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CLAUSEWITZ Operation „Gomorrha“ (Vorschau)

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Clausewitz<br />

3/2013 Mai | Juni €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Clausewitz<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

Militärtechnik<br />

im<br />

Detail<br />

Flugzeugträger der<br />

Independence-<br />

Klasse<br />

8,8-cm-FlaK<br />

Das steckt hinter dem<br />

Ruf der „Acht-Acht“<br />

Krimkrieg 1853<br />

Vorstufe zu einem<br />

Weltkrieg?<br />

Hamburgs Brandnächte im Jahr 1943<br />

<strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong><br />

Richard<br />

Löwenherz<br />

König, Krieger<br />

und Kreuzritter<br />

MILITÄR & TECHNIK:<br />

Westland<br />

„Sea King“<br />

Deutsche<br />

Marineflieger im Kalten Krieg<br />

Mi-8T


Legenden<br />

der Lüfte<br />

Das neue<br />

Heft ist da.<br />

Ab 15. April<br />

am Kiosk!


Editorial<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser,<br />

vor 70 Jahren wurde die Großstadt<br />

Hamburg von einer Katastrophe unvorstellbaren<br />

Ausmaßes heimgesucht.<br />

Das „alte“ Hamburg ging in einem<br />

von alliierten Bombenangriffen<br />

entfachten Feuersturm unter. Die Folgen<br />

der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> veränderten<br />

das Antlitz der Hansestadt an<br />

der Elbe für immer.<br />

Auch sieben Jahrzehnte nach den<br />

verheerenden Luftangriffen sind die<br />

Wunden im<br />

Stadtbild sichtbar,<br />

die Ruine<br />

der ehemaligen<br />

Hauptkirche<br />

St. Nikolai<br />

ragt seit ihrer<br />

Zerstörung im<br />

Juli 1943 mahnend<br />

in den<br />

Himmel.<br />

Heute wird das „Mahnmal St. Nikolai“<br />

als Erinnerungsort für die Opfer<br />

von Krieg und Gewaltherrschaft der<br />

Jahre 1933–1945 genutzt. Seit 1993<br />

ist es Mitglied der „Nagelkreuzgemeinschaft“<br />

– das in der Turmhalle<br />

angebrachte „Nagelkreuz von Coventry“<br />

ist ein Symbol für das Anliegen,<br />

Gegensätze der Vergangenheit zu<br />

überbrücken und gemeinsam eine<br />

friedliche Zukunft zu gestalten.<br />

Wie die kontrovers geführte Diskussion<br />

um das 2012 in London enthüllte<br />

„Bomber Command Memorial“ für<br />

die mehr als 55.000 Gefallenen der<br />

Royal Air Force zeigt, berührt das Thema<br />

„Bombenkrieg – Alliierte Luftangriffe<br />

auf Deutschland“ die Menschen<br />

auch heute noch emotional.<br />

Lesen Sie in unserer Titelgeschichte<br />

„Bomben auf Hamburg“ ab Seite 10,<br />

wie es zum Untergang Hamburgs im<br />

Feuersturm des Jahres 1943 kam<br />

und welche Ziele die Alliierten mit der<br />

<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> verfolgten.<br />

Ich möchte Sie auch auf unser großes<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>-Gewinnspiel auf Seite<br />

31 aufmerksam machen, bei dem<br />

es attraktive Preise zu gewinnen<br />

gibt. Machen Sie mit, es lohnt sich!<br />

Eine abwechslungsreiche Lektüre und<br />

viel Spaß beim Gewinnspiel<br />

wünscht Ihnen<br />

Dr. Tammo Luther<br />

Verantwortlicher Redakteur<br />

Krieger, Söldner & Soldaten<br />

Der gefiederte Tod<br />

Die englischen Langbogenschützen revolutionieren mit ihrem<br />

Massenbeschuss die Kriegführung des späten Mittelalters<br />

Die Ursprünge der englischen Langbogenschützen<br />

stehen im Zusammenhang mit<br />

den während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts<br />

stattfindenden Eroberungskriegen<br />

des englischen Königs Edward I. in Wales. Dort<br />

herrscht vor allem im Süden des Landes eine<br />

alte Tradition des Bogenschießens, die sich<br />

der Herrscher bald zunutze macht. Er nimmt<br />

die dortigen Stämme in seine Dienste und die<br />

Mischung aus großen Kontingenten von Bogenschützen<br />

und Panzerreitern bildet eine gelungene<br />

Kombination aus Feuer- und Schlagkraft.<br />

Während die frühen Langbogenschützen<br />

noch weitgehend ungerüstet in den Kampf ziehen,<br />

ändert sich dies mit ihrem gestiegenen<br />

Prestige. Da von nun an auch zahlreiche Engländer<br />

als Bogenschützen dienen, nehmen sie<br />

bald den Rang einer Eliteeinheit ein. Damit verbessert<br />

sich auch ihre Ausrüstung. Neben den<br />

Bogen treten Schwert, Axt oder ein Streitkolben<br />

als Sekundärwaffen. Dem<br />

Körperschutz dienen eine Beckenhaube<br />

oder ein anderer<br />

einfacher Helm, sowie eine<br />

Brigantine, ein Kettenhemd<br />

oder ein Gambeson, der<br />

als „jack“ bezeichnet<br />

wird. Ein kleiner Faustschild<br />

vervollkommnet<br />

die Kampfausrüstung. In der Schlacht nehmen<br />

die Bogenschützen oft eine Flankenposition<br />

ein und werden damit von den gepanzerten<br />

Fußkriegern und den meist abgesessen kämpfenden<br />

Panzerreitern geschützt. Innerhalb einer<br />

Minute muss ein Mann mindestens zehn<br />

Pfeile abschießen, sonst gilt er nicht als vollwertiger<br />

Schütze. Zu diesem Zweck stecken<br />

die Männer einige Pfeile vor sich in den Boden,<br />

um diese noch schneller greifen zu können.<br />

Die schweren Kriegsbögen sind etwa 1, 8 Meter<br />

lang und bestehen aus einem Stück Eibenholz,<br />

das so gewählt ist, dass sich das dichte<br />

Kernholz in der Mitte des Bogens befindet,<br />

während das elastischere Holz die Bogenarme<br />

bildet. Dies verleiht dem Bogen seine enorme<br />

Spannkraft, die bei den schwersten Exemplaren<br />

ein Zuggewicht von über 50 kg erreicht. Die<br />

Pfeile durchdringen auf kurze Distanz sogar eine<br />

Rüstung. Durch den Massenbeschuss wird<br />

das Vorrücken feindlicher Truppen erheblich<br />

behindert, wobei auch der psychologische Effekt<br />

eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.<br />

Dabei liegt die weiteste Kampfentfernung bei<br />

etwa 300 Metern. Mit den seit dem 15. Jahrhundert<br />

immer ausgereifteren Handfeuerwaffen<br />

bekommt der Langbogen eine ernsthafte<br />

Konkurrenz. Dennoch ist er zunächst aufgrund<br />

seiner höheren „Feuergeschwindigkeit“ weiterhin<br />

im Einsatz, bis er schließlich zu Beginn<br />

des 16. Jahrhunderts den Feuerwaffen ganz<br />

weichen muss.<br />

FAKTEN<br />

NEUE SERIE<br />

Zeit: Spätes 13. bis Anfang 16.<br />

Jahrhundert<br />

Uniform: Beinlinge, Wams, Brigantine, Kettenhemd,<br />

einfacher Helm, Bogen, Bündel<br />

mit Pfeilen, kurzes Schwert, Dolch, kleiner<br />

Faustschild<br />

Hauptwaffe: Langbogen<br />

Kampftaktik: Massenbeschuss durch<br />

Pfeilhagel<br />

Wichtige Schlachten: Falkirk 1298<br />

Crécy 1346<br />

Poitiers 1356<br />

Azincourt 1415<br />

Langbogenschützen im Film:<br />

Henry V. (1989)<br />

Robin Hood (2010)<br />

Im Hundertjährigen Krieg: Dieser Langbogenschütze in der<br />

Schlacht von Crécy ist durch eine gepolsterte Jacke und eine<br />

Beckenhaube geschützt. Die Pfeile werden in einem großen<br />

Leinwandbeutel transportiert und erst kurz vor der Schlacht im<br />

Boden vor dem Schützen platziert oder – wie hier – direkt am<br />

Gürtel getragen.<br />

Zeichnung: Andrea Modesti<br />

Clausewitz 3/2013


Inhalt<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Foto: SSPL/National Media Museum/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Titelthema<br />

Alliierte Luftangriffe 1943 –<br />

<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong>. .............................................................................................................10<br />

Hamburg versinkt im Feuersturm<br />

Kriegsschauplatz „Himmel“. ..........................................................................................24<br />

Technologie und Strategie im Bombenkrieg<br />

Titelgeschichte<br />

HILFLOS:<br />

Die Einwohner von Hamburg – sofern sie nicht den<br />

Luftangriffen zum Opfer fallen – müssen der Zerstörung<br />

ihrer Heimatstadt in mehreren alliierten Tag- und<br />

Nachtangriffen tatenlos zusehen. Ganze Stadtteile<br />

werden im Sommer 1943 in Schutt und Asche gelegt.<br />

Die alliierten Luftangriffe sollen die deutsche Zivilbevölkerung<br />

demoralisieren.<br />

„Es regnete Feuer...“. ....................................................................................................................28<br />

Das Leid der Zivilbevölkerung während der Luftangriffe<br />

Alliierte Luftangriffe – „<strong>Operation</strong> Gomorrha“<br />

Bomben auf Hamburg<br />

24. Juli 1943: Fast 800 Bomber der Royal Air Force befinden sich auf dem Weg in Richtung<br />

Hamburg. Ihre tödliche Mission ist der Auftakt zu einer Serie schwerer alliierter Luftangriffe,<br />

die das „Gesicht“ der Stadt Hamburg für immer veränderten... Von Peter Cronauer<br />

10<br />

11<br />

Im Feuersturm: Ein Straßenzug in der Hamburger<br />

Innenstadt nach einem der verheerenden<br />

Bombenangriffe im Sommer 1943.<br />

Foto: ddp images/AP/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Magazin<br />

Neues zur Militärgeschichte, Ausstellungen und Bücher .........................6<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

<strong>Operation</strong> „Husky“ – Landung alliierter<br />

Truppen auf Sizilien 1943. .................................................................................32<br />

Sturm auf die „Festung Europa“<br />

Militärtechnik im Detail<br />

Alliierter leichter Flugzeugträger. .......................................................40<br />

„Klein“, aber schlagkräftig<br />

Schnellboot der Kriegsmarine.....................................................................42<br />

Der gefährliche „Jäger“ auf See<br />

Der Zeitzeuge<br />

Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg..........................................................44<br />

Vom „Blitzkrieg“ bis zum Untergang<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Krimkrieg 1853–1856. ................................................................................................48<br />

Der erste „moderne“ Stellungskrieg<br />

Das historische Dokument<br />

„Streng vertraulich!“ ............................................................................................................54<br />

Geheimes NVA-Kartenmaterial aus den 1980er-Jahren<br />

4


Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Foto: BArch, Bild 183-C0229-0001-002, Fotograf: Karnitzki<br />

Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Abb.: Archiv U. Kaack<br />

Foto: PIZ Marine<br />

Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />

33<br />

Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Foto: picture-alliance<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />

Foto: picture-alliance/Prisma Archivo<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />

Alliierte Landung auf Sizilien 1943<br />

Sturm auf die<br />

„Festung Europa“<br />

10. Juli 1943: In den frühen Morgenstunden landen mehrere Tausend amerikanische<br />

und britische Soldaten auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien. Die <strong>Operation</strong><br />

„Husky“ soll das Tor zur „Festung Europa“ aufstoßen...<br />

Von Lukas Grawe<br />

U<br />

m den Krieg nach Westeuropa zu tragen<br />

und mit Hilfe einer zweiten Front<br />

Druck vom sowjetischen Verbündeten<br />

zu nehmen, entscheiden sich die Alliierten<br />

Anfang des Jahres 1943 für eine Invasion<br />

auf Sizilien.<br />

Für die Eroberung der Mittelmeerinsel<br />

spricht vor allem ihre Lage: Mit Sizilien als<br />

Ausgangspunkt ist eine Invasion des italienischen<br />

Festlandes möglich. Zudem erleichtert<br />

der Besitz der Insel die Kontrolle des<br />

Schiffsverkehrs im westlichen Mittelmeer.<br />

Da die geplante Invasion in Frankreich<br />

nicht vor 1944 durchführbar ist, legen sich<br />

die amerikanischen und britischen Militärs<br />

auf den italienischen Schwerpunkt fest. Italien<br />

ist seit der vernichtenden Niederlage in<br />

Nordafrika nur noch ein unsicherer Bundesgenosse<br />

des Deutschen Reichs.<br />

Mit der Eroberung Siziliens soll daher Italien<br />

aus dem Krieg an der Seite des Deutschen<br />

Reiches gedrängt werden. Hitler wäre<br />

auf diese Weise gezwungen, die italienisch<br />

besetzten Gebiete in Südfrankreich und auf<br />

dem Balkan mit eigenen Truppen zu halten.<br />

Die im Januar einsetzende Planung für<br />

die Invasion der Insel gestaltet sich aufgrund<br />

der komplizierten alliierten Kom-<br />

mandostruktur im Mittelmeerraum als tigt. Der deutsche Oberbefehlshaber der<br />

schwierig. Hinzu kommen persönliche Abneigungen<br />

zwischen amerikanischen und Albert Kesselring, stellt wenige Tage vor Be-<br />

Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall<br />

britischen Offizieren. In operativer Hinsicht<br />

kommt es den alliierten Landungsstärkung<br />

der natürlichen Abwehrkraft der<br />

ginn der alliierten Invasion fest: „Die Vertruppen<br />

vor allem auf die Inbesitznahme Inseln durch die Anlage von Befestigungen<br />

von Häfen und Landungsplätzen an, um ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt.“<br />

die Versorgung der Truppen zu gewährleisten.<br />

Nicht alle Teile Siziliens liegen zudem Verteidiger zu einer Dekonzentration der<br />

Zudem zwingt die lange Küste Siziliens den<br />

in der Reichweite der alliierten Jagdflieger Kräfte. Trotz aller Argumente, die für eine<br />

auf Malta, sodass die Eroberung von Flugplätzen<br />

eine hohe Bedeutung erlangt. kennen die „Achsenmächte“ die gegneri-<br />

alliierte Landung auf der Insel sprechen,<br />

schen Landungsabsichten nicht. Mit Hilfe<br />

Schwache Verteidigungsanlagen eines groß angelegten Täuschungsmanövers<br />

erhöhen die Alliierten die Unsicherheit<br />

Eine Landung auf Sizilien wird durch die<br />

schwachen Verteidigungsanlagen begüns-<br />

bei ihrem Gegner. Die Wehrmachtführung<br />

Schlachten der Weltgeschichte<br />

Krimkrieg 1853-1856<br />

Der erste „moderne“<br />

Stellungskrieg<br />

28. März 1854: England und Frankreich greifen militärisch in den blutigen Konflikt zwischen<br />

Russland und dem Osmanischen Reich ein. Besonders um die Festung Sewastopol<br />

entbrennt ein Stellungskrieg, wie ihn die Welt bisher nicht kannte... Von Carsten Walczok<br />

D<br />

icht gedrängt greifen am 5. November<br />

des Jahres 1854 rund 35.000 russische<br />

Soldaten die schwachen britischen<br />

Stellungen vor der Stadt und Festung Sewastopol<br />

auf der Halbinsel Krim an. Das Ziel der<br />

russischen Angreifer sind die Hügel am<br />

nördlichen Ende der britischen Linien. Aber<br />

der russische Angriff bleibt im mörderischen<br />

Abwehrfeuer der Verteidiger stecken. Die<br />

dicht gedrängten russischen Angriffskolonnen<br />

erleiden ungeahnte Verluste im deckenden<br />

Feuer der britischen Infanterie. Diese ist<br />

im Gegensatz zu ihren russischen Gegnern<br />

bereits mit den Gewehren mit gezogenen<br />

Läufen nach dem System Minié ausgerüstet.<br />

Der Krieg auf der Krim erlebt den ersten<br />

massenhaften Einsatz dieses neuen Systems<br />

bei den Infanteriegewehren und beweist sofort<br />

deren Überlegenheit über die altbewähr-<br />

Reiches, das von Spöttern gerne als der<br />

liegt aber im inneren Zerfall des Osmanischen<br />

ten glattläufigen Vorderlader. Doch das ist „Kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet<br />

nicht die einzige Besonderheit, durch die wird.<br />

sich dieser Konflikt in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

auszeichnet. Neben eisengepanche<br />

der Türken, endlich die Kontrolle über die<br />

Russland hofft, bedingt durch die Schwäzerten<br />

Schiffen mit Dampfantrieb ist dies Meerenge des Bosporus zu erreichen. Das<br />

auch der erste Krieg, über den die Medien wiederum liegt nicht im Interesse Großbritanniens,<br />

denn London will nicht zulassen, dass<br />

dank des Telegrafen direkt berichten. Sogar<br />

Zar Nikolaus soll gesagt haben, er würde eine solche Schlüsselposition wie die Dardanellen<br />

unter russische Kontrolle gerät.<br />

keine Spione brauchen, da er ja die „Times“<br />

lesen könne.<br />

Doch wo liegt der Anlass für diesen Konflikt?<br />

Russlands Eintreten für die Interessen Nach dem Abbruch der diplomatischen Be-<br />

Der lange Weg auf die Krim<br />

der orthodoxen Christen ruft den Widerstand ziehungen besetzen am 3. Juli 1853 rund<br />

der anderen christlichen Konfessionen hervor.<br />

Die eigentliche Ursache für den Krieg von Fürst Michail Gortschakow die<br />

80.000 russische Soldaten unter dem Befehl<br />

Donau-<br />

Alliierte<br />

FRANKREICH<br />

Befehlshaber: Armand-Jacques Achille Leroy de<br />

Saint-Arnaud (1798-1854)/ François Canrobert<br />

(1809–1895) /Aimable Pélissier (1794–1864)<br />

Truppenstärke: 100.000<br />

Verluste: 70.000<br />

UNBEHELLIGT: Landung von US-Truppen<br />

auf Sizilien am 11. Juli 1943.<br />

32<br />

HINTERGRUND Die „Achse“ Berlin – Rom<br />

Seit dem 1936 geschlossenen geheimen<br />

Freundschaftsvertrag bildet sich eine enge<br />

Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen<br />

Italien und dem „Dritten Reich“ aus.<br />

Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sichern sich<br />

beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte<br />

militärische Unterstützung zu, die<br />

auch für einen Angriffskrieg gilt. Während<br />

sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligt,<br />

tritt es am 10. Juni 1940 in den Krieg<br />

gegen Frankreich und Großbritannien ein.<br />

In der Folgezeit unterstützt Hitler Mussolinis<br />

Pläne zur Errichtung eines zweiten „Imperium<br />

Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika.<br />

Grundlage für die deutsche Unterstützung<br />

sind jedoch überwiegend eigene Interessen.<br />

Italien beteiligt sich währenddessen<br />

an Hitlers Feldzug gegen<br />

S.32<br />

die Sowjetunion, der<br />

jedoch von der italienischen Bevölkerung als<br />

„deutscher Krieg“ angesehen wird.<br />

Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden<br />

Kriegserklärung Italiens an das Deutsche<br />

Reich Ende 1943 endet die militärische<br />

Zusammenarbeit, die stets von<br />

starken Spannungen und Interessengegensätzen<br />

geprägt ist.<br />

48<br />

Russland<br />

Befehlshaber: Fürst Michael Dimitrijewitsch Gortschakow<br />

(1792–1861) / Fürst Menschikow (1787–1869)<br />

Truppenstärke: 107.000<br />

Verluste: 73.000<br />

GROßBRITANNIEN<br />

Befehlshaber: Fitzroy James Henry Somerset,<br />

Lord Raglan (1788–1855)<br />

Truppenstärke: 35.000<br />

Verluste: 22.000<br />

SARDINIEN-PIEMONT<br />

Befehlshaber: Alfonso La Marmora<br />

(1804–1878)<br />

Truppenstärke: 14.000<br />

Verluste: k. A.<br />

OSMANISCHES REICH (TÜRKEI)<br />

Befehlshaber: Omar Pascha (Michael Latas)<br />

(1806–1871)<br />

Truppenstärke: 55.000<br />

Verluste: k. A.<br />

S.48<br />

MARTIALISCH: Darstellung<br />

der Belagerung von Sewastopol<br />

von Franz A. Roubaud<br />

(Ausschnitt aus einem<br />

Panoramagemälde).<br />

49<br />

Militär und Technik | Marineflieger<br />

Militär und Technik | FlaK 8,8 cm<br />

Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

„Fliegen, wo die<br />

RESPEKTEINFLÖßEND:<br />

Bewaffneter Mi-8T-Hubschrauber<br />

beim Einsatz über der Ostsee.<br />

Gefürchtete Allzweckwaffe<br />

Die „Acht-Acht“<br />

1941–1943: „Anti-Aircraft, Anti-Tank and Anti-Social!“ Mit grimmiger<br />

Anerkennung zollen die Engländer in Nordafrika ihrem vielleicht<br />

gefährlichsten Gegner Respekt. Was hat es mit der erfolgreichen<br />

deutschen 8,8 cm FlaK auf sich?<br />

Von Thomas Anderson<br />

EINDRUCKSVOLLES SCHAUSPIEL:<br />

Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />

der riesigen Faun-Lastwagen beim<br />

Feuern in der Nacht. Die Feuerleitung<br />

obliegt einem Kommandogerät<br />

(ebenfalls auf Lkw verlastet).<br />

Flotte fährt“<br />

Ende der 1950er-Jahre: Die Bundeswehr beginnt mit der Einführung von Marinefliegergruppen.<br />

Wenige Jahre später wird in der DDR eine erste Marinehubschrauberstaffel zur<br />

Unterstützung der Seestreitkräfte in Dienst gestellt...<br />

Von Werner Fischbach<br />

ie Anfänge der bundesdeutschen Marineflieger<br />

reichen in das Jahr 1949 zu-<br />

während des Krieges – unterbrochen von<br />

offizier 1934 zur Luftwaffe wechselte und<br />

rück. Vier Jahre nach dem Ende des<br />

Seeaufklärereinsätzen – im Stab der Seekriegsleitung<br />

tätig war.<br />

Zweiten Weltkriegs ruft die US-Marine das<br />

„Naval Historical Team“ zusammen, das unter<br />

die Zuständigkeit der „Naval Intelligence“<br />

fällt. Dabei geht es den Amerikanern<br />

Marineflieger sind also schon beim „Naval<br />

Anfänge der Bw-Marineflieger<br />

in erster Linie um die Erfahrungen, die die<br />

Historical Team“ ein Thema. Wesentlich konkreter<br />

wird die Angelegenheit in der Him-<br />

deutsche Kriegsmarine im letzten Weltkrieg<br />

insbesondere in Nord- und Ostsee, sowie in<br />

meroder Denkschrift, die im Oktober 1950<br />

Norwegen und dem Atlantik gesammelt hat.<br />

vor dem Hintergrund der konventionellen<br />

Das Team umfasst fünf fest angestellte<br />

Überlegenheit sowjetischer Streitkräfte und<br />

hohe Marineoffiziere und tritt unter der<br />

des am 25. Juni desselben Jahres ausgebrochenen<br />

Koreakriegs hinter den Mauern des<br />

Leitung von Generaladmiral a. D. Otto<br />

Schniewind am 9. April 1949 in Bremerhaven<br />

zum ersten Mal zusammen. Es gilt als<br />

der militärische Beitrag der Bundesrepublik<br />

Klosters Himmerod erstellt wird. Thema ist<br />

Keimzelle der späteren Bundesmarine. VIELSEITIG EINSETZBAR: Ein Hubschrauber an der Seite ihrer westlichen Partner, wobei<br />

Mit von der Partie ist auch der ehemalige<br />

Oberst i.G. Walter Gaul, der als Marine-<br />

gerverbände eingegangen<br />

vom Typ Mil Mi-4 beim Bergungsdienst. auch auf die Rolle zukünftiger Marineflie-<br />

wird.<br />

D<br />

56<br />

NEUES MODELL: Ab 1975 werden die<br />

Sikorski H-34 (hinten) durch Westland<br />

„Sea King“-Hubschrauber abgelöst.<br />

Angesichts der aus Sicht der Marine negativen<br />

Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

werden eigene Marinefliegerkräfte als<br />

notwendig angesehen. Die entsprechende<br />

Empfehlung geht auf den ehemaligen<br />

Oberst und späteren Kapitän zur See und<br />

ersten Kommandeur der bundesdeutschen<br />

Marineflieger, Walter Gaul, zurück. Vorgeschlagen<br />

werden 84 Jagd-, 30 Aufklärungssowie<br />

30, später sogar 60 Kampf- bzw. U-<br />

Jagdflugzeuge. Allerdings ist diese Forderung<br />

nicht einfach umzusetzen. Da die Marine<br />

Bestandteil der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG) werden soll,<br />

leisten Frankreich und Großbritannien heftigen<br />

Widerstand gegen eigenständige deutsche<br />

Marinefliegerverbände.<br />

Nur durch die Intervention der USA<br />

werden der bundesdeutschen Marine im<br />

Mai 1952 30 Hubschrauber und 24 Aufklärer<br />

zugestanden.<br />

Als der EVG-Vertrag schließlich am Widerstand<br />

Frankreichs scheitert, werden der<br />

Marine bei den Verhandlungen über einen<br />

NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland<br />

infolge einer massiven Unterstützung<br />

durch die USA neben 58 Flugzeugen (24<br />

Aufklärer, 24 Angriffs- und zehn U-Jagdflugzeuge)<br />

eine unbestimmte Anzahl von<br />

Hubschraubern zugestanden. Dazu kommt<br />

noch eine Reserve von 30 Prozent.<br />

Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 vom<br />

26. Juni 1956 bildet Kpt.z.S. Gaul das Kommando<br />

der Marineflieger und bezieht mit<br />

sechs weiteren Soldaten eine Baracke in Die Aufgabe der Angriffs- bzw. Kampfflugzeuge<br />

(Marinejagdbomber) liegt im Schutz<br />

Kiel-Holtenau. Im April 1957 wird die<br />

I. Marinefliegergruppe in Dienst gestellt. der Ostsee und ihrer Zugänge, um im Fall<br />

Am 1. Januar folgt die Seenotstaffel und am eines Angriffs des Warschauer Pakts den<br />

1. April 1958 die II. Marinefliegergruppe. sowjetischen Streitkräften und ihren Verbündeten<br />

den Zugriff auf diese Seegebiete<br />

Als einmaliger Vorgang in der deutschen<br />

Militärgeschichte kann die Indienststellung<br />

der Mehrzweckstaffel am 19. Mai desdeutschem Territorium zu verhindern.<br />

zu verwehren und eine Landung auf bun-<br />

1958 im schottischen Lossiemouth bezeichnet<br />

werden. Einen Tag darauf wird 1965 in Eggebek in Schleswig-Holstein be-<br />

Die beiden dafür in Jagel bzw. ab März<br />

dort die U-Jagd-Staffel in Dienst gestellt. heimateten, zunächst als Marinefliegergruppen<br />

aufgestellten Marinefliegergeschwader<br />

1 und 2 (MFG 1 und 2) werden,<br />

Luftfahrzeuge der Geschwader<br />

„Fliegen, wo die Flotte fährt“, lautet das da die USA nicht bereit sind, moderne<br />

Motto der Marineflieger. Und das beschreibt<br />

ihre Aufgabe genau. Sie sind, der „Cougar“ an Deutschland zu liefern, zu-<br />

Kampfflugzeuge wie die Grumman F9F-8P<br />

direkten Kommandogewalt der Marine unterstellt,<br />

ein Seekriegsmittel und dienen dahawk“<br />

ausgerüstet. Dabei handelt es sich<br />

nächst mit Armstrong Whitworth „Seazu,<br />

Seekrieg aus der Luft und eben nicht, hierbei um ein für die Royal Navy entwickeltes<br />

und dort eingesetztes Luftkrieg über der See zu führen.<br />

robustes<br />

IN BEGLEITUNG: Nach ihrer letzten Landung wird<br />

die „Atlantic“ der SIGINT-Version von zwei<br />

„Sea Lynx“ eskortiert.<br />

S.56<br />

57<br />

D<br />

er Erste Weltkrieg stellt eine Zäsur in<br />

der Weltgeschichte dar. Was bereits<br />

während des US-Bürgerkrieges und<br />

im Krieg von 1870/71 im Ansatz erkennbar<br />

war, beeinflusst den neuen Konflikt gewaltig:<br />

Die industrielle Leistungsfähigkeit der<br />

Kriegsteilnehmer bestimmt Art, Dauer und<br />

Ausgang dieses Konfliktes.<br />

Die rasante Entwicklung der Rüstungstechnik<br />

im Ersten Weltkrieg bringt viele<br />

technische Neuerungen auf das Schlachtfeld,<br />

darunter moderne Entwicklungen wie<br />

gepanzerte Kampffahrzeuge und Flugzeuge.<br />

Luftgestützte Angriffe werden früh als<br />

potentielle Bedrohung angesehen. Schon 40<br />

Jahre vor dem Weltkrieg werden erste Geschütze<br />

zur Abwehr französischer Ballons<br />

entwickelt. Daraus entstehen<br />

noch vor 1910 brauchbare Fliegerabwehrgeschütze<br />

vom Kaliber 7,5 cm.<br />

1916 entwickelt Krupp ein Flugabwehrgeschütz<br />

vom Kaliber 8,8 cm,<br />

welches als Urahn der späteren 8,8 cm<br />

Flak L/56 gelten darf (Das Kürzel L/56<br />

62<br />

beschreibt die Kaliberlänge des Geschützes Vertragswerkes werden von deutscher Seite<br />

jedoch unterlaufen, die Entwicklung mo-<br />

und umfasst sowohl die 8,8 cm FlaK 18, 36<br />

und 37).<br />

derner Waffen läuft im Geheimen weiter.<br />

Zum Ende der 1920er-Jahre ergibt sich in<br />

Verborgene Entwicklung<br />

Deutschland wieder die Notwendigkeit einer<br />

Fliegerabwehrwaffe, um der steigen-<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg ergeben sich<br />

aus dem Versailler Vertrag für das deutsche den Gefährdung aus der Luft Rechnung zu<br />

Heer starke Einschränkungen bezüglich tragen. Die Hauptforderung an das zu entwickelnde<br />

Geschütz ist die Bekämpfung<br />

der Entwicklung und Einführung moderner<br />

Waffen. Die harten Bedingungen dieses feindlicher Aufklärungs- und Bomberflugzeuge<br />

auf mittleren und großen Flughöhen<br />

(500 bis 6.000 m).<br />

Die Entscheidung für das Kaliber 8,8 cm<br />

der Flak ist praktischen Gesichtspunkten<br />

geschuldet. Firmen wie Krupp haben da-<br />

ERFOLGREICHE KOMBINATION:<br />

Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />

gepanzerten s ZgKw 12 t<br />

(SdKfz. 8). Schnell und auch<br />

im Gelände beweglich, können<br />

die wertvollen Waffen<br />

an Brennpunkten<br />

eingesetzt werden.<br />

INFO Vergleich schwerer Flakgeschütze<br />

Waffe<br />

8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm 88 mm FlaK QF 3,7 inch 90 mm Gun<br />

FlaK 18 FlaK 41 FlaK 38 M 1939 AA gun M1A1<br />

Herkunft Deutsches Reich Deutsches Reich Deutsches Reich Russland England USA<br />

Kaliber 8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm 8,5 cm 9,4 cm 9 cm<br />

Kaliberlänge L/56 L/74 L/63 L/55 -- --<br />

Gewicht 7,2 t 11,2 t 14 t 4,2 t 9,3 t 8,6 t<br />

Anfangsgeschwindigkeit<br />

(Vo)<br />

m/s<br />

850 m/s 1.000 m/s 900 m/s 792 m/s 722 bis 1.044 823 m/s<br />

Max. Schussweite 16.300 m 19.800 m 17.700 m 15.000 m 18.800 m 17.800 m<br />

Effektive Reichweite/max.<br />

11.300 m 14.700 m 12.800 m 10.500 m 12.000 m 10.300 m<br />

Schusshöhe<br />

mit entsprechende Erfahrungen, sowohl te für eine Flugbahn von 8.000 m und einer<br />

Rasanz als auch Waffenwirkung im Ziel erfüllen<br />

die gesetzten Parameter.<br />

Sekunden dauern. Das Geschütz muss im<br />

Flughöhe von 6.000 m nicht länger als 25<br />

Am 13. Dezember 1930 verzeichnet die Einsatzgebiet der Artillerie auf dem Gefechtsfeld<br />

einsetzbar sein. Die 8,8 cm FlaK<br />

Kommission für das streng geheime Entwicklungsprogramm<br />

unter anderem: ist das kleinste Kaliber mit ausreichender<br />

„Es wird eine Flugabwehrkanone mit Wirkung, das für den Einsatz mit unseren<br />

größtmöglicher Geschosswirkung benötigt. Kommandogeräten geeignet ist.“<br />

Die Reichweite muss zwischen 2.500 bis Die Firma Krupp hat bereits 1928 begonnen,<br />

eine 8,8 cm FlaK auf Kraftzug-Anhän-<br />

8.000 m bis zu einer Flughöhe von 6.000 betragen.<br />

Die Flugdauer des Geschosses sollger<br />

zu entwickeln. Das Geschütz selbst soll<br />

auf einer Sockellafette montiert sein, die<br />

seitlich im 360° Vollkreis geschwenkt und<br />

in der Höhe von minus 3 bis plus 85° gerichtet<br />

werden kann.<br />

S.62<br />

Für den Einsatz als<br />

Flugabwehrgeschütz ist eine Richtgeschwindigkeit<br />

von 6° pro Sekunde in der<br />

Höhe und 16° pro Sekunde nach der Seite<br />

gefordert.<br />

Eine höchstmögliche Anfangsgeschwindigkeit<br />

(Vo) ist entscheidend, um die Waffenwirkung<br />

schnell in das Zielgebiet zu<br />

63<br />

Spurensuche<br />

Feldherren<br />

HELGOLAND HEUTE: Ein<br />

friedliches Eiland mitten<br />

in der Nordsee. Foto: U. Kaack<br />

Richard I. Löwenherz<br />

Der Krieger auf<br />

dem Königsthron<br />

IM HEILIGEN LAND: Richard I. und seine Armee beten<br />

vor einer Schlacht gemeinsam. Der König begibt<br />

sich schon kurz nach seiner Thronbesteigung auf den<br />

Kreuzzug und kämpft stets an der Seite seiner Truppe.<br />

Illustration von Gustave Doré aus dem 19. Jhd.<br />

„Spielball“ der Weltgeschichte<br />

Helgoland<br />

Helgoland ist einzigartig. Zum einen durch die exponierte Lage im Herzen der Deutschen<br />

Bucht, vor allem aber durch die wechselvolle Historie. Ein Mikrokosmos. Mehrfach<br />

wurde der kleine rote Felsen zum Spielball der Weltgeschichte. Von Ulf Kaack<br />

S<br />

eit dem 7. Jahrhundert ist das Eiland riker und Leiter des Museums Helgoland, 1906 nimmt das Projekt gewaltige Formen<br />

von Friesen bewohnt. Im 12. und 13. die wechselvolle Inselgeschichte. „Die Preußen<br />

maßen Helgoland eine hohe strategische wird in den Kreidefelsen der Insel getrie-<br />

an: Ein großdimensioniertes Stollensystem<br />

Jahrhundert untersteht es der Dänischen<br />

Krone, anschließend dem Herzogtum Bedeutung zu. Als Artillerievorposten zum ben. Räume, Verzweigungen sowie Schächte<br />

für Aufzüge und zur Belüftung werden<br />

Schleswig. 1807 wird der sturmumtobte Felsen<br />

von den Briten als Kolonie in das Vereingen<br />

zum Nord-Ostsee-Kanal, zur Elbe, We-<br />

gebaut. Bis 1914 werden der Nordsee 86<br />

Schutze der Nordseeküste sowie den Zugänte<br />

Königreich integriert. Während der Kontinentalsperre,<br />

die 1814 durch den Kieler Frie-<br />

eisfreier Kriegshafen in vorgeschobener Lado-,<br />

Scheiben- und U-Boothafen. Außerser<br />

und Jade. Vor allem aber als dauerhaft Hektar abgetrotzt. Es entstehen der Torpeden<br />

beendet wird, erleben die Helgoländer ge.“<br />

dem ein Seefliegerstützpunkt mit Hangar,<br />

eine Hochzeit als Blockadebrecher und<br />

Flugzeugaufschleppe, Kraftwerk und den<br />

Schmuggler. Die Zeiten bleiben friedlich – lediglich<br />

1849 und 1864 kommt es zu deutsch-<br />

Zügig geht Wilhelm II. daran, die Insel zu Im Mai 1908 beginnt die Neuarmierung<br />

Aufrüstung im Kaiserreich erforderlichen Versorgungseinrichtungen.<br />

dänischen Seegefechten in Sichtweite von einer Festung auszubauen und einen Marinehafen<br />

anzulegen. 1891 entstehen erste gruppe erhalten jeweils zwei moderne 30,5-<br />

der Festungsartillerie. Die Nord- und Süd-<br />

Helgoland.<br />

„Im Tausch gegen Handelsrechte in Ost- Gebäude, ein Jahr später wird an der Nordund<br />

Südspitze je ein Kanonenstand mit cm-Geschützstände. Dazwischen liegen be-<br />

cm-Krupp-Doppeldrehtürme und zwei 21-<br />

Afrika, im sogenannten Helgoland-Sansibar-<br />

Vertrag, kam Helgoland am 10. August 1890 zwei 21-cm-Geschützen errichtet. Es folgt sagte acht Haubitzenbatterien sowie diverse<br />

unter die Regentschaft des deutschen Kaiserreiches“,<br />

erklärt Jörg Andres, Insel-Histo- mit acht schweren 28-cm-Geschützen. Geschützen, Kommando- und<br />

eine Haubitzenbatterie auf dem Oberland kleinere Anlagen mit leichten und mittleren<br />

Peilständen,<br />

68<br />

MILITÄRISCHE ASPEKTE: Diese 1714 (unter dänischer<br />

Regentschaft) entstandene Abbildung zeigt<br />

nicht nur die Insel, sondern ist auch eine Studie<br />

über mögliches Artilleriefeuer.<br />

Beobachtungs- und Scheinwerfereinrichtungen.<br />

Auf dem Unterland befindet sich eine 1. August 1914 müssen alle Helgoländer ih-<br />

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am<br />

Batterie mit zwei 8,8-cm-Geschützen, vier re Insel verlassen und werden im Umland<br />

3,7-cm-Revolverkanonen und Maschinengewehren.<br />

Die Düne (Name der östlich gelege-<br />

nach der Übergabe 1890 englisch geblieben<br />

Hamburgs untergebracht. Familien, die<br />

nen Nebeninsel) wird von einer Flak-Batterie<br />

mit vier 8,8-cm-Geschützen und einer Ruhleben bei Berlin. Britisch geborene In-<br />

waren, kommen in das Internierungslager<br />

weiteren Stellung mit drei 3,7-cm-Revolverkanonen<br />

sowie Maschinengewehren gestellt<br />

und vom Kriegsdienst befreit.<br />

sulaner werden unter Polizeiaufsicht geschützt.<br />

Deutschstämmige hingegen werden zur<br />

„BIG BANG“ AUF HELGOLAND: In der bis<br />

heute weltweit größten nichtnuklearen<br />

Explosion detonieren am 18. April 1947<br />

6.700 Tonnen Sprengstoff.<br />

Marine eingezogen. Helgoländer in Diensten<br />

des Militärs – das hat es bislang noch<br />

nicht gegeben. Zurück auf der Insel bleibt<br />

eine 4.000 Mann starke militärische Besatzung<br />

für die Bedienung der Festungsartillerie<br />

und den Betrieb des Hafens.<br />

Seegefecht bei Helgoland<br />

Der Erste Weltkrieg beginnt für den roten<br />

Felsen mit einem dramatischen Paukenschlag.<br />

Mit einer List locken überlegene britische<br />

Seestreitkräfte am Morgen des 18.<br />

S.68<br />

August 1914 die Einheiten des V. Torpedobootgeschwaders<br />

sowie mehrere kleine<br />

Kreuzer in die Deutsche Bucht. Es kommt<br />

zu einer ersten Feindberührung, bei der das<br />

deutsche Torpedoboot „V 187“ versenkt<br />

und der britische Kreuzer „HMS Arethusa“<br />

erheblich beschädigt werden.<br />

69<br />

Bis heute: Richard Löwenherz ist eine der romantisch<br />

ichard, der gar kein Englisch spricht, verklärtesten Figuren der Geschichte, und er gilt nach<br />

hält sich während seiner Regierungs-<br />

nur einige Monate in England wie vor als einer der „englischsten“ Könige der<br />

Rzeit<br />

auf. Sein Kampf gegen Sultan Saladin im<br />

britischen Geschichte…<br />

Von Otto Schertler<br />

Verlauf des Dritten Kreuzzugs ist ebenso<br />

von zahlreichen Legenden umrankt wie die<br />

Zeit seiner daran anschließenden Gefangenschaft<br />

in Österreich und Deutschland. Selbst widerspenstigen Vasallen, feindlichen nicht im Feld steht. Er beteiligt sich an der<br />

schaftszeit in nicht endende Kämpfe mit schaft kein Jahr seines Lebens in dem er<br />

die Umstände seines Todes erhöhen ihn Nachbarn und dem französischen Königtum<br />

verstrickt sieht.<br />

schen König unterstützten Rebellion gegen<br />

von 1173–1174 währenden, vom französi-<br />

über das Maß anderer Sterblicher – vergibt<br />

er doch auf dem Totenbett dem französischen<br />

Armbrustschützen, der ihn tödlich her den Krieg aus eigener Erfahrung Tod im Jahr 1189 nicht mehr versöhnen<br />

Bereits in jungen Jahren lernt er da-<br />

seinen Vater, mit dem er sich bis zu dessen<br />

verletzt hatte. Richard Löwenherz entstammt<br />

der Dynastie der Normannen, die<br />

dieser Zeit vergeht diesen frühen Jahren ist Graf Philipp von<br />

kennen, und seit wird. Einer der Lehrmeister Richards in<br />

seit 1066 die Herrschaft über England innehat.<br />

Er wird am 8. September 1157 in Oxford<br />

seiner Gefangen-<br />

Krieger seiner Zeit gilt.<br />

– bis auf die Phase Flandern, der als einer der verschlagensten<br />

als dritter Sohn König Heinrichs II. geboren.<br />

Besonders die französische Abstammung seiner<br />

Mutter Eleonore von Aquitanien soll das<br />

Größere Schlachten hat Richard hier – bis<br />

Verbrannte Erde<br />

zukünftige Leben Richards zu einem großen<br />

auf eine Ausnahme nicht zu bestehen,<br />

Teil bestimmen. Die aus der nach ihnen benannten<br />

Normandie stammenden Könige<br />

Kämpfen um kleinere Gefechte oder Be-<br />

eher handelt es sich bei den zahlreichen<br />

Englands sind nämlich durch vielfältige dynastische<br />

Beziehungen eng an ihre weitreisucht<br />

man nämlich während des Mittelallagerungen.<br />

Große Feldschlachten verchenden,<br />

im Westen Frankreichs gelegenen<br />

ters so gut wie möglich zu vermeiden, zu<br />

Besitzungen gebunden. Dieser gesamte Herrschaftskomplex<br />

wird zusammen mit Engte<br />

Macht zu verlieren. Schon der während<br />

hoch ist das Risiko, die eigene bewaffneland<br />

als das Angevinische Reich bezeichnet.<br />

des späten 4. Jahrhunderts n. Chr. lebende<br />

Bereits 1172 erhält Richard im Alter von nur<br />

römische Militärschriftsteller Vegetius rät<br />

fünfzehn Jahren das Amt des Herzogs von<br />

in seinem berühmten Handbuch „Epitoma<br />

Aquitanien, wo er sich während seiner Herr-<br />

rei militaris“, einer Kompilation älterer<br />

Schriften, in Bezug auf Feldschlachten:<br />

„Lass es sein!“ Das Werk des Vegetius ist<br />

FAKTEN Wichtige Kämpfe<br />

während des Mittelalters an den Herrscherhöfen<br />

wohlbekannt, und diesem<br />

4.10.1190: Eroberung von Messina<br />

Frühjahr 1191: Eroberung von Zypern<br />

12.7.1191: Eroberung von Akkon<br />

POPULÄR BIS HEUTE: Die faszinierende<br />

7.9.1191: Schlacht bei Arsuf<br />

Aura des „guten Königs“ Richard Löwenherz<br />

ist bis heute ungebrochen. Hier eine<br />

Anfang August 1192: Eroberung von Jaffa<br />

4.8.1192: Schlacht bei Jaffa<br />

Statue vor dem Parlamentsgebäude in<br />

4.7.1194: Fréteval<br />

London: Selbstbewusst und stolz sitzt<br />

28.9.1198: Gisors<br />

Richard I. auf seinem Ross.<br />

74<br />

S.74<br />

75<br />

Militär und Technik<br />

„Fliegen, wo die Flotte fährt“. ........................................................................56<br />

Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Die „Acht-Acht“...............................................................................................................................62<br />

Das gefürchtete Allzweckgeschütz der Wehrmacht<br />

Spurensuche<br />

Hochseeinsel Helgoland............................................................................................68<br />

„Spielball“ der Weltgeschichte<br />

Feldherren<br />

Richard Löwenherz................................................................................................................74<br />

Englands berühmter König und<br />

Feldherr des Mittelalters<br />

Museum<br />

An historischer Stätte. ....................................................................................................80<br />

Das Garnisonsmuseum Wünsdorf stellt sich vor<br />

<strong>Vorschau</strong>/Impressum ..........................................................82<br />

Titelbild: Fotomontage – Britischer Bomber über<br />

Häuserruinen in Hamburg.<br />

Titelfotos: Dietmar Hermann; picture-alliance/akg-images; WEIDER HISTORY GROUP; Bundesarchiv, Bild 101I-443-1574-26 / Zwilling,<br />

Ernst A.; picture-alliance/akg-images (2x); Bibliothek für Zeitgeschichte (2x)<br />

Clausewitz 3/2013<br />

5


Clausewitz<br />

Magazin<br />

Deutsche Kriegsgefangene und belgische<br />

Truppen passieren eine Brücke<br />

über die Yser in Flandern.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images/Jean-<br />

Pierre Verney<br />

AUSSTELLUNG<br />

In Flanders Fields Museum<br />

Neue Dauerausstellung zur Geschichte des Ersten Weltkriegs<br />

Das In Flanders Fields Museum widmet<br />

sich der Geschichte des Ersten Weltkriegs<br />

in der westflämischen Frontregion<br />

Westhoek. Es befindet sich in den wieder<br />

aufgebauten Tuchhallen von Ypern, einem<br />

wichtigen Symbol für Kriegsleiden und die<br />

danach folgende Auferstehung.<br />

Die völlig neu konzipierte, stark multimedial<br />

ausgerichtete Dauerausstellung erzählt<br />

von der Invasion Belgiens und den ersten<br />

Monaten des Bewegungskriegs, von den vier<br />

Jahren Stellungskrieg im Westhoek, vom<br />

Ende des Krieges und vom fortwährenden<br />

Gedenken an die schrecklichen Ereignisse.<br />

Der Schwerpunkt der Szenografie liegt<br />

auf der menschlichen Erfahrung und widmet<br />

der heutigen Landschaft als einem der<br />

letzten greifbaren Zeugen der Kriegsgeschichte<br />

große Aufmerksamkeit. In diesem<br />

Rahmen ist im Museumsparcours auch ein<br />

Besuch des Belfrieds (Turm) möglich, von<br />

dem aus Sie einen Ausblick über die Stadt<br />

und die umliegenden Schlachtfelder haben.<br />

Hunderte Originalobjekte und Bilder werden<br />

in einer erneuerten erfahrungsorientierten<br />

Gestaltung präsentiert.<br />

Das In Flanders Fields Museum, benannt<br />

nach dem englischsprachigen Gedicht John<br />

McCraes aus dem Jahr 1915, bietet mehr als<br />

eine ständige Ausstellung.<br />

Es existiert eine pädagogische Abteilung<br />

für Schüler aus dem In- und Ausland und<br />

ein kulturelles und künstlerisches Begleitprogramm.<br />

Im Wissenszentrum des Museums<br />

kann sich jeder Besucher noch intensiver<br />

mit einer der dramatischsten Perioden<br />

der Weltgeschichte beschäftigen. Individuell<br />

kann man sich dort auf die Suche nach<br />

der großen, globalen Hintergrundgeschichte<br />

oder nach der sehr persönlichen oder regionalen<br />

Geschichte begeben.<br />

Kontakt:<br />

In Flanders Fields Museum<br />

Lakenhallen – Grote Markt 34<br />

B - 8900 Ieper<br />

Tel: + 32(0)57.239.220<br />

E-Mail: flandersfields@ieper.be<br />

www.inflandersfields.be<br />

Einmalig in Deutschland: Dieser „Tiger I“ (Ausf E) ist ein besonderes Zeugnis der Technikgeschichte.<br />

Geringe Bauzahlen, nahezu pausenloser Einsatz und hohe Verluste machen<br />

den „Tiger“ heute zu einer wahren Rarität. Foto: Deutsches Panzermuseum Munster<br />

Deutschlands einziger „Tiger“<br />

Außergewöhnliches Exponat im Panzermuseum Munster<br />

In Fachkreisen ist dies eine Sensation:<br />

Weltweit waren bisher<br />

sechs erhalten gebliebene schwere<br />

Kampfpanzer vom Typ„Tiger I“<br />

bekannt. Keines der Exemplare<br />

befindet sich auf deutschem Boden.<br />

Scheinbar aus dem Nichts ist<br />

nun ein siebter „Tiger“ aufgetaucht<br />

– offensichtlich in einem<br />

hervorragenden Zustand. Seit<br />

dem 22. März 2013 ist der Stahlkoloss<br />

als Leihgabe für drei Jahre<br />

im Deutschen Panzermuseum im<br />

niedersächsischen Munster zu sehen.<br />

Mehr über diesen „Tiger“<br />

und seine Historie erfahren Sie in<br />

der nächsten Ausgabe von<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>.<br />

6


Foto: picture-alliance/picture-alliance<br />

Fotos: Böker Manufaktur Solingen<br />

Skelett von König Richard III. entdeckt<br />

Forscher haben die Knochen des englischen Königs Richard III. identifiziert<br />

Archäologen haben das Rätsel<br />

um die sterblichen Überreste<br />

gelöst, die im September 2012 im<br />

Erdreich unter einem Parkplatz<br />

in der mittelenglischen Stadt Leicester<br />

gefunden worden waren.<br />

Laut DNA-Analyse stammen die<br />

500 Jahre alten Gebeine tatsächlich<br />

von König Richard III.<br />

Mithilfe von DNA-Material<br />

erstellten die Forscher ein<br />

biologisches Profil der Charakteristika<br />

des Königs und<br />

untersuchten die freigelegten<br />

Knochenreste auf Spuren, die<br />

auf einen gewaltsamen Tod<br />

hindeuteten. Der Totenschädel<br />

weist am Hinterkopf Spuren<br />

einer Wunde und die gekrümmte<br />

Wirbelsäule eine<br />

eingedrungene Pfeilspitze auf.<br />

Richard III. war 1485 in der<br />

Schlacht von Bosworth, dem<br />

Höhepunkt der sogenannten<br />

Rosenkriege, gefallen.<br />

Ob außergewöhnliche<br />

Sammlerschwerter<br />

oder imposante<br />

Prunkstücke:<br />

Von antiken römischen<br />

Kurzschwertern<br />

bis zu japanischen<br />

Ninja-Schwertern,<br />

von den Schwertern elbischer<br />

Krieger bis zu den<br />

sagenhaften Schwertern<br />

und Streitäxten des Mittelalters<br />

reicht die Auswahl<br />

der Manufaktur „Böker“ in<br />

Solingen. Gefertigt aus rostfreiem<br />

Edelstahl, als handgeschmiedete<br />

Klinge aus 200-<br />

lagigem Damaststahl oder<br />

aus Kohlenstoffstahl, sind diese<br />

hochdekorativen Schwerter<br />

und Äxte Glanzpunkte jeder<br />

Sammlung.<br />

Seit 1869 werden in der<br />

„Klingenstadt“ die berühmten<br />

Messer der Marke „Böker“ von<br />

Hand gefertigt. Die Historie des<br />

Unternehmens ist geprägt von<br />

ereignisreichen Zeiten. Eines ist<br />

Clausewitz 3/2013<br />

Bereits bevor bekannt wurde,<br />

dass es sich bei dem Skelett tatsächlich<br />

um die Überreste von<br />

Porträt von Richard III.,<br />

König von England (1483-1485).<br />

Scharfe Schwergewichte<br />

„Böker“-Manufaktur ist „erste Adresse“ für Liebhaber<br />

hochwertiger Schwerter<br />

aber in über 144 Jahren immer<br />

gleich geblieben: die Leidenschaft<br />

und Begeisterung für außergewöhnliche<br />

Produkte.<br />

Die „Böker“-Manufaktur<br />

hat sich zu einem weltweiten<br />

Innovationsführer<br />

und zum größten Hersteller<br />

von Sport-, Einsatzund<br />

Sammlermessern in<br />

Europa entwickelt.<br />

Eine große Stärke des<br />

„Böker“-Sortiments<br />

und begehrt bei Messersammlern<br />

im Inund<br />

Ausland sind die<br />

exklusiven und weltweit<br />

streng limitierten Sondereditionen.<br />

Hier sind vor<br />

allem die „Böker“-Damast-<br />

Jahresmesser und „Magnum<br />

Collection Modelle“ zu nennen,<br />

die als Manufakturprodukte<br />

durch Handwerkskunst,<br />

innovatives Design<br />

und attraktive Materialauswahl<br />

überzeugen.<br />

www.boker.de<br />

Richard III. handelt, hatte die<br />

zuständige Ausgrabungsleiterin<br />

erklärt, der gefundene Schädel<br />

sei „in gutem Zustand“ und<br />

verrate viele Einzelheiten über<br />

den Toten. Die DNA-Proben für<br />

den Abgleich erhielten die Archäologen<br />

von dem 55-jährigen<br />

kanadischstämmigen Michael<br />

Ibsen, der in 17. Generation mit<br />

Richard verwandt ist.<br />

Historiker gingen stets<br />

davon aus, dass Richard III. in<br />

Leicester in einer Franziskanerkirche<br />

bestattet wurde. An<br />

ihrem ehemaligen Standort befindet<br />

sich heute der Parkplatz,<br />

unter dem die Forscher das<br />

Skelett freilegten.<br />

Richard III. hatte von 1483<br />

bis 1485 regiert und wurde<br />

durch das gleichnamige Drama<br />

von William Shakespeare weltberühmt.<br />

1813<br />

Vor 200 Jahren – am 10. März des<br />

Jahres 1813 – stiftete der preußische<br />

König Friedrich Wilhelm III. in<br />

der niederschlesischen Stadt Breslau<br />

für den Verlauf der „Befreiungskriege“<br />

das von Karl Friedrich Schinkel<br />

entworfene Eiserne Kreuz.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

ENGLISCHSPRACHIGES<br />

Bowmen of<br />

England<br />

Der Langbogen als<br />

Revolution auf dem<br />

Schlachtfeld<br />

Der mit hoher Durchschlagskraft<br />

und großer Reichweite<br />

ausgestattete Langbogen<br />

stammt ursprünglich aus Wales.<br />

Wie aber gelang diese Waffe<br />

in die englischen Armeen,<br />

die in Schlachten wie Crécy<br />

oder Azincourt französische<br />

Ritterheere schlugen? Wer waren<br />

die Bogenschützen und<br />

welche Stellung in der damaligen<br />

Gesellschaft besaßen sie?<br />

Und schließlich:<br />

Welchen Einfluss<br />

hatte der Langbogen<br />

auf die<br />

Kriegführung<br />

und weshalb<br />

musste er im<br />

frühen 16. Jahrhundert<br />

der<br />

Schusswaffe<br />

weichen – obwohl<br />

seine Buch wird seit<br />

Klassiker: Das<br />

Schussfrequenz seiner Erstveröffentlichung<br />

und Reichweite<br />

kontinuierlich<br />

den frühen<br />

aufgelegt.<br />

Musketen überlegen<br />

war?<br />

Antworten liefert der Militärhistoriker<br />

Donald Featherstone<br />

in seinem Buch<br />

„Bowmen of England“ (erstmals<br />

erschienen 1967). Er<br />

schreibt in einem flüssig lesbaren<br />

Stil. Sein Prolog ähnelt einem<br />

Roman wie Bernard<br />

Cornwells „Das Zeichen des<br />

Sieges“.<br />

Dies hat allerdings den<br />

Nachteil, dass der Autor teilweise<br />

sehr lax mit seinen Quellen<br />

umgeht – es ist nicht immer<br />

klar, woher Featherstone seine<br />

Informationen bezieht. Trotzdem:<br />

Wer eine gut lesbare Einführung<br />

in die Geschichte des<br />

englischen Langbogens von<br />

circa 1200 bis in das 16. Jahrhundert<br />

sucht, ist mit diesem<br />

„Oldie“ sehr gut beraten.<br />

Donald Featherstone: Bowmen<br />

of England. Nur in englischer<br />

Sprache erhältlich.<br />

7<br />

Foto: Archiv <strong>CLAUSEWITZ</strong>


Clausewitz<br />

Magazin<br />

ZEITSCHICHTEN<br />

Heute: Das Brandenburger Tor in<br />

Berlin ist als eines der bekanntesten<br />

Wahrzeichen Deutschlands ein Touristenmagnet.<br />

Seit dem Ende der DDR<br />

wird es häufig mit der Wiedervereinigung<br />

assoziiert.<br />

Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey Larenkov stellt<br />

eindrucksvoll visualisiert einen Brückenschlag zwischen Vergangenheit<br />

und Gegenwart her. www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Damals: Ein russischer Panzer unter<br />

der Quadriga 1945 symbolisiert den<br />

endgültigen Fall des „Dritten Reichs“.<br />

Die Grenze zwischen Ost und West im<br />

anschließenden Kalten Krieg verläuft<br />

genau hier.<br />

www.sergey-larenkov.livejournal.com<br />

Foto: VIANOVA<br />

BUCHEMPFEHLUNG<br />

Briefe von der Front<br />

Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers 1914-1917<br />

Im Alter von 20 Jahren<br />

wird Hermann Föller<br />

zum 1. Badischen Leib-<br />

Grenadier-Regiment Nr.<br />

109 eingezogen und<br />

kommt im Jahr 1914 an<br />

die Westfront. Drei Jahre<br />

später erliegt der junge<br />

Grenadier einer Verwundung –<br />

dazwischen liegen 919 Tage im<br />

Schützengraben und über 360<br />

von ihm geschriebene Briefe in<br />

die Heimat. Das Buch „Feldpost<br />

eines Badischen Leib-Grenadiers“<br />

bietet anhand dieser Briefe und<br />

anderer historischer Dokumente<br />

eine ganz persönliche und unmittelbare<br />

Perspektive der dramatischen<br />

Ereignisse.<br />

Karten, Zeichnungen und<br />

Hintergrundinformationen lie-<br />

Herausragend: Die aufwendige<br />

Aufmachung des Buches<br />

unterstreicht die hohe inhaltliche<br />

Qualität.<br />

fern den Kontext zu den<br />

Briefen und Fotografien<br />

und ergeben zusammen<br />

ein detailliertes<br />

und faszinierendes Werk. Die<br />

hervorragende Aufmachung<br />

rundet die Lektüre ab – ein<br />

Buch, das den Leser vom ersten<br />

Moment an nicht mehr los und<br />

in das Leben Hermann Föllers<br />

eintauchen lässt.<br />

Susanne Asoronye (Hg.): Feldpost<br />

eines Badischen Leib-Grenadiers<br />

1914-1917. Mehr Informationen<br />

und Bestellmöglichkeit unter:<br />

www.feldpostbuch.de<br />

NEUERSCHEINUNG<br />

Deutsche Auszeichnungen<br />

Wichtige Orientierungshilfe für ein vielschichtiges Thema<br />

Wann, Warum, Wofür? Wenn<br />

uns die Auszeichnungen<br />

der NS-Zeit beschäftigen, stellen<br />

sich zwangsläufig diese Fragen.<br />

Angesichts der aktuellen<br />

Medienvielfalt und der nicht<br />

enden wollenden intensiven<br />

Auseinandersetzung mit der<br />

Zeitgeschichte des „Dritten Reiches“<br />

sind die Orden und Ehrenzeichen<br />

aus der Zeit des Nationalsozialismus<br />

eher ein<br />

Randthema. Doch für<br />

Redakteure bei den Medien,<br />

für Autoren, Filmemacher<br />

und historisch<br />

Interessierte ist es<br />

Orden und Ehrenzeichen der<br />

Wehrmacht 1936-1945 im<br />

Überblick.<br />

ein wichtiges Thema. Um den<br />

Überblick und einen ersten Einblick<br />

geht es in dem Typenkompass<br />

„Deutsche Auszeichnungen“.<br />

Vertiefende Texte, exzellente<br />

farbige Fotodarstellungen der<br />

Vorder- und Rückseiten der<br />

Auszeichnungen und zugeordnete<br />

Beispiele von Besitzzeugnissen<br />

machen das Buch zu<br />

einer wichtigen Orientierungshilfe.<br />

Volker A. Behr<br />

Deutsche Auszeichnungen<br />

– Orden und<br />

Ehrenzeichen der<br />

Wehrmacht 1936-<br />

1945<br />

Motorbuch Verlag<br />

128 Seiten, 9,95 EUR<br />

Foto: Motorbuch Verlag<br />

8


„Parchim“-<br />

Klasse<br />

der NVA<br />

Foto: picture-alliance/Wolfgang Weihs<br />

MUSEUMSTIPP<br />

Celler Garnison-Museum<br />

300 Jahre Militärgeschichte<br />

Das Celler Garnison-Museum<br />

widmet sich der Geschichte<br />

des in der niedersächsischen<br />

Stadt stationierten Militärs. In<br />

konzeptioneller Abstimmung<br />

mit dem Bomann-Museum, das<br />

die hannoversche Zeit behandelt,<br />

beginnt das Garnison-Museum<br />

seine Ausstellung mit den<br />

auch für Celle weitreichenden<br />

Veränderungen des Jahres 1866<br />

(der Annexion des Königreichs<br />

Hannover durch Preußen infolge<br />

des verlorenen „Deutschen<br />

Krieges“). Es führt seine Besucher<br />

durch insgesamt drei Jahrhunderte<br />

deutscher Geschichte<br />

bis in die Gegenwart hinein.<br />

Militärgeschichte sollte nicht<br />

isoliert und „für sich“, sondern<br />

immer auch im Zusammenhang<br />

mit der historischen Gesamtentwicklung<br />

der jeweiligen Epochen<br />

behandelt, vermittelt und<br />

verstanden werden. Insofern ist<br />

Militärgeschichte ein Aspekt der<br />

Landesgeschichte und Garnisongeschichte<br />

ein wesentlicher<br />

Bestandteil der Stadtgeschichte.<br />

Die Dauerausstellung<br />

des Museums präsentiert<br />

mehr als 1.000 Objekte.<br />

Dabei hat die Mehrzahl<br />

der umfangreichen<br />

Sammlung unmittelbaren<br />

Bezug zur Stadt und<br />

zur Region: Uniformröcke,<br />

Silberbesteck, Reservistenbilder,<br />

Urkunden,<br />

Säbel und zahlreiche<br />

weitere Exponate zeugen<br />

von der wechselvollen<br />

Geschichte der Stadt<br />

als Truppenstandort.<br />

Darüber hinaus „erzählen“<br />

sie die Lebensgeschichten von<br />

Menschen, die einst im Militär<br />

dienten, vom einfachen Soldaten<br />

bis zum General. Wohl einzigartig<br />

in Norddeutschland ist der<br />

umfangreiche Bestand des Museums<br />

an britischen Uniformen<br />

und Erinnerungsstücken, die die<br />

lange Anwesenheit britischer<br />

Britische Soldaten bei einer Militärparade durch die Innenstadt von Celle im Jahr 1971.<br />

Truppen in Celle dokumentieren.<br />

Technikgeschichtlich interessierte<br />

Besucherinnen und Besucher<br />

finden zudem eine bedeutende<br />

Spezialsammlung vor: Nachrichten-<br />

und Fernmeldegeräte<br />

sämtlicher deutscher Streitkräfte<br />

vom Kaiserreich bis in die Gegenwart.<br />

Kontakt:<br />

Celler Garnison-Museum<br />

Hafenstraße 4<br />

29221 Celle<br />

Tel.: 05141 / 21 46 42<br />

www.garnison-museum.celle.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Immer mittwochs von 13:00 bis<br />

18:00 Uhr und sonnabends von<br />

10:00 bis 14:00 Uhr<br />

Vom 1. Dezember bis inkl. 28. Februar<br />

sowie an Feiertagen ist das<br />

Museum geschlossen.<br />

Briefe an die Redaktion<br />

Allgemein zu <strong>CLAUSEWITZ</strong> 2/2013:<br />

Erstmal ein Lob voran: mit <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

ist Ihnen ein sehr gutes Magazin für Militärgeschichte<br />

gelungen. Ich bin ein junger<br />

und treuer Leser und bin sehr zufrieden<br />

damit. Unter den anderen historischen<br />

Magazinen sticht Ihres besonders durch<br />

die großzügige Illustration heraus. In der<br />

Ausgabe 2/2013 gefällt mir als Neuerung<br />

das Inhaltsverzeichnis, das durch die Titelbilder<br />

der Artikel ergänzt wurde. Außerdem<br />

ist die Idee mit dem „Damals und<br />

heute“-Bild von Ihnen sehr gut umgesetzt<br />

worden. Der Artikel über den Koreakrieg<br />

hat mir sehr gefallen, da dieses Thema<br />

leider immer mehr in Vergessenheit geraten<br />

ist. Dieser Krieg war die erste kriegerische<br />

Auseinandersetzung zwischen Ost<br />

und West – ein bedeutendes Ereignis im<br />

Kalten Krieg. (...) Ebenso gut gelungen<br />

finde ich den Hauptartikel über die<br />

Schlacht von Kursk und den Artikel „Miltärtechnik<br />

im Detail“. Für die Zukunft<br />

würde ich mir Artikel zu nicht so alltäglichen<br />

Themen wie dem sowjetisch-afghanischen<br />

Krieg oder der Schlacht um Chalchin<br />

Gol während des japanischsowjetischen<br />

Grenzkonfliktes wünschen,<br />

da viele dieser Themen weitreichende<br />

Folgen haben aber dennoch vergessen<br />

sind. Yannik Alexander, per E-Mail<br />

Zu „Der Anfang vom Ende ,General’<br />

Custers“ in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 1/2013:<br />

G.A. Custer war aus dem US-Bürgerkrieg<br />

mit zwei Generalsrängen zurückgekehrt:<br />

zum einen als Generalmajor der Freiwilligen<br />

Verbände (U.S. Volunteers), zum anderen<br />

als Generalmajor der regulären US-Armee<br />

(U.S. Army). Damit war er der jüngste<br />

Generalmajor in der Geschichte des USamerikanischen<br />

Heeres, er zählte gerademal<br />

26 Jahre. Bei Beginn des Bürgerkrieges<br />

war er noch Leutnant gewesen.<br />

Als Befehlshaber des 7. US-Kavallerieregiments<br />

war seine Dienststellung (und<br />

sein Sold) de facto „nur“ die eine Oberstleutnants,<br />

der Generalstitel war ein Titular-Rang,<br />

er hatte Anspruch auf die Anrede<br />

„General“ und auf alle militärischen<br />

und protokollarischen Ehren eines Generals.<br />

Die Anführungszeichen in der Überschrift<br />

des Artikels von Herrn Kreuzer sind<br />

überflüssig.<br />

Es passt zum Wesen von G.A. Custer,<br />

dass er vor dem Aufbruch seines Regiments<br />

zum Little Bighorn<br />

die ihm angebotenen Gatling-Maschinengewehre<br />

zurückwies (sie würden<br />

nur die Schnelligkeit seines<br />

Vormarschs behindern)<br />

und die Säbel der<br />

Truppe im Fort einlagern<br />

ließ (sie könnten durch<br />

klappern am Sattelzeug indianische Späher<br />

warnen). Die Säbel wären im Nahkampf<br />

wohl nützlicher gewesen als im<br />

Depot, desgleichen die Gatling-MG. Zumal<br />

höchstens die Hälfte der indianischen<br />

Krieger am Little Bighorn mit Schusswaffen<br />

ausgestattet war, und das waren nicht<br />

alles moderne Repetiergewehre.<br />

Kurz vor der Schlacht war in den heiligen<br />

Bergen der Lakota-Sioux Gold gefunden<br />

worden. Die Lakota weigerten sich,<br />

ihre „Black Hills“ zu verkaufen.<br />

Mit Custers Niederlage hatte man seitens<br />

Clausewitz<br />

2/2013 März | April €5,50 A: € 6,30 CH: sFr 11,00 BeNeLux: € 6,50 SK, I: € 7,45 S: SKR 75 N: NOK 79 FIN: € 8,10<br />

Das Magazin für Militärgeschichte<br />

MILITÄR & TECHNIK:<br />

Schreiben Sie an:<br />

redaktion@clausewitz-magazin.de oder<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong>, Postfach 40 02 09, 80702 München<br />

Clausewitz<br />

NEUE SERIE<br />

Militärtechnik<br />

im Detail<br />

Teil 1: Sherman M4<br />

Erich<br />

von<br />

Manstein<br />

Hitlers<br />

umstrittener<br />

Stratege<br />

US-Fort Abraham<br />

Lincoln<br />

Custers letzter Posten<br />

Lechfeld 955<br />

Wie Otto I. über die<br />

Ungarn triumphierte<br />

Unternehmen „Zitadelle“<br />

Schlacht um<br />

Kursk<br />

1943 Zeitzeuge<br />

U-Jäger der Bundesund<br />

Volksmarine<br />

der Schlacht:<br />

Kriegsteilnehmer Anton Bumü ler berichtet<br />

von den Ereigni sen bei Kursk.<br />

der USA d e n Grund gefunden,<br />

mit allen Mitteln<br />

(nicht nur) gegen die Lakota<br />

vorzugehen, schon<br />

ein Jahr nach Custers Desaster<br />

waren die Lakota<br />

endgültig besiegt und die<br />

Goldfelder der Black Hills<br />

US-amerikanischer Besitz.<br />

Trotzdem: General Custer,<br />

NICHT „General“.<br />

Jürgen Kaltschmitt, per E-Mail<br />

Zu „Kursk 1943 – Unternehmen Zitadelle“<br />

in <strong>CLAUSEWITZ</strong> 2/2013:<br />

Da es sich bei dem Panzer auf Seite 19<br />

höchstwahrscheinlich um einen T34/85<br />

handelt kann die Aufnahme nicht vom<br />

Kursker Bogen zum Zeitpunkt von „Zitadelle“<br />

stammen. Dieses Modell kam erst<br />

Anfang 1944 zum Einsatz.<br />

Thomas Grosse, per E-Mail<br />

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums<br />

sinnwahrend zu kürzen.<br />

„Thetis“-Klasse der<br />

Bundeswehr<br />

Clausewitz 3/2013 9


Titelgeschichte<br />

Alliierte Luftangriffe – „<strong>Operation</strong> Gomorrha“<br />

Bomben auf<br />

24. Juli 1943: Fast 800 Bomber der Royal Air Force befinden sich auf dem Weg in Richtung<br />

Hamburg. Ihre tödliche Mission ist der Auftakt zu einer Serie schwerer alliierter Luftangriffe,<br />

die das „Gesicht“ der Stadt Hamburg für immer veränderten... Von Peter Cronauer<br />

10


HILFLOS:<br />

Die Einwohner von Hamburg – sofern sie nicht den<br />

Luftangriffen zum Opfer fallen – müssen der Zerstörung<br />

ihrer Heimatstadt in mehreren alliierten Tag- und<br />

Nachtangriffen tatenlos zusehen. Ganze Stadtteile<br />

werden im Sommer 1943 in Schutt und Asche gelegt.<br />

Die alliierten Luftangriffe sollen die deutsche Zivilbevölkerung<br />

demoralisieren.<br />

Foto: SSPL/National Media Museum/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Hamburg<br />

Clausewitz 3/2013<br />

11


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

FAKTEN<br />

Alliierte Luftangriffe auf Hamburg, Sommer 1943<br />

Schwere alliierte Luftangriffe im Rahmen der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong>:<br />

Mehr als 3.000 Flugzeuge kommen zum Einsatz, rund 9.000 Tonnen* Sprengbomben und<br />

Luftminen werden über dem Stadtgebiet von Hamburg abgeworfen.<br />

24.–25. Juli: Nachtangriff der Royal Air Force (RAF)<br />

25. Juli: Tagangriff der United States Army Air Forces (USAAF)<br />

27.–28. Juli: Nachtangriff der RAF<br />

28. Juli: Tagangriff der USAAF<br />

29.–30. Juli: Nachtangriff der RAF<br />

2.–3. August: Nachtangriff der RAF<br />

Dazwischen wurden noch leichtere Angriffe durchgeführt, beispielsweise durch Mosquito-<br />

Schnellbomber in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1943.<br />

(*ohne US-Angriffe)<br />

12


Große alliierte Bomberverbände<br />

GEWALTIGE BOMBENLAST:<br />

Die Royal Air Force leitet die <strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong> mit ihrem schweren Luftangriff<br />

in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943<br />

ein und verwüstet dabei große Teile der Elbmetropole<br />

Hamburg – vor allem Wohnviertel<br />

werden schwer getroffen. Foto: ullstein bild – Bunk<br />

Clausewitz 3/2013<br />

13


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

FAKTEN<br />

Deutsches Reich<br />

Verluste und Schäden in der Großstadt Hamburg<br />

Schätzungsweise mehr als 35.000 Tote und 120.000 Verletzte.<br />

Bei den Angriffen im Juli/August 1943 werden fast 280.000<br />

Wohnungen, und mehr als 3.000 Betriebe zerstört. Unzählige<br />

Baudenkmäler und Kunst- und Kulturschätze gehen unwiederbringlich<br />

verloren.<br />

14


In Schutt und Asche<br />

UNVORSTELLBAR:<br />

Das Ausmaß der Zerstörungen infolge der<br />

alliierten Luftangriffe auf Hamburg sprengt<br />

jede Vorstellungskraft. Ganze Straßenzüge<br />

werden durch Feuerstürme ausradiert, Zehntausende<br />

Menschen verlieren ihr Leben.<br />

Foto: ullstein bild - LEONE<br />

Clausewitz 3/2013<br />

15


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

AUF KNOPFDRUCK: Blick ins Innere<br />

eines RAF-Bombers mit dem Auslöser für die<br />

Öffnung des Bombenschachtes.<br />

Foto: picture-alliance/Illustrated London News Ltd<br />

Am 24. Juli 1943 herrscht auf vielen<br />

Flugplätzen Großbritanniens seit den<br />

frühen Morgenstunden emsige Betriebsamkeit.<br />

Bis zum Abend müssen fast<br />

800 Bomber für den von Luftmarschall Arthur<br />

Harris befohlenen Einsatz gegen die<br />

deutsche Großstadt Hamburg bereit sein.<br />

Das Bodenpersonal hat alle Hände voll zu<br />

tun.<br />

Auch die Besatzungen der Flugzeuge bereiten<br />

sich auf den kommenden Einsatz vor.<br />

Piloten und Navigatoren nehmen an den<br />

Vorbesprechungen teil, studieren ihre Unterlagen,<br />

die Bordschützen ruhen sich aus.<br />

Viele sind angespannt, denn die deutsche<br />

Luftverteidigung ist ein gefährlicher<br />

Gegner – seit Monaten steigen die Bomber-<br />

Verluste der Royal Air Force (RAF) kontinuierlich<br />

an. Von manchen Einsätzen kehrte<br />

in der letzten Zeit fast ein Drittel der eingesetzten<br />

Maschinen nicht zurück. Alleine<br />

während der kürzlich abgeschlossenen<br />

viermonatigen „Schlacht um die Ruhr“ hatte<br />

es rund 3.000 Flugzeuge erwischt. Davon<br />

kehrten zwar mehr als 2.000 – viele schwer<br />

beschädigt – wieder zurück, doch fast 900<br />

Maschinen gingen verloren. Und weil in jeder<br />

davon eine mehrköpfige Besatzung saß,<br />

handelt es sich um den Verlust von insgesamt<br />

mehreren Tausend Kameraden.<br />

Dass diese Verluste dennoch nicht einmal<br />

fünf Prozent betragen – bezogen auf die gesamte<br />

Einsatzstärke der britischen Bomberflotte<br />

– ist dabei nur ein schwacher Trost.<br />

Nach stundenlanger Vorbereitung ist es<br />

schließlich soweit: Die ersten Maschinen<br />

UMSTRITTEN: Arthur Harris, Oberbefehlshaber<br />

des RAF Bomber Command, setzte auf Flächenbombardements<br />

in deutschen Städten,<br />

um die Zivilbevölkerung zu demoralisieren.<br />

Foto: ullstein bild<br />

rollen an den Start, fliegen zum Sammelpunkt<br />

und warten auf die anderen. Rund<br />

800 Maschinen in die Luft zu bringen, dauert<br />

seine Zeit. Mitunter kreisen die ersten<br />

Bomber bereits seit Stunden in der Warteschleife,<br />

während die letzten noch am Boden<br />

sind; doch nach einer ausgeklügelten<br />

Choreografie sind irgendwann alle in der<br />

Luft.<br />

Die „Wellen“ formieren sich<br />

Die jeweiligen Staffeln schließen sich zusammen,<br />

laufend stoßen weitere dazu, jede<br />

Besatzung sucht die ihr zugewiesene Position.<br />

Es ist nicht egal, welche Maschine wo<br />

fliegt, denn die Fracht im Bombenschacht<br />

ist nicht bei allen Bombern gleich. Einige<br />

transportieren bis zu vier Tonnen schwere<br />

Luftminen, andere Sprengbomben verschiedener<br />

Kaliber und wieder andere<br />

Stabbrandbomben oder Phosphorkanister.<br />

Um die gewünschte Wirkung über dem<br />

Zielort zu erzielen, muss diese Mischung in<br />

einer bestimmten Reihenfolge abgeworfen<br />

werden – entsprechend ist die Formation<br />

durchdacht und ihre Umsetzung erfordert<br />

Disziplin. Nach und nach bilden sich die<br />

einzelnen „Wellen“, reihen sich in der Höhe<br />

gestaffelt hintereinander ein, allmählich erhält<br />

die Formation ihre Gestalt. Schließlich<br />

16


Bombenhagel auf deutsche Städte<br />

IM VERBAND: US-Bomber werfen ihre todbringende<br />

Fracht über einer deutschen<br />

Stadt ab, Aufnahme aus dem Jahr 1943.<br />

Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

setzt sich die ganze Formation in Bewegung.<br />

Die Pfad- und Zielfindermaschinen<br />

fliegen voraus, die anderen folgen ihnen im<br />

Abstand von etwa fünf Minuten, ein weiterer<br />

„Bomberstrom“ geht auf Kurs in die<br />

Nacht hinaus.<br />

Unterdessen endet auf dem Fliegerhorst<br />

Parchim rund 40 Kilometer südlich von<br />

Schwerin die allabendliche Einsatzbesprechung<br />

für die Besatzungen der zweiten<br />

Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 5.<br />

IM FEUERSTURM:<br />

Das Gemälde „Bombennacht“<br />

zeigt die<br />

brennende Kirche<br />

St. Katharinen in<br />

Hamburg. Das Bild<br />

hängt im Hamburger<br />

Rathaus.<br />

Abb.: picture-alliance/<br />

akg-images<br />

Nach und nach betreten Flugzeugführer<br />

und Bordfunker die halbdunklen Bereitschaftsräume,<br />

nehmen in Sesseln, oder um<br />

Tische herum Platz. Manche besprechen<br />

mit gedämpften Stimmen die letzten Einsätze,<br />

andere spielen Schach, oder hören<br />

mit geschlossenen Augen Musik.<br />

Gegen 22:00 Uhr wird Sitzbereitschaft<br />

angeordnet. Über der Nordsee werden<br />

Feinderfassungen gemeldet, aber zu diesem<br />

Zeitpunkt kann noch keiner vorhersagen,<br />

wohin es diesmal gehen und welche<br />

Stadt es treffen wird. Vielleicht wieder Berlin?<br />

Oder Stettin? Ein weiteres Mal schlüpfen<br />

die Besatzungen in ihre Kombinationen,<br />

eilen zu ihren Maschinen, klettern hinein,<br />

schnallen sich an, legen FT-Hauben,<br />

Atemmasken und Fallschirme an, und warten<br />

auf den Startbefehl. Unter den Männern<br />

ist auch ein Leutnant namens Peter Spoden.<br />

Warten auf den „scharfen“ Einsatz<br />

Der 1921 geborene Spoden meldete sich<br />

1940 freiwillig zur Luftwaffe und wollte<br />

Nachtjäger werden. Seine Ausbildung dauerte<br />

insgesamt 27 Monate. Seit dem 1. Juni<br />

1943, also seit beinahe acht Wochen, gehört<br />

er nun schon der 6. Staffel des Nachtjagdgeschwaders<br />

5 an, ohne bislang auch nur einen<br />

„scharfen“ Einsatz geflogen zu haben.<br />

Während seiner Ausbildung durchlief er im<br />

Schnelldurchgang die wichtigsten Entwicklungsstufen<br />

der bisherigen deutschen<br />

Nachtjagd: von der „hellen Nachtjagd“ der<br />

Jahre 1940 und 1941, als Scheinwerferbatterien<br />

den Nachthimmel ausleuchteten, damit<br />

die Jagdflieger auch nachts auf Sicht angreifen<br />

konnten, bis zum Sommer 1941, als<br />

die „helle Nachtjagd“ allmählich in die<br />

„dunkle“ überging. Neue Ortungsverfahren,<br />

die mittels Funkmesstechnik feindliche<br />

Clausewitz 3/2013<br />

17


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

Flugzeuge im Nachthimmel ausmachen<br />

und eigene an sie heranführen können,<br />

wurden damals eingeführt. Beim sogenannten<br />

„Himmelbett“-Verfahren werden<br />

die Nachtjäger vom Boden aus geleitet und<br />

an den Gegner herangeführt.<br />

Das ging bis auf drei- bis vierhundert<br />

Meter genau, die restliche Distanz musste<br />

dann der Flugzeugführer mit seinem Sehvermögen<br />

überbrücken, wie es auch Peter<br />

Spoden am eigenen Leib erfuhr: „In einer<br />

hellen Mondnacht bereitete das Erkennen<br />

eines Gegners aus drei- bis vierhundert Metern<br />

Entfernung keinerlei Probleme. In einer<br />

dunklen Nacht konnte man immerhin<br />

noch 200 bis 300 Meter weit sehen, doch bei<br />

starkem Dunst oder Wolken gar nichts<br />

mehr.“<br />

BEI TAGE: Drei Maschinen vom Typ<br />

Short Stirling. Dieser Typ war nach der<br />

Avro Lancaster der bei der <strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong> am häufigsten eingesetzte<br />

RAF-Bomber.<br />

Foto: RAF<br />

Bordeigenes Radar<br />

Bei der 6./NJG 5 begegnete er dann erstmals<br />

dem „Lichtenstein“-Gerät. Damit ausgerüstete<br />

Maschinen erkannte man am<br />

„Drahtverhau“ vor dem Bug. Allerdings<br />

war das bordeigene Radargerät den Einsatzverbänden<br />

vorbehalten, im Schulungsbetrieb<br />

gab es das noch nicht. Peter Spoden,<br />

der davon ausging, sogleich gegen die Engländer<br />

eingesetzt zu werden, wurde von<br />

seinem Gruppenkommandeur, Hauptmann<br />

Rudolf Schönert, gebremst: „Langsam,<br />

langsam. Machen Sie sich erst einmal<br />

mit ihrem Funker und dem Lichtenstein-<br />

Gerät vertraut.“<br />

Spodens Funker war ein 19 Jahre alter<br />

Unteroffizier aus der Region des Teutoburger<br />

Waldes. In den nun folgenden Tagen<br />

und Wochen lernten sich die beiden gegenseitig<br />

und gemeinsam jene neue Technik<br />

kennen:<br />

„Unsere Messerschmitt Bf 110 trug vor<br />

dem Bug Antennen zum Senden und Empfangen<br />

im Dezimeterbereich. Im Inneren<br />

des Rumpfes befanden sich vor dem Funkersitz<br />

drei Braunsche Röhren zur Wiedergabe<br />

von elektrischen Impulsen. Die Radarechos<br />

eines voraus fliegenden Flugzeugs<br />

stellten sich hier als leuchtende Zacken dar,<br />

aus denen der Funker bei richtiger Interpretation<br />

die Flughöhe und Flugrichtung<br />

des Gegners und die Distanz zu ihm herauslesen<br />

kann.“<br />

Ortung des Gegners<br />

Über die bordeigene „EiV“, die „Eigenverständigung“,<br />

dirigierte dieser dann seinen<br />

Flugzeugführer zum jeweiligen Übungsgegner<br />

hin:<br />

„Höher, höher! … Links, mehr links! …<br />

Rechts oben muss er sein! … Distanz 300<br />

Meter … 100 Meter … langsamer! … Wir<br />

überschießen!“<br />

In unzähligen Zieldarstellungs-, Messund<br />

Werkstattflügen übten sie diese Vorgehensweise,<br />

bei jedem Wetter, am Tag und in<br />

der Nacht. Dabei wäre jederzeit ein „scharfer<br />

Einsatz“ möglich gewesen. Nachtangriffe<br />

der RAF gab es genug, doch bislang war<br />

die Besatzung Spoden nicht zum Zug gekommen,<br />

weil jede „Himmelbett“-Stellung<br />

jeweils nur einen Nachtjäger leiten kann.<br />

Also lösten die Besatzungen einander ab:<br />

„Den Anfang bildeten immer die erfahrenen<br />

Besatzungen, die regelmäßig Abschüsse<br />

erzielten. Ging dann der Kraftstoff<br />

der ersten Maschine zur Neige, bekam der<br />

nächste Nachtjäger Startbefehl. Ich befand<br />

mich meist am Ende der Wartereihe...“<br />

GETROFFEN: Brennende Öltanks verdunkeln den Himmel über dem Hafen von Hamburg.<br />

Auch das Hafenviertel mit seinen Industrieanlagen erlitt schwere Schäden.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

18


Alliierte Bomberströme nähern sich<br />

Deshalb weiß auch die Besatzung Spoden<br />

nicht, was auf sie zukommt, als die beiden<br />

am Abend jenes 24. Juli 1943 zur „Sitzbereitschaft“<br />

in ihre Maschine klettern. Werden<br />

sie wieder einmal dasitzen und warten<br />

bis zum Morgengrauen?<br />

Zur gleichen Zeit, im rund 430 Kilometer<br />

südwestlich von Parchim gelegenen Stade<br />

an der Niederelbe: Im Mammut-Gefechtsbunker<br />

der 2. Jagddivision wächst die<br />

Anspannung, er ist eine von fünf Schaltzentralen<br />

der deutschen Reichsverteidigung.<br />

Hier laufen die Meldungen von Horchposten,<br />

Radarstellungen und sonstigen Beobachtungs-<br />

und Frühwarnsystemen zusammen;<br />

von hier aus werden die Gegenmaßnahmen<br />

der ihr unterstellten Flak und<br />

Nachtjagd koordiniert.<br />

Den gewaltigen Innenraum des Bunkers,<br />

der mit seinen höhengestaffelten Sitzreihen<br />

einer Sporthalle oder einem Theater<br />

STANDARDNACHTJÄGER: Maschinen<br />

vom Typ Messerschmitt Bf 110 bilden<br />

bis Kriegsende neben der Junkers Ju 88<br />

das Rückgrat der deutschen Nachtjagdgeschwader.<br />

Foto: Dietmar Hermann<br />

„Ich beglückwünsche die britischen Luftstreitkräfte<br />

und begrüße ihre Absicht, die Bombenangriffe auf<br />

Deutschland zu verstärken.“<br />

Vertrauliche Botschaft Josef Stalins an Winston Churchill vom 30. Juli 1943.<br />

ähnelt, dominiert in der Mitte eine riesige<br />

Milchglasscheibe, die beinahe die gesamte<br />

Höhe und Breite des Raumes einnimmt.<br />

Auf ihr ist die Landkarte des Deutschen<br />

Reichs zu sehen, vom darüber gelegten<br />

Quadratnetz der Jägerführung in Planquadrate<br />

unterteilt. Auf diese Karte werden jeweils<br />

die wandernden Positionen von einfliegenden<br />

Feindflugzeugen und eigenen<br />

Maschinen projiziert. Dafür sitzen auf der<br />

STOLZERFÜLLT: Ein Nachtjagdpilot der Luftwaffe vor dem Seitenleitwerk<br />

seiner Maschine, auf dem drei Abschüsse britischer<br />

Bomber markiert sind. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

einen Seite der Glaswand Dutzende von<br />

Luftwaffen-Nachrichtenhelferinnen. Jede<br />

von ihnen hat zwei „Bildpunktwerfer“ vor<br />

sich – Urahnen heutiger Laserpointer – sowie<br />

ein Telefon, das direkt mit einer Funkmessstellung<br />

(Radar) verbunden ist. Sobald<br />

diese einfliegende Bomberverbände ortet,<br />

werden die entsprechenden Angaben dem<br />

Gefechtsstand übermittelt. Die vermutete<br />

Anzahl der Flugzeuge, deren Kurs und<br />

FIEBERTE SEINEM EINSATZ<br />

ENTGEGEN: Nachtjäger<br />

Peter Spoden. Foto: Peter Spoden<br />

Flughöhe sowie das Jägerquadrat werden<br />

genannt, in dem sie sich gerade befinden.<br />

Lautet eine Meldung beispielsweise „Etwa<br />

120 Flugzeuge in Gustav Cäsar fünf,<br />

Kurs Ost, Höhe 5.000“, dann richten die<br />

Nachrichtenhelferinnen ihre beiden Bildpunktwerfer<br />

auf das entsprechende Jägerquadrat<br />

in der Lagekarte auf der großen<br />

Milchscheibe. Dort zeigen jetzt rote Lichtpunkte<br />

die aktuelle Position des Gegners<br />

an, dessen Bewegungen werden von nun<br />

an laufend aktualisiert.<br />

Ruhe vor dem Sturm<br />

Auf der anderen Seite der Glaswand sind<br />

die roten Punkte gut zu sehen. Dort sitzen<br />

in langen Reihen die Jägerleitoffiziere und<br />

darüber der Kommandeur sowie die Verbindungsoffiziere<br />

mit ihren Schaltpunkten,<br />

über die sie mit sämtlichen Jagdverbänden,<br />

Nachtjagdstellungen und dem Flugmeldedienst<br />

verbunden sind. Nochmals eine Etage<br />

höher sitzen wiederum Dutzende weiterer<br />

„Lichtpunktwerfer“, die mit grünen<br />

Punkten die Position der eigenen Maschinen<br />

markieren.<br />

Auch hier beginnt der Abend des 24. Juli<br />

1943 zunächst ruhig. Seit dem schweren<br />

Angriff auf Aachen elf Tage zuvor hatte sich<br />

nichts Gravierendes mehr ereignet. Kurz<br />

vor Mitternacht laufen dann doch erste<br />

Meldungen ein. Wieder einmal wandern<br />

rote Lichtpunkte langsam auf der Milchglaskarte<br />

über die Ostsee, parallel zur deutschen<br />

Küste Richtung Osten. Die ersten<br />

Messerschmitt Bf 110 und Junkers Ju 88<br />

vom der 2. Jagddivision unterstellten<br />

Nachtjagdgeschwader 3 starten von ihren<br />

Fliegerhorsten in Stade, Vechta, Wittmundhafen,<br />

Wunstorf, Lüneburg und Kastrup,<br />

Clausewitz 3/2013<br />

19


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

und nehmen ihre Wartepositionen in ihren<br />

jeweiligen „Himmelbetten“ über der deutschen<br />

Nordseeküste ein.<br />

Inzwischen steht fest, dass die voraus fliegenden<br />

„Pfadfinder“-Maschinen die Vorboten<br />

sind für einen großen, aus mehreren<br />

hundert Maschinen bestehenden Bomberstrom<br />

des Gegners. Was hat dieser vor? Er<br />

steuert direkt auf die Elbmündung zu. Wird<br />

er davor abschwenken? Nach Süden? Oder<br />

über Norddeutschland hinweg Richtung<br />

Ostsee? Vielleicht sogar in Richtung Berlin?<br />

Verheerender Radarausfall<br />

Doch plötzlich bleiben die roten Lichtpunkte<br />

auf der Glaswand stehen, verharren minutenlang<br />

auf ein und demselben Fleck.<br />

Nervosität macht sich breit. Was ist da los?<br />

Der Nachrichtenoffizier schaltet sich in die<br />

Direktleitungen zu den Radarstellungen ein<br />

Das Flakkampfabzeichen der<br />

Luftwaffe war eine Auszeichnung<br />

der Wehrmacht und wurde<br />

am 10. Januar 1941<br />

durch den Oberbefehlshaber<br />

der Luftwaffe, Hermann Göring,<br />

gestiftet. Die Verleihung<br />

des Abzeichens sollte<br />

die Erfolge der Flakartillerie<br />

sowohl bei der Abwehr<br />

von Luftangriffen als auch<br />

im Erdkampf würdigen.<br />

Foto: picture-alliance/Artcolor<br />

„Wir haben hier die Zerstörung einer Millionenstadt<br />

festzustellen, die bisher in der Geschichte wohl kein<br />

Beispiel findet. Es tauchen damit Probleme auf, die<br />

fast nicht zu bewältigen sind.“<br />

Propagandaminister Joseph Goebbels, Tagebucheintrag vom 29. Juli 1943<br />

und erhält auf seine Fragen überall dieselbe<br />

Antwort: „Die Geräte sind gestört, oder ausgefallen.“<br />

Vor allem die „Würzburg“-Geräte<br />

sind betroffen, über ihre Bildschirme flimmern<br />

nur noch wirre Echozacken, aus denen<br />

ist nichts Brauchbares herauszulesen.<br />

Das ist eine fatale Situation, denn von den<br />

präzisen Angaben der „Würzburg“-Geräte<br />

hängt die Führung der Nachtjäger in ihren<br />

„Himmelbetten“ ab, und nicht nur die, sondern<br />

auch die der Flak. Sowohl die einen,<br />

als auch die anderen, tappen nun im Dunkeln,<br />

und die Jägerleitoffiziere können augenblicklich<br />

gar nichts für sie tun. Auch die<br />

„Freya“-Geräte funktionieren nicht so wie<br />

gewohnt, zeigen schon mal Tausende von<br />

Flugzeugen an, die sich dann plötzlich wieder<br />

in Nichts auflösen; doch immerhin erkennen<br />

sie den Bomberstrom wenigstens<br />

noch in groben Zügen. Den oben<br />

lauernden Nachtjägern nutzt<br />

das jedoch nicht viel, sie sind<br />

völlig auf sich alleine gestellt.<br />

Tief unter ihnen, im Gefechtsstand,<br />

gilt es, jetzt<br />

bloß nicht die Nerven zu<br />

verlieren; die 2. Jagddivision<br />

bittet den Flugmeldedienst<br />

um Hilfe. Als hätte es<br />

das „Himmelbett“-Verfahren<br />

nie gegeben, als wäre diese<br />

gewaltige hoch technisierte Organisation<br />

der deutschen Nachtjagd<br />

gar nicht existent, wird nun auf<br />

Methoden aus der Anfangszeit des Krieges<br />

zurückgegriffen: auf die Beobachtungen<br />

der über das ganze Land verteilten<br />

Flugwachen am Boden. Diesen zufolge rieseln<br />

in der Nähe von Meldorf, über Dithmarschen,<br />

gelbe Leuchtkaskaden vom<br />

Himmel. Immer wieder neue Kaskaden,<br />

immer über demselben Gebiet: Da haben<br />

wohl „Pfadfinder“-Maschinen eine Wendemarke<br />

gesetzt. Tatsächlich bestätigen<br />

die nächsten Mitteilungen, dass der Bomberstrom<br />

geschlossen nach Südosten<br />

schwenkt, sich parallel zur Elbe weiterbewegend,<br />

hält er direkt auf Hamburg zu.<br />

Seit Kriegsbeginn hatte die alte Hansestadt<br />

bereits eine Vielzahl von Bombenangriffen<br />

zu überstehen, am Tag und in der<br />

Nacht – leichte, von einzeln fliegenden Maschinen<br />

durchgeführte, aber auch schwere,<br />

die bereits deutlich sichtbare Spuren hinterließen.<br />

Ist heute Nacht wieder die Elbmetropole<br />

dran?<br />

TRÜMMERWÜSTE: Ein kleiner Junge<br />

zwischen den kümmerlichen Überresten<br />

Hamburger Wohnblocks.<br />

Foto: picture-alliance/dpa<br />

20


Zahlreiche Luftangriffe auf Hamburg<br />

ANGETRETEN: Besatzung und Bodenmannschaft<br />

eines schweren<br />

strategischen RAF-Bombers vom<br />

Typ Short Stirling.<br />

Foto: RAF<br />

HAUPTSACHE AM LEBEN: Menschen stehen Schlange, um eine<br />

Lebensmittelration zu erhalten.<br />

Foto: ullstein bild – Erich Andres<br />

VERHEEREND: Ein britischer Bomber beim Abwurf von Phosphorbomben,<br />

die in den dicht bebauten Stadtvierteln Hamburgs einen<br />

Feuersturm entfachten.<br />

Foto: ullstein bild – Archiv Gerstenberg<br />

Am Boden sind in und um Hamburg<br />

herum mehr als fünfzig schwere, gut zwei<br />

Dutzend leichte Flak- sowie 22 Scheinwerfer-<br />

und drei Nebelbatterien positioniert.<br />

Doch auch die Flak ermittelt ihre Schusswerte<br />

nach den Messdaten der „Würzburg“-Geräte.<br />

Dann, wenige Minuten vor<br />

01:00 Uhr nachts, dringen auch zu ihr keine<br />

brauchbaren Angaben mehr durch. Auf<br />

einen Schlag ist die komplette deutsche<br />

Luftraumverteidigung außer Gefecht gesetzt.<br />

Doch für Ursachenforschung bleibt<br />

jetzt keine Zeit, man kann die ersten Motorgeräusche<br />

bereits hören, die Kommandeure<br />

der Flak müssen improvisieren. Wenn<br />

schon kein gezieltes Schießen möglich ist,<br />

soll „Sperrfeuer“ die Angreifer wenigstens<br />

einschüchtern.<br />

Bomber über dem Zielgebiet<br />

Deren „Pfadfinder“-Maschinen befinden<br />

sich inzwischen über dem Stadtgebiet. Sie<br />

sind mit modernster Technik ausgestattet,<br />

unter anderem mit einem von den Briten<br />

als „H2S“ bezeichnetem Bodenradargerät,<br />

das die Umrisse der überflogenen Landschaften<br />

im Inneren der Maschine auf einem<br />

Bildschirm wiedergibt. Seen und<br />

Flüsse zeichnen sich hier als dunkle Flächen<br />

ab, Städte werden als helle Umrisse<br />

dargestellt. Man kann sogar einzelne Flaktürme<br />

erkennen.<br />

Gegen dieses Gerät sind jegliche Tarnversuche<br />

wirkungslos. Selbst bei völliger<br />

Dunkelheit, dichtem Nebel, Schneefall oder<br />

Regen und auch durch eine geschlossene<br />

Clausewitz 3/2013<br />

21


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

BILD DER VERWÜSTUNG: Teile der schwer<br />

beschädigten Werftanlagen von Blohm &<br />

Voss.<br />

Foto: ullstein bild – AP<br />

Wolkendecke hindurch bekommt man damit<br />

ein stets ausgezeichnetes Bild vom Zielgebiet.<br />

Und das besteht in dieser Nacht aus den<br />

Hamburger Stadtteilen Barmbek, Hoheluft,<br />

Eimsbüttel, Altona sowie dem Hafen. Die<br />

„Pfadfinder“ beginnen zu markieren, werfen<br />

sogenannte Christbäume ab: an Fallschirmen<br />

herabschwebende Magnesiumkugeln,<br />

die den nachfolgenden Bombern<br />

das Zielen erleichtern sollen. Hier und da<br />

geht dabei auch etwas daneben, einige<br />

Markierungen werden an der falschen Stelle<br />

abgeworfen, aber darauf kommt es nun<br />

nicht mehr an. Der Auftakt zur <strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong> nimmt seinen Lauf.<br />

Im Nachthimmel über Hamburg entsteht<br />

eine unfassbare Geräuschkulisse: In<br />

das Heulen der Sirenen mischt sich das<br />

Stakkato der wütend schießenden Flak, die<br />

Luft füllt sich mit einem anwachsenden<br />

Literaturtipps<br />

Jörg Friedrich: Der Brand – Deutschland im<br />

Bombenkrieg 1940–1945, München 2002.<br />

Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg<br />

1939–1945, Berlin 2004.<br />

DOKUMENT<br />

Auszug aus dem amtlichen Bericht des<br />

Polizeipräsidenten von Hamburg<br />

„Die Straßen waren mit Hunderten von Leichen bedeckt. Mütter mit ihren Kindern, Männer,<br />

Greise, verbrannt, verkohlt, unversehrt und bekleidet, nackend und in wächserner Blässe<br />

wie Schaufensterpuppen, lagen sie in jeder Stellung, ruhig und friedlich oder verkrampft,<br />

den Todeskampf im letzten Augenblick des Gesichts. Die Schutzräume boten das gleiche<br />

Bild, grausiger noch in seiner Wirkung, da es zu dem Teil den letzten verzweifelten Kampf<br />

gegen ein erbarmungsloses Schicksal zeigte.“<br />

Zitiert nach: Dokumente deutscher Kriegsschäden, 5 Bde., Bonn 1958-1964<br />

drohenden, tiefen Brummen, erzeugt von<br />

Tausenden großvolumiger Flugzeugmotoren;<br />

wenige Minuten nach den „Pfadfinder“-Maschinen<br />

hat nun auch der Bomberstrom<br />

das Zielgebiet erreicht.<br />

Wahres Inferno<br />

Eine Welle nach der anderen zieht darüber<br />

hinweg, schwere viermotorige Bomber<br />

vom Typ Avro Lancaster und Short Stirling<br />

öffnen ihre Bombenschächte, Dutzende<br />

zweimotoriger Vickers Wellington tun es<br />

ihnen gleich. Das Pfeifen der fallenden<br />

Bomben geht im allgemeinen Getöse unter.<br />

Luftminen und Sprengbomben explodieren,<br />

straßenzugweise werden Dächer abgedeckt,<br />

Häuserwände krachen zusammen<br />

oder werden aufgebrochen, Fenster und<br />

Türen aus ihren Verankerungen gerissen.<br />

Dazwischen regnen massenhaft lose gebündelte<br />

Stanniolstreifen herunter, und<br />

dann wieder Stabbrandbomben und Phosphorkanister.<br />

Erste Großbrände lodern auf,<br />

die Lichtkeulen der Flakscheinwerfer<br />

durchschneiden immer dickeren Rauch.<br />

Die betroffenen Stadtteile werden von einem<br />

wahren Inferno heimgesucht. Menschen<br />

– vor allem Frauen, Kinder und Alte –,<br />

die es nicht in die Luftschutzbunker geschafft<br />

haben, sterben im Rauch und in den<br />

Flammen. Viele Luftschutzkeller bieten keinen<br />

ausreichenden Schutz.<br />

Inzwischen hatte die 4. Jagddivision in<br />

Döberitz bei Berlin auch der II./NJG 5 in<br />

Parchim Startbefehl erteilt. Diesmal musste<br />

die Besatzung Spoden nicht bis zum Morgengrauen<br />

warten, sie war gleich mit von<br />

der Partie:<br />

„Ich befand mich im ,Himmelbett’-<br />

Raum ,Reiher’ nahe Lübeck, war als einer<br />

der letzten hoch geschickt worden und sah<br />

bereits kurz nach dem Start einen furchtbaren<br />

Flächenbrand westlich von mir. So etwas<br />

hatte ich noch nie gesehen. Mein Gott!<br />

22


Hamburg versinkt in Trümmern<br />

Sollte das etwa Hamburg sein? Die Hansestadt<br />

war noch mehr als 100 Kilometer entfernt,<br />

und trotzdem nicht zu übersehen.<br />

Gleichzeitig bereitete unser Lichtenstein-<br />

Gerät Probleme, mein Bordfunker berichtete<br />

von schweren Störungen, nur ein Flimmern<br />

sei zu sehen, es gab keine ablesbaren<br />

Zacken. Offenbar ging es den „Würzburg“-<br />

Geräten ebenso, auch sie waren gestört,<br />

mein Jägerleitoffizier konnte mich nicht ansetzen.<br />

Da sah ich mit bloßem Auge in großer<br />

Entfernung einige viermotorige Flugzeuge<br />

über der hellen, von Bodenbränden<br />

erleuchteten Wolkenschicht. – Klein wie<br />

Motten, aber unverkennbar Viermots! ,Lassen<br />

Sie mich dort hin!’, rief ich dem Jägerleitoffizier<br />

auf Kurzwelle zu. ,Nein, das<br />

kann ich nicht’, antwortete er, ,das ist außerhalb<br />

meines Raumes und zudem das<br />

Schießgebiet der Flak!’ ,Sprechen sie mit<br />

Berlin’, rief ich, ,lassen sie mich da hin, ich<br />

kann die ,Tommies’ sehen!’ Die Antwort<br />

kam prompt: ,Nein, sie haben im Raum ,Reiher’<br />

zu bleiben. Ich habe schon nachgehört,<br />

wir müssen mit Durchflügen rechnen.’“<br />

Trauerfeier: Gedenkveranstaltung für die Opfer der alliierten Bombenangriffe während der<br />

<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> auf Hamburg vor dem Rathaus der Stadt. Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Systematische Zerstörung<br />

Peter Spoden ist verzweifelt! Da war er nun<br />

zwei Jahre lang ausgebildet worden, kann<br />

die gegnerischen Flugzeuge sehen, darf<br />

aber nicht hin. Natürlich kommen keine<br />

Durchflüge mehr, und als sein Sprit allmählich<br />

zur Neige geht, landet er vollkommen<br />

niedergeschlagen in Parchim. Auf dem dortigen<br />

Gefechtsstand ist die Hölle los! Alle<br />

Besatzungen, auch die erfahrenen, melden<br />

extreme Störungen und Fehlerfassungen<br />

des Bordradars, kaum einer hat Abschüsse<br />

erzielt. Stattdessen berichten alle von<br />

furchtbaren Bränden und Detonationen,<br />

und dass sie viele „Viermots“ zu Gesicht<br />

bekamen, sie aber nicht angreifen durften.<br />

Umgehend wird die Jagddivision kontaktiert,<br />

vielleicht auch der Oberbefehlshaber<br />

der Luftwaffe Hermann Göring selbst. Von<br />

allen anderen Nachtjagdgeschwadern gehen<br />

gleichlautende Meldungen ein, allerorten<br />

herrscht helle Aufregung.<br />

Mit jenem Angriff britischer Bomber in<br />

der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 beginnt<br />

die systematische Zerstörung weiter<br />

Teile Hamburgs aus der Luft.<br />

Im Cockpit seiner Messerschmitt wurde<br />

Peter Spoden Augenzeuge des schwersten<br />

Luftangriffs der bisherigen Kriegsgeschichte.<br />

Doch dieser Angriff auf Hamburg war<br />

nur der Auftakt zu einer ganzen Serie von<br />

Bombardierungen – auch durch Verbände<br />

der U.S. Army Air Forces – der Großstadt<br />

an der Elbe. <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> – den<br />

grausigen „Höhepunkt“ bildete der orkanartige<br />

Feuersturm infolge des Angriffs vom<br />

27. Auf den 28. Juli – dauerte insgesamt bis<br />

zum 3. August 1943. Und es war kein Zufall,<br />

dass Spoden und seine Kameraden zur<br />

Untätigkeit verdammt waren: Der Gegner<br />

hatte Mittel und Wege gefunden, um die<br />

deutsche Raumnachtjagd mit einem Schlag<br />

auszuschalten.<br />

Schreckensbilanz<br />

Schätzungsweise mehr als 35.000 Zivilisten<br />

kamen infolge der Luftangriffe der <strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong> ums Leben, weit mehr als<br />

100.000 Menschen wurden verletzt, Hunderttausende<br />

obdachlos. Ganze Stadtteile<br />

wurden großflächig ausradiert, bedeutende<br />

Kunst- und Kulturschätze sowie einzigartige<br />

historische Baudenkmäler gingen in den<br />

Flammen unwiederbringlich verloren.<br />

Menschen, die die Stadt noch rechtzeitig<br />

verlassen hatten, wurde im Sommer 1943<br />

unter Hinweis auf fehlende Unterkünfte<br />

und mangelnde Verpflegung dringend abgeraten,<br />

in die in weiten Teilen verwüstete<br />

Stadt zurückzukehren.<br />

Noch heute ragt mahnend die Ruine des<br />

Turmes der St. Nikolai-Kriche in den Hamburger<br />

Himmel. Auf dem Friedhof Ohlsdorf<br />

befindet sich das zentrale Massengrab der<br />

Bombenopfer mit einem Mahnmal zur Erinnerung<br />

an die Opfer von Krieg und Gewalt.<br />

BETONKLOTZ: Der Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg dient heute zivilen<br />

Zwecken.<br />

Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/Ohde<br />

Peter Cronauer M. A., Jg. 1964, ist Luftfahrtjournalist<br />

mit dem Schwerpunkt Luftkrieg 1939-1945.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

23


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

Luftkrieg über Deutschland – Technologie und Strategie<br />

Kriegsschauplatz<br />

„Himmel“<br />

Sommer 1943: Der Luftraum über dem Deutschen Reich ist Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen<br />

zwischen alliierten Bomberverbänden und deutschen Jägern. Für beide<br />

Seiten spielt besonders die Radar-Technologie eine wichtige Rolle... Von Peter Cronauer<br />

Mitte 1943 ist der Himmel über dem<br />

Deutschen Reich längst ein hoch technisierter<br />

Kriegsschauplatz mit eigenen<br />

Gesetzen. Radar-Technologie spielt hier<br />

eine wesentliche Rolle. Auch das „Himmelbett“-Verfahren<br />

der deutschen Nachtjagd basiert<br />

darauf. Seine Stellungen bestehen jeweils<br />

aus einem „Freya“- sowie zwei „Würzburg“-<br />

Geräten. Ersteres steht bereits seit Kriegsbeginn<br />

im Einsatz und dient mit seiner Reichweite<br />

von bis zu 150 Kilometern als Frühwarnsystem.<br />

Es kann einen anfliegenden<br />

Verband erkennen und seine Flugrichtung ermitteln,<br />

jedoch nicht die exakte Anzahl der<br />

Flugzeuge und ihre genaue Flughöhe. Das<br />

übernimmt kurze Zeit später das im Sommer<br />

1941 einsatzreife „Würzburg“-Gerät.<br />

„Himmelbett-Stellungen“<br />

Im Einsatz verfolgt dann eines der beiden<br />

„Würzburg“-Geräte einen anfliegenden<br />

Bomber, das andere einen eigenen Nachtjäger,<br />

die von beiden erfassten Daten laufen in<br />

einer Leitstelle zusammen. Dort werden<br />

dann die Bewegungen der beiden Flugzeu-<br />

ge – die des Gegners und die des eigenen<br />

Nachtjägers – als roter, bzw. grüner Punkt<br />

auf die Glasplatte eines „Seeburg“-Auswertetisches<br />

projiziert. Ein Leitoffizier beobachtet<br />

die Kursdarstellung der beiden Maschinen<br />

und führt den deutschen Nachtjäger per<br />

Funk an seinen potentiellen Gegner heran.<br />

Seit August 1941 wurde eine „Himmelbett-Stellung“<br />

neben der anderen errichtet.<br />

Mitte 1943 reichen sie bereits in einem breiten<br />

Gürtel von Frankreich entlang der<br />

Nordseeküste bis nach Südnorwegen. Das<br />

„Himmelbett“-Verfahren hat jedoch auch<br />

Schwächen: Der Wirkungskreis jeder Stellung<br />

hängt von der Reichweite des „Würzburg“-Gerätes<br />

ab. Beträgt diese anfangs etwa<br />

35 Kilometer, wächst sie mit dem ab<br />

1942 einsatzreifen „Würzburg-Riese“ auf 70<br />

bis 80 Kilometer an. Doch weiterhin kann<br />

jede Stellung nur ein einziges gegnerisches<br />

Flugzeug erfassen und verfolgen und jeweils<br />

nur einen eigenen Nachtjäger führen,<br />

der sein „Himmelbett“ auch nicht verlassen<br />

darf. Solange dieses System nur einzeln<br />

FORTSCHRITTLICH: Die Antenne des<br />

auf seinem Betonsockel dreh- und<br />

schwenkbaren Radars „Würzburg-Riese“<br />

besaß einen Durchmesser von<br />

7,40 Metern. Die hohe Richtgenauigkeit<br />

des Funkmessgerätes erlaubte<br />

den Einsatz als Feuerleitradar. Es<br />

bildete einen wichtigen Baustein des<br />

deutschen Abwehrkampfes.<br />

Foto: ullstein bild – Photo12/Collection Bernard<br />

24


HINTERGRUND<br />

„Window“ (Radartäuschung)<br />

Für die „Lähmung“ der nächtlichen deutschen<br />

Luftverteidigung sorgen Stanniol-Streifen,<br />

zehn Millimeter breit und 30 Millimeter lang.<br />

In der Auftaktnacht zur <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

werden sie (Tarnname „Window“) erstmals auf<br />

dem europäischen Kriegsschauplatz eingesetzt.<br />

Insgesamt haben die britischen Bomber<br />

davon rund 92 Millionen Stück an Bord. Regelmäßig<br />

werden sie in losen Bündeln ausgestoßen,<br />

flattern in der Luft auseinander, bilden zu<br />

Tausenden flirrende Wolken und senken sich<br />

wie ein Radarstrahlen millionenfach reflektierender<br />

Nebel langsam auf die Erde nieder. Ihre<br />

Reflexionen blenden die Radar- und somit<br />

auch die Flugmelde- und Feuerleitgeräte der<br />

deutschen Abwehr, vereiteln ein gezieltes<br />

Schießen der Flak und setzen das „Himmelbett“-Verfahren<br />

schlagartig außer Gefecht.<br />

ge der bisherigen Luftangriffe diskutiert,<br />

aber auch die weitaus grundlegendere Frage,<br />

ob man einen Krieg – insbesondere einen<br />

Luftkrieg, der auf der Basis internationaler<br />

Abkommen wie den Haager Konventionen<br />

geführt wird – überhaupt gewinnen<br />

kann. Die bisherige Erfahrung zeige, dass<br />

rein militärische Ziele nur schwer zu eliminieren<br />

sind. Es drohe vielmehr ein langwieriger<br />

Schlagabtausch ohne Perspektive.<br />

Politische und militärische Gremien in<br />

Großbritannien suchen daher nach Auswegen<br />

aus diesem Dilemma.<br />

Auf eine „Lösung“ legt man sich schließlich<br />

fest: Am 14. Februar 1942 erlässt das<br />

Britische Luftfahrtministerium die „Area<br />

Bombing Directive“ – die „Anweisung zum<br />

flächigen Bombenangriff“. Dabei handelte<br />

es sich um eine großzügige Auslegung der<br />

von Air Marshall Hugh Trenchard bereits<br />

vor dem Krieg formulierten Doktrin. Dieser<br />

vertrat unter anderem die These, dass die<br />

gründliche und nachhaltige Zerstörung der<br />

gegnerischen Rüstungsindustrie strategisch<br />

weitaus wichtiger sei als beispielsweise<br />

der Sieg in einer Feldschlacht.<br />

Der in Baden-Baden geborene Physiker<br />

und Churchill-Vertraute Frederick A. Lindemann<br />

wird noch konkreter: In einem am<br />

30. März 1942 Churchill überreichten und<br />

IM ANFLUG: Boeing B-17F der 381st<br />

Bomb Group, deren Maschinen an den<br />

Tagangriffen Ende Juli 1943 auf Hamburg<br />

beteiligt sind, im Formationsflug über<br />

dem europäischen Festland. Foto: USAF<br />

fliegende Maschinen abzuwehren hat, die<br />

zeitlich versetzt und in lockerem Verband<br />

in den Luftraum über dem Reich eindringen,<br />

ist diese „gebundene“ Art der Nachtjagd<br />

durchaus effektiv.<br />

Britischer Strategiewechsel<br />

Alleine der Stellung „Tiger“ auf der niederländischen<br />

Insel Terschelling wird die Beteiligung<br />

an rund 150 Nachtabschüssen zugeschrieben.<br />

Doch das britische Bomber<br />

Command ändert seine Strategie. Innerhalb<br />

von einer Stunde, so hatten britische Verantwortliche<br />

errechnet, könne eine „Himmelbett-Stellung“<br />

rund sechs Abschüsse erzielen.<br />

Da werden einzeln fliegende Maschinen<br />

zur leichten Beute. Doch was<br />

geschieht, wenn eine große Anzahl Bomber<br />

die „Himmelbett-Stellungen“ möglichst<br />

gleichzeitig durchstößt? Das müsste die<br />

Verluste doch reduzieren.<br />

Nicht nur aus diesem Grund vollzog die<br />

britische Luftkriegführung im Frühjahr<br />

1942 einen grundlegenden Strategiewechsel.<br />

Im Vorfeld wurden die mäßigen Erfol-<br />

UM LEBEN UND TOD: Bomber des Typs Boeing B-17F der 8. US-Luftflotte werden während<br />

des Tagangriffs auf Hamburg am 25. Juli 1943 von einem deutschen Jäger bedrängt (erkennbar<br />

im Kreis rechts unten). Das gestrichelt dargestellte Zielgebiet – die Blohm & Voss<br />

Werft – ist durch Rauchwolken des vorhergegangen nächtlichen Bombardements durch die<br />

RAF verdeckt.<br />

Foto: USAF<br />

Clausewitz 3/2013 25


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

TÖDLICHE FRACHT: Eine Avro Lancaster wird für einen weiteren Einsatz<br />

bestückt – in diesem Fall mit der gemischten Abwurflast aus<br />

konventionellen Sprengbomben und einer „Cookie“-Luftmine. Foto: RAF<br />

POSITIONSBESTIMMUNG: Am „Seeburg“-Auswertetisch laufen die<br />

Daten der beiden „Würzburg“-Geräte einer „Himmelbett“-Stellung<br />

zusammen.<br />

Foto: Sammlung W. Johnen<br />

später als „Dehousing Paper“ bezeichneten<br />

Memorandum schreibt er unter anderem,<br />

es sei erwiesen, dass die Zerstörung<br />

seines Heimes den Menschen moralisch<br />

tiefer erschüttere als der Tod von Freunden<br />

und Verwandten. Daher rate er, Lindemann,<br />

dazu, alle Kräfte auf die Produktion<br />

von Bomben und geeigneten Bombern<br />

zu konzentrieren, um bis Mitte 1943 fünfzig<br />

Prozent des Wohnraumes in allen größeren<br />

Städten Deutschlands zu zerstören.<br />

Auf diese Weise könne man die Moral des<br />

deutschen Volkes brechen und die Rüstungsproduktion<br />

komme zum Erliegen.<br />

„Moral Bombing“<br />

Vorrangiges Ziel des „Moral Bombing“ seien<br />

die Arbeiterwohnviertel, diese seien am<br />

dichtesten bebaut. Mit der Annahme dieses<br />

Vorschlags durch das britische Kabinett ist<br />

der Strategiewechsel vollzogen: Fortan ist<br />

die Zerstörung ziviler Bauten nicht mehr<br />

eine bedauerliche Begleiterscheinung von<br />

AVRO LANCASTER B.MK.III<br />

Nach & Thomson FN-20<br />

oder FN-120 Drehturm mit<br />

vier 7,65-mm-MG<br />

Flüssigkeitsgekühlte Packard Merlin<br />

28 12-Zylinder-Reihenmotoren<br />

Nach & Thomson FN-50<br />

oder FN-150 Drehturm<br />

mit zwei 7,65-mm-MG<br />

Angriffen auf militärische Ziele, sondern<br />

eher umgekehrt.<br />

Mit seinem neuen Oberbefehlshaber,<br />

Arthur Travers Harris, erhält das RAF Bomber<br />

Command am 22. Februar 1942 einen<br />

Mann „für’s Grobe“. Er findet zu Beginn<br />

seiner Amtszeit die nötigen Flugzeuge bzw.<br />

technischen Mittel vor, um die wenige Tage<br />

zuvor verabschiedete „Area Bombing Directive“<br />

in die Tat umzusetzen:<br />

Darunter befinden sich unter anderem<br />

schwere viermotorige strategische Bomber<br />

mit hoher Zuladung und großer Reichweite<br />

– Short Stirling, Handley Page Halifax<br />

und Avro Lancaster – sowie ein Hyperbel-<br />

Astronavigationskuppel<br />

für den Navigator<br />

Der 10,5 Meter lange durchgehende<br />

Bombenschacht ermöglicht die Mitnahme<br />

unterschiedlichster oder je nach Bedarf<br />

passend kombinierter Waffenlast<br />

Navigationssystem, das sogenannte GEE-<br />

Verfahren.<br />

„Casablanca beseitigte die letzten moralischen<br />

Hemmungen; wir erhielten für den Bombenkrieg<br />

völlig freie Hand.“<br />

Der Oberbefehlshaber des Bomber Command der RAF, Arthur Harris.<br />

Im Gegensatz zu den US-Bombern gibt<br />

es in der Lancaster keinen Copiloten.<br />

Rechts neben dem Flugzeugführer sitzt<br />

stattdessen der Flugingenieur<br />

Nach & Thomson<br />

FN-5A Drehturm mit<br />

zwei 7,65-mm-MG<br />

Bugkanzel mit Zielvorrichtung<br />

für den Bombenschützen<br />

Foto: RAF<br />

Neue Taktik und Technologie<br />

Hinzu kommt eine neue Taktik: Jetzt fliegen<br />

die Maschinen ihre Zielorte nicht mehr zeitlich<br />

verzögert, weit auseinandergezogen<br />

oder sogar einzeln an und werfen ihre Bomben<br />

dann, wenn sie davon ausgehen, ihr<br />

Ziel erreicht zu haben. Nun durchstoßen sie<br />

die deutschen Nachtjagdräume in einem<br />

großen, möglichst geschlossenen Verband,<br />

um beim eigentlichen Angriff möglichst<br />

viele Maschinen innerhalb kurzer Zeit über<br />

dem Ziel zu konzentrieren. Nach dieser<br />

Methode und im Sinne des „Moral Bombing“<br />

wird Lübeck im Frühjahr 1942 als erste<br />

von vielen deutschen Städten angegriffen.<br />

Doch der Erfolg gibt den Planern nur<br />

vorübergehend Recht: Zwar überfordert<br />

die Taktik des „Bomberstroms“ das „Himmelbett“-Verfahren<br />

zunächst, setzt es aber<br />

nicht vollständig außer Gefecht.<br />

Denn auch hier dreht sich die Entwicklungsspirale<br />

weiter: Im Sommer 1942<br />

kommt auf deutscher Seite das Bordfunkmessgerät<br />

„Lichtenstein B/C“ zum Einsatz<br />

– der letzte Schritt zu einer „echten“ Dunkelnachtjagd.<br />

Das bordeigene Radargerät „sieht“ bis<br />

zu vier Kilometer weit und ermöglicht der<br />

Besatzung eines Nachtjägers den eigenständigen<br />

Endanflug auf seine Gegner, ohne<br />

ihn tatsächlich sehen zu müssen und unabhängig<br />

von einer Leitstelle am Boden. Deren<br />

Jägerleitoffiziere profitierten gleicher-<br />

26


Technologische Entwicklungsspirale<br />

Foto: Sammlung W. Johnen<br />

maßen von der neuen Technik, denn von<br />

nun an können sie freier agieren und führen<br />

mehrere Nachtjäger zugleich. Dass die<br />

Nachtjagd der RAF diesen Stand der Technik<br />

bereits zwei Jahre zuvor erreicht hatte,<br />

ist für die Angehörigen des Bomber Command<br />

nur ein schwacher Trost; ihre Verluste<br />

steigen wieder deutlich an.<br />

Auch das ständige „dem Gegner in die<br />

Karten sehen“ wollen, stellt eine Art eigenen<br />

Kriegsschauplatz dar. Es geht um<br />

Neuerungen und darum, diejenigen des<br />

Gegners wieder unbrauchbar zu machen.<br />

So werden wechselweise Kommunikationseinrichtungen,<br />

der Navigation dienende<br />

Peilfunkanlagen oder auch Radaranlagen<br />

lahm gelegt. Hatte beispielsweise die<br />

RAF im März 1942 ihr neuestes Funknavigationssystem<br />

namens AMES erstmals erfolgreich<br />

eingesetzt, schlägt nur fünf Monate<br />

später der Angriff von mehr als 160 Bombern<br />

auf Osnabrück fehl, weil sämtliche<br />

GEE-Geräte schlagartig versagen. Deutsche<br />

Störsender mit dem Tarnnamen „Heinrich“<br />

leisteten dabei „ganze Arbeit“. Während<br />

nun in England fieberhaft an einem neuen<br />

„Kammhuber-Lichtspiele“ im Gefechtsstand einer Jagddivision<br />

2<br />

3<br />

1<br />

7<br />

BOEING B-17F-95<br />

Heckstand mit<br />

zwei 12,7-mm-MG,<br />

die der Schütze<br />

kniend bedient<br />

Seitliche Waffenstände mit<br />

je einem 12,7-mm-MG<br />

Vier luftgekühlte Wright Cyclone<br />

R-1820-97, 9-Zylinder-Sternmotoren mit<br />

Turbolader und je 1.200 PS Leistung<br />

Sperry Kugelturm mit zwei<br />

12,7-mm-MG – wird beim<br />

Landen eingefahren<br />

Rechts befindet sich die 14 Meter hohe Raum füllende<br />

Milchglasscheibe, darauf ist die Karte des Deutschen<br />

Reiches zu sehen und das darüber gelegte Quadratnetz<br />

der Jägerführung. Jenseits der Glasscheibe und im Bild<br />

nicht zu sehen, sitzen die Luftnachrichtenhelferinnen<br />

mit ihren Lichtpunktwerfern, die mit roten bzw. grünen<br />

Lichtpunkten die Positionen der eigenen und feindlichen<br />

Flugzeuge projizieren.<br />

Die geschwungene Linie bei (4) zeigt den Flugweg<br />

eines Bomberstroms, der sich bei (5) teilt und auf eine<br />

Großstadt (6) zu bewegt.<br />

Bei (1) sitzen der Divisionskommandeur, sein Ia,<br />

der Chef der <strong>Operation</strong>sabteilung sowie die Verbindungsoffiziere<br />

von Flak, Luftnachrichtentruppe, Heer und Marine.<br />

Auf den Sitzreihen darunter sitzen die Jägerleitoffiziere,<br />

die je nach Luftlage die Nachtjäger per Funk an<br />

den Gegner heranführen.<br />

Auf der Galerie (2) befinden sich weitere sogenannte<br />

Lichtpunktwerfer, die den Weg des Bomberstroms mit<br />

langen Strichen und Pfeilen auf die Glaswand projizieren.<br />

In einem separaten Raum (3) unterziehen Offiziere<br />

eingehende Meldungen einer ersten Prüfung. Die Großraumkarten<br />

(7) zeigen den Raum der Nachbardivisionen,<br />

aus dem der Bomberstrom kam und wohin er womöglich<br />

wieder verschwinden wird, den Korpsbereich sowie<br />

den ganzen Kontinent im Überblick.<br />

4<br />

5<br />

Im Bombenschacht finden bis zu<br />

3.628 Kilogramm Abwurflasten Platz<br />

6<br />

Astronavigationskuppel<br />

für den Navigator<br />

Sperry A-1 Drehturm<br />

mit zwei 12,7-mm-MG<br />

Bis zu drei<br />

einzelne<br />

12,7-mm-MG in<br />

der Bugkanzel<br />

Extreme Aufhängungen für<br />

zusätzliche 906 Kilogramm<br />

Bombenlast – werden wegen<br />

des hohen Luftwiederstandes<br />

kaum im Einsatz verwendet<br />

Navigationssystem namens „Oboe“ gearbeitet<br />

wird, sucht man dort gleichzeitig<br />

nach Methoden, um wiederum die deutsche<br />

Technik auszutricksen. Mit Erfolg:<br />

Beim Angriff auf Mannheim Anfang Dezember<br />

1942 legen in Flugzeugen einbaubare<br />

„Mandrel“-Störsender die „Freya“-<br />

Anlagen erfolgreich lahm.<br />

„Combined Bomber Offensive“<br />

Im Vorfeld der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> sind<br />

aus britischer Sicht unter anderem zwei Ereignisse<br />

von besonderem Belang:<br />

Am 9. Mai 1943 gelingt den Alliierten ein<br />

großer Coup als eine Besatzung des NJG 3<br />

mit ihrer Junkers Ju 88 in der neuesten<br />

Nachtjäger-Version von Skandinavien aus<br />

nach Großbritannien desertiert. Dieser „Vorfall“<br />

wurde vom britischen Geheimdienst<br />

eingefädelt und war von langer Hand vorbereitet.<br />

Britische Wissenschaftler inspizieren<br />

vor allem das bislang so streng geheim gehaltene<br />

„Lichtenstein“-Gerät, finden heraus,<br />

wie es funktioniert und wie man es überlisten<br />

kann. Innerhalb kurzer Zeit entwickeln<br />

sie „Serrate“, ein Bordradargerät, das seinerseits<br />

„Lichtenstein“ anpeilen kann.<br />

Auf all das findet die deutsche Seite früher<br />

oder später eine angemessene Antwort. Nicht<br />

jedoch auf „S2S“, das bordeigene britische<br />

Panorama-Bodenradar-Gerät. Anfang 1943<br />

bei einem Luftangriff auf Hamburg erstmals<br />

erfolgreich eingesetzt, ermöglicht es den<br />

RAF-Piloten Navigation und Zielfindung,<br />

selbst unter ungünstigsten Bedingungen.<br />

Die im Hinblick auf <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

wichtigste strategische Entscheidung<br />

fällt jedoch im Januar 1943: Als eines von<br />

mehreren Ergebnissen der Konferenz von<br />

Casablanca beschließen Großbritannien und<br />

die USA die „Combined Bomber Offensive“<br />

gegen Deutschland. Die schweren strategischen<br />

Bomberverbände der United States<br />

Army Air Forces sollen tagsüber Industrieanlagen<br />

und diejenigen der RAF nachts<br />

Wohnviertel angreifen. Mit der <strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong> wird die „Combined Bomber<br />

Offensive“ erstmalig angewandt.<br />

Foto: Boeing<br />

Clausewitz 3/2013<br />

27


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

<strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong> – Das Leid der Zivilbevölkerung<br />

„Es regnete Feuer...“<br />

24. Juli bis 3. August 1943: RAF und USAAF greifen Hamburg mehrfach mit schweren<br />

Bomberverbänden an. Die Folgen für die Stadt und ihre Menschen sind verheerend...<br />

Von Peter Cronauer<br />

TRAGISCH: Ein bis zur Unkenntlichkeit verbrannter<br />

Mensch in einem zerstörten Gebäude in Hamburg<br />

nach einem der schweren Luftangriffe im Rahmen<br />

der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong>. Foto: Barch, Bild 183-R93452<br />

28


Das Kriegstagebuch des RAF Bomber<br />

Command weist militärische Ziele als<br />

Angriffsgrund aus. Namentlich sind<br />

die Industrieanlagen von Blohm & Voss genannt.<br />

Tatsächlich richten sich die Angriffe<br />

jedoch im Sinne der „Area Bombing Directive“<br />

sowie des „Moral Bombing“ vor allem<br />

gegen die Wohnviertel der Zivilbevölkerung.<br />

Dabei wirkt sich die Heftigkeit der Angriffe<br />

sogar negativ auf die Zusammenarbeit<br />

der Briten mit den US-Verbänden aus. Laut<br />

deren Kriegstagebuch greifen im Rahmen<br />

der „Combined Bomber Offensive“ am 25.<br />

Juli 123 schwere Boeing B-17 an, doch schon<br />

nach dem zweiten und noch schwereren<br />

Nachtangriff der RAF kommt die Zusammenarbeit<br />

wieder zum Erliegen: Die US-Flieger<br />

beklagen schlechte Sichtverhältnisse,<br />

verursacht durch Qualm und Rauch und zu<br />

heftige Luftturbulenzen über der brennenden<br />

Stadt. Die United States Army Air Forces<br />

(USAAF) ziehen sich aus <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

zurück.<br />

VERZWEIFELT: Ein Mann sucht seine Frau<br />

und Tochter mit einer Nachricht auf einem<br />

Trümmerteil.<br />

Foto: ullstein bild – DRK<br />

SCHLANGE STEHEN: Ausgabe von Milchrationen<br />

an ausgebombte Hamburger auf einem<br />

Verpflegungsplatz. Foto: ullstein bild – Erich Andres<br />

Überall Flächenbrände<br />

Mitte August, zwei Wochen nach dem letzten<br />

schweren Nachtangriff, zieht der damalige<br />

„Höhere SS- und Polizeiführer bei den<br />

Reichsstatthaltern und Oberpräsidenten in<br />

Hamburg, in Oldenburg und in Bremen, in<br />

Hannover und in Schleswig-Holstein im<br />

Wehrkreis X“, Generalmajor Reiner Liessem,<br />

folgende Schadensbilanz:<br />

„Bei allen Angriffen wurde immer wieder<br />

beobachtet, dass der Gegner bestimmte Flächen<br />

durch Leuchtbomben markierte und in<br />

wechselnder Folge Minen-, Spreng- und<br />

Brandbomben in diese Gebiete warf. Diese<br />

planvolle Angriffstaktik trat besonders in<br />

Hammerbrook und in Hamm in Erscheinung.<br />

Die Gebäude wurden durch Sprengund<br />

Minenbomben aufgerissen, stürzten auf<br />

die Straße und die folgenden Brandbomben<br />

entfachten nunmehr in den Trümmerstätten<br />

DOKUMENT<br />

„Es war ein Job: Knopf drücken und zurückfliegen.<br />

Und man hatte dabei nicht ständig<br />

das Gefühl, ein Monster zu sein. Ich bin sogar<br />

ein bisschen stolz auf das, was ich da<br />

vollbracht habe. Auch wenn viele Menschen<br />

darunter leiden mussten.<br />

Ich gebe aber zu, dass der Angriff auf<br />

Hamburg in mir grauenvolle Erinnerungen<br />

wachruft. Ich war mir zunächst gar nicht darüber<br />

im Klaren, was da abgelaufen war. Ich<br />

sah natürlich das Feuer unter mir. Und wie<br />

es wütete. Als ich dann zurückgekehrt war,<br />

kamen dazu noch die furchtbaren Zeitungsberichte.<br />

Ich weiß gar nicht, wo ich das her<br />

Brände, sodass diese Schadensgebiete in etwa<br />

20 Minuten einem Flammenmeer glichen.<br />

Beim dritten Angriff entwickelte sich<br />

ein sehr starker Feuersturm, bei dem teilweise<br />

größte Bäume umgerissen wurden und<br />

ein Passieren der Straße unmöglich war. Bei<br />

allen Angriffen konnte die Bevölkerung infolge<br />

der zahlreichen Flächenbrände und des<br />

Feuersturmes nur unter Einsatz aller verfügbaren<br />

Kräfte aus ihren Wohngebieten geborgen<br />

werden.“ In amtlich abgehacktem Stil<br />

fährt Liessem fort:<br />

„In manchen Straßenzügen lagen Hunderte<br />

von Toten völlig unversehrt, zum Teil mit<br />

aufgerissener Kleidung. Man vermutet Sauerstoffmangel<br />

und durch die große Hitze<br />

„Der HERR ließ Schwefel und Feuer regnen auf<br />

Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte<br />

und die ganze Gegend und alle Einwohner.“<br />

Bericht (Auszug) eines RAF-Bombenschützen<br />

hatte, aber da war diese Geschichte von der<br />

Mutter und ihrer kleinen Tochter. Das Feuer<br />

war so gewaltig, dass der Teer auf der Straße<br />

schmolz. Die Mutter versuchte noch, mit<br />

der Tochter über die Straße zu kommen.<br />

Doch das kleine Mädchen stolperte und fiel<br />

mitten aufs Gesicht. Die Mutter starb bei<br />

dem Versuch, sie aus dem Teer zu ziehen.<br />

Das habe ich nie vergessen. Ich fühle mich<br />

einfach schuldig. Ich war doch der, der auf<br />

den Knopf gedrückt hatte.“<br />

Zitiert nach: Rolf-Dieter Müller: Der Bombenkrieg<br />

1939-1945, Berlin 2004, S. 168.<br />

Altes Testament, 1. Buch Mose, 19, 24.<br />

völliges Austrocknen der Kleidung und daher<br />

leicht Zündmöglichkeit.“<br />

Schreckliche Szenen<br />

Die Folgen für die Zivilbevölkerung waren<br />

entsprechend grausam. In einem Geheimbericht<br />

des Hamburger Polizeipräsidenten<br />

Hans Julius Kehrl werden die Ereignisse wir<br />

folgt geschildert: „Nur die entkamen dem<br />

Tode, die rechtzeitig eine Flucht gewagt hatten<br />

oder sich so nahe am Rande des Feuermeeres<br />

befanden, dass eine Rettungsmöglichkeit<br />

überhaupt bestand. (…) Die Vernichtung<br />

im Ganzen ist so radikal, dass von<br />

vielen Menschen buchstäblich nichts geblieben<br />

ist. (…) Kinder wurden durch die Gewalt<br />

des Orkans von der Hand der Eltern gerissen<br />

und ins Feuer gewirbelt. Menschen,<br />

die sich gerettet glaubten, fielen in der alles<br />

vernichtenden Gewalt der Hitze um und<br />

starben in Augenblicken. Flüchtende mussten<br />

sich ihren Weg über Sterbende und Tote<br />

bahnen. (…) Von den Opfern waren insgesamt<br />

70% erstickt, zum großen Teil durch die<br />

giftigen Kohlenoxydgase. Es waren so viele<br />

Clausewitz 3/2013<br />

29


Titelgeschichte | <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

DEUTLICH: Der Hamburger Polizeipräsident<br />

warnt die aus der Stadt geflohenen oder<br />

evakuierten Zivilisten vor einer Rückkehr in<br />

das stark zerstörte Hamburg.<br />

Foto: ullstein bild<br />

Menschen an Vergiftung gestorben und ihre<br />

Leichen hatten sich derart strahlend blau,<br />

orange und grün gefärbt, dass man zunächst<br />

annahm, die RAF hätte bei diesem Angriff<br />

zum ersten Mal Giftgasbomben eingesetzt.<br />

(…).“<br />

Augenzeugen berichten von Fliehenden,<br />

die im verflüssigten Asphalt stecken blieben<br />

und bei lebendigem Leib verbrannten. Zu<br />

besonders schrecklichen Szenen kam es<br />

dann, wenn Menschen von Phosphor getroffen<br />

wurden. In der Hoffnung, das Feuer zu<br />

FAKTEN<br />

Bei den vier Nachtangriffen auf Hamburg warfen<br />

die daran beteiligten Bomberverbände<br />

der RAF zwischen dem 24. Juli und dem 3.<br />

August 1943 insgesamt mehr als 9.000 Tonnen<br />

Bomben ab. Die von der USAAF bei ihren<br />

beiden Tagesangriffen zusätzlich abgeworfene<br />

Bombenlast ist darin nicht enthalten.<br />

Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der<br />

„Luftschlacht um England“, in den Monaten<br />

September, Oktober und November 1940,<br />

warf die deutsche Luftwaffe insgesamt etwa<br />

5.800 Tonnen Bomben auf Ziele in ganz<br />

Großbritannien ab.<br />

Zahlenangaben sind grundsätzlich mit<br />

Vorsicht zu genießen und selbst hinsichtlich<br />

ÜBERLEBT: Zivilisten inmitten einer verwüsteten Straße<br />

im Stadtteil Altona, der gleich zu Beginn der Luftangriffe<br />

schwer in Mitleidenschaft gezogen wird.<br />

Foto: ullstein bild – Erich Andres<br />

löschen, sprangen sie in die zahlreichen Kanäle,<br />

nur um beim Auftauchen erneut in<br />

Flammen aufzugehen.<br />

Zahlenangaben zur <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

der eingesetzten Flugzeuge weichen Primärquellen<br />

wie die Kriegstagebücher von RAF<br />

und USAAF sowie deutsche Dokumente zum<br />

Teil erheblich voneinander ab. Insgesamt<br />

kann man jedoch davon ausgehen, dass die<br />

RAF im Rahmen der <strong>Operation</strong> <strong>„Gomorrha“</strong><br />

mehr als 3.000 Bomber einsetzte, von denen<br />

nur ein geringer Prozentsatz der deutschen<br />

Verteidigung zum Opfer fielen.<br />

Auch die genaue Anzahl der Todesopfer<br />

unter der Zivilbevölkerung ist nicht bekannt.<br />

Zeitnahe Schätzungen gingen von 30.000<br />

bis 50.000 Toten aus, heute ist in der Geschichtsforschung<br />

zumeist von etwa<br />

35.000 Opfern die Rede.<br />

MAHNUNG: „Friedensgebet“ von Edith<br />

Breckwoldt vor der Ruine der Ehemaligen<br />

Hauptkirche St. Nikolai in Hamburg. Die<br />

Skulptur erinnert an den gewaltigen Feuersturm,<br />

der Hamburg im Sommer 1943 in<br />

Schutt und Asche legte. Foto: picture-alliance/dpa<br />

Unvorstellbare Katastrophe<br />

Am 29. Juli 1943 notiert Reichsminister für<br />

Volksaufklärung und Propaganda, Joseph<br />

Goebbels, in sein Tagebuch: „In der Nacht<br />

hat der bisher schwerste Luftangriff auf<br />

Hamburg stattgefunden. Die Engländer sind<br />

mit 800 bis 1.000 Bombenflugzeugen über<br />

der Stadt erschienen. Unsere Luftverteidigung<br />

erzielte nur wenige Abschüsse, so dass<br />

man hier von einer nennenswerten Einbuße<br />

des Angreifers nicht sprechen kann. Kaufmann<br />

[Karl Otto Kaufmann war NS-Gauleiter<br />

und Reichsstatthalter in Hamburg] gibt<br />

mir einen ersten Bericht über die Wirkungen<br />

des britischen Luftangriffs. Er spricht von einer<br />

Katastrophe von vorläufig unvorstellbaren<br />

Ausmaßen. Wir haben hier die Zerstörung<br />

einer Millionenstadt festzustellen, die<br />

bisher in der Geschichte wohl kein Beispiel<br />

findet. Es tauchen damit Probleme auf, die<br />

fast nicht zu bewältigen sind.“<br />

Die sonst üblichen Durchhalteparolen des<br />

Propagandaministers hörten sich anders an.<br />

Tatsächlich wurde mit der <strong>Operation</strong><br />

<strong>„Gomorrha“</strong> innerhalb von elf Tagen das<br />

über Jahrhunderte gewachsene Stadtbild der<br />

traditionsreichen Hansestadt weitgehend<br />

ausgelöscht.<br />

Zielsetzung verfehlt<br />

Insgesamt führte die „Combined Bomber<br />

Offensive“ gegen Hamburg nicht zum erhofften<br />

Erfolg. Weder erhob sich die Bevölkerung<br />

gegen die NS-Machthaber noch<br />

blieb die vor Ort ansässige Rüstungsindustrie<br />

dauerhaft ausgeschaltet. Die deutsche<br />

Luftverteidigung erholte sich anschließend<br />

sogar überraschend schnell von ihrer anfänglichen<br />

Überrumpelung.<br />

Zwar war das „Himmelbett“-Verfahren<br />

mit einem Schlag erledigt, nicht jedoch die<br />

deutsche Nachtjagd. Die „Wilde Sau“-Taktik<br />

wurde improvisiert, das im Herbst 1943 eingeführte<br />

„Lichtenstein SN2“ war weniger<br />

störungsanfällig, weitere technische und taktische<br />

Neuerungen wurden von deutscher<br />

Seite eingeführt. Die nächtlichen Verluste<br />

der RAF stiegen wieder an. Gleiches galt<br />

auch für die Abwehr alliierter Tagangriffe.<br />

Hamburgs Zerstörung 1943 markierte einen<br />

Wendepunkt: Von nun an besaß der Ausbau<br />

der „Reichsverteidigung“ höchste Priorität.<br />

30


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Wann wurde Helgoland<br />

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Nichtinteresse vermerken Sie dies bitte auf Ihrer Postkarte<br />

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Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />

Alliierte Landung auf Sizilien 1943<br />

Sturm auf die<br />

„Festung Europa“<br />

10. Juli 1943: In den frühen Morgenstunden landen mehrere Tausend amerikanische<br />

und britische Soldaten auf der italienischen Mittelmeerinsel Sizilien. Die <strong>Operation</strong><br />

„Husky“ soll das Tor zur „Festung Europa“ aufstoßen...<br />

Von Lukas Grawe<br />

UNBEHELLIGT: Landung von US-Truppen<br />

auf Sizilien am 11. Juli 1943.<br />

Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

32


Um den Krieg nach Westeuropa zu tragen<br />

und mit Hilfe einer zweiten Front<br />

Druck vom sowjetischen Verbündeten<br />

zu nehmen, entscheiden sich die Alliierten<br />

Anfang des Jahres 1943 für eine Invasion<br />

auf Sizilien.<br />

Für die Eroberung der Mittelmeerinsel<br />

spricht vor allem ihre Lage: Mit Sizilien als<br />

Ausgangspunkt ist eine Invasion des italienischen<br />

Festlandes möglich. Zudem erleichtert<br />

der Besitz der Insel die Kontrolle des<br />

Schiffsverkehrs im westlichen Mittelmeer.<br />

Da die geplante Invasion in Frankreich<br />

nicht vor 1944 durchführbar ist, legen sich<br />

die amerikanischen und britischen Militärs<br />

auf den italienischen Schwerpunkt fest. Italien<br />

ist seit der vernichtenden Niederlage in<br />

Nordafrika nur noch ein unsicherer Bundesgenosse<br />

des Deutschen Reichs.<br />

Mit der Eroberung Siziliens soll daher Italien<br />

aus dem Krieg an der Seite des Deutschen<br />

Reiches gedrängt werden. Hitler wäre<br />

auf diese Weise gezwungen, die italienisch<br />

besetzten Gebiete in Südfrankreich und auf<br />

dem Balkan mit eigenen Truppen zu halten.<br />

Die im Januar einsetzende Planung für<br />

die Invasion der Insel gestaltet sich aufgrund<br />

der komplizierten alliierten Kom-<br />

mandostruktur im Mittelmeerraum als<br />

schwierig. Hinzu kommen persönliche Abneigungen<br />

zwischen amerikanischen und<br />

britischen Offizieren. In operativer Hinsicht<br />

kommt es den alliierten Landungstruppen<br />

vor allem auf die Inbesitznahme<br />

von Häfen und Landungsplätzen an, um<br />

die Versorgung der Truppen zu gewährleisten.<br />

Nicht alle Teile Siziliens liegen zudem<br />

in der Reichweite der alliierten Jagdflieger<br />

auf Malta, sodass die Eroberung von Flugplätzen<br />

eine hohe Bedeutung erlangt.<br />

Schwache Verteidigungsanlagen<br />

Eine Landung auf Sizilien wird durch die<br />

schwachen Verteidigungsanlagen begünstigt.<br />

Der deutsche Oberbefehlshaber der<br />

Heeresgruppe Süd, Generalfeldmarschall<br />

Albert Kesselring, stellt wenige Tage vor Beginn<br />

der alliierten Invasion fest: „Die Verstärkung<br />

der natürlichen Abwehrkraft der<br />

Inseln durch die Anlage von Befestigungen<br />

ist nicht in ausreichendem Maße erfolgt.“<br />

Zudem zwingt die lange Küste Siziliens den<br />

Verteidiger zu einer Dekonzentration der<br />

Kräfte. Trotz aller Argumente, die für eine<br />

alliierte Landung auf der Insel sprechen,<br />

kennen die „Achsenmächte“ die gegnerischen<br />

Landungsabsichten nicht. Mit Hilfe<br />

eines groß angelegten Täuschungsmanövers<br />

erhöhen die Alliierten die Unsicherheit<br />

bei ihrem Gegner. Die Wehrmachtführung<br />

HINTERGRUND<br />

Die „Achse“ Berlin – Rom<br />

Seit dem 1936 geschlossenen geheimen<br />

Freundschaftsvertrag bildet sich eine enge<br />

Zusammenarbeit zwischen dem faschistischen<br />

Italien und dem „Dritten Reich“ aus.<br />

Mit dem „Stahlpakt“ von 1939 sichern sich<br />

beide Länder im Falle eines Krieges unbedingte<br />

militärische Unterstützung zu, die<br />

auch für einen Angriffskrieg gilt. Während<br />

sich Italien noch nicht am Polenfeldzug beteiligt,<br />

tritt es am 10. Juni 1940 in den Krieg<br />

gegen Frankreich und Großbritannien ein.<br />

In der Folgezeit unterstützt Hitler Mussolinis<br />

Pläne zur Errichtung eines zweiten „Imperium<br />

Romanum“ auf dem Balkan und in Afrika.<br />

Grundlage für die deutsche Unterstützung<br />

sind jedoch überwiegend eigene Interessen.<br />

Italien beteiligt sich währenddessen<br />

an Hitlers Feldzug gegen die Sowjetunion, der<br />

jedoch von der italienischen Bevölkerung als<br />

„deutscher Krieg“ angesehen wird.<br />

Mit dem Sturz Mussolinis und der folgenden<br />

Kriegserklärung Italiens an das Deutsche<br />

Reich Ende 1943 endet die militärische<br />

Zusammenarbeit, die stets von<br />

starken Spannungen und Interessengegensätzen<br />

geprägt ist.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

33


Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />

rechnet mit einer Invasion auf Sardinien<br />

und in Griechenland, veranschlagt diese jedoch<br />

auf den Spätsommer. Diese Ungewissheit<br />

führt auf Seiten der „Achse“ zur Verteilung<br />

sämtlicher verfügbarer Truppen im gesamten<br />

italienischen Raum und damit zur<br />

Zersplitterung der ohnehin schon geschwächten<br />

Kräfte.<br />

Die deutschen Truppen, die nicht mehr<br />

rechtzeitig vor der Kapitulation des „Afrikakorps“<br />

vom italienischen Festland aus<br />

nach Tunesien verlegt werden konnten, bilden<br />

ab Mai 1943 den Kern der Verteidigungstruppe<br />

in Italien. Auf Sizilien unterstützen<br />

die 15. Panzergrenadierdivision<br />

und die Panzerdivision „Hermann Göring“<br />

die italienische 6. Armee unter dem Kommando<br />

von Generaloberst Alfredo Guzzoni,<br />

der direkt dem italienischen „Comando<br />

Supremo“ untersteht. Aus taktischen Gründen<br />

sind die deutschen Verbände anfangs<br />

dem italienischen Oberbefehl unterstellt.<br />

VERNICHTET: Das Schiff eines<br />

amerikanischen Nachschubkonvois<br />

erhält durch ein deutsches<br />

Kampfflugzeug einen<br />

Volltreffer und explodiert.<br />

Foto: ullstein bild - Roger Viollet<br />

KARTE<br />

Kampf um Sizilien Juli/August 1943<br />

ÜBERBLICK: Die Position der deutsch-italienischen Verteidiger (oben) und der Verlauf<br />

der Kämpfe im Juli/August 1943 (unten).<br />

Fehlschlag zum Auftakt<br />

Insgesamt stehen Anfang Juli rund 28.000<br />

deutsche und etwa 200.000 italienische Soldaten<br />

auf der Insel. Letztere sind zumeist<br />

schlecht bewaffnet und nur dürftig ausgebildet.<br />

Während die Panzerdivision „Hermann<br />

Göring“ und die italienischen Divisionen<br />

„Napoli“ und „Livorno“ im Süden<br />

der Insel stehen, sichern die 15. Panzergrenadierdivision<br />

und die Divisionen „Aosta“<br />

und „Assieta“ den Westen Siziliens. Die<br />

deutsche „Kampfgruppe Schmalz“ deckt<br />

die Ostküste im Raum von Catania.<br />

Nachdem alliierte Streitkräfte im Juni<br />

1943 bereits einige kleinere Inseln im Vor-<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

34


Kriegsmüde Italiener<br />

FAKTEN<br />

Die Kriegsparteien im Überblick<br />

feld Siziliens genommen haben, beginnt in<br />

der Nacht des 9. Juli die alliierte Invasion<br />

mit groß angelegten Luftlandeunternehmen<br />

bei Syrakus. Ziel ist es, wichtige Brücken<br />

und strategisch bedeutsame Berghöhen<br />

zu erobern und bis zum Eintreffen der<br />

Hauptinvasionsstreitmacht zu halten. Aufgrund<br />

eines starken Sturms verfehlen jedoch<br />

die meisten Fallschirmspringer ihre<br />

Landezonen, nur circa zehn Prozent erreichen<br />

ihre Zielbestimmung. Viele „Paras“<br />

ertrinken im Mittelmeer, andere geraten in<br />

Gefangenschaft. Trotz des Fehlschlags gelingen<br />

einige örtliche Erfolge. Die Luftlandetruppen<br />

stiften zudem unter den Verteidigern<br />

große Verwirrung.<br />

Einige Stunden später beginnt die eigentliche<br />

Invasion der Insel. Bis zu 3.000<br />

Schiffe und Boote landen innerhalb von wenigen<br />

Tagen eine Streitmacht von 180.000<br />

Soldaten, 1.800 Geschützen und 600 Panzer<br />

UNTER BESCHUSS: Britische Soldaten<br />

geraten in gegnerisches Feuer.<br />

Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Ziel<br />

„Achsenmächte“<br />

Zerschlagung der alliierten<br />

Landungstruppen;<br />

Stopp des weiteren Vormarschs der<br />

Alliierten<br />

Truppenstärke ca. 28.000 deutsche und 200.000<br />

italienische Soldaten,<br />

Ende Juli ca. 320.000 Mann<br />

Verluste Deutsche: 4.600 Gefallene, 13.500<br />

Verwundete, 5.500 Gefangene,<br />

Italiener: 4.300 Gefallene, 32.500<br />

Verwundete, 115.000 Gefangene<br />

auf Sizilien. Unterstützt werden die Truppen<br />

von 3.500 Flugzeugen. Dieser materiellen<br />

Überlegenheit haben die Verteidiger<br />

nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.<br />

Die italienische Marine kann die Anlandung<br />

der alliierten Truppen ebenso wenig<br />

verhindern wie die Luftwaffe. Auch die geringfügige<br />

Unterstützung durch deutsche<br />

U-Boote und Flugzeuge kann an diesem<br />

Umstand nichts ändern.<br />

Alliierte gehen an Land<br />

Um 2:45 Uhr gehen die ersten amerikanischen<br />

Soldaten der 7. Armee unter dem Befehl<br />

von Generalleutnant George S. Patton<br />

im Raum Gela-Licata an Land. Die britische<br />

Alliierte<br />

Eröffnung einer zweiten Front in<br />

Westeuropa; Sicherung des<br />

Mittelmeerschiffsverkehrs;<br />

Ausschaltung Italiens als Verbündeter<br />

an der Seite Deutschlands<br />

Zu Beginn der <strong>Operation</strong> „Husky“<br />

180.00 Mann,<br />

am Ende 470.000 Soldaten<br />

Briten: 2.700 britische Gefallene,<br />

8.000 Verwundete,<br />

11.500 Malariakranke,<br />

Amerikaner: 2.800 Gefallene, 6.500<br />

Verwundete, 9.800 Malariakranke<br />

8. Armee unter General Montgomery folgt<br />

ihnen um 4:15 Uhr in einem südwestlich<br />

von Syrakus gelegenen Abschnitt. Die ersten<br />

Landungswellen treffen auf überraschte<br />

Verteidiger. Der schwache Widerstand<br />

der italienischen Küstendivisionen kann<br />

die Angreifer nicht aufhalten. Vielerorts ergeben<br />

sich die notdürftig zusammengestellten<br />

italienischen Reservetruppen<br />

kampflos den alliierten Invasoren. Britische<br />

Soldaten erobern ohne einen Schuss abzufeuern<br />

noch am selben Tag die Stadt Syrakus<br />

im Südwesten Siziliens. Energische Gegenwehr<br />

kommt vielerorts zu spät: Die<br />

weit verteilten Verbände der „Achsenmächte“<br />

können erst eingreifen, als die<br />

Clausewitz 3/2013<br />

35


Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />

WÄHREND DES<br />

KAMPFES: Deutsche<br />

Artillerie nimmt britische<br />

Stellungen unter<br />

Feuer.<br />

Foto: ullstein bild – TopFoto<br />

Alliierten bereits Fuß gefasst haben. Zwar<br />

starten die Panzerdivision „Hermann Göring“<br />

und die Division „Livorno“ starke<br />

Angriffe gegen den amerikanischen Landungsabschnitt,<br />

doch gelingt den alliierten<br />

Soldaten die Bildung von Brückenköpfen,<br />

die von See und aus der Luft unterstützt<br />

werden.<br />

In der Nacht erkennt Guzzoni, dass von<br />

den britischen Truppen die größere Bedrohung<br />

ausgeht und dass der Rückzugsort<br />

und Fährhafen Messina in Gefahr ist. Er erteilt<br />

daraufhin der Division „Hermann Göring“<br />

den Auftrag, die amerikanische 45.<br />

Infanteriedivision in der Flanke zu packen<br />

Koordinator des Rückzugs:<br />

Hans-Valentin Hube<br />

„It was a jolly good race.<br />

I congratulate you.“<br />

Ein britischer Offizier zu Generalleutnant<br />

Patton anlässlich der Eroberung<br />

Messinas am 17. August 1943.<br />

und sich anschließend mit der „Kampfgruppe<br />

Schmalz“ im Osten zu vereinigen.<br />

Auf diese Weise soll der britischen 8. Armee<br />

der Weg nach Messina versperrt werden.<br />

Die „Livorno“-Division soll sich nach<br />

Westen wenden und mit der deutschen 15.<br />

Panzergrenadierdivision vereinigen. Beide<br />

Der 1890 in Naumburg/Saale geborene Hube ist nach dem Ersten<br />

Weltkrieg vor allem als Infanterieausbilder tätig, 1935 wird er Kommandeur<br />

der Infanterieschule Döberitz.<br />

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs kommandiert er eine Infanteriedivision,<br />

die im Rahmen des Westfeldzugs die Kanalküste erreicht.<br />

Anschließend formt er seinen Verband in eine Panzerdivision um,<br />

die als Ausbildungstruppe die verbündeten Rumänen unterstützt.<br />

Während des Russlandfeldzugs zeichnet sich Hube unter<br />

anderem als Kommandeur der 16. Panzerdivision wiederholt<br />

durch besondere militärische Leistungen aus. Im Rahmen des<br />

Angriffs auf Stalingrad kommandiert Hube das XIV. Panzerkorps.<br />

Auf Befehl Hitlers wird er am 18. Januar 1943 aus dem Kessel<br />

ausgeflogen.<br />

Anschließend nimmt der hochdekorierte General der Panzertruppe<br />

an den Kämpfen um Sizilien und auf dem italienischen<br />

Festland teil. Nach der Übernahme des Oberbefehls über die<br />

1. Panzerarmee kehrt er an die Ostfront zurück. Im April 1944<br />

kommt Hube bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.<br />

Foto: picture-alliance/United Archives/TopFoto<br />

Verbände sollen anschließend den amerikanischen<br />

Brückenkopf zerschlagen. Trotz der<br />

Anstrengungen können die alliierten Landungszonen<br />

nicht durchbrochen werden.<br />

Die Schiffsgeschütze stoppen die angreifenden<br />

Truppen der „Achse“ und fügen ihnen<br />

große Verluste zu.<br />

Verluste durch Schiffsgeschütze<br />

Am Abend desselben Tages hat die deutsche<br />

Panzerdivision ein Drittel ihrer Kampfwagen<br />

im Geschosshagel der alliierten Schiffe<br />

und Panzerabwehrgeschütze verloren. Sowohl<br />

die Division „Livorno“ als auch die Division<br />

„Hermann Göring“ müssen in ihre<br />

Ausgangspositionen zurückkehren.<br />

Die deutsche Führung sieht die Lage auf<br />

Sizilien bereits drei Tage nach Beginn der<br />

Invasion als äußerst bedrohlich an. Generalfeldmarschall<br />

Kesselring meldet am<br />

13. Juli an das Oberkommando der Wehrmacht,<br />

dass die Masse der italienischen<br />

Verteidiger bereits jetzt vollkommen versagt<br />

habe und die Last des Kampfes fast<br />

ausschließlich auf deutschen Schultern liege.<br />

Ein Gegenangriff sei unter diesen Umständen,<br />

auch wegen fehlender Luftunterstützung,<br />

nicht mehr möglich. Kesselring<br />

ist sich sogar sicher: „Mit den jetzigen deutschen<br />

Kräften allein ist die Insel nicht zu<br />

halten.“ Die „Achsenmächte“ verfügen<br />

auch über keine strategischen Reserven<br />

mehr. Trotzdem zaudert Kesselring, die Anzahl<br />

der deutschen Truppen auf Sizilien zu<br />

erhöhen, da er es für unmöglich hält, mit<br />

dem alliierten Nachschubtempo mithalten<br />

zu können. Ein allzu schneller Verlust Siziliens<br />

soll dennoch verhindert werden.<br />

36


Deutsch-italienische Spannungen<br />

Kesselring fürchtet die politischen Rückwirkungen,<br />

die der Fall der Insel auf den<br />

Bündnispartner Italien haben würde.<br />

ANWERBUNG: Plakat zur Freiwilligenwerbung<br />

der bei den<br />

Kämpfen um Sizilien 1943 eingesetzten<br />

Division „Hermann<br />

Göring“. Foto: ullstein bild - LEONE<br />

„Achsenmächte“ auf dem Rückzug<br />

Sein neues Ziel ist daher nur noch ein hinhaltender<br />

Rückzug und damit einhergehend<br />

ein großer Zeitgewinn. Dabei sollen<br />

sich die Truppen der „Achse“ langsam in<br />

Richtung Messina zurückziehen und den<br />

alliierten Vormarsch so lange wie möglich<br />

verzögern.<br />

Am 12. Juli trifft mit der 1. Fallschirmjägerdivision<br />

die erste deutsche Verstärkung<br />

aus Unteritalien ein, drei Tage später folgt<br />

die 29. Panzergrenadierdivision. Sämtliche<br />

deutschen Verbände werden unter der Bezeichnung<br />

XIV. Panzerkorps zusammengefasst<br />

und dem Befehl des Generals<br />

der Panzertruppe<br />

Hans-Valentin Hube unterstellt.<br />

Der Panzerdivision „Hermann Göring“<br />

gelingt es in der Zwischenzeit, die Lücke<br />

zur „Kampfgruppe Schmalz“ zu schließen<br />

und auf der Linie San Stefano–Catania<br />

im Nordostteil der Insel Verteidigungsstellungen<br />

zu errichten. Derweil gibt Hitler den<br />

Befehl, „unter unauffälliger Ausschaltung“<br />

der verbündeten italienischen<br />

„Kommandostellen“ die „Gesamtführung<br />

im Brückenkopf Sizilien“<br />

zu übernehmen.<br />

Diese Weisung stellt eine Entmachtung<br />

der italienischen Führung<br />

auf der Insel dar und sorgt<br />

für erhebliche Spannungen zwischen<br />

den Bundesgenossen. Stellenweise<br />

kommt es sogar zu bewaffneten<br />

Scharmützeln, die auf beiden Seiten<br />

Tote fordern.<br />

Der italienische Ärger<br />

kann jedoch nicht<br />

verhindern, dass der<br />

deutsche Bündnispartner<br />

die <strong>Operation</strong>sführung<br />

ganz und gar an<br />

sich reißt.<br />

AUSGESCHALTET:<br />

Ein zerstörter<br />

US-Panzer vom Typ<br />

„Sherman“ auf<br />

Sizilien. Foto: ullstein bild<br />

Der undiplomatische General<br />

George S. Patton<br />

Der 1885 in Kalifornien<br />

geborene Patton sammelt<br />

bereits im Kampf gegen Aufständische<br />

in Mexiko und im<br />

Ersten Weltkrieg erste militärische<br />

Erfahrungen. Als Ausbilder<br />

für Panzerfahrer avanciert<br />

er zu einem<br />

ausgewiesenen Kenner<br />

dieser neuen Waffengattung.<br />

Im Zweiten Weltkrieg<br />

erhält er zunächst ein<br />

Kommando in Nordafrika, um<br />

in Sizilien mit der Einnahme<br />

Messinas auf sich aufmerksam<br />

zu machen. Trotz<br />

militärischer Erfolge gilt<br />

Patton als unbequem,<br />

zynisch, undiplomatisch und<br />

widerspenstig.<br />

Als Befehlshaber der<br />

3. U.S. Army erlangt er vor<br />

allem bei der Abwehr der<br />

deutschen Ardennenoffensive<br />

1944/45 großen Ruhm. Patton<br />

stirbt kurz nach Kriegsende an<br />

den Folgen eines Autounfalls.<br />

Die Kompetenzstreitigkeiten enden offiziell<br />

am 31. Juli, indem Generaloberst Guzzoni<br />

den Befehl über alle Truppen der „Achsenmächte“<br />

an Hube übergibt.<br />

Montgomery verärgert Patton<br />

Auch auf Seiten der Alliierten kommt es zu<br />

Meinungsverschiedenheiten. Der Befehlshaber<br />

der britischen 8. Armee, Bernard Montgomery,<br />

will mit seinen Truppen die Insel im<br />

Alleingang erobern und sieht die amerikanische<br />

7. Armee lediglich als Flankenschutz<br />

an. Die Amerikaner sind notgedrungen in<br />

die Rolle des Juniorpartners gedrängt worden,<br />

da die erfahrenen britischen Soldaten<br />

bereits in der Planungsphase für die Eroberung<br />

Messinas vorgesehen sind und daher<br />

mehr Nachschub erhalten. Der britische General<br />

Harold Alexander, Oberbefehlshaber<br />

der alliierten Landstreitkräfte, bringt der<br />

amerikanischen Truppe anfangs großes<br />

Misstrauen entgegen. Er schätzt ihre Leistungsfähigkeit<br />

als gering ein und will ihr<br />

keine größeren Aufgaben anvertrauen. Aus<br />

diesem Grund teilt er der britischen Armee<br />

die meisten Vormarschstraßen zu und überlässt<br />

den Amerikanern nur den bedeutungsärmeren<br />

Westteil Siziliens. Doch Montgomery<br />

mutet seinen Soldaten zu viele<br />

Foto: Rue des Archives/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Clausewitz 3/2013<br />

37


Schlachten der Weltgeschichte | <strong>Operation</strong> „Husky“<br />

GEBALLTE KRAFT: Ein schwerer Kampfpanzer vom Typ „Tiger I“ in einer süditalienischen<br />

Ortschaft.<br />

Foto: SZ Photo/Süddeutsche Zeitung Photo<br />

Aufträge zu und erweitert vielfach eigenwillig<br />

seinen vorher abgesteckten Kampfsektor.<br />

An eine gemeinsame Planung mit<br />

seinem amerikanischen Gegenüber Patton<br />

denkt er nicht und verärgert somit seinen<br />

Bundesgenossen. Trotz der Bevorzugung<br />

an Nachschub und Material kommen die<br />

Briten jedoch nur schleppend voran. Die<br />

„Achsenmächte“ stellen ihnen ihre besten<br />

Divisionen in den Weg, um Messina unter<br />

allen Umständen so lange wie möglich zu<br />

verteidigen.<br />

Zur Division „Hermann Göring“ und<br />

der „Kampfgruppe Schmalz“ tritt nun auch<br />

noch die 1. Fallschirmjägerdivision. Den<br />

erstklassig ausgebildeten deutschen Truppen<br />

kommt bei der Defensive zudem das<br />

Terrain zur Hilfe. Je weiter die Briten nach<br />

Norden vorstoßen, desto bergiger und unwegsamer<br />

wird das Gelände und begünstigt<br />

den Verteidiger.<br />

Patton akzeptiert vorerst die ihm zugedachte<br />

Rolle, erkennt bald aber die Möglichkeiten,<br />

die sich seiner Truppe im Westteil<br />

der Insel bieten. Die wichtige Hafenstadt<br />

Palermo im Nordwesten Siziliens<br />

bildet daher das neue Ziel der 7. Armee, der<br />

nur noch wenige italienische Einheiten gegenüber<br />

stehen. Alle anderen Verbände der<br />

„Achse“ haben bereits die neue Verteidigungsstellung<br />

am Ätna im Nordosten der<br />

Insel bezogen. Während die Briten südlich<br />

des Vulkans festliegen, beginnt Pattons<br />

7. Armee am 21. Juli ihren Vormarsch nach<br />

Nordwesten in Richtung Palermo. Schon<br />

nach wenigen Stunden haben die Amerikaner<br />

4.000 Gefangene zu verzeichnen, da<br />

sich die meisten Italiener kampflos ergeben.<br />

Bereits zwei Tage später ist Palermo in<br />

amerikanischer Hand. Um den restlichen<br />

Westteil der Insel einzunehmen, befiehlt<br />

Patton der 82. Airborne Division den Vormarsch<br />

auf Trapani. Hier leisten die Italiener<br />

Widerstand, der jedoch nach wenigen<br />

Stunden gebrochen wird. Der ganze Westteil<br />

Siziliens ist damit unter amerikanischer<br />

Kontrolle und die Eroberung Messinas das<br />

neue Ziel Pattons.<br />

Alliierter Erfolg<br />

Die Eroberung Messinas wird in der Folgezeit<br />

zu einem Wettlauf zwischen Montgomery<br />

und Patton, bei dem es mehr um<br />

Ruhm und persönliche Eitelkeiten als um<br />

militärische Sinnhaftigkeit geht. Während<br />

Patton jedoch von Palermo aus an der<br />

Nordküste große Fortschritte erzielt, liegt<br />

Montgomery noch immer südlich des Ätna<br />

vor den starken deutschen Stellungen fest.<br />

Der zuerst skeptische General Alexander<br />

„Mit den jetzigen deutschen Kräften allein<br />

ist die Insel nicht zu halten.“<br />

Generalfeldmarschall Kesselring an das OKW am 13. Juli 1943.<br />

Literaturtipp<br />

Gerhard Schreiber: Das Ende des nordafrikanischen<br />

Feldzugs und der Krieg in Italien<br />

1943–1945, in: Das Deutsche Reich und der<br />

Zweite Weltkrieg, Bd. 8, München 2007, S.<br />

1100-1162.<br />

gibt aufgrund der unerwarteten Lageentwicklung<br />

Patton die Erlaubnis zum Sturm<br />

auf Messina.<br />

Der Fall von Palermo führt derweil zum<br />

Sturz des italienischen Diktators Mussolini.<br />

Fortan wird die Evakuierung der deutschen<br />

Truppen auf Sizilien vorbereitet, um<br />

ein „zweites Tunesien“ zu verhindern. Hube<br />

will trotz allem einen geordneten Rückzug<br />

und wirft daher den amerikanischen<br />

Truppen die 29. Panzergrenadierdivision<br />

entgegen, die den Vormarsch der 7. Armee<br />

verlangsamen soll. Am 25. Juli einigen sich<br />

Amerikaner und Briten auf einen gemeinsamen<br />

Vorstoß, um die Verbände der „Achse“<br />

in die Zange zu nehmen. In der Nacht<br />

vom 29. auf den 30. Juli beginnen die Briten<br />

daraufhin mit ihrer Offensive und drängen<br />

die Deutschen zurück. Diese lassen sich wie<br />

geplant auf eine rückwärtige Linie fallen.<br />

Patton versucht unterdessen, den amerikanischen<br />

Vormarsch durch Truppenlandungen<br />

hinter den deutschen Linien zu beschleunigen.<br />

Diese Aktion verläuft jedoch<br />

größtenteils erfolglos.<br />

Am 11. August beginnen die Deutschen<br />

mit der Evakuierung ihrer Truppen. Durch<br />

die Verteidigungserfolge gelingt es ihnen<br />

sogar, große Teile ihrer Ausrüstung zu retten.<br />

Letzte Versuche der Alliierten, den<br />

Rückzug der deutschen Verbände abzuschneiden,<br />

scheitern.<br />

Das Rennen um Messina entscheidet<br />

Patton gegen seinen Konkurrenten Montgomery<br />

für sich. Am Abend des 16. August<br />

rückt die 3. amerikanische Infanteriedivision<br />

kampflos in die geräumte Stadt ein. Nur<br />

einige Stunden später betreten auch die Briten<br />

den eroberten Fährhafen. Ein britischer<br />

Offizier begrüßt Patton mit den Worten: „It<br />

was a jolly good race. I congratulate you.“<br />

Das „fröhliche Rennen” kostet jedoch 5.500<br />

alliierte Soldaten das Leben, fast 15.000<br />

werden verwundet. Zusätzlich fordert die<br />

Malaria viele Opfer.<br />

Die Alliierten erreichen somit ihre gesteckten<br />

Ziele: Zwar gelingt es nicht, die<br />

gegnerischen Verbände vollständig zu vernichten,<br />

doch ist nun das gesamte Mittelmeer<br />

unter alliierter Kontrolle und das Tor<br />

zur „Festung Europa“ weit aufgestoßen.<br />

Lukas Grawe, M.A., Jahrgang 1985, Historiker aus<br />

Münster.<br />

38


Werte, die erhalten bleiben<br />

20 Jahre Wiederaufnahme<br />

des Brockenbahn-Betriebes<br />

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Militärtechnik im Detail<br />

Schlagkräftiger Hybrid:<br />

Leichter Flugzeugträger<br />

der Independence-Klasse<br />

Um nach Pearl Harbor mehr Flugzeugträger<br />

in den Kampf schicken zu können,<br />

machte die New York Shipbuilding<br />

Corporation aus der Not eine Tugend, indem<br />

sie bereits im Bau befindliche<br />

leichte Kreuzer zu leichten<br />

Trägern bzw. CVLs umkonstruierte.<br />

„Hauptsache<br />

war, dass sie leicht durch<br />

den Panamakanal passten“,<br />

sagte James Devine, ein Flugdeckoffizier<br />

an Bord der PRINCE-<br />

TON (CVL-23) – das einzige der<br />

neun Schiffe, welches bei Kampfhandlungen<br />

versenkt wurde. Obwohl<br />

zu klein, hatten die CVLs anders<br />

als Geleitflugzeugträger die nötige Leistungsfähigkeit,<br />

um in Kampfgruppen<br />

agieren zu können. Sie dienten von Baker<br />

Island bis Japan und kamen bei Tarawa,<br />

Saipan, Kwajalein, Iwo Jima und anderen<br />

entscheidenden Einsätzen zum Zuge. Während<br />

der Schlacht um die Philippinische See<br />

stellten CVLs mehr als ein Drittel der U.S.-<br />

Navy-Torpedobomber und -Jäger. So versenkten<br />

Piloten der BELLEAU WOOD<br />

(CVL-24 nebenstehend abgebildet) den japanischen<br />

Träger HIYO. Es war auch ein Pilot<br />

der BELLEAU WOOD, der eines der<br />

letzten japanischen Flugzeuge des Krieges<br />

abschoss. Im Jahr 1951 wurde das Typschiff<br />

INDEPENDENCE (CVL-22) bei einem<br />

Atombombentest geopfert. Die U.S. Navy<br />

verkaufte die verbliebenen leichten Träger<br />

anderen Marinen oder ließ sie einfach abwracken.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

100.000 Pferdestärken<br />

Ölbefeuerte Kessel, die vier Turbinen<br />

von Babcock & Wilcox antrieben, verliehen<br />

den leichten Trägern eine Höchstgeschwindigkeit<br />

von bis zu 32 Knoten.<br />

NEUE SERIE<br />

Nachträglich aufgeweiteter Rumpf<br />

Um den leichten Träger im Gleichgewicht zu halten, haben die Schiffsbauer<br />

Aufweitungen hinzugefügt, die die Schiffsbreite um fünf Fuß (1, 52<br />

Meter) vergrößerten. Dabei wurde die backbordseitige Erweiterung mit<br />

Zement als Ballast befüllt. Ein beladener CVL wog 15.800 Tonnen.<br />

Beengte Kommandozentrale<br />

Die zwangsläufig verkleinerten Inseln<br />

zwängten Kommando- und Kontrollstände<br />

in sehr beengte Räume.<br />

HMS HERMES<br />

Verdrängung: 13.700 Tonnen ● Länge: 182,88<br />

Meter ● Geschwindigkeit: 25 Knoten ● Flugzeuge:<br />

20 ● 1923 in Dienst gestellt.<br />

Großbritanniens erster echter Flugzeugträger ließ<br />

seine Flugzeuge auf Ceylon zurück, als er am<br />

9. April 1942 dort auslief, nur um dann von<br />

Sturzkampfbombern der AKAGI, SORYU und der<br />

HIRYU überwältigt zu werden. Die HMS HERMES<br />

war der erste Flugzeugträger, der von anderen<br />

Trägern versenkt wurde.<br />

ZUIHO-Klasse<br />

Verdrängung: 11.443 Tonnen ● Länge: 205,49<br />

Meter ● Geschwindigkeit: 28 Knoten ● Flugzeuge: 30<br />

Bei den Einheiten dieser Klasse handelt es sich<br />

um ursprünglich als U-Boot-Versorger gedachte<br />

Schiffe; Die SHOHO wurde in der Schlacht im<br />

Korallenmeer von Flugzeugen der LEXINGTON und<br />

YORKTOWN am 7. Mai 1942 versenkt. Dagegen<br />

wurde die ZUIHO bei Kap Engano von Flugzeugen<br />

der Kampfgruppe 38 am 25. Oktober 1944<br />

versenkt.<br />

HIYO-Klasse<br />

Verdrängung: 23.770 Tonnen ● Länge: 219,33<br />

Meter ● Geschwindigkeit: 25,5 Knoten ● Flugzeuge:<br />

48-53<br />

Aufgebaut auf Luxuslinerrümpfen, hatten die<br />

beiden Träger dieser Klasse bewegte Laufbahnen.<br />

Eine arg ramponierte JUN´YO wurde nach dem<br />

Krieg abgewrackt. Die HIYO ging am 20. Juni<br />

1944 nach ihrem Gefecht mit der BELLEAU WOOD<br />

unter.<br />

40


Die INDEPENDENCE<br />

von der Bofors-Stellung<br />

eines anderen<br />

Schiffs aus gesehen.<br />

Sie gab einer Flugzeugträgerklasse<br />

ihren<br />

Namen, die half,<br />

den Sieg im Pazifik<br />

davonzutragen.<br />

Foto: NATIONAL ARCHIVES<br />

Grumman TBM<br />

Avengers verliehen<br />

den leichten Trägern<br />

Schlagkraft und<br />

Durchsetzungsvermögen.<br />

Die Crews<br />

rollten die Flugzeuge,<br />

um Platz zu<br />

schaffen, und um sie<br />

in Startposition zu<br />

bringen.<br />

Foto: NATIONAL ARCHIVES<br />

Kürzeres und schmaleres Flugdeck<br />

Zugeschnitten auf einen Kreuzerrumpf maß das<br />

Flugdeck eines CVL in der Breite gut 33 und in<br />

der Länge knapp 183 Meter. So war es ungefähr<br />

ein Drittel kleiner als das eines „normalen“<br />

Flugzeugträgers. Das kurze Deck machte die<br />

Herausforderung des Starts von einem sich<br />

bewegenden Schiff noch komplizierter.<br />

20-Millimeter-Oerlikon-FlaKs<br />

Die Batterien der defensiven FlaK-Bewaffnung umfassten<br />

16 20-Millimeter-Kanonen in Einzel-, Doppelund<br />

Vierfachaufstellung. Jedes Geschütz konnte einen<br />

Angreifer aus der Luft mit einem Geschosshagel von<br />

250-350 Schuss pro Minute überziehen.<br />

Vierfach-Bofors-FlaK<br />

Die ursprünglich an Bug und Heck aufgestellten<br />

5-Inch-FlaKs (12,7 Zentimeter) wurden<br />

durch vier wassergekühlte 40-Millimeter-<br />

Flugabwehrkanonen ersetzt. Mehrere solcher<br />

Vielfachlafetten der Bofors bildeten einen<br />

dichten Luftabwehrschirm um die CVLs.<br />

Amerikanische Luftrüstung<br />

wirft Maschine auf<br />

Maschine in den Kampf<br />

Ein leichter Träger konnte nicht<br />

weniger als 45 Flugzeuge –<br />

aufgeteilt in Jäger des Typs F4F<br />

Wildcat (später F6F Hellcat) und<br />

TBM Torpedobomber – tragen<br />

und versorgen. Die CVLs führten<br />

genug Munition und Treibstoff,<br />

um Luftoperationen monatelang<br />

unterstützen zu können.<br />

Dünne Hülle, dicht gepackt<br />

Um die Geschwindigkeit zu optimieren, haben<br />

die Schiffsbauer den 5-Inch-Panzergürtel, den<br />

üblicherweise leichte Kreuzer erhielten,<br />

weggelassen. Auf einem CVL waren 1.569<br />

Mann Besatzung „eingepfercht“.<br />

Auf Geschwindigkeit<br />

ausgerichtet<br />

Der kreuzertypische Rumpf<br />

sorgte dafür, dass die CVLs<br />

einerseits in schwerer See<br />

unangenehme Fahrteigenschaften<br />

hatten, andererseits<br />

aber hohe Geschwindigkeiten<br />

fahren konnten.<br />

Clausewitz 3/2013 41


Militärtechnik im Detail<br />

„Blitzkrieg“ auf hoher See:<br />

Deutsches Schnellboot Typ S-100<br />

Der Versailler Vertrag beabsichtigte die<br />

militärische Produktion Deutschlands<br />

einzugrenzen. Doch genau die Restriktionen<br />

für die Deutsche Marine sollten es sein,<br />

die die Schaffung der wohl tödlichsten kleinen<br />

Überwassereinheit des Zweiten Weltkriegs<br />

beförderten.<br />

Das Schnellboot oder auch S-Boot (von den<br />

Alliierten auch E-Boot genannt. Das E steht<br />

dabei für Enemy bzw. Feind), wurde von einem<br />

Rennbootentwurf abgeleitet. Es war mit<br />

seinen 35 Metern Länge und 1.000 Tonnen<br />

Verdrängung klein genug, die Beschränkungen<br />

des Versailler Vertrags zu unterlaufen.<br />

Andererseits war es standfest genug, sich auch<br />

auf hoher See auszuzeichnen. Schnellbootbesatzungen<br />

versenkten 101 Handelsschiffe, 12<br />

Zerstörer und beschädigten zahlreiche andere<br />

Schiffe. So erkannte John F. Kennedy nach einer<br />

Nachkriegsinspektion an, dass das Schnellboot<br />

„unserem PT-Boot weit überlegen“ war.<br />

Ersatz/Nachladetorpedos<br />

4-Zentimeter-Bofors-<br />

Kanone (Beutewaffe)<br />

Wasserbombenablaufschienen<br />

Zwillings-2-Zentimeter-<br />

Flugabwehrkanone<br />

Die abgewinkelten Ruder verursachten<br />

eine Lufttasche knapp hinter den drei<br />

Propellern (Lürsseneffekt). Das steigerte<br />

die Effizienz der Maschine und sorgte dafür,<br />

dass das Boot sich weniger aufbäumte,<br />

was mit der niedrigen Silhouette die<br />

Sichtbarkeit reduzierte.<br />

Verdrängerrumpf<br />

Nicht so schnell wie ein flacher<br />

Rumpf in ruhigem Wasser, aber<br />

deutlich effektiver bei hohen<br />

Wellen.<br />

DIE KONKURRENTEN:<br />

Britisches Fairmile D<br />

30 Knoten – Effektiv in nächtlichen Hinterhalten,<br />

konnte aber allein keinen Kampf mit einem<br />

Schnellboot bestehen.<br />

Italienisches MAS<br />

45 Knoten – Schlug sich bewundernswert, dennoch<br />

weniger seetüchtig unter rauen Seebedingungen<br />

als seine deutschen Gegenstücke.<br />

Amerikanisches Elco PT-Boot<br />

38 Knoten – Gut geeignet für nächtliche Erkundungsmissionen<br />

und Hinterhalte, aber weniger<br />

vollkommen als die eigene Legende suggeriert.<br />

42


Geschwindigkeit und Stärke<br />

erlaubten dem Schnellboot<br />

sich auch in rauer<br />

See zu behaupten und auszuzeichnen.<br />

Die 2.500-PS-<br />

Maschine beschleunigte<br />

das 100-Tonnen-Boot auf<br />

bis zu 43,8 Knoten wenn<br />

seine Konstruktion aus<br />

Holz und Aluminium allein<br />

mit schierer Gewalt durch<br />

hohe Wellen pflügte.<br />

Eine 2-Zentimeter-Kanone in den Bug<br />

eingelassen verteidigte das Schiff vorne<br />

und bot dem Schützen Deckung. Die weitere<br />

Bewaffnung variierte und umfasste<br />

bisweilen auch Beutewaffen.<br />

Gepanzerte Brücke (Kalottenbrücke)<br />

Diese wurde, beginnend mit der S-100-Klasse,<br />

eingebaut, um die Kommandozentrale zu schützen.<br />

2-Zentimeter-Kanone.<br />

Torpedorohr<br />

Jedes Boot führte vier 53,3-Zentimeter-<br />

Torpedos mit sich. Das war gerade genug<br />

für Blitzüberfälle.<br />

Sowjetisches Tupolev G-5 MTB<br />

48 Knoten – Das schnellste Motortorpedoboot,<br />

sehr aktiv in der Ostsee und dem Schwarzen<br />

Meer.<br />

Japanisches T-1MTB<br />

38 Koten – Produziert als Antwort auf die<br />

amerikanischen PT-Boote, aber weniger<br />

seetüchtig.<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong> dankt dem „World War II<br />

magazine“ sowie der Weider History<br />

Group für die Zurverfügungstellung der<br />

Grafiken. Mehr Informationen unter<br />

www.HistoryNet.com.<br />

Clausewitz 3/2013 43


Der Zeitzeuge<br />

ZERSTÖRTE EISENBAHNANLAGEN:<br />

Amerikanische Soldaten betrachten<br />

eine durch Bomben aus den Gleisen<br />

gerissenen Lok in Münster, April 1945.<br />

Foto: U.S. National Archives<br />

44


IM FEINDESLAND: Soldaten der Wehrmacht inspizieren<br />

einen liegen gebliebenen französischen Militärtransport<br />

mit einem veralteten Panzer auf einem der Waggons.<br />

Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />

MOMENTAUFNAHME: Diesem<br />

Fotografen gelingt es, den<br />

Schatten seiner B-24 über dem<br />

Münchner Hauptbahnhof einzufangen.<br />

Foto: U.S. National Archives<br />

SCHIENEN IN STALINGRAD:<br />

Deutsche Soldaten hinter<br />

einem schrottreifen<br />

Eisenbahnfahrzeug.<br />

Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />

Vom „Blitzkrieg“ bis zum Untergang<br />

Eisenbahn im<br />

Zweiten Weltkrieg<br />

1939–1945: Während des gesamten Krieges spielt die Eisenbahn eine zentrale Rolle ̶<br />

sie ist die Hauptschlagader des militärischen Transports und trägt die Hauptlast bei der<br />

Bereitstellung des Nachschubs an allen Fronten.<br />

Vorgestellt von Maximilian Bunk<br />

Aufgrund ihrer signifikanten Rolle ist<br />

die Eisenbahn stets Ziel von Angriffen<br />

und Sabotage. Als komplexes System<br />

ist sie höchst verwundbar und kann<br />

besonders Attacken aus der Luft nur wenig<br />

entgegensetzen. Gerade in diesem Zusammenhang<br />

ist es sowohl faszinierend als auch<br />

makaber zu sehen, wie die Reichsbahn bis in<br />

die letzten Tage des Krieges hinein „funktioniert“.<br />

Die Eisenbahn ist aber nicht nur Vollstrecker<br />

militärischer Bedürfnisse. Sie ist<br />

auch ein Repräsentationsmittel des Staates:<br />

Hitler z.B. reist in feudalen Sonderwagen<br />

durchs Land oder empfängt hohen Besuch<br />

direkt am Bahnsteig. Vor diesem Hintergrund<br />

wird die Eisenbahn zum probaten<br />

„Zeugen“ des Krieges und dokumentiert Logistik,<br />

Zerstörung, hohe Politik und menschliches<br />

Schicksal auf und neben den Schienen.<br />

Mit einer packenden Auswahl seltener Bilder<br />

(kombiniert mit kenntnisreichen Texten)<br />

zeichnen die Autoren Andreas Knipping und<br />

Brian Rampp in ihrem Buch „Eisenbahn im<br />

Zweiten Weltkrieg“ ein Panorama des Krieges<br />

̶ exemplifiziert an der Rolle der Eisenbahn.<br />

Chronologisch voran schreitend vom<br />

Weg in den Krieg bis zum Ende des „Dritten<br />

Reiches“ öffnet es einen umfassenden Blick<br />

auf einen besonders spannenden Abschnitt<br />

der Technikgeschichte. Es wird offensichtlich,<br />

wie sehr die Bahn in den Krieg involviert<br />

war. Dies mag zunächst banal klingen,<br />

doch das schiere Ausmaß erstaunt selbst<br />

Kenner der Materie immer wieder aufs<br />

Neue. Fazit: Die nationalsozialistische<br />

Kriegspolitik unterschätzt die Bedeutung der<br />

Eisenbahn anfangs und überfordert ihre Kapazitäten<br />

anschließend massiv. CLAUSE-<br />

WITZ präsentiert auf den folgenden Seiten<br />

eine kleine Auswahl der faszinierenden Bilder<br />

aus der modernen Gesamtdarstellung<br />

„Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg“.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

45


Der Zeitzeuge<br />

ERBEUTET: Alliierten Soldaten fällt ein<br />

Transportzug mit deutschen Panzern<br />

vom Typ „Tiger“ in die Hände.<br />

Foto: U.S. National Archives<br />

GLEISTRANSPORT: Ein leicht gepanzertes<br />

Aufklärungsfahrzeug auf einem Güterwagen<br />

irgendwo im eroberten Osten.<br />

Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />

BOMBEN AUF DIE BAHN: Das völlig zerstörte und mit Kratern übersäte Gleisfeld des<br />

Verteilerbahnhofes Friedberg (Hessen) nach einem Fliegerangriff im Dezember 1944.<br />

Der Krieg ist längst in Deutschland angekommen.<br />

Foto: U.S. National Archives<br />

DIE EISENBAHN ALS KULISSE: Reichsmarschall<br />

Göring hält auf dem Bahnsteig Mönichkirchen (Niederösterreich)<br />

eine Ansprache zu Ehren Hitlers. Im Hintergrund<br />

der Sonderzug zu „Führers Geburtstag“.<br />

Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />

OSTFRONT 1942: Deutsche Truppen auf einem<br />

Umgehungsgleis, das um eine beschädigte<br />

russische Lok angelegt ist.<br />

Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />

ABSCHIED AM ZUG: Hitler und Mussolini<br />

beim Händeschütteln auf dem<br />

Bahnhof von Salzburg 1942 oder<br />

1943. Foto: Sammlung Dr. Brian Rampp<br />

FASZINIEREND UND FESSELND<br />

Andreas Knipping/Brian Rampp:<br />

Eisenbahn im Zweiten Weltkrieg. Vom<br />

Blitzkrieg bis zum Untergang. München<br />

2013. Hardcover mit Schutzumschlag,<br />

159 Seiten, mit vielen<br />

Fotoraritäten aus amerikanischen<br />

Archiven und bisher unveröffentlichten<br />

Aufnahmen.<br />

46


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Schlachten der Weltgeschichte<br />

Krimkrieg 1853-1856<br />

Der erste „moderne“<br />

Stellungskrieg<br />

28. März 1854: England und Frankreich greifen militärisch in den blutigen Konflikt zwischen<br />

Russland und dem Osmanischen Reich ein. Besonders um die Festung Sewastopol<br />

entbrennt ein Stellungskrieg, wie ihn die Welt bisher nicht kannte... Von Carsten Walczok<br />

Russland<br />

Befehlshaber: Fürst Michael Dimitrijewitsch Gortschakow<br />

(1792–1861) / Fürst Menschikow (1787–1869)<br />

Truppenstärke: 107.000<br />

Verluste: 73.000<br />

48


Dicht gedrängt greifen am 5. November<br />

des Jahres 1854 rund 35.000 russische<br />

Soldaten die schwachen britischen<br />

Stellungen vor der Stadt und Festung Sewastopol<br />

auf der Halbinsel Krim an. Das Ziel der<br />

russischen Angreifer sind die Hügel am<br />

nördlichen Ende der britischen Linien. Aber<br />

der russische Angriff bleibt im mörderischen<br />

Abwehrfeuer der Verteidiger stecken. Die<br />

dicht gedrängten russischen Angriffskolonnen<br />

erleiden ungeahnte Verluste im deckenden<br />

Feuer der britischen Infanterie. Diese ist<br />

im Gegensatz zu ihren russischen Gegnern<br />

bereits mit den Gewehren mit gezogenen<br />

Läufen nach dem System Minié ausgerüstet.<br />

Der Krieg auf der Krim erlebt den ersten<br />

massenhaften Einsatz dieses neuen Systems<br />

bei den Infanteriegewehren und beweist sofort<br />

deren Überlegenheit über die altbewährten<br />

glattläufigen Vorderlader. Doch das ist<br />

nicht die einzige Besonderheit, durch die<br />

sich dieser Konflikt in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

auszeichnet. Neben eisengepanzerten<br />

Schiffen mit Dampfantrieb ist dies<br />

auch der erste Krieg, über den die Medien<br />

dank des Telegrafen direkt berichten. Sogar<br />

Zar Nikolaus soll gesagt haben, er würde<br />

keine Spione brauchen, da er ja die „Times“<br />

lesen könne.<br />

Doch wo liegt der Anlass für diesen Konflikt?<br />

Russlands Eintreten für die Interessen<br />

der orthodoxen Christen ruft den Widerstand<br />

der anderen christlichen Konfessionen hervor.<br />

Die eigentliche Ursache für den Krieg<br />

liegt aber im inneren Zerfall des Osmanischen<br />

Reiches, das von Spöttern gerne als der<br />

„Kranke Mann am Bosporus“ bezeichnet<br />

wird.<br />

Russland hofft, bedingt durch die Schwäche<br />

der Türken, endlich die Kontrolle über die<br />

Meerenge des Bosporus zu erreichen. Das<br />

wiederum liegt nicht im Interesse Großbritanniens,<br />

denn London will nicht zulassen, dass<br />

eine solche Schlüsselposition wie die Dardanellen<br />

unter russische Kontrolle gerät.<br />

Der lange Weg auf die Krim<br />

Nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen<br />

besetzen am 3. Juli 1853 rund<br />

80.000 russische Soldaten unter dem Befehl<br />

von Fürst Michail Gortschakow die Donau-<br />

Alliierte<br />

FRANKREICH<br />

Befehlshaber: Armand-Jacques Achille Leroy de<br />

Saint-Arnaud (1798-1854)/ François Canrobert<br />

(1809–1895) /Aimable Pélissier (1794–1864)<br />

Truppenstärke: 100.000<br />

Verluste: 70.000<br />

GROßBRITANNIEN<br />

Befehlshaber: Fitzroy James Henry Somerset,<br />

Lord Raglan (1788–1855)<br />

Truppenstärke: 35.000<br />

Verluste: 22.000<br />

SARDINIEN-PIEMONT<br />

Befehlshaber: Alfonso La Marmora<br />

(1804–1878)<br />

Truppenstärke: 14.000<br />

Verluste: k. A.<br />

OSMANISCHES REICH (TÜRKEI)<br />

Befehlshaber: Omar Pascha (Michael Latas)<br />

(1806–1871)<br />

Truppenstärke: 55.000<br />

Verluste: k. A.<br />

MARTIALISCH: Darstellung<br />

der Belagerung von Sewastopol<br />

von Franz A. Roubaud<br />

(Ausschnitt aus einem<br />

Panoramagemälde).<br />

Foto: picture-alliance/Prisma Archivo<br />

Clausewitz 3/2013<br />

49


Schlachten der Weltgeschichte | Krimkrieg<br />

BELAGERT: Blick auf die<br />

Befestigungsanlagen von<br />

Sewastopol.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

HINTERGRUND<br />

Deutsche Legionäre für die Krim<br />

fürstentümer Walachei und Moldau. Am<br />

16. Oktober erklärt das Osmanische Reich<br />

Russland den Krieg und General Omar Pascha<br />

beginnt seine <strong>Operation</strong>en gegen die<br />

russische Armee an der Donau. Die türkischen<br />

Truppen schlagen sich – nicht zuletzt<br />

dank der deutschen Militärberater – erheblich<br />

besser als in früheren Kriegen.<br />

Am 30. November 1853 greift die russische<br />

Schwarzmeerflotte den osmanischen<br />

Hafen von Sinope an und schießt sämtliche<br />

Schiffe der Türken in Brand. Etwa 4.000 Soldaten<br />

verlieren dabei ihr Leben.<br />

Österreich hatte sich zwar für neutral erklärt,<br />

fordert aber am 3. Juni 1854 den Zaren<br />

zu dessen Überraschung auf, seine Truppen<br />

aus den Donaufürstentümern abzuziehen.<br />

Zwar bleibt Wien auch weiterhin neutral, besetzt<br />

aber die Donaufürstentümer selber. Die<br />

Alliierten landen Ende Mai 1854 ihrerseits<br />

eine britisch-französische Expeditionsarmee<br />

bei Warna im heutigen Bulgarien. Kaiser Napoleon<br />

III. entsendet 30.000 Mann und 68<br />

Geschütze und die Briten 26.000 Mann und<br />

60 Geschütze auf den Balkan.<br />

Auch als sich die Russen wieder hinter<br />

die Donau zurückziehen, wollen die Alliierten<br />

den Kampf fortsetzen. Napoleon braucht<br />

nämlich zur Untermauerung seiner Großmachtambitionen<br />

einen militärischen Erfolg.<br />

Den soll stattdessen eine Expedition in die<br />

Dobruschda im August 1854 liefern, doch es<br />

kommt anders.<br />

Im französischen Lager im bulgarischen<br />

Warna bricht im Juli die Cholera aus. Kurz<br />

darauf treten auch bei den Briten in Gallipo-<br />

Die britische Armee besteht nur aus wenigen<br />

und schlecht bezahlten Berufssoldaten,<br />

die zudem meist in den Kolonien eingesetzt<br />

werden. Die hohen Verluste auf der Krim<br />

verlangen aber nach schnellem Ersatz. Deshalb<br />

beschließt das Parlament, mit Fremdenlegionären<br />

Ersatz zu beschaffen. 9.000<br />

deutsche Legionäre werden in der „British-<br />

German Legion“ zusammengefasst und ab<br />

Mai 1855 in die Türkei verschifft. Durch das<br />

baldige Kriegsende kommen die Legionäre<br />

aber nicht mehr auf der Krim zum Einsatz.<br />

li (in der heutigen Türkei) die ersten Cholerafälle<br />

auf. Um den 20. August beklagen die<br />

Franzosen bereits 5.000 Opfer.<br />

Damit sind alle militärischen <strong>Operation</strong>en<br />

der Alliierten auf dem Balkan gescheitert.<br />

Obwohl es jetzt eigentlich keinen Grund<br />

mehr zu weiteren militärischen <strong>Operation</strong>en<br />

gibt, wollen die Alliierten ihren Krieg gegen<br />

Russland fortsetzen. Während Lord<br />

Aberdeen auf Sympathiegewinne<br />

bei der anti-russisch eingestellten<br />

Öffentlichkeit hofft,<br />

möchte Napoleon III. das<br />

1814 schwer geschlagene<br />

Frankreich zurück zu alter<br />

Stärke führen.<br />

Ein direkter Marsch<br />

vom Balkan in das Innere<br />

Russlands ist zwar unter<br />

diesen Umständen kaum<br />

sinnvoll, aber eine begrenzte<br />

Militäroperation<br />

gegen die russische Marinebasis<br />

Sewastopol auf der<br />

Krim würde obendrein den<br />

Vorteil bringen, die russische<br />

Schwarzmeerflotte zu schwächen. Das<br />

wiederum würde die britische, die französische<br />

und auch osmanische Position im Mittelmeer<br />

und im Schwarzen Meer stärken.<br />

Der Kampf um die Krim beginnt<br />

Am 12. September 1854 erscheint die alliierte<br />

Flotte vor der russischen Halbinsel und<br />

landet in der Bucht von Jewpatorija nördlich<br />

von Sewastopol die Truppen an.<br />

Die Festung von Sewastopol ist von den<br />

Russen nach ihrer Übernahme der Halbinsel<br />

Krim von den Türken im Jahre 1783 angelegt<br />

worden. Den Namen Sewastopol haben<br />

die Russen aus dem Griechischen übernommen<br />

und er bedeutet „Stadt des<br />

Ruhms“.<br />

Zwischen 1833 und 1851 werden die Verteidigungsanlagen<br />

der Hafenstadt ausgebaut.<br />

Insgesamt werden acht Forts, drei auf<br />

der Nordseite der Bucht und fünf auf der<br />

Südseite, errichtet. 1854 folgen drei weitere,<br />

insgesamt verfügt die Festung über<br />

571 Kanonen.<br />

Allerdings hat die zur See<br />

hin gut gesicherte Festung ihre<br />

Achillesferse an der<br />

AN DER SEITE FRANKREICHS<br />

UND GROßBRITANNIENS:<br />

1855 befehligte Alfonso La<br />

Marmora das piemontesische<br />

Expeditionskorps im<br />

Krimkrieg.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Landseite, denn diese ist nahezu<br />

ungeschützt. Seit dem<br />

Frühjahr 1854 wird zwar zügig<br />

an der Fertigstellung der Verteidigungswerke<br />

zur Landseite hin gearbeitet,<br />

aber bis zum September 1854 sind<br />

noch immer drei Viertel der Verteidigungslinie<br />

offen.<br />

Laut dem deutschstämmigen Ingenieur<br />

Eduard von Totleben, der eigens zum Festungsbau<br />

nach Sewastopol gesandt wurde,<br />

erwartet der Oberkommandierende Fürst<br />

Menschikow für 1854 keinen Angriff auf die<br />

Festung mehr.<br />

50


Cholera wütet<br />

Die Alliierten ihrerseits stehen nach dem<br />

Anlanden mit 61.000 Mann zum Sturm auf<br />

Sewastopol bereit. Fürst Menschikow hat<br />

immerhin 50.000 Soldaten unter seinem Befehl,<br />

doch davon sind 12.000 zur Sicherung<br />

der Halbinsel Kertsch abgestellt.<br />

TRIUMPH: Gemälde zur Erstürmung<br />

des Forts Malakoff<br />

durch französische Truppen<br />

unter Patrice de Mac-Mahon<br />

am 8. September 1855, von<br />

Horace Vernet.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

Alma, Balaklawa und Inkerman<br />

Am 20. September greifen die Alliierten<br />

schließlich an. Die russischen Soldaten wehren<br />

sich entschlossen, aber die französischen<br />

Zuaven, nordafrikanische Söldner, dringen<br />

auf der linken Flanke dennoch erfolgreich<br />

vor. De Saint-Arnauds Divisionen treffen dagegen<br />

im Zentrum auf heftigen Widerstand.<br />

Doch das überlegene Feuer der mit den<br />

Minié-Gewehren ausgerüsteten Franzosen<br />

zwingt die Russen zum Rückzug.<br />

Auf dem linken Flügel greifen die Briten<br />

immer wieder an und werden dennoch zurückgeworfen.<br />

Erst als später französische<br />

Truppen die Briten unterstützen, ziehen die<br />

Russen sich geordnet zurück.<br />

„… das ist großartig,<br />

aber kein Krieg. Das ist<br />

Wahnsinn.“<br />

General Bosquet nach der Attacke<br />

der leichten Brigade bei Balaklawa<br />

KARTE<br />

Belagerung von Sewastopol 1854/55<br />

Dieses erste Aufeinandertreffen moderner<br />

europäischer Armeen seit dem Ende der<br />

Kriege Napoleons kostet die Russen 6.300<br />

Mann (Tote, Verwundete und Vermisste), die<br />

Briten insgesamt 2.000 Soldaten und die<br />

Franzosen 1.600 Soldaten.<br />

Die Alliierten haben aber noch ein weiteres<br />

schweres Opfer zu beklagen. Der Kommandeur<br />

der französischen Expeditionstruppen,<br />

De Saint-Arnaud, wird ein Opfer<br />

der Cholera.<br />

Darum weichen die Alliierten von dessen<br />

Plan, unverzüglich Sewastopol anzugreifen,<br />

ab und belagern stattdessen die Hafenstadt.<br />

TECHNIK<br />

Das Minié-System<br />

Anders als die Russen haben<br />

die Briten und Franzosen ihre<br />

Truppen bereits mit Gewehren<br />

mit gezogenen Läufen ausgerüstet.<br />

Der Hauptmann der Jäger,<br />

Claude Etienne Minié, hat 1849<br />

ein System vorgeschlagen, das<br />

es ermöglicht, Gewehre mit gezogenem<br />

Lauf auszustatten, die<br />

aber dennoch genauso leicht zu<br />

laden waren wie die Waffen mit<br />

glattem Lauf. Während bei diesen<br />

die Kugel ein deutlich kleineres<br />

Kaliber aufweist als der<br />

Laufinnendurchmesser, ist das<br />

beim System Minié anders. Hier<br />

wird das Geschoss durch die<br />

Zündung der Pulverladung<br />

künstlich vergrößert und in die<br />

Züge des Laufes getrieben. Dies<br />

gibt dem Geschoss den notwendigen<br />

Drall (Drehung), um mit erheblich<br />

größerer Präzision auf<br />

sein Ziel zuzustreben.<br />

Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich<br />

Clausewitz 3/2013<br />

51


Schlachten der Weltgeschichte | Krimkrieg<br />

Diese Entscheidung rettet die Stadt vor der<br />

raschen Erstürmung. Der spätere Kommandeur<br />

der Garnison, General Dimitrij von der<br />

Osten-Sacken, schreibt später: „Hätte der<br />

Feind entschlossen gehandelt, dann hätte die<br />

ganze Armee auf der Krim für die Verteidigung<br />

von Sewastopol nicht genügt ...“<br />

Briten wie Franzosen beschließen, zuerst<br />

ihre Positionen zu festigen und weitere Verstärkungen<br />

aus Warna und Konstantinopel<br />

abzuwarten. Die Verteidiger von Sewastopol<br />

nutzen diese Phase des alliierten Zögerns und<br />

bauen unter der Führung von Admiral Kornilow<br />

und Oberst Totleben hastig ihre Verteidigungspositionen<br />

aus. Neben den Soldaten<br />

und Seeleuten hilft praktisch die ganze russische<br />

Bevölkerung bei diesen Arbeiten.<br />

„Angriff der leichten Brigade“<br />

Den russischen 118 Geschützen stehen 53<br />

französische und 73 britische gegenüber. Allerdings<br />

ist die Situation auf der Seite zur See<br />

für die Alliierten weniger günstig. Zwar<br />

wird im ersten Bombardement keines ihrer<br />

30 Schiffe versenkt, doch das Feuer der russischen<br />

Geschütze hat zahlreiche Opfer unter<br />

den Seeleuten gefordert – 74 darunter Tote<br />

und über 400 Verwundete. Die Russen dagegen<br />

haben kaum Ausfälle zu beklagen. Es<br />

bleibt den Alliierten die Erkenntnis, dass sie<br />

mit hölzernen Schiffen gegen moderne Geschütze<br />

kaum mehr bestehen können.<br />

Am 25. Oktober 1854 versuchen die Russen,<br />

ihrerseits anzugreifen. Ziel ist der briti-<br />

BERÜHMT: Porträtaufnahme von Leo<br />

Tolstoi, der am Krimkrieg teilnimmt.<br />

Seine dort gewonnenen Eindrücke<br />

verarbeitet der<br />

Schriftsteller wenig später<br />

in drei Erzählungen.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

kommt es zu keinen effektiven<br />

feindlichen Aktivitäten. Die<br />

Schlacht von Balaklawa endet,<br />

ohne dass die Russen<br />

ihr Ziel erreicht haben oder<br />

die Alliierten den Abwehrerfolg<br />

nutzen können.<br />

Die Alliierten beginnen<br />

zu erkennen, dass sie<br />

sich trotz ihrer Erfolge an<br />

der Alma und bei Balaklawa<br />

auf eine lange Belagerung<br />

von Sewastopol einstellen<br />

müssen.<br />

Mittlerweile erreichen zwei<br />

weitere Divisionen, aus Bessarabien<br />

kommend, die Krim. Da Menschikow nun<br />

über insgesamt 107.000 Soldaten in und um<br />

Sewastopol verfügt und somit die numerische<br />

Überzahl gegenüber den 71.000 alliierten<br />

Soldaten besitzt, entschließt er sich zum<br />

Handeln.<br />

Die Inkerman Höhenzüge, die bis zu einer<br />

Höhe von 130 Metern ansteigen, sind das<br />

östliche Ende der alliierten Belagerungslinie<br />

und stellen einen Schwachpunkt dar. Insgesamt<br />

stehen hier 8.600 Mann – rund ein Drittel<br />

der gesamten britischen Armee.<br />

An dieser schwachen Position der Alliierten<br />

will Fürst Menschikow den Belagerungsring<br />

durchbrechen und zugleich die britischen<br />

Streitkräfte weitgehend zertrümmern.<br />

Mit einem Durchbruch auf die Sapun-Höhen<br />

und die Ebene von Cherson würde sich die<br />

militärische Lage schlagartig zu Russlands<br />

Gunsten verändern. Für diesen Plan setzt er<br />

57.000 Soldaten ein.<br />

General Gortschakow bindet mit 22.000<br />

Mann die Franzosen, während die Generale<br />

Soimonow und Paulow mit insgesamt<br />

35.000 Soldaten direkt die Inkerman-Höhen<br />

angreifen. Am frühen Morgen des 5. Novemsche<br />

Versorgungshafen<br />

Balaklawa. Die dort eingesetzten<br />

türkischen Soldaten<br />

weichen vor der russischen<br />

Übermacht von 25.000 Soldaten<br />

zurück.<br />

Dabei zögert General Liprandi,<br />

der den Angriff führt, nachdem er die Höhen<br />

besetzt hat, mit seinem weiteren Vordringen<br />

auf Balaklawa. Lord Lucans schwerer<br />

Kavalleriebrigade gelingt es, die russische<br />

Reiterei zu schlagen. Der anschließende<br />

Einsatz der leichten Kavalleriebrigade von<br />

Lord Cardigan führt zu einem Desaster. Erst<br />

zögert er, den Befehl auszuführen, da er sich<br />

weigert, seinen Schwager und Intimfeind<br />

Lord Lucan als Oberbefehlshaber der Reiterei<br />

anzuerkennen. Er folgt ihm schließlich<br />

doch auf Druck seiner Offiziere.<br />

Was nun folgt, ist seitdem als der „Angriff<br />

der leichten Brigade“ in die britische Militärgeschichte<br />

eingegangen. Von 658 Reitern kehren<br />

nur 200 zurück. General Bosquet ruft entsetzt<br />

aus: „Das ist großartig, aber kein Krieg.<br />

Das ist Wahnsinn.“ Nach dieser Attacke<br />

„Hätte der Feind entschlossen gehandelt, dann hätte<br />

die ganze Armee auf der Krim für die Verteidigung<br />

von Sewastopol nicht genügt …“<br />

General Dimitrij von der Osten-Sacken nach der Schlacht an der Alma<br />

UNTER BESCHUSS: Bombardement der Festung Sewastopol durch die französische und englische Flotte 1854.<br />

Foto: picture-alliance/akg-images<br />

52


Sewastopol fällt<br />

HINTERGRUND<br />

Cholera – die geheimnisvolle Seuche<br />

Die Cholera ist in Europa eine „neue“<br />

Krankheit. Ihren Ursprung hat sie in der<br />

Gangesregion in Indien. Sie erreicht<br />

während der 1820er-Jahre über Zentralasien<br />

auch Europa. Zwischen 1830<br />

und 1837 schwappt eine erste Welle<br />

über den europäischen Kontinent. Die<br />

Ursachen für diese massenhaft auftretende<br />

Krankheit sind auf unhygienische<br />

Lebensumstände und ganz besonders<br />

auf verseuchtes Trinkwasser zurückzuführen.<br />

Die große Choleraepidemie von<br />

London im Sommer 1854 fordert fast<br />

12.000 Opfer.<br />

ber ersteigen Soimonows Kolonnen die westliche<br />

Seite der Inkerman-Höhen und werden<br />

sofort von den Briten unter Feuer genommen.<br />

Dort muss Soimonow feststellen, dass General<br />

Paulow, anders als befohlen, noch nicht<br />

zum Angriff angetreten ist. Erst gegen 08:00<br />

Uhr beginnen seine 16.000 Mann mit dem<br />

Aufstieg. Die Briten können sich dank ihrer<br />

überlegenen Feuerkraft gegen die russische<br />

Übermacht behaupten. Die mangelnde Koordinierung<br />

der Angriffskolonnen und der Umstand,<br />

dass General Soimonow gleich zu Beginn<br />

des Kampfes fällt, lässt den russischen<br />

Angriff ins Stocken geraten. Doch erst der<br />

Flankenangriff der französischen Fremdenlegionäre<br />

und der Zuaven bringt die Wende.<br />

Nach drei Stunden heftiger Kämpfe haben<br />

die russischen Angreifer rund ein Drittel<br />

ihrer Soldaten verloren und müssen sich zurückziehen.<br />

Die Verluste der Briten belaufen<br />

sich auf etwa 2.500 Tote und Verwundete.<br />

Die Franzosen haben knapp über 1.700 Männer<br />

verloren.<br />

Sturm auf Sewastopol<br />

Ein schwerer Sturm, der Mitte November<br />

durch das schwarze Meer fegt, trifft besonders<br />

die Alliierten in ihrem Feldlager. Mehrere<br />

Schiffe gehen vor der Krim verloren<br />

und mit ihnen auch wichtige Güter für die<br />

Truppen an Land. Dort werden Zelte und<br />

Baracken vom Sturm zerstört und provisorische<br />

Lazarette zerschlagen. Was folgt,<br />

MANN GEGEN MANN: In der Schlacht an der Alma am<br />

20. September 1854 Treffen Alliierte und Russen auf der<br />

Krim erstmals aufeinander. Foto: picture-alliance/akg-images<br />

sind kalte und hungrige Wintermonate in<br />

den Gräben vor oder in den Trümmern von<br />

Sewastopol.<br />

Da der Beschuss der Verteidigungsanlagen<br />

im Oktober 1854 trotz der nie gekannten<br />

Intensität kaum Wirkung gezeigt hat, müssen<br />

die Alliierten von einem schnellen Sturm<br />

auf Sewastopol Abstand nehmen. Als Zentrum<br />

des russischen Widerstandes haben sie<br />

mittlerweile das Fort Malakow (auch: Malakoff)<br />

ausgemacht und konzentrieren nun ihr<br />

Feuer darauf.<br />

Im Mai des Jahres 1855 werden die Belagerer<br />

durch 14.000 italienische Soldaten des<br />

Königreichs Sardinien verstärkt.<br />

Zwei Expeditionen der Alliierten gegen<br />

Kertsch im Südosten führen zu keinen echten<br />

Erfolgen. General Aimable Pélissier hat<br />

inzwischen Canrobert als Oberbefehlshaber<br />

der Franzosen abgelöst. Was zu tun bleibt, ist<br />

ganz klar: Der Sturm auf die Festung und<br />

hier auf das Zentrum, Malakow.<br />

Am 6. Juni 1855 starten sie ein neues Bombardement.<br />

Ziel ist die Zerstörung der drei<br />

Festungswerke im Vorfeld Malakows, die<br />

Literaturtipps<br />

Orlando Figes: Krimkrieg – Der letzte Kreuzzug,<br />

Berlin 2011<br />

Wilhelm Treue: Die Entstehung der modernen<br />

Flotten, Göttingen 1954<br />

am 7. Juni von den Franzosen gestürmt werden.<br />

Von August bis September wiederholen<br />

die Alliierten immer wieder ihre Bombardements<br />

der russischen Stellungen. Die Russen<br />

erleiden heftige Verluste, allein in den letzten<br />

drei Tagen verlieren sie 7.500 Männer.<br />

Am Mittag des 8. September stürmen drei<br />

französische und zwei britische Divisionen<br />

die Festung. Da die Gesamtsituation durch<br />

die Eroberung des Forts Malakow kaum<br />

noch haltbar ist, befiehlt General Gortschakow<br />

die Räumung der Stadt.<br />

Ostsee, Kaukasus und Fernost<br />

Neben den Kämpfen auf der Krim wird<br />

auch an anderer Stelle gekämpft. So läuft<br />

bereits im März 1854 ein Verband britischer<br />

Schiffe unter Admiral Napier in die Ostsee,<br />

um russische Häfen zu blockieren. Da sich<br />

die russische Flotte zurückhält, bleibt es bei<br />

der Beschießung russischer Häfen und<br />

Werften.<br />

Im August 1854 kommt es auch zu Kämpfen<br />

auf der sibirischen Halbinsel Kamtschatka,<br />

hier kann sich aber die schwache russische<br />

Garnison erfolgreich gegen die Alliierten<br />

behaupten. Auch die Kämpfe im Bereich<br />

des Kaukasus verlaufen für die Russen erfolgreich,<br />

so können sie Militäroperationen<br />

1853, 1854 und 1855 siegreich abschließen.<br />

Letztlich bringt dies den Russen die Möglichkeit,<br />

trotz der Niederlage bei Sewastopol<br />

einen annehmbaren Friedensvertrag zu unterzeichnen.<br />

Am Ende zeichnet sich der alliierte Gesamterfolg<br />

dadurch aus, dass Briten und<br />

Franzosen sich dank ihrer überlegenen Wirtschaft<br />

und der damit verbundenen modernen<br />

Rüstung gegenüber Russland durchsetzen<br />

können. In St. Petersburg muss der neue<br />

Zar Alexander II. Russlands Rückständigkeit<br />

in diesem Punkt anerkennen. In der Folge<br />

führt er verschiedene Reformen, wie die<br />

Abschaffung der Leibeigenschaft, durch.<br />

Dr. Carsten Walczok, Jg. 1962, Dienst im Bundesgrenzschutz,<br />

Geschichtsstudium, Tätigkeit als Archivar.<br />

Verschiedene Publikationen zur Technik-, Kriegs- und<br />

Regionalgeschichte.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

53


Das historische Dokument<br />

MARTIALISCH: Brückenlegepanzer<br />

während eines Manövers des<br />

Warschauer Paktes.<br />

Geheimes NVA-Kartenmaterial<br />

Streng<br />

vertraulich<br />

Ende der 1980er-Jahre: Das Ministerium für Nationale<br />

Verteidigung der DDR lässt Karten von NATO-Staaten<br />

für den „Angriffsfall“ erstellen.... Von Eberhard Kliem<br />

Obwohl der Bundeswehr mit Übernahme<br />

der Befehlsgewalt über die NVA-<br />

Truppenteile nach 1990 nahezu 25.000<br />

militärische Dokumente zugefallen sind,<br />

sind die originären <strong>Operation</strong>spläne der<br />

sowjetischen Streitkräfte und ihrer Verbündeten<br />

bis heute nicht auffindbar.<br />

Aufgrund des fehlenden Zugangs zu<br />

den Archiven des ehemaligen Warschauer<br />

Paktes müssen Erkenntnisse über die militärischen<br />

Pläne des östlichen Militärbündnisses<br />

auf indirektem Weg entwickelt werden.<br />

Dies ist möglich, da Manöver- und<br />

Übungsbefehle – auch von Großmanövern<br />

der verbündeten Streitkräfte – ausgewertet<br />

werden können.<br />

Grundsätzlich ergibt sich aus diesen Dokumenten,<br />

dass der Warschauer Pakt während<br />

des Kalten Krieges an eine ständige<br />

aggressive Bedrohung durch die Streitkräfte<br />

der NATO glaubt. Sollte diese in ihren<br />

Augen zu groß werden oder sollte sich eine<br />

günstige politische Situation ergeben, so<br />

will man die westlichen Staaten auf ihrem<br />

eigenen Territorium überraschend angreifen,<br />

in Kesselschlachten ihr Angriffspotential<br />

vernichten und in schnellen <strong>Operation</strong>en<br />

in circa 30 bis 35 Tagen bis an die Biskaya<br />

vordringen.<br />

Die NVA ist als Koalitionsarmee in jeder<br />

Beziehung in die Streitkräfte des Warschauer<br />

Paktes eingegliedert. An der Entwicklung<br />

eigener operativer Pläne hinsichtlich<br />

einer Kriegführung auf dem westlichen<br />

Kriegsschauplatz ist sie folgerichtig nicht<br />

beteiligt und nur wenige ihrer Generale<br />

haben offensichtlich Kenntnis vom<br />

militärischen Gesamtplan des Warschauer<br />

Paktes.<br />

Der Einsatz der NVA ist aber – im Zusammenwirken<br />

mit der Polnischen<br />

Volksarmee – ohne jeden Zweifel in<br />

Nord- und Mitteldeutschland vorgesehen.<br />

Hier ist ein Durchbruch in die Norddeutsche<br />

Tiefebene vorgesehen, der schnell bis<br />

zur deutschen und holländischen Nordseeküste<br />

vorangetragen werden soll. Begleitet<br />

werden die Angriffe durch Landungen an<br />

der Ostseeküste zwischen Lübeck und<br />

Flensburg. Die notwendigen Unterlagen in<br />

Form von Karten, Plänen, Luftaufnahmen<br />

werden sorgfältig und in bester Generalstabsarbeit<br />

vorbereitet.<br />

Talsperren im Visier<br />

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür stellt die<br />

„Karte der Passierbarkeit und des Pionierausbaus<br />

1:200.000 BRD“ dar. Das 45 x 45 cm<br />

große Kartenwerk ist in deutscher und russischer<br />

Sprache verfasst. Gemäß Deckblatt<br />

ist für die Erarbeitung des Inhaltes des Spezialkartenwerkes<br />

das „Ministerium für Nationale<br />

Verteidigung, Chef Pionierwesen“<br />

verantwortlich. Eingestuft ist das vorliegende<br />

Dokument als „Geheime Verschlusssache“<br />

GVS – Nr. A 545 060, 85. Ausfertigung,<br />

188 Blatt, Ausgabe 1988.<br />

Seite 2 des Dokumentes zeigt in einer<br />

farbigen Übersicht die Bundesrepublik,<br />

wobei die Darstellung nicht exakt deren<br />

STRENG GEHEIM: Deckblatt der Karte mit<br />

wichtigen Angaben zur geographischen Beschaffenheit<br />

und zur Infrastruktur der Bundesrepublik<br />

Deutschland.<br />

territorialen Grenzen folgt, sondern im<br />

Norden und Westen auch Teilgebiete der<br />

angrenzenden Staaten Dänemark und der<br />

Benelux-Länder darstellt.<br />

Im Osten sind darüber hinaus Gebiete<br />

der DDR bis zu 100 Kilometern Tiefe kartographiert.<br />

Dies trifft besonders auf die<br />

Norddeutsche Tiefebene und das Gebiet<br />

östlich von Kassel und Fulda zu. Das dargestellte<br />

Territorium ist in einzelne numerierte<br />

Quadrate unterteilt, um das Auffinden<br />

der Detaildarstellung auf den folgenden<br />

Seiten zu erleichtern.<br />

Die Übersichtskarte enthält laut Legende<br />

ein nicht nur aus heutiger Sicht erschreckendes<br />

Detail: Mit blauen Dreiecken sind<br />

„Talsperren mit einem Stauvolumen von 10<br />

Millionen m 3 “ markiert, gefolgt von einer<br />

blauen Linie, die „Durch Flutwellen bedrohte<br />

Flussabschnitte (bei Zerstörung von<br />

Talsperren mit einem Stauvolumen von<br />

über 10 Millionen m 3 )“ aufzeigt. In der<br />

Übersichtskarte sind allein für das Ruhrgebiet<br />

15 solcher Talsperren mit den entspre-<br />

Alle Fotos: Eberhard Kliem<br />

54


WICHTIGE ZIELE: Kartenblatt mit dem bedeutenden Marinestützpunkt<br />

Wilhelmshaven und den Nordseehäfen Cuxhaven und<br />

Bremerhaven.<br />

chenden Überflutungsgebieten dargestellt.<br />

Nach der Übersichtskarte folgen sieben Seiten<br />

mit der Erläuterung der Legende der<br />

verwendeten farbigen Symbole – wieder in<br />

Deutsch und Russisch. Insbesondere fließende<br />

Gewässer werden detailliert dargestellt<br />

hinsichtlich Breite, Tiefe, Beschaffenheit<br />

des Grundes, geeigneter Stellen zum<br />

Übersetzen und zum Anlanden von Truppen.<br />

Nahezu jede einzelne Brücke, Schleuse<br />

oder Furt ist erfasst. Darüber hinaus ist<br />

jeder Hafen kenntlich gemacht.<br />

ÜBERSICHT:<br />

In nummerierte<br />

Quadrate aufgeteilte<br />

Karte der Bundesrepublik<br />

Deutschland mit<br />

eingezeichneten<br />

Talsperren.<br />

Detaillierte Angaben<br />

Die Beschaffenheit der Küstengebiete an<br />

Ost- und Nordsee ist hinsichtlich der Möglichkeit<br />

der Anlandung von Truppen von<br />

See her beschrieben. Nahezu sämtliche<br />

Straßen-, Eisenbahn- und sonstige Brückenanlagen<br />

einschließlich der entsprechenden<br />

Tunnelanlagen sind erfasst und werden<br />

hinsichtlich ihrer Abmessungen, Baumaterialen<br />

und Nutzung, aber auch vorbereiteter<br />

Sprengmöglichkeiten und Sprengschächte<br />

erläutert. Wichtige Industrie- und<br />

Rüstungsbetriebe sind farblich gekennzeichnet.<br />

Der Hauptteil des Dokuments besteht<br />

aus insgesamt 68 quadratischen farbigen<br />

Kartenblättern, die im Maßstab<br />

1:200.000 die gesamte Bundesrepublik kartographisch<br />

erfassen. Auf der Rückseite jeder<br />

Karte befinden sich unter den Einzelüberschriften<br />

• Allgemeine Angaben<br />

• Klimatische Bedingungen<br />

• Straßenetz<br />

• Geländeeinschätzung<br />

• Bodenbewachsung<br />

• Gewässer<br />

• Angaben zu den wichtigsten Flüssen<br />

• Passierbarkeit des Geländes<br />

• Bedingungen zum Bau von Feldbefestigungen<br />

• Bedingungen zur Wassergewinnung<br />

und Aufbereitung<br />

weitere detailliere Angaben. Besonders die<br />

Angaben zum Straßenetz sind militärischer<br />

Natur. So wird angegeben, wie breit die sogenannten<br />

Hauptmarschstraßen sind und<br />

aus welchem Material diese gebaut sind.<br />

Davon abhängig wird dann die Vormarschmöglichkeit<br />

in Regiments- oder Bataillonskolonne<br />

erläutert.<br />

Im letzten Teil des Kartenwerkes finden<br />

sich auf insgesamt 80 Seiten „Bildwerke<br />

ausgewählter Objekte“. Jede Seite enthält<br />

zwischen drei und vier Schwarz-weiß-Aufnahmen,<br />

die jeweils in deutscher und russischer<br />

Sprache beschrieben und einer geographischen<br />

Karte des Hauptteils zugeordnet<br />

sind. Es handelt sich bei den meisten<br />

Aufnahmen um Luftbilder von Objekten,<br />

die aus militärischer Sicht von Bedeutung<br />

sind – Autobahnkreuzungen, Brücken, Eisenbahnknotenpunkte,<br />

Industrieanlagen,<br />

Häfen und Kraftwerke. Dazu kommen Aufnahmen,<br />

die in großem Maßstab landschaftliche<br />

Gegebenheiten erkennen lassen,<br />

die für Truppenbewegungen von Bedeutung<br />

sind: Flußquerungen, Waldgebiete,<br />

Kanalgebiete etc.<br />

Veraltetes Bildmaterial<br />

Es muss jedoch erwähnt werden, dass die<br />

große Mehrzahl der Bilder in einem Kartenwerk,<br />

das den Stand des Jahres 1988 widerspiegeln<br />

soll, in Teilen mehr als veraltet<br />

ist. So wird zum Beispiel der Hafen von<br />

Bremerhaven – im Jahr 1988 bereits einer<br />

der größten Containerhäfen Europas – an<br />

Hand eines Fotos erläutert, der noch die alte<br />

Auswandereranlage zeigt.<br />

Dieses Kartenwerk und andere nach<br />

1990 zugänglich gewordene Manöverunterlagen<br />

machen deutlich, wo das geplante<br />

<strong>Operation</strong>sgebiet der NVA lag.<br />

Eberhard Kliem, Jg. 1941, Fregattenkapitän a.D., zuletzt<br />

tätig im NATO-Hauptquartier Brüssel. Anschließend<br />

drei Jahre Geschäftsführer des Deutschen Marinemuseums<br />

in Wilhelmshaven. Mitarbeit an verschiedenen<br />

Museumsprojekten; zahlreiche maritime<br />

Fachbeiträge.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

55


Militär und Technik | Marineflieger<br />

Deutsche Marineflieger nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

„Fliegen, wo die<br />

NEUES MODELL: Ab 1975 werden die<br />

Sikorski H-34 (hinten) durch Westland<br />

„Sea King“-Hubschrauber abgelöst.<br />

Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />

Ende der 1950er-Jahre: Die Bundeswehr beginnt mit der Einführung von Marinefliegergruppen.<br />

Wenige Jahre später wird in der DDR eine erste Marinehubschrauberstaffel zur<br />

Unterstützung der Seestreitkräfte in Dienst gestellt...<br />

Von Werner Fischbach<br />

Die Anfänge der bundesdeutschen Marineflieger<br />

reichen in das Jahr 1949 zurück.<br />

Vier Jahre nach dem Ende des<br />

Zweiten Weltkriegs ruft die US-Marine das<br />

„Naval Historical Team“ zusammen, das unter<br />

die Zuständigkeit der „Naval Intelligence“<br />

fällt. Dabei geht es den Amerikanern<br />

in erster Linie um die Erfahrungen, die die<br />

deutsche Kriegsmarine im letzten Weltkrieg<br />

insbesondere in Nord- und Ostsee, sowie in<br />

Norwegen und dem Atlantik gesammelt hat.<br />

Das Team umfasst fünf fest angestellte<br />

hohe Marineoffiziere und tritt unter der<br />

Leitung von Generaladmiral a. D. Otto<br />

Schniewind am 9. April 1949 in Bremerhaven<br />

zum ersten Mal zusammen. Es gilt als<br />

Keimzelle der späteren Bundesmarine.<br />

Mit von der Partie ist auch der ehemalige<br />

Oberst i.G. Walter Gaul, der als Marine-<br />

VIELSEITIG EINSETZBAR: Ein Hubschrauber<br />

vom Typ Mil Mi-4 beim Bergungsdienst.<br />

Foto: BArch, Bild 183-C0229-0001-002, Fotograf: Karnitzki<br />

offizier 1934 zur Luftwaffe wechselte und<br />

während des Krieges – unterbrochen von<br />

Seeaufklärereinsätzen – im Stab der Seekriegsleitung<br />

tätig war.<br />

Anfänge der Bw-Marineflieger<br />

Marineflieger sind also schon beim „Naval<br />

Historical Team“ ein Thema. Wesentlich konkreter<br />

wird die Angelegenheit in der Himmeroder<br />

Denkschrift, die im Oktober 1950<br />

vor dem Hintergrund der konventionellen<br />

Überlegenheit sowjetischer Streitkräfte und<br />

des am 25. Juni desselben Jahres ausgebrochenen<br />

Koreakriegs hinter den Mauern des<br />

Klosters Himmerod erstellt wird. Thema ist<br />

der militärische Beitrag der Bundesrepublik<br />

an der Seite ihrer westlichen Partner, wobei<br />

auch auf die Rolle zukünftiger Marinefliegerverbände<br />

eingegangen wird.<br />

56


RESPEKTEINFLÖßEND:<br />

Bewaffneter Mi-8T-Hubschrauber<br />

beim Einsatz über der Ostsee.<br />

Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />

Flotte fährt“<br />

Angesichts der aus Sicht der Marine negativen<br />

Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

werden eigene Marinefliegerkräfte als<br />

notwendig angesehen. Die entsprechende<br />

Empfehlung geht auf den ehemaligen<br />

Oberst und späteren Kapitän zur See und<br />

ersten Kommandeur der bundesdeutschen<br />

Marineflieger, Walter Gaul, zurück. Vorgeschlagen<br />

werden 84 Jagd-, 30 Aufklärungssowie<br />

30, später sogar 60 Kampf- bzw. U-<br />

Jagdflugzeuge. Allerdings ist diese Forderung<br />

nicht einfach umzusetzen. Da die Marine<br />

Bestandteil der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG) werden soll,<br />

leisten Frankreich und Großbritannien heftigen<br />

Widerstand gegen eigenständige deutsche<br />

Marinefliegerverbände.<br />

Nur durch die Intervention der USA<br />

werden der bundesdeutschen Marine im<br />

Mai 1952 30 Hubschrauber und 24 Aufklärer<br />

zugestanden.<br />

Als der EVG-Vertrag schließlich am Widerstand<br />

Frankreichs scheitert, werden der<br />

Marine bei den Verhandlungen über einen<br />

NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland<br />

infolge einer massiven Unterstützung<br />

durch die USA neben 58 Flugzeugen (24<br />

Aufklärer, 24 Angriffs- und zehn U-Jagdflugzeuge)<br />

eine unbestimmte Anzahl von<br />

Hubschraubern zugestanden. Dazu kommt<br />

noch eine Reserve von 30 Prozent.<br />

Mit dem Aufstellungsbefehl Nr. 41 vom<br />

26. Juni 1956 bildet Kpt.z.S. Gaul das Kommando<br />

der Marineflieger und bezieht mit<br />

sechs weiteren Soldaten eine Baracke in<br />

Kiel-Holtenau. Im April 1957 wird die<br />

I. Marinefliegergruppe in Dienst gestellt.<br />

Am 1. Januar folgt die Seenotstaffel und am<br />

1. April 1958 die II. Marinefliegergruppe.<br />

Als einmaliger Vorgang in der deutschen<br />

Militärgeschichte kann die Indienststellung<br />

der Mehrzweckstaffel am 19. Mai<br />

1958 im schottischen Lossiemouth bezeichnet<br />

werden. Einen Tag darauf wird<br />

dort die U-Jagd-Staffel in Dienst gestellt.<br />

Luftfahrzeuge der Geschwader<br />

„Fliegen, wo die Flotte fährt“, lautet das<br />

Motto der Marineflieger. Und das beschreibt<br />

ihre Aufgabe genau. Sie sind, der<br />

direkten Kommandogewalt der Marine unterstellt,<br />

ein Seekriegsmittel und dienen dazu,<br />

Seekrieg aus der Luft und eben nicht,<br />

Luftkrieg über der See zu führen.<br />

IN BEGLEITUNG: Nach ihrer letzten Landung wird<br />

die „Atlantic“ der SIGINT-Version von zwei<br />

„Sea Lynx“ eskortiert.<br />

Foto: PIZ Marine<br />

Die Aufgabe der Angriffs- bzw. Kampfflugzeuge<br />

(Marinejagdbomber) liegt im Schutz<br />

der Ostsee und ihrer Zugänge, um im Fall<br />

eines Angriffs des Warschauer Pakts den<br />

sowjetischen Streitkräften und ihren Verbündeten<br />

den Zugriff auf diese Seegebiete<br />

zu verwehren und eine Landung auf bundesdeutschem<br />

Territorium zu verhindern.<br />

Die beiden dafür in Jagel bzw. ab März<br />

1965 in Eggebek in Schleswig-Holstein beheimateten,<br />

zunächst als Marinefliegergruppen<br />

aufgestellten Marinefliegergeschwader<br />

1 und 2 (MFG 1 und 2) werden,<br />

da die USA nicht bereit sind, moderne<br />

Kampfflugzeuge wie die Grumman F9F-8P<br />

„Cougar“ an Deutschland zu liefern, zunächst<br />

mit Armstrong Whitworth „Seahawk“<br />

ausgerüstet. Dabei handelt es sich<br />

hierbei um ein für die Royal Navy entwickeltes<br />

und dort eingesetztes robustes<br />

Clausewitz 3/2013<br />

57


Militär und Technik | Marineflieger<br />

BILD AUS VERGANGENEN TAGEN: „Tornados“<br />

der Bundesmarine auf ihrer Basis in<br />

Eggebek. Foto: picture-alliance/YPS collection<br />

Flugzeugmuster, das – wie die späteren<br />

Nachfolgemodelle – auch als Aufklärer eingesetzt<br />

werden kann.<br />

Insgesamt werden 68 Maschinen beschafft,<br />

34 Jagdbomber und 34 Aufklärer.<br />

Die Grundausbildung der Piloten erfolgt<br />

bei der U.S. Navy; die nachfolgende Mustereinweisung<br />

wird bei der Royal Navy<br />

durchgeführt.<br />

Einführung neuer Jets<br />

Die Ablösung des britischen Jets wird bereits<br />

am 10. September 1963 eingeläutet, als<br />

die erste F-104G „Starfighter“ auf dem Fliegerhorst<br />

Jagel landet. Dabei wollen die Marineflieger<br />

den „Starfighter“ eigentlich gar<br />

nicht haben. Sie wünschen sich die NA 39<br />

„Bucaneer“ vom britischen Hersteller<br />

Hawker Siddeley. Denn dabei handelt es<br />

sich im Gegensatz zur F-104G um ein zweistrahliges<br />

und zweisitziges Flugzeug. Diese<br />

Tatsache bietet für Einsätze über See<br />

deutliche Vorteile. Doch die Bundesmarine<br />

muss, wenn auch zähneknirschend, der Beschaffung<br />

des „Starfighters“ zustimmen.<br />

LANGE IM EINSATZ: Das MFG 5 verwendet<br />

Do 28-D2 „Skyservant“ für Verbindungs- und<br />

Transportflüge. Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />

Obwohl es zunächst Probleme mit der Ersatzteilbeschaffung<br />

gibt – zu Beginn sind<br />

im Jahresdurchschnitt nur 20% der Maschinen<br />

einsatzbereit – und eine Absturzserie<br />

die „fliegende Rakete“ in die sogenannte<br />

Starfighter-Krise führt, können die Marineflieger<br />

mit der F-104 ihre Aufgabe wesentlich<br />

besser erfüllen als mit der „Seahawk“.<br />

Zudem kann Ende der 1970er-Jahre die<br />

Kampfkraft mit der Einführung des Luft-<br />

Schiff-Flugkörpers Kormoran I deutlich erhöht<br />

werden.<br />

Im Jahr 1982 erhalten die Marineflieger<br />

mit dem PA-200 „Tornado“ endlich ihr<br />

Wunschflugzeug. Denn der „Tornado“ ist<br />

von vorneherein als Jagdbomber konstruiert.<br />

Und die Maschine ist zweisitzig und<br />

zweistrahlig. Das MFG 1 ist der erste Verband<br />

der Bundeswehr, der mit dem<br />

neuen Kampfflugzeug ausgerüstet<br />

wird. Beide Geschwader setzen den<br />

„Tornado“ bis zu ihrer Außerdienststellung<br />

ein.<br />

Neben dem Schutz der westlichen<br />

Ostsee und ihrer Zugänge<br />

ÜBERFLIEGER: Mit dem „Tornado“ (rechts)<br />

erhalten die Marineflieger endlich ihr<br />

„Wunschflugzeug“.<br />

Foto: PIZ Marine<br />

gehört auch der Schutz bzw. die Überwachung<br />

der Seeverbindungen zu den Aufgaben<br />

der Marineflieger. Deshalb wird eine<br />

U-Boot-Jagdstaffel eingerichtet, die zunächst<br />

mit Fairey AS4/T15 „Gannet“ ausgerüstet<br />

wird. Nach der Indienststellung in<br />

Schottland verlegt die Staffel zum MFG 2<br />

nach Jagel. Das Geschwader verlegt im<br />

April 1963 nach Nordholz und Ende desselben<br />

Jahres nach Eggebek, wobei die U-<br />

Jagd-Staffel in Nordholz verbleibt. Sie bildet<br />

die Keimzelle für das 1964 aufgestellte<br />

MFG 3 und übernimmt zum Jahreswechsel<br />

1964/65 auf dem ehemaligen Luftschiffhafen<br />

die Verantwortung vom MFG 2.<br />

Vielseitige Aufgaben<br />

Bundespräsident Heinrich Lübke verleiht<br />

dem Geschwader am 9. Juli 1967 den Traditionsnamen<br />

„Graf Zeppelin“. Mit der Landung<br />

der ersten von insgesamt 20 Breguet<br />

BR1150 „Atlantic“ am 26. Januar 1966 wird<br />

die Ablösung der „Gannet“ eingeläutet; das<br />

Flugzeugmuster wird am 30. Juni 1966 außer<br />

Dienst gestellt. Fünf „Atlantics“ erhal-<br />

IM ANFLUG: Die Volksmarine<br />

setzte ihre Hubschrauber<br />

auch zum Personentransport<br />

ein – hier zu einem Küstenschutzschiff.<br />

Foto: BArch, Bild 183-H1004-0001-<br />

035, Fotograf: Jürgen Sindermann<br />

58


Wunschflugzeug „Tornado“<br />

ten in den USA ab 1969 unter der Bezeichnung<br />

„Peace Peek“ eine Spezialausrüstung<br />

zur elektronischen Aufklärung (SIGINT)<br />

und leisten für die NATO damit einen<br />

wichtigen Beitrag zur Aufklärung.<br />

Zur U-Bootjagd werden jedoch auch<br />

Hubschrauber eingesetzt. Diese Aufgaben<br />

sollen zunächst von Sikorsky H-34 des<br />

MFG 4 wahrgenommen werden, die zusätzlich<br />

auch für Minensuch- und Minenräumaufgaben<br />

vorgesehen sind. Knappe<br />

Haushaltsmittel und die Erkenntnis, dass<br />

die beschränkte Reichweite der H-34 einen<br />

effektiven U-Jagdeinsatz nicht zulässt,<br />

zwingen zur Einstellung dieser Pläne. Heute<br />

werden Hubschrauber des Typs Westland<br />

„Sea Lynx“ zur U-Boot-Jagd verwendet,<br />

die dem MFG 3 angehören und als<br />

Bordhubschrauber auf den Fregatten eingesetzt<br />

werden. Seit Beginn der 1980er-Jahre<br />

werden die Seefernaufklärer und in geringerem<br />

Maße auch die Hubschrauber der<br />

Marine in verschiedenen Einsätzen auch<br />

außerhalb des NATO-Gebiets eingesetzt. So<br />

zum Beispiel im Jugoslawienkonflikt oder<br />

am Horn von Afrika.<br />

Für Transport- und Verbindungsflüge<br />

sowie für Search-and-Rescue (SAR)-Aufgaben<br />

wird bereits am 1. Januar 1958 in Kiel-<br />

Holtenau die Seenotstaffel in Dienst gestellt,<br />

die später zum Marinedienst- und<br />

Seenotgeschwader aufgewertet wird und<br />

schließlich in MFG 5 umbenannt wird. Die<br />

Erstausstattung besteht aus sechs Verbindungsflugzeugen<br />

vom Typ Hunting Percival<br />

P.66 „Pembroke“ und vier SAR-Hubschraubern<br />

vom Typ Bristol B 171 „Syca-<br />

VORFALL<br />

AUS BESONDEREM BLICKWINKEL:<br />

Hubschrauber vom Typ Mil Mi-8 und<br />

Mil Mi-14 der Volksmarine während<br />

eines Manövers in den 1970er-Jahren.<br />

Foto: ullstein bild – ddrbildarchivde/Willmann<br />

more“. Allerdings erweist sich dieser Hubschrauber<br />

aufgrund seiner geringen Reichweite<br />

und Tragfähigkeit für SAR-Aufgaben<br />

als wenig geeignet, so dass 1959 zusätzlich<br />

fünf Grumman HU-16D „Albatros“-Amphibienflugzeuge<br />

beschafft werden. Als<br />

weitere Verbindungsflugzeuge werden<br />

Der Flug des Hauptgefreiten Metzger<br />

Bis gegen 9:00 Uhr des 5. Dezember 1963<br />

ist eigentlich nicht besonders viel los auf<br />

dem Marinefliegerhorst Jagel. Doch das ändert<br />

sich schnell, als eine Seahawk ohne<br />

Flugauftrag und ohne Freigabe des Towers<br />

auf die Piste rollt und startet. Der erste Verdacht,<br />

ein russischer Agent hätte sich des<br />

Flugzeugs bemächtigt und wolle es gen Osten<br />

entführen, wird schnell entkräftet. Denn<br />

im Cockpit sitzt der Hauptgefreite Metzger,<br />

der als Flugzeugwart im Geschwader arbeitet.<br />

In seiner Freizeit ist er als Segelflieger<br />

tätig, befindet sich in der Ausbildung zum<br />

Privatpiloten und will sich nun wohl den lang<br />

ersehnten Wunsch erfüllen, endlich ein „richtiges“<br />

Flugzeug zu fliegen. Am Vortag hat er<br />

sich das Flughandbuch einer Seahawk ausgeliehen<br />

und für sein Vorhaben in der Nacht<br />

ordentlich gebüffelt.<br />

Schnell wird eine Rotte startklar gemacht,<br />

die den Ausreißer bald einholt. Das<br />

Problem ist jedoch, den Hauptgefreiten mit<br />

seinem „geliehenen“ Marinejagdbomber<br />

wieder sicher auf den Boden zu bringen. Das<br />

muss einigermaßen schnell gehen, denn die<br />

Maschine hat lediglich für 45 Minuten Treibstoff<br />

in den Tanks. Drei Versuche benötigt<br />

Metzger, um die Seahawk auf den Boden zu<br />

bringen. Beim ersten Anflug ist er für eine<br />

Landung viel zu schnell, der zweite endet in<br />

einem „Touch-and-Go“ (Aufsetzen und Durchstarten).<br />

Beim dritten Versuch gelingt ihm<br />

eine einigermaßen saubere Landung.<br />

Beim Geschwader ist man erleichtert –<br />

die Maschine hat noch Sprit für fünf Minuten<br />

an Bord. Die ersten, die Metzger zu seinem<br />

ersten Flug mit einem Marinejagdbomber<br />

gratulieren, sind die Piloten der verfolgenden<br />

Rotte.<br />

Die Maschine dient danach für viele Jahre<br />

als „Gate Guard“ an der Hauptwache des<br />

Fliegerhorstes und wird erst nach der Außerdienststellung<br />

des MFG 1 entfernt. Über das<br />

weitere Schicksal des Hauptgefreiten Metzger,<br />

der disziplinarisch bestraft und aus der<br />

Marine entlassen wird, ist nichts bekannt.<br />

Do 27 und Piaggio P.149D<br />

verwendet. Als Nachfolger für<br />

den nicht gerade leistungsstarken „Sycamore“-Hubschrauber<br />

werden ab 1963 Modelle<br />

der Typen Sikorski H-34G und ab 1975<br />

Westland „Sea King“ Mk.41 eingesetzt.<br />

Nach der Einrüstung mit dem britischen<br />

„Sea Skua“-Raketensystem können die<br />

„Sea King“ zusätzliche Aufgaben wahrnehmen.<br />

Ab 1972 werden die Transport- und<br />

Verbindungsflugzeuge durch Do 28-D2<br />

„Skyservant“ ersetzt, die bis 1995 betrieben<br />

werden.<br />

Marineflieger der Volksmarine<br />

Obwohl die Volksmarine der DDR der ersten<br />

strategischen Staffel des Warschauer<br />

Paktes angehört, scheinen ihre Wünsche<br />

nach eigenen Luftstreitkräften zunächst auf<br />

taube Ohren zu stoßen. Grund hierfür mögen<br />

unzureichende finanzielle Mittel, die<br />

personelle Begrenzung zugunsten des Heeres<br />

und der Luftwaffe sowie die Tatsache,<br />

dass die Volksmarine von der Sowjetunion<br />

lediglich als Hilfsverband der Baltischen<br />

Flotte angesehen wird, sein.<br />

Dabei hat die Führung der Seestreitkräfte<br />

(SSK) zunächst lediglich Hubschrauber<br />

für die U-Boot-Abwehr vorgesehen. Für<br />

den Zeitraum von 1956 bis 1960 sollen zwei<br />

Regimenter der Jagdluftwaffe und ein Regiment<br />

von Aufklärungsflugzeugen bei der<br />

Clausewitz 3/2013<br />

59


Militär und Technik | Marineflieger<br />

Luftwaffe geschaffen werden, die jedoch<br />

den Seestreitkräften operationell unterstellt<br />

werden sollen.<br />

Für die Zeit nach 1960 werden eigene<br />

Seeluftstreitkräfte gefordert, die eine Staffel<br />

düsengetriebene Aufklärungsflugzeuge, eine<br />

Staffel propellergetriebene Aufklärungsflugzeuge<br />

und eine Hubschrauberstaffel<br />

zur U-Boot-Jagd sowie für den Seenotrettungsdienst<br />

umfassen sollen. Doch es dauert<br />

bis zum Dezember 1962 bis eine Hubschrauberkette<br />

mit einer Personalstärke<br />

von 123 Mann genehmigt wird.<br />

Marinehubschraubergeschwader<br />

Bereits drei Jahre zuvor, im Juli 1959, nahmen<br />

Hubschrauber des Hubschraubergeschwaders<br />

34 an einer Marineübung teil.<br />

Sie werden dabei zum Kommando der Seestreitkräfte<br />

nach Rostock-Gehlsdorf verlegt.<br />

Allerdings vergeht danach noch viel Zeit<br />

ehe am 1. Mai 1963 eine mit vier Mi-4-Hubschraubern<br />

ausgerüstete Staffel in Dienst<br />

gestellt wird. Dies wird als offizieller Gründungstag<br />

der Marineflieger der DDR angesehen.<br />

Wichtigste Aufgabe dieser als<br />

18. Hubschrauberstaffel bezeichneten Einheit<br />

ist die U-Bootjagd und der Lufttransport.<br />

Nach dem Vorschlag des Chefs der<br />

Seestreitkräfte, die Staffel mit neuen W-14<br />

(Mil Mi-14)-Hubschraubern zu verstärken,<br />

beginnt ab August 1974 die Ablösung der<br />

Mi-4-Hubschrauber durch Transporthubschrauber<br />

vom Typ Mi-8T.<br />

Dagegen verzögert sich die Beschaffung<br />

von moderneren U-Jagd-Hubschraubern,<br />

was vom sowjetischen Marschall Kulikow<br />

kritisiert wird. Daraufhin erklärt sich die<br />

INFO<br />

Technische Daten<br />

Typ Mil Mi-14 Westland Sea King Mk41<br />

Besatzung<br />

2 Piloten,<br />

Operator, Mechaniker<br />

2 Piloten, 1 <strong>Operation</strong>soffizier,<br />

1 Mechaniker<br />

+ 19 Passagiere<br />

Triebwerk<br />

2 x Klimov TW3-117MT<br />

bzw. TV3-117MT<br />

2 x Rolls-Royce<br />

Gnome H 1400-1<br />

Startleistung je Triebwerk 1.435 kW/1.924 PS 1.238 kW/1.660 PS<br />

Maximale Geschwindigkeit 124 kn/230 km/h 113 kn/209 km/h<br />

Marschgeschwindigkeit 89 – 113 kt/165 – 210 km/h k.A.<br />

Dienstgipfelhöhe 13.123 ft/4.000 m 10.000 ft/3.048 m<br />

Reichweite 432 NM/800 km 664 NM/1.230 km<br />

Leergewicht 8.900 kg 6.207 kg<br />

Max. Startmasse 14.000 kg 9.525 kg<br />

Rotorblätter (Haupt/Heck) 5/3 5/5<br />

Rotordurchmesser (Haupt/Heck) 21,29 m/3,91 m 18,90 m/3,23 m<br />

Rotorkreisfläche 356,0 m 2 280,6 m 2<br />

Länge 25,32 m 22,15 m<br />

Höhe 6,93 m 4,72 m<br />

Bewaffnung<br />

Wasserbomben, Torpedos,<br />

Sonarbojen<br />

Sea Skua, Flare-Anlage M-130:<br />

Keine Bewaffnung bei<br />

SAR-Einsatz<br />

VORFÜHRUNG: Hubschrauber Mil Mi-14 des<br />

Marinehubschraubergeschwaders 18 beim<br />

Absetzen von Kampfschwimmern im Rahmen<br />

einer Flottenparade im Jahr 1979 anlässlich<br />

des 30. Jahrestages der Gründung der DDR.<br />

Foto: BArch, Bild 183-U1007-050, Fotograf: Jürgen Sindermann<br />

Sowjetunion bereit, der Nationalen Volksarmee<br />

im Zeitraum von 1981 bis 1985 modernstes<br />

Kriegsgerät in erheblichem Umfang<br />

zu übergeben. Als Folge davon landen<br />

bereits im Oktober 1979 die ersten drei U-<br />

Jagd-Hubschrauber vom Typ Mi-14PL auf<br />

dem Fliegerhorst von Parow bei Stralsund;<br />

sechs weitere folgen in den nächsten Jahren.<br />

Obwohl von der Volksmarine mit Skepsis<br />

betrachtet, werden auch Minenabwehrhubschrauber<br />

vom Typ Mi-14BT geliefert, so<br />

dass die Einheit, die seit dem Dezember 1981<br />

als Hubschraubergeschwader 18 bezeichnet<br />

wird, 1985 aus zwölf Kampf-, neun U-Jagdund<br />

sechs Minenräumhubschraubern besteht.<br />

Ende 1990 verfügt das Geschwader<br />

60


Schmerzhafte Auflösungen<br />

VERPFLICHTUNG: Seit Juli 1967 trägt<br />

das MFG 3 den Traditionsnamen „Graf<br />

Zeppelin“, was diese Maschine auf dem<br />

Seitenleitwerk zeigt. Foto: PIZ Marine<br />

AUSGEDIENT: Ein Teil der Volksmarine-Hubschrauber<br />

wird noch bis 1994 bei der Hubschraubergruppe<br />

Parow eingesetzt.<br />

Foto: Bibliothek für Zeitgeschichte<br />

Nach der Wiedervereinigung<br />

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />

entfällt die Bedrohung durch die Baltische<br />

Flotte, so dass die wichtigste Aufgabe<br />

der beiden Jagdbombergeschwader gewissermaßen<br />

über Nacht entfallen ist. Die Zahl<br />

der Jagdbomber muss reduziert werden, so<br />

dass das MFG 1 mit seinen Flugzeugen und<br />

Liegenschaften sukzessive an die Luftwaffe<br />

übergeben und das Geschwader am 31. Deüber<br />

eine Staffel von zwölf Mi-8TB/T, eine<br />

U-Jagdstaffel mit acht Mi-14PL und eine Minenräumstaffel<br />

mit sechs Mi-14BT. Zusätzlich<br />

wird noch im März 1990 eine SAR-Staffel<br />

mit sechs Hubschraubern vom Typ<br />

Mi-14BT und zwei Mi-8BT gebildet.<br />

Geplante Erweiterung<br />

Neben den Hubschraubern stehen auch<br />

Marinejagdbomber und die Einrichtung eines<br />

entsprechenden Geschwaders auf der<br />

Wunschliste der Führung der Volksmarine.<br />

Dies wird von der Sowjetunion unterstützt,<br />

wobei führende Militärs die Beschaffung<br />

von Su-7B-Jagdbombern empfehlen.<br />

Allerdings wird dieses Luftfahrzeugmuster<br />

abgelehnt, da die NVA einheitliche Jagdbombertypen<br />

sowohl für Luftwaffe (LSK/<br />

LV) als auch für die Marine beschaffen<br />

möchte. Die Flugzeuge sollen im in Rostock-<br />

Laage stationierten Marinefliegergeschwader<br />

28 zusammengefasst und mit Jagdbombern<br />

vom Typ MiG-23BN und Aufklärern<br />

vom Typ Su-22M ausgerüstet werden.<br />

Die Führung der NVA entscheidet sich<br />

jedoch, der Marine lediglich die Su-22 zuzuteilen.<br />

Allerdings soll das Marinefliegergeschwader<br />

28 zunächst bei den Luftstreitkräften<br />

verbleiben. Dass das Geschwader<br />

am 1. März 1988 dennoch der Marine unter-<br />

stellt wird, liegt wohl an den KSZE-Verhandlungen.<br />

Dort werden die Waffensysteme<br />

der Luftwaffe separat von jenen der Marine<br />

gezählt; mit der Unterstellung des<br />

MFG 28 an die Marine kann die NVA die<br />

beiden Staffeln mit insgesamt 24 Su-22 auf<br />

elegante Weise aus den Beständen ihrer<br />

Luftstreitkräfte „verschwinden“ lassen.<br />

Weitere Planungen der DDR-Marineflieger<br />

(Bildung einer Su-22 -Aufklärungsstaffel<br />

sowie einer Transporthubschrauberstaffel)<br />

können nach der Wiedervereinigung der<br />

beiden deutschen Staaten am 3. Oktober<br />

1990 nicht mehr realisiert werden. Ein Teil<br />

der Hubschrauber wird von der Bundesmarine<br />

bis September 1994 bei der Marine-<br />

Hubschraubergruppe Parow eingesetzt.<br />

MIT BREMSFALLSCHIRM: Eine Rotte von<br />

Suchoi Su-22 bei der Landung auf dem Militärstützpunkt<br />

in Rostock-Laage im Jahr<br />

1981. Foto: ullstein bild – EUROLUFTBILD.DE<br />

zember 1993 aufgelöst wird. Zehn Tornadoflugzeuge<br />

gehen an das MFG 2. Im Januar<br />

2005 wird auch dieses Geschwader aufgelöst.<br />

Ein schmerzhafter Einschnitt, denn damit<br />

verliert die Marine zumindest teilweise<br />

die Fähigkeit, „Seekrieg aus der Luft“ in eigener<br />

Regie durchzuführen und muss sie<br />

diese an die Luftwaffe abgeben. Und dies<br />

sollte eigentlich durch die Schaffung eigener<br />

Seefliegerverbände vermieden werden.<br />

1995 stellt das MFG 5 die mit Do-28D<br />

ausgerüstete Staffel 1994 außer Dienst, wodurch<br />

die Marine ihre Lufttransportkapazität<br />

einbüßt. Die Hubschraubergruppe in<br />

Parow wird im selben Jahr aufgelöst. Die<br />

verbliebenen 21 „Sea King“-Hubschrauber<br />

werden 2012 im Rahmen der Strukturreformen<br />

von ihrem Standort Kiel-Holtenau<br />

nach Nordholz verlegt. Damit wird der<br />

ehemalige Luftschiffhafen bei Cuxhaven<br />

nicht nur Heimat für die beiden verbleibenden<br />

Marinefliegergeschwader 3 und 5, sondern<br />

ist fortan der einzige Standort der Marineflieger<br />

und gleichzeitig der größte Fliegerhorst<br />

der Bundeswehr insgesamt.<br />

PRAKTISCH: Für den Einsatz auf Flugzeugträgern können die Tragflächen der „Seahawk“<br />

geklappt werden – Startvorbereitungen auf dem Fliegerhorst in Jagel.<br />

Foto: PIZ Marine<br />

Werner Fischbach, Jg. 1945, acht Jahre Dienst in der<br />

Bundesmarine; danach Ausbildung und Einsatz als ziviler<br />

Fluglotse, seit den 1980er-Jahren freier Luftfahrtjournalist.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

61


Militär und Technik | FlaK 8,8 cm<br />

Gefürchtete Allzweckwaffe<br />

Die „Acht-Acht“<br />

1941–1943: „Anti-Aircraft, Anti-Tank and Anti-Social!“ Mit grimmiger<br />

Anerkennung zollen die Engländer in Nordafrika ihrem vielleicht<br />

gefährlichsten Gegner Respekt. Was hat es mit der erfolgreichen<br />

deutschen 8,8 cm FlaK auf sich?<br />

Von Thomas Anderson<br />

Der Erste Weltkrieg stellt eine Zäsur in<br />

der Weltgeschichte dar. Was bereits<br />

während des US-Bürgerkrieges und<br />

im Krieg von 1870/71 im Ansatz erkennbar<br />

war, beeinflusst den neuen Konflikt gewaltig:<br />

Die industrielle Leistungsfähigkeit der<br />

Kriegsteilnehmer bestimmt Art, Dauer und<br />

Ausgang dieses Konfliktes.<br />

Die rasante Entwicklung der Rüstungstechnik<br />

im Ersten Weltkrieg bringt viele<br />

technische Neuerungen auf das Schlachtfeld,<br />

darunter moderne Entwicklungen wie<br />

gepanzerte Kampffahrzeuge und Flugzeuge.<br />

Luftgestützte Angriffe werden früh als<br />

potentielle Bedrohung angesehen. Schon 40<br />

Jahre vor dem Weltkrieg werden erste Geschütze<br />

zur Abwehr französischer Ballons<br />

entwickelt. Daraus entstehen<br />

noch vor 1910 brauchbare Fliegerabwehrgeschütze<br />

vom Kaliber 7,5 cm.<br />

1916 entwickelt Krupp ein Flugabwehrgeschütz<br />

vom Kaliber 8,8 cm,<br />

welches als Urahn der späteren 8,8 cm<br />

Flak L/56 gelten darf (Das Kürzel L/56<br />

beschreibt die Kaliberlänge des Geschützes<br />

und umfasst sowohl die 8,8 cm FlaK 18, 36<br />

und 37).<br />

Verborgene Entwicklung<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg ergeben sich<br />

aus dem Versailler Vertrag für das deutsche<br />

Heer starke Einschränkungen bezüglich<br />

der Entwicklung und Einführung moderner<br />

Waffen. Die harten Bedingungen dieses<br />

Vertragswerkes werden von deutscher Seite<br />

jedoch unterlaufen, die Entwicklung moderner<br />

Waffen läuft im Geheimen weiter.<br />

Zum Ende der 1920er-Jahre ergibt sich in<br />

Deutschland wieder die Notwendigkeit einer<br />

Fliegerabwehrwaffe, um der steigenden<br />

Gefährdung aus der Luft Rechnung zu<br />

tragen. Die Hauptforderung an das zu entwickelnde<br />

Geschütz ist die Bekämpfung<br />

feindlicher Aufklärungs- und Bomberflugzeuge<br />

auf mittleren und großen Flughöhen<br />

(500 bis 6.000 m).<br />

Die Entscheidung für das Kaliber 8,8 cm<br />

der Flak ist praktischen Gesichtspunkten<br />

geschuldet. Firmen wie Krupp haben da-<br />

ERFOLGREICHE KOMBINATION:<br />

Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />

gepanzerten s ZgKw 12 t<br />

(SdKfz. 8). Schnell und auch<br />

im Gelände beweglich, können<br />

die wertvollen Waffen<br />

an Brennpunkten<br />

eingesetzt werden.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

62


EINDRUCKSVOLLES SCHAUSPIEL:<br />

Eine 8,8 cm FlaK L/56 auf einem<br />

der riesigen Faun-Lastwagen beim<br />

Feuern in der Nacht. Die Feuerleitung<br />

obliegt einem Kommandogerät<br />

(ebenfalls auf Lkw verlastet).<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

INFO<br />

Vergleich schwerer Flakgeschütze<br />

Waffe<br />

8,8 cm<br />

FlaK 18<br />

8,8 cm<br />

FlaK 41<br />

10,5 cm<br />

FlaK 38<br />

88 mm FlaK<br />

M 1939<br />

QF 3,7 inch<br />

AA gun<br />

90 mm Gun<br />

M1A1<br />

Herkunft Deutsches Reich Deutsches Reich Deutsches Reich Russland England USA<br />

Kaliber 8,8 cm 8,8 cm 10,5 cm 8,5 cm 9,4 cm 9 cm<br />

Kaliberlänge L/56 L/74 L/63 L/55 -- --<br />

Gewicht 7,2 t 11,2 t 14 t 4,2 t 9,3 t 8,6 t<br />

Anfangsgeschwindigkeit<br />

(Vo)<br />

850 m/s 1.000 m/s 900 m/s 792 m/s 722 bis 1.044<br />

m/s<br />

823 m/s<br />

Max. Schussweite 16.300 m 19.800 m 17.700 m 15.000 m 18.800 m 17.800 m<br />

Effektive Reichweite/max.<br />

Schusshöhe<br />

11.300 m 14.700 m 12.800 m 10.500 m 12.000 m 10.300 m<br />

mit entsprechende Erfahrungen, sowohl<br />

Rasanz als auch Waffenwirkung im Ziel erfüllen<br />

die gesetzten Parameter.<br />

Am 13. Dezember 1930 verzeichnet die<br />

Kommission für das streng geheime Entwicklungsprogramm<br />

unter anderem:<br />

„Es wird eine Flugabwehrkanone mit<br />

größtmöglicher Geschosswirkung benötigt.<br />

Die Reichweite muss zwischen 2.500 bis<br />

8.000 m bis zu einer Flughöhe von 6.000 betragen.<br />

Die Flugdauer des Geschosses sollte<br />

für eine Flugbahn von 8.000 m und einer<br />

Flughöhe von 6.000 m nicht länger als 25<br />

Sekunden dauern. Das Geschütz muss im<br />

Einsatzgebiet der Artillerie auf dem Gefechtsfeld<br />

einsetzbar sein. Die 8,8 cm FlaK<br />

ist das kleinste Kaliber mit ausreichender<br />

Wirkung, das für den Einsatz mit unseren<br />

Kommandogeräten geeignet ist.“<br />

Die Firma Krupp hat bereits 1928 begonnen,<br />

eine 8,8 cm FlaK auf Kraftzug-Anhänger<br />

zu entwickeln. Das Geschütz selbst soll<br />

auf einer Sockellafette montiert sein, die<br />

seitlich im 360° Vollkreis geschwenkt und<br />

in der Höhe von minus 3 bis plus 85° gerichtet<br />

werden kann. Für den Einsatz als<br />

Flugabwehrgeschütz ist eine Richtgeschwindigkeit<br />

von 6° pro Sekunde in der<br />

Höhe und 16° pro Sekunde nach der Seite<br />

gefordert.<br />

Eine höchstmögliche Anfangsgeschwindigkeit<br />

(Vo) ist entscheidend, um die Waffenwirkung<br />

schnell in das Zielgebiet zu<br />

Clausewitz 3/2013<br />

63


Militär und Technik | Flak 8,8 cm<br />

Bedienungs- und Feuerleitgerät der 8,8 cm FlaK L/56<br />

FERNGESTEUERT: Bei der Bekämpfung hochfliegender Bomberverbände<br />

übernimmt das Kommandogerät die Steuerung der Fla-Geschütze.<br />

Aufsatz für Rundblickfernrohr<br />

für artilleristischen Einsatz<br />

Empfangsgerät für Höhe, hier<br />

Lampenempfänger der Flak 18<br />

Flak-Zielfernrohr<br />

20<br />

Gestänge zum<br />

Höhengradbogen<br />

Flansch für Fla-<br />

Zielfernrohr 20<br />

Federausgleicher<br />

Empfangsgerät für<br />

Höhenrichtung<br />

Empfangsgerät für<br />

Seitenrichtung<br />

Höhengradbogen<br />

Seitenrichtmaschine<br />

Höhenrichtmaschine<br />

K2 auf dem Sitz der<br />

Seitenrichtmaschine<br />

Kreuzlafette der<br />

8,8 cm Flak 18<br />

Fotos: Sammlung Anderson<br />

bringen. Die Sprenggranate erreicht 850<br />

m/s, die Panzergranate 810 m/s.<br />

Das ursprünglich geforderte Gewicht in<br />

Fahrstellung von 7 t wird nur um 200 kg<br />

überstiegen und somit erfüllt die 8,8 cm<br />

FlaK 18 auch eine weitere Forderung der<br />

Kommission: die nach höchstmöglicher Beweglichkeit.<br />

Ab 1933 wird das Geschütz, nun 8,8 cm<br />

FlaK 18 genannt, in die Bestände der<br />

Reichswehr übernommen. Zweck der Waffe<br />

ist zunächst lediglich die Bekämpfung<br />

von Flugzeugen. Das Geschütz besteht aus<br />

dem Rohr mit Verschluss, der Oberlafette<br />

und dem Lafettenkreuz. Die Oberlafette<br />

trägt das Rohr in der Wiege, sowie Rohrbremse,<br />

Ausgleicher und Luftvorholer. Geschütz<br />

und Oberlafette sind auf einem Sockel<br />

auf der Kreuzlafette montiert. Die<br />

Kreuzlafette dient dem festen Stand des Geschützes,<br />

sie erlaubt ein Seitenrichtfeld von<br />

360°. Zur Verlegung kann die Kreuzlafette<br />

auf einem zweiachsigen Sonderanhänger<br />

verladen werden.<br />

Als Zugmittel dienen anfangs Lkw, die<br />

im Gelände völlig überfordert sind. Nach<br />

Anlauf der Produktion der Halbkettenzugmaschinen<br />

ist der m ZgKw 8 t verfügbar.<br />

Bekämpfung von Luftzielen<br />

Die 8,8 cm Flak L/56 wird in Batterien zu<br />

vier Geschützen eingesetzt.<br />

Im indirekten Richten wird die Batterie<br />

durch ein Kommandogerät in der Befehlsstelle<br />

I geleitet. Dieses errechnet Schusswerte<br />

(Entfernungen, Beobachtungswinkel)<br />

für die anfliegenden Flugzeuge. Die<br />

Werte werden per Kabel an die mehrere 100<br />

Meter entfernten Geschütze in den Feuerstellungen<br />

geleitet. Hier bekommen die<br />

Richtkanoniere (an der rechten Seite des<br />

Geschützes) über ihre Empfänger Daten für<br />

die Höhenrichtung (K1) und Seitenrichtung<br />

(K2), die sie mit ihren Richtmaschinen<br />

einstellen. Gleichzeitig stellt der K6 (an der<br />

linken Seite) die Werte seines Empfängers<br />

an der Zünderstellmaschine ein, die die<br />

Zeitzünder von jeweils zwei Sprenggranaten<br />

dann automatisch justiert.<br />

Bei Ausfall der Befehlsstelle I tritt das<br />

Kommandohilfsgerät in der Befehlsstelle II<br />

(in der direkten Nähe der Feuerstellungen)<br />

in Aktion.<br />

Im direkten Richten nimmt der K2 das<br />

Ziel mithilfe des Flakzielfernrohrs 20, das<br />

vor dem Empfangsgerät für die Seitenrichtung<br />

montiert wird, ins Visier. Der K2 stellt<br />

die seitliche Richtung selbst ein, die Höhenrichtung<br />

wird durch ein Gestänge zum Höhengradbogen<br />

übertragen. Hier richtet der<br />

K1 das Geschütz nach diesen Angaben. Die<br />

Zünderstellmaschine wird nach einer<br />

Schusstafel justiert.<br />

Nach Eröffnen des Feuers detonieren die<br />

Granaten im Idealfall im Bomberpulk nahe<br />

einzelner Flugzeuge. Volltreffer sind die<br />

Ausnahme und auch nicht angestrebt. Vielmehr<br />

sollen die Geschosse aufgrund ihrer<br />

Menge und der Splitterwirkung die Maschinen<br />

beschädigen und zum Absturz<br />

bringen.<br />

EINSATZ ZU WASSER: Siebelfähren wurden ebenfalls mit 8,8 cm FlaK L/56 ausgestattet.<br />

Diese Flakfähre ist mit einer 8,8 cm FlaK, einem 2-cm-FlaK-Vierling und zwei 3,7 cm FlaK 36<br />

ausgerüstet. Viele dieser Fähren leisten ihren Dienst im Schwarzen Meer. Foto: Sammlung Anderson<br />

Bekämpfung von Erdzielen<br />

Das direkte Richten gegen Erdziele erfolgt<br />

ebenfalls über das Fla-Zielfernrohr 20.<br />

Nachdem der Geschützführer das Ziel zugewiesen<br />

hat, richtet der K2 das Geschütz<br />

mithilfe seines Zielfernrohrs nach Seite und<br />

Höhe ein. Der K1 bringt sodann Erhö-<br />

64


Steigerung der Leistung<br />

hungs- und Rohrzeiger zur Deckung. Nach<br />

Einstellung des Seitenvorhaltes kann gefeuert<br />

werden.<br />

Für das indirekte Richten gegen Erdziele<br />

steht ein Rundblickfernrohr zur Verfügung,<br />

das auf dem Luftvorholer montiert<br />

werden kann.<br />

Weiterentwicklung<br />

Gegen 1939 wird die 8,8 cm FlaK 36 eingeführt.<br />

Es werden folgende Änderungen<br />

vorgenommen:<br />

• Das einteilige Seelenrohr der 8,8 cm FlaK<br />

18 wird durch ein vereinfachtes mehrteiliges<br />

ersetzt. Man verspricht sich dadurch<br />

Einsparungen, da der größte Verschleiß<br />

im unteren Teil des Rohres auftritt. So<br />

können die verbrauchten Teile separat<br />

ausgetauscht werden. Auch fertigungstechnisch<br />

ergeben sich Vorteile.<br />

• Der augenfälligste Unterschied besteht in<br />

der Einführung einer Kreuzlafette mit<br />

größerer seitlicher Ausladung. Diese Lafette<br />

bedingt die Entwicklung eines neuen<br />

Sonderanhängers (des SdAnh 202).<br />

• Die Rohre der verschiedenen Geschütze<br />

sind austauschbar, es kann vorkommen,<br />

dass FlaK 36 aus Lagerbeständen mit einteiligen<br />

Rohren versehen werden.<br />

• Die Modellbezeichnung ist nur durch den<br />

Typ des Lafettenkreuzes bestimmt. Unabhängig<br />

von der Art des Geschützrohres<br />

ist eine 8,8 cm FlaK L/56 mit SdAnh 202<br />

immer eine Flak 36.<br />

• Sowohl 8,8 cm FlaK 18 als auch 36 haben<br />

Lampenempfänger für die Übermittlung<br />

der Schusswerte vom Kommandogerät,<br />

deren Bedienung recht umständlich ist.<br />

Aus diesem Grund werden beim Nachfolgemodell<br />

FlaK 37 Folgezeigerempfänger<br />

eingeführt.<br />

Aufgrund der guten ballistischen Leistungen<br />

werden Geschütze vom Kaliber 8,8<br />

cm auch von der Marine genutzt, sowohl<br />

auf U-Booten als auch auf anderen Schiffen.<br />

Die 8,8 cm FlaK 18 steht den gesamten<br />

Krieg über im Einsatz. Insgesamt werden<br />

mehr als 15.000 8,8 cm FlaK L/56 gebaut.<br />

Bedienungs- und Feuerleitgerät der 8,8 cm FlaK L/56<br />

OPTISCHES HILFSMITTEL: Mit dem<br />

Fla-Zielfernrohr 20 können Ziele direkt<br />

anvisiert werden.<br />

Flansch für<br />

Fla-Zielfernrohr<br />

20<br />

Sitz des K2<br />

Empfangsgerät<br />

für Zünderstellung,<br />

hier Folgezeiger<br />

einer<br />

FlaK 37<br />

Sitz des K6<br />

Luftvorholer<br />

Zünderstellmaschine mit<br />

zwei Sprenggranaten<br />

Feuerglocke zur<br />

Alarmierung<br />

Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges beginnen<br />

Bestrebungen, die Leistungen der 8,8<br />

cm FlaK L/56 den aktuellen technischen<br />

Herausforderungen anzupassen. Durch eine<br />

Verlängerung des Rohres auf eine Kaliberlänge<br />

von L/74 können alle ballistischen<br />

Daten deutlich verbessert werden (siehe Tabelle<br />

1). Feuerhöhe und Gesamtaufzug<br />

werden drastisch verringert, damit ist das<br />

Geschütz weniger auffällig und leichter zu<br />

tarnen. Das Gesamtgewicht in Fahrstellung<br />

steigt auf 11,2 t.<br />

Die Produktion der 8,8 cm FlaK 41 läuft ab<br />

August 1942 langsam an. Im Januar 1943<br />

meldet die Luftwaffe einen Bestand von gerade<br />

einmal 26 FlaK 41 gegenüber 6.607<br />

Flak L/56. Das Verhältnis dieser Zahlen<br />

wird sich nicht wesentlich verschieben.<br />

1936 ziehen deutsche Freiwillige mit der<br />

Legion Condor zur Unterstützung der spanischen<br />

Nationalisten in den Spanischen<br />

Bürgerkrieg.<br />

Der erste scharfe Einsatz!<br />

Das Oberkommando der Wehrmacht wird<br />

durch Hitler angewiesen, diese „Gelegenheit“<br />

zur kriegsmäßigen Erprobung neuer<br />

Waffen und Taktiken zu nutzen. Unter anderem<br />

werden auch vier 8,8 cm Flak-Batterien<br />

nach Spanien verlegt.<br />

Hier sollen die Fliegerabwehrkanonen<br />

erstmals offensiv im Erdeinsatz eingesetzt<br />

werden. Die Geschütze unterstützen die<br />

spanischen Truppen wirkungsvoll mit indirektem<br />

Feuer. Erkannte Punktziele wie<br />

Feldstellungen, Bunker und möglicherweise<br />

auch Feindpanzer werden im direkten<br />

Beschuss bekämpft.<br />

Die Auswertung dieser Erfahrungen<br />

macht den Verantwortlichen die tatsächli-<br />

SAUBERES GESPANN: Ein ZgKw 8 t (SdKfz 7, frühes<br />

Baulos) vor einer 8,8 cm FlaK 18. Die Fahrzeuge<br />

tragen den Reichswehr-Buntfarben-Tarnanstrich,<br />

haben aber schon eine Luftwaffenkennung.<br />

Foto: Sammlung Anderson<br />

Fotos: Sammlung Anderson<br />

Clausewitz 3/2013<br />

65


Militär und Technik | Flak 8,8 cm<br />

INFO<br />

Durchschlagsdaten der 8,8 cm FlaK<br />

Geschütz auf 100 m auf 500 m auf 1.000 m auf 1.500 m Munbestand<br />

zum 1.12.42<br />

8,8 cm FlaK<br />

18/36/37<br />

8,8 cm FlaK<br />

41<br />

128 mm 118 mm 106 mm 98 mm 619.200<br />

Schuss<br />

202 mm 185 mm 165 mm 147 mm 7.800<br />

Schuss<br />

TREFFER: Diese 8,8 cm FlaK 36 in Afrika<br />

feuert vom Sonderanhänger, was eigentlich<br />

verboten ist. Die leere Hülse springt heraus,<br />

das nächste Ziel kann aufgenommen werden.<br />

Foto: Kadari<br />

chen Möglichkeiten des Fliegerabwehr-Geschützes<br />

bewusst.<br />

Kurz vor Ausbruch des Krieges verfügt<br />

das Heereswaffenamt die Verwendung der<br />

8,8 cm Flak 18 auch für den Einsatz gegen<br />

Bodenziele. Die militärischen Planer verlangen<br />

die sichere Bekämpfung befestigter<br />

Feindstellungen und Bunker. Die verfügbaren<br />

Panzer sind zur Bekämpfung dieser<br />

Ziele nur bedingt geeignet. Die Wirkung<br />

der 7,5 cm Sprenggeschosse des PzKpfw IV<br />

wird als zu schwach erachtet.<br />

Kampf gegen Panzer<br />

Es soll nun eine Waffe geschaffen werden,<br />

die Panzer- und Infanterieeinheiten im Angriff<br />

schwere Feuerunterstützung geben<br />

kann. Die Waffenwirkung der 8,8 cm FlaK<br />

L/56 ist derart überzeugend, dass diese<br />

Waffe hinzugezogen wird. 1938 beginnt die<br />

Entwicklung einer Selbstfahrlafette auf Basis<br />

des s ZgKw 12 t (SdKfz 8). Die schwere<br />

Zugmaschine wird mit einer umgebauten<br />

8,8 cm Flak 18 versehen, Motor und Fahrerstand<br />

werden teilgepanzert. Diese Lösung<br />

erweist sich während des Polen-Feldzuges<br />

als überraschend leistungsfähig.<br />

Parallel dazu werden einige 8,8 cm FlaK<br />

18 derart umgebaut, dass das Feuer direkt<br />

vom Sonderanhänger aus eröffnet werden<br />

kann. Die Zugmaschinen werden teilgepanzert,<br />

um den Einsatz in der Nähe der<br />

Hauptkampflinie zu ermöglichen. Der<br />

Grund für diese schnelle Lösung liegt vermutlich<br />

darin, dass die Auslandsaufklärung<br />

ernsthafte Hinweise auf die Einsatzbereitschaft<br />

schwerer französische Panzer<br />

bekommen hat.<br />

In Nordafrika sind die Flakbatterien ein<br />

wichtiger Teil von Rommels Kriegführung.<br />

Das Afrikakorps ist immer unterversorgt,<br />

Nachschub kommt nur sporadisch. Daher<br />

werden alle verfügbaren Waffen auch offensiv<br />

eingesetzt. Viele zeitgenössische Fotos<br />

zeigen den gemeinsamen Vormarsch<br />

von Panzer und 8,8 cm FlaK. Letztere sind<br />

das einzige Mittel im Kampf gegen den britischen<br />

Infantry Tank Mk. 2 Mathilda.<br />

Verheizt in Russland<br />

Im Osten müssen die Flakbatterien bereits<br />

früh in den Bodenkampf eingreifen. Das<br />

Auftreten der modernen russischen Panzer<br />

KW-1 und 2 sowie T 34 stellt die eigenen<br />

Panzer und Panzerabwehrkanonen des<br />

Jahres 1941 vor kaum lösbare Aufgaben.<br />

Die angreifenden deutschen Truppen sind<br />

gezwungen, leichte und mittlere Artillerie<br />

oder eben 8,8 cm FlaK nach vorne zu ziehen.<br />

Gerade die FlaK mit ihrer hohen Rasanz<br />

und Feuergeschwindigkeit erweist<br />

sich als sehr erfolgreich gegen Panzer (Panzergranaten)<br />

sowie halbharte und weiche<br />

Ziele (Sprenggranaten). Der Erfolg der Fla-<br />

Geschütze ermöglicht so auch in kritischen<br />

Situationen eine Fortsetzung des Vormarsches.<br />

Die euphorischen Meldungen der<br />

Propaganda verstellen jedoch den Blick auf<br />

die Realitäten. Der Einsatz der ungepanzerten<br />

Geschütze ist riskant. Die Fla-Artillerie<br />

zahlt für diesen konsequenten Einsatz einen<br />

hohen Preis.<br />

Eine Akte des Heereswaffenamtes liefert<br />

eine Reihe aufschlussreicher Fakten. Die<br />

Durchschlagsdaten zeigen, wie leistungsfähig<br />

die 8,8 cm Fla-Geschütze sind (siehe Tabelle<br />

2). Verschossen wird jeweils die 8,8 cm<br />

PzGrPatr 39. Die absolute Überlegenheit<br />

der FlaK 41 ist offensichtlich. Die Mun-Bestände<br />

belegen, wie gering die Zahl der<br />

vorhandenen FlaK 41 ist.<br />

Die Legende – ein Resümee<br />

Waffentechnisch ist die 8,8 cm FlaK L/56<br />

keine herausragende Entwicklung! Fast jede<br />

Nation hat Geschütze mit vergleichbaren<br />

Leistungen (siehe Tabelle 1). Als Beispiel<br />

mag die russische 85 mm M 1939 gelten,<br />

deren ballistische Daten kaum schlechter<br />

sind. Die Qualität der deutschen Munition<br />

ist gewiss wesentlich besser, das gilt<br />

für alle deutschen Geschütze. Dafür wiegt<br />

die M 39 in Fahrstellung nur 4,2 t gegenüber<br />

7,2 t – im beweglichen Einsatz ein<br />

überzeugendes Argument. Mehr als 7.000<br />

Batterien der FlaK-Artillerie werden im<br />

Reichsgebiet stationiert. Die weitaus meisten<br />

Geschütze sind aus Materialmangel<br />

nicht mehr mobil (wie anfangs gefordert),<br />

sondern fest versockelt. Stellungswechsel<br />

ist nur unter großem Aufwand möglich.<br />

Die Fliegerabwehr holt zwar eine große<br />

Zahl von Flugzeugen vom Himmel, doch<br />

die Alliierten gleichen diese Verluste<br />

schnell aus. Auch steigt die Einsatzhöhe der<br />

feindlichen Bomber deutlich, was die Bekämpfung<br />

erschwert. Im Einsatz gegen die<br />

Tag und Nacht angreifenden Bomberpulks<br />

zeigen sich die FlaK-Batterien (8,8 cm, 10,5<br />

cm und 12,8 cm FlaK) bald als hoffnungslos<br />

überfordert. Hatte man vor dem Kriege<br />

noch naive Vorstellungen bezüglich der<br />

Wirksamkeit der FlaK (man ging von einem<br />

Abschuss je 47 Schuss aus), so muss man<br />

sich im Krieg der Realität stellen. Tatsächlich<br />

sind 4.000 Schuss nötig (Stand 1943),<br />

um einen vernichtenden Treffer zu landen.<br />

Erfolgsrezept: Flexibilität<br />

Woher nun rührt die außergewöhnliche Reputation,<br />

die die 8,8 cm FlaK immer noch<br />

hat? Die zahlreichen Erfahrungsberichte<br />

belegen, dass es oft der unkonventionelle<br />

Einsatz des Fliegerabwehrgeschützes ist,<br />

der deutschen Spitzeneinheiten auch in<br />

ausweglosen Situationen Erfolg bringt.<br />

Also doch eine Ehrenrettung für das<br />

breite Einsatzprofil der 8,8 cm FlaK? Vielleicht.<br />

Die 8,8 cm FlaK ist das Ergebnis einer<br />

zweckorientierten Entwicklung, verdient<br />

aber aufgrund ihres oft halsbrecherischen<br />

Einsatzes fernab der ihr zugedachten<br />

Aufgaben den Zusatz „Allzweckwaffe“.<br />

Thomas Anderson, Jg. 1958, ist als freier Autor tätig<br />

und unterstützt namhafte Modellbau-Hersteller als<br />

Fachberater.<br />

66


Legende und Meilenstein der deutschen Luftwaff e<br />

8,8-CM FLAK<br />

Flugabwehrkanone<br />

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Wirkungsvolle Allzweckwaffe<br />

Neben der legendären „Stalinorgel“ ist kein anderes Geschütz des<br />

2. Weltkriegs heute noch so bekannt wie die deutsche 8,8-cm Flak.<br />

In den Ausführungen 18, 36 und 37 bildete sie das Rückgrat der<br />

deutschen Luftverteidigung. Ihren legendären Ruf erwarb sich die<br />

„Acht-Acht“ jedoch erst im Laufe des Krieges. Als wirkungsvolle<br />

Allzweckwaffe kam sie an allen Brennpunkten zum Fronteinsatz.<br />

Neben der panzerbrechenden Wirkung der waffentechnisch idealen<br />

8,8-cm Granaten waren Robustheit, die relativ einfache Bedienung<br />

sowie die recht hohe Kadenz die entscheidenden Parameter dieses<br />

wegweisenden Waffensystems.<br />

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Brandlstraße 30 D - 83259 Schleching<br />

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CL<br />

67


Spurensuche<br />

„Spielball“ der Weltgeschichte<br />

Helgoland<br />

Helgoland ist einzigartig. Zum einen durch die exponierte Lage im Herzen der Deutschen<br />

Bucht, vor allem aber durch die wechselvolle Historie. Ein Mikrokosmos. Mehrfach<br />

wurde der kleine rote Felsen zum Spielball der Weltgeschichte. Von Ulf Kaack<br />

Seit dem 7. Jahrhundert ist das Eiland<br />

von Friesen bewohnt. Im 12. und 13.<br />

Jahrhundert untersteht es der Dänischen<br />

Krone, anschließend dem Herzogtum<br />

Schleswig. 1807 wird der sturmumtobte Felsen<br />

von den Briten als Kolonie in das Vereinte<br />

Königreich integriert. Während der Kontinentalsperre,<br />

die 1814 durch den Kieler Frieden<br />

beendet wird, erleben die Helgoländer<br />

eine Hochzeit als Blockadebrecher und<br />

Schmuggler. Die Zeiten bleiben friedlich – lediglich<br />

1849 und 1864 kommt es zu deutschdänischen<br />

Seegefechten in Sichtweite von<br />

Helgoland.<br />

„Im Tausch gegen Handelsrechte in Ost-<br />

Afrika, im sogenannten Helgoland-Sansibar-<br />

Vertrag, kam Helgoland am 10. August 1890<br />

unter die Regentschaft des deutschen Kaiserreiches“,<br />

erklärt Jörg Andres, Insel-Histo-<br />

riker und Leiter des Museums Helgoland,<br />

die wechselvolle Inselgeschichte. „Die Preußen<br />

maßen Helgoland eine hohe strategische<br />

Bedeutung zu. Als Artillerievorposten zum<br />

Schutze der Nordseeküste sowie den Zugängen<br />

zum Nord-Ostsee-Kanal, zur Elbe, Weser<br />

und Jade. Vor allem aber als dauerhaft<br />

eisfreier Kriegshafen in vorgeschobener Lage.“<br />

Aufrüstung im Kaiserreich<br />

Zügig geht Wilhelm II. daran, die Insel zu<br />

einer Festung auszubauen und einen Marinehafen<br />

anzulegen. 1891 entstehen erste<br />

Gebäude, ein Jahr später wird an der Nordund<br />

Südspitze je ein Kanonenstand mit<br />

zwei 21-cm-Geschützen errichtet. Es folgt<br />

eine Haubitzenbatterie auf dem Oberland<br />

mit acht schweren 28-cm-Geschützen.<br />

1906 nimmt das Projekt gewaltige Formen<br />

an: Ein großdimensioniertes Stollensystem<br />

wird in den Kreidefelsen der Insel getrieben.<br />

Räume, Verzweigungen sowie Schächte<br />

für Aufzüge und zur Belüftung werden<br />

gebaut. Bis 1914 werden der Nordsee 86<br />

Hektar abgetrotzt. Es entstehen der Torpedo-,<br />

Scheiben- und U-Boothafen. Außerdem<br />

ein Seefliegerstützpunkt mit Hangar,<br />

Flugzeugaufschleppe, Kraftwerk und den<br />

erforderlichen Versorgungseinrichtungen.<br />

Im Mai 1908 beginnt die Neuarmierung<br />

der Festungsartillerie. Die Nord- und Südgruppe<br />

erhalten jeweils zwei moderne 30,5-<br />

cm-Krupp-Doppeldrehtürme und zwei 21-<br />

cm-Geschützstände. Dazwischen liegen besagte<br />

acht Haubitzenbatterien sowie diverse<br />

kleinere Anlagen mit leichten und mittleren<br />

Geschützen, Kommando- und Peilständen,<br />

68


HELGOLAND HEUTE: Ein<br />

friedliches Eiland mitten<br />

in der Nordsee. Foto: U. Kaack<br />

MILITÄRISCHE ASPEKTE: Diese 1714 (unter dänischer<br />

Regentschaft) entstandene Abbildung zeigt<br />

nicht nur die Insel, sondern ist auch eine Studie<br />

über mögliches Artilleriefeuer. Abb.: Archiv U. Kaack<br />

„BIG BANG“ AUF HELGOLAND: In der bis<br />

heute weltweit größten nichtnuklearen<br />

Explosion detonieren am 18. April 1947<br />

6.700 Tonnen Sprengstoff.<br />

Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

Beobachtungs- und Scheinwerfereinrichtungen.<br />

Auf dem Unterland befindet sich eine<br />

Batterie mit zwei 8,8-cm-Geschützen, vier<br />

3,7-cm-Revolverkanonen und Maschinengewehren.<br />

Die Düne (Name der östlich gelegenen<br />

Nebeninsel) wird von einer Flak-Batterie<br />

mit vier 8,8-cm-Geschützen und einer<br />

weiteren Stellung mit drei 3,7-cm-Revolverkanonen<br />

sowie Maschinengewehren geschützt.<br />

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am<br />

1. August 1914 müssen alle Helgoländer ihre<br />

Insel verlassen und werden im Umland<br />

Hamburgs untergebracht. Familien, die<br />

nach der Übergabe 1890 englisch geblieben<br />

waren, kommen in das Internierungslager<br />

Ruhleben bei Berlin. Britisch geborene Insulaner<br />

werden unter Polizeiaufsicht gestellt<br />

und vom Kriegsdienst befreit.<br />

Deutschstämmige hingegen werden zur<br />

Marine eingezogen. Helgoländer in Diensten<br />

des Militärs – das hat es bislang noch<br />

nicht gegeben. Zurück auf der Insel bleibt<br />

eine 4.000 Mann starke militärische Besatzung<br />

für die Bedienung der Festungsartillerie<br />

und den Betrieb des Hafens.<br />

Seegefecht bei Helgoland<br />

Der Erste Weltkrieg beginnt für den roten<br />

Felsen mit einem dramatischen Paukenschlag.<br />

Mit einer List locken überlegene britische<br />

Seestreitkräfte am Morgen des 18.<br />

August 1914 die Einheiten des V. Torpedobootgeschwaders<br />

sowie mehrere kleine<br />

Kreuzer in die Deutsche Bucht. Es kommt<br />

zu einer ersten Feindberührung, bei der das<br />

deutsche Torpedoboot „V 187“ versenkt<br />

und der britische Kreuzer „HMS Arethusa“<br />

erheblich beschädigt werden.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

69


Spurensuche | Helgoland<br />

IM ERSTEN<br />

WELTKRIEG:<br />

U-Boote im<br />

Kriegshafen<br />

von Helgoland.<br />

Foto: Archiv Museum<br />

Helgoland<br />

Nach einer kurzen Gefechtspause treffen<br />

die Gegner erneut aufeinander. Zunächst<br />

entbrennt ein harter Kampf um den manövrierunfähigen<br />

Kreuzer „Mainz“. Dieser<br />

kann im Abwehrkampf noch drei englische<br />

Zerstörer schwer beschädigen, bevor er<br />

selbst zusammengeschossen auf Tiefe geht.<br />

Auch der kleine Kreuzer „Ariadne“ wird<br />

binnen einer Viertelstunde in ein brennendes<br />

Wrack verwandelt. Eine Stunde später<br />

wird die „Cöln“ von dem Schlachtkreuzer<br />

„HMS Lion“ gesichtet und trotz erbitterter<br />

Gegenwehr versenkt. Nur ein Mitglied der<br />

Besatzung überlebt den Untergang. Die<br />

Seefestung Helgoland kann aufgrund<br />

schlechter Sicht nicht mit Artilleriebeschuss<br />

eingreifen. Im weiteren Verlauf des Krieges<br />

erlangt die Insel dann lediglich als Stützpunkt<br />

für U-Boote und Seeflieger noch strategische<br />

Bedeutung.<br />

Turbulenzen<br />

Ab dem 6. Dezember 1918 dürfen die Insulaner<br />

nach vier Jahren der Heimatlosigkeit<br />

wieder zurückkehren. Sie finden ihre Häuser<br />

und die Infrastruktur in desolatem Zustand<br />

wieder. Es beginnen politisch turbulente<br />

Zeiten: Verhandlungen über eine Entschädigung<br />

der Helgoländer mit dem<br />

preußischen Innenministerium laufen ins<br />

Leere. Verschiedene Bemühungen, sich von<br />

Deutschland loszusagen und den Anschluss<br />

an Großbritannien oder Dänemark<br />

zu finden, scheitern. Mir diesen Aktionen<br />

verspielen die „Halbengländer“ viele Sympathien<br />

in Deutschland.<br />

Gemäß dem Vertrag von Versailles beginnen<br />

die Schleifungsarbeiten am Kriegshafen<br />

UNVOLLENDET: Das<br />

gigantische Projekt<br />

„Hummerschere“<br />

sieht vor, Helgoland<br />

bis 1948 zu einem riesigen<br />

Kriegshafen auszubauen.<br />

Tatsächlich<br />

werden nur Teile davon<br />

realisiert, die aber<br />

heute noch auf der Insel<br />

zu sehen sind.<br />

Foto: Archiv Museum<br />

Helgoland<br />

und an dem Festungsbauwerk. Diese werden<br />

von verschiedenen deutschen Baufirmen<br />

vorgenommen, die von einer 40-köpfigen<br />

britischen Kontrollkommission überwacht<br />

werden. Von 1921 bis 1924 wird<br />

Schritt für Schritt der Torpedo-Boot- und<br />

U-Boot-Hafen gesprengt. Das sehr weitläufige<br />

Tunnelsystem wird hingegen lediglich<br />

verplombt. Die Haupteingänge zu den<br />

Nord- und Südkasematten bleiben komplett<br />

erhalten.<br />

Gigantische Pläne<br />

So hat es das NS-Regime ab 1933 im Zuge<br />

seiner Aufrüstungspolitik leicht, Helgoland<br />

erneut in einen waffenstarrenden Felsen zu<br />

verwandeln. Museumschef Andres: „Plan<br />

war es im Jahr 1935, Helgoland zu einer gigantischen<br />

Festung mit einem Hochseehafen<br />

für die Marine zu machen. Durch Aufschüttung,<br />

Trockenlegung und Errichtung<br />

von Betonmolen sollte die Insel bis 1948 in<br />

nördlicher Richtung um ein Vielfaches ihrer<br />

Größe erweitert werden. Die Bauarbeiten<br />

fanden unter dem Tarnnamen ‚<strong>Operation</strong><br />

Hummerschere’ statt.“<br />

Geplant ist die schrittweise Erweiterung<br />

des Südhafens, vor allem aber die Schaffung<br />

eines großflächigen Kriegshafens in<br />

Richtung Norden für Schlachtschiffe, Kreuzer<br />

und Zerstörer. Das Projekt Hummerschere<br />

kommt allerdings nicht über die notwendigen<br />

Vorarbeiten hinaus und wird<br />

1941 eingestellt.<br />

Festungsbau unter Tage<br />

Zügig vorangetrieben wird hingegen die<br />

Rearmierung und Erweiterung des kaiserlichen<br />

Festungssystems. Ein weitläufiges<br />

Stollensystem – insgesamt 13,7 Kilometer<br />

lang – mit Schutzräumen, einem Lazarett,<br />

verschiedenen Depots und Versorgungseinrichtungen,<br />

Werkstätten, ein Kraftwerk<br />

und diversen Räumen zur militärischen<br />

Nutzung wird wieder verwendbar gemacht<br />

oder neu in den Felsen getrieben.<br />

Das Stollensystem umfasst vier Bereiche:<br />

Die Raumanlage mit Zugang im südlichen<br />

Unterland in den Felssockel, das obere Tunnelsystem<br />

relativ dicht unter der Oberfläche<br />

des Unterlandes und der Kabelbahntunnel<br />

zum Transport von schweren Lasten zwi-<br />

70


Bau des U-Boot-Bunkers<br />

GEWALTIG: Geschütze der<br />

„Falm“-Batterie vor dem Leuchtturm<br />

und der Signalstelle.<br />

Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

NACH DEM INFERNO: Wehrmachtsangehörige beim<br />

Aufräumen in den Trümmern. Die Zerstörung ist das Ergebnis<br />

eines Bombenangriffs vom 15. Oktober 1944.<br />

Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

schen Ober- und Unterland. Der Zugang zu<br />

den zivilen Luftschutzanlagen auf der Südund<br />

Ostseite der Insel erfolgt über die sogenannte<br />

„Spirale“ im Bereich des heutigen<br />

Fahrstuhls.<br />

Die Hauptbewaffnung Helgolands besteht<br />

aus den stark und tief verbunkerten<br />

Seezielbatterien „von Schröder“ an der<br />

Nordspitze sowie „Jacobsen“ im Süden. Dazu<br />

kommen drei schwere FlaK-Batterien.<br />

Hauptbefehlsstand und zentraler Leitstand<br />

für die Insel-FlaK ist der Rote Turm in<br />

der Mitte des Oberlandes, der heutige<br />

Leuchtturm. Das 1941 aus massivem Stahlbeton<br />

errichtete Bauwerk dient außerdem als<br />

Beobachtungsstand und Lagezentrum. Bis<br />

heute ist unter dem Turm ein dreistöckiger<br />

Bunkerkomplex mit ehemaligen Mannschaftsunterkünften<br />

für zwei Unteroffiziere<br />

und drei Mannschaftsdienstgrade erhalten<br />

geblieben.<br />

Hafen und U-Bootbunker<br />

Der Festungsbau setzt entsprechend große<br />

Hafenanlagen zur Anlandung des Materials<br />

voraus. Außerdem soll Helgoland<br />

schnellstmöglich als<br />

Marinestützpunkt<br />

wieder hergestellt<br />

werden. Darum<br />

wird 1936 mit der Trümmerbergung der gemäß<br />

Versailler-Vertrag gesprengten Anlagen<br />

begonnen. Ab 1937 entstehen die Ost-,<br />

West- und Südmole, außerdem der Nordost-<br />

und der Dünenhafen.<br />

Im Winter 1939 beginnt der Bau eines U-<br />

Boot-Bunkers im nordwestlichen Bereich des<br />

Osthafens – offiziell als „UBB Nordsee III“<br />

bezeichnet. Das Bauwerk ist 156 Meter lang<br />

und 16,5 Meter hoch. Die Wandstärke beträgt<br />

zwei Meter, die der Decke drei Meter.<br />

Im Sommer 1942 ist der Betonklotz fertig gestellt,<br />

auf seinem Dach befindet sich eine<br />

leichte FlaK-Stellung. Die drei Boxen innerhalb<br />

des Bunkers bieten Platz für bis zu neun<br />

U-Boote. Angelaufen wird das Bauwerk<br />

überwiegend von Schnell- und Minenräumbooten.<br />

Ab Mitte 1944 sind hier außerdem<br />

Einheiten der Kleinstkampfmittelverbände<br />

stationiert: Zunächst Sprengboote vom Typ<br />

„Linse“ und kurz vor Kriegsende Kleinst-U-<br />

Boote der Baureihe „Seehund“.<br />

NARBEN DES<br />

KRIEGES: Drei<br />

Bombenkrater unmittelbar<br />

am westlichen<br />

Klippenrand<br />

zeugen von der<br />

konfliktreichen<br />

Vergangenheit der<br />

Insel. Foto: U. Kaack<br />

Dreimal versuchen die Alliierten, den Helgoländer<br />

U-Boot-Bunker mit ferngesteuerten<br />

Bombern zu vernichten. Die Angriffe<br />

finden unter dem Decknamen „Aphrodite“<br />

statt. In allen drei Fällen gelingt es der Marine-FlaK<br />

die Flugzeuge – eine „Liberator“<br />

und zwei B-17 „Flying Fortress“ abzuschießen.<br />

Die mit Sprengstoff beladenen Bomber<br />

explodieren jeweils in einer mächtigen Detonation.<br />

Jagdflieger auf der Düne<br />

Der Ende Januar 1942 auf der Düne fertig<br />

gestellte Flugplatz mit zwei x-förmig angelegten<br />

Pisten ist Stützpunkt von Jagd- und<br />

Aufklärungsfliegern der Luftwaffe. Er hat<br />

allerdings nur geringe militärische Bedeutung.<br />

Gesichert werden Flugplatz und die<br />

dazugehörigen Anlagen durch die FlaK-<br />

Batterien „Wittekliff“ und die Sperrbatterie<br />

„Düne“. Noch im April 1945 werden die<br />

Strandabschnitte der Düne gegen gegnerische<br />

Landungsunternehmen vermint.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges dürfen<br />

die 3.000 Insulaner auf ihrer Insel bleiben.<br />

Zu ihnen gesellen sich bis zu 4.000 Offiziere,<br />

Soldaten, Arbeiter und Kriegsgefangene. Ab<br />

1943 werden die zur Bedienung der Artillerie<br />

vorgesehenen Soldaten in großen Teilen<br />

zum Einsatz an der Front abgezogen. Ihre<br />

Aufgaben übernehmen Marinehelfer – blutjunge<br />

Lehrlinge, Ober- und Realschüler. Neben<br />

dem militärischen Dienst geht ihre<br />

Schulausbildung auf Helgoland weiter.<br />

Die ersten beiden Kriegsjahre verlaufen<br />

relativ ruhig. Ein Bombenangriff – der erste<br />

überhaupt auf deutschen Boden – erfolgt<br />

ohne größere Schäden am 3. Dezember 1939.<br />

Das ändert sich mit den zunehmenden<br />

Clausewitz 3/2013<br />

71


Spurensuche | Helgoland<br />

LETZTE AUGENBLICKE: Untergang des kleinen<br />

Kreuzers „Mainz“ bei der Seeschlacht<br />

vor Helgoland zu Beginn des Ersten Weltkriegs.<br />

Foto: Archiv U. Kaack<br />

AUßER GEFECHT GESETZT: Die Batterie „von Schröder“ im<br />

August 1945.<br />

Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

Luftattacken auf das Reichsgebiet, denn die<br />

alliierten Piloten nutzen Helgoland als Markierungspunkt<br />

für ihre Flugnavigation. Am<br />

13. Mai 1941 erfolgt der erste direkte Fliegerangriff<br />

auf die Insel mit mehr als einem Dutzend<br />

Toten, ausnahmslos Zivilisten. In immer<br />

kürzeren Abständen folgen nun kleinere<br />

und größere Luftattacken.<br />

„Wir Kinder empfanden das damals als<br />

normal, nicht als störend“, erinnert sich James<br />

Müller, der 1938 auf Helgoland geboren<br />

wird. „Unter dem offenen Fenster meiner<br />

Großmutter imitierten wir die Luftschutzsirene,<br />

sammelten Patronenhülsen aus Messing<br />

als Spielzeug und entwendeten sogar<br />

Bänke aus dem Bunker. In den letzten<br />

Kriegstagen war dann fast ständig Alarm –<br />

wenn die Bomber im Anflug auf ihre Festlandziele<br />

waren und einige Stunden später,<br />

wenn es zurück nach England ging.“<br />

Das Bomben-Inferno<br />

Eine Armada von Bombern formiert sich<br />

am Morgen des 18. April 1945 über der südwestlichen<br />

Nordsee. Nahezu 1.000 britische<br />

Kampfflugzeuge nehmen Kurs auf die<br />

Deutsche Bucht. Sonor dröhnen die Motoren,<br />

Kondensstreifen sind weithin sichtbar<br />

am Himmel. Es ist kurz vor 12 Uhr, als auf<br />

Helgoland Vollalarm gegeben wird.<br />

„Ich erinnere mich noch genau, es war ein<br />

warmer sonniger Frühlingstag, dieser unglückliche<br />

18. April“, so James Müller. „Wie<br />

immer gingen meine Schwester und ich mit<br />

meinen Großeltern in den zivilen Schutzraum.<br />

Jeder hatte einen festen Platz, wodurch<br />

leicht kontrolliert werden konnte, ob<br />

jemand fehlte. Auf den langen Bänken im<br />

Gang mussten wir auf Kommando des Bunkerwartes<br />

Platz nehmen. Die schweren Gasschutztüren<br />

wurden verschlossen, und das<br />

Inferno brach los.“<br />

Nach zwei Stunden ist der Angriff vorbei.<br />

James Müller: „Oben in den Stellungen wurden<br />

nun die Verletzten geborgen. Wir mussten<br />

immer wieder aufstehen, wenn die verwundeten<br />

Soldaten durch die Gänge in Richtung<br />

Lazarett getragen wurden. Aus manchen<br />

Uniformen tropfte Blut. Es war<br />

grausam.“<br />

Die Bilanz des Luftangriffes ist verheerend:<br />

969 Maschinen sind daran beteiligt, darunter<br />

617 Lancaster- und 332 Halifax-Bomber<br />

sowie 20 „Mosquitos“ als Begleitjäger.<br />

Drei Bomber gehen dabei verloren. Zwölf<br />

Helgoländer und 128 Soldaten werden getötet,<br />

13 Menschen bleiben vermisst. Es gibt<br />

zahlreiche Verletzte. 95 Prozent der Gebäude<br />

sind dem Erdboden gleich gemacht, zerstört<br />

auch die militärischen Einrichtungen. Bei einem<br />

weiteren Luftangriff am folgenden Tag<br />

werden auch der bis dahin noch intakte U-<br />

Bootbunker sowie die nach wie vor einsatzbereite<br />

schwere Seezielbatterie an der Nordspitze<br />

vernichtet.<br />

DAMALS UND HEUTE<br />

DAMALS: Der ehemalige FlaK-Turm wird 1952<br />

(nach der Rückgabe an die Insulaner) als provisorisches<br />

Leuchtfeuer in Betrieb genommen. Noch<br />

trägt das Gebäude die Zeichen des Krieges.<br />

Foto: Archiv Nordseemuseum Helgoland<br />

HEUTE: Der ehemalige<br />

FlaK-Turm und<br />

Feuerleitstand<br />

übersteht als einziges<br />

Gebäude auf<br />

Helgoland sämtliche<br />

Bombardements<br />

und den „Big<br />

Bang“. Heute zeigt<br />

der Leuchtturm den<br />

Seeleuten den Weg<br />

durch die Nacht.<br />

Foto: U. Kaack<br />

In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945<br />

erfolgt die Evakuierung von rund 2.500 Zivilisten.<br />

Beschwerlich ist der Weg durch die<br />

unwirtliche Trümmerwüste. Kaum mehr<br />

als einen Koffer und Handgepäck dürfen<br />

die nun Heimatlosen mit an Bord der drei<br />

Dampfer – die „Kehrwieder“, die „Düsseldorf“<br />

und die „Rugia“ – nehmen, die sie<br />

auf das Festland bringen. „Nahezu geschlossen<br />

fanden die evakuierten Helgoländer<br />

Aufnahme im Landkreis Pinneberg und<br />

wurden später sukzessive im norddeutschen<br />

Raum untergebracht“, berichtet Inselhistoriker<br />

Jörg Andres.<br />

<strong>Operation</strong> „Big Bang“<br />

Am 11. Mai 1945 besetzen britische Streitkräfte<br />

den roten Felsen in der Nordsee. Zügig<br />

beginnen sie mit der totalen Demilitari-<br />

72


Helgoland fliegt in die Luft<br />

APOKALYPTISCH: Das restlos zerstörte<br />

Unterland am späten Nachmittag des 18.<br />

April 1945. Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

VOGELPERSPEKTIVE: Aufnahme<br />

der britischen Luftaufklärung vom<br />

18. April 1945.<br />

Foto: Archiv Museum Helgoland<br />

sierung, wie sie das „Potsdamer Abkommen“<br />

vorschreibt. 4.300 Tonnen Material<br />

werden auf das Festland transportiert.<br />

Unter dem Decknamen „Big Bang“ beginnen<br />

die Engländer im Sommer 1946 mit den<br />

Vorbereitungen zur Sprengung Helgolands.<br />

Als Ziel werden die Vernichtung aller militärischen<br />

Einrichtungen und der deutschen<br />

Munitionsbestände definiert. Der Inselhafen,<br />

die Uferschutzbebauung und der Zivilbunker<br />

sind von der direkten Sprengung ausgenommen.<br />

Die Briten haben nicht vor, Helgoland<br />

komplett auf der Landkarte auszuradieren,<br />

nehmen dies aber als Restrisiko in Kauf.<br />

18. April 1947: Mit dem dritten Ton des<br />

11-Uhr Zeitsignals der BBC löst der britische<br />

Navy-Offizier E.C Jellis die Sprengung von<br />

Bord des britischen Kabellegers „Lasso“ mittels<br />

Kabelzündung aus. 4.000 Torpedoköpfe,<br />

fast 9.000 Wasserbomben und über 91.000<br />

Granaten verschiedener Kaliber – insgesamt<br />

6.700 Tonnen Sprengstoff – sind im U-Boot-<br />

Bunker und im Tunnellabyrinth gestapelt<br />

DAMALIGER ZUFLUCHTSORT: Der gebürtige<br />

Helgoländer James Müller (Jahrgang 1938)<br />

im Stollen des zivilen Luftschutzbunkers. Als<br />

Fünfjähriger erlebt er an dieser Stelle den<br />

schweren Luftangriff vom 18. April 1945 und<br />

wird am Tag danach evakuiert. Erst 1954<br />

kann er zurückkehren.<br />

Foto: U. Kaack<br />

und detonieren in der bis heute weltweit<br />

größten nichtnuklearen Explosion.<br />

BUNDESWEHRPRÄSENZ: Ein SAR-Marinehubschrauber<br />

vom Typ „Sea King“ bei<br />

der Landung auf dem Militärgelände<br />

(Unterland). Foto: Archiv Nordseemuseum Helgoland<br />

Die Wiederfreigabe<br />

Nach dem „Big Bang“ kehrt Ruhe ein. Unterbrochen<br />

wird die Stille dabei regelmäßig<br />

durch Detonationen, denn die Briten nutzen<br />

das militärische Sperrgebiet nun als<br />

Ziel- und Übungsgelände für ihre Bomberpiloten.<br />

Am 26. Februar 1952 übergibt der<br />

britische Hohe Kommissar Sir Ivone Kirkpatrick<br />

die offizielle Nachricht an Bundeskanzler<br />

Konrad Adenauer, dass Helgoland<br />

am 1. März 1952 an die Bundesrepublik<br />

zurückgegeben wird und frei ist zur<br />

Wiederbesiedlung durch die Insulaner. Der<br />

Aufbau nimmt ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch.<br />

Erneute Militärpräsenz<br />

In den 1960er-Jahren ist auch die Marine<br />

wieder auf Helgoland präsent. Der kleine<br />

Kasernenkomplex auf dem Oberland passt<br />

sich stilistisch der neuen Inselarchitektur<br />

an. Kein hoher Zaun, keine patrouillierenden<br />

Wachen – optisch weist kaum etwas<br />

auf die Anwesenheit der Soldaten hin. Direkt<br />

am südlichen Klippenrand befindet<br />

sich mit bester Rundumsicht auf die Nordsee<br />

die Marinesignalstelle. Von hier aus<br />

werden der militärische Schiffsverkehr beobachtet<br />

und entsprechende Meldungen an<br />

die Marineführung auf dem Festland weitergegeben.<br />

Der am nördlichen Ende des<br />

Oberlandes gelegene Radarturm dient der<br />

Luftraumüberwachung. Bis 1989 sitzen in<br />

dem komplett abgedunkelten Gebäude die<br />

Ortungsspezialisten der Bundesmarine, anschließend<br />

Soldaten der Luftwaffe.<br />

Heute ist das Radargerät vom Dach des<br />

Turmes entfernt. Die Marinesignalstelle wird<br />

ohne Personal als Relaisstation genutzt und<br />

das ehemalige Kasernengelände gehört nun<br />

zum Alfred-Wegener-Institut. Einzig der 1979<br />

in Betrieb genommene Hubschrauber-Landeplatz<br />

mit Hangar und Betankungsanlage ist<br />

noch in Betrieb. Die Basis auf dem Unterland<br />

wird heute unregelmäßig von SAR-Fliegern<br />

besetzt, könnte aber stets als vorgeschobener<br />

<strong>Operation</strong>sposten wieder aktiviert werden.<br />

Ulf Kaack, Jg. 1964, Verantwortlicher Redakteur von<br />

TRAKTOR CLASSIC. Autor zahlreicher Bücher, besonders<br />

zu technischen und maritimen Themen.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

73


Feldherren<br />

Richard I. Löwenherz<br />

Der Krieger auf<br />

dem Königsthron<br />

Richard, der gar kein Englisch spricht,<br />

hält sich während seiner Regierungszeit<br />

nur einige Monate in England<br />

auf. Sein Kampf gegen Sultan Saladin im<br />

Verlauf des Dritten Kreuzzugs ist ebenso<br />

von zahlreichen Legenden umrankt wie die<br />

Zeit seiner daran anschließenden Gefangenschaft<br />

in Österreich und Deutschland. Selbst<br />

die Umstände seines Todes erhöhen ihn<br />

über das Maß anderer Sterblicher – vergibt<br />

er doch auf dem Totenbett dem französischen<br />

Armbrustschützen, der ihn tödlich<br />

verletzt hatte. Richard Löwenherz entstammt<br />

der Dynastie der Normannen, die<br />

seit 1066 die Herrschaft über England innehat.<br />

Er wird am 8. September 1157 in Oxford<br />

als dritter Sohn König Heinrichs II. geboren.<br />

Besonders die französische Abstammung seiner<br />

Mutter Eleonore von Aquitanien soll das<br />

zukünftige Leben Richards zu einem großen<br />

Teil bestimmen. Die aus der nach ihnen benannten<br />

Normandie stammenden Könige<br />

Englands sind nämlich durch vielfältige dynastische<br />

Beziehungen eng an ihre weitreichenden,<br />

im Westen Frankreichs gelegenen<br />

Besitzungen gebunden. Dieser gesamte Herrschaftskomplex<br />

wird zusammen mit England<br />

als das Angevinische Reich bezeichnet.<br />

Bereits 1172 erhält Richard im Alter von nur<br />

fünfzehn Jahren das Amt des Herzogs von<br />

Aquitanien, wo er sich während seiner Herr-<br />

FAKTEN<br />

Wichtige Kämpfe<br />

4.10.1190: Eroberung von Messina<br />

Frühjahr 1191: Eroberung von Zypern<br />

12.7.1191: Eroberung von Akkon<br />

7.9.1191: Schlacht bei Arsuf<br />

Anfang August 1192: Eroberung von Jaffa<br />

4.8.1192: Schlacht bei Jaffa<br />

4.7.1194: Fréteval<br />

28.9.1198: Gisors<br />

Bis heute: Richard Löwenherz ist eine der romantisch<br />

verklärtesten Figuren der Geschichte, und er gilt nach<br />

wie vor als einer der „englischsten“ Könige der<br />

britischen Geschichte…<br />

Von Otto Schertler<br />

schaftszeit in nicht endende Kämpfe mit<br />

widerspenstigen Vasallen, feindlichen<br />

Nachbarn und dem französischen Königtum<br />

verstrickt sieht.<br />

Bereits in jungen Jahren lernt er daher<br />

den Krieg aus eigener Erfahrung<br />

kennen, und seit<br />

dieser Zeit vergeht<br />

– bis auf die Phase<br />

seiner Gefangenschaft<br />

kein Jahr seines Lebens in dem er<br />

nicht im Feld steht. Er beteiligt sich an der<br />

von 1173–1174 währenden, vom französischen<br />

König unterstützten Rebellion gegen<br />

seinen Vater, mit dem er sich bis zu dessen<br />

Tod im Jahr 1189 nicht mehr versöhnen<br />

wird. Einer der Lehrmeister Richards in<br />

diesen frühen Jahren ist Graf Philipp von<br />

Flandern, der als einer der verschlagensten<br />

Krieger seiner Zeit gilt.<br />

Verbrannte Erde<br />

Größere Schlachten hat Richard hier – bis<br />

auf eine Ausnahme nicht zu bestehen,<br />

eher handelt es sich bei den zahlreichen<br />

Kämpfen um kleinere Gefechte oder Belagerungen.<br />

Große Feldschlachten versucht<br />

man nämlich während des Mittelalters<br />

so gut wie möglich zu vermeiden, zu<br />

hoch ist das Risiko, die eigene bewaffnete<br />

Macht zu verlieren. Schon der während<br />

des späten 4. Jahrhunderts n. Chr. lebende<br />

römische Militärschriftsteller Vegetius rät<br />

in seinem berühmten Handbuch „Epitoma<br />

rei militaris“, einer Kompilation älterer<br />

Schriften, in Bezug auf Feldschlachten:<br />

„Lass es sein!“ Das Werk des Vegetius ist<br />

während des Mittelalters an den Herrscherhöfen<br />

wohlbekannt, und diesem<br />

POPULÄR BIS HEUTE: Die faszinierende<br />

Aura des „guten Königs“ Richard Löwenherz<br />

ist bis heute ungebrochen. Hier eine<br />

Statue vor dem Parlamentsgebäude in<br />

London: Selbstbewusst und stolz sitzt<br />

Richard I. auf seinem Ross.<br />

Foto: picture-alliance<br />

74


IM HEILIGEN LAND: Richard I. und seine Armee beten<br />

vor einer Schlacht gemeinsam. Der König begibt<br />

sich schon kurz nach seiner Thronbesteigung auf den<br />

Kreuzzug und kämpft stets an der Seite seiner Truppe.<br />

Illustration von Gustave Doré aus dem 19. Jhd.<br />

Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />

Clausewitz 3/2013<br />

75


Feldherren<br />

militärischen Grundprinzip folgen selbst<br />

die kühnsten Befehlshaber, wie Richard,<br />

der in jedem Gefecht und bei jedem Aufklärungsritt<br />

rücksichtslosen Mut beweist. Viel<br />

wichtiger erscheint es, das feindliche Gebiet<br />

durch Streifzüge zu verwüsten oder<br />

Burgen zu erobern und zu halten, also die<br />

Anwendung einer Taktik der verbrannten<br />

Erde, die Heinrich V. später mit den Worten<br />

„Krieg ohne Feuer ist wie Würste ohne<br />

Senf“ rühmen sollte. Somit setzt man klugerweise<br />

auf einen langfristigen strategischen<br />

Vorteil gegenüber dem unberechenbaren<br />

Wagnis einer Feldschlacht, die selbst<br />

im Fall eines eigenen Sieges möglicherweise<br />

keine klaren Vorteile zu bringen vermag.<br />

Als Richard im Jahr 1187 von der katastrophalen<br />

Niederlage der Kreuzfahrer bei<br />

Hattin im Heiligen Land und dem damit<br />

verbundenen Verlust von Jerusalem hört,<br />

entschließt er sich sofort, das Kreuz zu nehmen.<br />

Doch erst nach dem Tod seines Vaters<br />

im Jahr 1189 und der folgenden Krönung in<br />

Westminster, kann der nun als König herrschende<br />

Richard sein Gelübde in die Tat<br />

umsetzen.<br />

„Saladin sollte sich als der größte Gegenspieler der<br />

Kreuzfahrer erweisen. Unter seiner Herrschaft wurden<br />

ab 1174 zum ersten Mal im 12. Jahrhundert alle<br />

großen muslimischen Nachbarherrschaften der Kreuzfahrer<br />

[…] in einem einzigen Reich zusammengefasst.“<br />

Dr. Martin Hoch in: Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai.<br />

Er begibt sich 1190 nach Tours, um dort Stab<br />

und Sack als Zeichen seiner Pilgerschaft anzunehmen.<br />

Dann vereinigt er seine Truppen<br />

mit denjenigen des französischen Königs<br />

Philipp II. Augustus.<br />

Die bewaffneten Pilger<br />

Das erste Ziel der Kreuzfahrer ist Sizilien,<br />

wo Richard den Familienzwist mit dem dortigen<br />

normannischen Herrscher Tankred<br />

von Lecce kurzerhand durch die Eroberung<br />

Messinas mit dem Schwert löst. 1191 setzt er<br />

seine Fahrt nach Osten fort und landet zunächst<br />

in Zypern, wohin das Schiff seiner<br />

Schwester Johanna durch einen Sturm verschlagen<br />

worden ist. Die Insel wird zu dieser<br />

Zeit von Isaak Dukas Komnenos, einem<br />

Mitglied des byzantinischen Kaiserhauses,<br />

wie ein unabhängiges Königreich regiert.<br />

Dieser hatte einen Teil der zusammen mit Johanna<br />

gestrandeten Kreuzfahrer gefangen<br />

genommen und überdies ein Bündnis mit<br />

Saladin geschlossen. Als sich Isaak weigert,<br />

die Gefangenen freizulassen, stürmt Richard<br />

kurzentschlossen mit seinen Kriegern den<br />

Strand nahe der Stadt Limassol und vertreibt<br />

die von Isaak dort in Stellung gebrachten<br />

Truppen. Die Kreuzfahrer nehmen an-<br />

LEGENDÄRER SIEG: Löwenherz und<br />

sein Heer vor Jaffa. Von See kommend,<br />

erobern sie die Stadt zurück.<br />

Jaffa ist während der Kreuzzüge heftig<br />

umkämpft. Die heutige Großstadt<br />

ist uns besser bekannt unter dem<br />

Namen Tel Aviv. Holzstich nach Gustave<br />

Doré, 19. Jhd.<br />

Abb.: picture-alliance/akg<br />

76


Kampf um Akkon<br />

HINTERGRUND<br />

Sultan Saladin – „Ritter des Morgenlandes“<br />

Das Leben Sultan Saladins ist ebenso von Legenden<br />

umrankt wie das seines Gegners Richard<br />

I. Löwenherz. Dabei<br />

genießt er besonders in<br />

der abendländischen Welt<br />

einen enormen Ruf als „edler<br />

Ritter des Morgenlandes“,<br />

der sein Wort niemals<br />

bricht und sich im<br />

Kampf stets ritterlich<br />

zeigt. Doch in der Realität<br />

ist auch er ganz ein<br />

Mensch seiner Zeit,<br />

und er hat als solcher<br />

keine Skrupel, nach<br />

der Schlacht von<br />

Hattin alle gefangenen<br />

Johanniter und<br />

Templer hinrichten<br />

zu lassen.<br />

Der 1138 in Tikrit im heutigen Irak geborene Saladin<br />

ist kurdischer Abstammung und dient zunächst<br />

dem über Syrien herrschenden Zengidenfürsten<br />

Nur ad-Din als Militärführer. In dessen<br />

Auftrag nimmt er an einer Militärexpedition<br />

nach Ägypten teil, die das Land vor den Kreuzfahrern<br />

schützen soll. Dort löst er schließlich<br />

die schwache Dynastie der Fatimiden ab und begründet<br />

seine eigene Herrschaft. Nach dem Tod<br />

Nur ad-Dins bringt er zunächst Damaskus und<br />

Syrien unter seine Herrschaft und nimmt 1175<br />

den Sultanstitel an. Als bedeutendster Herrscher<br />

der damaligen islamischen Welt stellt<br />

sich Saladin erfolgreich den Kreuzfahrern in den<br />

Weg und erobert von diesen Jerusalem zurück.<br />

Saladin stirbt, bald nachdem sein Widersacher<br />

Richard I. Palästina verlassen hatte, am 4. März<br />

1193, doch sein Ruhm überdauert sowohl in<br />

der islamischen als auch der christlichen Welt<br />

die Jahrhunderte bis heute.<br />

EBENBÜRTIGER GEGENSPIELER: Diese Darstellung aus dem 19. Jhd. zeigt Saladin als siegreichen<br />

Feldherren. Trotz erfolgreicher militärischer <strong>Operation</strong>en überlässt Richard I. in einem Vertrag<br />

seinem muslimischen Widersacher die Kontrolle von Jerusalem. Abb.: picture-alliance/Prisma Archivo<br />

schließend Limassol ein und plündern die<br />

dortigen Vorräte. Isaak rückt mit weiteren<br />

Truppen bis in die Nähe der Stadt vor und<br />

plant für den nächsten Tag eine Schlacht gegen<br />

die Kreuzfahrer, doch Richard lässt bereits<br />

in der Nacht die Pferde von den Schiffen<br />

holen und macht sich für einen Angriff<br />

im Morgengrauen fertig. Die Truppen Isaaks<br />

werden völlig überrascht und vernichtend<br />

geschlagen, während er selbst unter Zurücklassung<br />

seines gesamten Schatzes gerade<br />

noch zu entkommen vermag. Die Eroberung<br />

der Insel durch Richard kann er jedoch nicht<br />

mehr aufhalten und gerät schließlich in Gefangenschaft.<br />

Damit verfügen die Kreuzfahrer<br />

über eine strategisch überaus wichtige,<br />

gesicherte Nachschubstation für den Kampf<br />

im Heiligen Land, die als Basis für die dortigen<br />

christlichen Territorien dient.<br />

Das fallende Banner<br />

Dann macht sich Richard auf den Weg nach<br />

Palästina, wo die Dinge für die Christen seit<br />

Saladins Offensive nicht zum Besten stehen.<br />

Innerer Zwist, Machtkämpfe und die<br />

Bedrohung durch den großen muslimischen<br />

Herrscher haben die christlichen Gebiete<br />

an den Rand des Untergangs gedrängt.<br />

Am 8. Juni des Jahres 1191 trifft König<br />

Richard I. mit seiner Flotte vor Akkon<br />

ein und schließt sich dort dem vorausgeeilten<br />

französischen König an. Die Belagerung<br />

der Stadt ist bereits in vollem Gange, und<br />

beide Könige stehen nun miteinander im<br />

Wettstreit um die Führungsposition im Belagerungsheer.<br />

Am 12. Juli kapituliert Akkon,<br />

und als die Banner der beiden christlichen<br />

Könige auf den Stadtmauern aufgepflanzt<br />

werden, reißen einige Gefolgsleute<br />

König Richards das ebenfalls auf den Mauern<br />

wehende Banner Herzog Leopolds V.<br />

von Österreich herunter. Damit hat sich Richard<br />

einen Feind geschaffen, der nun auf<br />

die Gelegenheit zur Rache wartet. Während<br />

König Philipp von Frankreich, angeblich aus<br />

gesundheitlichen Gründen, Palästina vorzeitig<br />

verlässt, setzt Richard, der froh ist, seinen<br />

Rivalen los zu sein, den Kreuzzug fort. Zunächst<br />

lässt er wegen der von Sultan Saladin<br />

nicht eingehaltenen Übergabebedingungen<br />

von Akkon etwa 3.000 muslimische<br />

Gefangene hinrichten. Von Akkon aus marschieren<br />

die Kreuzfahrer dann auf der uralten<br />

Küstenstraße, auf der schon die Heere<br />

der Pharaonen und Assyrer entlang gezogen<br />

waren, in Richtung Süden.<br />

Sieg über Saladin<br />

Auf diesem Weg wird das taktische und<br />

strategische Können des Herrschers besonders<br />

deutlich. Das Kreuzfahrerheer formiert<br />

sich zu einem gewaltigen Karree, wobei die<br />

gepanzerten Fußkrieger die Seiten bilden,<br />

AUFRÜHRERISCHE VERWANDTSCHAFT:<br />

Während Löwenherz im Heiligen Land<br />

kämpft, organisiert sein Bruder Johann<br />

Ohneland (links) eine Rebellion. Richard I.<br />

schlägt diese nach seiner Heimkehr nieder.<br />

Abb.: picture-alliance/akg-images<br />

Clausewitz 3/2013<br />

77


Feldherren<br />

chen aus der Formation aus, um sich auf die<br />

Feinde zu stürzen. Dabei reißen sie einen<br />

Teil der anderen Ritter mit, die ebenfalls<br />

nach vorne in den Kampf stürmen. Dies ist<br />

der kritische Moment der Schlacht, Richard<br />

handelt sofort und geht mit seinen eigenen<br />

Rittern nun selbst zum Angriff über, und<br />

„da hieb der König, der grimmige, [...] die<br />

Türken in jeder Richtung nieder […]“. Das<br />

Ergebnis ist ein vollständiger Sieg über den<br />

bis dahin für unbesiegbar gehaltenen Saladin.<br />

Kurz darauf ziehen die siegreichen<br />

Kreuzfahrer in die Stadt Jaffa ein.<br />

Richard plant das weiter südlich gelegene<br />

Askalon zu besetzen, um es als Basis eines<br />

nach Ägypten das Herz von Saladins<br />

Reich gerichteten, großen strategischen<br />

Feldzugs zu nutzen. Doch im Kriegsrat wird<br />

er überstimmt, und nach ergebnislosen Verhandlungen<br />

mit Saladin bricht Richard am<br />

31. Oktober in Richtung Jerusalem auf.<br />

Saladins ergreift die Initiative<br />

Der Feldzug wird nicht zuletzt aus Witterungsgründen<br />

abgebrochen, und Richard<br />

zieht sich nach Askalon zurück, das er zur<br />

stärksten Festung Palästinas ausbauen<br />

lässt. Die folgenden Monate sind angefüllt<br />

mit internen Streitigkeiten um die Macht in<br />

Palästina, gleichzeitig treffen aus England<br />

beunruhigende Nachrichten über eine Verschwörung<br />

seines Bruders Johann mit dem<br />

französischen König ein. Richard entscheidet<br />

sich trotz aller Sorge um sein Reich für<br />

das Bleiben, doch sein Plan eines Feldzuges<br />

nach Ägypten wird von den anderen<br />

Kreuzfahrern erneut abgelehnt. Auch der<br />

Marsch nach Jerusalem kommt nicht zustande,<br />

stattdessen ergreift Saladin die Initiative<br />

und er kann Anfang August des Jahres<br />

1192 Jaffa, aber nicht dessen Zitadelle,<br />

erobern. Kurz darauf erscheint Richard von<br />

See her, und es gelingt ihm, die Stadt zurückzuerobern.<br />

Am 4. August kommt es vor den Mauern<br />

zu einer weiteren Schlacht zwischen Richard<br />

und Saladin. Der englische König<br />

TOD IN DER SCHLACHT: Bei der Belagerung von Châlus 1199 wird Löwenherz von einem<br />

Pfeil getroffen und stirbt kurz darauf. Der Legende nach hat er dem feindlichen Todesschützen<br />

noch auf dem Sterbebett vergeben.<br />

Abb.: picture-allianc/akg<br />

während die Ritter und der Tross sich innerhalb<br />

der Vierecksformation befinden. In der<br />

sommerlichen Hitze setzen die ständig unter<br />

dem Beschuss von Saladins berittenen<br />

Bogenschützen stehenden Kreuzfahrer ihren<br />

Weg unbeirrt fort.<br />

Ungestümer Angriff<br />

Am 7. September stellt sich Saladin schließlich<br />

bei Arsuf zur Schlacht. Richard hatte<br />

zwar befohlen, den feindlichen Angriffen so<br />

lange standzuhalten, bis er das Zeichen zum<br />

Gegenangriff geben würde, doch zwei der<br />

mittlerweile bis zur Weißglut gereizten Ritter<br />

verlieren schließlich die Nerven und bre-<br />

FARBENPRÄCHTIG: Diese Lithographie<br />

nach Zeichnungen von Albert Kretschmer<br />

(1825–1891) zeigt normannische Kostüme<br />

aus der Zeit Richards I. Der König selbst ist<br />

in der unteren Reihe ganz links als Krieger<br />

und daneben als König abgebildet.<br />

Abb.: picture-alliance/akg<br />

78


Lösegeld für den inhaftierten König<br />

und lässt den als Kreuzfahrer unter dem<br />

Schutz der Kirche stehenden Richard in der<br />

Burg Dürnstein inhaftieren. 1193 übergibt<br />

er den Gefangenen schließlich Heinrich VI.,<br />

Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.<br />

Dieser bringt Richard in die in der Pfalz gelegene<br />

Burg Trifels und entlässt ihn erst<br />

nach der Zahlung eines ungeheuren Lösegelds<br />

von 150.000 Silbermark sowie der<br />

Ableistung des Lehnseides. Kaum der<br />

Gefangenschaft entkommen, muss Richard<br />

in England die Rebellion seines Bruders<br />

Johann Ohneland unterdrücken. Danach<br />

kehrt er nach Frankreich zurück, um seine<br />

dortigen Besitzungen gegen die Angriffe<br />

Philipps II. zu schützen. Nachdem er mit<br />

diesem einen Waffenstillstand abgeschlossen<br />

hat, macht sich Richard daran, die Revolte<br />

eines Vasallen niederzuschlagen. Bei<br />

der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol<br />

wird er jedoch von einem Armbrustbolzen<br />

tödlich verwundet. Er stirbt am 6. April 1199.<br />

IN GEFANGENSCHAFT: Auf der Burg Dürnstein<br />

(heute eine Ruine) in Österreich wird Löwenherz,<br />

mit französischem Einverständnis, festgehalten.<br />

Foto: picture-alliance<br />

stellt seine Truppen in einer festen Schlachtordnung<br />

auf, wobei die Frontlinie von lanzenbewehrten<br />

Schildträgern gebildet wird.<br />

Dahinter befinden sich Paare von Armbrustschützen,<br />

von denen einer die Waffe<br />

lädt, während der zweite schießt. Die Aufstellung<br />

derartiger Formationen ist keine<br />

Erfindung Richards, sie findet sich in ähnlicher<br />

Form bereits in der älteren byzantinischen<br />

Militärliteratur. Die Normannen, von<br />

denen Richard ja abstammt, bewegten sich<br />

bereits vor den Kreuzzügen als Söldner im<br />

östlichen Mittelmeerraum, und daher ist<br />

anzunehmen, dass auch Richard Kenntnis<br />

von derartigen Kampftaktiken hat. Der Hagel<br />

der durchschlagskräftigen Armbrustbolzen<br />

bleibt nicht ohne Wirkung, und die<br />

Formationen halten jedem Angriff stand.<br />

Erneut geht Richard mit seinen Rittern zum<br />

Gegenangriff über und „[...] war ein Gigant<br />

in der Schlacht [...]. An jenem Tag leuchtete<br />

sein Schwert wie der Blitz [...]“. Richards<br />

erneuter Sieg über Saladin bleibt jedoch ohne<br />

Folgen, beide Seiten sind erschöpft, zudem<br />

ist der König erkrankt, und am 9. Oktober<br />

1192 verlässt er schließlich Palästina.<br />

Die Rache des Herzogs<br />

Wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit ist<br />

eine Rückfahrt nach England über Gibraltar<br />

zur See nicht mehr möglich. Richard wählt<br />

daher mit einigen Begleitern den Seeweg<br />

nach Istrien, um von dort aus den Weg über<br />

Land in Richtung Böhmen einzuschlagen.<br />

Doch nahe Wien wird seine Tarnung durchschaut,<br />

und Herzog Leopold V. von Österreich<br />

sieht nun eine hervorragende Gelegenheit,<br />

sich für die Demütigung von Akkon<br />

zu rächen. Er zögert keine Sekunde<br />

„Wer fähig ist, mich, den König, zu töten, ist es wert,<br />

zum Ritter geschlagen zu werden.“<br />

Der Legende nach die letzten Worte von König Löwenherz. In Wirklichkeit<br />

dürfte dem Todesschützen ein anderes Los zuteil geworden sein…<br />

KÖNIGLICHE RUHESTÄTTE: Das Grabmal Richards<br />

I. liegt in der Abteikirche Notre-Damede-Fontevrauld.<br />

Auch sein Vater Heinrich II.<br />

ist hier beigesetzt zu Lebzeiten waren beide<br />

Gegner. Foto: picture-alliance/akg-images/Erich Lessing<br />

Abenteurer und König<br />

Zusammenfassend kann man über Richard<br />

Löwenherz sagen, dass er weniger ein zielstrebiger<br />

König als vielmehr ein abenteuerlustiger<br />

Ritter ist, der sozusagen „nebenbei“<br />

auch ein Herrscheramt ausübt. Persönlich<br />

außerordentlich mutig und immer im<br />

dichtesten Kampfgetümmel zu finden,<br />

führt er seine Truppen immer „von der<br />

Front“ aus: In Messina erstürmt Richard an<br />

der Spitze seiner Männer die Tore, in Jaffa<br />

springt er vom Schiff und bildet mit seinen<br />

Truppen einen wichtigen Brückenkopf,<br />

während er sich in den Schlachten von Arsuf<br />

und Jaffa ebenfalls inmitten des Kampfes<br />

befindet. Interessant ist dabei auch, was<br />

die „feindlichen“ islamischen Quellen über<br />

die Persönlichkeit Richards berichten. Sie<br />

rühmen seine „Weisheit, Erfahrung, Tapferkeit<br />

und Energie“, fürchten aber auch „die<br />

Schläue dieses verfluchten Mannes. Um<br />

seine Ziel zu erreichen, benutzt er manchmal<br />

sanfte Worte, manchmal gewaltsame<br />

Taten. Gott allein war fähig, uns vor seiner<br />

Bosheit zu retten. Niemals mussten wir einem<br />

scharfsinnigeren oder kühneren Gegner<br />

die Stirn bieten.“ Soweit der Chronist<br />

Baha ad-Din, einer der fähigsten Kommandeure<br />

Sultan Saladins, der hier ein wohl<br />

treffendes Bild König Richards I. zeichnet.<br />

Otto Schertler, Jg. 1962, studierte Vorderasiatische<br />

Archäologie, Ethnologie sowie Vor- und Frühgeschichte<br />

an der Universität München. Er lebt und arbeitet als<br />

Autor und Übersetzer in München.<br />

Clausewitz 3/2013<br />

79


Museum<br />

ANSCHAULICH: Blick in einen der<br />

ehemaligen Ställe, in denen bis zu<br />

72 Pferde unterkamen. Foto: Autor<br />

Das Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />

An historischer Stätte<br />

Zossen-Wünsdorf zählt zu Deutschlands bedeutendsten ehemaligen Militärstandorten. Von<br />

dort aus wurde zeitweilig sogar die Weltgeschichte beeinflusst. Das Garnisonsmuseum<br />

Wünsdorf hält die Erinnerung an seine wechselvolle Geschichte wach. Von Thomas Gliesche<br />

Rund 40 Kilometer südlich von Berlin<br />

befindet sich die Ortschaft Wünsdorf.<br />

Ein Jahr vor Abzug des in Wünsdorf<br />

stationierten Oberkommandos der Gruppe<br />

der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland<br />

im Jahr 1994 trafen sich hier militärhistorisch<br />

Interessierte und gründeten den „Militärhistorischen<br />

Verein Zossen-Wünsdorf“,<br />

seit 1997 „Förderverein Garnisonsmuseum<br />

Wünsdorf e.V.“. Die Vereinsmitglieder erforschen<br />

seitdem die Militärgeschichte von Zossen<br />

und Wünsdorf.<br />

Wie kam es zur Errichtung der Garnison<br />

in Zossen-Wünsdorf? Um 1900 war das Tempelhofer<br />

Feld als Übungsgelände für das<br />

Berliner Gardekorps zu klein geworden. Aus<br />

diesem Grund entschied das preußische<br />

Kriegsministerium im Jahre 1906, an der von<br />

Zossen in Richtung Baruth führenden<br />

Chaussee einen Truppenübungsplatz mit<br />

Truppenlager einzurichten.<br />

Ein weiterer wesentlicher Grund für die<br />

Standortwahl war die seit 1875 bestehende<br />

Bahnstrecke der Königlich Preußischen Militär-Eisenbahn,<br />

die von Berlin über Zossen<br />

zum Artillerie-Schießplatz Kummersdorf<br />

verlief.<br />

Das 2001 eröffnete Garnisonsmuseum<br />

Wünsdorf befindet sich in einem sanierten,<br />

um 1911 erbauten Pferdestall. Hier werden<br />

die in langjähriger Forschungsarbeit gewonnenen<br />

Erkenntnisse in Wort und Bild präsentiert.<br />

Zahlreiche, zum Teil sehr unterschiedliche<br />

Exponate sind auf rund 400 Quadratmetern<br />

Ausstellungsfläche zu sehen. Die<br />

Dauerausstellung ist vornehmlich der Zeit<br />

EINLADEND: Blick auf den Eingangsbereich<br />

des Garnisonsmuseums Wünsdorf, das in einem<br />

sanierten Pferdestall untergebracht ist.<br />

Foto: Autor<br />

der Nutzung des Militärstandortes in den<br />

Jahren 1910 bis 1945 gewidmet.<br />

Im ersten Ausstellungsbereich wird die<br />

Entstehungsgeschichte des Truppenübungsplatzes<br />

und Truppenlagers („Stammlager<br />

Zossen“) gezeigt. Die Geschichte des heute<br />

nicht mehr existierenden Ortes Zehrensdorf<br />

wurde in diesem Zusammenhang aufgearbeitet.<br />

So erhält der Besucher vielfältige In-<br />

KONTAKT<br />

Förderverein Garnisonsmuseum Wünsdorf e.V.<br />

Gutenbergstraße 9, 15806 Zossen OT Wünsdorf<br />

Telefon: 033702 65451<br />

E-Mail:<br />

vorstand@garnisonsmuseum-wuensdorf.de<br />

Internet: www.garnisonsmuseum-wuensdorf.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

April bis Oktober: tägl. 10.00 – 17.00 Uhr<br />

November bis März: Montag Ruhetag, ansonsten<br />

nur nach telefonischer Voranmeldung unter Tel.:<br />

033702 9600 (Bücherstadt Tourismus GmbH)<br />

80


ÜBERREST: Ruine eines Bunkerhauses der<br />

Bunkersiedlung „Maybach I“ im heutigen Zustand.<br />

Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />

TEILANSICHT: Blick auf das „Stammlager Zossen“.<br />

Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />

formationen über das einstige „Soldatendorf“<br />

sowie über die Schicksale von Bewohnern,<br />

die ihr Dorf verlassen mussten.<br />

Ein weiterer Bereich informiert über die<br />

Infanterieschießschule in Wünsdorf, die<br />

nach nur zweijähriger Bauzeit am 1. Oktober<br />

1913 zur Nutzung übergeben wurde. Hier<br />

wurden Offiziere und Unteroffiziere mit der<br />

Schießlehre vertraut gemacht, aber auch<br />

sämtliche Hand- und Maschinenfeuerwaffen<br />

erprobt.<br />

Ein weiteres Thema ist das im August<br />

1914 infolge des Ersten Weltkriegs errichtete<br />

Kriegslager in Wünsdorf. In diesem Barackenlager<br />

sorgten Ersatztruppenteile für den<br />

Personalersatz zum Ausgleich der hohen<br />

Menschenverluste der Stammregimenter an<br />

den Fronten.<br />

Im September 1914 entstand in Zossen ein<br />

Kriegsgefangenenlager, das sogenannte<br />

„Weinberglager“. Im Dezember 1914<br />

VIELFÄLTIGE EXPONATE:<br />

Auch Uniformen der<br />

Wehrmacht werden<br />

den Besuchern<br />

präsentiert.<br />

Foto: Autor<br />

folgte in Wünsdorf das „Halbmondlager“. In<br />

diesen Lagern waren ausschließlich muslimische<br />

Kriegsgefangene untergebracht, die<br />

aus den britischen und französischen Kolonien<br />

und aus Staaten des britischen Herrschaftsgebietes<br />

stammten.<br />

Da die Militärturnanstalt in Berlin veraltet<br />

war, wurde ein Neubau geplant und als<br />

Standort Wünsdorf bestimmt. So entstand<br />

die im Oktober 1916 fertig gestellte Militärturnanstalt<br />

Wünsdorf, die später in „Heeressportschule“<br />

umbenannt wurde. Über die<br />

damalige Sportausbildung, aber auch über<br />

die Vorbereitung von Militärsportlern auf<br />

die Olympischen Spiele 1936 informiert das<br />

Museum und zeigt vielfältige Exponate.<br />

1937 begannen in Zossen umfangreiche<br />

Baumaßnahmen zur Errichtung eines geheimen<br />

Nachrichtenbunkers mit Tarnnamen<br />

„Zeppelin“ sowie von zwölf Bunkerhäusern<br />

für das Hauptquartier des Oberkommandos<br />

des Heeres (OKH), die sogenannte Bunkersiedlung<br />

„Maybach I“. Die Arbeiten an einer<br />

zweiten, aus elf Bunkern bestehenden<br />

Siedlung „Maybach II“ begannen 1940.<br />

Im Ausstellungsbereich zur Geschichte<br />

der Garnison von den 1920er-Jahren<br />

bis 1945 wird die Entstehung weiterer<br />

Kasernenanlagen an diesem<br />

BLICK IN DIE VERGANGENHEIT: Aufnahme<br />

der Bunkersiedlung „Maybach I“, 1939/40.<br />

Foto: Vereinsarchiv FV Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />

Standort dokumentiert. Ebenso spielt die<br />

Entwicklung der deutschen Panzertechnik<br />

eine große Rolle. Schon 1928 wurden erste<br />

Prototypen in Kasan (Russland) getestet.<br />

Mit der Stationierung der Panzertruppenschule<br />

und ihrer Lehrtruppen entstand ab<br />

1935 in Wünsdorf das organisatorisch-geistige<br />

Zentrum der Panzerwaffe des deutschen<br />

Heeres. Die Aufstellung der Panzer-Regimenter<br />

5, 6 und 8 erfolgte ebenfalls in Zossen<br />

und Wünsdorf. Viele Exponate und Erlebnisberichte<br />

konnte der Verein für das Museum<br />

von Zeitzeugen und ehemaligen Angehörigen<br />

des Panzer-Regiments 5 sammeln.<br />

Diese Einblicke in einige ausgewählte<br />

Ausstellungsbereiche können nur einen<br />

Ausschnitt dessen widerspiegeln, was den<br />

Besucher im Garnisonsmuseum Wünsdorf<br />

erwartet.<br />

ÜBERBLEIBSEL: Glasvitrine mit Relikten<br />

des Zweiten Weltkriegs.<br />

Foto: Autor<br />

ABWECHSLUNGSREICH: Blick in die verschiedenen<br />

Ausstellungsbereiche des Garnisonsmuseums.<br />

Foto: Autor<br />

Clausewitz 3/2013<br />

81


<strong>Vorschau</strong><br />

Nr. 13 | 3/2013 | Mai-Juni | 3.Jahrgang<br />

Internet: www.clausewitz-magazin.de<br />

„Völkerschlacht“ bei Leipzig 1813<br />

Der Triumph der „Koalition“ über Napoleon<br />

Oktober 1813: Vor 200 Jahren findet bei Leipzig eine der<br />

wichtigsten Entscheidungsschlachten der „Befreiungskriege“<br />

gegen Napoleons Fremdherrschaft statt. Sie geht schließlich<br />

als „Jahrhundertschlacht“ in die Geschichte ein.<br />

Redaktionsanschrift<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Infanteriestr. 11a, 80797 München<br />

Tel. +49 (0) 89.130699.720<br />

Fax +49 (0) 89.130699.700<br />

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Redaktion Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur),<br />

Maximilian Bunk, M.A. (Redakteur),<br />

Markus Wunderlich (Redaktionsleiter)<br />

Berater der Redaktion Dr. Peter Wille<br />

Ständiger Mitarbeiter Dr. Joachim Schröder<br />

Layout Ralph Hellberg<br />

Leserservice<br />

Tel. 0180 – 532 16 17 (14 Cent/Min.)<br />

Fax 0180 – 532 16 20 (14 Cent/Min.)<br />

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Gesamtanzeigenleitung<br />

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helmut.gassner@verlagshaus.de<br />

Anzeigenverkauf und Disposition<br />

Johanna Eppert<br />

Tel. +49 (0) 89.13 06 99.130<br />

johanna.eppert@verlagshaus.de<br />

Es gilt Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1.1.2013.<br />

Litho ludwigmedia, Zell am See, Österreich<br />

Druck Quad/Graphics, Wyszków, Polen<br />

Verlag GeraMond Verlag GmbH,<br />

Infanteriestraße 11a,<br />

80797 München<br />

www.geramond.de<br />

Kampf um Charkow 1943<br />

Hitlers letzter Sieg im Osten<br />

Frühjahr 1943: Der Südflügel der<br />

deutschen Ostfront befindet sich<br />

auf dem Rückzug. Um die Front<br />

wieder zu stabilisieren, entscheidet<br />

sich Hitler für eine Gegenoffensive<br />

in Richtung Charkow...<br />

Geschäftsführung Clemens Hahn, Carsten Leininger<br />

Herstellungsleitung Zeitschriften Sandra Kho<br />

Vertriebsleitung Zeitschriften Dr. Regine Hahn<br />

Vertrieb/Auslieferung Bahnhofsbuchhandel,<br />

Zeitschriftenhandel: MZV Moderner Zeitschriften<br />

Vertrieb GmbH & Co. KG, Unterschleißheim<br />

Im selben Verlag erscheinen außerdem:<br />

Fotos: picture-alliance/akg-images; ullstein bild; picture-alliance/dpa<br />

Messerschmitt Me 262<br />

Revolutionäre Entwicklung<br />

Ende 1944: Die Me 262 gilt<br />

als „Wunderwaffe“ der Luftwaffe.<br />

Das modernste Kampfflugzeug<br />

des Zweiten Weltkrieges<br />

beeinflusste die<br />

Flugzeugentwicklung nach<br />

Kriegsende weit über 1945<br />

hinaus...<br />

Außerdem im nächsten Heft:<br />

Kampf um Wien 1683. Sieg des „Abendlandes“. Joseph Wenzel Graf Radetzky von<br />

Radetz (1766–1858). Österreichs berühmter Feldherr.<br />

Und viele andere Beiträge aus den Wissengebieten Geschichte, Militär und Technik.<br />

Lieber Leser,<br />

Sie haben Freunde, die sich ebenso für Militärgeschichte<br />

begeistern wie Sie? Dann empfehlen Sie uns<br />

doch weiter! Ich freue mich über jeden neuen Leser.<br />

Ihr verantwortlicher Redakteur<br />

<strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

Dr. Tammo Luther<br />

Die nächste Ausgabe<br />

von<br />

erscheint<br />

am 10. Juni 2013<br />

Preise Einzelheft € 5,50 (D),<br />

€ 6,30 (A), € 6,50 (LUX), sFr. 11,00 (CH)<br />

(bei Einzelversand jeweils zzgl. Versandkosten)<br />

Jahresabonnement (6 Hefte) € 29,70 € incl. MwSt.,<br />

im Ausland zzgl. Versandkosten<br />

Erscheinen und Bezug <strong>CLAUSEWITZ</strong> erscheint zweimonatlich.<br />

Sie erhalten <strong>CLAUSEWITZ</strong> in Deutschland,<br />

in Österreich, in der Schweiz und in Luxemburg im<br />

Bahnhofsbuchhandel, an gut sortierten Zeitschriftenkiosken<br />

sowie direkt beim Verlag.<br />

ISSN 2193-1445<br />

© 2013 by GeraMond Verlag. Die Zeitschrift und alle<br />

in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />

geschützt. Durch Annahme eines Manuskripts<br />

erwirbt der Verlag das ausschließliche<br />

Recht zur Veröffentlichung. Für unverlangt eingesandte<br />

Fotos und Manuskripte wird keine Haftung übernommen.<br />

Gerichtsstand ist München. Verantwortlich<br />

für den redaktionellen Inhalt: Dr. Tammo Luther; verantwortlich<br />

für die Anzeigen: Helmut Kramer, beide:<br />

Infanteriestraße 11a, 80797 München.<br />

Hinweis zu §§ 86 und 86a StGB: Historische Originalfotos<br />

aus der Zeit des „Dritten Reiches“ können<br />

Hakenkreuze oder andere verfassungsfeindliche<br />

Symbole abbilden. Soweit solche Fotos in <strong>CLAUSEWITZ</strong><br />

veröffentlicht werden, dienen sie zur Berichterstattung<br />

über Vorgänge des Zeitgeschehens und dokumentieren<br />

die militärhistorische und wissenschaftliche<br />

Forschung. Wer solche Abbildungen aus diesem Heft<br />

kopiert und sie propagandistisch im Sinne von<br />

§ 86 und § 86a StGB verwendet, macht sich strafbar!<br />

Redaktion und Verlag distanzieren sich ausdrücklich<br />

von jeglicher nationalsozialistischer Gesinnung.<br />

82


Chronik des Untergangs:<br />

Mythos und Wirklichkeit<br />

Nur € 9,90!<br />

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www.clausewitz-magazin.de


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