des<br />

Kompaniechefs. Die rund 80 Mann seiner Panzerbesatzungen<br />

denken alle das Gleiche: Mit<br />

unseren betagten M48-Kampfpanzern sollen<br />

wir stundenlang durch das Gelände preschen?<br />

Na dann viel Spaß!<br />

Panzerschützen ist die imponierende Außenwirkung<br />

ihrer rund 47,5 Tonnen Stahl in<br />

Bewegung oft eher gleichgültig. Für sie ist<br />

die „Innenwirkung“ ihrer Waffe von Bedeutung:<br />

Blaue Flecken beim Durchschlagen der<br />

Fahrwerke in zügiger Fahrt durch welliges<br />

Gelände, Rohrreinigen nach Staubwolkenfahrt,<br />

Endverbinder anziehen bei jedem<br />

technischen Halt – und so weiter und so weiter.<br />

Alles Dinge, die in der brütenden Sommerhitze<br />

wahre Freude bei den Männern<br />

aufkommen lassen.<br />

Mit Motorschaden im Gelände<br />

Dieses Mal erwischt es meinen Kampfpanzer.<br />

In einem Kusselgelände auf irgendeiner<br />

Schießbahn bleibt er mit Motorschaden liegen.<br />

Alle Bemühungen des Fahrers, die „alte<br />

Dame“ wieder in Gang zu bringen, schlagen<br />

fehl. Nun heißt es: gelbe Signalflagge<br />

raus und warten. In der beginnenden Dämmerung<br />

quält sich der „Munga“ des Chefs<br />

zu seinem fehlenden Panzer. „Fahnenjunker<br />

Hormann, Sie bleiben beim Fahrzeug, hier<br />

haben sie noch ein EPa [Einmannpackung;<br />

kleines Verpflegungspakt der Bundeswehr].<br />

Ich schicke ihnen einen ,Bergeleo’, restliche<br />

Besatzung bei mir aufsitzen!“ Weg waren sie<br />

und ich stehe mit meinem M48 in der „Walachei“.<br />

Übrigens: Der bequemste Schlafplatz<br />

im Sommer ist der auf dem Tarnnetz in<br />

der Heckablage des Panzerturmes.<br />

Geweckt werde ich von dem morgendlichen<br />

Vogelgezwitscher und dem näherkommenden<br />

typischen „Leo-Brummen“. Ziemlich<br />

schnell wird der dunkle Punkt unter der<br />

gelbgrauen Staubfahne größer. Wo wir uns<br />

mit dem M48 durch jede Bodenwelle der<br />

Schießbahn gekämpft haben, rauscht der<br />

„Bergepanzer 2 Leopard 1“, so die offizielle<br />

Bezeichnung, mit Tempo 50 <strong>über</strong> die Wellen<br />

hinweg. Das Anschlagen der Schleppstangen<br />

ist Minutensache. Mit dem Aufbrüllen<br />

des 830 PS starken Mehrstoffmotors beginnt<br />

das „Alltagsgeschäft“ des Bergepanzers.<br />

In diesem Fall ist es das Abschleppen eines<br />

liegengebliebenen Panzers, aber mit immerhin<br />

zehn Tonnen mehr Gewicht auf den<br />

50


BERGEPANZER T-72TK: Das letzte<br />

Modell eines Bergepanzers der NVA<br />

ist vor der Wende noch mit ganzen<br />

drei Exemplaren zum Einsatz gekommen.<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

Ketten, als das Schleppfahrzeug. Fast spielerisch<br />

zieht der „Bergeleo“ seine Last durch<br />

das Gelände.<br />

Gepanzertes Arbeitsgerät<br />

Nach offizieller „Lesart“ der Bundeswehr<br />

handelt es sich bei den Bergepanzern um<br />

schwere Kampfunterstützungsfahrzeuge:<br />

„Diese gepanzerten Arbeitsgeräte kommen<br />

im Gefechtsfeld zum Einsatz, um zerstörte<br />

oder beschädigte Panzer, Lkw und schweres<br />

Gerät zu bergen und sie den Instandsetzungseinheiten<br />

zuzuführen. Das Einsatzspektrum<br />

eines modernen Bergepanzers<br />

umfasst auch das Sichern von Kettenfahrzeugen<br />

bei Gewässerdurchfahrten, die Einsatzunterstützung<br />

bei Instandsetzungsarbeiten<br />

und das Bergen von Kampfpanzern<br />

mit Schnellbergeeinrichtung unter Panzerschutz.<br />

Außerdem die Kranassistenz beim<br />

Ein- und Ausbau von Motoren, das Räumen<br />

von Hindernissen und bei Bedarf auch Erdarbeiten.“<br />

Zur Durchführung dieser Aufgaben sind<br />

Berge- und Pionierpanzer im Westen und im<br />

Osten des geteilten Deutschlands mit entsprechenden<br />

Gerätschaften und<br />

Vorrichtungen versehen. Hierzu<br />

gehören Seilwinden, Hebegeräte<br />

und auch Kräne. Außerdem<br />

werden Materialien und gängige<br />

Ersatzteile mitgeführt. Umfangreiche<br />

Werkstattausrüstungen<br />

bis hin zu Schneid- und<br />

HINTERGRUND<br />

Solange eingesetzte Panzer kritische Gewichtsgrenzen<br />

nicht <strong>über</strong>schreiten, ist die<br />

Bergung mit üblicher Kranhilfe und Winden<br />

möglich. Doch im Zweiten Weltkrieg werden<br />

die Kampfpanzer immer schwerer und die<br />

Bergung liegengebliebener oder abgeschossener<br />

Panzer auf dem Gefechtsfeld immer<br />

schwieriger. Es setzt sich die Erkenntnis<br />

durch, dass nur ein gleichschwerer Panzer<br />

einen „Gewichtskameraden“ bergen kann.<br />

Doch genau solche Bergeaktionen sind auf<br />

dem Schlachtfeld verboten, um der Gefahr<br />

des doppelten Abschusses zu begegnen.<br />

Bergepanzer im Zweiten Weltkrieg<br />

URVATER „BERGEPANTHER“: Die technische<br />

Grundkonstruktion zukünftiger Bergepanzer ist<br />

beim „Bergepanther“ bereits zu erkennen.<br />

1943 entsteht der „Bergepanther“, bei dem<br />

der Drehturm mit Kanone weggelassen wird.<br />

Auf dem Fahrgestell des „Panther“ befindet<br />

sich nun ein quadratischer Holz- und Metallaufbau<br />

und in der Panzerwanne eine Winde<br />

mit einer Längszugkraft von 40 Tonnen. Ein<br />

großer Erdsporn dient zu Abstützung und ein<br />

einfacher Kranausleger mit 1,5 Tonnen Hebekraft<br />

ergänzt die Ausrüstung.<br />

Da sind bereits erste Fahrzeugähnlichkeiten<br />

zu den Bergepanzern zu erkennen, die nach<br />

dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt<br />

werden.<br />

Abb.: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Clausewitz 4/2013<br />

51


Militär und Technik | Berge- und Pionierpanzer<br />

Schweißanlagen erlauben kleinere Reparaturen<br />

direkt im Einsatzgebiet. Mit vorhandenem<br />

Räum- und Stützschild können auch<br />

leichtere Pionieraufgaben, wie zum Beispiel<br />

die Erdbewegungen für Rampen zur Wasserdurchfahrt,<br />

erledigt werden.<br />

Bei der Aufstellung der Bundeswehr Mitte<br />

der 1950er-Jahre erhalten die Panzer- und<br />

Panzerjägerbataillone als Erstausstattung<br />

den mittleren Bergepanzer M74 aus amerikanischen<br />

Beständen. Das Fahrzeug basiert auf<br />

dem Fahrgestell des im Zweiten Weltkrieg<br />

eingeführten Kampfpanzers M 4 „Sherman“.<br />

„BERGEPANZER 2“ AUF „LEOPARD 1“-FAHRGESTELL<br />

1 Auslass der hydraulischen Hauptwinde mit Seilspannvorrichtung<br />

(90 m langes Seil für max. 350 kN Zugkraft)<br />

2 Räum- und Stützschild mit Öffnungen zum Einhängen<br />

von Reißzähnen<br />

3 Umlenkrolle zur Erhöhung der Zugkraft auf 700 kN<br />

4 Kugelblende für das Bugmaschinengewehr<br />

5 Ersatzkettenglieder<br />

6 Winkelspiegel für den Fahrer<br />

7 Kommandantenluke mit Fliegerabwehrlafette<br />

für das MG 3<br />

8 Rückfahrspiegel<br />

9<br />

8<br />

9 hydraulische Krananlage mit Hebewinde für<br />

Lasten bis 200 kN<br />

10 Abgasgitter der Vielstoffmotorenanlage<br />

11 Werkzeug: Spitzhacke, Spaten,<br />

Hebelvorschneider, Kettenspannschlüssel<br />

12 Fahrgestell des Kampfpanzers „Leopard 1“<br />

13 Seitenluke<br />

14 Lastschild<br />

15 Werkzeug: Axt, Brechstange<br />

16 Kranbettung mit 270 Grad Drehbereich und<br />

für 70 Grad Hebung des Auslegers<br />

17 Fahrscheinwerfer<br />

7 6<br />

5<br />

Der M74 bewährt sich nicht<br />

In der Praxis bewährt sich der bereits relativ<br />

alte M74 bei der Bundeswehr nicht. Zu<br />

schwach, zu langsam und mit unzuverlässigem<br />

Fahrwerk und Motor werden die 300<br />

beschafften Fahrzeuge bis 1960 aus der aktiven<br />

Truppe genommen und durch den Bergepanzer<br />

M88 A1 ersetzt.<br />

Seit 1960 wird der M88, der auf der Fahrzeugkonstruktion<br />

des Kampfpanzers M48<br />

basiert, in den USA – mit entsprechenden<br />

Modernisierungen – bis heute gefertigt. In<br />

der Bundeswehr wird er als „Bergepanzer 1“<br />

ab 1961 eingeführt. An der aus Gussstahl<br />

hergestellten Wanne befinden sich die<br />

Kettenfahrwerke. Ursprünglich sorgt ein<br />

Zwölfzylinder-Benzinmotor mit 47 Litern<br />

Hubraum und 850 PS für den Antrieb. Ein<br />

Handicap stellt der nicht schwenkbare Kranausleger<br />

dar. Krandrehungen müssen mit<br />

dem kompletten Panzer vollführt werden.<br />

Dafür ist der „Bergepanzer 1“ wegen seines<br />

großzügigen Innenraumes und einer<br />

wirkungsvollen Heizung bei den Besatzungen<br />

beliebt – ganz im Gegensatz zur berüchtigten<br />

Innenheizung des M48, die wegen<br />

Vergiftungsgefahr nicht benutzt werden<br />

darf. Ab 1985 werden die „Bergepanzer 1“<br />

Foto: picture-alliance/Sodapix AG<br />

10<br />

11 12 13 14 15 16<br />

der Bundeswehr zum M88 A1 aufgerüstet.<br />

Sie erhalten anstelle des Benzinmotors einen<br />

MTU-Dieselantrieb und eine leistungsstärkere<br />

Bergewinde. Im Jahr 2000 sind alle „Bergepanzer<br />

1“ außer Dienst gestellt. Ein Exemplar<br />

ist heute im Deutschen Panzermuseum<br />

in Munster zu besichtigen.<br />

Gleichzeitige Entwicklung<br />

Parallel zur Entwicklung des Kampfpanzers<br />

„Leopard 1“ beginnt die Entwicklungsplanung<br />

und Baudurchführung für einen Bergepanzer,<br />

der auf dem Fahrgestell des<br />

IN AKTION: Oderflut im August 1997.<br />

Pionierpanzer vom Typ „Dachs” planiert<br />

eine Fläche für den provisorischen Bau<br />

eines Notdeichs. Foto: picture-alliance/dpa<br />

17<br />

Kampfpanzers aufbaut. Durch Verwendung<br />

vieler Gleichteile entsprechen die Einsatzmöglichkeiten<br />

des Bergepanzers in Bezug<br />

auf Marschgeschwindigkeit, Geländegängigkeit,<br />

Tauchfähigkeit, ABC-Schutz und<br />

Dauerstandfestigkeit der des Kampfpanzers.<br />

Der Schutz für Besatzung und Fahrzeug<br />

wurde bei der Fahrzeugentwicklung besonders<br />

berücksichtigt.<br />

Am 9. September 1966 erfolgt die Übergabe<br />

des ersten Bergepanzers – von insgesamt<br />

444 zu bauenden Fahrzeugen – durch den<br />

Hersteller Atlas-MaK an die Bundeswehr.<br />

Drei Jahre später ist der Auftrag abgeschlossen<br />

und zukünftig verrichtet der „Bergepanzer<br />

2“, in der Truppe nur kurz „Bergeleo“<br />

genannt, seinen Dienst.<br />

Seine Wanne besteht aus geschweißtem<br />

Panzerstahl und verfügt <strong>über</strong> eine einlagige<br />

Panzerung, wobei das Schutzniveau dem<br />

des „Leopard 1“ entspricht. Zur Selbstverteidigung<br />

verfügt der „Bergepanzer 2“ <strong>über</strong><br />

zwei Maschinengewehre MG 3, die als Bug-<br />

MG und als Fla-MG auf der Fliegerabwehrlafette<br />

der Kommandantenkuppel installiert<br />

sind. Eine Nebelmittelwurfanlage mit sechs<br />

Wurfbechern an der linken Seite des Aufbaus<br />

ermöglicht es der Besatzung, sich im<br />

Gefecht den Blicken des Gegners zu entziehen.<br />

Zur Bergeausstattung zählen der Kranausleger,<br />

das Räum- und Stützschild am Bug<br />

sowie die Berge- und Windeneinrichtung,<br />

außerdem verschiedene Gerätschaften zur<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

52


Der „Bergeleo” bewährt sich<br />

UNZUVERLÄSSIG: Ein M74 beim Bergeversuch<br />

eines Schützenpanzers im Jahr 1959.<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

BERGEPANZER 1: Mit A-förmigem und fest<br />

verbundenem Kranausleger.<br />

Foto: Wikimedia/Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

KRANPANZER T-55TK: Der große Stützschild zum Stabilisieren des Kranauslegers bei der<br />

Arbeit ist unterhalb der Benzinfässer gut zu erkennen.<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

Instandsetzung: eine Schneid- und Schweißanlage<br />

sowie ein umfangreicher Satz Werkzeuge.<br />

Auf dem Heck des „Bergepanzers 2“<br />

sind Vorrichtungen zum Transport eines Ersatztriebwerks<br />

für den „Leopard 1“ angebracht.<br />

Somit kann ein Motorenwechsel am<br />

INFO<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Technische Daten<br />

Berge- und Pionierpanzer<br />

der Bundeswehr<br />

defekten Fahrzeug direkt im Gelände erfolgen.<br />

Mit einem aufgesetzten Schacht auf der<br />

Kommandantenluke wird der Bergepanzer<br />

tauchfähig bis zu einer Wassertiefe von vier<br />

Metern. Damit ist der Einsatz als Sicherungsfahrzeug<br />

möglich, wenn „Leopard“-Panzer<br />

M74 Bergepanzer 1<br />

M88 A1<br />

Bergepanzer 2<br />

Leopard 1<br />

„Bergeleo“<br />

Gefechtsgewicht 42,5 t 50,8 t 39,8 t<br />

Länge 5,84 m 8,45 m 7,68 m<br />

Breite 2,62 m 3,43 m 3,25 m<br />

Höhe 2,74 m 3,12 m 2,69 m<br />

Panzerung 12–63 mm 50–90 mm 10–35 mm<br />

Besatzung 4 Mann 3 Mann 4 Mann<br />

Hubraum 24 l 37,4 l 37,4 l<br />

Leistung 316 kW/506 PS 640 kW/1.014 PS 610 kW/830 PS<br />

Höchstgeschwindigkeit 34 km/h 42 km/h 62 km/h<br />

Bodenfreiheit – 0,43 m 0,44 m<br />

Watfähigkeit – 1,43 m 1,20 m<br />

Tiefwatfähigkeit mit Ausrüstung – 2,59 m 2,25 m<br />

Unterwasserfahrt mit UWF-Schacht – – 4,00 m<br />

Überschreitfähigkeit – 2,60 m 2,50 m<br />

Steigfähigkeit – 54 Grad 54 Grad<br />

Wendekreis – – 4,96 m<br />

Schleppleistung 42,5 t 44,0 t 44,0 t<br />

Reichweite 125 km Straße 480 km Straße 855 km Straße<br />

Bergeeinrichtung<br />

1 x hydraulischer<br />

Hebekran 22,7 t<br />

1 x hydraulische<br />

Winde 40,9 t<br />

1 x hydraulischer<br />

Hebekran 22,5 t<br />

1 x hydraulische<br />

Winde 35 t<br />

1 x Krananlage<br />

max. 20 t<br />

1 x Hauptwinde<br />

max. 40 t<br />

Baujahre 1946 bis 1952 1958 bis 1964 1966 bis 1970<br />

Verwendung 1956 bis 1960 1961 bis 2000 1966 bis heute<br />

Stückzahl Bundeswehr 300 125 444<br />

Stückzahl gesamt 1.940 1.000 3.800<br />

Quellen: Herstellerangaben<br />

in Tauchfahrt Flüsse durchfahren. Bei der<br />

Einführung des Flugabwehrkanonenpanzers<br />

„Gepard“ und ferner des Kampfpanzers<br />

„Leopard“ der zweiten Generation werden<br />

110 „Bergepanzer 2“ in den Jahren 1977 und<br />

1978 in ihrer Leistung gesteigert und führen<br />

nun die Bezeichnung A2. Damit einher geht<br />

die Lieferung von 75 Fahrzeugen des Bergepanzers<br />

3 „Büffel“, die auf dem Fahrgestell<br />

des „Leopard 2“aufgebaut sind.<br />

Leopard 2 als „Büffel”<br />

Der „Büffel“ besitzt eine um 270 Grad drehbare<br />

Krananlage, die vorne rechts mit dem<br />

Chassis des Fahrgestells verbunden ist. Die<br />

für Bergungszwecke erforderliche Hauptwinde<br />

und eine zusätzliche Hilfswinde sind<br />

im gepanzerten Aufbau platziert. Dieser fungiert<br />

gleichzeitig als Kampfraum für die<br />

dreiköpfige Besatzung.<br />

Eine Innovation gegen<strong>über</strong> dem Bergepanzer<br />

2 ist die Schnellbergeeinrichtung, die<br />

unter Panzerschutz bedient werden kann.<br />

Der Bergepanzer 3 ist in der Lage, am eigenen<br />

Fahrzeug einen Motorwechsel vorzunehmen.<br />

Dazu bedienen sich die Soldaten<br />

des elektrisch betriebenen Kranauslegers.<br />

Wie bereits sein Vorgänger kann der „Büffel“<br />

einen Ersatzmotor des Kampfpanzers auf<br />

seinem Heck mitführen, um diesen abseits<br />

von festen Werkstätten im Gelände auszutauschen.<br />

Eine Elektroschweißanlage sowie<br />

diverse Werkzeuge gehören außerdem zur<br />

Ausrüstung, mit der kleinere Reparaturen<br />

im Gelände erledigt werden.<br />

Die Aufrüstung mit Panzern beginnt in der<br />

jungen DDR bereits unmittelbar nach der<br />

Gründung des „Arbeiter- und Bauernstaats“.<br />

53


Militär und Technik | Berge- und Pionierpanzer<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

Noch im Jahr 1949 erhält die Kasernierte<br />

Volkspolizei ihre ersten 19 Kampfpanzer vom<br />

Typ T-34/76 vom „großen Bruder“ Sowjetunion<br />

geliefert. Nochmals um 100 Panzer aufgestockt,<br />

ergibt sich schon vor Gründung der<br />

Nationalen Volksarmee (NVA) und der folgenden<br />

Ausrüstung mit modernen Kampfpanzern<br />

ab 1958 der Bedarf eines entsprechenden<br />

„Sicherungsfahrzeugs“. Sicherungsfahrzeug<br />

ist der Oberbegriff aller Fahrzeuge<br />

in der NVA, die irgendwie mit der technischen<br />

Sicherstellung liegengebliebener, festgefahrener,<br />

oder im K-Fall abgeschossener<br />

Panzer und schwerer Fahrzeuge befasst sind.<br />

Der Mangel an solchen Fahrzeugen veranlasst<br />

die NVA, Panzerzugmaschinen auf dem<br />

PANZERZUGMASCHINE T-55T<br />

AUF DEM FAHRGESTELL DES KAMPFPANZERS T-55<br />

1 Bugsier- und Abschleppvorrichtung<br />

2 Fahrscheinwerfer<br />

3 Fahrerluke<br />

4 Stützschild<br />

5 Unterwasserfahrt (UF) Ausstiegsrohr mit Leiter<br />

6 Reling am Ausstiegsrohr<br />

7 Verspannung des Ausstiegsrohres<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

8 Hauptseilwinde mit 250 kN Zugkraft mit zwei<br />

Seilrollen erweiterbar auf 750 kN<br />

9 Kranausleger mit Hebewinde für Lasten<br />

bis 20 kN (ab 1978)<br />

10 Wanne und Fahrwerk des Kampfpanzers T-54<br />

11 Werkzeugkiste mit Schweißgerät<br />

12 Sechs Meter langes Abschleppseil hier als<br />

Sicherung bei UF-Übung<br />

13 Arbeitsscheinwerfer<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

PANZERZUGMA-<br />

SCHINE T-55T:<br />

Markant ist hier das<br />

verlastete Ausstiegsrohr<br />

für Unterwasserfahrt,<br />

das<br />

beim Einsatz <strong>über</strong><br />

der Kommandantenluke<br />

aufgerichtet<br />

und festgeschraubt<br />

wird.<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

Fahrgestell des T-34/76 entwickeln zu lassen.<br />

AIs Vorbild dienen seinerzeit sowjetische<br />

Zugmaschinen, von denen die NVA 15 Stück<br />

als Gründungsbestand erhält. So entstehen<br />

die Panzerzugmaschinen T-34T und T-34TB<br />

mit Bergesatz. Eine Panzerplatte ersetzt den<br />

Turm und zusätzliche technische Vorrichtungen<br />

und Geräte ergeben die Einsatzmöglichkeiten<br />

als Bergefahrzeug. Beide Fahrzeugtypen<br />

verfügten <strong>über</strong> Bugsiervorrichtungen,<br />

Abschleppseile sowie Werkzeuge und Gerätschaften<br />

für Instandsetzungsarbeiten. Der<br />

T-34TB konnte mit Zusatzausrüstung, im Flaschenzugeffekt,<br />

eine Zugkraft von bis zu 140 t<br />

entwickeln und damit seine Aufgabe als Bergepanzer<br />

erfüllen.<br />

1959 werden die ersten 15 Panzerzugmaschinen<br />

der Truppe <strong>über</strong>geben. Die folgende<br />

Umrüstung sämtlicher T-34/76 zieht sich bis<br />

Ende 1963 hin. Bis 1970 bleiben sie in den aktiven<br />

Gefechtsstrukturen in Verwendung<br />

und die letzten 33 Fahrzeuge werden erst<br />

1989 verschrottet.<br />

Häufig eingesetztes Modell<br />

Nach Einführung der Kampfpanzers T-54 erweisen<br />

sich die Panzerzugmaschinen T-34T<br />

und T-34TB wegen ihres geringen Eigengewichts<br />

als zu schwach zum Bergen eines havarierten<br />

T 54. Außerdem taugen sie nicht zur<br />

Unterwasserfahrt (UF) und genügen somit<br />

nicht den Anforderungen. Um diesen zukünftig<br />

zu entsprechen, entsteht nach dem sowjetischen<br />

Vorbild des BTS-2 die Panzerzugmaschine<br />

T-54T, versehen mit Bugsier- und Abschleppvorrichtung,<br />

UF-Ausrüstung, autogener<br />

Schweißausrüstung und einem montierbaren<br />

1-Mp-Kran. Beim Bergepanzer<br />

T-54TB wird diese Ausrüstung durch einen<br />

Bergesatz, bestehend aus einer elektrisch betriebenen<br />

Seiltrommel mit 270 Metern Seil<br />

nebst Stromerzeugungsaggregat, erweitert.<br />

Mit einer Zugkraft von maximal 140 t kann jedes<br />

NVA-Fahrzeug geborgen werden. Mit<br />

dem Aussondern der T-54 aus den aktiven<br />

54


Jahrzehntelang im Einsatz<br />

INFO<br />

Technische Daten<br />

Panzerzugmaschinen und<br />

Kranpanzer der NVA<br />

Panzerzugmaschine T-34TB<br />

mit Bergesatz<br />

Panzerzugmaschine T-54TB<br />

mit Bergeausrüstung<br />

Kranpanzer<br />

T-55TK<br />

Bergepanzer<br />

T-55T<br />

Gefechtsgewicht 29,0 t 34,5 t 42,0 t 35 t<br />

Länge 6,10 m 7,05 m 9,74 m 7,12 m<br />

Breite 3,0 m 3,27 m 3,38 m 3,27 m<br />

Höhe 2,6 m 2,65 m 2,90 m 2,84 m<br />

Besatzung 2 Mann 2 Mann 3 Mann 3 Mann<br />

Hubraum 38,88 l 38,88 l 38,88 l 38,88 l<br />

Leistung 368 kW/500 PS 382 kW/520 PS 425 kW/580 PS 425 kW/580 PS<br />

Höchstgeschwindigkeit 55 km/h 50 km/h 35–40 km/h 45–50 km/h<br />

Bodenfreiheit 0,39 m 0,43 m 0,38 m 0.42 m<br />

Watfähigkeit 1,30 m 1,40 m 1,40 m 1,40 m<br />

Unterwasserfahrt mit UF-Schacht – 5,0 m – 5.0 m<br />

Überschreitfähigkeit 2,50 m 2,60 m 2,70 m 2,70 m<br />

Kletterfähigkeit 0,73 m 0,75 m 0,80 m 0,80 m<br />

Steigfähigkeit 30 Grad 30 Grad 32 Grad 32 Grad<br />

Reichweite 540 km Straße 550 km Straße 600 km Straße 600 km Straße<br />

Bergeeinrichtung<br />

Bugsiereinr.<br />

auf Wannenbug<br />

Winde mit 200 m Seillänge<br />

140 t max. Zugkraft<br />

Bugsier- und Abschleppvorrichtung,<br />

elektrische Winde<br />

mit 270 m Seillänge,<br />

140 t Zugkraft UF-Ausrüstung<br />

montierbarer Kran<br />

hydraul. Krananlage,<br />

max. 20 t Planiereinrichtung<br />

BTU-Rammsporn am Heck<br />

Hauptseilwinde<br />

25 t Zugkraft, elektrisch<br />

Hilfsseilwinde 0,8 t Zugkraft,<br />

elektrisch hydraulischer<br />

1,5-t-Kran, Abschlepp- und<br />

Bugsiervorrichtung<br />

Verwendung 1957 bis 1965 1965 bis 1970 1968 bis 1990 1967 bis 1990<br />

Stückzahl NVA 203 20 119 250<br />

Quellen: Herstellerangaben<br />

Verbänden verschwinden auch die T-54T/TB<br />

in die Reserveeinheiten.<br />

Ab Dezember 1964 erhält die NVA ihren<br />

ersten Panzer vom Typ T-55, der seit 1958 in<br />

Serie gefertigt wird. Er kommt nicht aus der<br />

UdSSR, sondern die ersten 376 Stück werden<br />

aus ČSSR-Produktion in die DDR importiert.<br />

Mit mehr als 2.100 Fahrzeugen ist der<br />

T-55 zahlenmäßig der am häufigsten eingesetzte<br />

Panzer bei der NVA.<br />

Import aus der Tschechoslowakei<br />

Wiederum aus der Tschechoslowakei kommen<br />

1967 auch die ersten Panzerzugmaschinen<br />

T-55T. Zu ihrer Ausstattung gehören eine<br />

Hauptseilwinde mit einer Zugkraft von<br />

25 t sowie eine Hilfsseilwinde mit 0,8 t Zugkraft.<br />

Mit Hilfe zweier Seilrollen lässt sich<br />

die Zugkraft auf 50 t erhöhen. Ein hydraulischer<br />

Kran für 1,5 t Hebekraft sowie Abschlepp-<br />

und Bugsiervorrichtungen, eine<br />

UF- und Schweißausrüstung vervollständigen<br />

die Ausrüstung.<br />

Die Aufgabe der Panzerzugmaschine besteht<br />

hauptsächlich im Herausziehen, Bergen,<br />

Bugsieren und Abschleppen beschädigter<br />

Fahrzeuge. Sie unterstützt die Instandsetzung<br />

von Panzern unter feldmäßigen<br />

Bedingungen, die Sicherstellung der Unterwasserfahrt<br />

mit Panzern und die technische<br />

Beobachtung des Gefechtsfeldes.<br />

Bis 1982 erhalten die Instandsetzungseinheiten<br />

und die Panzerwerkstätten 250 Panzerzugmaschinen.<br />

Im Rahmen der Modernisierung<br />

des T-55 werden auch die Zugmaschinen<br />

mit neuen Gleisketten ausgerüstet.<br />

Die Hubleistung des Kranes wird ab Baujahr<br />

1978 auf zwei Tonnen erhöht und die Zugkraft<br />

der Hauptseilwinde auf 30 t (mit Seilrollen<br />

auf 90 t) verstärkt.<br />

1968 importiert die DDR ihren ersten<br />

Kranpanzer T-55TK auf Basis des T-55, ebenfalls<br />

aus der ČSSR. Der Kranpanzer verfügt<br />

<strong>über</strong> eine ähnliche Ausrüstung wie die Panzerzugmaschine.<br />

An Stelle des großen UF-<br />

Ausstiegrohrs ist ein hydraulischer 20-t-<br />

FRONTANSICHT: Kranpanzer T-55TK mit<br />

Stütz- und Räumschild am Bug und Kranausleger.<br />

Foto: Sammlung Dirk Krüger<br />

Kran montiert. Die Planiereinrichtung BTU<br />

und ein Rammsporn am Heck ermöglichen<br />

auch die Bergung von besonders schwer<br />

festgefahrenen Fahrzeugen.<br />

NVA-Kranpanzer<br />

Die Streitkräfte der NVA erhalten 119 Kranpanzer<br />

bis 1979. Auch sie werden einer Leistungssteigerung<br />

wie bei der Panzerzugmaschine<br />

T-55T unterzogen. Die Panzerzugmaschine<br />

T-55T und der „Bergepanzer 2“ der<br />

Bundeswehr lassen sich durchaus miteinander<br />

vergleichen.<br />

Letzter Panzer in der Geschichte der NVA<br />

ist der T-72. Ab 1967 entwickelt, wird er 1973<br />

zunächst in der sowjetischen Armee eingeführt.<br />

Fünf Jahre später rollen die ersten 35<br />

Exemplare des T-72 in der NVA. Zur Bergung<br />

und Unterstützung der feldmäßigen<br />

Instandsetzung kommt der Bergepanzer<br />

T-72TK auf Basis des T-72M1 ab 1989 zur Erprobung<br />

aus der Tschechoslowakei in die<br />

DDR. Nur drei Fahrzeuge mit 19-t-Kran, Planierschild,<br />

Seilwinde (Zugkraft 30 t), Seilhaspe<br />

mit 200 Meter langem Seil und UF-Ausrüstung<br />

kommen noch bis zur Wende 1989<br />

und der anschließenden Auflösung der NVA<br />

zum Einsatz.<br />

Jörg-M. Hormann, Jg. 1949, Freier Journalist und<br />

Sachbuchautor aus Rastede mit Schwerpunkten bei<br />

der deutschen Luftfahrt-, Marine- und Militärgeschichte<br />

mit <strong>über</strong> 30 Buchveröffentlichungen zu den Themen.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

55


01<br />

JETZT AM KIOSK!<br />

Schiff Classic<br />

Das neue Schifffahrts-Magazin<br />

Faszination Seefahrt: SCHIFF CLASSIC ist das neue Magazin für Schifffahrts- und<br />

Marinegeschichte mit spannenden Themen rund um Schiff und Meer!<br />

Seit Menschengedenken vermag die<br />

raue, salzige See die Menschen zu faszinieren.<br />

Piraten, abenteuerliche Seefahrten,<br />

erstaunliche Technik, die großen<br />

und kleinen Tragödien – all dies auf den<br />

Planken, die vielleicht nicht die Welt bedeuten,<br />

für die Teilnehmer aber zu unvergesslichen<br />

Momenten ihres Lebens gehörten.<br />

SCHIFF CLASSIC lässt Sie an all dem teilhaben!<br />

Lebendige Geschichte, üppig illustriert.<br />

SCHIFF CLASSIC ist das Nachfolge-Heft von<br />

,,Schiff & Zeit – Panorama maritim“, dem<br />

Hausmagazin der Deutschen Gesellschaft für<br />

Schiffahrts- und Marinegeschichte e.V.<br />

(DGSM). Mit SCHIFF CLASSIC verlässt das<br />

Heft nun den exklusiven ,,Hafen“ des DGSM<br />

und öffnet sich mit neuer Aufmachung jedem<br />

an Schifffahrt und Geschichte interessierten<br />

Leser. SCHIFF CLASSIC lädt Sie ein,<br />

mit uns die ,,Häfen“ der Vergangenheit anzusteuern.<br />

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SCHIFFClassic<br />

NEU<br />

Panzerkreuzer<br />

AVEROFF<br />

Maritime Rarität<br />

TITANIC-Untergang:<br />

Initialimpuls für<br />

die Radartechnik<br />

PIRATEN<br />

Geißel der Weltmeere<br />

Neuer Film:<br />

Die Männer der EMDEN<br />

Schiff & Zeit 77<br />

Magazin für Schifffahrts- und Marinegeschichte<br />

Seeräuber von Störtebeker bis heute<br />

Über den Atlantik:<br />

Flugboote der 30er-Jahre<br />

Schweizer Rarität:<br />

Dampfschiff GREIF<br />

4 198450 008908<br />

Aus dem Inhalt<br />

■ ● Piraten – Geißel der Weltmeere<br />

■ ● Die Männer des Kleinen kleine Kreuzers<br />

EMDEN<br />

■ ● Shetland Bus: auf den Spuren<br />

norwegischer Widerständler<br />

Wiederständler<br />

■<br />

● Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF<br />

■<br />

● Olaf Rahard: ein Marinemaler erzählt<br />

■<br />

● Flugboote und -schiffe<br />

■<br />

● Greif: der letzte Schweizer<br />

Schraubendampfer<br />

Schraubendampfer<br />

■ Funk, ASDIC, Radar: als Schiffe<br />

●<br />

Hören<br />

Funk, ASDIC,<br />

und Sehen<br />

Radar:<br />

lernten<br />

als Schiffe<br />

Hören und Sehen lernten<br />

■ Alexander Behm und sein Echolot<br />

● Alexander Behm und sein Echolot<br />

■ Die Geschichte der Seemannslieder<br />

● Die Geschichte der Seemannslieder<br />

■ H.M.S. WARSPITE als Modell<br />

● H.M.S. WARSPITE als Modell<br />

■ Marinedolch als Kaisergeschenk<br />

● Marinedolch als Kaisergeschenk<br />

Außerdem in jeder Ausgabe<br />

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Das besondere Bild<br />

Nachrichten zur Schifffahrts- und Marinegeschichte<br />

Aktuelles aus der DGSM<br />

Bücherbord und Veranstaltungen<br />

Ein Bild auf Zeitreise<br />

Online blättern oder Testabo unter: www.schiff-classic.de/abo<br />

56


Foto: Maurizio Gambarini, picture-alliance/dpa<br />

Foto: Tilemahos Efthimiadis, Wikimedia Commons<br />

Foto: picture alliance/akg images<br />

Foto: Berengar Pfahl Film<br />

Foto: Sammlung Jörg-M. Hormann<br />

Abbildung: Sammlung Gasenzer<br />

TITELGESCHICHTE<br />

MARITIME TECHNIK | Flugboote und -schiffe<br />

Piraten von Störtebeker bis heute<br />

Geißel der Weltmeere<br />

21. Oktober 1401: Von johlenden Hamburgern angefeuert, läuft der geköpfte Klaus<br />

Störtebeker an seinen Kumpanen entlang. Der Legende nach rettet er ihnen so das<br />

Leben. Die Realität der Seeräuberei ist bis heute brutal und gnadenlos. Von Eberhard Kliem<br />

Mittelalterliche Abschreckung<br />

Auf dem Grasbrook in Hamburg werden die Köpfe der enthaupteten<br />

Seeräuber um Klaus Störtebeker auf einen Balken genagelt und als<br />

Mahnung an seine Vitalienbrüder zur Schau gestellt. Die Hanse lässt<br />

nicht mehr mit sich spaßen. Hier als Reproduktion im Museum für<br />

Hamburgische Geschichte.<br />

Beginn des Transatlantikluftverkehrs<br />

Warum Schiffe fliegen mussten<br />

Immer schneller <strong>über</strong> den Atlantik: Zwischen den Weltkriegen geht es nicht nur auf,<br />

sondern auch in hundert Meter Höhe <strong>über</strong> den Wellen nach Amerika. So werden Flieger<br />

zu Seeleuten und Flugzeuge zu Schiffen.<br />

Von Jörg-M. Hormann<br />

ITALIEN WILL MITMISCHEN: Eine der<br />

zwei für Italien gebauten Do X. Sie sollte<br />

den Luftverkehr <strong>über</strong> das Mittelmeer<br />

hinweg mit den italienischen Mandatsgebieten<br />

in Afrika eröffnen.<br />

12<br />

SCHIFFClassic 1/2013<br />

13<br />

48<br />

SCHIFFClassic 1/2013<br />

49<br />

SEERÄUBER: Piraten wie Störtebeker erlebten die letzten Minuten<br />

ihres Lebens häufig im Angesicht des Henkers. Doch dies hält moderne<br />

Piraten wie etwa in Somalia nicht von ihrem ,,Beruf“ ab …<br />

FLUGBOOTE: Wem es nicht schnell genug ging, der nutzt die<br />

,,fliegenden Schiffe“. Doch wie komfortabel, wie sicher waren diese<br />

gewaltigen Vögel?<br />

SCHIFF & ZEIT | GEORGIOS AVEROFF<br />

SCHIFF & ZEIT | S.M.S. EMDEN<br />

Panzerkreuzer als maritime Rarität<br />

Filmkulisse und<br />

Besuchermagnet<br />

Für den Spielfilm „Die Männer der EMDEN“ präsentierte sich der Kreuzer GEORGIOS<br />

AVEROFF im Hafen von Piräus als realistische Filmkulisse. Der Panzerkreuzer aus<br />

dem frühen 20. Jahrhundert ist einer der letzten seiner Art.<br />

Von Ronald Hopp<br />

1914: Legendäre Kriegsepisode als Spielfilm<br />

Matrosen an Land<br />

und in der Wüste<br />

Zerstörung einer alliierten Telegrafenkabelstation auf Direction Island lautet der<br />

Befehl am 9. November 1914. Für fünfzig Mann Marineinfanterie des Kleinen<br />

Kreuzers EMDEN der Anfang einer abenteuerlichen Odyssee… Von Eberhard Kliem<br />

NICHT NUR PLAKATIV: Seit Februar<br />

läuft der Spielfilm, mit Starbesetzung<br />

an weltweiten Schauplätzen gedreht,<br />

in deutschen Kinos. Nächstes Jahr ist<br />

die Ausstrahlung des Zweiteilers im<br />

Fernsehen geplant.<br />

ENDGÜLTIG FESTGEMACHT: Panzerkreuzer<br />

AVEROFF im Yachthafen von Palaio Faliro, bei<br />

Piräus. Position: 37°56'1"N – 23°41'1"O.<br />

36<br />

SCHIFFClassic 1/2013<br />

37<br />

24<br />

SCHIFFClassic 1/2013<br />

25<br />

MUSEUMSSCHIFF: Die Zeiten der Großkampfschiffe sind vorbei,<br />

doch es gibt diese ,,Dinosaurier“ noch. In Griechenland wartet der<br />

Panzerkreuzer GEORGIOS AVEROFF auf Besucher.<br />

BESATZUNG DER EMDEN: Die Seeleute des Kleinen Kreuzers<br />

EMDEN brachen 1914 zu einer abenteuerlichen Odyssee auf.<br />

Ein Spielfilm erzählt ihre spannende Geschichte.<br />

MARITIME TECHNIK | Elektronik auf See<br />

LANDGANG | Shanty<br />

Funk, ASDIC und Radar: zivil entwickelt, militärisch genutzt<br />

Als Schiffe Hören<br />

und Sehen lernten<br />

Der Untergang der TITANIC – nie wieder<br />

sollte die zivile Schifffahrt von einer<br />

solchen Katastrophe heimgesucht werden.<br />

Er war Auslöser für das Bestreben, die<br />

Schifffahrt mithilfe der Funkmesstechnik<br />

sicherer zu machen. Von Sigurd Hess<br />

VERMEIDBAR? In den Augen<br />

der damaligen Fachleute wäre der<br />

Untergang der TITANIC mit der<br />

neuartigen Funkmesstechnik<br />

zu verhindern gewesen. Dieses<br />

Bild von Willy Stöwer gab der<br />

Katastrophe ein Gesicht.<br />

Gesang der Seemänner<br />

Kräftige Lieder an<br />

Bord der Segler<br />

BLICK IN DIE TAKELAGE: Bevor die Segel so<br />

im Wind stehen, ist kräftiges Zupacken angesagt.<br />

Das geht am besten mit einem arbeitsrhythmischen<br />

Lied auf den Lippen.<br />

Was wäre das Meer ohne die alten Gesänge der Segler und Fahrensleute? Die Berichte<br />

von Stürmen, Schiffbrüchen und bezwungenen Gefahren lassen sich viel emotionaler in<br />

Musik ausdrücken. Ein Lied klingt „Meer als 1000 Worte“! Von Elena Romana Gasenzer<br />

W<br />

enn von Musik und Meer die Rede<br />

ist, denkt man an die unzähligen<br />

Seemannslieder, die aus Fernsehen<br />

und Rundfunk jedem geläufig sind. Musikhistorisch<br />

korrekter ist es, von einem Shanty<br />

zu sprechen und damit bereits eine Eingrenzung<br />

hinsichtlich einer bestimmten<br />

Form und Gattung vorzunehmen. Typischerweise<br />

ist ein Shanty ein Seemannslied<br />

mit Refrain. Die Bezeichnung Shanty soll<br />

aus dem Französischen entlehnt sein, von<br />

„chanter“ (singen). Ursprünglich waren<br />

Shanties die Lieder der Seeleute, die auf den<br />

alten Seglern während der Arbeit gesungen<br />

wurden. Der Rhythmus dieser Lieder war<br />

in vielen Fällen derart gestaltet, dass er bei<br />

bestimmten gemeinschaftlichen Arbeiten<br />

wie beim Brassen der Segel oder beim Pumpen<br />

als Taktgeber fungierte, damit alle im<br />

Rhythmus des Gesanges im selben Takt arbeiteten.<br />

Dies zeigt die Form des typischen<br />

Shanty, das aus einer Strophe besteht, die<br />

von einem Vorsänger, dem Shantyman, solo<br />

vorgetragen wurde, und einem Refrain,<br />

der sich strophenweise wiederholt und von<br />

der ganzen Crew im Chor gesungen wurde.<br />

Diese Tradition wurde bis zum Aufkommen<br />

der Dampfschiffe gepflegt.<br />

Erste Shanty-Erwähnung<br />

Erstmals wurden die Arbeitslieder der<br />

englischen Seeleute 1549 in „The Complaynt<br />

of Scotland“ erwähnt. Die Blüte<br />

erreichte das Shanty als musikalische<br />

Gattung zweifellos mit dem Aufkommen<br />

des vollgetakelten Segelschiffs.<br />

Zwar befuhren bereits wagemutige Seefahrer<br />

wie Leif Eriksson, Christopher<br />

Columbus, Bartolomeu Dias, Fernando<br />

Magellan und andere die Meere unter<br />

Segeln und entdeckten dabei neue Kontinente<br />

und Handelswege, und sicher<br />

wurde auch auf ihren Schiffen gern gesungen,<br />

jedoch konnte das Shanty erst<br />

mit dem Aufkommen einer umfangreichen<br />

Seewirtschaft und des Seehandels<br />

zur Blüte gelangen.<br />

In einer Zeit, in der nur die Kraft<br />

des Windes und menschliche Muskelkraft<br />

zur Verfügung standen, um ein Traditionen der Seeleute eine so große Rolle<br />

spielten. Man sagte, ein guter Shanty sei<br />

Schiff zu bewegen, waren die Arbeitsabläufe<br />

und Wachen an Bord streng geregelt. so viel wert wie zehn Mann an einem Tau.<br />

Nicht nur die Segel mussten gehisst und<br />

gebrasst werden, besonders die Arbeit an Shanty als Abgrenzung<br />

den Pumpen galt als Schwerstarbeit. Bis Das Shanteying unterschied auch die<br />

zum Aufkommen der Stahlindustrie und Mannschaft von den Offizieren an Bord.<br />

des Vernietens von Stahlplatten wurden alle<br />

seegängigen Schiffe aus Holzplanken ge-<br />

– demonstrierte, wer die Arbeit machte und<br />

Die Form des Shanty – Vorsänger und Chor<br />

baut. Zum Abdichten standen als einzige wer die Order an Bord gab. Diese Form des<br />

Methoden nur das Kalfatern und das Imprägnieren<br />

mit Pech zur Verfügung. Fast al-<br />

Musikgeschichte schon sehr früh und reicht<br />

Liedgesangs entstand in der europäischen<br />

le hölzernen Schiffe leckten, was kein Problem<br />

darstellte, solange die Crew schneller gorianischen Chorals im 9. Jahrhundert zu-<br />

bis zur kirchlichen Gesangspraxis des gre-<br />

pumpen konnte, als das Schiff Wasser rück. Auch hier drückte sich durch den<br />

machte.<br />

Wechsel von Vorsänger und Chor der Standesunterschied<br />

von Priester und Gemeinde<br />

Gegen Wassermachen anpumpen aus. Der Shantyman war keine offizielle Position<br />

an Bord, auch gab es dafür keine be-<br />

Die Musik sollte dabei die Zusammenarbeit<br />

in der Gruppe vereinfachen und den sondere musikalische Unterweisung. Der<br />

Teamgeist fördern. Rhythmus und Form Rang eines Seemanns innerhalb der Crew<br />

des Shanty koordinierten die Arbeitskräfte, hing von seiner Berufserfahrung ab: Je<br />

richteten die Konzentration der Männer auf mehr Erfahrungen ein Seemann hatte, desto<br />

höher war auch seine Bezahlung. Die Fä-<br />

die Arbeit und lenkten von der Schwere der<br />

Tätigkeit ab – ein Effekt, der heute noch higkeit, Shanties zu singen, und das Repertoire<br />

an Liedern wuchsen ebenfalls mit den<br />

durch Musikbeschallung in Fitnessstudios<br />

erzielt wird. Daneben gaben Shanties der Berufsjahren. Dabei erlernten die Seeleute<br />

Mannschaft die Möglichkeit, ihre Ansichten<br />

und Gefühle auszudrücken, ohne mit eine natürliche Begabung und eine gute<br />

das Singen im Lauf ihrer Fahrenszeit. Wer<br />

Bestrafung rechnen zu müssen. Daher<br />

ist es nicht verwun-<br />

Shantyman akzeptiert und nahm dann<br />

Stimme hatte, wurde von der Crew als<br />

derlich, dass Shanties die Position des Vorsängers ein. Lieder<br />

an Bord und in den wurden von Mann zu Mann weitergegeben.<br />

Typischerweise wurden die Texte<br />

und Melodien aufgrund einer fehlenden<br />

schulmusikalischen Ausbildung der Seeleute<br />

in erster Linie mündlich <strong>über</strong>liefert.<br />

Schriftliche Aufzeichnungen<br />

von Shanties kamen nur zustande,<br />

wenn musikgelehrte<br />

Passagiere die Gesänge der<br />

Seeleute abhörten und in<br />

Notenschrift notierten oder<br />

ein Shanty aus irgendeinem<br />

Anlass selbst komponierten.<br />

ALLE MANN ZUGLEICH: Crew<br />

beim Setzen der Segel.<br />

60<br />

SCHIFFClassic 1/2013<br />

61<br />

68<br />

SCHIFFClassic 1/2013<br />

69<br />

FUNK UND RADAR: Der Untergang der TITANIC brachte vielen Menschen<br />

den Tod, doch war er auch Anstoß für einen technischen<br />

Sprung nach vorne, der die Schifffahrt sicherer machen sollte.<br />

SEEMANNSLIEDER: Die kernigen Seeleute und ihr Gesang sind untrennbar<br />

mit der Segelschifffahrt verbunden. Doch wieviel Romantik<br />

und wieviel harte Realität stand tatsächlich hinter der Musik?<br />

Clausewitz 4/2013<br />

57


Militär und Technik | Me 262<br />

Der erste in Serie gebaute Strahljäger der Welt<br />

Messerschmitts<br />

„Turbo“<br />

Ende 1944: Die Me 262 bringt ihren zahlenmäßig <strong>über</strong>legenen Gegnern das Fürchten<br />

bei. Doch es gibt auch Schattenseiten: Unausgereifte Technik und mangelnde Ausbildung<br />

fordern einen hohen Blutzoll in den eigenen Reihen. Von Wolfgang Mühlbauer<br />

58


Die staatlich unterstützte Arbeit an Turbinen-Luftstrahl-Triebwerken<br />

(TL)<br />

nimmt in Deutschland ab Frühling<br />

1938 konkrete Formen an. Das Technische<br />

Amt des Reichsluftfahrtministeriums<br />

(RLM), zuständig für alle Entwicklungsprogramme,<br />

informiert zu Herbstanfang<br />

schließlich führende Vertreter der Zellenund<br />

Flugmotorenindustrie offiziell <strong>über</strong> die<br />

neuen Antriebe. Dabei wird die Bildung eines<br />

„süddeutschen Entwicklungsschwerpunktes"<br />

durch Messerschmitt und BMW<br />

angeregt, die beide noch im selben Jahr erste<br />

Studienaufträge erhalten.<br />

Ambitioniertes Vorhaben<br />

Messerschmitt setzt ab Oktober sein Projektbüro<br />

auf ein entsprechendes Jagdflugzeug<br />

an. Man legt es vorsichtshalber zweistrahlig<br />

aus, da klare Angaben zum An-<br />

triebsaggregat fehlen. Nur ein geplanter<br />

Standschub von 600 kp und ein Höchstdurchmesser<br />

von 600 mm stehen im Raum.<br />

Zwischenzeitlich, am 4. Januar 1939, gibt<br />

das RLM die „vorläufigen Richtlinien für<br />

schnelle Jagdflugzeuge mit Strahltriebwerk“<br />

heraus. Darin sind ein Jäger sowie<br />

ein Heimatschützer verlangt; beide maximal<br />

900 km/h schnell. Als theoretische Basis<br />

für das P 1065 genannte Messerschmitt-<br />

Projekt dienen zwangsweise oft reine<br />

Schätzwerte. Der Startschuss zur Entwicklung<br />

fällt am 1. April 1939. Etwa zeitgleich<br />

beginnt Bramo (Brandenburgische Motorenwerke),<br />

mittlerweile ein Zweigbetrieb<br />

von BMW, mit der Entwicklung des Strahltriebwerks<br />

P 3302.<br />

Das erste Projektangebot zur P 1065 vom<br />

7. Juni 1939 zeigt einen kleinen Tiefdecker<br />

mit Trapezflügeln, ovalem Rumpf und<br />

Spornradfahrwerk. Die Bordwaffen sind in<br />

die Bugspitze, die Triebwerke in die Flächen<br />

integriert.<br />

Erstflug mit Kolbenmotor<br />

Der Entwurf ist typisch für Willy Messerschmitts<br />

Vorstellung einer aerodynamisch<br />

optimalen Gestaltung. Doch vieles davon<br />

sieht seine Entwicklungsmannschaft anders.<br />

Zum Beispiel setzt sie in der Folge einen<br />

dreieckigen Rumpfquerschnitt durch:<br />

er ist aerodynamisch wie statisch günstiger,<br />

ermöglicht problemlos ein Bugrad und vereinfacht<br />

die Unterbringung des Hauptfahrwerks,<br />

dessen breite Räder nun im ausladenden<br />

Dreiecksrumpf Platz finden. Im Gegenzug<br />

kann der Flügel dünn, leicht und<br />

damit „schnell“ gehalten werden. Der Bau<br />

erster Versuchsmuster (V) wird am 1. März<br />

1940 freigegeben. Zwischenzeitlich steigen<br />

WUNDERVOGEL: Die Me 262 hat das Potential, jedem Gegner<br />

die Stirn zu bieten. Hier die V6 anlässlich einer Vorführung am<br />

2. November 1943 mit Hermann Göring (in Lechfeld), sie ist<br />

die erste Me 262 mit einziehbarem Bugrad.<br />

Foto: DEHLA<br />

Clausewitz 4/2013<br />

59


Militär und Technik | Me 262<br />

AM ANFANG: Die Me 262 V1 mit einem<br />

Kolbenmotor des Typs Jumo 210 absolviert<br />

ihren Erstflug am 18. April 1941.<br />

Erst elf Monate später fliegt sie mit<br />

zusätzlichen Strahltriebwerken. Foto: DEHLA<br />

der Welt. Eine weitere Änderung betrifft<br />

den Einbau der Turbinen in zwei hängende<br />

Gondeln unter den Flügeln.<br />

Im März 1941 ist der erste Prototyp fertig<br />

– ohne Antrieb, denn das P.3302 ist <strong>über</strong><br />

erste Probeläufe noch nicht hinaus. Um aber<br />

die Me 262 V1 dennoch rudimentär zu erproben,<br />

rüstet man im Rumpfbug einen<br />

Kolbenmotor des Typs Jumo 210 G ein. Damit<br />

startet sie am 18. April 1941 zum Erstaber<br />

Gewichte und Ausmaße des Triebwerks<br />

mehr als erwartet an, was gravierende<br />

konstruktive Änderungen am Flugzeug<br />

nach sich zieht. So erhalten die Außenflügel<br />

eine leichte Pfeilung der Vorderkante – eine<br />

Notlösung, um den verschobenen Schwerpunkt<br />

mit wenig Aufwand auszugleichen.<br />

Die Me 262 wird also aus recht profanen<br />

Hintergründen der erste mit pfeilflügelähnlichen<br />

Tragflächen versehene Düsenjäger<br />

Premiere mit Folgeproblemen<br />

Da kein Ende der Misere abzusehen ist, sollen<br />

zunächst die V3, V4 und V5 mit dem<br />

mittlerweile verfügbaren Aggregat Jumo<br />

004 A von Junkers ausgerüstet werden. Es<br />

ist zwar schwerer, aber mit 850 kp auch<br />

schubstärker. Am 18. Juli 1942 kann die V3<br />

damit in Leipheim zum ersten rein strahlgetriebenen<br />

Flug einer Me 262 abheben,<br />

den Wendel als „reines Vergnügen“ bezeichnet.<br />

Die Maschine kann also mit den<br />

Jumo Aggregaten <strong>über</strong>zeugen, wenngleich<br />

noch viel Detailarbeit anfallen wird. Beispielsweise<br />

vergrößert man wenig später<br />

die Tiefe des Innenflügels aus aerodynamischen<br />

Gründen durch ein „Füllstück“. Als<br />

Nebeneffekt reicht die Pfeilung nun <strong>über</strong><br />

die ganze Tragfläche.<br />

Anfang März 1943 wird der Bauzustand<br />

der Me-262-Serienmaschine offiziell verbindlich<br />

festgelegt: als Jäger wie als Jagdbomber<br />

(Jabo) mit 500 Kilogramm Abwurflast.<br />

Das Me-262-Programm als solches hat<br />

schon seit Dezember 1942 eine hohe Dringlichkeitsstufe.<br />

Dass Entwicklung und Er-<br />

flug. Bei BMW gibt es dagegen weitere Verzögerungen<br />

– <strong>über</strong>haupt wird der Antrieb<br />

zum größten Hemmschuh der Me 262 werden.<br />

Erst am 25. März 1942 hebt die V1 endlich<br />

mit Turbinen ab. Zum Glück hat man<br />

den Jumo-Motor beibehalten, denn beide<br />

Düsentriebwerke, die ohnehin nur je 450 kp<br />

Schub liefern, fallen kurz nach dem Start<br />

aus. So gelingt Pilot Fritz Wendel wenigstens<br />

eine glimpfliche Notlandung.<br />

NICHT UNVERWUNDBAR: Nachdem<br />

diese Maschine des JG 7 mehrere Treffer<br />

durch amerikanische P-51D-Begleitjäger<br />

davonträgt, muss ihr Pilot abspringen.<br />

Foto: USAF<br />

INFO<br />

Technische Daten<br />

Messerschmitt<br />

Me 262 A-1a<br />

Besatzung 1<br />

Antrieb 2 x Junkers Jumo 004 B-1<br />

Schubleistung<br />

2 x 900 kp<br />

Spannweite<br />

12,65 m<br />

Länge<br />

10,60 m<br />

Höhe<br />

3,83 m<br />

Flügelfläche 21,70 m 2<br />

Leergewicht<br />

3.800 kg<br />

Rüstgewicht<br />

4.120 kg<br />

Startgewicht max. 6.775 kg<br />

Höchstgeschwindigkeit<br />

Startrollstrecke<br />

Reichweite normal<br />

maximal<br />

Dienstgipfelhöhe<br />

Bewaffnung<br />

Außenlasten<br />

800 km/h in 0 m<br />

870 km/h in 6.000 m<br />

845 km/h in 9.000 m<br />

ca. 920 m<br />

ca. 520 km in 6.000 m<br />

ca. 700 km in 9.000 m<br />

11.800 m (bei 5.100 kg)<br />

4 x MK 108 – 30 mm<br />

(gesamt 360 Schuss)<br />

24 R4M-Raketen<br />

500 kg Bomben (Rüstsatz)<br />

od. 2 x 300 l Zusatztank<br />

60


Noch nicht tauglich für die Front<br />

PREMIERE: Fritz Wendel hebt in Leipheim am 18. Juli 1942 mit der<br />

V3 zum ersten rein strahlgetriebenen Flug einer Me 262 ab. Doch<br />

noch ist die Maschine nicht bereit für den Kampfeinsatz. Foto: DEHLA<br />

VORBEREITUNG FÜR DEN KAMPF: Das Erprobungskommando 262<br />

hat ab Dezember 1943 die Aufgabe, den „Turbo“ für den militärischen<br />

Einsatz als Jäger tauglich zu machen.<br />

Foto: DEHLA<br />

probung trotzdem nur zäh vorankommen,<br />

hängt mit der viel zu geringen Anzahl verfügbarer<br />

Triebwerke zusammen. Sie treffen<br />

lange Zeit nur stückweise ein. Ihre technischen<br />

Probleme werden ebenso unterschätzt<br />

wie die Herstellungsschwierigkeiten<br />

im Rahmen einer Kriegswirtschaft, der<br />

es immer eklatanter an hochwertigen Rohstoffen<br />

(Sparstoffen), Universalwerkzeugmaschinen<br />

oder Facharbeitern fehlt. Unfälle<br />

im Erprobungsbetrieb sorgen zudem dafür,<br />

dass wochenlang oft nur ein einziger<br />

Prototyp startklar ist.<br />

Antrieb bremst Serienlauf<br />

Am 22. Mai 1943 fliegt der General der<br />

Jagdflieger Adolf Galland mit der V4. Er ist<br />

tief beeindruckt und hält den Strahljäger in<br />

erheblicher Verkennung der Realität bereits<br />

für einsatzreif. Drei Tage später ordnet das<br />

RLM den Bau von 100 serienmäßigen Jägern<br />

bis Jahresende an – schon wegen der<br />

nicht vorhandenen Triebwerke utopisch.<br />

Erst im Sommer kann Junkers die ersten<br />

sparstoffarmen 004-B-Turbinen nach Augs-<br />

burg liefern. Sie werden sofort in die V6 eingerüstet,<br />

die damit am 17. Oktober 1943<br />

erstmals abhebt. Zudem ist sie die erste Maschine<br />

mit einziehbarem Bugrad, das erleichtert<br />

die Handhabung am Boden erheblich.<br />

Während bei Messerschmitt die Vorbereitungen<br />

zum Serienbau einigermaßen<br />

planmäßig laufen, hinkt man bei Junkers<br />

weiter hinterher. Zu Weihnachten gilt das<br />

004 B noch immer nicht als betriebsreif.<br />

HINTERGRUND<br />

Das im Dezember 1943 in Lechfeld aufgestellte<br />

Erprobungskommando 262 (EKdo.)<br />

soll den Jäger trotzdem frontreif machen.<br />

Piloten, die zweimotorige Maschinen<br />

gewohnt sind, gelten dafür als am besten<br />

geeignet. Kommandeur wird deshalb<br />

Hauptmann Thierfelder vom ZG 26. Auf<br />

mehr als ein paar V-Muster kann er aber bis<br />

ins Frühjahr 1944 hinein nicht zurückgreifen.<br />

Erst dann sind die ersten Serienjäger<br />

War ein früherer Einsatz möglich?<br />

Glaubt man allen voran Adolf Galland, so<br />

war es nur Hitlers Schuld, dass die Me 262<br />

erst ab Herbst 1944 zum Jagdeinsatz kam.<br />

Einzig und allein der „Führer“ habe, so behauptete<br />

nicht nur er, die Entwicklung um<br />

mehr als ein Jahr verzögert.<br />

Tatsächlich hatten dessen diesbezügliche<br />

Befehle kaum spürbare Auswirkung auf Entwicklungs-<br />

und Erprobungszeit der Me 262,<br />

die mit fünf Jahren im üblichen Zeitrahmen<br />

lag. Selbst das Jumo 004 war schneller produktionsreif<br />

als damalige Kolbenmotoren.<br />

Hitlers nachhaltige Forderung einer bombentragenden<br />

Ausführung – des Blitzbombers –<br />

kam im November 1943 weder <strong>über</strong>raschend,<br />

noch verursachte sie ernsthafte<br />

Störungen im Entwicklungsablauf. Verwendung<br />

und Bau der Me 262 auch als Jabo war<br />

schon Monate zuvor serienmäßig festgelegt.<br />

In Anbetracht aller technischen und<br />

kriegswirtschaftlichen Faktoren, insbesondere<br />

der <strong>über</strong> lange Zeit kaum verfügbaren<br />

Triebwerke, ließ sich die Me 262 schwerlich<br />

früher bereitstellen. Alles andere war<br />

Wunschdenken – oder schlicht das Abwälzen<br />

der eigenen Verantwortung.<br />

FILMOBJEKT: Vor ihrer Überstellung an das<br />

Ergänzungs-Jagdgeschwader 2 (EJG 2) rollt<br />

eine Me 262 A-1a für Filmaufnahmen an<br />

der Kamera vorbei.<br />

Foto: DEHLA


Historisch, authentisch, …<br />

Militär und Technik | Me 262<br />

VARIATION: Im Gegensatz zur Me 262 A-1a<br />

verfügt die serienmäßig als Jagdbomber gebaute<br />

Me 262 A-2a nur <strong>über</strong> zwei Bordkanonen.<br />

Foto: DEHLA<br />

LETZTES AUFBÄUMEN: Als effiziente<br />

Abstandswaffen kommen ab März 1945<br />

R4/M-Raketen zum Einsatz. Sie werden an<br />

zwei Holzrosten unter den Flächen mitgeführt.<br />

Foto: DEHLA<br />

Als junger Eisenbahnpionier im Inferno des Zweiten Weltkriegs: Packend<br />

und detailreich erinnert sich Willy Reinshagen an seine Erlebnisse auf<br />

dem Russlandfeldzug, an Stalingrad, die Landung der Alliierten in Frankreich<br />

und die Kapitulation. Er erzählt von Kameradschaft, vom harten<br />

Alltag an der Front und von vielem mehr. Ein authentischer Bericht eines<br />

der letzten Zeitzeugen der alten Reichsbahn. Reich illustriert mit zahlreichen<br />

Fotoraritäten.<br />

192 Seiten · ca. 40 Abb. · 14,3 x 22,3 cm<br />

€ [A] 25,70<br />

sFr. 34,90 € 24,95<br />

ISBN 978-3-86245-142-5<br />

Me 262 A-1a ausgeliefert. Mittlerweile zwingen<br />

die immer stärkeren Bombenangriffe<br />

zur Dezentralisierung sowie zur zunehmenden<br />

unterirdischen Verlagerung oder<br />

Verbunkerung der Luftfahrzeug- und Motorenfertigung.<br />

Um die Flugzeugproduktion<br />

mit allen Mitteln zu beschleunigen und<br />

zu straffen, wird ab 1. März 1944 der Jägerstab<br />

mit weitreichenden Befugnissen ins<br />

Leben gerufen. Da es an regulären Arbeitskräften<br />

längst mangelt, gewinnt die SS hier<br />

zunehmend an Einfluss, da sie Zehntausende<br />

von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen<br />

bereitstellt.<br />

Zaghaftes Debut<br />

Im Mai wird aus einer Staffel des KG 51 das<br />

Kommando Schenk gebildet, das die Me 262<br />

als Schnellbomber einsetzen soll. Das Kommando<br />

kämpft zwar ab 20. Juli gegen die Invasionstruppen,<br />

bleibt aber relativ erfolglos.<br />

Nicht zuletzt, da man im Kampfgebiet nicht<br />

tiefer als 4.000 Meter fliegen darf. Hitler hat<br />

schlicht Angst, die <strong>über</strong>legene Technik der<br />

Me 262 frühzeitig preiszugeben!<br />

Wie sich zeigt, können selbst erfahrene Piloten<br />

mit dem „Turbo“ und seinen empfindli-<br />

Faszination Technik<br />

www.geramond.de<br />

oder gleich bestellen unter<br />

Tel. 0180-532 16 17 (0,14 €/Min.)<br />

Literaturtipp<br />

Willy Radinger/Walter Schick: Messerschmitt<br />

Me 262 – Entwicklung, Erprobung und Fertigung<br />

des ersten einsatzfähigen Düsenjägers der Welt.<br />

Aviatic Verlag, 4. Auflage 2004.


Mangelhafte Ausbildung<br />

… spannend.<br />

168 Seiten · ca. 220 Abb. · 22,3 x 26,5 cm<br />

€ [A] 30,80<br />

sFr. 39,90 € 29,95<br />

ISBN 978-3-86245-149-4<br />

chen Triebwerken <strong>über</strong>fordert sein. Thierfelder<br />

fällt beispielsweise am 18. Juli 1944<br />

der unausgereiften Technik zum Opfer.<br />

Tückische „Wundertechnik“<br />

Ganz zu schweigen von den hastig eingewiesenen<br />

Umschülern oder den völlig unzureichend<br />

ausgebildeten Neulingen. Außerdem<br />

fehlt es vorerst an passenden Angriffsverfahren<br />

oder taktischen Richtlinien.<br />

Echte Gefechtsvorteile hat die Me 262 nur<br />

dann, wenn sie ihre Geschwindigkeit, die<br />

im Horizontalflug bis zu 860 km/h beträgt,<br />

voll auszuspielen vermag. Erst so wird sie<br />

zur taktisch <strong>über</strong>legenen Waffe, die sich<br />

selbst angesichts einer stetig wachsenden<br />

gegnerischen Luft<strong>über</strong>legenheit behaupten<br />

oder die Initiative ergreifen kann. Dabei beschränkt<br />

sich der sinnvolle Einsatz als Jäger<br />

jedoch auf die Abfangrolle – für den klassischen<br />

Kurvenkampf fehlt es dem „Turbo"<br />

nämlich an ausreichender Wendigkeit und<br />

vor allem an passendem Antrieb. Denn<br />

wenn der Pilot wie bisher gewohnt die Leistung<br />

ruckartig oder schnell erhöht, reagieren<br />

die Jumo-004-Turbinen im Regelfall mit<br />

einem Flammabriss. Beim Wegnehmen der<br />

Leistung ist ebenfalls viel Aufmerksamkeit<br />

verlangt, da bereits eine nur geringe Reduktion<br />

den Triebwerksschub <strong>über</strong>proportional<br />

stark sinken lässt. Probleme, die nie vollständig<br />

gelöst werden, so dass hier bis zuletzt<br />

das Fingerspitzengefühl der Piloten<br />

entscheidet.<br />

GEGEN KRIEGSENDE: Die 7. (J)/KG 54<br />

liegt mit ihren bunt zusammengewürfelten<br />

Maschinen im März 1945 auf dem Fliegerhorst<br />

Neuburg an der Donau. Foto: DEHLA<br />

144 Seiten · ca. 200 Abb. · 22,3 x 26,5 cm<br />

€ [A] 15,40<br />

sFr. 21,90 € 14,95<br />

ISBN 978-3-86245-307-8<br />

224 Seiten · ca. 70 Abb. · 14,3 x 22,3 cm<br />

€ [A] 23,70<br />

sFr. 32,90 € 22,99<br />

ISBN 978-3-86245-329-0<br />

192 Seiten · ca. 320 Abb. · 19,3 x 26,1 cm<br />

€ [A] 15,40<br />

sFr. 21,90 € 14,95<br />

ISBN 978-3-86245-326-9<br />

Faszination Technik<br />

Clausewitz 4/2013


Militär und Technik | Me 262<br />

AUSGIEBIGE TESTS: In Lechfeld unterzieht man<br />

jede ausgelieferte Maschine, sofern sie dort ankommt,<br />

einer strengen Abnahmeprüfung. Erst<br />

dann gelangt sie zum Einsatz.<br />

Foto: DEHLA<br />

Eine Herausforderung stellen zudem einige<br />

der aerodynamischen Eigenheiten dar. Zum<br />

Beispiel nimmt die Me 262 im Stech- und<br />

Sturzflug ungewöhnlich schnell Fahrt auf,<br />

wird zunehmend kopflastig und dringt<br />

rasch in den transsonischen Geschwindigkeitsbereich<br />

<strong>über</strong> 950 km/h vor. Die dann<br />

lokal auftretenden Kompressionswellen<br />

gaukeln in Einzelfällen gar den Durchbruch<br />

der Schallmauer vor – was nach allen heutigen<br />

Erkenntnissen mit der Me 262 unmöglich<br />

ist. Werkseitig gelten Mach 0,86 (1.042<br />

km/h) als Höchstgrenze, um sie noch sicher<br />

abzufangen.<br />

HINTERGRUND<br />

Von Ernst Heinkel privat finanziert, gelingt<br />

es dem Team um Hans Joachim von Ohain<br />

im Februar/März 1937, das weltweit erste<br />

lauffähige TL-Triebwerk in Betrieb zu nehmen.<br />

Die Arbeiten bilden den Grundstein für<br />

Heinkels eigene Turbinen- und Strahlflugzeugentwicklung.<br />

Wie Messerschmitt arbeitet<br />

man ab Frühjahr 1939 an einem zweistrahligen<br />

Jäger, später He 280 genannt.<br />

Als Antrieb sind zunächst Triebwerke eigener<br />

Herstellung geplant, deren Entwicklung aber<br />

schwer vorankommt. Die He 280 V1 steigt<br />

darum als Segler in die Luft – erstmals am<br />

22. September 1940. Der erste strahlgetriebene<br />

Flug bleibt am 30. März 1941 der V2<br />

vorbehalten. Heinkels Jäger ist der Me 262<br />

Glückloser Konkurrent: Heinkel He 280<br />

jedoch konzeptionell unterlegen, so dass<br />

die Entwicklung im Juli 1943 eingestellt werden<br />

muss.<br />

OHNE ERFOLG: He 280 mit Triebwerken<br />

des Typs Heinkel He S 8 A. Foto: DEHLA<br />

Kampf gegen Bomber<br />

Das EKdo.262 erzielt die ersten Luftsiege im<br />

August 1944; Anfang Oktober wird es zur<br />

regulären Jagdstaffel umgebildet. Zeitgleich<br />

steigt die Fertigungsrate der Me 262 stetig.<br />

Doch von den insgesamt wohl 1.433 „Turbos“,<br />

die unter oft unmenschlichen Bedingungen<br />

gebaut werden, kommen etwa nur<br />

20 Prozent an die Front. Der Rest fällt mehrheitlich<br />

den permanenten Angriffen auf das<br />

Transportnetz zum Opfer. Trotzdem sind<br />

zum Spätherbst 1944 mit dem JG 7, dem<br />

KG(J) 54 sowie dem EJG 2 weitere Jagdeinheiten<br />

aufgestellt. Daneben rüstet das gesamte<br />

KG 51 auf den „Turbo“ um, nutzt ihn<br />

bis Februar 1945 als Jabo und dann als Jäger.<br />

Weiterhin steht er in geringer Zahl in der<br />

zweisitzigen, mit Funkmessanlagen bestückten<br />

Nachtjagdversion B-1a/U-1 beim<br />

Kommando Welter im Dienst. Am bekanntesten<br />

dürfte der Jagdverband 44 sein, der<br />

im Januar 1945 unter Gallands Führung entsteht.<br />

Während die wenigen Behelfsaufklärer<br />

Me 262 A-1a/U3 eine Randerscheinung<br />

bleiben, tauchen die zweisitzigen Schulmaschinen<br />

Me 262 B-1a häufiger auf.<br />

Bevorzugte Ziele im Luftkampf sind<br />

Bomberverbände, wobei es nicht leicht ist,<br />

die hohe Angriffsgeschwindigkeit, die<br />

kaum Zeit zum Zielen lässt, mit der niedrigen<br />

Mündungsgeschwindigkeit der vier<br />

schweren Bordkanonen in Einklang zu<br />

bringen. Als Abstandswaffe führt man darum<br />

ab Februar 1945 die ungelenkte R4/M-<br />

Rakete, die in Salve verschossen wird, ein.<br />

Übliche Angriffsformation sind Dreieroder<br />

Viererkette, die sich im Stechflug von<br />

hinten mit etwa 850 km/h dem Bomberverband<br />

nähert, kurz zum Geradeausflug<br />

<strong>über</strong>geht, um zu schießen, und dann im flachen<br />

Steigflug wegzieht. Auch wenn das<br />

Auftauchen der Me 262 die Alliierten anfangs<br />

wie ein Schlag trifft, haben sie die<br />

größte Schwachstelle der „Jetfighter“ rasch<br />

erkannt: Bei Start und Landung sind sie<br />

langsam und extrem verwundbar. Bald lassen<br />

sie keinen ihrer Einsatzplätze mehr aus<br />

den Augen und verursachen herbe Verluste.<br />

Zudem wird systematisch versucht, jedes<br />

geeignete Flugfeld auszuschalten, so<br />

dass die Me 262 zuletzt teilweise von Autobahnteilstücken<br />

aus operiert.<br />

Nachhaltige Wirkung<br />

Obwohl sie eine technische Spitzenleistung<br />

ist, bleibt die Me 262 für das Kriegsgeschehen<br />

unbedeutend. Ihre Erfolge – grob 150<br />

Luftsiege – werden durch eigene Verluste<br />

bei Einsatz und Ausbildung mehr als aufgewogen,<br />

während das Produktionsumfeld<br />

wenigstens 15.000 Menschenleben fordert.<br />

Für die Alliierten ist die Me 262 zwar bevorzugte<br />

Kriegsbeute und interessanter Technologieträger,<br />

doch haben deutsche Forschung<br />

und Entwicklung bis Kriegsende<br />

nicht nur bei Messerschmitt weit fortschrittlichere<br />

Konzepte hervorgebracht.<br />

Auf die taktischen Anforderungen an künftige<br />

Jagdflugzeuge hat der „Turbo“ dagegen<br />

nachhaltig Einfluss.<br />

Wolfgang Mühlbauer, Jg. 1963, studierte physische<br />

Geographie an der Universität München. Seit 2001<br />

arbeitet er freiberuflich als Autor für Luftfahrtgeschichte<br />

und veröffentlicht regelmäßig Fachartikel.<br />

64


Meinung<br />

US-Atompolitik im Kalten Krieg<br />

Von Benjamin Richter<br />

ber mehr als 30.000 Atomwaffen<br />

verfügten die USA auf dem Höhepunkt<br />

des Kalten Krieges, zur Zeit der Kuba-<br />

Krise. Kritiker der amerikanischen Nuklearpolitik<br />

sahen darin eine irrationale „Overkill“-Kapazität,<br />

den Beleg dafür, dass Washington<br />

nicht etwa auf sowjetische<br />

Aufrüstung reagiere, sondern den Forderungen<br />

eines militärisch-industriellen Komplexes<br />

entspreche. Dagegen wiederum wurde argumentiert,<br />

dass das nukleare Arsenal seinen<br />

Zweck, die UdSSR von einem Angriffskrieg<br />

abzuschrecken, erfüllt habe. Und hat man den<br />

Osten am Ende nicht sogar „totgerüstet“? Ein<br />

genauerer Blick zeigt jedoch, dass die Dinge<br />

nicht so einfach liegen.<br />

Die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki<br />

waren kaum gefallen, da begannen Intellektuelle,<br />

die Implikationen des Atomzeitalters<br />

zu durchdenken. Weitgehende Einigkeit<br />

herrschte dar<strong>über</strong>, dass Kriege künftig noch<br />

viel zerstörerischer sein könnten als die beiden<br />

Weltkriege und dass die Staaten vom<br />

Gebrauch von Atomwaffen abgeschreckt<br />

werden sollten. Über die Frage jedoch, wie<br />

Abschreckung erreicht werde, entwickelten<br />

sich zwei unterschiedliche Denkschulen, die<br />

meist Minimalismus und Maximalismus genannt<br />

werden.<br />

Bernard Brodie, der Gründervater des<br />

Minimalismus, bezeichnete die Atombombe<br />

als „absolute Waffe“, weil es gegen sie keine<br />

Verteidigung gebe. Bei konventionellen Luftangriffen<br />

sei es für die Luftabwehr schon ein<br />

ERSCHRECKENDES VERNICHTUNGSPOTENZIAL:<br />

Unser Hintergrundbild zeigt die weltweit erste Kernwaffenexplosion,<br />

die im Rahmen des Manhattan-Projekts<br />

am 16. Juli 1945 in New Mexico durchgeführt<br />

wurde („Trinity-Test“).<br />

Foto: picture alliance/akg<br />

Erfolg, einen Teil der Flugzeuge abzuschießen.<br />

Nun aber reiche ein einziges mit Atombomben<br />

bestücktes Flugzeug aus, um jedes<br />

beliebige Ziel zu zerstören. Und da es praktisch<br />

unmöglich sei, alle Angreifer abzufangen,<br />

mache Verteidigung von vornherein<br />

keinen Sinn. Brodie folgerte daraus, dass ein<br />

minimales nukleares Arsenal zur Abschreckung<br />

reiche. Es müsse nur groß genug sein,<br />

um den Gegner glauben zu machen, dass seine<br />

Städte ausgelöscht werden könnten, falls<br />

er angriffe.<br />

William Borden, ein früher Maximalist,<br />

teilte diese Zuversicht nicht. Seiner Prognose<br />

nach würden Städte in einem Atomkrieg<br />

gar nicht das primäre Ziel bilden. Denn es<br />

brauche viel Zeit, um deren Ressourcen für<br />

den Kampf zu mobilisieren, und ein Atomkrieg<br />

werde nicht lange dauern. Daher seien<br />

Was halten Sie von der Meinung Benjamin Richters? Schreiben Sie uns!<br />

Clausewitz, Infanteriestr. 11a, 80797 München oder an redaktion@clausewitz-magazin.de<br />

Städte als Ziele bedeutungslos. Stattdessen<br />

würden beide Seiten alles daransetzen, die<br />

feindlichen Streitkräfte zu zerschlagen, von<br />

denen im Atomzeitalter eine tödliche Bedrohung<br />

ausgehe. Und um dieses Ziel zu erreichen,<br />

könne man gar nicht zu viele Atomwaffen<br />

haben.<br />

Die tatsächliche US-Atompolitik entsprach<br />

während des Kalten Krieges eher<br />

dem maximalistischen als dem minimalistischen<br />

Ideal. Schon die in den 1950er-Jahren<br />

geltende Strategie der „massiven Vergeltung“<br />

setzte zur Abschreckung auf ein gewaltiges<br />

nukleares Arsenal. Als die sowjetische<br />

Atomrüstung nachzog, ging der Westen<br />

zur Strategie der „flexiblen Reaktion“ <strong>über</strong>,<br />

im Zuge derer insbesondere die konventionellen<br />

Truppen aufgerüstet wurden. Das nukleare<br />

Arsenal wuchs nun nicht mehr, aber<br />

seine Ausrichtung zielte mehr denn je auf<br />

die gegnerischen Streitkräfte ab.<br />

Damit ist freilich nicht ausgeschlossen,<br />

dass ein militärisch-industrieller Komplex<br />

bei der US-Atompolitik seine Finger im Spiel<br />

hatte. Andererseits lässt sich die pauschale<br />

Behauptung, <strong>über</strong> 30.000 Atomwaffen seien<br />

eine „Overkill“-Kapazität und mithin irrational,<br />

vor maximalistischem Hintergrund<br />

auch nicht halten.<br />

Die gleiche Zurückhaltung ist bei der Bewertung<br />

der Argumente von Regierungsunterstützern<br />

angebracht. Die „Totrüstungs“-<br />

These ist sehr gewagt. Gorbatschows Reformen,<br />

die den Zerfall der UdSSR einleiteten,<br />

haben sicherlich eine komplexere Erklärung<br />

verdient und waren – wenn man sich etwa die<br />

Entwicklung Chinas vor Augen führt – keineswegs<br />

alternativlos. Und wie steht es mit<br />

der Abschreckung? Wir können lediglich vermuten,<br />

dass es Atomwaffen waren, die einen<br />

Dritten Weltkrieg verhindert haben. Womöglich<br />

wäre er auch ohne „die Bombe“ nicht ausgebrochen.<br />

Nur wenn die Abschreckung versagt<br />

hätte, könnten wir das mit Sicherheit sagen.<br />

Oder auch nicht – denn dann wären wir<br />

jetzt höchstwahrscheinlich nicht am Leben.<br />

Dr. Benjamin Richter, Jahrgang 1977, hat an der Universität<br />

Mannheim Politikwissenschaft und Philosophie<br />

studiert. Seine Dissertation <strong>über</strong> US-Nuklearpolitik nach<br />

dem Ost-West-Konflikt ist im Verlag Dr. Kovač erschienen.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

65


Das außergewöhnliche Exponat<br />

Sensation im Panzermuseum Munster<br />

Deutschlands<br />

einziger „Tiger“<br />

Frühjahr 2013: Einen spektakulären<br />

Neuzugang kann das<br />

Panzermuseum in Munster<br />

verzeichnen. Seit April komplettiert<br />

ein Kampfpanzer VI „Tiger“ die<br />

Sammlung – der einzige auf<br />

deutschem Boden... Von Ulf Kaack<br />

EINZIGARTIG IN DEUTSCHLAND: Seine<br />

Restaurierung war ein riesiges Puzzlespiel<br />

aus großdimensionierten Stahlteilen. Foto: DPM<br />

GROßER ERFOLG: Mit dem „Tiger“ ist<br />

die größte Lücke im Panzermuseum<br />

Munster geschlossen – zumindest für<br />

die nächsten drei Jahre. Foto: Ulf Kaack<br />

GEFECHTSPAUSE: Ein „Tiger“<br />

und seine Besatzung atmen<br />

vor ihrem nächsten Einsatz<br />

während einer „Zigarettenlänge“<br />

tief durch. Foto: Alfred Rubbel<br />

66


MÄCHTIG: Die Hauptbewaffnung des „Tiger“,<br />

die 8,8-cm-KwK, erzielte eine enorme<br />

Durchschlagsleistung.<br />

Foto: Ulf Kaack<br />

RÄTSELHAFT: Ein Einschuss auf der rechten<br />

Seite der Wanne. Ursache und Wirkung<br />

liegen im Verborgenen.<br />

Foto: Ulf Kaack<br />

SICHTBAR: Treffer auch am Turm, die der<br />

Tiger mutmaßlich bei der Kesselschlacht<br />

von Falaise einstecken musste. Foto: Ulf Kaack<br />

Auf internationaler Ebene nimmt das<br />

Deutsche Panzermuseum im niedersächsischen<br />

Munster unter den militärhistorischen<br />

Sammlungen einen Spitzenplatz<br />

ein. Lediglich eine „ Lücke“ gab es in der<br />

schwergewichtigen Kollektion: Es fehlte ein<br />

Panzerkampfwagen VI „Tiger“.<br />

Weltweit haben nach offiziellem Kenntnisstand<br />

nur sechs Kampfpanzer „Tiger I“<br />

den Zweiten Weltkrieg „<strong>über</strong>lebt“. Zwei befinden<br />

sich in Russland, zwei in Frankreich<br />

und jeweils einer in Großbritannien und den<br />

USA. Im Magazin des Panzermuseums Kubinka<br />

bei Moskau sollen zwei weitere Exemplare<br />

stehen, doch das wird von offizieller<br />

Seite nicht bestätigt.<br />

„In der Vergangenheit stand uns bereits<br />

zweimal ein ,Tiger’ für einen begrenzten<br />

Zeitraum zur Verfügung,“ berichtet Museumsdirektor<br />

Ralf Raths. „Aber natürlich<br />

wollten wir ein Exemplar dauerhaft in unserer<br />

Sammlung haben. Ein solcher Panzer gehört<br />

einfach aus technikhistorischen Gründen<br />

nach Deutschland und natürlich in die<br />

Lücke innerhalb der unserer Sammlung.“<br />

Vollkommen unerwartet klingelte Ende Fe-<br />

BUCHTIPP<br />

Persönliches Kriegstagebuch<br />

Im Panzer IV und Tiger an der Ostfront<br />

Es ist ein relativ kurzer Abschnitt aus einem<br />

langen Soldatenleben, den Alfred Rubbel detailliert<br />

in seinem persönlichen Kriegstagebuch<br />

beschreibt – für den heute 91-Jährigen<br />

der wichtigste.<br />

Nüchtern und sachlich erzählt Alfred Rubbel<br />

seine ganz individuelle Geschichte in Tagebuchchronologie.<br />

Dabei reichert er die<br />

einzelnen Abschnitte mit historischem, militärischem<br />

und technischem Hintergrundwissen<br />

an. Der ehemalige Panzersoldat erzählt<br />

von der Euphorie, mit der er wie nahezu seine<br />

gesamte Generation damals in den Krieg<br />

zog. Und er nennt die Gründe dafür. Er schildert<br />

seine dramatischen Erlebnisse an der<br />

ZEITZEUGE: Alfred Rubbel schildert<br />

seine persönlichen Erlebnisse vom<br />

Einsatz an der Front. Foto: Flechsig Verlag<br />

bruar 2013 Raths Telefon. Der Teilnehmer am<br />

anderen Ende der Leitung sagte: „Ich besitze<br />

den ,Tiger’, der Ihnen fehlt, und stelle ihn<br />

dem Panzermuseum zunächst für drei Jahre<br />

als Leihgabe zur Verfügung.“ Für den engagierten<br />

Museumschef ging ein Traum in<br />

Erfüllung.<br />

Die Herkunft dieses „Tigers I“ (Ausf. E)<br />

liegt teilweise im Verborgenen. Fakt ist, dass<br />

sich das Exemplar aus mindestens zwei unterschiedlichen<br />

Panzern zusammensetzt, die<br />

vermutlich bei der Kesselschlacht von Falaise<br />

im August 1944 in der Normandie aufgegeben<br />

oder ausgeschaltet worden waren.<br />

Metallverwerter haben nach den Kampfhandlungen<br />

die Reste der Schlacht auf einem<br />

Schrottplatz zusammengetragen. Ralf Raths:<br />

„Der Eigentümer unseres Ausstellungsstücks<br />

hat in Frankreich praktisch einen ganzen<br />

Berg Panzerschrott gekauft und den ,Tiger’<br />

aus diesem gigantischen Puzzlespiel aus<br />

Stahl neu aufgebaut.“<br />

Wanne und Turm – sie stammen nachweislich<br />

von zwei unterschiedlichen Fahrzeugen<br />

– waren in mehrere Teile zerlegt. Da<br />

die Schnittstellen exakt aneinander passten,<br />

Ostfront, darunter die berühmte Panzerschlacht<br />

bei Kursk. Alfred Rubbel erlebt den<br />

Krieg im Panzer IV, im „Tiger“ und im „Königstiger“.<br />

Mehrfach wird er abgeschossen<br />

und verwundet, erzielt selbst mit seiner Besatzung<br />

57 Panzerabschüsse.<br />

Im Panzer IV und Tiger an der Ostfront. Das<br />

persönliche Kriegstagebuch des Alfred Rubbel<br />

Dezember 1939–Mai 1945, Flechsig<br />

Verlag Würzburg,<br />

256 Seiten, gebunden<br />

mit Schutzumschlag,<br />

350 Bilder,<br />

Karten und Abbildungen.<br />

ISBN 978-3-<br />

8035-0008-3,<br />

24,95 Euro.<br />

KONTAKT<br />

Das Deutsche Panzermuseum in Munster hat<br />

täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Ab<br />

dem 1. Oktober ist montags Ruhetag. Der Eintritt<br />

für Erwachsene beträgt 7 Euro. Kinder im Alter<br />

von 6 bis 13 Jahren sowie Schüler, Studenten<br />

und Bundesfreiwilligendienst Leistende zahlen<br />

3,50 Euro. Für Gruppen, Familien und<br />

Führungen gibt es spezielle Tarife.<br />

www.panzermuseum-munster.de<br />

konnten sie wieder zusammengesetzt werden.<br />

Die Herkunft des Fahrwerks, der Waffenanlage<br />

sowie diverser Anbauteile ist nicht<br />

mehr nachvollziehbar. Eine Antriebsanlage<br />

besitzt der „Tiger“ nicht. Ebenso fehlt ein<br />

Großteil der Innenausstattung.<br />

„Der Panzerkampfwagen VI ,Tiger‘ ist<br />

von 1941 bis 1942 entwickelt und von 1942<br />

bis 1945 eingesetzt worden“, berichtet Direktor<br />

Raths <strong>über</strong> den spektakulären Neuzugang.<br />

„Nur 1.350 Exemplare dieses extrem<br />

teuren und aufwendig zu bauenden Panzers<br />

wurden hergestellt, weil er nur für eine spezielle<br />

Aufgabe entwickelt worden ist: Es sollte<br />

mit hoher Feuerkraft und stark gepanzert<br />

Löcher in die feindlichen Linien reißen. Der<br />

,Tiger’ war somit ein teurer Vorschlaghammer<br />

für Spezialeinsätze.“<br />

Die hohe Feuerkraft und starke Panzerung<br />

in Verbindung mit einer markanten Formgebung<br />

führten dazu, dass der „Tiger“ zum Inbegriff<br />

motorisierter Kampfkraft wurde. Die<br />

NS-Propaganda griff diese Symbolik auf und<br />

konstruierte damals in den Medien aktiv das<br />

Bild eines „Superpanzers“ – ein Image, das<br />

trotz der zahlreichen Schwächen des Panzers<br />

bis heute weitgehend Bestand hat.<br />

Ulf Kaack, Jg. 1964, Redakteur und Autor aus<br />

Bassum mit den Spezialgebieten Marine und Panzer.<br />

Demnächst erscheint sein Buch „Panzer. Alle Fahrzeuge<br />

von 1956 bis heute“ in der Reihe „Typenatlas<br />

Bundeswehr“. Er steht in engem Kontakt zum<br />

Panzermuseum Munster.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

67


Spurensuche<br />

„Führersperrgebiet Obersalzberg“<br />

Hitlers Residenz<br />

in den Bergen<br />

68


HERRSCHAFTLICH: Hitlers<br />

Anwesen auf dem<br />

„Obersalzberg“ wird in den<br />

1930er-Jahren mehrfach<br />

aus- und umgebaut.<br />

Hier empfängt der „Führer“<br />

zahlreiche Spitzenpolitiker<br />

und Militärs aus dem<br />

In- und Ausland.<br />

Foto: ullstein bild – Walter Frentz<br />

Das Areal „Obersalzberg“ war von<br />

1933/34 bis in den Zweiten Weltkrieg<br />

hinein eines der größten Bauvorhaben<br />

im NS-Staat. Nach der alliierten Bombardierung<br />

wenige Tage vor Kriegsende bleiben<br />

zahlreiche Fundamente und Ruinen zerstörter<br />

oder beschädigter Gebäude des ehemaligen<br />

„Führersperrgebietes Obersalzberg“<br />

noch lange Zeit erhalten.<br />

Mit der Besetzung durch US-Truppen entsteht<br />

das AFRC („American Forces Recreation<br />

Center“), in dem GIs in den alten NS-Gebäuden<br />

entspannen. Die Amerikaner nutzen<br />

und pflegen die Häuser und deren Innenausstattung,<br />

die sie 1945 vorfanden, bis zu<br />

ihrem Abzug im Jahr 1995.<br />

Nach der Übergabe an den Freistaat Bayern<br />

werden die Gebäude und Ruinen des<br />

„Obersalzbergs“, dem Verfall preisgegeben<br />

und schließlich größtenteils abgetragen.<br />

Rückblick: Am 9. November 1923 versuchte<br />

Adolf Hitler durch einen Putsch in<br />

München, an die Macht in Deutschland zu<br />

gelangen. Dieser Putsch misslang und Hitler<br />

wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.<br />

Während dieser Zeit begann er, sein<br />

Buch „Mein Kampf“ zu schreiben. Nach seiner<br />

vorzeitig beendeten Haft versteckte sich<br />

Hitler – ähnlich wie der „Schriftleiter“ des<br />

NS-Organs „Völkischer Beobachter“ Dietrich<br />

Eckart – in einer kleinen Hütte oberhalb des<br />

„Platterhofs“ am „Obersalzberg“.<br />

Ende der 1920er-Jahre fühlte sich Hitler<br />

nicht mehr verfolgt und mietete zunächst<br />

das „Haus Wachenfeld“. Später – nach der<br />

NS-Macht<strong>über</strong>nahme im Deutschen Reich –<br />

kaufte der neue Reichskanzler das Landhaus,<br />

auf das Hitler bereits 1932 ein Vorkaufsrecht<br />

erworben hatte, und ließ es groß-<br />

PROST AUF DEN SIEG:<br />

Im Mai 1945 kommen die<br />

Amerikaner und<br />

bleiben 50 Jahre.<br />

Foto: Sammlung John Provan<br />

UNTERSCHLUPF: Erstes Versteck des<br />

gescheiterten Putschisten nach seiner Festungshaft.<br />

Eine primitive Holzhütte oberhalb<br />

des „Platterhofs“. Foto: Sammlung John Provan<br />

zügig umbauen und erweitern. Heinrich<br />

Hoffmann, sein Leibfotograf, stellte den<br />

„Berghof“ auf seinen Fotopostkarten anfangs<br />

als bescheidenen Wohnsitz dar.<br />

Nach 1933 erwarb die NS-Führung neue<br />

Gebäude am „Obersalzberg“. Eigentümern,<br />

die nicht bereit waren, ihr Anwesen zu verkaufen,<br />

wurde mit Inhaftierung gedroht. So<br />

konnten Hitler und die NS-Partei innerhalb<br />

kurzer Zeit zahlreiche Gebäude am „Obersalzberg“<br />

erwerben. Das einst abgelegene<br />

Dorf inmitten einer idyllischen Berglandschaft<br />

wurde nun zur größten Baustelle<br />

Deutschlands.<br />

Die rege Bautätigkeit geht in der zweiten<br />

Hälfte der 1930er-Jahre ununterbrochen weiter.<br />

Aber auch im nahe gelegenen Berchtesgaden<br />

wurde viel gebaut. Vor allem Politiker<br />

aus dem Ausland sollten durch den Ausbau<br />

der Infrastruktur einen positiven Eindruck<br />

vom „neuen Deutschland“ bekommen. So<br />

wurden ein am 21. Januar 1934 offiziell<br />

Mai 1945: US-Truppen besetzen das<br />

weitläufige Areal um Hitlers „Berghof“ und<br />

bleiben dort bis 1995. Heute sind viele<br />

Spuren der NS-Vergangenheit weitgehend<br />

„verwischt“.<br />

Von John Provan<br />

Clausewitz 4/2013<br />

69


Spurensuche | „Obersalzberg“<br />

BEEINDRUCKEND: Vom Kehlsteinhaus in 1.800<br />

Metern Höhe bietet sich ein fantastischer Ausblick.<br />

Hitler weilte hier nur selten. Foto: picture-alliance/dpa<br />

REICHSKANZLEI:<br />

Die sogenannte<br />

„Kleine Reichskanzlei“<br />

ist seit<br />

1945 bis zu deren<br />

Abzug das US-<br />

Hauptquartier.<br />

Foto: Sammlung John<br />

Provan<br />

eingeweihter Flugplatz in Ainring und später<br />

eine große Empfangshalle für den bereits<br />

bestehenden Bahnhof in Berchtesgaden gebaut.<br />

Weiterhin wurden zwei Zufahrtsstraßen<br />

zum „Obersalzberg“ ausgebaut, die mit<br />

ihrer starken Straßenneigung damaligen<br />

Kraftfahrzeugen durchaus zu schaffen<br />

machten. Hitler sollte zu jeder Zeit und bequem<br />

zu seiner neuen Alpen-Residenz gelangen<br />

können, die sich im Laufe der Jahre<br />

zu einer Art zweitem Regierungssitz des<br />

„Dritten Reiches“ entwickelte.<br />

AUSGEBRANNT: Ein US-Soldat vor<br />

dem scheibenlosen Panoramafenster<br />

in der zerstörten Ruine des<br />

„Berghofes“. Die Brandruine des<br />

Hauptgebäudes wurde 1952 gesprengt.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

„Berghof” als Pilgerstätte<br />

Zu den Räumlichkeiten in Hitlers 1936 weitgehend<br />

fertig gestelltem „Berghof“ führte eine<br />

lange Außentreppe. Zahlreiche zeitgenössische<br />

Propagandafotos zeigen Staatsgäste<br />

und führende Militärs beim Hinaufsteigen<br />

der Stufen. Charakteristisch für das Hauptgebäude<br />

war vor allem das circa 9 x 3,6 Meter<br />

große Panoramafenster, von dem aus sich<br />

dem Betrachter ein malerischer Blick auf die<br />

Berglandschaft bot. Das Fenster konnte mithilfe<br />

eines elektrischen Antriebs in die Kellerräume<br />

herunter gelassen werden. Von dieser<br />

Empfangshalle führte eine Tür zum alten<br />

Teil des „Hauses Wachenfeld“.<br />

In der ersten Etage befanden sich die<br />

Schlafzimmer von Adolf Hitler und Eva<br />

Braun, Lebensgefährtin und spätere Ehefrau<br />

des „Führers“, sowie sein Arbeitszimmer. In<br />

der zweiten und dritten Etage waren die<br />

Schlafzimmer für Gäste und die Kammern<br />

für das Hauspersonal untergebracht.<br />

Zahlreiche bekannte Staatsgäste empfing<br />

Hitler auf seinem „Berghof“, darunter – im<br />

Jahr 1938 im Vorfeld des „Münchener Abkommens“<br />

– den britischen Premierminister<br />

Arthur Neville Chamberlain, außerdem 1939<br />

den italienischen Außenminister Graf Ciano<br />

sowie im Jahr 1942 den „Duce“.<br />

In diesen Jahren wurden mehrfach Erweiterungs-<br />

und Umbaumaßnahmen am „Berghof“<br />

durchgeführt. Der „Obersalzberg“ entwickelte<br />

sich besonders während der Friedensjahre<br />

zu einer wahren Pilgerstätte. Tausende<br />

„treuer Anhänger“ kamen, um das<br />

Anwesen ihres „Führers“ zu sehen. Um zumindest<br />

einen Teil dieser Besucher unterzubringen,<br />

wurde das Hotel „Platterhof“, zuvor<br />

bekannt als „Pension Moritz“, errichtet.<br />

Der Bau wurde allerdings erst 1941 vollendet<br />

und wurde nie für seinen ursprünglichen<br />

Zweck genutzt.<br />

In den Nachkriegsjahrzehnten war der<br />

„Platterhof“ bei den Amerikanern als „Hotel<br />

General Walker“ besonders beliebt. Heute,<br />

nach dem Abriss des Hauptgebäudes der alten<br />

Anlage im Jahr 2000, steht dort das Luxushotel<br />

„InterContinental Berchtesgaden“.<br />

Unweit vom einstigen „Platterhof“ lag ein<br />

Postamt und unterhalb in Richtung „Berghof“<br />

stand bis 1935 die Pension „Haus Hoher<br />

Göll“. Das Gebäude wurde von der NSDAP<br />

gekauft und als Gästehaus für Parteimitglieder<br />

ausgebaut. Martin Bormann nutzte es<br />

zudem als Büro und zum Empfang von Besuchern.<br />

Nach dem Abzug der US-Truppen in der<br />

zweiten Hälfte der 1990er-Jahre wurde auf<br />

den Fundamenten dieses Hauses ein Neubau<br />

im Stile moderner Architektur errichtet,<br />

der heute dem Zentrum „Dokumentation<br />

70


Großer Touristenmagnet<br />

BRÖCKELNDER PUTZ: Nebengebäude des ehemaligen Hotels, rechts<br />

im Bild sind Teile des Neubaus zu erkennen. Foto: Sammlung John Provan<br />

KOSTSPIELIG: Der Abriss des ehemaligen Krankenhauses<br />

in Stanggaß wird teurer als gedacht und schreckt<br />

Investoren ab.<br />

Foto: Sammlung John Provan<br />

Obersalzberg“ dient und die Vielzahl der<br />

Touristen <strong>über</strong> die Geschichte des ehemaligen<br />

„Führersperrgebietes“ im Berchtesgadener<br />

Land informiert.<br />

Geschenk an den „Führer”<br />

„Reichsleiter“ Martin Bormann war die zentrale<br />

Figur beim Umbau des „Obersalzbergs“.<br />

Er kontrollierte alle Baumaßnahmen.<br />

Anlässlich des 1939 bevorstehenden 50. Geburtstags<br />

von Hitler hatte Bormann den Bau<br />

eines „Teehauses“ am 1.834 Meter hohen<br />

Kehlsteingipfel als Geschenk der Partei angeordnet.<br />

Fritz Todt, Generalinspektor für das deutsche<br />

Straßenwesen, wurde im Jahr 1938 die<br />

Leitung für den Bau einer Straße bis zum geplanten<br />

„Kehlsteinhaus“ <strong>über</strong>tragen. In der<br />

kurzen Bauzeit von Mai bis Oktober sind<br />

3.000 Arbeiter rund um die Uhr an dem Bau<br />

dieser Zufahrtsstraße beschäftigt. Die noch<br />

heute erhaltene Straße ist sieben Kilometer<br />

lang, verfügt <strong>über</strong> mehrere Tunnel und eine<br />

Haarnadelkurve.<br />

Der Bau des<br />

„Kehlsteinhauses“<br />

begann unter der<br />

Leitung von Prof. Roderich Fick. Die Steinblöcke<br />

wurden im Tal gemeißelt und mit einem<br />

Flaschenzug nach oben gezogen. Um<br />

den Fertigstellungstermin einhalten zu können,<br />

wurden die Straße und das Kehlsteinhaus<br />

gleichzeitig gebaut. Die Straße endet<br />

an einem kleinen Platz, 124 Meter unterhalb<br />

des Kehlsteinhauses. Vom dort aus führt ein<br />

stollenartiger Gang in den Fels hinein. Ein<br />

prachtvoll ausgekleideter Aufzug aus Kupfer<br />

und Messing bringt die Touristen nach<br />

oben ins „Kehlsteinhaus“, das die US-Amerikaner<br />

unter dem Namen „Eagle’s Nest“<br />

kennen. Heute ist dieses Haus, von dem<br />

sich ein beeindruckender Blick <strong>über</strong> das<br />

umliegende Berchtesgadener Land bietet,<br />

eine der populärsten Sehenswürdigkeiten<br />

der Region.<br />

Vom Aufzug geht man durch einen Gang<br />

bis zum ehemaligen Wachzimmer, daneben<br />

befinden sich Toiletten und die Küche. In<br />

entgegengesetzter Richtung gelangt man in<br />

ein holzvertäfeltes Esszimmer und von dort<br />

in das runde „Konferenzzimmer“. Dieser<br />

Raum wird von einem großen Kamin aus rotem<br />

Carrara-Marmor beherrscht, einem Geschenk<br />

von Benito Mussolini.<br />

Hitler weilte jedoch nur selten in seinem<br />

Teehaus knapp unterhalb des Kehlsteingipfels.<br />

Zu seinen Lieblingsorten auf dem Areal<br />

des „Obersalzbergs“ zählte dagegen der<br />

1937 errichtete Pavillon am Mooslahnerkopf.<br />

Hitler ist oft mit Vertrauten und Besuchern<br />

zu dem kleinen Gebäude spaziert. Der Teepavillon<br />

bot einen faszinierenden Ausblick<br />

und lag nicht weit vom Berghof entfernt, etwa<br />

eine dreiviertel Stunde zu Fuß. Er existiert<br />

heute nicht mehr.<br />

Sorge um Hitlers Sicherheit<br />

Um die Sicherheit des „Führers“ und die Unterbringung<br />

der entsprechenden Wachpersonals<br />

zu gewährleisten, wurden laufend neue<br />

Bunker, Sicherungsanlagen und Kasernen<br />

auf dem Areal des „Obersalzbergs“ bzw. im<br />

Berchtesgadener Land errichtet. Oberhalb<br />

des „Berghofs“ entstand eine SS-Kaserne als<br />

Quartier für Soldaten der „Leibstandarte“.<br />

Im in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hitlers<br />

Residenz gelegenen Gasthof „Zum Türken“<br />

waren zeitweise Beamte und Angehörige des<br />

ZUSÄTZLICH GEBAUT: Kaserne der „Leibstandarte“ und Quartier<br />

der SS-Bewacher für Hitlers „Berghof“. Foto: Sammlung John Provan<br />

QUALMENDER REST: Von den Alliierten zerbombt und von der SS<br />

angesteckt. Der „Berghof“ im Mai 1945. Foto: Sammlung John Provan<br />

Clausewitz 4/2013<br />

71


Spurensuche | „Obersalzberg“<br />

PILGERZUG: Vor Kriegsausbruch<br />

kommen täglich Tausende, um zu<br />

sehen, wo ihr „Führer“ wohnt.<br />

Foto: Sammlung John Provan<br />

Sicherheitsdienstes und der Geheimen<br />

Staatspolizei untergebracht. Hier errichtete<br />

man einen noch heute vorhandenen Zugang<br />

zu einem Bunkersystem. Heute wird das<br />

„Hotel Zum Türken“ wieder für touristische<br />

Zwecke genutzt.<br />

Unterirdisches Bunkersystem<br />

Während der Kriegsjahre wurden zahlreiche<br />

Einheiten zur Abwehr feindlicher Fliegerangriffe<br />

in stationären Stellungen aufgestellt.<br />

Dazu zählten neben zehn Flakbatterien auch<br />

270 Nebelmaschinen. Letztere konnten weite<br />

Teile des Tales innerhalb von 20 bis 30 Minuten<br />

einnebeln. Hinzu kam in der ersten<br />

Hälfte der 1940er-Jahre ein kilometerlanges<br />

unterirdisches und weit verzweigtes Bunkersystem,<br />

das vor möglichen alliierten<br />

Bombenangriffen Schutz bieten sollte: zum<br />

Beispiel um Hitlers „Berghof“ herum, nahe<br />

Görings Haus, am „Platterhof“ sowie bereits<br />

erwähnt am Gasthaus. Zur Versorgung mit<br />

Lebensmitteln wurde unterhalb des „Berghofs“<br />

ein Gutshof mit Wirtschaftsanlagen errichtet.<br />

Führende Nationalsozialisten legten sich<br />

einen Wohnsitz am oder in der näheren Umgebung<br />

des „Obersalzbergs“ zu. Während<br />

HINTERGRUND<br />

Seit dem Abzug der US-Amerikaner im Jahr<br />

1995 wurden zahlreiche Bauwerke und Ruinen<br />

des ehemaligen NS-Areals auf Anordnung<br />

der Behörden des Freistaates Bayern<br />

abgetragen, darunter auch die von Bäumen<br />

und Sträuchern <strong>über</strong>wucherte Garage der<br />

1952 gesprengten Ruine des „Berghofes“.<br />

Nun existiert eine „Application Software“,<br />

mit der US-Historiker Dr. John Provan<br />

modernste Technologie einsetzt, um die<br />

Möglichkeit zu bieten, vor allem Angehörigen<br />

sich beispielsweise Hermann Göring ein vergleichsweise<br />

bescheidenes Haus unweit des<br />

„Berghofs“ errichten ließ, baute man für<br />

Martin Bormann und seine Familie ein bereits<br />

bestehendes Haus in eine luxuriöse Villa<br />

um. Auch Hitlers bevorzugter Architekt,<br />

Albert Speer, und Reichsführer-SS Heinrich<br />

Himmler verfügten <strong>über</strong> eigene Domizile<br />

am „Obersalzberg“.<br />

In Stanggaß wurde zudem der Bau der<br />

„Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden“,<br />

auch „Kleine Reichskanzlei“ genannt, in Angriff<br />

genommen. Vor knapp zehn Jahren<br />

wurden diese Gebäude an eine Gruppe privater<br />

Investoren verkauft.<br />

Dar<strong>über</strong> hinaus entstanden Wohnsiedlungen<br />

für Mitarbeiter der Einrichtungen<br />

des „Führersperrgebietes“. Etwa 3.000 Bauarbeiter<br />

wurden in einer großen Siedlung, im<br />

„Lager Antenberg“ unweit des „Platterhofes“<br />

untergebracht. Später kam eine zweite<br />

Arbeitersiedlung hinzu.<br />

Audio-Guide zum „Obersalzberg”<br />

der jüngeren Generationen die Vergangenheit<br />

des „Obersalzbergs“ näher zu bringen.<br />

Um mehr <strong>über</strong> die Geschichte des „Obersalzbergs“<br />

nicht nur vor Ort, sondern auch<br />

zu Hause erfahren zu können, hat der LZC-<br />

Verlag in Zusammenarbeit mit der Virtual-<br />

Realtity-Fabrik in Halle/Saale eine „App“ in<br />

englischer Sprache erstellt, die mit den<br />

GPS-Koordinaten die verschiedenen ehemaligen<br />

NS-Gebäude und deren Vergangenheit<br />

mit Fotos und Bauplänen verbindet.<br />

VERSCHWUNDEN: Das aus dem wiederhergestellten<br />

ehemaligen „Platterhof” errichtete Hotel „General<br />

Walker” musste dem Neubau eines Luxushotels<br />

weichen.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

KONTAKT<br />

Dokumentation Obersalzberg<br />

Salzbergstraße 41<br />

D-83471 Berchtesgaden<br />

Tel.: +49 (0) 8652 / 947960<br />

Fax: +49 (0) 8652 / 947969<br />

E-Mail: info@obersalzberg.de<br />

www.obersalzberg.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag–Sonntag<br />

9:00–17:00 Uhr, letzter Einlass 16:00 Uhr<br />

Zerstörung des Areals<br />

Am 25. April 1945 begann der Anfang vom<br />

Ende des „Führersperrgebietes“. Gegen 9:30<br />

Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst. Zunächst<br />

warfen britische Lancaster-Bomber Luftminen<br />

ab. Anschließend legten mehr als 300 alliierte<br />

Bomber einen Bombenteppich <strong>über</strong><br />

den „Obersalzberg“. Ein Großteil des Gebietes<br />

wurde in Schutt und Asche gelegt.<br />

Hitlers „Berghof” wurde durch das Bombardement<br />

der Alliierten nahezu vollkommen<br />

zerstört. Kurze Zeit später erreichten<br />

die ersten US-Soldaten Hitlers ausgebrannte<br />

Residenz. US-Leutnant Sherman Pratt<br />

war einer der ersten Soldaten, die am „Berghof“<br />

ankamen. Er erinnerte sich später:<br />

„Wir waren alle still, beeindruckt von diesem<br />

Moment und diesem Ort. Nach so viel<br />

Kampf, Zerstörung, Elend, Schmerz und<br />

Tod, hier am Obersalzberg war jetzt alles<br />

vorbei.“<br />

Dr. John Provan, US-Amerikaner, seit 1974 bei Frankfurt<br />

heimisch, promovierte in Deutschland, präsentierte<br />

unter anderem zahlreiche Bücher und Ausstellungen<br />

zum Kalten Krieg.<br />

Foto: picture-alliance/chromorange<br />

72


Schiffe und Meer ...<br />

Das neue Schifffahrt-Magazin ist da!<br />

Jetzt am Kiosk!<br />

Clausewitz 4/2013<br />

Online blättern oder Abo mit Prämie unter:<br />

73<br />

www.schiff-classic.de/abo


Feldherren<br />

Feldmarschall Radetzky<br />

Österreichs<br />

erfolgreicher<br />

Heerführer<br />

Wenn es eine personalisierte Symbiose<br />

zwischen Militär und Staat im<br />

Kaiserstaat Österreich im 19. Jahrhundert<br />

gab, dann war es der am 2. November<br />

1766 in Trebnic (Böhmen) geborene, fünf<br />

Monarchen dienende Johann Joseph Wenzel<br />

Graf Radetzky von Radetz. Der später legendenverklärte<br />

„Soldatenvater“ Feldmarschall<br />

Graf Radetzky fand nicht nur in der militärischen<br />

Traditionsbildung allgemein und in<br />

dem bis zum Ende der k.u.k.-Monarchie 1918<br />

existierenden Husarenregiment Nr. 5 „Radetzky“<br />

seine menschenmögliche „Unsterblichkeit“.<br />

Er war auch der erste Ehrenbürger<br />

Wiens. Für ihn schrieb der Dichter Grillparzer<br />

seine bekannte Grußadresse: „Glück auf,<br />

mein Feldherr, führe den Streich! Nicht bloß<br />

um des Ruhmes Schimmer – In deinem Lager<br />

ist Österreich.“<br />

Ein Leben für Österreich<br />

Radetzkys individuelle militärische Biographie<br />

beeindruckt noch immer: Nach seinem<br />

Eintritt in das Kürassierregiment Caramelli<br />

(Nr. 2) am 1. August 1784 beginnt eine rasante<br />

und abwechslungsreiche Karriere, die<br />

durch einen Wechsel von Truppen- und<br />

Stabsverwendungen, die Teilnahme an vielen<br />

Feldzügen und Schlachten, zahlreichen<br />

Verwundungen und Auszeichnungen aufgrund<br />

außergewöhnlicher persönlicher Tapferkeit<br />

und couragierter Führungsleistungen<br />

geprägt ist. Als junger Ordonnanzoffizier bei<br />

den Feldherren Lacy und Laudon ist er im<br />

„Türkenkrieg“ von 1788/89 dabei. In den<br />

ersten Jahren der Koalitionskriege gegen das<br />

revolutionäre Frankreich kämpft er auf<br />

Schlachtfeldern Mitteleuropas und steigt in<br />

den Jahren bis 1805 zum Generalmajor auf.<br />

Der Krieg Österreichs gegen <strong>Napoleon</strong><br />

von 1809 zeigt ihn dann bereits als souveränen<br />

Truppenführer und gleichzeitig als<br />

furchtlosen Kämpfer. Seine Laufbahn erreicht<br />

ihren ersten großen Höhepunkt in der<br />

Beförderung zum Feldmarschallleutnant<br />

und der Ernennung zum Chef des Generalquartiermeisterstabes.<br />

Zu diesem Zeitpunkt<br />

ist er schon längst ein mit mehreren Orden –<br />

wie etwa Ritter des Militär-Maria-Theresia-<br />

Ordens – ausgezeichneter und populärer<br />

„Kriegsheld“. <strong>1813</strong> wird er folgerichtig zum<br />

Generalstabschef der großen Allianz gegen<br />

<strong>Napoleon</strong>, die diesen nach dessen gescheitertem<br />

Russlandfeldzug von 1812 aus Zentraleuropa<br />

<strong>über</strong> den Rhein vertreiben soll.<br />

Generalstabschef gegen <strong>Napoleon</strong><br />

Österreich, Russland und Preußen hatten in<br />

den Jahren 1805–1809 schmerzhaft die Überlegenheit<br />

<strong>Napoleon</strong>s erfahren, den Radetzky<br />

als „Schreckensmann unserer Zeit“ bezeichnet.<br />

Der „Frühjahrsfeldzug“ Preußens und<br />

Russlands gegen <strong>Napoleon</strong> endete im Waffenstillstand<br />

vom Juni <strong>1813</strong> unentschieden.<br />

Diplomatische Verhandlungen führen Österreich<br />

im Geheimvertrag von Reichenbach<br />

vom 27. Juni <strong>1813</strong> an die Seite von Preußen<br />

Russland und Schweden. Am 11. August <strong>1813</strong><br />

erklärt Österreich <strong>Napoleon</strong> den Krieg.<br />

Radetzky ist zu dieser Zeit der Chef des<br />

74


22. September 1849: Bei einer Truppenschau<br />

in Wien ertönt zu Ehren des greisen<br />

Feldmarschalls der „Radetzky-Marsch“ –<br />

eine habsburgische „Marseillaise“. Der österreichische<br />

Kaiserstaat feiert sich und seinen<br />

größten Feldherrn.<br />

Von Eberhard Birk<br />

FAKTEN<br />

Schlachten<br />

16.–19.10.<strong>1813</strong> Völkerschlacht bei Leipzig<br />

06.05.1848 Santa Lucia<br />

11.06.1848 Vicenza<br />

22.08.1848 Custozza<br />

21.03.1849 Mortara<br />

23.03.1849 Novara<br />

ERFOLGREICHER FELDHERR: Radetzky wirft die<br />

Revolution in Oberitalien nieder und erzwingt einen<br />

Waffenstillstand mit Piemont-Sardinien. Das<br />

Gemälde von Albrecht Adam zeigt den Generalissimus<br />

mit seinem Stab vor Mailand 1848.<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

Clausewitz 4/2013<br />

75


Feldherren<br />

MONARCHEN UND FELDHERREN: Radetzky zusammen mit Alexander I., Friedrich Wilhelm III. sowie Blücher, Gneisenau und anderen Militärs<br />

auf dem Marktplatz von Leipzig. Der österreichische Feldherr hat maßgeblichen Anteil am Sieg <strong>über</strong> <strong>Napoleon</strong>. Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Generalquartiermeisterstabes der alliierten<br />

Gesamtarmee unter dem Oberbefehl des<br />

Fürsten Schwarzenberg. Hier steht er vor politischen<br />

und militärischen Herausforderungen.<br />

Die Führungs- und Koordinationsarbeit<br />

für ein Koalitionsheer mit auseinander strebenden<br />

nationalen Zielsetzungen für die<br />

Zeit nach dem Krieg bleibt nicht ohne Auswirkungen<br />

auf Planung und Verlauf der<br />

Operationen.<br />

Operative Idee<br />

Das Operieren <strong>Napoleon</strong>s auf der „inneren<br />

Linie“ zwingt die alliierten Heere auf die<br />

„äußere Linie“. Damit wird – ohne moderne<br />

„Man soll nicht wagen, solange man ohne Wagnis<br />

ausreichen kann, wenn man aber wagen muß,<br />

dann soll man seinen Entschluß<br />

rasch fassen und kühn durchführen.“<br />

Zit. nach Oskar Regele: Feldmarschall Radetzky, Wien 1957, S. 391f.<br />

Kommunikations- und Transportmöglichkeiten<br />

– die Konzentration auf das Wesentliche<br />

schwierig.<br />

Radetzky formuliert am 7. Juli <strong>1813</strong> seine<br />

Zielsetzung, die als Grundlage des nicht<br />

schriftlich niedergelegten „Trachenberger-<br />

Reichenbacher Operationsplanes“ in die Militärgeschichte<br />

eingeht: „In allen, wie immer<br />

angenommenen, Wechselfällen bleibt es bei<br />

dem gegenwärtigen Stand der Armee stets<br />

die erste und wesentlichste Hauptbeobachtung,<br />

dass keine Armee einzeln und auf keine<br />

Weise sich gegen eine ihr <strong>über</strong>legene Macht in<br />

ein Hauptgefecht einlasse, um den Hauptzweck<br />

in den gemeinschaftlichen Operationen<br />

nicht zu verfehlen, nämlich: den Hauptschlag<br />

mit Sicherheit zu führen.“<br />

Radetzky will damit dem napoleonischen<br />

Vorteil von innerer Linie und Führungseinheit<br />

entgegentreten und diesem die Option<br />

zur operativen Isolierung einzelner Armeen<br />

und deren Ausschaltung im Gefecht nehmen.<br />

Dieses Ziel soll durch ein elastisches Ausweichen<br />

von drei weit getrennt stehenden Armeen<br />

vor der Hauptmacht <strong>Napoleon</strong>s bei<br />

gleichzeitigem Schlagen der Nebenarmeen<br />

seiner Marschälle erreicht werden. „Die alliierte<br />

Strategie zahlte sich mithin aus: Für <strong>Napoleon</strong><br />

bot sich keine Gelegenheit, einen großen<br />

Schlag zu führen; er sah sich wie ein Stier<br />

in der Arena hin und her gehetzt und seine<br />

ständig marschierenden Truppen fielen vor<br />

Müdigkeit fast um“ – so der britische Militärhistoriker<br />

David Chandler. Eine Serie von<br />

Niederlagen seiner nachgeordneten Truppenführer<br />

– Katzbach, Kulm, Dennewitz,<br />

Groß-Beeren und Hagelsberg – bringen den<br />

„Schlachtenkaiser“ schließlich dazu, bei<br />

Leipzig am 16. Oktober <strong>1813</strong> die von den Alliierten<br />

angebotene Entscheidungsschlacht<br />

anzunehmen. Nach dem Sieg in der „Völker-<br />

76


Vorbild für Europa<br />

schlacht“ erhält Radetzky noch auf dem<br />

Schlachtfeld den kaiserlich-österreichischen<br />

Leopolds-Orden und den russischen Georgs-<br />

Orden. Radetzkys Strategie ist der Grundstein<br />

für <strong>Napoleon</strong>s Niedergang im Jahr<br />

<strong>1813</strong>. In der Folge ist er zusammen mit Blüchers<br />

Generalstabschef Gneisenau der treibende<br />

Kopf, um die Herrschaft des „Schreckensmannes“<br />

endgültig zu beseitigen.<br />

Zwischenkriegszeit<br />

Nach den „Befreiungskriegen“ wird Radetzky<br />

zwar weiterhin mit scheinbar höherwertigen<br />

Aufgaben betraut – Divisionär in<br />

Ödenburg und später in Ofen 1816 bis 1829<br />

sowie Festungskommandant in Olmütz von<br />

1829 bis 1831 –, die de facto aber einen seinen<br />

Fähigkeiten diametral entgegengesetzten<br />

„Karriereknick“ bedeuten. Er verfasst jedoch<br />

wieder viele militärpolitische und militärhistorische<br />

Schriften, wie er es zuvor schon in<br />

der napoleonischen Ära machte. Darin beklagt<br />

er die ungenügende Weiterentwicklung<br />

der österreichischen Armee in der nach<br />

dem Wiener Kongress beginnenden Restaurationszeit.<br />

Am 2. März 1831 wird Radetzky – fast 65-<br />

jährig – im Arbeitszimmer von Kaiser Franz<br />

Joseph I. zum Generalkommandanten der<br />

österreichischen Armee im lombardo-venezianischen<br />

Königreich ernannt. In seinen unterstellten<br />

Generalen sieht er „alte Faulpelze,<br />

die nicht wollen, dass man sie aus ihrem behaglichen<br />

Schlaf wecken soll.“ Resolut, tatkräftig<br />

und energisch geht Radetzky an seine<br />

Transformation der österreichischen Italienarmee.<br />

Sein Ziel: Umsetzung der von<br />

ihm als unabdingbar betrachteten Herstellung<br />

und Steigerung der Kriegstauglichkeit.<br />

Ab 1833 werden jährliche freilaufende Manöver<br />

mit Großverbänden in Oberitalien<br />

durchgeführt.<br />

Bis 1835 arbeitet Radetzky mit seinem<br />

Generalquartiermeister Freiherr von Heß<br />

zahlreiche bis dato in ihrer schriftlichen<br />

Präzision unerreichte Feld- und Manöverinstruktionen<br />

aus. Für die Ausbildung werden<br />

alle Jahreszeiten genutzt. „Winterspiele“<br />

dienen dazu, taktische Zusammenhänge<br />

auf unteren Führungsebenen an Geländemodellen<br />

einzustudieren. Die von Radetzky<br />

eingeführten Manöver erstrecken sich<br />

von Mai bis Mitte Oktober. Dabei sind die<br />

Manöver methodisch und didaktisch so<br />

aufgebaut, dass, beginnend vom einzelnen<br />

Soldaten aufwärts <strong>über</strong> die Unteroffiziere,<br />

Offiziere, Stabsoffiziere und Generale sämtliche<br />

militärischen Führungsebenen von<br />

den kleinsten Teileinheiten <strong>über</strong> Bataillone<br />

und Brigaden bis hinauf zu den Divisionen<br />

und Korps ihr Zusammenwirken erproben<br />

können.<br />

ABERMALS SIEGREICH: Radetzky auf dem<br />

Schlachtfeld von Novara 1849 inmitten seiner<br />

Soldaten. Der erste italienische Unabhängigkeitskrieg<br />

ist mit dem österreichischen<br />

Sieg beendet.<br />

Abb.: picture alliance/Mary Evans Picture Library<br />

Den Abschluss bilden einwöchige, freilaufende<br />

Übungen in einer Stärke von ca. 60.000<br />

Mann. Diese Großmanöver erfreuten sich<br />

bald einer großen europäischen militärischen<br />

Öffentlichkeit – Manöverbeobachter<br />

aus Preußen, Russland, England und Frankreich,<br />

aber auch aus Sardinien, erhalten so einen<br />

Eindruck von der Leistungsfähigkeit der<br />

Armee Radetzkys. Seine Italienarmee<br />

wird zur Mustertruppe und<br />

er damit auch zum „Schulmeister<br />

Europas“. Ihre Bewährung<br />

sollte der von Radetzky in<br />

17 Jahren nach seinen Vorstellungen<br />

geformten Armee<br />

Verehrt<br />

Radetzky ist der volkstümlichste<br />

Heerführer Österreichs<br />

im 19. Jahrhundert. Heute<br />

lebt sein Andenken vor<br />

allem im Radetzky-Marsch<br />

fort. Porträt-Gemälde von<br />

Georg Decker.<br />

Abb.: picture alliance/akg<br />

in den oberitalienischen Revolutions- und<br />

Kriegsjahren 1848/49 bevorstehen.<br />

Der Frühling von 1848 wird zum europäischen<br />

Völkerfrühling. Nationale und demokratische<br />

Sehnsüchte führen zu Aufständen,<br />

Barrikadenkämpfen und Kriegen.<br />

Die Restaurationsphase stößt an ihre Grenzen.<br />

Insbesondere der Habsburgerstaat als<br />

<strong>über</strong>nationales Gebilde, das im Kern nur<br />

durch Krone, Klerus, Beamtenschaft und<br />

Militär zusammengehalten wird, driftet in<br />

einen Existenzkampf.<br />

Radetzkys Krieg in Oberitalien<br />

Auch auf der italienischen Halbinsel ist der<br />

Eingang der Meldung von der Demission des<br />

österreichischen Staatskanzlers Metternich<br />

der Auslöser für vielfältige Erhebungen. Am<br />

18. März beginnt der Aufstand in Mailand.<br />

Der 1836 zum Marschall beförderte Radetzky<br />

verfügt in seiner Mailänder Garnison <strong>über</strong><br />

14.000 Mann. Doch seine Truppen sind in „le<br />

cinque giornate di Milano“ dem Häuser und<br />

Barrikadenkampf nur bedingt gewachsen –<br />

insbesondere wegen logistischer Probleme.<br />

Radetzky führt seine Truppen aus der Stadt.<br />

Kurz darauf erfolgt die Kriegserklärung<br />

durch König Carl Albert von Piemont-Sardinien<br />

an Österreich.<br />

Clausewitz 4/2013<br />

77


Feldherren<br />

gelungen, der den Fortbestand der Monarchie<br />

als europäische Großmacht sichert.<br />

Nach dem Krieg wird er Generalgouverneur.<br />

Der mit unzähligen in- und ausländischen<br />

Orden ausgezeichneten Radetzky<br />

wird am 28. Februar 1857 nach 72 Dienstjahren<br />

vom letzten seiner fünf Kaiser, Franz Joseph<br />

I, ,,pensioniert“. Er stirbt am 5. Januar<br />

1858 und wird in Niederösterreich beigesetzt.<br />

KRIEG IN ITALIEN: In der Schlacht von Santa Lucia 1848 besiegt Radetzky seinen Gegenspieler<br />

Carl Albert. Die Abbildung zeigt ein österreichisches Jäger-Regiment bei der Verteidigung<br />

ihrer Stellung im Dorf (heute ein Stadtteil von Verona). Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Radetzky marschiert zunächst in das Festungsviereck<br />

Mantua–Peschiera–Verona–<br />

Legnano. Eintreffende Truppenverstärkungen<br />

verleihen neue Zuversicht. Die Schlacht<br />

bei Santa Lucia bei Verona am 6. Mai 1848<br />

gilt als wichtiger Abwehrerfolg, der einen<br />

Kulminationspunkt darstellt. Im Juni ergreift<br />

er die Initiative und geht zur Gegenoffensive<br />

<strong>über</strong>. Der Sieg bei Vicenza am 11. Juni hat<br />

zur Folge, dass fast ganz Venetien von Radetzkys<br />

Truppen kontrolliert wird. Den entscheidenden<br />

Sieg erringt Radetzky mit seinen<br />

Truppen am 25. Juli 1848 bei Custozza<br />

südlich des Gardasees <strong>über</strong> die piemontesischen<br />

Streitkräfte. Am 6. August erfolgt der<br />

triumphale Einmarsch in das im März noch<br />

so verzweifelt umkämpfte und von Radetzky<br />

verlassene Mailand.<br />

Parallele Erfolge österreichischer Truppen<br />

in Böhmen und Ungarn restabilisieren<br />

den Kaiserstaat, der noch wenige Monate zuvor<br />

zu zerfallen schien. Der Habsburgerstaat<br />

hat dank Radetzkys <strong>Triumph</strong>en zunächst alle<br />

äußeren und inneren Erschütterungen<br />

<strong>über</strong>standen. Aber in Ungarn und Oberitalien<br />

ist die Lage weder ruhig noch stabil. Carl<br />

Albert drängt auf eine Revanche. Bereits im<br />

Herbst 1848 werden hierfür erneut große<br />

Rüstungsanstrengungen unternommen. Im<br />

März 1849 stehen 150.000 Mann unter dem<br />

Kommando des polnischen Generals Albert<br />

Chrzanowski für einen neuen Feldzug bereit.<br />

Auch Radetzky bleibt nicht untätig;<br />

für ihn ist klar, „dass Piemont uns wieder<br />

angreift, ich bin (...) auf alles gefasst.“ Seine<br />

Vorbereitungen lassen ihn für das Frühjahr<br />

auf einen eher kurzen Feldzug hoffen. Am<br />

23. März kommt es bei Novara tatsächlich<br />

zur schnellen, katastrophalen Niederlage<br />

Carl Alberts gegen Radetzky, obwohl dieser<br />

nur <strong>über</strong> rund 73.000 Mann verfügt. Damit<br />

ist ihm ein Sieg in einem 100-Stunden-Krieg<br />

Feldherrenpose<br />

Radetzky auf einem Schlachtfeld. In<br />

der österreichischen Hauptstadt sind<br />

Straßen und Plätze nach ihm und<br />

seinen Schlachtensiegen benannt.<br />

Abb.: picture-alliance/<br />

akg-images/<br />

Erich Lessing<br />

Fazit und Tradition<br />

Radetzky ist ein militärischer Führer, der zu<br />

Recht das Interesse der Militärgeschichtsschreibung<br />

auf sich zog. Dass hierbei seine<br />

Rolle in der Bezwingung <strong>Napoleon</strong>s einen<br />

geringeren Stellenwert einnahm, mag darin<br />

begründet sein, dass es <strong>1813</strong> nicht, so wie es<br />

eben 1848/49 der Fall war, um den Fortbestand<br />

der Habsburgermonarchie ging. Für<br />

die Donaumonarchie erwies sich 1848/49 als<br />

die ultimative Herausforderung. Der österreichische<br />

Kaiserstaat <strong>über</strong>steht das Krisenjahr<br />

maßgeblich durch die Erfolge des Feldmarschalls.<br />

Seiner anhaltenden Popularität kommt<br />

zugute, dass er vornehmlich einen „normalen“’<br />

Staatenkrieg gegen einen äußeren<br />

Feind des Reiches führt, der dar<strong>über</strong> hinaus<br />

1848 und 1849 ein Verteidigungskrieg ist. Es<br />

muss an dieser Stelle jedoch auch der Hinweis<br />

erlaubt sein, dass Radetzky während<br />

seiner Feldzüge von 1848/49 im Gegensatz<br />

zu <strong>1813</strong> keine gleichrangigen Truppenführer<br />

gegen<strong>über</strong> stehen – wer würde etwa die nominellen<br />

Oberbefehlshaber Carl Albert oder<br />

Chrzanowski als solche betrachten wollen?<br />

Gleichwohl würdigt das militärhistorisch-wissenschaftliche<br />

Urteil neben seiner<br />

individuellen Tapferkeit, seinen militärpolitischen<br />

Schriften und organisatorischen<br />

Konzepten auch seine Führungsleistung in<br />

den „Befreiungskriegen“ und seine Feldherrntätigkeit<br />

im italienischen Krieg. Dabei<br />

werden seine unorthodoxen Bewegungsmanöver<br />

mit den napoleonischen und sein Operationsstil<br />

mit einer „fast spielerisch-tänzerischen<br />

Kampfweise“ verglichen. Oft gelang<br />

es ihm tatsächlich, sein Feldherrn-Credo umzusetzen<br />

– nämlich „den Hauptstoß mit Sicherheit<br />

zu führen“. Was <strong>1813</strong> zur Zerschlagung<br />

der französischen Machtstellung in<br />

Zentraleuropa führt, ist auch die Grundlage<br />

für seinen Erfolg in den beiden Feldzügen<br />

von 1848 und 1849, durch die das Phänomen<br />

Radetzky zum „Mirakel des Hauses Österreich“<br />

beiträgt.<br />

Dr. Eberhard Birk ist Oberregierungsrat und Oberstleutnant<br />

d.R. sowie Dozent für Militärgeschichte an der<br />

Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.<br />

78


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Ein Bild erzählt Geschichte<br />

IMPOSANTE DARSTELLUNG: Das Gemälde<br />

(Öl auf Leinen) „Schlachtschiff BISMARCK im<br />

Gefecht“ von Olaf Rahardt aus dem Jahr 2000.<br />

Ziel war es, die unbeschädigte BISMARCK<br />

darzustellen. Deshalb zeigt das Bild die<br />

Anfangsphase des Gefechts gegen die HOOD.<br />

Abb.: Olaf Rahardt<br />

Ein Gemälde mit Geschichte<br />

„Die BISMARCK im Gefecht“<br />

Die BISMARCK gehört zu den beliebtesten Motiven maritimer Malerei. Gründe dafür<br />

sind sicherlich Technikbegeisterung und Schiffbauästhetik. Aber auch die Brutalität des<br />

Krieges, die sich im Schicksal des Schiffes manifestiert.<br />

Von Olaf Rahardt<br />

Ich habe mich in den letzten Jahren mehrmals<br />

mit dem Thema „Schlachtschiff BIS-<br />

MARCK“ befasst und dabei immer wieder<br />

erlebt, was für ein faszinierendes Sujet es<br />

für mich als Kunstmaler ist. Hier tritt vor allem<br />

ein Gemälde in den Vordergrund, welches<br />

ich im Jahre 2000 angefertigt habe. Vor<br />

dem Hintergrund der historischen Ereignisse<br />

1941 ist es nur allzu verständlich, dass die<br />

BISMARCK auch heute noch von einem ganz<br />

besonderen Nimbus umgeben ist. Schon der<br />

Name erzeugt Bilder im Kopf eines Jeden, der<br />

um diese Geschichte weiß. Allerdings sind<br />

historische Motive mit einer solchen Popularität<br />

nicht einfach darzustellen. Die erste Frage,<br />

die sich mir stellte, war die nach dem Zeitpunkt,<br />

zu dem das Schiff im Gemälde zu sehen<br />

sein soll. Die Faszination an dem Schiff<br />

kommt natürlich nur in seiner Unversehrtheit<br />

zum Ausdruck. Will man die Kampfkraft,<br />

die es verkörperte, und sein tragisches<br />

Schicksal dokumentieren, braucht man allerdings<br />

ein Schlachtengemälde.<br />

Will man mit seiner Arbeit dann auch kritischen<br />

Betrachtern gerecht werden, muss<br />

bereits den Vorzeichnungen ein umfangreiches<br />

Quellenstudium zugrunde liegen. Für<br />

meine Gemälde habe ich mich auf den Bericht<br />

von Freiherr von Müllenheim-Rechberg<br />

gestützt, der das Unternehmen „Rheinübung“<br />

miterlebte. Das erste Gefecht gegen<br />

die HOOD und PRINCE OF WALES ist noch<br />

gut durch Fotos eines Kriegsberichters von<br />

der PRINZ EUGEN aus dokumentiert.<br />

Das letzte Gefecht der BISMARCK jedoch<br />

ist uns heute nur noch aus Texten <strong>über</strong>liefert.<br />

Meines Wissens werden diese Berichte lediglich<br />

durch eine farbige Skizze eines begabten<br />

Seemanns von der DORSETSHIRE ergänzt.<br />

Bekannter ist uns heute das Gemälde mit<br />

dem Titel „Schlachtschiff BISMARCK im<br />

Endkampf am 27. Mai 1941“. Claus Bergen<br />

malte es 1949, also einige Jahre nach dem<br />

Krieg und auf der Grundlage von Erlebnisberichten.<br />

Dieses Bild avancierte, trotz einiger<br />

historischer Unkorrektheiten, zu einem<br />

der meist publizierten der BISMARCK im<br />

Endkampf.<br />

Im typischen Bergen-Stil zeigt diese <strong>über</strong>aus<br />

dynamische und aktionsreiche Darstellung<br />

in grau-braunen Farbtönen die von<br />

Granataufschlägen, Salven- und Feuerrauch<br />

umwölkte BISMARCK durch die See jagen.<br />

Besser geht es gestalterisch kaum. Und so ist<br />

die Masse der neuzeitlichen Darstellungen<br />

dieser Szenerie bestenfalls eine Annäherung<br />

an das bekannte Bergen-Bild. Mit dieser Ge-<br />

80


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D: € 9,90 A: € 10,90 CH: sFr 19,80<br />

UMFANGREICHE STUDIEN: Dies ist<br />

die finale Entwurfsskizze zum Ölgemälde<br />

von 2000. Im Gegensatz zum späteren<br />

Bild zeigt der Entwurf noch beide<br />

Schiffe im Artillerieduell. Dies hätte<br />

aber ein extremes Querformat erfordert<br />

und wurde deshalb letztendlich<br />

vom Künstler verworfen. Abb.: Olaf Rahardt<br />

MEHR ZUM THEMA<br />

BISMARCK:<br />

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Schlachtschiff BISMARCK<br />

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Wie das Schlachtschiff bei<br />

Blohm & Voss entstand<br />

Verhängnisvolle<br />

Begegnung<br />

Versenkung der<br />

HMS Hood<br />

An Bord der BISMARCK<br />

Kommandant Lindemann<br />

und seine Männer<br />

DAS NEUE<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> SPEZIAL<br />

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HINTERGRUND<br />

Bei der Erarbeitung des Gemäldes und seiner<br />

Vorstudien waren besonders historische<br />

Fotos von enormer Wichtigkeit, da sie neben<br />

dem Schiff vor allem die Dimensionen der<br />

WICHTIGE QUELLE: Da hier zu erkennen<br />

ist, dass der frühere Tarnanstrich während<br />

des Kampfeinsatzes <strong>über</strong>tönt wurde, spielt<br />

dieses Foto für das Gemälde eine große<br />

Rolle.<br />

Zeitgenössische Fotos als Vorlage<br />

Abschüsse, Qualmwolken und Granateinschläge<br />

zeigen. Die Beispielfotos unten<br />

stammen von einem Fotografen auf der<br />

PRINZ EUGEN.<br />

IM KAMPF: Die BISMARCK feuert eine<br />

eindrucksvolle Salve ab.<br />

Fotos: Sammlung Marinemaler Olaf Rahardt<br />

wissheit machte ich mich in der Vorbereitungsphase<br />

<strong>über</strong> eine lange Zeit hinweg mit<br />

den Geschehnissen im Mai 1941 vertraut.<br />

Ich studierte Gefechtsskizzen, notierte<br />

die Wetter- und Lichtverhältnisse und die<br />

Folgen der Granateinschläge. Da der Rumpf<br />

im Vorschiff aber schon im Duell gegen die<br />

HOOD schwere Treffer hinnehmen musste,<br />

kam für mich nur der Anfang dieses Gefechts<br />

in Frage. Da ich die Faszination an diesem<br />

Schiff und seiner Geschichte wiedergeben<br />

wollte, konnte es nur das intakte Äußere<br />

der BISMARCK sein. Die Beurteilung liegt<br />

letztlich allein beim Betrachter.<br />

Der Marinemaler Olaf Rahardt, Jg. 1965, ist Autor und<br />

Illustrator mit dem Schwerpunkt Geschichte der Marine.<br />

Informationen unter: www.marinemaler-olaf-rahardt.de<br />

Clausewitz 4/2013 81


<strong>Vorschau</strong><br />

Nr. 14 | 4/2013 | Juli-August | 3.Jahrgang<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

Dünkirchen 1940<br />

Das „alliierte Wunder“ in Frankreich<br />

Mai 1940: Die deutsche Wehrmacht stößt während des „Westfeldzuges“<br />

unerwartet schnell bis zur Kanalküste durch. Als den bei Dünkirchen eingekesselten<br />

Alliierten – mehr als 350.000 Mann – die Vernichtung droht, trifft Hitler<br />

mit seinem „Halt-Befehl“ eine folgenschwere Entscheidung...<br />

Redaktionsanschrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />

Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />

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Redaktion Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />

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Ständiger Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

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Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1.1.2013.<br />

Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />

Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />

Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

Infanteriestraße 11a,<br />

80797 München<br />

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Sechstagekrieg 1967<br />

Blutiger Konflikt im Nahen Osten<br />

Juni 1967: Die Zukunft des Staates<br />

Israel steht auf dem Spiel.<br />

Der Ausgang des 3. Israelisch-Arabischen<br />

Krieges stellt die Weichen<br />

für zukünftige Entwicklungen im<br />

gesamten Nahen Osten.<br />

Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />

Herstellungsleitung Zeitschriften Sandra Kho<br />

Vertriebsleitung Zeitschriften Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />

Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />

Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />

Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />

SCHIFFClassic<br />

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Wehrbauten unsere Landschaft. Welche<br />

Technik steckt hinter den Burgen, wer<br />

baute sie und zu welchen Zwecken?<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Plattenseeoffensive 1945. Die deutschen Vorstöße in Ungarn.<br />

George S. Patton. Der bedeutende US-General und sein Wirken als Militär.<br />

Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich <strong>über</strong> jeden neuen Leser.<br />

Ihr verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die nächste Ausgabe<br />

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erscheint<br />

am 5. August 2013<br />

Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />

€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />

(bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten)<br />

Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />

im Ausland zzgl. Versandkosten<br />

Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />

in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />

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ISSN 2193-1445<br />

© 2013 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />

in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

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erwirbt der Verlag das ausschließliche<br />

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für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />

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Objekten zur Deutschen und Berliner Geschichte, Orden,<br />

Ehrenzeichen, Uniformen, Effekten, Militaria, Autographen,<br />

Dokumenten, Literatur, Spielzeug, Varia u.v.m.<br />

Zu jeder Auktion erscheinen illustrierte Kataloge mit 3000 – 4000 Exponaten<br />

(gegen Gebühr auf Anfrage zu erhalten).<br />

Preiswerter Nachverkauf zwischen den Auktionen!<br />

Ein Vergleich lohnt sich!<br />

Für Einlieferungen und Auflösungen von Sammlungen stehen wir Ihnen<br />

als kompetenter Partner, jederzeit gern zur Verfügung:<br />

Motzstraße 15 · 10777 Berlin<br />

Telefon 030 /211 95 38 · Fax 030 /211 04 80<br />

www.berliner-auktionshaus.de · info@berliner-auktionshaus.de

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